Title:  Ts-213 (Big Typescript) (WL) - Diplomatic transcription [Draft]
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Author:  Ludwig Wittgenstein
Editor:   Edited by
Organization: Wittgenstein Archives at the University of Bergen (WAB). Editors: Alois Pichler, WAB (text and facsimile)
Funders & Partners:   Trinity College, Cambridge; Oxford University Press, Oxford; Uni Research, Bergen; University of Bergen, Bergen; L. Meltzers Høyskolefond, Bergen; COST Action A32, Brussels; eContent+ DISCOVERY, Luxembourg; ICT PSP DM2E, Brussels
Transcription: NN (NWP), Masahiro Oku, Peter Cripps, Heinz Wilhelm Krüger, Franz Hespe, Laurence Goldstein (transcription in MECS-WIT markup: 1994, 1997)
Alois Pichler (2001-: coordination and editorial guidelines; amendments; conversion from MECS-WIT to XML-TEI; XML-TEI markup)
Claus Huitfeldt, Kjersti Bjørnestad Berg, Sindre Sørensen, MLCD project (2001: parser for conversion from MECS to XML)
Vemund Olstad, Øyvind L. Gjesdal (2002-: stylesheets)
Tone Merete Bruvik, Øyvind L. Gjesdal (2006-: XML-TEI validation)
Heinz Wilhelm Krüger, Deirdre C. P. Smith (2006-: amendments; XML-TEI markup)
Alexander Berg (2014: proofreading)
Rights:  Copyright holders: The Master and Fellows of Trinity College, Cambridge; University of Bergen, Bergen. Released under the Creative Commons General Public License Attribution, Non-Commercial, Share-Alike version 3 (CCPL BY-NC-SA).
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Verstehen.








































1
     

1
Das Verstehen, die Meinung, fällt aus unsrer Betrachtung heraus.
     


     Kann man denn etwas Anderes als ˇ<…> einen Satz verstehen?
     Oderˇ aber: Ist es nicht erst ein Satz, wenn man es versteht. Also: Kann
man Etwas anders, als als Satz verstehen?
     

S 7

     Man könnte // möchte // davon reden, “einen Satz zu erleben”.
     Lässt sich dieses Erlebnis niederschreiben?

     

[Zu: “das Wort hat nur im Satz Sinn”]

     Da ist es wichtig, dass es in einem gewissen Sinne keinen halben Satz
gibt.
     Das heisst, vom halben Satz gilt, was vom Wort gilt, dass es er nur im
Zusammenhang|des Satzes Sinn //Bedeutung// hat.
     

         Prüfen: Überlegen:
     Das Verstehen fängt aber erst mit dem Satz an. (uUnd darum interessiert
es uns nicht.). // Das Verstehen fängt|aber erst mit dem Satz an.//
     

     Wie es keine Metaphysik gibt, so gibt es keine Metalogik. Das Wort
“Verstehen”, der Ausdruck “einen Satz verstehen”, ist|auch nicht metalo-
gisch, sondern ein Ausdruck wie jeder andre der Sprache.
     

     ˇMan könnte sagen: Wir haben es also in unsern Betrachtungen mit dem Verstehen des Sat-
zes nicht zu tun; denn wir selbst müssen ihn verstehen, damit er für uns
ein Satz ist.
Was soll uns das Verstehen bekümmern?
Wir müssen ja den Satz verstehen, daß er für uns
ein Satz ist!


2
     
     Es wäre ja auch seltsam, dass die Wissenschaft und die Mathematik die
Sätze gebraucht, aber von ihrem Verstehen nicht</>spricht.
     

     Man sieht in dem Verstehen das Eigentliche, im Zeichen das Nebensächli-
che. – Uebrigens, wozu dann das Zeichen überhaupt? – Nur um sich Andern
verständlich zu machen? Aber wie ist das dies möglich[.| ?] Aber wie geschieht dies? – Hier wird Wir sehen hier [Man sieht hier da das Zeichen
als eine Medizin betrachtet an // angesehen //, die im Andern die gleichen
MagensSchmerzen Zustände hervorrufen soll, wie ich sie habe.
     

     Auf die Frage “was meinst du”, muss zur Antwort kommen: p; und nich[z|t] kommt zur Antwort: “ich meine p”, & nicht
“ich meine das, was ich mit ‘p’ meine”.
     

S. 11 oder S 172

     Die gesamte Sprache kann nicht missverstanden werden. Denn sonst gäbe es werden; sonst gäbe es……
zu diesem Missverständnis wesentlich keineErklärung // Aufk[k|l]ärung//.
     Das heisst eben, dDie (ganze) Sprache muss für sich selbst sprechen.
[dazu 3/1] dazu 3/1
     

     Man kann es auch so sagen: wenn man sich immer in einem Sprachsystem aus-
drückt und also, was ein Satz meint, nur durch Sätze dieses Systems erklärt,
so fällt am Schluss ˇdie Meinung ganz aus der Sprache, also aus der Betrachtung,
heraus und es bleibt die Sprache, das Einzige, was wir betrachten können.
Was ein Satz meint, sagt eine Erklärung.
     

     Gesprochenes kann man nur durch die Sprache erklären, Gesprochenes erklärt man durch die Sprache; [,|d]arum kann man die
Sprache
(in diesem Sinne) nicht erklären.
     

     Ich will doch sagen: Die ganze Sprache kann man nicht interpretieren.
     Eine Interpretation ist immer nur eine im Gegensatz zu einer an-
dern.
Sie hängt sich an das Zeichen und reiht es in ein weiteres S[u|y]stem
ein.

3
     
Zu S 2/3 etwa zu S. 94

     Alles was ich in der Sprache tun kann, ist etwas sagen: das
eine sagen. (Das eine sagen im Raumeˇ der Möglichkeiten dessen, was ich hätte sagen kön-
nen.) (Keine Metalogik.)

     

     Wenn Frege gegen die formale Auffassung der Arithmetik spricht, so
sagt er gleichsam: diese kleinlichen Erklärungen, die Symbole betreffend,
sind müssig, wenn wir diese verstehen. Und das Verstehen besteht quasi
im Sehen //ist quasi das Se[e|h][h|e]n// eines Bildes, aus demdann alle Regeln
folgen (wodurch sie verständlich werden). Frege sieht aber nicht, dass
dieses Bild nur wieder ein Zeichen ist, oder ein Kalkül, der uns dem ge-
schriebenen Kalkül erklärt.
     Aber das Verständnis gleicht überha[i|u]pt immer dem, welches Und, was wir Verstehen einer Sprache nennen, gleicht überhaupt dem Verständnis, welches wirˇ <…> für ei-
nen Kalkül kriegen, wenn wir z.B. seine Entstehung Genesis die Gründe seiner Entstehung, oderˇ seine praktische Anwendung,
kennen lernen. Und natürlich lernen wir auch da wieder nur auch da lernen wir nur einen uns über-
sichtlichern ˇSymbolismus statt des fremden kennen. (Verstehen heisst hierˇ etwa übersehen.)
     

Zu S 108 oder zum Kapitel: “Begleitet eine Kenntnis der gr. Regeln den Ausdr. d. Satzes wenn etc.”

     Wenn komplizierte ˇseelische psychische Vorgängeˇ hinter der Front der Symbole beim Verstehen des Wortes “und” eine Rolle
spielen
und das Verstehen etwas für uns wesentliches ist, wie kommt es,
dass diese Vorgänge in der symbolischen Logik nie erwähnt werden? Wie kommt
es,
dass von ihnen in der Logik nie die Rede ist, noch sein braucht?


     

     (Im gewöhnlichen Leben,) wWenn ich jemandem einen Befehl gebe, so ist es
mir gan ganz genug, ihm Zeichen zu geben. Und ich würde nie sagen:
das sind ja nur Worte, und ich muss hinter die Worte dringen. Ebenso, wenn
ich jemand etwas gefragt hätte und er gibt mir eine Antwort (also ein Zei-
chen), bin ich zufrieden – das war gerade, was ich erwartete – und wende
nicht ein: das ist ja eine blosse Antwort. Es ist klar, dass nichts ande-
res erwartet werden konnte, und dass die Antwort den Gebrauch der Sprache des bestimmten Sprachspiels einer Sprache
voraussetz<t>e.; Wie wie alles, was zu sagen ist. wir sagen können.
4
     
     Wenn man aber sagt “wie soll ich wissen, was er meint, ich sehe ja nur
seine Zeichen”, so sage ich: “wie soll er wissen, was er meint, er hat
ja auch nur seine Zeichen”.
     

     “Etwas habe ich aber doch gemeint, als ich das sagte!” – Gut, aber
wie können wir, was es ist, herausbringen? Doch wohl nur<|>dadurch, dass er
es uns sagt. Wenn wir nicht sein übriges Verhalten zum als Kriterium nehmen
sollen, dann also das, was er uns erklärt.
     Du meinst, was Du sagst.
5
     

2
“Verstehen” [m|M]einen” amorph gebraucht. “Verstehen” [m|M]einen” mehrdeutig.
     


     “Du hast mit der Hand eine Bewegung gemacht; hast Du etwas damit ge-
meint? – Ich dachte, Du meintest, ich solle zu Dir kommen”.
<ˇ Wie meinte er etwas? Hat er ˇalso etwas Anderes gemeint, als, was
er ausdrückte zeigte. Oder ist die Frage nur: hat er gemeint was
er zeigte?
>

     Also er konnte etwas meinen, oder auch nichts mei-
nen. Und wenn er etwas meinte, war es eben was er zeigte
oder etwas Anderes?

     Die Frage ist, ob man fragen darf,Darf man hier fragen: “……was hast Du gemeint”[.|?] – Auf die-
se Frage (aber) kommt ein Satz zur Antwort. Während, wenn man so nicht
fragen darf, Darf man so nicht fragen, so ist das Meinen – sozusagen – amo[p|r]ph ist. Und “ich meine etwas
mit dem Satz” ist dann von derselben Form, ähnlicher Form wie: “dieser Satz ist nützlich”,
oder “dieser Satz greift in mein Leben ein”.
     

     (Könnte [,|m]an aber auch antworten: “ich habe etwas mit dieser Bewegung ge-
meint, was ich nur durch diese Bewegung ausdrücken kann”?)
     

     Wir unterscheiden doch Sprache, von dem, was nicht Sprache ist ˇ Schrift von dem, was keine Schrift ist. Wir
sehen Stricheˇ etwa Folgen von Strichen auf einer Mauer, und und sagen, wir verstehen sie; undˇ wir sehen andere, undˇ wir sagen, sie
bedeuten nichts (oder, uns nichts). Damit ist doch eineˇ sehr allgemeine Erfah-
rung charakterisiert, die wir nennen könnten: “etwas als Sprache verste-
hen” – ganz abgesehen davon von dem, was wir aus dem gegebenen Gebilde den Strichen (etc.) heraus-
lesen. (Vergleiche: [D|d]ie Handlungen zweier Personen als Züge (Handlungen) eines
Spiels verstehen.)
     

     Ich sehe eine deutsche Aufschrift und eine chinesische[.| :] Ist die chine-
sische etwa ungeeignet etwas mitzuteilen? ˇ↓Neue Zeile – Ich sage, ich habe [c|C]hinesisch
nicht gelernt. Aber das Lernen der Sprache [h|f]ällt fällt dies fällt als blosse Ursache,
Geschichte, aus der Gegenwart gegenwärtigen Situation heraus. Nur auf seine Wirkungen kommt es an,
und die sind Phänomene, die eben nicht eintreten, wenn ich das Chinesische
6a
sehe [|//] anschaue//. (Warum sie nicht eintreten, ist ganz gleichgültig.)
     

     Geben wir denn den Worten, die uns gesagt werden, willkürliche Inter-
pretationen? Kommt nicht das Erlebnis des Verstehens ˇmit dem Erlebnis des Hö-
rens der Zeichen, wenn wir die S[ö|p]rache der Andern verstehen’?
     

     Wenn mir jemand etwas sagt und ich verstehe es, so geschieht mir dies
ebenso, wie, dass ich höre was er sagt. // wie, dass ich, was er sagt, hö-
re.//
     Und hier ist Verstehen das Phänomen, welches sich einstellt, die Phänomene welche wenn ich
einen deutschen Satz höre, und welches dieses Hören vom Hören eines Satzes
einer mir nicht geläufigen bekannten fremden Sprache unterscheidet.
     

     Denken wir an eine Chiffre: Ein Satz sei uns mir in der Chiffre gegeben und
auch der Schlüssel, dann ist uns mir natürlich, in gewisserm Beziehung Sinne einer Beziehung, [[a|A]|a]lles
zum Verständnis der Chiffre gegeben. Und doch würde ich, gefragt “verstehst
Du diesen Satz in der Chiffre”, etwa vielleicht antworten: Nein, ich muss ihn erst
entziffern; und erst, wenn ich ihn z.B. ins Deutsche übertragen hätte, wür-
de ich sagen “jetzt verstehe ich ihn”.
     Wenn man hier die Frage stellte: “In welchem Augenblick der Uebertra-
gung (aus der Chiffre ins Deutsche) verstehe ich den Satz”, so würde man
einen Einblick in das Wesen dessen erhalten, was wir “verstehen” nennen. //in das Wesen des Verstehens erhalten.//
     

     Ich sage einen Satz “ich sehe einen schwarzen Kreis”; aber auf die Wor-
te //Wörter// kommt es doch nicht an; sagen //setzen // wir also statt
dieses Satzes “a b c d e”. Aber nun kann ich nicht ohne weiteres mit diesem
Zeichen den oberen Sinn verbinden (es sei denn, dass ich es als ein
Wort auffasse und dies als Abkürzung des oberen Satzes). Diese Schwierig-
6b
sehe [|//] anschaue//. (Warum sie nicht eintreten, ist ganz gleichgültig.)
     

     Geben wir denn den Worten, die uns gesagt werden, willkürliche Inter-
pretationen? Kommt nicht das Erlebnis des Verstehens ˇmit dem Erlebnis des Hö-
rens der Zeichen, wenn wir ‘die S[ö|p]rache der Andern verstehen’?
     

     Wenn mir jemand etwas sagt und ich verstehe es, so geschieht mir dies
ebenso, wie, dass ich höre was er sagt. // wie, dass ich, was er sagt, hö-
re.//

     Und hier ist Verstehen das Phänomen, welches sich einstellt, wenn ich
einen deutschen Satz höre, und welches dieses Hören vom Hören eines Satzes
einer mir nicht geläufigen bekannten Sprache unterscheidet.
     

     Denken wir an eine Chiffre: Ein Satz sei uns in der Chiffre gegeben und
auch der Schlüssel, dann ist uns natürlich, in gewisser Beziehung, [a|A]lles
zum Verständnis der Chiffre gegeben. Und doch würde ich, gefragt “verstehst
Du diesen Satz in der Chiffre”, etwa antworten: Nein, ich muss ihn erst
entziffern; und erst, wenn ich ihn z.B. ins Deutsche übertragen hätte, wür-
de ich sagen “jetzt verstehe ich ihn”.
     Wenn man hier die Frage stellte: “In welchem Augenblick der Uebertra-
gung (aus der Chiffre ins Deutsche) verstehe ich den Satz”, so würde man
einen Einblick in das Wesen dessen erhalten, was wir “verstehen” nennen. //in das Wesen des Verstehens erhalten.//
     

     Ich sage einen Satz “ich sehe einen schwarzen Kreis”; aber auf die Wor-
te //Wörter// kommt es doch nicht an; sagen //setzen // wir also statt
dieses Satzes “a b c d e”. Aber nun kann ich nicht ohne weiteres mit diesem
Zeichen den oberen Sinn verbinden (es sei denn, dass ich es als ein
Wort auffasse und dies als Abkürzung des oberen Satzes). Diese Schwierig-
7
keit ist doch aber sonderbar. Ich könnte sie so ausdrücken: Ich bin nicht
gewöhnt statt ‘ich’ ‘a’ zu sagen und statt ‘sehe’ ‘b’, und statt ‘einen’
‘c’, etc.. Aber damit meine ich nicht, dass ich, wenn ich daran gewöhnt wä-
re, mit dem Worte ‘a’ sofort das Wort ‘ich’ assoziieren würde; sondern, dass
ich nicht gewöhnt bin ‘a’ an der Stelle von ‘ich’ zu gebrauchen – in der
Bedeutung von ‘ich’.
     

     “Ich sage das nicht nur, ich meine auch etwas damit”. – Wenn man sich
überlegt, was dabei in uns vorgeht, wenn wir Worte meinen (und nicht
nur sagen), so ist es uns, als wäre dann etwas mit diesen Worten gekuppelt,
während sie sonst leer liefen. – Als ob sie gleichsam in uns eingriffen.

S 1/2 ⋎
     
     Ich verstehe einen Befehl als Befehl, d.h., ich sehe ˇin ihm nicht nur diese
Struktur von Lauten oder Strichen, sondern sie hat – sozusagen – einen Ein-
fluss auf mich. Ich reagiere auf einen Befehl (auch ehe ich ihn befolge) an-
ders, als etwa auf eine Mitteilung oder Frage. (Ich lese ihn in anderem Tonfall
mit anderer Geste.)


S 19/2 ⋎
     
     Der Satz, wenn ich ihn verstehe, bekommt für mich Tiefe.
     

     Ich sage: Das Verstehen bestehe darin, dass ich eine bestimmte Erfah-
rung
habe. – –
     Dass diese Erfahrung aber das Verstehen dessen ist – was ich ver-
stehe
ein verstehen ist besteht darin, dass diese Erfahrung ein Teil meiner Sprache
ist.
     


      ˇBedenke auch: Man kann manchen Satz nur im Zusammenhang mit anderen verstehen. Wenn
ich z[|.]B. irgendwo lese: In einer Erzählung steht:[n|N]achdem er das gesagt hatte, verliess er sie, wie
am vorigen Tag,[.|,]. [F|f]ragt man mich, ob ich diesen Satz verstehe, so wäre ist (es)
nicht ganz leicht, dachrauf zu antworten. Es ist ein deutscher Satz und insofern
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verstehe ich ihn. Ich wüsste, wie man diesen Satz etwa gebrauchen
könnte, ich könnte selbst einen Zusammenhang für ihn erfinden. Und
doch verstehe ich ihn nicht so, wie ich ihn verstünde, wenn ich das
Buch
ˇdie Erzählung bis zu dieser Stelle gelesen hätte. (Vergleiche Sprachspiele.)
     

     Was heisst es, ein gemaltes Bild zu verstehen? Auch da gibt es Ver-
ständnisstehen und Nichtverstehen.; Und auch hier da kann “[V|v]erstehen” und “nicht
verstehen” verschiedenerlei heissen. Wir können uns ein Bild denken,
das
Das Bild soll eine Anordnung stellt eine Anordnung von Gegenständen im dreidimensionalen Raum darstellen
soll, aber wir sind ich bin für einen Teil des Bildesˇ bin ich unfähig, Körper im Raum
darin
körperlich zu sehen; sondern sehenˇ dort nur die gemalte Farbflecken auf der Bildfläche. Wir können dann
sagen, wir ich verstehen diese Teile des Bildes nicht. Es kann sein, dass die
räumlichen Gegenstände, die dargestellt sind, uns bekannt, d.h. Formen
sind, die wir aus der Anschauung von Körpern her kennen,
[e|E]s können aber
auch Formen Gegenstände auch auf dem Bild dargestellt sein, die wir noch nie gesehen ha-
ben. Und da gibt es wieder den Fall, wo etwas ( z.B.) wie ein Vogel aus-
siehtschaut, nur nicht wie einer, dessen Art ich kenne; oder aber, wo ein räum-
liches Gebildeˇ ist dargestellt ist, dergleichen ich noch nie gesehen habe.
Auch in diesen Fällen kann man von einem Nichtverstehen des Bildes reden,
aber in einem anderen Sinne als im ersten Fall.
Vielleicht aber kenne ich alle Gegenstände, verstehe aber – in anderem Sinne – ihre Anordnung nicht.
     

     Aber noch etwas: Angenommen, das Bild stelltelen Menschen dar, wäre
aber klein,
und die Menschen daraufˇ wären etwa einen Zoll Meter lang. Angenommen nun,
es gäbe Menschen, die diese Länge hätten, so würden könnten wir sie diese in dem
Bild erkennen und es würde uns nun einen ganz andern Eindruck machen, ob-
wohl doch die Illusion der dreidimensionalen Gegenstände ganz dieselbe
wäre. als den gewöhnlichen. Und doch spielt in Und doch ist besteht der tatsächliche //dieser tatsächl[o|i]che// Eindruck,
wie er da ist, unabhängig davon, dass ich einmal Menschen in der gewöhn-
lichen Grösse, und nie Zwerge, gesehen habe <ˇUnd doch spielt in den Eindruck den ichˇ beim Anblick des Bildes habe nicht d.h. es spielt in diesen Eindruck nicht…… die
Erinnerung hinein
>, wenn auch dies die Ursache
9
des Eindrucks ist.
     

     Dieses Sehen der gemalten Menschen als Menschen (im Gegensatz etwa zu
Zwergen) ist ganz analog dem Sehen des Bildes // der Zeichnung// als
dreidimensionales Gebilde. Wir können hier nicht sagen, wir sehen immer
dasselbe und fassen es nachträglich, einmal als das Eineund , einmal als das
Andre auf, sondern wir sehen jedes Mal etwas [a|A]nderes.
     

     Und so auch, wenn wir einen Satz mit Verständnis und ohne Verständnis
lesen. (Erinnere Dich daran, wie es ist, wenn man einen Satz mit falscher
Betonung liest, ihn daher nicht versteht, und nun auf einmal daraufkommt,
wie er zu lesen ist.)
     

     (Beim (Lesen einer schleuderhaften Schrift.) kann man erkennen, was es
heisst, etwas in das gegebene Bild hineinsehen.)
     

     Wenn man eine Uhr abliest, so sieht man einen Komple[l|x] von Strichen,
Flecken etc., aber auf ganz bestimmte W[i|e]ise, wenn man ihn als Uhr und Zei-
ger auffassen will. auffaßt.
     

Zu “lernen der Sprache”

     Wir könnten uns den Marsbewohner denken, der auf der Erde erst nach und
nach den Gesichtsausdruck der Menschen als solchen verstehen lernte und
den drohenden erst nach gewissen Erfahrungen als solchen empfinden lernt.
Er hätte bis dahin diese Gesichtsform angeschaut angesehen, wie wir die [D|F]orm eines
Steins betrachten.
     

Zu “lernen der Sprache”

     Kann ich so nicht sagen: er lernt erst die befehlende Geste in
einer gewissen Satzform verstehen?

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Zu: “lernen der Sprache”

     Chinesische Gesten verstehen wir so wenig, wie chinesische Sätze.
[D.h. es gibt nicht nur für Sat Unverständnis für Sätze.
Wie aber lernen wir die Sprache fremder Gesten?]
Sie können uns durch Worte erklärt werden. Man
kann uns sagen “das ist bei diesem Volk
eine höhnische Gebärde”, etc.. Oder aber wir lernen
die Gebärden verstehen wie wir als Kind die Gebär-
den & Mienen der Erwachsenen – ohne Erklä-
rung – verstehen lernen.
Und verstehen lernen
heiß eben in diesem Sinne nicht erklären
lernen & wir verstehen dann die Miene,
können sie aber nicht durch einen andern
Ausdruck erklären.]
11
     

3
Das Verstehen als Korrelat einer Erklärung.
     


     “Verstehen”, damit meine ich Ich meine mit dem Wort “Verstehen”…… ein Korrelat der Erklärung ˇ des Sinnes, nicht ei-
ner – etwa medizinischen – Beeinflussung.
     Mit dem Worte “Missverständnis” meine ich also wesentlich etwas, was
sich durch Erklärung beseitigen lässt. Eine andere Nichtübereinstimmung
nenne ich nicht “Missverständnis”.

S 2/3 ⋎?
     
     Verständnis ents[ö|p]richt der Erklärung; soweit es aber der Erklärung
nicht entspricht, ist es unartikuliert und geht uns deswegen nichts an interessiert uns darum nicht;
oder es ist artikuliert und entspricht dem Satz selbst, dessen Verständ-
nis wir beschreiben wollten. dessen Sinn wir wiedergeben wollen.
     

     Wissen, was der Satz besagt, kann nur heissen: die Frage beantworten
können “was sagt er?”.
     

     Den Sinn eines Satzes verstehen //kennen//, kann nur heissen soll heißen: die
Frage “was ist sein Sinn” beantworten können.
     

     Denn ist hier “Sinn haben”ˇ, quasi, intransitiv gebraucht, so dass man also
nicht den Sinn eines Satzes von dem eines anderen Satzes unterscheiden
kann, dann ist das Sinnhaben eine, den Gebrauch des Satzes begleitende,
Angelegenheit, die ein Vorgang den Gebrauch des Satzes begleitender Vorgang, der uns nicht interessiert.
     

     Das Triviale, was ich zu sagen habe, ist, dass auf den Satz “ich sa-
ge
das nicht nur, ich meine etwas damit” und die Frage “was?”, ein wei-
terer Satz, in irgend welchen Zeichen, zur Antwort kommt.
12
     
     Aber man kann fragen: Ist denn das Verständnis nicht etwas anderes als
der Ausdruck des Verständnisses? Ist es nicht so, dass der Ausdruck des
Verständnisses eben ein unvollkommener Ausdruck ist? ˇ Zeile Das heisst doch wohl,
ein Ausdruck, der etwas auslässt, was wesentlich ˇunausdrückbar ist. Denn
sonst könnte ich ja eben einen bessern finden. Also wäre der Ausdruck ein
voll[,|k]ommener Ausdruck. ‒ ‒ ‒
     

     Es ist eine häufige geläufige Auffassung, eine sehr häufige Auffassung:…… dass Einer ˇsein Verständnis gleichsam nur unvollkommen ˇ zeigen kann
zeigen kann, ob erˇ einen Satz [ein Zeichen (einen Befehl)] verstanden hat.
     Dass er gleichsam nur immer aus der Ferne darauf deuten, auch sich ihm
nähern, es aber nie mit der Hand berühren //ergreifen// kann. Und das
Letzte immer ungesagt bleiben muss.
     

     Man willˇ etwa sagen: Er versteht es ˇden Befehl , was Du ihm befohlen hast zwar ganz, kann dies aber nicht ganz zei-
gen, da er sonst schon tun müsste, was ja erst die in Befolgung des Befehls
geschehen darf soll. So kann er also nicht zeigen, dass er es ganz versteht.
D.h. also, er weiss immer mehr, als er zeigen kann.
     

     Man möchte sagen: er ist mit seinem Verständnis bei der Tatsache
// bei bei der Ausführung//, aber die Erklärung kann nie die Ausfüh-
rung enthalten.
     Aber das Verständnis enthält nicht die Ausführung, sondern ist nur das
Symbol, das bei der Ausführung übersetzt wird.
     

     Die Schwierigkeit ist, die Grammatik des Wortes “meinen” klar zu sehen. Der Weg dazu, die Gr.…… klar zu sehen, führt……
Aber der Weg dazu ist nur der, über die Antwort auf die Frage “welches führt über die Frage “…… ist
das Kriterium dafür, dass wir etwas so meinen” und welcher Art ist der
Ausdruck, den dieses “so” vertritt. Die Antwort auf|die Frage “wie ist das
gemeint” hält stellt die Verbindung zwischen zwei sprachlichen Ausdrücken //zwi-
13
schen zwei Sprachen// her. Also fragt auch die Frage nach dieser Verbin-
dung. Der Gebrauch der Hauptwörter “Sinn”, “Bedeutung”, “Auffassung” und
anderer Wörter verleitet uns zu glauben, dass dieser Sinn etc. dem Zeichen
so gegenübersteht, wie das Wort, der Name, dem Ding, das sein Träger ist.
So|dass man sagen könnte: “[d|D]er Pfeil Das Zeichen hat eine ganz bestimmte Bedeutung,
ist in einer ganz bestimmten Weise gemeint, die ich nur faute de mieux wie-
der durch ein Zeichen ausdrücken muss”. Die Meinung, die Intention wäre
[w|q]uasi seine Seele, die ich am liebsten direkt zeigen möchte, aber auf die
ich leider nur indirekt durch ihren Körper hinweisen kann. –

     Wenn ichˇ um den Sinn eines Pfeils zu erklären sage: “ich meine diesen Pfeil so, dass man ihm durch eine Be-
wegung in der Richtung vom Schwanz zur Spitze folgt”, so gebe ich eine De-
finition (ich setze ein Zeichen für ein andres), während es scheint, als
hätte ich sozusagen die Aussage //Angabe// des Pfeils die der Pfeil meint ergänzt. Ich habe
den Pfeil durch ein neues Zeichen ersetzt, das wir statt des Pfeiles ge-
brauchen können. – Gebrauchen können –. Während es
scheint, als wäre der Pfeil selbst wesentlich unvollständig unvollkommen, ergän-
zungsbedürftig, und als hätte ich ihm nu[r|n] die nötige Ergänzung gegeben. Wie
man eine Beschreibung eines Gegenstandes als unvollkommen erkennt und ver-
vollständigt //vervollständigen kann //. Als hätte der Pfeil die Beschrei-
bung angefangen und wir sie durch den Satz vollendet.– Auch so: Wenn ich,
wie oben, sage “ich meine diesen Pfeil so, dass …”, so macht es den Ein-
druck, als hätte ich jetzt erst das Eigentliche beschrieben, die Meinung;
als wäre der Pfeil gleichsam nur das Musikinstrument, die Meinung aber die
Musik, oder besser: der Pfeil, das Zeichen – das heisst in diesem Falle –
die Ursache des inneren, seelischen, Vorgangs, und die Worte der Erklärung
erst die Beschreibung dieses Vorgangs. Hier spukt die Auffassung des Satzes
als eines Zeichens des Gedankens; und des Gedankens als eines Vorgangs in
der Seele, oder im Kopf.

14
     
     Was die Erklärung des Pfeiles betrifft, so ist es klar, dass man sagen
kann: “Dieser Pfeil bedeutet //sagt// nicht, dass du dorthin (mit der
Hand zeigend) gehen sollst, sondern dahin.” – Und ich würde diese Erklärung
natürlich verstehen. – und das diese Erklarung verstanden werden könnte.
     


      “Das müs[y|s]te man aber dazuschreiben”.
15
     

4
Das Verstehen des Befehls, die Bedingung dafür, dass wir ihn befolgenˇ können.
Das Verstehen des Satzes, die Bedingung dafür, dass wir uns nach ihm richten.
     


      Das Verständnis eines Satzes kann nur die Bedingung dafür sein, dass
wir ihn anwenden können. D.h., es kann nichts sein, als diese Bedingung
//die Bedingung// und es muss die Bedingung der Anwendung sein.
     

     Wenn “einen Satz verstehen” heisst, in gewissem Sinn bestimmter Weise nach ihm handeln,
dann kann das Verstehen nicht die logische Bedingung dafür sein, dass wir
nach ihm handeln.
     

Was wir ‘verstehenˇ lernen’ nennenˇ Das Kriterium des Verstehens ist manchmal ein Vorgang
des Übertragens, Übersetzens, Übersetzens des Zeichens in eine andere
eine Handlung; wir übertragen den Satz in eine andere Sprache in andere Zeichen, wir
zeichnen nach der Beschreibung ein Bild oder stellen uns
eins vor; etc.
     

     Das Verstehen einer Beschreibung kann man, mit dem Zeichnen eines Bil-
des nach dieser Beschreibung vergleichen. (Und hier ist wieder das Gleich-
nis ein besonderer Fall dessen, wofür es ein Gleichnis ist.) Und es würde
//wird// auch in vielen Fällen als der Beweis //das Kriterium // des
Verständnisses aufgefasst.
     

     Wir reden von dem Verständnis eines Satzes vielfach als der Bedingung
dafür, daß wir ihn anwenden können ˇWir sagen “Wir können einen
Befehl nicht befolgen wenn wir ihn nicht verstehen” oder
“ehe wir ihn verstehen”. [das Wort “können”, “muß” verdächtig]
     

     Ich verstehe dieses Bild genau, ich könnte es in Ton kneten // plastisch
wiedergeben//. – Ich verstehe diese Beschreibung genau, ich könnte eine
Zeichnung nach ihr machen.

17/1, 2 ⋎
     
<      Wenn hier das Verstehen ein psychischer Vorgang ist unter dem ‘Verstehen’ gemeint ist <…>
& gesagt werden soll, daß dieser Vorgang erfahrungs-
gemäß
eintreten muß eintritt ehe ein Mensch einen Befehl
befolgen kann, so interessiert uns diese Aussage
nicht. – Sollte definiert werden[;| ,]ˇ den Befehl befolgen heiße man es nur, wenn
jener psychische Vorgang eingetreten sei, so wäre diese Definition
müßig.
     Soll aber ‘verstehen’ hier heißen: erklären können, – warum
sollte das notwendig sein um den Befehl zu befolgen.
Natürlich handelt es sich hier nicht um logische Notwen-
digkeit.
>
     

     Man könnte es in gewissen Fällen geradezu als Kriterium des Verständnis-
ses //Verstehens// ˇfestsetzen, dass man den Sinn des Satzes muss zeichnerisch
darstellen können.

16
     
Zu S. 42

     Es ist sehr sonderbar: Das Verstehen einer Geste möchten werden wir durch
ihre // mit Hilfe ihrer// Uebersetzung in Worte erklären und das Verste-
hen von Worten durch eine Uebersetzung in Gesten. // Es ist sehr sonder-
bar: Wir sind versucht, das Verstehen einer Geste durch ihr entsprechen-
de Worte zu erklären, und das Verstehen von Worten durch diesen entspre-
chende Gesten. // //… das Verstehen einer Ge[a|s]te als Fähigkeit zur er-
klären, sie in Worte zu übersetzen, ……//
Es ist sonderbar: eine Geste möchten wir durch Worte ……
     

Zu S. 42

     Und wirklich werden wir Worte durch eine Geste und eine Geste durch
Worte erklären.
     

     Wenn man mir sagt “bringe eine gelbe Blume” und ich stelle mir vor, wie
ich eine gelbe Blume hole, so kann das zeigen, dass ich den Befehl ver-
standen habe. Aber ebenso, wenn ich ein Bild des Vorgangs male. – Warum?
Wohl, weil das, was ich tue, mit Worten des Befehls beschrieben werden
muss. Oder soll ich sagen, ich habe tatsächlich einen (dem ersten) ver-
wandten Befehl ausgeführt.
     

     < umgearb.> Nun ist die Frage: Muss ich wirklich in so einem Sinne das Zeichen ver-
stehen, um etwa darnach handeln zu können? – Wenn jemand sagt: “gewiss!
sonst wüsste ich ja nicht, was ich zu tun habe”, so würde ich antworten:
“Aber es gibt ja keinen Uebergang vom Wissen zum Tun. Aber vom Wissen zum Tun ist ja doch wieder ein Sprung. Und keine prinzi-
pielle Rechtfertigung dessen, dass es das war, was dem Befehl ent-
sprach”.
     

     Was heisst dann also der Satz: “Ich muss den Befehl verstehen, ehe ich
nach ihm handeln kann[?|]? Denn dieser Satz //dies zu sagen,// hat natür-
lich einen Sinn. Aber gewiss //jedenfalls // wieder keinen metalogischen.
     

     < überarb> Die Idee, die man von dem Verstehen hat, ist etwa, dass man dabei von
17
dem Zeichen näher an die verifizierende Tatsache kommt,ˇ von den Worten des Befehls näher zur Ausführung, etwa durch die Vor-
stellung. Und wenn man auch nicht wesentlich, d.h. logisch, näher kommt, so
ist doch etwas an der Idee richtig, dass das Verstehen in dem Vorstellen
der Tatsache besteht. Die Sprache der Vorstellung ist in dem gleichen Sin-
ne wie die Gebärdensprache primitiv.
     

     “Aber ich muss doch einen Befehl verstehen, um nach ihm handeln zu kön-
nen”. Hier ist das ‘muss’ verdächtig. Wenn das wirklich ein Muss ist – ich
meine – wenn es eine logisches Muss ist, so handelt es sich hier um eine
grammatische Anmerkung.
     

     [|A]uch wäre da die Frage möglich: Wie lange vor dem Befolgen musst Du denn
den Befehl verstehen?
     

     (Es kann keine notwendige Zwischenstufe zwischen dem Auffassen eines Be-
fehls und dem Befolgen geben.)
     

     Wenn das Verstehen eine notwendige? Vorbereitung des Folgens war, so muss
es dem Zeichen etwas hinzugefügt haben; aber , so hat es wohl dem Zeichen des Befehls etwas hinzugefügt. – Aber …… etwas, was <Wenn das Verstehen eine Vorbereitung des Befolgens war,
so kann man es das Verstehen so auffassen, daß es dem Zeichen (des
Befehls) etwas hinzufügt; aber etwas was ……
Das Verstehen, wenn es eine Vorbereitung …, kann man so auffassen, ……
>
     

[Zu: Die Kluft zwischen Befehl & Ausführung nicht durch Ähnlichkeit überbrücken ]

     Wenn gesagt würde, dass der, der den Befehl erhält, ˇ wenn er ihn versteht eben ausser den Wor-
ten Vorstellungen erhält, die der Ausführung des Befehls ähnlich sind, (wäh-
rend es die Worte nicht sind), so gehe ich noch weiter und nehme an, will ich noch weiter gehen & annehmen, dass
der Befehl dadurch gegeben wird, dass wir de[m|n] Andern veranlassen die Bewegungen, die er
etwa in 5 Minuten ausführen soll, jetzt durch mechanische Beeinflussung
[)|(]etwa indem wir seine Hand führen) auszuführen veranlassen; und näher kann
ich doch wohl der Ausführung des Befehls i[k|m] ˇ seinem Ausdruck des Befehls nicht
kommen. Dann haben wir die Aehnlichkeit der Vorstellung durch eine viel
18
grössere Aehnlichkeit ersetzt. Und der Weg vom Symbol Zeichen zur Wirklichkeit wirklichen Ausführung
scheint hier //nun// sehr verkürzt zu sein. (Ebenso könnte ich, um zu
beschreiben, in welcher Stellung ich mich bei der und der Gelegenheit be-
funden habe, diese Stellung einnehmen.)
(Siehe: Erwarten, Wünschen, etc.)
     Es ist damit auch gezeigt, dass , dass wie das Vorkommen von Phantasiebildern, & Vor-
stellungen, für den Gedanken Phantasiebilder, Vorstellungen, für den Gedanken…… ganz unwes[r|e]ntlich ist sind. //Es ist damit auch
das Unwesentliche der Phantasiebilder für den Gedanken gezeigt.
//
     

[siehe S. 89/4] Zu: “Deuten”?

     Ich könnte auch sagen: Es scheint uns, als ob, wenn wir den Befehl
( z.B. ) verstehen, wir etwas hinzufügen, was <Es scheint uns, als ob wir das Verstehen dem Befehl durch das verstehen etwas hinzufügen, was ……> die Lücke ˇzwischen Befehl & Ausführung füllt. < Das heißt doch: was den Befehl in schattenhafter Weise ausführt. >
So dass wir dem, der sagt “aber Du verstehst ihn jaˇ, also ist er ja vollkommen vollständig<…“aber Du verstehst ihn ja, er ist also nicht unvoll-
ständig”
> antworten können: … Ja,
aber nur, weil <… “Ja, aber ich verstehe ihn nur, weil……> ich noch etwas hinzufüge: die Deutung nämlich. (siehe: Erwartung etc.)
     

Zu: “Deuten”

     Nun müsste man allerdings darauf sagen: Aber was veranlasst Dich denn
zu gerade dieser Dich gerade zu dieser Deutung? Ist es der Befehl, dann war er ja schon
eindeutig, da er nur diese Deutung befahl. Oder, hast Du die Deutung will-
kürlich hinzugefügt –, dann hast Du ja auch den Befehl nicht verstanden,
sondern erst das, was Du aus ihm (auf eigene Faust) gemacht hast.
     

Zu: “Deuten”

     Eine ‘Interpretation’ ist doch wohl etwas, was in Worten Zeichen gegeben wird.
Es ist diese Interpretation im Gegensatz zu einer anderen (die an-
ders lautet). – Wenn man also sagt sagen wollte “jeder Satz bedarf noch einer Interpre-
tation”, so hiesse das: kein Satz kann ohne einen Zusatz verstanden wer-
den.
     

     
(Dieser Satz bleibt im §)
“Ich kann den Befehl nicht ausführen, weil ich nicht verstehe, was Du
meinst. – Ja, jetzt verstehe ich Dich”.
     Was ging da vor, als ich plötzlich den Andern verstand?
<
     Da gab es viele Möglichkeiten: Der Befehl konnte ˇ z.B. mit falscher
Betonung gegeben worden sein, & es fiel mir plötzlich die richtige Be-
tonung ein. Einem Dritten würde ich dann sagen: “jetzt verstehe ich ihn,
er meint: …” & nun würde ich den Befehl in richtiger Betonung wie-
derholen. Und in der richtigen Betonung verstünde ich nun den Befehl,
das heißt: ihn nun; d.h., ich müßte nun nicht noch einen abstrakten Sinn erfassen
sondern es genügt mir vollkommen de[n|r] wohlbekannten deutschen Wortlaut zu haben. – Oder aber der Befehl wäre ist mir in verständli-
chem Deutsch gegeben worden schiene mir aber ungereimt, da ich ihn in
auf in irgend einer Weise mißversteheand; dann fiel mir eine Erklärung ein “ach, er
meint …” & nun kann ich den Befehl ausführen. Oder es schwebten mir. …
S. 20/4 ⋎
> Ich konnte mich
natürlich irren, und dass ich den Andern verstand, war eine Hypothese.
Aber
19
es fiel mir etwa plötzlich eine Deutung ein, die mir einleuchtete. Aber
war diese Deutung etwas anderes als ein Satz der Sprache? sprachlicher Ausdruck? // als eine Erklärung?//
     

     Oder Ees konnten mir auch vor diesem Verstehen mehrere Deutungen vorschwe-
ben, für deren eine ich mich endlich entscheide. Aber das Vorschweben der
Be[d|D]eutungen war das Vorschweben von Ausdrücken einer Sprache.
ch
     

Wer zwischen zwei Arten schwankt einen Befehl
zu verstehen, schwankt
einen Befehl zu verstehen schwankt, der schwankt …… zwischen zwei Deutungen,
zwischen zwei Erklärungen.


20
     

→ S. 7/2

     Was heisst es: verstehen, dass etwas ein Befehl ist, wenn man auch den
Befehl selbst noch nicht versteht? (“Er meint: ich soll etwas tun, aber
was er wünscht, weiss ich nicht.”)
     
5
Deuten.
Deuten wir jedes Zeichen?
     



     Deuten wir denn etwas, wenn uns jemand einen Befehl gibt? Wir fassen
auf, was wir hören oder sehen; oder; wir sehen, was wir sehen.
     

Ein Zeichen deuten, ihm eine Deutung hinzufügen, ist ein
Vorgang der wohl in gewissen manchen Fällen geschieht aber
durchaus nicht immer wenn ich ein Zeichen verstehe.
     

     Es gibt Fälle, in denen wir einen erhaltenen Befehl deuten und [D|F]älle,
in denen wir es nicht tun.
     Eine Deutung ist eine Ergänzung des gedeuteten Zeichens durch ein Zei-
chen.
     

     Wenn mich jemand fragt: “wieviel Uhr ist es”, so geht in mir dann keine
Arbeit des Deutens vor. Sondern iIch reagiere unmittelbar auf das, was ich
sehe und höre.
     

Zu S. 18

     Denken wir uns einen Zerstreuten, der Der Zerstreute der …… auf den Befehl “rechtsum” sich
nach links gedreht hätte und nun, an die Stirne greifend, sagte “ach so –
‘rechtsum’!” und rechtsum machte. [gehört eigentlich zu einer Bemerkung: das Wort, wenn
wir es verstehen gewinnt Tiefe”]
Ist ihm eine Deutung eingefallen?


     

     Ich deute die Worte; wohl; aber deute ich auch die Mienen? Deute
ich, etwa, einen Gesichtsausdruck als drohend? , oder freundlich? – Es
kan[h|n] geschehen.
Auch das kann übrigens geschehen.
     

     Wenn ich nun sagte: Es ist nicht genug, dass ich das drohende Gesicht
wahrnehme, sondern ich muss es erst deuten. – Es zückt jemand das Messer
21
und ich sage: “ich verstehe das als eine Drohung”.
     

[Zu: “Behauptung, Frage, etc.] § 47

     Kann man jemandem befehlen, Welchen Sinn hat es, jemandem zu befehlen,…… einen Satz zu verstehen?
     Hier muss man verschiedene Fälle unterscheiden.
     

/(Denken wir an verschiedene Befehle, die wir nicht ausführen können:
ein Gewicht zu heben das uns zu schwer ist,
einen Arm zu heben der gelämt ist,
ein Haar aufzustellen,
sich eines Namens zu erinnern der uns entfallen ist,
einen Satz zu verstehen)/. Kann man sagen, daß man den Befehl,
den gelämten Arm zu heben in gewissem Sinne nicht versteht? [Be-
wegen der Finger bei verschränkten Händen.] Den Befehl verstehen, heißt
etwa darstellen können wie es wäre wenn er ausgeführt würde. Und
nun kann ich mir wohl vorstellen oder zeichnen etc wie es wäre
wenn sich die Bewegung des Arms vollzöge; aber, wenn er sich
auf den Befehl hin höbe, so würden wir doch nicht sagen, wir
haben ihn gehoben. Wir hätten also den Befehl nicht ausgeführt.
Denken wir an die Befehle: “habe Schmerzen!” & “rufe Dir Schmerzen
hervor!” Ferner: “[s|S]telle Dir einen roten Kreis vor!”

22
     

gehört zu § 35 ( p. 134 )
6
Man sagt: ein Wort verstehen heisst, wissen, wie es gebraucht wird.
Was heisst es, das zu wissen? Dieses Wissen haben wir sozusagen im Vorrat.






¤
     

Wissen wie ein Wort gebraucht wird = Es anwenden können.
     

< Vergleiche:
“Ich sehne mich nach ihm”
“Ich erwarte ihn”
“Ich weiß daß er kommen wird”
oder auch:
1 “ich habe mich den ganzen Tag von Morgen an nach ihm gesehnt”
2 “ich habe ihn den ganzen Tag von Morgen an erwartet”
3 “ich wußte vom Morgen an daß er kommen werde”
4 “ich hatte vom Morgen an Zahnschmerzen“
Kann man sagen “ich wußte vom Morgen an ununter-
brochen daß er kommen werde”?
Vergleiche No. 4 mit jedem der anderen Sätze.
5 “Ich konnte von meinem 10ten Jahr an Schachspielen”.
6 “Ich konnte seit damals nicht mehr hoch springen”

>
     

[Zu: “das [A|a]ugenblickliche Verstehen etc.”]

     Es ist merkwürdig, dass wir uns bei dem Gedanken, dass es jetzt 3 Uhr
sein dürfte, die Zeigerstellung meist gar nicht genau oder überhaupt
nicht vorstellen, sondern das Bild, gleichsam wie, in einem Werkzeugkasten der
Sprache
haben, aus dem wir wissen, das Werkzeug jederzeit hervorziehen //herausnehmen// zu können, wenn wir es brauchen. – Dieser Werkzeugka-
stenscheint mir die Grammatik mit ihren Regeln zu sein. ist er aber nicht die ……? (Denken wir aber,
welcher Art dieses Wissen ist.)
     

[Zu: “das augenbl. Verstehen etc.”]
Zu M.S. p. 21/1 ?

     Es ist so, wie wenn ich mir im Werkzeugkasten der Sprache Werkzeuge
zum künftigen Gebrauch herrichtete. Oder in Malkasten Farben (Ein Werkzeug ist ja auch das Abbild
seines Zwecks.) [Dazu: Hypothese “ich sehe eine Kugel”.[)|]] Verwendung der Vorstellg. des Bildes einer Kugel.
     
     Was heisst es, zu sagen “ich sehe zwar kein Rot, aber wenn Du mir einen
Farbkasten gibst, so kann ich es Dir darin zeigen”? Wie kann man wis-
sen
, dass man es zeigen kann, wenn …; dass man es also erkennen
kann, wenn man es sieht? Ich
     

     Ich sage: Hier ist zwar nichts Rotes um mich, aber wenn hier etwas wä-
re, so Betrachte nun den Satz: Weißt Du, welche Farbe ‘rot’ bedeutet? Ja, wenn hier etwas rotes wäre so …… könnte ich es erkennen.
     

“Ich könnte Dir die genaue Farbe der Tapete zeigen, wenn hier etwas
wäre was diese Farbe hat”. – “Wie weißt Du, daß Du sie
erkennen würdest?” – “Weil ich sie mir jetzt vorstellen
kann vorstelle Weil ich sie jetzt vor mir sehe.”

Anderseits aber Anderseits: “[i|I]ch kann mir jederzeit ˇwenn ich will einen roten
Kreis vorstellen[,|.] wenn ich will”. – “Wie weißt Du, daß Du
das es kannst?”

     

a
b
c
d
!
!
!
!
e
f
g
h
Es ist etwa dies mein Wörterbuch und ich übersetze dar-
nach mit ihm den Satz b[e|d]ca in fhge. Nun habe ich im ge-
wöhnlichen
Sinne gezeigt, dass ich den Gebrauch des Wör-
23
terbuchs verstehe und kann sagen, dass ich auf gleiche Weise den Satz
cdab übersetzen kann, wenn ich will. – Wenn also der Satz cdab ein
Befehl ist, den entsprechenden Satz in der zweiten Sprache hinzuschreiben,
so verstehe ich diesen Befehl, wie ich etwa den Befehl verstehe, !!!!!!
Schritte zu gehen, wenn mir gezeigt wurde, wie die entsprechenden Befehle
mit den Zahlen !, !!, !!!, ausgeführt werden.
     

     Aber natürlich kann das nicht anders sein, als wenn ich z.B. sage “ich
will diesen Fleck rot anstreichen”, eine Vorstellung von der Farbe habe
und nun “weiss“, wie diese Vorstellung in die Wirklichkeit zu über-
setzen ist.
     

[Zu: Erwartung] S. 364

     Ja, das ganze Problem ist schon darin enthalten: Was heisst es, zu wis-
sen, wie der Fleck aussähe, wenn er meiner Vorstellung entspräche? “Du weißt, wie er aussähe? – Nun wie sieht er aus?”

     

[Zu: Die Erwartung erwartet das was sie erfüllen wird] § 77

     Wenn ich die Vorstellung, die bei der Erwartung etc. im Spiel ist,
durch ein wirklich gesehenes Bild ersetzen will, so scheint etwa folgendes
zu geschehen: Ich sollte einen dicken schwarzen Strich ziehen und habe als
Bild einen dünnen gezogen. Aber die Vorstellung geht noch weiter und sagt,
sie weiss auch schon, dass der Strich dick sein soll. So ziehe ich einen
dicken, aber etwas blasseren Strich; aber die Vorstellung sagt, sie weiss
auch schon, dass er nicht grau sondern schwarz sein sollte. (Ziehe ich aber
den dicken schwarzen Strich, so ist das kein Bild mehr.)

     

     Etwas wissen, ist von der Art dessen, ist damit zu vergleichen: einen Zettel in der Lade meines
Schreibtisches meiner Tasche
zu haben, auf dem es aufgeschrieben steht // ist//.

     




[Zu S. 182]
Wie ist es, wenn ich jemandem den Befehl gebe “stelle Dir einen roten Fleck
vor” & nun sage: den Befehl verstehen heiße, wissen wie es ist, wenn
er ausgeführt ist; oder gar sich vorstellen können, wie es ist, wenn …”
24
     
Bedeutung.








































25
     
7
Der Begriff der Bedeutung stammt aus einer primitiven ˇ philosophischen Auffassung der
Sprache her.
<Der Begriff der Bedeutung stammt aus einer primitiven Philoso
phie der Sprache her.
>
     





      Augustinus, wenn er vom Lernen der Sprache redet, redet ausschliess-
lich davon, wie wir den Dingen Namen beilegen, oder die Namen der Dinge
verstehen. Hier scheint also das Benennen Fundament und Um und Auf der
Sprache zu sein.
     Diese Auffassung des Fundaments der Sprache Diese Betrachtungsweise der Sprache ist offenbar aequivalent
mit der, die ist ˇwohl die, welche die Erklärungsform “das ist …” als fundamental auffasst.–
Von einem Unterschied der Worte redet Augustinus nicht, meint also mit
“Namen? offenbar Wörter, wie “Baum”, “Tisch”, “Brot”, und gewiss die Ei-
gennamen der Personen; dann aber wohl auch “essen”, “gehen”, “hier”,
“dort”; kurz, alle Wörter. Gewiss aber denkt er zunächst an Haupt-
wörter
und an die übrigen als etwas, was sich finden wird. (Und Plato sagt, dass der Satz aus Haupt- und Zeitwörtern besteht.)
     Sie beschreiben eben das Spiel einfacher, als es ist.
     Dieses Spiel kommt aber wohl in der Wirklichkeit vor. – Nehmen wir
etwa an, ich wollte aus Bausteinen<,> ein Haus aufführen, die mir ein Andrer
zureichen soll, ein Haus aufführen, so könnten wir erst ein Uebereinkommen
dadurch treffen, dass ich auf einen Stein zeigend sagte “das ist eine Säu-
le”, auf einen andern zeigend “das heisst Würfel”, – “das heisst Platte”
u.s.w.. Und nun bestünde die Anwendung im Ausrufen jener Wörter “Säule”,
“Platte”, etc. in der Ordnung, wie ich die Bausteine brauche.
Und ganz
26
ähnlich ist ja das Uebereinkommen
und etwa eines, das mit Farben
arbeiten würde.
     

     Augustinus beschreibt wirklich einen Kalkül; nur ist nicht alles, was
wir Sprache nennen, dieser Kalkül.
     (Und das muss man in einer grossen Anzahl von Fällen sagen, wo es
sic[(|h] fragt: ist diese Darstellung brauchbar oder unbrauchbar. Die Ant-
wort ist dann: “ja, brauchbar; aber nur dafür, nicht für das gan-
ze Gebiet, das Du darzustellen vorgabst”.)
     

      Es ist also so, wie wenn jemand als erklärteˇ jemand: “spielen besteht darin,
dass man Dinge, gewissen Regeln gemäss, auf einer Fläche verschiebt …”
und wir in ihm antworteten: Du denkst da gewiss an die Brettspiele, und
auf sie ist Deine Beschreibung auch anwendbar. Aber das sind nicht die
einzigen Spiele. Du kannst also Deine Erklärung richtigstellen, indem Du
sie ausdrücklich auf diese Spiele einschränkst.

     Man könnte also sagen, Augustinus stelle das Lernen der Sprache zu
einfach dar // stelle die Sache zu einfach dar//; aber auch: er stelle
eine einfachere Sache dar.
     (Wer das Schachspiel einfacher beschreibt – mit einfacheren Regeln –
als es ist, beschreibt damit dennoch ein Spiel, aber ein anderes.)
     


      Ich w[i|o]llte ursprünglich sagen: Wie Augustinus das Lernen der Sprache
beschreibt, das kann uns zeigen, woher sich diese Auffassungˇ der Bedeutung überhaupt eigentlich
schreibt // …, von welcher welchem primitiven Anschauung Bild ……//.
     Man könnte den Fall mit dem einer Schrift vergleichen, in der Buch-
staben zum Bezeichnen von Lauten benützt würden, aber auch zur Bezeich-
nung der Stärke Betonung und als Interpunktionszeichen.
Fassen wir dann
diese Schrift als eine Sprache zur Beschreibung des Lautbildes auf, so
27
könnte man sich denken, dass Einer diese Schrift so auffasste, als entsprä-
che einfach jedem Buchstaben ein Laut und als hätten die Buchstaben nicht
auch ganz andere Funktio[h|n]en. –
Und so einer – zu einfachen – Beschreibung der
Schrift gleicht Augustinus' Beschreibung der Sprache völlig.


     


[Vielleicht auch zu “Komplex & Tatsache”]
[ M.S. ˇ groß S 113]

     Man kann z.B. – für [a|A]ndere verständlich – <Hierher gehört auch: Man kann – für Andere verständlich –> von Kombinationen
von Farben mit Formen
sprechen (etwa der Farben rot und
blau mit den Formen Q[i|u]adrat und Kreis) zusammengeschlossen, ?[<…>] ebenso wie von
Kombinationen verschiedener Formen oder Körper. Und hier haben wir die
Wurzel des meines irreleitenden Ausdrucks, die Tatsache sei ein Komplex von Ge-
genständen. Es wird also, dass ein Mensch krank ist, verglichen
mit der Zusammenstellung zweier Dinge, wovon das eine der Mensch<,> ist das
andere die Krankheit wäre. Hüten wir uns davor, // Hüten wir uns davor,……// zu ve[f|r]gessen, dass dasˇ nur Vergessen wir nicht, daß das nur …… ein
Gleichnis ist.
     Oder man muss sagen, es verhält sich hier mit dem Wort “Kombination”,
oder “Komplex”, wie mit dem Wort “Zahl”, das auch in verschiedenen – mehr
oder weniger logisch ähnlichen – Weisen (Bedeutungen) gebraucht wird.

     

     “Bedeutung” kommt von “deuten”.
     

     Was wir Bedeutung nennen, muss mit der primitiven Gebärdensprache (Zei-
gesprache) zusammenhängen.
     


      Wenn ich etwa die wirkliche Sitzordnung an einer Tafel nach einer Auf-
schreibung kollationiere, so hat es einen guten Sinn, beim Lesen jedes Na-
mens auf einen bestimmten Menschen zu zeigen.
Sollte ich aber etwa die Be-
schreibung eines Bildes mit dem Bild vergleichen und ausser dem Personen-
28
verzeichnis sagte die Beschreibung auch, dass eine gewisse Person eine
andere küsst, so wüsste ich nicht, worauf ich als Korrelat des Wortes “küs-
sen” zeigen sollte.
Oder, wenn etwas stünde “A ist grösser als B”, worauf
soll ich beim Wort “grösser” zeigen? – Ganz offenbar kann ich ja gar nicht
auf etwas diesem Wort entsprechendes in dem Sinne zeigen, wie ich etwa auf
die Person A im Bilde zeige.
     Es gibt freilich einen Akt “die Aufmerksamkeit auf die Grösse der Per-
sonen richten”, oder auf ihre Tätigkeit, und in diesem Sinne kann man au[v|c]h
das Küssen und die Grössenverhältnisse kollationieren. Das zeigt, wie der
allgemeine Begriff der Bedeutung entstehen konnte. Es geschieht da etwas
Analoges, wie wenn man das Pigment an Stelle der Farbe tritt.
     Und der Gebrauch des Wortes “kollationieren” ist hier so schwankend, wie
der Gebrauch des Wortes “Bedeutung”.
     

     Die Wörter haben offenbar ganz verschiedene Funktionen im Satz und die-
se Funktionen erscheinen uns ausgedrückt in den Regeln, die von den Wörtern
gelten. Wie in einem Stellwerk mi
     

< Die Bedeutg. des Wortes – & auf die Bedeutg. zeigen >
     

     Wie in einem Stellwerk mit Handgriffen die verschiedensten Dinge ausge-
führt werden, so mit den Wörtern der Sprache, die Handgriffen entsprechen.
Ein Handgriff ist der einer Kurbel und diese kann kontinuierlich verstellt
werden; einer gehört zu einem Schalter und kann nur entweder umgelegt oder
aufgestellt werden; ein dritter gehört zu einem Schalter, der drei oder
mehr Stellungen zulässt; ein vierter ist der Handgriff einer Pumpe und
wirkt nur, wenn solange er auf- und abbewegt wird; etc.: aber alle sind Handgriffe,
werden mit der Hand angefasst.

⋎ S. 42/1
     
     Vergleich der verschiedenen Arten von Linien //der Linien mit verschie-
denen Funktionen// auf der Landkarte mit den Wortarten im Satz. Der Unbe-
29
lehrte sieht eine Menge Linien und weiss nicht, dass sie sehr verschiedene
Bedeutungen haben. Grenzen, Meridiane, Straßen, Schichtenlinien, Buchstaben.
     Denken wir uns den Plan [w|e]ines Weges gezeichnet und mit einem Strich
durchstrichen, der anzeigen soll, dass dieser Plan nicht auszuführen ist
// dass dieser Weg nicht zu gehen ist//. Ein solches Zeichen sei durch einen Strich durchstrichen um zu zeigen dass es
falsch ist.
Auf dem Plan sind viele Striche
gezogen, aber der, der ihn durchstreicht, hat eine gänzlich andere Funktion
a[a|l]s die anderen.
     

     Der Unterschied der Wortarten ist wie der Unterschied der Spielfiguren,
oder, wie der noch grössere, einer Spielfigur und des Schachbrettes.

S. 42/1 ⋎
30
     

8
Bedeutung, der Ort des Wortes im grammatischen Raum.
     




      W[o|i]r können in der alten Ausdrucksweise sagen: das Wesentliche am Wort
ist seine Bedeutung.
     


      Wir sagen: das Wesentliche am Wort ist seine Bedeutung; wir können da[x|s]
Wort durch ein anderes ersetzen, das die gleiche Bedeutung hat <Wir können in … sagen: [d|D]as Wesentliche ist die Bedeutg. des Wortes,
nicht das Wort. Wir können also das Wort durch ein anderes ersetzen,
das die gleiche Bedeutg. hat. ……
>. Damit ist
gleichsam ein Platz für das Wort fixiert und man kann ein Wort für das an-
dere setzen, wenn man es an den gleichen Platz setzt.
     

Kann man aber in diesem Sinne in einem Gedicht Worte
durch andere ersetzen? Welche Art Unterschied macht
es, wenn ich in einer Betrachtung der Gesetze des freien Falls
das Wo “Schnelligkeit” statt “Geschwindigkeit” sage oder
statt des Buchstaben v ˇ etwa einen Hebräischen gebrauche;
anderseits aber, wenn ich ein Wort eines Gedichts durch
das Zeichen A ersetze, wobei ich erkläre A solle die gleiche
Bedeutung haben, wie des Wortes haben. Das wäre als wollte
ich ein finsteres Gesicht machen & dazusagen daß es das
gleiche bedeuten solle wie ein freundliches Lächeln.
     

⋎ S. 31/1

     Wenn ich micht entschlösse (in meinen Gedanken) statt “rot” ein neues
Wort zu sagen, wie würde es sich zeigen, dass dieses an dem Platze des
Wortes “rot” steht? Wodurch ist die Stelle //der Platz// eines Wortes
bestimmt? Angenommen etwa, ich wollte auf einmal alle Wörter meiner Spra-
che durch|andere ersetzen, wie könnte ich wissen, welches Wort an der
Stelle eines früheren steht[.| ?] , an welcher Stelle eines der
neuen Worte steht?
Sind esˇ etwa immer die Vorstellungen, die bleiben und
den Platz des Wortes halten? So dass an einer Vorstellung quasi ein Haken
ist, – und hänge ich an den ein Wort, so ist ihm damit dadurch der Platz an-
gewiesen?
     Oder: Wenn ich mir den Platz merke, was merke ich mir da?
     

     Man könnte z.B. ausmachen, im Deutschen statt “nicht” immer “not non” zu
setzen und dafür statt “rot” “nicht”. So dass das Wort “nicht” in der
31
Sprache bliebe und doch könnte man nun sagen, dass “not nonso gebraucht
wird, wie früher “nicht”, und dass jetzt “nicht” anders gebraucht
wird als früher.
     

     Der Ort eines Wortes in der Sprache // Grammatik // ist seine Bedeutung.
Die Bedeutung könnte ich den Ort eines Wortes in der Grammatik nennen.

     

     Wäre es nicht ähnlich, wenn ich mich entschlösse, die Formen der Schach-
figuren zu ändern, oder etwa eine Figur, die wir jetzt “Rössˇel” nennen wür-
den, als Königsfigur zu nehmen? //…oder etwa die Figur eines Pferdchens
als König zu nehmen?// Wie würde es sich nun zeigen, dass das hö[z|l]zerne
Pferdchen Schachkönig ist? Kann ich hier nicht sehr gut von einem Wechsel
der Bedeutung reden?
     



Wir verstehen unter “Bedeutung des Namens” nicht den Träger des Namens. Unter “Bedeutung des eines Namens” wird nicht … verstanden. <Unter der Bedeutung eines Namens wird nicht sein Träger verstanden.>
     

     Man kann sagen, dass die Worte “der Träger des Namens ‘N’” dieselbe
Be<d>eutung haben wie der Name [|] N’ – also für einander eingesetzt werden kön-
nen.
     

     Aber heisst es nicht dasselbe, zu sagen “zwei Namen haben einen Träger” und “zwei Namen haben ein- und dieselbe Bedeutung” ? (Morgenstern,
Abendstern, Venus.)
     


      Wenn mit dem Satz “‘A’ und ‘B’ haben denselben Träger” gemeint ist:
“der Träger von des Namens ‘A’” bedeutet dasselbe wie “der Träger von des Namens ‘B’”, so ist
alles in Ordnung, weil das dasselbe heisst wie A = B.
Ist aber mit dem
Träger von ‘A’ etwa der Mensch gemeint, von dem es sich feststellen lässt,
32
dass er auf den Namen ‘A’ getauft ist; oder der Mensch, der das Täfelchen
mit dem Namen ‘A’ um den Hals trägt; etc., so ist es gar nicht gesagt, dass
ich mit ‘A’ diesen Menschen meine, und dass die Namen, die den gleichen
Träger haben, dasselbe bedeuten.
     

     Aber zeigen wir nicht zur Erklärung der Bedeutung auf den Gegenstand, den
der Name vertritt? Ja; aber dieser Gegenstand ist nicht ‘die Bedeutung’,
obwohl sie durch das Zeigen auf diesen Gegenstand bestimmt wird.
     

     Aber es bestimmt hier schon das richtige Verstehen des Wortes ‘Träger’
in dem besondern Fall (Farbe, Gestalt, Ton, etc.) die Bedeutungˇ sozusagen bis auf ei-
ne letzte Bestimmung. D.h. der H erklärende Hinweis auf den Träger entscheidet
nur noch eine Frage nach der Bedeutung von der Art:
“Welcher dieser Leute ist Herr N?”, “Welche Farbe heißt ‘lila’?”, “Welcher
Ton ist das hohe C?”.
     



< Man kann sagen: Die Bedeutung des eines Wortes lehren, heißt
seinen Gebrauch lehren & das kann man durch
Hinweisen auf den Träger eines Namens tun, wenn
dieser Gebrauch, sozusagen, schon bis auf eine
letzte Bestimmung bekannt ist.
     Erinnere Dich daran, daß durch die selbe hinwei
sende Geste auf denselben Körper ˇdie Bedeutung von Worten verschiedener Art erklärt werden können kann. Z.B.: “das heißt ‘Holz’”,
“das heißt ‘braun’”, “das
heißt ein ‘Stab’”, “das
heißt ein ‘Federstiel’”.
>
     

<      Denken wir aber wieder dagegen an das Zeigen & Benennen von Gegen-
ständen, durch das wie man Kindern die Anfänge der
Sprache lehrt. Hier kann man natürlich nicht sagen, diese
Erklärung (wenn man das eine Erklärung nennen will)
gebe noch eine letzte Bestimmung über den Gebrauch
des Wortes, & das Kind kann auch noch nicht fragen
“wie heißt das?”. (ˇD.h., ,[D|d]iese ‘Erklärung’ ist nicht die Antwort
auf die Frage “wie heißt dieser Gegenstand”.)
>
     

     Wenn ich sage “die Farbe dieses Gegenstands heisst ‘violett’”, so muss
ich die Farbe mit den ersten Worten “die Farbe dieses Gegenstands” schon be-
nannt haben, sie schon zur Taufe gehalten haben, damit der Akt der Namenge-
bung das sein kann, was er ist. die Namengebung geschehen kann. Denn ich könnte auch sagen “der Name dieser
Farbe (der Farbe dieses Dings) ist von Dir zu bestimmen<>, und der den Namen
gibt, müsste nun schon wissen, wem er ihn gibt (an welchen Platz der Spra-
che er ihn stellt[.|)].
     

     Ich könnte also so erklären, die Farbe dieses Flecks heisst “rot”, die Form
“Kreis”.
      Und hier stehen die Wörter “Farbe” und “Form” für Anwendungsarten (gram-
matische Regeln) und sind //bezeichnen// in Wirklichkeit Wortarten, wie
“Eigenschaftswort”, “Hauptwort”. Man könnte sehr wohl in der (gewöhnlichen deutschen)
Grammatik neben diesen Wörtern die Wörter die Bezeichnungen “Farbwort”, “Formwort”, “Klang-
wort” einführen. (Aberˇ mit demselben Recht auch “Baumwort”, “Buchwort” ?)
33
     
     Der Name, den ich einem Körper gebe, einer Fläche, einem Ort, einer Far-
be, hat jedes Mal in jedem dieser Fälle eine andere Grammatik. Der Name “A” in “A ist ge[bl|lb]” hat eine
andere Grammatik, wenn A es der Name eines Körpers und als wenn es der Name der
Fläche eines Körpers ist[;| ,] ob nun ein der Satz “dieser Körper ist gelb” sagt,
dass die Oberfläche des Körpers gelb ist, oder dass er durch und durch gelb
ist. “Ich zeige auf A” hat verschiedene Grammatik, je nachdem A ein Körper,
eine Fläche, eine Farbe ist etc.. <Und man zeigt in anderem Sinne auf den Körper A, auf
die Länge A eines Körpers, & auf die Farbe A.
Und man zeigt in anderem Sinne auf einen Körper,
auf seine Länge, & auf seine Farbe.
> < D.h. es ist z.B. etwa
eine Definition möglich: <…> auf eine<…> Farbe zeigen heißt
auf den Körper zeigen der sie hat.
> Und so hat auch das hinweisende Fürwort
“dieser” andere Bedeutung (d.h. Grammatik), wenn es sich auf Hauptwörter
verschiedener Grammatik bez[e|i][i|e]ht // … Hauptwörter mit verschiedener Gram-
matik bezieht.//
[Worin soll der Unterschied dieser Grammatiken liegen?]
     

     Man kann sagen “dieser Körper ist durch & durch gelb” aber
nicht, “seine Oberfläche ist durch & durch gelb”.
     

     Auf eine Zahl deuten.
     

Und wer (mit der Hand) auf einen Körper zeigt, zeigt dadurch,
aber eben darum in anderem Sinne, auf seine Farbe, seine Gestalt, den
Ort an dem er sich befindet. Wie der, welcher jemand
Klavier spielen hört, dadurch in anderem Sinne das
Musikstück hört, welches gespielt wird & in noch ande-
rem Sinne die Schönheit des Stückes. – Aber was heißt es
“er hört in anderem Sinne”, “er zeigt in anderem Sinne”. Was
ich meine wäre jedenfalls in einer Definition ausgedrückt
die etwa sagte: auf eine Farbe zeigen heißt: auf einen Körper
zeigen der die Farbe hat. Also etwa F(φ) = (∃x).φx[:|.]Fx
Daß F von φ in anderm Sinne ausgesagt wird als von x heißt, daß
ich statt Fx nicht wieder einen Ausdruck wie die rechte Seite setzen
kann
34
     

9
Die Bedeutung eines Wortes ist das, was die (grammatische) Erklärung der
Bedeutung erklärt.
[Dazu der letzte Satz dieses §] Siehe auch § 41 S. 179
     

“Bedeutung, das was die Erklärung der B. erklärt”
d.h.: Fragen wir nicht was ˇ die Bedeutung sei, sondern
sehen wir uns an nach was man die “Erklärung der B.”
nennt.
     




     Man sagt dem Kind: “nein, kein Stück Zucker mehr!” und nimmt es ihm weg.
So lernt das Kind die Bedeutung des Wortes ‘kein’.
     Hätte man ˇihm mit denselben Worten ein Stück Zucker gereicht, so hätte es ge-
lernt, das Wort anders zu verstehen. Es hat damit gelernt, das Wort
gebrauchen, aber auch ein bestimmtes
Gefühl mit ihm zu verbinden, es in bestimmter Weise zu erleben.
     

     Veranlassen wir es dadurch nicht, Worten einen Sinn beizulegen, ohne dass
wir sie durch ein anderes Zeichen ersetzen, also ohne diesen Sinn au[c|f] andere
Weise auszudrücken? Veranlassen wir es nicht gleichsam, für sich etwas zu
tun, dem kein äusserer Ausdruck gegeben wird, oder wozu der äussere Aus-
druck nur im Verhältnis einer Hindeutung steht? Die Bedeutung liesse sich
nicht aussprechen, sondern nur auf sie von ferne hinweisen. Sie liesse sich
gleichsam nur verursachen. Aber welchen Sinn hat es dann überhaupt, wenn
wir von dieser Bedeutung reden? (Schlag und Schmerz)
     

Was wollen wir unter ‘Bedeutung’ eines Worts verstehen? Ein
charakteristisches Gefühl, das das Aussprechen (Hören) des
Wortes begleitet? (Das und-Gefühl, wenn-Gefühl James's)
Oder wollen wir das Wort ‘Bedeutung’ ganz anders
gebrauchen; &, z.B, sagen zwei Worte haben die gleiche
Bedeutung wenn dieselben gramm. Regeln von beiden
gelten? Wir können es halten, wie wir wollen, aber wir müssen ˇ aber
wissen daß dies zwei gänzlich verschie-
dene Gebrauchsweisen (Bedeutungen) des Wortes
‘Bedeutung’ sind. (Man kann vielleicht auch
von einem spezifischen Gefühl reden welches der
Schachspieler bei Zügen mit dem König empfindet.)
     

     Gibt mir die Erklärung des Wortes die Bedeutung, oder verhilft sie mir
nur zur Bedeutung? So dass also das Verständnis in der Erklärung nicht nie-
dergelegt wäre, <Ist die Bedeutung das Gefühl, dann ist die Bedeutung
in der B Erklärung nicht niedergelegt ……
> sondern durch sie nur äusserlich bewirkt, wie
<aber durch sie etwa bewirkt wie ……> die Krankheit
durch eine Speise.
     

< In einem Sinn ist kann man die Erklärung der Bedeutung die Aufklärung Ausschließung
von Mißverständnissen nennen. Sie sagt, das Wort hat diese Bedeu-
tung, nicht jene.
>
     

< Und “Erklärung der Bedeutung” nennen wir vielerlei. >
     

     Das Problem äussert sich auch in der Frage: Wie erweist sich ein Miss-
verständnis? Denn das ist dasselbe wie das Problem: Wie zeigt es sich, dass
35
ich richtig verstanden habe? Und das ist: Wie kann ich die Bedeutung erklä-
ren?
     Es fragt sich nun: Kann sich ein Missverständnis darin äussern, dass, was
der Eine bejaht, der Andere verneint?
     

     Nein, denn dies ist eine Meinungsverschiedenheit und kann als solche auf-
recht erhalten werden. Bis wir annehmen, der Andere habe Recht ….
     

[Zu S. 48]

     Wenn ich also, um das Wort “lila” zu erklären, auf einen Fleck zeigend
sage “dieser Fleck ist lila”, kann diese Erklärung dann auf zwei Arten funk-
tionieren? einerseits als Definition, die den Fleck als Zeichen gebraucht,
anderseits als Erläuterung? Und wie das letztere? Ich müsste annehmen, dass
der Andere die Wahrheit sagt und dasselbe sieht, was ich sehe. Der Fall, der
wirklich vorkommt, ist etwa folgender: A erzählt dem B in meiner Gegenwart,
dass ein bestimmter Gegenstand lila ist. Ich höre das, habe den Gegenstand
auch gesehen und denke mir: “jetzt weiss ich doch, was ‘lila’ heisst”. Das
heisst, ich habe aus jenen Sätzen // jener Beschreibung// eine Worterklä-
rung gezogen.
     Ich könnte sagen: Wenn das, was A dem B erzählt, [wa|di]e Wahrheit ist, so
muss das Wort “[L|l]ila” diese Bedeutung haben.
     Ich kann diese Bedeutung also auch quasi hypothetisch annehmen und sagen:
wenn ich das Wort so verstehe, hat A Recht. Aber dem “so” entspricht eine Hinweisende Definition.
     

     Man sagt: “Ja, wenn das Wort das bedeutet, so ist der Satz wahr”.
     

     Nehmen wir an, die Erklärung der Bedeutung war nur eine Andeutung: konn-
te man nicht sagen: Ja, wenn diese Andeutung so verstanden wird, dann
gibt das Wort in dieser Verbindung einen wahren Satz etc.. Aber dann muss
nun nun dieses “so” ausgedrückt sein. Die Erklärung immer nur eine Andeutung.
36
     
     Die Erklärung eines Zeichens muss?? jede Meinungsverschiedenheit kann jede … beseitigen. in Bezug
auf seine Bedeutung beseitigen können.
     Und ist dann noch eine Frage nach der Bedeutung zu entscheiden?
     

     Missverständnis nenne ich das, was durch eine Erklärung zu beseitigen
ist. Die Erklärung der Bedeutung eines Wortes schliesst Missverständnisse
aus.
     

Wie kann Einer nach der Erklärung einer Wortbedeutung
fragen? – Z.B. so: “Welche Farbe heißt ‘violett’?”; aber
au
<,>
oder: “welches ist heißt das 3 gestrichene C?”; aber
auch so: “was heißt das Wort ‘ne pas’?”.
     

Auf die ersteˇ & zweite Frage wird man durch ein Zeigen antworten & die Frage
hatte das auch vorausgesehen. Die dritte Frage könnte man durch
eine Übersetzung ins Deutsche beantworten (oder auch durch Bei-
spiele der Anwendung). – Wie aber, wenn ein mathematisch nicht
vorgebildeter fragte “Was bedeutet das Wort ‘Integral’?”. Da
müßte man wohl antworten: das kann ich Dir erst dann er-
klären//: das ist ein mathematischer Ausdruck, den ich Dir erst ……//, wenn Du mehr Mathematik verstehen wirst.
     

Ich habe einmal als Kind nach der Bedeutung des Wortes “etwas” gefragt. [oder war es “vielleicht”?]
Man antwortete mir: “das verstehst Du noch nicht”. Wie aber hätte
man es erklären sollen?! Durch eine Definition? oder hätte man mir sagen sagen sollen, oder sollte man sagen,
das Wort sei undefinierbar? Wie ich es später verstehen
gelernt habe, weiß ich nicht; aber ich habe wohl Phrasen worin
das Wort vorkommt anwenden gelernt. Und dieses Lernen hatte
wohl am meißten Ähnlichkeit mit einem Abrichten [abgerichtet
wWerden].
     

< Ich will wollte hier [auf dieser → Seite] das Wesen des Mißverständnisses im
Gegensatz zum Unverständnis der Sprache darstellen.
>
     

     Das sind Missverständnisse Ein Missverständnis ist: “Ist das eine Orange? ich dachte das
sei eine”.
     Kann man sagen: Wie is es mit diesem: “Ist das rot? ich dachte, das sei ein Sessel”?
     Aber [k|K]ann man sich nicht einbilden (wenn man etwa nicht deutsch ver-
steht<)> “rot” heisse laut) ( d.h. werde so gebraucht, wie tatsächlich das
Wort “laut” gebraucht wird)[.| ?] Wie wäre aber die Aufklärung dieses Missver-
ständnisses? Etwa so: “rot ist eine diese Farbe, keine Tonstärke”? – Eine solche
Erklärung könnte man natürlich geben, aber sie wäre nur dem verständlich,
der sich bereits ganz in der Grammatik auskennt.
     

     Der Satz “ist das rot? ich dachte, das sei ein Sessel” hat nur Sinn,
wenn das Wort “das” beide Male im gleichen Sinn gebraucht wird und dann
muss ich entweder “rot” als Substantiv, oder “ein Sessel” als Adjektiv
auffassen.
     

“Heißt ‘weak’ schwach? ich dachte, es heiße Woche.”
     

     Die Aufklärung kann nur verstanden werden, wenn sie in einer Sprache
gegeben wird, die wird in einer Spr. gegeben, die …… unabhängig von dem Missverständnis besteht.

     
Was für Konsequenzen will ich daraus ziehen?!
Hängt damit zusammen daß die Erklärung an Stelle des
Zeichens gebraucht werden kann. Der Satzt sollte sagen daß
die Erklärung nur innerhalb der schon ihrem Wesen nach verstan-
denen Sprache geschieht. Die Erklärung entscheidet nur zwischen
Möglichkeiten die der Fragende selbst voraussehen konnte.
Nicht die Spracheˇ als solche wird für ihn aufgebaut, sondern nur diese Aus-
drucksweise. Da die Aufklärung ja verstanden wird so konnte sie auch
als Möglichkeit schon früher ins Auge gefaßt werden; es konnte auch nach
ihr unmittelbar gefragt werden, so daß der Erklärende nur mehr “ja” oder
“nein” zu antworten hatte. Und mit “ja” & “nein” konnte er nicht das
Wesen der Sprache erklären.

     

Zu S. 43

     Ist es denn nicht denkbar, dass ein grammatisches System in der Wirk-
lichkeit zwei (oder mehr) Anwendungen hat?
     Ja, aber wenn wir das überhaupt sagen können, so müssen wir die beiden
37
Anwendungen auch durch eine Beschreibung unterscheiden können.
     

[Vagueheit des Wortes “Wortart.] Zu S. 43

     Zu sagen, ˇdass das Wort “rot” mit allen Vorschriften, die von ihm gelten,
das bedeuten könnte, was tatsächlich das Wort “blau” bedeutet; dass al[z|s]o
durch diese Regeln die Bedeutung nicht fixiert ist, hat nur einen Sinn,
wenn ich die beiden Möglichkeiten der Bedeutung ausdrücken kann und dann
sagen, welche die von mir bestimmte ist.
     (Diese letztere Aussage ist aber eben die Regel, die vorher zur Eindeu-
tigkeit gefehlt hat.)
     
     Die Grammatik erklärt die Bedeutung der Wörter, soweit sie zu erklären
ist. Und zu erklären ist sie soweit, als nach ihr gefragt werden kann; und
nach ihr fragen kann man soweit, als sie zu erklären ist. Die Bedeutung
ist das, was wir in der Erklärung der Bedeutung eines Wortes erklären.
     

     “Das, was ein 1 cm3 Wasser wiegt, hat man ‘l Gramm’ genannt” – “Ja, was
wiegt er denn?” (Bedeutung eines Wortes).
     

     Mißverstandnis Unverständnis.
     Dies Erklärg der Bedeutgˇ immer nur eine Andeutg.
38
     

10
“Die Bedeutung eines Zeichens ist durch seine Wirkung (die Assoziationen,
die es auslöst, etc.) gegeben.”
     




Man möchte mit dem Gedächtnis & der Assoziation den
Mechanismus des Bedeutens erklären.
     

<Aber wir fühlen, daß es uns nicht auf die eine Erklärung eines
Mechanismus ankommen kann. Denn diese Erklärung ist
wieder eine Beschreibung von Phänomenen durch die
//in der// Sprache. Sie sagt, etwa, : wenn das Wort ‘rot’ ge-
hört wird, springt die Vorstellung rot hervor. (Eine
Tafel durch den Druck auf eines Knopfes) Nun, wenn das
eintritt, – was weiter? Wir wollen ˇja eben die Erklärung eines Kal-
küls, nicht eines Mechanismus hören.
> <Und die Erklä-
><rung des Mechanismen stellt sich außerhalb des Kalküls
auf.
> < Sie hat mit dem, was uns interessiert, nichts zu tun.
Sie ist selbst eine Beschreibung in der Sprache & eine die in
den Kalkül, der uns etwa erklärt werden soll, nicht eingreift.
Während wir eine Erklärung brauchen, die ein Teil dieses
Kalküls ist.
>
     
     Wenn ich sage, das Symbol ist das, was diesen Effekt hervorruft, so
fragt es sich eben, wie ich von diesem Effekt reden kann, wenn er gar
nicht da ist. Und wie ich weiss, dass es der ist, den ich
gemeint habe
, wenn er eintritt // kommt//.
     

      “Das was Die Worte Der Ausdruck …… was diesen Effect hervorruft” ist sind … ist ja wieder ein
Symbol. Und dieser Satz erklärt daher das Wesen des Sym-
bols nicht.
     

     Es ist darum keine Erklärung, zu sagen: sehr einfach, wir vergleichen
die Tatsache mit unserem Erinnerungsbild, – weil vergleichen eine bestimm-
te Vergleichsmethode voraussetzt, die nicht gegeben ist. die nur wieder beschrieben ist.
     

     Wie soll er wissen, welche Farbe er zu wählen hat, wenn er das Wort
“rot” hört? – Sehr einfach: er soll die Farbe nehmen, deren Bild ihm beim
Hören des Wortes einfällt. – Aber wie soll er wissen, was die “Farbe” ist,
“deren Bild was das ist: “die Farbe, die …… ihm einfällt”? Braucht es dafür ein weiteres Kriterium? u.s.f..
     (Es gibtˇ übrigens auch ein Spiel: die Farbe wählen, die einem beim Wort “rot”
einfällt.)
     

     Man kann aber auch sagen, daß dieser Satz (die Bedeu-
tung des Zeichens ‘rot’ sei die Farbe, die ich mit
dem Wort assoziiere) zwa eine die Erklärung einer
bestimmten Bedeutung, d.h. eine Definition, ist;
aber nicht die Erklärung des Begriffs der Bedeutung
“‘rot’ bedeutet die Farbe, die mir beim Hören des
Wortes ‘rot’ einfällt” ist eine Definition.
     

Bezieht sich auf das, was Frege, & gelegentlich Ramsey, al vom Wiederer-
kennen als einer Bedingung des Symbolisierens sagte.
Wie ist denn das Kriterium dessen, daß ich die Farbe rot richtig wieder-
erkannt habe? Etwaˇ so etwas wie das Erlebnis der Freude beim Wieder-
erkennen?
     

     (Die psychologischen – trivialen – Erörterungen über Erwartung, Assozia-
tion, etc. lassen immer das eigentlich Merkwürdige aus und man merkt ihnen
an, dass sie herumreden, ohne den springenden Punkt zu berühren.) < Und umsomehr, als es nie notwendig ist die Wirkungs-
weise eines Wortes durch Assoziation & Gedächtnis zu erklären & weil man
statt der Vorstellungsbilder immer wirkliche (gemalte)
Bilder verwenden könnte.
>
     

     Wenn ich Worte wählen kann, dass sie der Tatsache – in irgend einem Sin-
39
ne – passen, dann muss ich also schon vorher einen Begriff dieses Passens
gehabt haben. Und nun fängt das Problem von Neuem an, denn, wie weiss ich,
dass dieser Sachverhalt dem Begriff vom ‘Passen’ entspricht.
     

     Aber warum beschreibe ich dann die Tatsache gerade so? Was liess
Dich diese Worte sagen?
     

     Und wenn ich nun sagen würde: “alles was geschieht, ist eben, dass ich
auf diese Gegenstände sehe und dann diese Worte gebrauche,” so wäre die Ant-
wort: “also besteht das Beschreiben in weiter nichts? und ist es immer ei-
ne Beschreibung, wenn Einer …?” Und darauf müsste ich sagen: “Nein.
Nur kann ich den Vorgang nicht anders, oder doch nicht mit einer andern
Multiplizität beschreiben, als, indem ich sage: ‘ich beschreibe, was ich
sehe’; und darum ist keine Erklärung mehr möglich, weil mein Satz
bereits die richtige Multiplizität hat.”
     

     Ich könnte auch so fragen: Warum verlangst Du Erklärungen? Wenn diese
gegeben sein werden //würden //, wirst Du ja doch wieder vor einem Ende
stehen. Sie nnen Dich nicht weiter führen, als Du jetzt bist. (‘Nähmaschine’)
     

     In welchem Sinne sagt man, man kennt die Bedeutung des Wortes A, noch
ehe man den Befehl, in dem es vorkommt, befolgt hat? Und inwiefern kann
man sagen, man hat die Bedeutung durch die Befolgung des Befehls kennenge-
lernt? Können die beiden Bedeutungen miteinander in Widerspruch stehen?
     

     Ich wünscheˇ mir, einen Apfel zu be[j|k]ommen. In welchem Sinne kann ich sagen,
dass ich noch vor der Erfüllung des Wunsches die Bedeutung des Wortes “Ap-
fel” kenne? Wie äusser[s|t] sich denn die Kenntnis der Bedeutung? d.h., was
versteht man denn unter ihr.
     Offenbar wird das Verständnis des Wortes durch eine Worterklärung gege-
40
ben, welche nicht die Erfüllung des Wunsches ist.
     

Es ist eine Funktion des Wortes “rot” uns die Farbe
in Erinnerung zu rufen & es könnte z.B. gefun-
den werden, daß sich dazu das Wort “rot”
besser eignetˇ als ein anderes (daß seine Bedeutung etwa
schwerer vergessenˇ oder verwechselt wird). als Aber wir hätten
uns, wie gesagt, statt des Mechanismus der Asso-
ziation <…> einer Tabelle (oder dergl.) bedienen kön-
nen; & nun müßte unser Kalkül eben mit
dem assoziierten oder gemalten Bild [Muster]
weiterschreiten. Die Zweckmäßigkeit eines Zeichens
in jenem Sinne interessiert uns nicht. (Im Gegen-
satz dazu: Kratylos: “Bei weitem … erste beste”.
     

     Die Bedeutung ist eine Festsetzung, nicht Erfahrung. Und damit nicht
Kausalität. Was das Zeichen suggeriert, findet man durch Erfahrung. Es ist
die Erfahrung, die uns lehrt, welche Zeichen am seltensten missverstanden
werden. Das Zeichen, soweit es suggeriert, also soweit es wirkt, interes-
siert uns nicht. Es interessiert uns nur als Zug in einem Spiel: Glied in
einem System, das selbständig ist. // Glied in einem System; das seine Be-
deutung in sich selbst hat.//Glied in einem System, das selbstbedeutend
ist; das seine Bedeutung in sich selbst hat.//
     

     Unsere Weise von den Wörtern zu reden, können wir durch das beleuchten,
was Sokrates im “Kratylos” sagt. Kratylos: “Bei weitem und ohne Frage ist
es vorzüglicher, Sokrates, durch ein Aehnliches darzustellen, was jemand
darstellen will, als durch das erste beste.” – Sokrates: “Wohl gesprochen,
…”.
     

[Zu § 14 S 58 oder § 89 S 414]

     Es wäre charakteristisch für eine bestimmte irrige Auffassung, wenn ein
Philosoph glaubte,
ˇEin Philosoph könnte glauben einen Satz Ich könnte mir denken, daß ein Philosoph glaubte, einen Satz …… mit in roter Farbe drucken lassen zu müssen, da
ers erst so ganz das ausdrücke, was der Autor sagen will. (Hier hätten wir
die magische Auffassung der Zeichen statt der logischen.)
<
         Aber wäre das wirklich so unsinnig, verwenden wir
denn nicht wirklich Sperrdruck? – Ich wollte sagen: die
Wirkung eines Satzes auf das Gemüt ist nicht sein Sinn.
>
     (Das magische Zeichen würde wirken wie eine Droge, und für sie wäre die
kausale Theorie richtig.)


     

     Die Untersuchung, ob die Bedeutung eines Zeichens seine Wirkung ist, ist
eine grammatische Untersuchung.
     

     Ich glaube, auf die kausale Theorie der Bedeutung kann man einfach ant-
worten, dass wir, wenn Einer einen Stoss erhält und umfällt, das Umfallen
41
nicht die Bedeutung des Stosses nennen nennen.
     

     Die Verwendung eines Plans einer Landkarte, daß wir uns in irgend einer Weise nach ihm ihr richten, ist eine Uebersetzung in unsere Handlungen.
Eine Uebertragung in unsere Handlungen. <Daß wir ihr Bild in unsere Handlungen übertragen.>
Es ist klar, dass da kausale Zu-
sammenhänge gesehen werden, aber es/wäre komisch, die als das Wesen eines
Planes auszugeben. // aber würde man sagen, sie sind es die den Plan zum Plan machen? // <Es ist klar daß hier kausale Zusammenhänge
stattfinden; aber würden wir sagen……?
>
     

     Der Sinn der Sprache ist nicht durch ihren Zweck ihre Wirkung bestimmt. Oder: Was
man den Sinn, die Bedeutung, in der Sprache nennt, ist nicht ihre Zweck Wirkung.

<ˇ Damit meinte ich, ursprünglich daß, was wir Sinn eines Satzes
nennen & durch eine sprachliche Erklärung erklärt
wird, nichts mit dem zu tun hat, was diese Wirkung
beabsichtigte Wirkung der Sprache hervorrufen hilft.
>
     

     Es ist wirklich “the meaning of meaning” was wir untersuchen: Nämlich
// [o|O]der // die Grammatik des Wortes “Bedeutung”.
42
     


11
Bedeutung als Gefühl, hinter dem Wort stehend; durch eine Geste ausgedrückt.
     





< als Zitat>
Zu: S. 29

     Jeder<,> Beistrich der einen Satz liest und versteht, sieht die Worte
//die verschiedenen Wortarten// in verschiedener Weise, obwohl sich ihr
Bild und Klang <Jeder, der einen Satz einer ihm geläufigen Sprache liest,
nimmt die Worte der verschiedenen Wortarten in anderer
Weise auf obwohl sich ihr Bild & Klang ……
> der Art nach nicht unterscheidet. Wir vergessen ganz, dass
‘nicht’ und ‘Tisch’ und ‘grün’ als Laute oder Schriftbilder betrachtet sich
nicht wesentlich voneinander unterscheiden und sehen es nur klar in einer
uns fremden Sprache. (James.) (Bedeutungskörper.)

     

< Anderseits sagt man: ich verstehe diese Geste, wie:
ich verstehe dieses Thema, es sagt mir etwas & das
heißt hier:ˇ ich erlebe es es greift in mich ein. Ich folge ihm
mit bestimmtem Erlebnis.
>
     

     Das “Nicht” macht eine abwehrende // verneinende// Geste.
     Nein, es ist eine abwehrende Geste.
     “Das Verstehen der Verneinung ist dasselbe, wie das Verstehen einer ab-
wehrenden Geste.”
     

< Den Kopf schütteln


Verstehen des Wortes “nicht” im Sinne von “wissen wie
es gebraucht wird” & dagegen das Verstehen einer
Geste, der Eindruck den mir die Geste macht.
>
     

< Wie lernt man eine Geste verstehen, die uns nicht durch Worte
erklärt (definiert) wird?
>
     Gefragt, was ich mit “und” im Satze “gib mir das Brot und die But-
ter” meine, würde ich mit einer Gebärde antworten, und diese Gebärde würde
die Bedeutung // würde, was ich meine// illustrieren. Wie das grüne Täfel-
chen “grün” illustriert und wie die W-F-Notation “und”, “nicht”, etc. illu-
striert.

S. 16/1,2 ⋎
     
< [Wo anders besser]>
     Die Geste des Wortes “vielleicht” des Wortes “bitte” & “danke” als
Erklärung der Bedeutung dieser Wörter.
43
     


12
Man tritt mit der hinweisenden Erklärung der Zeichen nicht aus der Sprach-
lehre heraus.












     
     Zur Grammatik gehört nur das nicht, was die Wahrheit und Falschheit eines
Satzes
ausmacht. Nur darum kümmert sich die Grammatik nicht. Zu ihr gehören
alle Bedingungen des Vergleichs des Satzes mit der Wirklichkeit //mit den
Tatsachen //. Das heisst, alle Bedingungen des Verständnisses. (Alle Bedin-
gungen
des Sinnes.)
     

Die Anwendung der Sprache geht über diese hinaus, aber nicht die Deutung
der Schrift- und oder Lautzeichen. Die Deutung vollzieht sich noch im Allge-
meinen, als Vorbereitung auf jede Anwendung. <Die Deutung der Schrift & Lautzeichen durch hinweisende
Erklärungen gehört nicht in die Anwendung ist nicht Anwendung …… der Spra-
che sondern zu ihrer Grammatik ist ein Teil der
Sprachlehre. Die Deutung vollzieht sich … Anwendung.
> Sie geht in der Sprach-
lehre
vor sich und nicht im Gebrauch der Sprache.
     

     Soweit sich die Bedeutung der Wörter in der in der eingetroffenen Tatsache (Handlung) ˇ Erwartg, in der Befolgung des Befehls zum Vorschein
kommt, zeigt, kommt sie (schon) in der Beschreibung der Tatsache zum Vorschein.
(Sie wird also ganz in der Sprachlehre bestimmt.)
     (In dem, was sich hat voraussehen lassen; worüber man schon vor dem Ein-
treffen der Tatsache reden konnte.)
     

“Das nennt man einen Krautkopf” ist eine hinw. Def. Definition,
& gehört zur Sprachlehre. “Gib mir diesen Kraut-
kopf” ist ein Satz der Sprache, der die Wortsprache
verläßt da er eine Gebärde & ein Objekt ˇverlangt worauf gezeigt wird. erlangt.
     

     Ist nicht der Grund, warum wir Der Grund, warum wir …… glauben, mit der hinweisende Erklärung
44
das Gebiet der Sprache, des Zeichensystems, zu verlassen, dass wir dieses
Heraustreten aus den Schriftzeichen mit einer Anwendung der
Sprache, etwaˇ mit einer Beschreibung dessen, was ich sehe // wir sehen //,
verwechseln.
     

[Zu § 13]

     Man könnte fragen wollen: Ist es denn aber ein Zufall, dass ich zur Er-
klärung vomn Zeichen, also zur Ver[f|v]ollständigung des Zeichensystems aus demn
Schrift- oder Lautzeichen heraustreten muss? Trete ich damit nicht eben in das Gebiet, in dem // worin// sich dann das zu Beschreibende // das Beschriebene// absp[e|i]elt? Aber dann ist // erscheint // es seltsam, Aber ist es nicht seltsam, …… dass ichˇ dann
überhaupt mit dem Schriftzeichen etwas anfangen kann.? – Man fasst es etwa
so auf, dass sagt etwa, daß …… die Schriftzeichen bloss die Vertreter jener Dinge sind, auf
die man zeigt. – Aber wie seltsam, dass so eine Vertretung möglich ist.
Und es wäre nun das Wichtigste, zu verstehen, wie denn Schriftzeichen die
andern Dinge vertreten können.
     Welche Eigenschaft müssen sie haben, die sie zu dieser [B|V]ertretung befä-
higt. Denn ich kann nicht sagen: statt Milch trinke ich Wasser und esse
statt Brot Holz, indem ich das Wasser die Milch und Holz das Brot vertre-
ten lasse. (Erinnert an Frege.)
     

     Ich kann nun freilich doch sagen, dass das Definiendum das Definiens
vertr[e|i]tt; und hier steht dieses hinter jenem, wie die Wählerschaft hinter
ihrem Vertreter. Und in diesem Sinne kann</>man auch sagen, dass das in der
hinweisenden Definition erklärte Zeichen den Hinweis vertreten kann, da
man ja diesen wirklich in einer Gebärdensprache für jenes setzen könnte.
Aber doch handelt es sich hier um eine Vertretung im Sinne einer Defini-
tion, denn die Gebärdensprache ˇist // bleibt// eine Sprache.
     Ich möchte sagen: Von einem Befehl in der Gebärdensprache zu seiner
Befolgung ist es ebenso weit, wie von diesem Befehl in der Wortsprache.
     Denn auch die hinweisenden Erklärungen müssen ein für allemal gegeben
werden.
45
werden.
      D.h., auch sie gehören zu dem Grundstock von Erklärungen, die den Kal-
kül vorbereiten, und nicht zu seiner Anwendung ad hoc.
46
     


13

           “Primäre und sekundäre Zeichen”.
           Wort und Muster.
           Hinweisende Definition.












     
     Der falsche Ton in der Frage, ob es nicht primäre Zeichen (hinweisende
Gesten) geben müsse, während unsere Sprache auch ohne die andern, die
Worte, aus[l|k]ommen könnte, liegt darin, dass man eine Erklärung der
bestehenden Sprache zu erhalten erwartet, statt der blossen einfachen Beschreibung.
     

     Nicht die Farbe Rot tritt an Stelle des Wortes “rot”, sondern die Ge-
bärde, die auf einen roten Gegenstand hinweist, oder das rote Täfelchen.
     

< Man kann nun sagen: ein [R|r]otes Täfelchen ist das ein primäres
Zeichen für rot, das ein Wortch “rot” ein sekundäres, weil
ich ich es die Bedeutung des Wortes “rouge” “rot” erklärt
wenn ich auf einˇ rotes Täfelchen zeige etc. dagegen
nicht, wenn ich sage “rot” heiße soviel wie “rouge”.
Aber ist dies unter allen Umständen so? Muß immer
ein roter Gegenstand oder ein rotes Vorstellungs-
bild gegenwärtig sein, wenn ich das Wort rot
verstehen soll? Denke an den Befehl “stelle
Dir einen roten Fleck auf blauem Grund vor”.
     Und wie ist es mit anderen Wortarten Bindewörtern
Propositionen etc.?
>
     

< Nur als Probe des Puzzlements>
<
     Ist es nicht (für mich) ein Kriterium des meines Verständnisses
des Wortes “perhaps” daß ich es ins Wort
“vielleicht” übersetzen kann?

Und wenn ein Befehl lautet “stell' Dir einen
roten Kreis vor”, muß ich da wirklich das Wort
rot zuerst in ein Farbmuster übersetzen ehe
ich den Befehl verstehe //befolgen kann//?
>
     Nun sage ich aber: “Es gilt mit Recht als ein Kriterium des Verstehens
// Verständnisses // des Wortes “rot”, dass Einer einen roten Gegenstand
auf Befehl aus anders gefärbten herausgreifen kann; dagegen ist das richti-
ge Uebersetzen des Wortes “rot” ins Englische oder Französische kein Be-
weis des Verstehens. Darum ist das rote Täfelchen ein primäres Zeichen für
“rot”, dagegen jedes Wort ein sekundäres // abgeleitetes // Zeichen.” ((Aber
das zeigt nur, was ich mit dem “Verstehen des Wortes rot” meine. <Wenn [e|E]iner sagte: “es gilt mit Recht als ein Zeichen des
Verständnisses … so würde könnte ich antworten: das
zeigt nur daß was Du hier mit “verstehen” meinst.
> Und
was heisst “es gilt mit Recht …”? Heisst es: Wenn ein Mensch
einen roten Gegenstand auf Befehl etc. etc., dann hat er erfahrungsgemäss
47
auch das Wort ‘rot’ verstanden. Wie man sagen kann, gewisse Schmerzen gel-
ten mit Recht als Symptom dieser und dieser Krankheit? So ist es natürlich
nicht gemeint. Also soll es wohl heissen, dass die Fähigkeit, rote Gegen-
stände herauszugreifen, der spezifische Test Probe dessen ist, was wir Verständ-
nis des Wortes ‘rot’ nennen. Dann bestimmt diese Angabe also, was wir un-
ter
mit diesem Verständnis meinen. Aber dann fragt es sich noch: wenn wir das
Uebersetzen ins Englische etc. als Kriterium ansähen, wäre es nicht auch
das Kriterium von dem, was wir ein Verständnis des Wortes nennen? Es gibt
nun den Fall, in welchem wir sagen: ich weiss nicht, was das Wort ‘rot’
//‘rouge’// bedeutet, ich weiss nur, dass es das Gleiche bedeutet, wie das
Englische ‘red’. So ist es, wenn ich die beiden Wörter in einem Wörterbuch
auf der gleichen Zeile gesehen habe, und dies ist die Verifikation des
Satzes und sein Sinn. Wenn ich denn sage “ich weiss nicht, was das Wort
‘rot’ //‘rouge’// bedeutet”, so bezieht sich dieser Satz auf eine Möglich-
keit der Erklärung die[w|s]er Bedeutung und ich könnte, wenn gefragt “wie
stellst Du Dir denn vor, dass Du erfahren könntest, was das Wort bedeutet”,
Beispiele solcher Erklärungen geben (die die Bedeutung des Wortes “Bedeu-
tung” beleuchten würden). Diese Beispiele wären dann entweder der Art,
dass statt des unverstandenen Worts ein verstandenes – etwa das deutsche –
ge[w|s]etzt würde, oder, dass die Erklärung von der Art wäre “diese
(hinweisend) Farbe heisst ‘violett’”. Im ersten Falle wäre es für mich
ein Kriterium dafür, dass er das Wort ‘rouge’ versteht, <:> dass er sagt, es
entspreche dem deutschen ‘rot’. “Ja”, wird man sagen, “aber nur, weil Du
schon weisst, was das deutsche ‘rot’ bedeutet”. – Aber das bezieht sich
ja ebenso auf die hinweisende Definition. Das Hinweisen auf das rote Täfel-
chen ist</>auch nur darum // dann// ein Zeichen des Verständnisses, weil
//wenn// vorausgesetzt wird, dass er die Bedeutung dieses Zei-
chens versteht // kennt//, was etwa soviel heisst, als dass er das Zeichen
auf bestimmte Weise verwendet. – Es gibt also wohl //allerdings// den
48
Fall, wo Einer sagt “ich weiss, dass dieses Wort dasselbe bedeutet, wie je-
nes, weiss aber nicht, was es bedeutet (sie bedeuten)”. Willst Du den er-
sten Teil dieses Satzes verstehen, so frage Dich: “wie konnte er es wis-
sen?” – willst Du den zweiten Teil verstehen, so frage: “wie kann er er-
fahren, was das Wort bedeutet?” –
     

     Ist denn das ‘primäre Zeichen’ unmißverständlich
//unmißdeutbar//?
     

     Kann man sagen es müsse eigentlich nicht
mehr verstanden werden?
     

< Denken wir auch an den Fall, wenn wir
sagen: “Ja, wenn das Wort das bedeutet,
(bedeuten soll), ist der Satz wahr.”
>
     

      Welches ist denn das Kriterium unseres Verständnisses: das Aufzeigen
des roten Täfelchens, wenn gefragt wurde “welches von diesen Täfelchen ist
rot”, – oder, das Wiederholen der hinweisenden Definition “das ist
‘rot’”?
< Welches ist das Kriterium unseres Verständnisses: das
richtige Gebrauchen des Wortes oder das Definieren?
Das Auswählen eines roten Gegenstands aus anderen
wenn es verlangt wird, oder das hinweisende Erklä-
ren des Wortes “rot”.
…: das Wort richtig gebrauchen, oder, seine Defini-
tion geben? Einen roten Gegenstand … auswählen ……, Das Auswählen eines …, wenn es verlangt wird,
oder, die hinweisende Erklärungˇ des Wortes ‘rot’ geben?
>
     Die Lösung be[k|i]der Aufgaben betrachten wir als Zeichen des Verständnis-
ses. Hören wir jemand das Wort ‘rot’ gebrauchen und zweifeln daran, dass
er es versteht, so können wir ihn zur Prüfung fragen “welche Farbe nennen
wir nennst Du ‘rot’”. Anderseits: “wenn wir jemandem die hinweisende Erklärung gege-
ben hätten “diese Farbe heisst ‘rot’” und nun sehen wollten, ob er diese
Erklärung
sie richtig verstanden hat, so würden wir nicht von ihm verlangen,
dass er sie wiederholt, sondern wir gäben ihm etwa die Aufgabe, aus einer
Anzahl von Dingen die roten herauszusuchen. In jedem Fall ist das, was wir
“Verständnis” nennen, eben dadurch //durch das// bestimmt, was wir als
Probe des Verständnisses ansehen (durch die Aufgaben bestimmt, die wir zur
Prüfung des Verständnisses stellen).))
     


     < Falsch, aber kein uninteressantes Denken.> Wie ist es, wenn ich eine Bezeichnungsweise festsetze; wenn ich z.B. für
den eigenen Gebrauch gewissen Farbtönen Namen geben will. Ich werde das
etwa mittels einer Tabelle tun (es kommt immer auf derlei hinaus). Und nun
werde ich doch nicht den Namen zur falschen Farbe schreiben (zu der Farbe
der ich ihn nicht geben will). Aber warum nicht? Warum soll nicht ‘rot’
gegenüber dem grünen Täfelchen stehen und ‘grün’ gegenüber dem roten, etc.? –
Ja, aber dann müssen wir doch wenigstens wissen, dass ‘rot’ nicht das ge-
49
genüberliegende Täfelchen meint. – Aber was heisst es “das wissen”, aus-
ser, dass wir uns etwa neben der geschriebenen Tabelle noch eine andere
vorstellen, in der die Ordnung richtiggestellt ist. – “Ja aber dieses
Täfelchen ist doch r[p|o]t, und nicht dieses!” – Gewiss; und das ändert
sich ja auch nicht, wie immer ich die Täfelchen und Wörter setze; und es
wäre natürlich falsch, auf das grüne Täfelchen zu zeigen und zu sagen “die-
ses ist rot”. Aber das ist auch keine Definition, sondern eine Aussage. –
Gut, dann nimmt aber doch unter allen möglichen Anordnungen die gewöhnli-
che (in der das rote Täfelchen dem Wort ‘rot’ gegenübersteht) einen ganz besonderen Platz ein.– ((Da gibt es jedenfalls zwei verschiedene [D|F]älle: Es
kann die Tabelle mit grün gegenüber ‘rot’ etc. so gebraucht werden, wie
wir die Tabelle in der gewöhnlichen Anordnung gewöhnlich gebrauchen. Wir
würden also etwa dem, den, der sie gebraucht, von dem Wort ‘rot’ nicht auf das
gegenüberliegende Täfelchen blicken sehen, sondern auf das rote, das
schräg darunter steht (aber wir müssten auch diesen Blick nicht sehen) und
finden, dass er dann statt des Wortes ‘rot’ in einen Ausdruck das rote Tä-
felchen einsetzt. Wir würden dann sagen, die Tabelle sei nur anders ange-
ordnet (nach einem andern räumlichen Schema), aber sie verbinde die Zei-
chen, wie die gewohnte. – Es könnte aber auch sein, dass der, welcher die
Tabelle benützt, von der einen Seite horizontal zur andern blickt und nun
in irgend welchen Sätzen das Wort ‘rot’ durch ein grünes Täfelchen ersetzt;
aber nicht etwa auf den Befehl “gib mir das rote Buch” ein grünes bringt,
sondern ganz richtig das rote (d.h. das, welches auch wir ‘rot’ nennen).
Dieser hat nun die Tabelle anders benützt, als der Erste, aber [c|d]och so,
dassˇ das Wort ‘rot’ die gleiche Bedeutung für ihn hatte, wie für uns. (Zu einer Ta-
belle gehört übrigens wesentlich die Tätigkeit des Nachschauens Aufsuchens in der Ta-
belle.) Es ist nun offenbar der zweite Fall, welcher der uns interessiert und
die Frage ist: kann ein grünes Täfelchen als Muster der roten Farbe
dienen? Und da ist es klar, dass dies (in einem Sinn) nicht möglich
50
ist. Ich kann mir eine Abmachung denken, wonach Einer, dem ich eine grüne
Tafel zeige und sage, male mir diese Farbe, mir ein Rot malt; wenn ich das-
selbe sage und zeige ihm blau, so hat er gelb zu malen u.s.w., immer die
komplementäre Farbe; und daher kann ich mir auch denken, dass Einer meinen
Befehl auch ohne eine vorhergehende Abmachung so deutet. Ich kann mir fer-
ner denken, dass die Abmachung gelautet hätte “auf den Befehl ‘male mir
diese Farbe’, male immer eine gelblichere, als ich Dir zeige”; und wieder
kann ich mir die Deutung auch ohne Verabredung denken. Aber kann man sagen,
dass einer ein rotes Täfelchen genau kopiert, indem er einen bestimmten Ton
von grün (oder ein anderes Rot alsd das des Täfelchens) malt und zwar so,
wie er eine gezeichnete Figur, nach verschiedenen Projektionsmethoden, ver-
schieden und genau kopieren kann? – Ist also hier der Vergleich zwischen
Farben und Gestalten richtig, und kann ein grünes Täfelchen einerseits als
der Name einer bestimmten Schattierung von rot stehen und anderseits als
ein Muster dieses Tones? wie ein Kreis als der Name einer bestimmten Elipse
verwendet werden kann, aber auch als ihr Muster. – Kann man also dort wie
hier von verschiedenen Projektionsmethoden sprechen, oder gibt es für das
Kopieren einer Farbe nur eine solche: das Malen der gleichen Farbe?
Wir meinen diese Frage so, dass sie nicht dadurch verneint wird, dass uns
die Möglichkeit gezeigt wird, mittels eines be[w|s]timmten Farbenkreises und
der Festsetzung eines Winkels von einem Farbton auf irgend einen andern über-
zugehn. Das, glaube ich, zeigt nun, in wiefern das rote Täfelchen gegenüber
dem Wort ‘rot’ in einem andern Fall ist, als das grüne. Uebrigens bezieht
sich, was wir hier für die Farben gesagt haben, auch auf die Formen von Fi-
guren, wenn das Kopieren ein Kopieren nach dem Augenmass und nicht eines
mittels Messinstrumenten ist. – Denken wir uns nun aber doch einen Menschen,
der vorgäbe “er könne die Schattierungen von Rot in Grün kopieren” und auch
wirklich beim Anblick des roten Täfelchens mit allen (äusseren) Zeichen des
genauen Kopierens einen grünen Ton mischte und so fort bei allen ihm gezeig-
51
ten roten Tönen. Der wäre für uns auf derselben Stufe, wie Einer, der Diesem Dem gegenüber wären wir in der gleichen Lage, wie einem, der …… der auf
die gleiche Weise ( durch genaues Hinhorchen) Farben nach Violintönen
mischte. Wir würden in dem Fall sagen: “Ich weiss nicht, wie er es
macht”; aber nicht in dem Sinne, als verstünden wir nicht die verborgenen
Vorgänge in seinem Gehirn oder seinen Muskeln, sondern, wir verstehen nicht,
was es heisst “dieser Farbton sei eine Kopie dieses Violintones”. Es sei
denn, dass damit nur gemeint ist, dass ein bestimmter Mensch erfahrungsge-
mäss einen bestimmten Farbton mit einem bestimmten Klag a Klang assoziiert
(ihn zu sehen behauptet, malt, etc.). < Anderseits wäre ich vielleicht befriedigt, wenn
man mir sagte, der Mann kopiere insofern,
als er einen dunkleren Ton tiefern Violinton dunkler male & die
sieben Töne der Oktav in den “sieben Farben des Re-
genbogens”.
> Der Unterschied zwischen dieser Asso-
ziation und dem Kopieren, auch wenn ich selbst beide Verfahren kenne, be-
steht darin // zeigt sich darin//, dass es für die assoziierte Gestalt kei-
nen Sinn hat, von Projektionsmethoden zu reden, und dass ich von dem assozi-
ierten Farbton sagen kann “jetzt fällt mir bei dieser Farbe (oder diesem
Klang) diese Farbe ein, vor 5 Minuten war es eine andere”. Etc.. Wir könnten
auch niemandem sagen “Du hast nicht richtig assoziiert”, wohl aber “Du hast nicht richtig kopiert”. Und die Kopie einer Farbe – wie ich das Wort gebrau-
che – ist nur eine; und es hat keinen Sinn, (hier) von verschiedenen
Projektionsmethoden zu reden.))
     

< Besser auslassen!>
[Zu: Begriff der Mischfarbe] S. 473 § 100]

     Es ist die Frage: Wenn sich die Regel, das Muster stehe für die Komple-
mentärfarbe, ihrem Wesen nach nur auf die Farben (oder Wörter) blau, rot,
grün, gelb bezieht, ist sie dann nicht identisch mit der, welche das grüne
Zeichen als Wort für “rot”, und umgekehrt, etc. festsetzt? Denn eine Regel
//Allgemeinheit//, die ihrem logischen Wesen nach einem logischen Produkt
äquivalent ist, ist nichts anderes, als dieses logische Produkt. (Denn man
kann nicht sagen: hier ist das grüne Zeichen; nun hole mir ein Ding von der
komplementären Farbe, welche immer das sein mag. D.h.,
“die komplimentäre Farbe von rot” ist keine Beschreibung von grün; wie “das
Produkt von 2 und 2” keine Beschreibung von 4<.>) Die Bestimmung, die Komplemen-
52
tärfarbe zu nehmen, als Bedeutung des Täfelchens zu nehmen, ist dann wie
ein Querstrich in einer Tabelle; ein Querstrich in der Grammatik der Far-
ben
 
 
gezogen. Es ist klar, dass ich mit Hilfe einer solchen
Regel eine Tabelle herstellen // konstruieren// kann, ohne
noch aus der Grammatik herauszutreten, also von vor jeder An-
wendung der Sprache. Anders wäre es, wenn die Regel (R) hiesse: das Täfel-
chen bedeutet immer einen etwas dunkleren Farbton, als sein eigener //der
seine// ist. Man muss nur wieder auf den verschiedenen Sinn der Farb- und
der Gestaltprojektion achten (und bei der letzteren wieder auf den Unter-
schied der Abbildung nach visuellen Kriterien von und der Uebertragung mit Mess-
instrumenten). Das kopieren nach der Regel R ist ‘kopieren’ in einem andern
Sinne als dem, in welchem das Hervorbringen des gleichen Farbtons so genannt
wird. Es handelt sich also nicht um zwei Projektionsmethoden, vergleichbar
etwa der Parallel- und der Zentralprojektion, durch die ich eine geometri-
sche Figur mit Zirkel und Lineal in eine andere projizieren kann. (Die Me-
trik der Farbtöne.)
     Wenn ich das berücksichtige, so kann ich also in dem veränderten Sinn
des Wortes “Muster” (der dem veränderten Sinn des Worts “kopieren” ent-
spricht), das hellere Täfelchen zum Muster des dunkleren Gegenstandes neh-
men.

     

< Als Erwägung nicht uninteressant.>
     Könnten wir nicht zur hinweisenden Erklärung von ‘rot’ ebensowohl auf
ein grünes, wie auf ein rotes Täfelchen zeigen? denn, wenn diese Definition
nur ein Zeichen statt des andern setzt, so sollte dies doch aufs gleiche
hinauslaufen //keinen Unterschied machen//. – Wenn die Erklärung nur ein
Wort für ein andres setzt, ist es auch gleichgültig //so macht esa auch
keinen//. Bringt aber die Erklärung das Wort mit einem Muster in Zusammen-
hang, so ist es nun nicht unwesentlich, mit welchem Täfelchen das Zeichen
verbunden wird (denke auch wieder daran, dass eine Farbe der andern nicht
53
im gleichen Sinn zum Muster dienen kann, wie ihr selbst). “Aber dann gibt
es also willkürliche Zeichen und solche, die nicht willkürlich sind!” –
Aber denken wir nur an die Verständigung durch Landkarten, Zeichnungen, und
Sätze anderseits: die Sätze sind so wenig willkürlich, wie die Zeichnungen,.
Aber die Worte sind willkürlich. (Vergleiche die Abbildung / = o, – = x.)
Wird denn aber ein Wort eigentlich als Wort gebraucht, wenn ich es nur in
Verbindung mit einer Tabelle gebrauche, die den Uebergang zu Mustern macht?
Ist es also nicht falsch, zu sagen, ein Satz sei ein Bild, wenn ich doch nur
ein Bild nach ihm und der Tabelle zusammenstelle? Aber so ist also doch der
Satz und die Tabelle zusammen ein Bild. Also zwar nicht adbcb allein,
aber dieses Zeichen zusammen mit

     Aber es ist offenbar, dass auch adbcb ein Bild von
genannt werden kann. Ja aber, ist nicht doch das Zeichen
adbcb ein willkürlicheres Bild von
als dieses Zeichen von der Ausführung der Bewegung? Etwas ist auch an dieser
Uebertragung willkürlich (die Projektionsmethode) und wie sollte ich bestim-
men, was willkürlicher ist.
     Ich vergleiche also die Festsetzung der Wortbedeutung durch die hinweisen-
de Definition, der Festsetzung einer Projektionsmethode zur Abbildung räum-
licher Gebilde. Dies istˇ aber freilich allerdings nicht mehr, als wie ein Vergleich. Ein ganz gu-
ter Vergleich, aber er enthebt uns nicht der Untersuchung des Funktionierens
der Worte, ?–getrennt von dem Fall der räumlichen Projektion–?. Wir können aller-
dings sagen – d.h. es entspr[o|i]cht ganz dem Sprachgebrauch – , dass wir uns
durch Zeichen verständigen, ob wir Wörter oder Muster gebrauchen; aber das
Muster ist kein Wort, und das Spiel, sich nach Worten zu richten, ein ande-
res als das, sich nach Mustern (zu?) richten. (Wörters sind der Sprache nicht
wesentlich.) Kann man aber vielleicht sagen, dass Muster ihr wesentlich wä-
54
ren? (Muster sind der Benützung //dem Gebrauch// von Mustern wesentlich,
Worte, der Benützung //dem Gebrauch// von Worten.)
     

     ?–Vergiss hier auch nicht, dass die Wortsprache nur eine unter vielen
möglichen Sprachen ist–? und es Uebergänge von ihr in die andern gibt. Unter-
suche die Landkarte darauf auf das hin, was in ihr dem Ausdruck der Wortsprache ent-
spricht.
     

     ‘Primär’ müsste eigentlich heissen: unmissverständlich.
     

     Es klingt wie eine lächerliche Selbstverständlichkeit, wenn ich sage, dass
der, welcher glaubt die Gebärden // Gesten// seien die primären Zeichen, die allen andern zu Grunde liegen, ausser Stande wäre, den gewöhnlichsten
Satz durch Gebärden zu ersetzen.
     

     Regeln der Grammatik, die eine “Verbindung zwischen Sprache und Wirklich-
keit” herstellen, und solche, die es nicht tun. Von der ersten Art etwa:
“diese Farbe nenne ich ‘rot’”, – von der zweiten: “non-non-p = p”. Aber über diesen Unterschied besteht ein Irrtum: der Unterschied scheint prinzi-
pieller Art zu sein; und die Sprache wesentlich etwas, dem eine Struktur ge-
geben, und was das dann der Wirklichkeit aufgepasst wird.
     

     “Ich will nicht verlangen, dass in der erklärenden Tabelle das rote Tä-
felchen, horizontal gegenüber dem Wort ‘rot’ stehen soll, aber irgend ein
Gesetz des Lesens der Tabelle muss es doch geben. Denn sonst verliert ja die
Tabelle ihren Sinn”. Ist es aber gesetzlos, wenn die Tabelle so aufgefasst
wird, wie die Pfeile andeuten?
“Aber muss dann nicht eben das
Schema der Pfeile vorher gegeben werden?” Nur, sofern auch das
Schema
55
     
     ““Wird da aber dann nicht wenigstens eine gewisse Regelmässigkeit im Ge-
brauch gefordert?! Würde es angehen, wenn wir einmal eine Tabelle nach die-
sem, einmal nach jenem Schema zu gebrauchen hätten? Wie soll man
denn wissen
, wie man diese Tabelle zu gebrauchen hat?”” – Ja, wie
weiss man es denn heute? Die Zeichenerklärungen haben doch irgend einmal // irgendwo// ein Ende.
     

     Nun gebe ich aber natürlich zu, dass ich, ohne vorhergehende Abmachung
einer Chiffre, ein Missverständnis hervorrufen würde, wenn ich, auf den
Punkt A zeigend, sagte, dieser Punkt heisst [|]B’. Wie ich ja auch, wenn ich
jemandem den Weg weisen will, mit dem Finger in der Richtung weise, in der
er gehen soll, und nicht in der entgegengesetzten. Aber auch ?–diese Art des
Zeigens–? könnte richtig verstanden w[a|e]rden, und zwar ohne dass dieses Verständ-
nis das gegebene Zeichen durch ein weiteres ergänzte. Es liegt in der mensch-
lichen Natur, das Zeigen mit dem Finger so zu verstehen. Und so ist die
menschliche Gebärdensprache primär in einem psychologischen Sinne.
     

     Ist das Zeigen mit dem Finger unserer Sprache wesentlich? Es ist gewiss
ein merkwürdiger Zug unserer Sprache, dass wir Wörter hinweisend erklären:
das ist ein Baum, das ist ein Pferd, das ist grün, etc.. (Ueberall auf der
Erde
//bei den Menschen// finden sich Brettspiele, die mit kleinen Klötz-
chen auf Feldern gespielt werden. Ueberall auf der Erde findet sich eine
Schrift //eine Zeichensprache//, die aus geschriebenen Zeichen auf einer
Fläche besteht.)
     


      Ich bestimme die Bedeutung eines Worts, indem ich es als Name eines Ge-
genstandes erkläre, und auch, indem ich es als gleichbedeutend mit einem an-
dern Wort erkläre. Aber habe ich denn nicht gesagt, man könne ein Zeichen
nur durch ein anderes Zeichen erklären?
Und das ist gewiss so, sofern ja die
56
hinweisende Erklärung “das (Pfeil) ist N” ein Zeichen ist. Aber ferner
bildet hier auch der Träger von “N”, auf den gezeigt wird, einen Teil des
Zeichens. Denn:
/dieser (Pfeil) hat es getan/ = /N hat es getan/
.
Dann heisst aber ‘N’ der Name von diesem Menschen, nicht vom Zeichen “die-
ser (Pfeil)”, von dem ein Teil auch dieser Mensch ist. Und zwar spielt der
Träger in dem Zeichen eine ganz besondere Rolle, verschieden von der eines
andern Teiles eines Zeichens. (Eine Rolle, nicht ganz ungleich der des Mu-
sters.)
     

     Die hinweisende Erklärung eines Namens ist nicht nur äusserlich ver-
schieden von einer Definition wie “1 + 1 = 2”, indem etwa das eine Zeichen
aus in einer Geste meiner Hand, statt in einem Laut- oder Schriftzeichen be-
steht, sondern sie unterscheidet sich von dieser logisch; wie die Defini-
tion, die das Wort dem Muster beigesellt, von der eines Wortes durch ein
Wort. Es wird von ihr in andrer Weise Gebrauch gemacht.
     Wenn ich also einen Namen hinweisend definiere und einen zweiten durch
ihn //den ersten//, so steht dieser zu jenem in anderem Verhältnis //ist
dieser zu jenem in anderer Beziehung//, als zum Zeichen, das in der hin-
weisenden Definition gegeben würde. D.h., dieses letztere ist seinem Ge-
brauch nach wesentlich von dem Namen verschieden und daher die Verbaldefi-
nition und die hinweisende Definition, ‘Definitionen’ im verschiedenen Sin-
ne des Worts.
     

     Ich kann von primären und sekundären Zeichen sprechen – in einem
bestimmten Spiel, einer bestimmten Sprache. – Im Musterkatalog kann
ich die Muster die primären Zeichen und die Nummern die sekundären nennen.
Was soll man aber in einem Fall, wie dem der gesprochenen und geschriebe-
nen Buchstaben sagen? Welches sind hier die primären, welches die sekundä-
ren Zeichen?
57
     

     Der Begriff vom sekundären Zeichen ist doch dieser: Sekundär ist ein
Zeichen dann, wenn, um mich nach ihm zu richten, ich eine Tabelle brauche,
die es mit einem andern (primären) Zeichen verbindet, über welches ich mich
erst nach dem sekundären richten kann.
     < “Primär, das Zeichen, welches allein genügt hätte
wenn es nicht zu unbequem wäre es immer
mitzuführen”.
>
     Die Tabelle garantiert mir die Gleichheit aller Uebergänge nicht, denn
sie zwingt mich ja nicht, sie immerg gleich zu gebrauchen. Sie ist da wie
ein Feld, durch das Wege führen, aber ich kann ja auch querfeldein gehen.
     Ich mache den Uebergang in der Tabelle bei jeder Anwendung von Neuem. Er
ist nicht, quasi, ein für allemal in der Tabelle gemacht. (Die Tabelle
verleitet mich höchstens, ihn zu machen.)
<
     Wie ist es aber, wo keine Tabelle gebraucht
wird wieˇ z.B. im Fall der gesprochenen &
geschriebenen Buchstaben?
     Das [l|L]autes Lesen & anderseits Abschreiben
eines geschriebenen Satzes.
>
     

     Welcher Art ist denn meine Aussage über die Tabelle: dass sie mich nicht
zwingt, sie so und so zu gebrauchen? Und: dass die Anwendung durch die Re-
gel (oder die Tabelle) nicht anticipiert wird[.| ?] Wohl von derselben
Art wie die Bemerkung, daß die Zeichenerklärungen doch
einmal ein Ende haben. Und das ist ähnlich,
wie wenn man sagt: “Was nützt Dir die Annahme
eines Schöpfers, sie schiebt doch das Problem nur
hinaus.” Diese Bemerkung hebt einen Aspekt meiner
Erklärung hervor, den ich vielleicht früher nicht
gesehen hatte. Man könnte auch sagen: “Sieh Deine
Erklärung Theorie doch so an! – bist Du jetzt noch im-
mer von ihr befriedigt?”
58
     


14
Das, was uns die Philosophie am Zeichen interessiert[;|,] die Bedeutung, die für uns sie
massgebend ist, ist das, was in der Grammatik des Zeichens niedergelegt ist.












⋎ S. 40/3
     

Wir fragen:
Wie gebrauchst Du das Wort, was machst Du damit, – das wird
mich lehren, wie Du es verstehst.
     

     Die Grammatik,ˇ – möchte ich könnte man sagen – das sind die Geschäftsbücher der Sprache; aus denen al-
les zu ersehen sein muss, was nicht vage Gefühle betrifft, sondern wesentliche Fakten.
// Die Grammatik ist das Gesch[f|ä]ftsbuch der Sprache; woraus alles zu ersehen
sein muss, was nicht Gefühle betrifft, sondern Tatsachen.// <… aus denen alles über die unsere Transaktionen zu ersehen
sein muß
>
     


      < Man könnte in gewissem Sinne sagen, daß es uns
auf Nuancen nicht ankommt.
>
     

Ich will also eigentlich sagen: es gibt nicht Grammatik und Interpreta-
tion der Zeichen. Sondern, soweit von einer Interpretation, also von einer
Erklärung Deutung der Zeichen, die Rede sein kann, soweit muss sie die Grammatik
selbst besorgen.
     Denn ich brauchte nur zu fragen: Soll die Interpretation durch Sätze er-
folgen? Und in welchem Verhältnis sollen diese Sätze zu der Sprache stehen,
die sie schaffen?
Ist besonders wichtig Gilt besonders für die sogenannte ‘Deutungen’ mathematischer
Theoreme
     

[Zu den Bemerkungen über die Mengenlehre]

     Wenn ich sage, dass ein Satz, der Mengenlehre etwa, in Ordnung ist, aber
eine neue Interpretation erhalten muss, so heisst das nur, dass dieser Teil
der Mengenlehre bleibt in sich unangetastet, muss aber in eine andere gram-
matische Umgebung gerückt werden.
59
     




Satz.
Sinn des Satzes.








































60
     


15
‘Satz’ und ‘Sprache’ verschwimmende Begriffe.
     







      Was ist ein Satz? Wovon unterscheide ich denn einen Satz? Oder, wovon will ich ihn denn
unterscheiden? Von Satzteilen in seinem grammatischen System (wie die Glei-
chung vom Gleichheitszeichen), oder von alle[n|m], was wir nicht Satz nen-
nen, also diesem Sessel, meiner Uhr, etc. etc.? Denn, dass es Schrift- oder
Lautbilder gibt, die Sätzen besonders ähnlich sind, braucht uns eigentlich
nicht zu kümmern.
     

     Oder wir müssen sagen: Vom Satzbegriff // Satz// kann nur in einem // in-
nerhalb eines // grammatischen Systems gesprochen werden. //… kann nur in
der Erklärung eines grammatischen Systems die Rede sein.//
     

     Es geht mit dem Wort “Satz” wie mit dem Wort “Gegenstand” und andern:
Nur auf eine beschränkte Sphäre angewandt sind sie zulässig und dort sind
sie natürlich. Soll die Sphäre ausgedehnt werden, damit der Begriff ein
philosophischer wird, so verflüchtigt sich die Bedeutung der Worte und es
sind leere Schatten. Wir müssen sie dort aufgeben und wieder in den Gren-
zen benützen.
     

     Nun möchte man aber sagen: “Satz ist alles, womit ich etwas meine”. Und
61
gefragt “was heisst das, ‘etwas’ meinen”, müsste würde ich Beispiele anführen.
Nun haben diese Beispiele zwar ihren Bereich, auf den sie ausgedehnt wer-
den können, aber weiter führen sie mich doch nicht. Wie ich ja in
der Logik nicht ins Blaue verallgemeinern kann. Hier handelt es sich aber
nicht um Typen, sondern darum, dass die Verallgemeinerung selbst etwas be-
stimmtes ist; nämlich ein Zeichen mit vorausbestimmten grammatischen Re-
geln. D.h., dass die Unbestimmtheit der Allgemeinheit keine logische Unbe-
stimmtheit ist. So als hätten wir nun nicht nur Freiheit im logischen Raum,
sondern auch Freiheit, diesen Raum zu erweitern, oder zu verändern.
     Also nicht nur Bewegungsfreiheit, sondern eine Unbestimmtheit der Geo-
metrie.
     

     Ueber sich selbst führt uns kein Zeichen hinaus; und auch kein Argument.
     

     (Wenn wir sagen, Satz ist jedes Zeichen, womit wir etwas meinen, so könn-
te man fragen: was meinen wir und wann meinen wir es? Während wir das
Zeichen geben? u.s.w., u.s.w..)
     

     Wenn ich frage “was ist die allgemeine Form des Satzes”, so kann die
Gegenfrage lauten: “haben wir denn einen allgemeinen Begriff vom
Satz, den wir nun nur exakt fassen wollen?” – So wie: Haben wir einen allge-
meinen Begriff von der Wirklichkeit?

     

     Die Frage kann auch lauten: Was geschieht, wenn ein neuer Satz in die
Sprache aufgenommen wird: Was ist das Kriterium dafür, dass er ein Satz
ist? oder, wenn das Aufnehmen in die Sprache ihn zum Satz stempelt, worin
besteht diese Aufnahme? Oder: was ist Sprache?
     

      Da scheint es nun offenbar, dass man das Zeichengeben von ande-
ren Tätigkeiten
unterscheidet.
Ein Mensch schläft, isst,
62
trinkt, gibt Zeichen (bedient sich einer Sprache).
     

     Was ist ein Satz? Wodurch ist dieser Begriff bestimmt? – Wie wird dieses
Wort (“Satz”) in der nicht-philosophischen Sprache gebraucht? Satz, im Ge-
gensatz wozu?
     

     Ich kenne einen Satz, wenn ich ihn sehe.
     

     Diese Frage ist fundamental: Wie, wenn wir eine neue Erfahrung machen,
etwa einen neuen Geschmack oder einen neuen Hautreiz kennen lernen: woher
weiss ich, dass, was diese Erfahrung beschreibt, beschreiben wird, ein Satz ist sein wird? Oder, warum
soll ich das einen Satz nennen? Wohl Nun, mit demselben Recht, womit // mit wel-
chem dem // ich von vom Beschreiben oder von einer neuen Erfahrung gesprochen habe. Denn Erfahrung und
Satz sind äquivalent.
Aber warum habe ich das Wort Erfahrung gebraucht, im
Gegensatz wozu?
     Wie kann ich überhaupt von einem neuen “Geschmackeiner möglichen neuen Sinneserfahrg. reden? Ich
kann ihn mir ja nicht vorstellen! – ˇAntwort: Wie wird so ein Ausdruck gebraucht?
     

     Habe ich denn, was geschehen ist, schon bis zu einem Grade damit charak-
terisiert, dass ich sagte, es sei eine Erfahrung? Doch offenbar gar
nicht
. Aber es scheint doch, als hätte ich es schon getan, als hätte
ich davon schon etwas ausgesagt: “dass es eine Erfahrung ist”. In diesem
falschen Schein liegt unser ganzes Problem. Denn, was vom Prädikat “Erfah-
rung” gilt, gilt vom Prädikat “Satz”.
     

     Das Wort “Satz” und das Wort “Erfahrung” haben schon eine bestimmte Gram-
matik.
     

     Das heisst, ihre Grammatik muss im Vorhinein bestimmt sein und hängt
nicht von irgend einem künftigen Ereignis ab.
     

     Hier ist auch der Unsinn in der “experimentellen Theorie der Bedeutung”
63
ausgesprochen. Denn die Bedeutung ist in der Grammatik festgelegt.
     

     Wie verhält sich die Grammatik des Wortes “Satz” zur Grammatik der Sät-
ze?
     

     “Satz” ist offenbar die Ueberschrift der Grammatik der Sätze. In einem
Sinne aber auch die Ueberschrift der Grammatik überhaupt, also äquivalent den Worten “Grammatik” und “Sprache”.
     

     Das ist auch, was damit gemeint ist, dass es in der Welt zwar Ueber-
raschungen gibt, aber nicht in der Grammatik.
     

     Es scheint unsere Frage noch zu erschweren, dass auch die Worte “Welt”
und “Wirklichkeit” Aequivalente des Wortes “Satz” sind.
     

     Aber es ist doch lächerlich, die Welt, oder/die Wirklichkeit, abgrenzen zu
wollen. Wem soll man sie denn entgegenstellen. Und so ist es mit der Bedeu-
tung des Wortes
“Tatsache”.
     Aber man gebraucht ja diese Wörter auch nicht als Begriffswörter.
     

     Etwas ist ein Satz nur in einer Sprache. [Zu S. 93]

     

< F.u.i. >
     Wenn ich nun sage: aber die Sprache kann sich doch ausdehnen, so ist die
Antwort: Gewiss, aber wenn dieses Wort “ausdehnen” hier einen Sinn hat, so
muss ich jetzt schon wissen, was ich damit meine, muss angeben können,
wie ich mir so eine Ausdehnung vorstelle. Und was ich jetzt nicht denken
kann, das kann ich jetzt auch nicht ausdrücken, und auch nicht andeuten. < Bezieht sich auf die Kontroverse
über die Möglichkeit einer neuen Sinneswahrneh-
mung & über ungelöste Probleme in der Mathematik
>
     

     Und das Wort “jetzt” bedeutet hier: “in diesem Kalkül” dieser Grammatik”, oder:
“wenn die Worte mit? diesen grammatischen Regeln gebraucht werden”.
64
     
[Zu S. 79]

     Hier haben wir dieses bohrende Problem: wie es möglich ist, an die Exi-
stenz von Dingen auch nur zu denken, w[d|e]nn wir immer nur Vorstellungen – ih-
re Abbilder – sehen. //: wie es denn möglich ist, auch nur auf den Gedanken
zu kommen!// < Wie konnte ich nur auf den Ged. kommen” heißt hier:
“was bedeutet denn der Gedanke, inwiefern ist er denn ein Ged. da
ihm doch nichts entspricht?
> <
     Als wäre der Gedanke ein Zauber.
Was meinen wir denn mit der Existenz von Dingen, d.h.
welche Anwendung hat denn dieser Begriff. Ein Gedan-
ke ist ja bloß ein Ausdruck & hinter
dem kann kein Zauber stecken //sein//. Was die-
ser Ausdruck leistet muß sich an seiner
Anwendung zeigen.
>
     

[Zu S. 79]

     Hierher gehört die alte Frage: “wie bin ich dann aber überhaupt zu die-
sem Begriff gekommen” (etwa zu dem der ausser mir liegenden Gegenstände).
(Es ist ein Glück, [d|e]ine solche Frage aus der Entfernung als alte Gedankenbe-
wegung betrachten zu können; ohne in ihr verstrickt zu sein.) Zu dieser Fra-
ge ist ganz richtig der Nachsatz zu denken: “ich konnte doch nicht mein ei-
genes Denken transcendieren”, “ich konnte doch nicht sinnvoll das transcen-
dieren, was für mich Sinn hat”. Es ist das Gefühl, dass ich nicht auf
Schleichwegen (hinterrücks) dahin kommen kann, etwas zu denken, was zu den-
ken mir eigentlich verwehrt ist. Dass es hier keine Schleichwege gibt, auf
denen ich weiter kommen könnte, als auf dem direkten Weg.
< Es gibt in der Grammatik nicht direktes & indirektes Wissen. >


     Wir haben es natürlich wieder mit einer falschen Analogie zu tun: Es
hat guten Sinn zu sagen “ich weiss, dass er in diesem Zimmer ist, weil ich
ihn höre, wenn ich auch nicht hineingehen und ihn sehen kann”.
     

     “Satz” ist so allgemein wie z.B. auch “Ereignis”. Wie kann man “ein Er-
eignis” von dem abgrenzen, was kein Ereignis ist?
     Ebenso allgemein ist aber auch “Experiment”, das vielleicht auf den er-
sten Blick spezieller zu sein scheint.
     

     “Da geschah ein Ereignis …”: das heisst nicht “ein Ereignis” im Ge-
gensatz zu etwas Anderem.
     

     Rechtmässiger Gebrauch des Wortes ‘Sprache’: Es bedeutet entweder die Er-
fahrungstatsache, dass Menschen reden (auf gleicher Stufe mit der, dass

65
Hunde bellen), oder es bedeutet: festgesetztes System der Verständigung
// festgesetztes System von Wörtern und grammatischen Regeln// in den
Ausdrücken “die englische Sprache”, “deutsche Sprache”, “Sprache der Neger” etc..
‘Sprache’ als logischer Begriff könnte nur mit ‘Satz’ äquiva-
lent, und dann eine die Ueberschrift eines Teiles der Grammatik sein.
     

     Könnten wir etwas ‘Sprache’ nennen, was nicht wirklich angewandt wür-
de? Könnte man von Sprache reden, wenn nie eine gesprochen worden wäre?
(Ist denn Sprache ein Begriff, wie ‘Centaur’ // vergleichbar mit dem Be-
griff ‘Centaur’//, der besteht, auch wenn es nie ein solches Wesen ge-
geben hat?)
     (Vergleiche damit ein Spiel, das nie gespielt wurde, eine Regel, nach
der nie gehandelt wurde.)
     

     Was tut der, der eine neue Sprache konstruiert (erfindet)? nach welchem
Prinzip geht er vor? Denn dieses Prinzip ist der Begriff ‘Sprache’.
     

     Eine Sprache erfinden, heisst, eine Sprache konstruieren. Ihre Regeln
aufstellen. Ihre Grammatik verfassen.
     

     Erweitert Verändert jede erfundene Sprache den Begriff der Sprache?
     

Überlege, welches Verhältnis sie zum früheren
Begriff hat. Denke einerseits an an das Ver-
hältnis der komplexen Zahlen zumˇ älteren Zahl-
begriff<…>; anderseits an das Verhältnis einer
neu aufgeschriebenen Multiplikation von Kardinalzahlen die zum
ersten Mal hingeschrieben wird zumˇ allgemeinen Begriff
dieser der Multiplikation von Kardinalzahlen.
//anderseits an den Fall, wenn zum ersten Mal
gewisse (etwa sehr große) Kardinalzahlen angeschrie-
ben & miteinander multipliziert werden & an
das Verhältnis dieser neuen Multiplikation
zu dem allgemeinen Begriff ……//
     

     Was für das Wort “Sprache” gilt, muss auch für den Ausdruck “System von
Regeln” gelten. Also auch für das Wort “Kalkül”.
     

     Wie bin ich denn zum Begriff ‘Sprache’ gekommen? Doch nur durch die
Sprachen, die ich gelernt habe.
     Aber die haben mich in gewissem Sinne über sich hinausgeführt, denn ich
wäre jetzt im Stande, eine neue Sprache zu konstruieren, z.B. Wörter zu
66
erfinden. Also gehört diese Methode der Konstruktion noch zum Begriff der
Sprache. Aber nur, wenn ich ihn so festlege. Immer wieder hat mein “u.s.
w.” eine Grenze.
     

     Der Begriff: sich einander etwas mitteilen. Wenn ich z.B. sage: ‘Spra-
che’ werde ich jedes System von Zeichen nennen, das Menschen untereinan-
der vereinbaren, um sich miteinander zu verständigen, so könnte man hier
schon fragen: Und was schliesst Du unter dem Begriff ‘Zeichen’ ein?
     

     Was nenne ich “Handlung”, was “Sinneswahrnehmung”?
     

     Die Worte “Welt”, “Erfahrung”, “Sprache”, “Satz”, “Kalkül”, “Mathema-
tik” können alle nur für triviale Abgrenzungen stehen, wie “essen”, “ru-
hen”, etc..
     

     Denn, wenn auch ein solches Wort der Titel unserer Grammatik wäre – et-
wa das Wort “Grammatik” – so hätte doch dieser Titel nur dieses Buch von
andern Büchern zu unterscheiden.
     

     Allgemeine Ausführungen über die Welt und die Sprache gibt es nicht.
     

     Aber warum zerbreche ich mir über den Begriff ‘Sprache’ den Kopf, statt
Sprache zu gebrauchen?!
     Dieses Kopfzerbrechen ist nur dann berechtigt, wenn wir einen allge-
meinen Begriff haben.
     

     Ich finde bei Plato auf eine Frage wie “was ist Erkenntnis” nicht die
vorläufige Antwort: Sehen wir einmal nach, wie dieses Wort gebraucht wird.
Sokrates weist es immer zurück, von Erkenntnissen statt von der Erkennt-
nis zu reden.
67
     
     Aber wenn so der allgemeine Begriff der Sprache sozusagen zerfliesst, zer-
fliesst da nicht auch die Philosophie? Nein, denn ihre Aufgabe ist es nicht,
eine neue ideale Sprache zu schaffen, sondern die zu reinigen, die vorhanden ist. <… denn ihre Aufgabe ist es nicht etwas
Neues an Stelle der unserer Sprache zu setzen
sondern einzelne bestimmte Mißverständnisse in unserer
Sprache aufzuklären zu beseitigen.
>
     

     Der, welcher darauf aufmerksam macht, dass ein Wort in zwei verschiede-
nen Bedeutungen gebraucht wurde, oder dass bei dem Gebrauch dieses eines Aus-
drucks uns dieses Bild vorschwebt, und der überhaupt die Regeln feststellt
(tabuliert), nach welchen Worte gebraucht werden, hat gar keine Pflicht, ei-
ne Erklärung (Definition) des Wortes “Regel” (oder “Wort”, “Sprache”,
“Satz”, etc.) zu geben. // …, hat garnicht die Pflicht übernommen,
……//

     
/     Die Philosophie hat esˇ auch in demselben Sinn mit Kalkülen zu tun, wie sie
es mit Gedanken zu tun hat (oder mit Sätzen und Sprachen). Hätte sie's
aber wesentlich mit dem Begriff des Kalküls zu tun, also mit dem Begriff
des Kalküls vor allen Kalkülen, so gäbe es eine Metaphilosophie. Und die
gibt es nicht. (Man könnte alles, was wir zu sagen haben, so darstellen,
dass das als ein leitender Gedanke erschiene.) /
     

     So ist es mir erlaubt, das Wort ‘Regel’ zu verwenden, ohne notwendig
erst die Regeln über dieses Wort zu tabulieren. Und diese Regeln sind
nicht Ueber-Regeln.

     

     Das Wort “Regel” muss in der Erklärung eines Spiels nicht gebraucht
werden (natürlich auch kein äquivalentes).
     

     Wie gebrauchen wir denn auch das Wort ‘Regel’, (wenn wir etwa von Spie-
len reden)? Im Gegensatz wozu? Wir sagen z.B. “das folgt aus dieser Regel”,
aber dann könnten wir ja/die Regel des Spiels zitieren, und so das Wort
68
<Wohl auszulassen! schon anders und vielleicht besser gesagt.> “Regel” ersetzen. Oder wir sprechen von “allen Regeln des Spiels” und
müssen sie dann entweder aufgezählt haben (und dann liegt (wieder?) der
erste Fall vor), oder wir sprechen von den Regeln, als einer Gruppe, die
auf bestimmte Art aus gegebenen bestimmten Grundpositionen Grundregeln erzeugt werden und dann
steht das Wort “Regel” für den Ausdruck dieser Grundpositionen Grundregeln
und Operationen. Oder wir sagen “Das ist eine Regel, das nicht”,
wenn etwa das Zweite nur ein einzelnes Wort ist, oder eine Konfiguration
der Spielsteine. (Oder: “nein, das ist nach der neuen Abmachung auch ei-
ne Regel”.) Wenn wir etwa das Regelverzeichnis des Spiels aufzuschreiben
hätten, so könnte so etwas gesagt werden und dann hiesse es: Das ge-
hört hinein, das nicht. Aber nicht vermöge einer bestimmten Eigen-
schaft (nämlich der, eine Regel zu sein), wie wenn man etwa lauter Aep-
[v|f]el in eine Kisten packen möchte und sagt “nein, das gehört nicht hinein,
das ist eine Birne”. ˇ[Zeile]] Ja aber wir nennen doch manches “Spiel”, manches
nicht, und manches “Regel”, und manches nicht! Aber auf die Abgrenzung
alles dessen, was wir Spiel nennen, gegen alles andere, kommt es ja nie
an. Die Spiele sind für uns die Spiele, von denen wir gehört haben,
die wir aufzählen können, und etwa noch einige nach Analogie anderer
neu gebildete; und wenn jemand etwa ein Buch über die Spiele schriebe, so
brauchte er eigentlich das Wort “Spiel” auch im Titel nicht, sondern als
Titel könnte eine Aufzählung der Namen der einzelnen Spiele stehen. Und
gefragt: Was ist denn aber das Gemeinsame aller dieser Dinge, weshalb dessentwegen
Du sie zusammenfasst? könnte er sagen: ich weiss es nicht in einem Satz
anzugeben, aber Du siehst ja viele Analogien. Im übrigen ist diese
//scheint mir diese// Frage müssig, da ich auch wieder, nach Analogien
fortfahrend, durch unmerkbare Stufen, zu Gebilden kommen kann, die nie-
mand mehr im gewöhnlichen Leben “Spiel” nennen wollte. Ich nenne daher
“Spiel” das, was auf dieser Liste steht, wie auch, was diesen Spielen
bis zu einem gewissen (von mir nicht näher bestimmten) Grade ähnlich ist.
69
Im übrigen behalte ich mir vor, in jedem neuen Fall zu entscheiden, ob ich
etwas zu den Spielen rechnen will oder nicht.
     

Es ist, wie wenn man für gewisse Spiele einen Strich
mitten durchs Spielfeld zieht um die Parteien zu scheiden,
das Feld aber weiter im übrigen nicht begrenzt, da es nicht nötig
ist.
     

< Wenn Frege sagt, mit unscharfen Begriffen
wisse die Logik nichts anzufangen so ist
das insofern eine die Wahrheit //wahr//, als gerade
die Schärfe der Begriffe zur Methode der Logik
gehört. Das ist es was der Ausdruck, die
Logik sei normativ, bezeichnen kann.
>
     

     Ebenso verhält es sich nun auch mit dem Begriff der Regel. Und so verhält es sich mit dem Begriff ‘Regel’. Nur in ganz
besonderen //speziellen// Fällen d.h.: nicht immer, wenn wir das Wort ‘Regel’ gebrauchen handelt es sich uns darum, die Regeln
von etwas abzugrenzen, was nicht Regel ist, und in allen diesen Fällen ist
es leicht, ein unterscheidendes Kriterium zu geben. Das heisst, wir brau-
chen das Wort “Regel” im Gegensatz zu “Wort” “Konfiguration der Steine”
und einigem Andern, und diese Grenzen sind klar gezogen. können leicht klar gezogen werden. Dagegen ist es
müssig, Grenzen dort zu ziehen, wo ziehen wir dort nicht Grenzen, wo …… wir sie nicht brauchen. Verhält es sich
hier nicht ebenso, wie mit dem Begriff ‘Pflanze’ ?
Wir gebrauchen dieses das
Wort “Pflanze” in bestimmtem Sinne, aber, im Falle einzelliger Lebew[a|e]sen war die
Frage eine Zeit lang schwebend, ob man sie Tiere oder Pflanzen nennen sol-
le, und es liessen sich auch beliebig viel andere Grenzfälle konstruieren,
für die die Entscheidung, ob etwas noch unter den Begriff Pflanze falle,
erst zu treffen wäre. I[x|s]t aber darum die Bedeutung des Wortes “Pflanze”
in allen anderen Fällen verschwommen, sodass man sagen könnte, wir gebrau-
chen das Wort, ohne es zu verstehen? Ja, würde uns eine Definition, die
den Begriff nach verschiedenen Seiten begrenzte, die Bedeutung des Wortes
in allen Sätzen klarer machen, sodass wira auch alle Sätze, in denen es
vorkommt, besser verstehen würden? Offenbar nein.
     

< Wenn wir sagen “der Boden war ganz mit Pflanzen
bedeckt” so meinen wir gewöhnlich nicht
Bakterien (D.h. wir würden diese Deutung wenn
sie vorgeschlagen würde, ablehnen)
Wir würden, müßten wir bestimmte Grenzen
ziehen, in den verschiedenen Fällen
wenn wir das Wort im gewöhnlichen
Leben gebrauchen verschiedene Gren-
zen ziehen. Und manchmal mußten
wir auch Grenzen andeuten.
>
     

<      “Ein großes Stück Kuchen”, “ein großer Kirchturm”, “ein
großer Hund”
>
     

<      Die Logik zieht ihrem Wesen nach Grenzen
aber in der Sprache die wir sprechen sind solche
Grenzen nicht gezogen. Das heißt aber nicht daß
nun die Logik die Sprache falsch darstellt, oder
eine ideale Sprache. Sie portraitiert die Farbige
verschwommene Wirklichkeit als Federzeichnung
das ist ihre Aufgabe.
>
     

     (Sokrates stellt die Frage, was Erkenntnis sei und ist nicht mit der
Aufzählung von Erkenntnissen zufrieden. Wir aber kümmern uns nicht viel
um diesen allgemeinen Begriff und sind froh, wenn wir Schuhmacherei, Geo-
metrie etc. verstehen.)
     

     Wir glauben nicht, dass nur der ein Spiel ˇ wirklich versteht, der eine Definition
des Begriffs ‘Spiel’ geben kann.
70
     
     (Ich mache es mir in der Philosophie immer leichter und leichter. Aber
die Schwierigkeit ist, es sich leichter zu machen und doch exakt zu blei-
ben.)
     
     Der Gebrauch des Wortsˇ “Spiel” “Satz” “Sprache” etc.
hat die Verschwommenheit des normalen Ge-
brauchs aller Begriffswörter unserer Sprache.
Zu glauben sie wären darum unbrauchbar
oder doch nicht ideal ihrem Zweck entsprechend
wäre, als wollte man sagen “… der Lichtschein meiner Lampe ist unbrauch-
bar, weil man nicht weiß, wo es er anfängt & wo es
er
aufhört”.
      Will ich zur Aufklärung & ˇzur Vermeidung
von Mißverständnissen im Gebiet eines
(solchen) verschwommenen Begriffs Sprachgebrauchs klare scharfe Grenzen
ziehen, so werden sich die scharf umgrenzten
Bezirke zu dem wirklichen Sprachgebrauch ver-
halten wie die scharfen Konturen in einer Feder-
zeichnung zu den allmählichen Farbüber-
gängen im Gesicht in der Wirklichkeit die sie dar-
stellt. … zu allmählichen Ubergängen von Farb-
flecken in der Wirklichkeit die die Zeichnung dar-
stellt. //die dargestellt ist//
71
     

16
Die Logik redet von Sätzen und Wörtern im gewöhnlichen Sinn, nicht von
Sätzen und Wörtern in irgend einem abstrakten Sinn.
     






     Ich glaube nicht, dass die Logik in einem andern Sinne von Sätzen re-
den kann, als wir für gewöhnlich tun, wenn wir sagen “hier steht ein Satz
aufgeschrieben” oder “nein, das sieht nur aus wie ein Satz, ist aber kei-
ner”, etc. etc.
     

     Die Frage “was ist ein Wort” ist ganz analog der “was ist eine Schach-
figur”.
     

     Wir redenˇ natürlich von dem räumlichen und zeitlichen Phänomen der
Sprache. Nicht von einem unräumlichen und unzeitlichen Unding. Aber wir
reden von ihr so, wie von den Figuren des Schachspiels, indem wir Regeln
für sie tabulieren, nicht ihre physikalischen Eigenschaften beschreiben von ihrem Gebrauch im Spiel, nicht von ihren ……. < Gehört eigentlich zu: ‘Verstehen kein Akt während des Redens etc. >
     

     Wir können in der Philosophie auch keine grössere Allgemein-
heit
erreichen, als in dem, was wir in Leben und Wissenschaft sagen
// aussprechen//. (D.h., auch hier lassen wir alles, wie es ist.)
     

     So ist eine aufsehenerregende Definition der Zahl keine // nicht die//
Sache der Philosophie.
72
     
     Die Philosophie hat es mit den bestehenden Sprachen zu tun und nicht
vorzugeben, dass sie von einer abstrakten Sprache handeln müsse.

     
Wir fühlen beim Nachdenken über das Problem
Studium des der Sprache & der Bedeutung leicht die Versu-
chung anzunehmen, Wir können leicht dahin kommen zu denken
<Wir können leicht in der Untersuchung der
Spr. & der Bed. dahin kommen zu denken ……
> wir dürften eigentlich
nicht von Wörtern & Sätzen im ganz hausback-
enen
Sinn reden sondern von Wörtern etc.
in einem sublimierten Sinn, abstrakteren
Sinn. So als wäre ein bestimmter Satz
nicht eigentlich was irgend ein Mensch
ausspricht sondern ein Idealwesen (die
Klasse aller gleichbedeutenden Sätze oder
dergleichen.) Aber ist auch der Schachkönig
von dem die Schachregeln handeln ein
solches Idealding ein abstraktes Wesen.
     

     Wenn ich nämlich über die Sprache – Wort, Satz, etc. – rede, muss ich
die Sprache des Alltags reden, – Aber gibt es denn eine andere?
     

     Ist diese Sprache etwa zu grob, materiell, für das, was wir sagen wol-
len? Und kann es eine andere geben? Und wie merkwürdig, dass wir dann mit
der unseren dennoch //überhaupt// etwas anfangen können.
     

     Dass ich beim Erklären der Sprache (in unserem Sinne) schon die volle
Sprache (nicht etwa eine vorbereitende, vorläufige) anwenden muss, zeigt
schon, dass ich nur Aeusserliches über die Sprache sagen //vorbringen//
kann.
     

     Ja, aber wie können uns diese Ausführungen dann befriedigen? – Nun, Dei-
ne Fragen waren ja auch schon in dieser Sprache abgefasst; mussten in die-
ser Sprache ausgedrückt werden, wenn etwas zu fragen war!
     

     Und Deine Skrupel sind Missverständnisse.
     

     Deine Fragen beziehen sich auf Wörter, so muss ich von Wörtern reden.
     

     Man sagt: Es kommt nicht auf das // auf's// Wort an, sondern auf
seine Bedeutung, und denkt dabei immer an die Bedeutung, als ob sie nun
eine Sache von der Art des Worts wäre, allerdings vom Wort verschieden.
Hier ist das Wort, hier die Bedeutung. (Das Geld, und die Kuh, die man da-
für kaufen kann. Anderseits aber: das Geld, und sein Nutzen.)

73.
     
     Ueber die Spracheˇ des Alltags sind nicht mehr Skrupeln Bedenken berechtigt, <Über unsere Sprache sind nicht mehr Bedenken gerechtfertigt, ……> als ein Schach-
spieler über das Schachspiel hat, nämlich keine. ((Hier ist nicht gemeint
“über den Begriff der Sprache”. Sondern es heisst eher: “sprich ruhig da-
rauf los, wie ein Schachspieler spielt, es kann Dir nichts passieren, Dei-
ne Skrupel sind ja nur Missverständnisse, ‘philosophische’ Sätze.”))

74
     

17
Satz und Satzklang.
     






     Was ist ein Satz? – Vor allem gibt es in unseren
Sprachen einen Satzklang. (Daher Unsinngedichte
wie die Lewis Caroll's) Daher reden wir von Unsinng
Und was wir oft Unsinn nennen ist nicht eine
Beliebige
     

     Bei der Frage nach der allgemeinen Satzform bedenken wir, dass die ge-
wöhnliche Sprache zwar einen bestimmten Satzrythmus hat, aber nicht alles,
was diesen Rythmus hat, ein Satz ist.
      D.h. wie ein Satz klingt und keiner ist. – Daher die
Idee vom sinnvollen und unsinnigen ‘Satz’.
     

     Anderseits ist dieser Rythmus aber natürlich nicht wesentlich. Der Aus-
druck “Zucker Tisch” klingt nicht wie ein Satz, kann aber doch sehr
wohl den Satz “auf dem Tisch liegt Zucker” ersetzen. Und zwar nicht etwa
so, dass wir uns etwas Fehlendes hinzudenken müssten, sondern, es kommt
wieder nur auf das System an, dem der Ausdruck “Zucker Tisch” angehört.
     

     Es fragt sich also, ob wir ausser diesem irreführenden Satzklang noch
einen allgemeinen Begriff vom Satz haben. (Ich rede jetzt von dem, was
durch [|]&’, ‘V’, ‘C’, zusammengehalten wird.)
     

/     Denken wir uns, wir läsen die Sätze eines Buches verkehrt, die Worte
in umgekehrter Reihenfolge; könnten wir nicht dennoch den Satz verstehen?
Und klänge er jetzt nicht ganz unsatzmässig? /
75
     
Zu § 18 S 76 § 19 S. 79

     Hat es einen Sinn, zu sagen: “Ich habe so viele Schuhe, als eine Wurzel
der Gleichung x³ + 2x ‒ 3 = 0 Einheiten hat” <… als eine Lösung der Gleichung … ergibt”>? Hier könnte es scheinen
als hätten wir eine Notation, der wir es eventuell nicht ansehen können,
ob sie Sinn hat oder nicht. <… deren Grammatik allein nicht bestimmt
ob ob ein Satz Sinn hat oder nicht //was
ein sinnvoller Satz ist & was nicht//.
>


< Daß es also von vornherein nicht
bestimmt wäre
>
     Wenn der Ausdruck “die Wurzel der Gleichung F(x) = 0” eine Beschreibung
im Russell'schen Sinne wäre, so hätte der Satz “ich habe n Aepfel und
n + 2 = 6” einen andern Sinn, als der: “ich habe 4 Aepfel”.
     Wir haben in dem ersten Satz ein ausserordentlich lehrreiches Beispiel
dafür, wie [s|e]ine Notation auf den ersten Blick einwandfrei erscheinen kann,
nämlich so, als verstünden wir sie; und dass wir in Wirklichkeit einen un-
sinnigen Satz nach Analogie eines sinnvollen gebildet haben und nur
glauben, die Regeln des ersteren zu übersehen. So ist “ich habe n
Schuhe und n² = 4” ein sinnvoller Satz; aber nicht “ich habe n Schuhe und
n² = 2”.

     

< Dies gibt ein herrliches Beispiel dafür,
was es heißt, einen Satz verstehen (meinen).
>
     

< Inwiefern ist das Verstehen – das augen-
blickliche Verstehen – des Satzes ein Krite-
rium dafür, daß der Satz Sinn hat?
76
>
     

18
Was als Satz gelten soll, ist in der Grammatik bestimmt.











⋎ S. 75/1
⋎Anfang des § 40 S. 171 & 170 v.
⋎ S. 114/3
     
     Die Erklärung, : die man erhält, wenn man nach dem Wesen des Satzes
fragt:
Satz sei alles, was wahr oder falsch sein könne – ist nicht so ganz
unrichtig. Es ist die Form der Wahrheitsfunktion (in welcher Form der
Zeichengebung immer ausgedrückt), die das logische Wesen des Satzes aus-
macht.
     

< Die Erklärung: Satz sei alles, was wahr
oder falsch sein könne <“Satz ist alles… kann”>
bestimmt den Begriff
des Satzes in einem bestimmten Sprachsystem
als das was in diesem System als Argu-
ment Argument einer Wahrheitsfunktion auftritt ist.

Und wenn wir von dem sprechen, was der
Satzform als solcher wesentlich ist so
meinen wir oft sind es manchmal die Wahrheitsfunktionen.
Wenn ich sagte die allgemeine Form des Satzes
sei “es verhält sich so & so” so war
eben das gemeint.
>
     

     ‘p’ ist wahr = p. Man gebraucht das Wort “wahr” in Zusammenhängen wie
“was er sagt ist wahr”, das aber sagt dasselbe wie “er sagt ‘p’, und p
ist der Fall”.
     

     “Wahr” und “falsch” sind tatsächlich nur Wörter einer bestimmten Nota-
tion der Wahrheitsfunktion.
     

     Wenn man sagt, Satz sei alles, was wahr oder falsch sein könne, so
heisst das dasselbe wie: Satz ist alles, was sich verneinen
lässt.
     

     Wenn wir von dem sprechen, was der Satzform als solcher wesentlich ist,
so meinen wir die Wahrheitsfunktionenfunktion.

77
     
     Man kann natürlich auch nicht/sagen, ‘Satz’ sei dasjenige, wovon man
‘wahr’ und ‘falsch’ aussagen könne, in dem Sinn, als könnte man versuchen,
zu welchen Symbolen die Wörter ‘wahr’ und ‘falsch’ passten und danach ent-
scheiden, ob etwas ein Satz ist. Denn das würde nur dann etwas bestimmen,
wenn diese Worte in einer bestimmten Weise gemeint [i|s]ind, das aber können
sie nur im Zusammenhang sein. //…wenn diese Worte in einer bestimmten
Weise gemeint sind, d.h. bereits eine bestimmte Grammatik haben.// Und eben
im Zusammenhang mit einem Satz. Alles, was man machen kann, ist hier, wie
in allen diesen Fällen, das grammatische Spiel bestimmen, seine Regeln an-
geben und es dabei bewenden lassen.
     

     Was ein Satz ist, wird durch die Grammatik bestimmt. D.h., innerhalb der
Grammatik.
     (Dahin zielte auch meine “allgemeine Satzform”.)
     

[Zu: “Was ist ein Erfahrungssatz”]

     Man kann nicht sagen “dieser Struktur fehlt noch etwas, um ein Satz zu
sein”. Sondern es fehlt ihr etwas, um in dieser Sprache ein Satz zu
sein. Wie man sagen kann //Man kann sagen//: dem Zeichenausdruck “2 + 2 4”
fehlt etwas, um eine Gleichung zu sein.
     

     Den Russen, welche statt “er ist gut” sagen “er gut” geht nichts verlo-
ren, und sie denken sich auch kein Verbum dazu.
     

[Zu: “Was ist ein Erfahrungssatz”]

     Den kompletten Satz zu charakterisieren ist so unmöglich, wie die kom-
plette Tatsache.
     

     Kann man den Begriff des “Satzes” festlegen? oder die allgemeine Form des
Gesetzes? – Warum nicht! Wie man ja auch den Begriff ‘Zahl’ festlegen könn-
te, etwa durch das Zeichen “/0,x, x + 1/”. Es steht mir ja frei, nur das Zahl
78
zu nennen; und so steht es mir auch [c|f]rei, eine analoge Vorschrift zur Bil-
dung von Sätzen oder Gesetzen zu geben und das Wort “Satz” oder “Gesetz” ˇ [Ramsey]
als ein Aequivalent dieser Vorschrift zu gebrauchen. Wehrt man sich dagegen
und sagt, es sei doch klar, dass damit nur gewisse Gesetze von andern abge-
grenzt worden seien, so antworte ich: Ja, Du kannst freilich nicht eine
Grenze ziehen, wenn Du von vornherein entschlossen bist, keine anzuerken-
nen! – Sollen die “Sätze” den unendlichen logischen Raum erfüllen, so kann
von keiner allgemeinen Satzform die Rede sein. Es fragt sich dann natür-
lich: Wie gebrauchst Du nun das Wort “Satz”? im Gegensatz wozu? Etwa im
Gegensatz zu “Wort”, “Satzteil”, “Buchteil”, Erzählung”, etc..
     

     (Ein Satz, der von allen Sätzen oder allen Funktionen handelt. Was stellt
man sich darunter vor? // Was meint man damit?// Es wäre wohl ein Satz der Denkt man an einen Satz der
Logik.? Denken wir nun daran, wie der Satz non2n p = p bewiesen wird.)
< 0˙a11 a12 a13
0˙a21 a22 a23
0˙a31 a32 a33
‒ ‒ ‒
‒ ‒ ‒



>
     

     Wenn ich “es verhält sich so und so” als allgemeine Satzform gelten las-
se, dann muss ich 2 + 2 = 4 unter die Sätze rechnen, denn es ist grammatisch
richtig, zu sagen: “es verhält sich so, dass 2 + 2 gleich 4 ist”. Es braucht
weitere Regeln, um die Sätze der Arithmetik auszuschliessen.
     

[Zu: “Was ist ein Erfahrungssatz”]

     Falsche Ideen über das Funktionieren der Sprache: Broad, der sagte, et-
was werde eintreffen, sei kein Satz. Was spricht man dieser Aussage
damit ab? Etwas anderes, als, dass sie Gegenwärtiges oder Vergangenes be-
schreibt
? – Die Magie mit Wörtern. Ein solcher Satz, wie der Broads, kommt
mir so vor, wie ein Versuch, eine chemische Aenderung magisch zu bewirken;
indem man den Substanzen, quasi, zu verstehen gibt, was sie tun sollen
(wenn man etwa Eisen in Gold überführen wollte, indem man ein Stück Eisen
mit der rechten und zugleich ein Stück Gold mit der linken Hand fasste).
79
     

19
Die grammatischen Regeln bestimmen den Sinn des Satzes; und ob eine
Wortzusammenstellung Sinn hat oder nicht.












⋎ S. 75/1
⋎ S. 64/1, 2, 3
     
     Man könnte sagen: “Wie mach ich's denn, um ein Wort immer richtig sinnvoll anzu-
wenden, schau ich immer in der Grammatik nach? Nein, dass ich etwas mei-
ne – was ich meine, hindert mich Unsinn zu sagen.<> Aber was meine ich
denn? Ich sage: ich rede vom Teilen eines Apfels, aber nicht vom Teilen
der Farbe Rot, weil ich beim “Teilen eines Apfels” mir etwas denken kann,
etwas vorstellen, etwas wollen kann; beim Ausdruck “Teilen einer Farbe”
nicht. Und ist es etwa so Oder ist es so …… dass man bei diesem Wort nur noch keine Wirkung
auf andere Menschen beobachtet hat?! Richtiger wäre es zu sagen daß
ich mir bei den Worten “Teilen eines A.” etwas denke, vorstelle, will; beim Ausdruck
Teilen der Farbe rot nicht.
     

<      Wie mach ich's denn, etwas mit ihm meinen? Ich stelle mir wohl
etwasˇ bei meinen Worten vor, will etwas damit mit ihnen, treibe etwas damit mit ihnen, kurz verwende
sie in einem Sprachspiel.
     Ich brauche das Wort zu einem Zweck & darum nicht unsinnig.
>
     

Was machen wir nun wenn wir der Wortgruppe
“ich teile rot” einen Sinn geben? Ja wir könnten
doch ganz verschiedenes aus ihr machen: Einen
Satz der Arithmetik, einen Ausruf, einen Erfahrungs-
satz, etc. einen unbewiesenen Satz der Mathematik.
Ich habe also eine beliebige Auswahl. Und
wie ist die begrenzt? Das ist schwer zu
sagen: durch allerlei Arten von Nützlichkeit
& auch durch die Formelle Ähnlichkeit
der Gebilde mit gewissen primitiven Satzformen
& alle diese Grenzen sind verschwimmend.
     

< “Rot kann man nicht teilen” heißt also:
Erinnere Dich daran daß Du in dem Spiel
zu welchem dieser Satz seiner Form nach
zu gehören scheint nichts anfangen
kannst anzufangen weißt.
>
     

< Der Satz “ich teile rot” kann doch einen Sinn haben ich doch … geben (z.B.
kann er dasselbe sagen wie ich teile etwas Rotes)
Was, wenn ich fragte; welches Wort welcher Fehler macht
den Satz zum Unsinn? Warum soll es gerade das
Wort “Rot” sein? Da sieht man daß wir bei diesem
Satz auch in seiner unsinnigen Gestalt an ein ganz
bestimmtesˇ gramm. System sinnvoller Sätze denken. Daher
sagen wir auch “rot kann man nicht teilen”
geben also eine Antwort; während man auf
eine Wortzusammenstellung wie “ist hat gut”
nichts antworten würde.
> < Denkt man nun
aber an ein bestimmtes vorhandenes System
Sp Sprachspiel & seine Anwendung dann sagt
der Satz daß “ich teile rot” unsinnig ist
vor allem, daß er nicht zu dem bestimmten
Spiel gehört zu dem er seiner Erscheinung nach
>
<zu gehören scheint.>
     

     “Woher weiss ich, dass ich man Rot nicht teilen kann?” – Die Frage selbst
heisst nichts. Ich möchte sagen: Ich Man muss mit der Unterscheidung von Sinn
und Unsinn anfangen. Vor ihr ist nichts möglich. Ich kann sie
nicht begründen.
     

     Welcher Art nun sind die Regeln, welche sagen, dass die und die Zusam-
menstellungen von Wörtern keinen Sinn haben? Sind sie von der Art derjeni-
gen Vorschriften welche etwa sagen, dass es keine Spielstellung im Schach
ist, wenn zwei Figuren auf dem gleichen Feld stehen, oder wenn eine Figur
80
auf der Grenze zwischen zwei Feldern steht, etc.? Diese Sätze sind wieder
wie gewisse ahnlich gewisser Handlungen, ?–wie wenn man etwa ein Schachbrett Wenn man z.B. ein Schachbrett –? aus einem grös-
seren Stück ˇ eines karierten Papiers herausschneidetschnitte. Sie ziehen eine Grenze. –
Was heisst es denn, zu sagen: “diese Wortzusammenstellung heisst nichts”.
Von einem Namen kann man sagen “diesen Namen habe ich niemandem gegeben”
und das Namengeben ist eine bestimmte Handlung (ˇwie das umhängen eines Täfelchens).
     Denken wir an die eine Darstellung einer Reise auf der Erde durch eine Linie
in der Projektion der zwei Halbkugeln und dass wir sagen: die in den Proj. der zwei H. gezogen ist. Wir können nun sagen: ein Linienstück,
das auf der Zeichenebene die Grenzkreise der dieser Projektionen verlässt, ist
in dieser Darstellung sinnlos. Man könnte auch sagen: D.h.: nichts ist darüber
ausgemacht worden.
     

[Zu: “und auf gleiche Weise …”]

     Gesichtsraum und Retina. Es ist, wie wenn man eine Kugel orthogonal auf
eine Ebene projiziert, etwa in der Art, wie die beiden Halbkugeln der Erde
in einem Atlas dargestellt werden, und nun könnte einer glauben, dass, was
auf der Ebene ausserhalb der beiden Kugelprojektionen vor sich geht, im-
merhin noch einer möglichen Ausdehnung dessen entspricht, was sich auf der
Kugel befindet. Hier wird eben ein kompletter Raum auf ei-
nen Teil eines andern Raumes projiziert; und analog ist es mit den
Grenzen der Sprache im Wörterbuch. //in der Grammatik.// Für S. 124 M.S?
     
     


20
Der Sinn des Satzes, keine Seele.












⋎ S. 75/1
siehe §25 S. 93
     
     Die Methode des Messens, z.B. des räumlichen Messens, verhält sich zu
einer bestimmten Messung genau so, wie der Sinn eines Satzes zu seiner
Wahr- oder Falschheit.
     

<      Der Sinn einer Längenangabe wird durch die
Beschreibung der Meßmethode erklärt; die
Wahrheit der Längenangabe
>
     
     Der Sinn eines des Satzes ist nicht pneumatisch, sondern ist das, was auf
die Frage nach der Erklärung des Sinnes zur Antwort kommt. Und – oder –
der eine Sinn unterscheidet sich vom andern, wie die Erklärung des einen
von der Erklärung des andern. <→ Also auch: der Sinn des einen Satzes
unterscheidet sich vom Sinn des andern
wie der eine Satz vom andern.
>
     

     Welche Rolle der Satz im Kalkül spielt, das ist sein Sinn.
     

     Der Sinn (also) nicht hinter ihm (wie der psychische Vor-
gang der Vorstellung etc.).
     

     Was heisst es denn: “entdecken, dass ein Satz keinen Sinn hat”?
     Und was heisst das: “wenn ich etwas damit meine, muss es doch Sinn ha-
ben”? Worin besteht dieses Meinen?
     “Wenn ich etwas damit meine …” – wenn ich was damit meine?! [dazu S. 75/1]

82
     
     Was heisst es: “Wenn ich mir etwas dabei vorstellen kann, muss es doch
Sinn haben”?
     Wenn ich mir was dabei vorstellen kann? Das, was ich sage? sagte? – Das
heisst nichts. // Dann heisst dieser Satz nichts. // – Und ‘Etwas’? Das
würde heissen: Wenn ich die Worte auf diese Weise benützen kann, dann haben
sie Sinn. Oder eigentlich: wenn ich sie zum Kalkulieren benütze, dann haben
sie Sinn. <
     Die Antwort wäre: wenn der Sinn ist daß ich mir
etwas vorstelle. Aber es heißt wohl auch: wenn
ich mir ein Bild danach machen kann so garan-
tiert das mir andere Anwendungen.
>
     

     Man könnte auch so fragen: Ist der ganze Satz nur ein unartikuliertes
Zeichen, in dem ich erst nachträglich Aehnlichkeiten mit anderen Sätzen er-
kenne?
     Das wäre etwa so, wenn jeder Satz eine Droge // Medizin// mit bestimm-
ter Wirkung wäre und man käme erst nachträglich durch Analyse darauf, dass
zwei Medizinen gewisse Ingredientien mit einander gemein hätten. <Wie Als wäre er eine Flüssigkeit deren chemi-
sche Analyseˇ uns erst gemeinsame Be-
standteile mit anderen Substanzen Flüssigkeiten
aufzeigt //erkennen läßt//.
>
     

     Ja, man könnte unsere Frage in einer sehr elementaren Form stellen: Wa-
rum eine Sprache nicht mit bloss einem Wort möglich ist //auskommen könn-
te//, da es ja doch vorkommt, dass ein Wort (in einer Sprache) mehrere
Bedeutungen hat. (Warum also nicht alle?)

83
     

21
Aehnlichkeit von Satz und Bild.












⋎§ 43 S. 189/1 & S 188 v
⋎ S. 289/1,2, S. 217/1
     
     In welchem Sinne kann ich sagen, der Satz sei ein Bild? Wenn ich da-
rüber denke, möchte ich sagen: er muss ein Bild sein, damit er mir zeigen
kann, was ich tun soll, damit ich mich nach ihm richten kann. Aber, dann willst Du // also // bloss sagen, dass Du Dich nach dem Satz richtest
in demselben Sinne, in dem Du Dich nach einem Bild richtest.
< Das Bild ist eine Beschreibung. >
     

     Ist jedes Bild ein Satz? Und was heisst es, etwa zu sagen, dass jedes
als ein Satz gebraucht werden kann?
     

     Ich kann die Beschreibung des Gartens in ein gemaltes Bild, das Bild
in eine Beschreibung übersetzen.
     

< vielleich unnütz>
     Zu sagen, dass der Satz ein Bild ist, hebt gewisse Züge in der Gramma-
tik des Wortes “Satz” hervor.
     

     Das Denken ist ganz dem Zeichen von Bildern zu vergleichen.
     Man kann aber auch sagen: Das Denken ist (wesentlich) mit keinem Vor-
gang zu vergleichen und was wie ein Vergleichsobjekt scheint, ist in
84
Wirklichkeit ein Beispiel.

     
     Wenn ich den Satz mit einem Masstab verglichen habe, so habe ich,
strenggenommen, nur einen Satz, der mit Hilfe eines Masstabes die Länge
eines Gegenstands // eine Länge// aussagt beschreibt aussagt, als Beispiel
für alle Sätze herangezogen. //als Beispiel eines Satzes herangezogen.//
ch
     

     Wenn man die Sätze als Vorschriften auffasst, um Modelle zu bilden,
wird ihre Bildhaftigkeit noch deutlicher.
     

     Die Sprache muss von der Mannigfaltigkeit eines Stellwerks sein, das
die Handlungen veranlasst, die ihren Sätzen entsprechen.
     

     Die Uebereinstimmung von Satz und Wirklichkeit ist der Uebereinstimmung
zwischen Bild und Abgebildetem nur so weit ähnlich, wie der Uebereinstim-
mung zwischen einem Erinnerungsbild und dem gegenwärtigen Gegenstand.
     

     Der Satz ist der Tatsache so ähnlich wie das Zeichen ‘5’ dem Zeichen
‘3 + 2’. Und das gemalte Bild der Tatsache , wie ‘!!!!!’ dem Zeichen
‘!! + !!!’.
     

      Z.B. a, b, c, d bedeuten Bewegungen und zwar a = , b = , c = ,
d = . Also heisst z.B. bccbda der Linienzug
. Nun, ist der
Satz “bccbad da” nicht ähnlich jenem Linienzug? Offenbar ja, in gewisser
Weise. (Ist es nicht genau die Aehnlichkeit einer Photographie und des photographierten Gegenstandes?)
85
     

22
Sätze mit Genrebildern verglichen.
(Verwandt damit: Verstehen eines Bildes.)












⋎ S. 289
     
     Wie ist es mit den Sätzen, die in Dichtungen vorkommen. Hier kann doch
gewiss von einer Verifikation nicht geredet werden und doch haben diese
Sätze Sinn. Sie verhalten sich zu den Sätzen, für die es (eine) Verifika-
tion gibt, wie ein Genrebild zu einem Portrait. Und dieses Gleichnis dürf-
te wirklich die Sache vollständig darstellen.
     

< Die Beschreibung eines wirklichen Gegen-
standes verhält sich zu der Beschreibung
in einer Dichtung wie ein Portrait zu einem
Genrebild.
>
     

     Wenn ich ein Bild anschaue, so sagt es mir etwas, auch wenn ich keinen
Augenblick glaube (mir einbilde), die Menschen seien wirklich oder es ha-
be wirkliche Menschen gegeben, von denen dies ein verkleinertes Bild sei.
Es sagt mir etwas” kann aber hier nur heissen, es bringt eine bestimmte
Einstellung in mir hervor.”
     Denn wie, wenn ich fragte: “was sagt es mir denn?
     

     Meine Stellung gegen das Bild ist auch keine hypothetische, so dass ich
mir etwa sagte “wenn es solche Menschen gäbe, dann …”
     

     Wenn ich ein Genrebild ansehe, so halte ich die gemalten Menschen darin
nicht für wirkliche Menschen, andererseits ist ihre Aehnlichkeit mit Men-
schen für das Verständnis des Bildes wesentlich.
86
     
     Wenn man es für selbstverständlich hält, dass sich der Mensch an
seiner Phantasie vergnügt, so bedenke man, dass diese Phantasie nicht
wie ein gemaltes Bild oder ein plastisches Modell ist, sondern ein kom-
pliziertes Gebilde aus heterogenen Bestandteilen: Wörtern und Bildern.
Man wird dann das Operieren mit Schrift- und Lautzeichen nicht mehr in
Gegensatz stellen zu dem Operieren mit “Vorstellungsbildern” der Ereig-
nisse.
     

     Die Illustration in einem Buch ist dem Buch nichts fremdes, sondern
gesellt sich hinzu wie ein verwandter Behelf einem andern, – wie etwa
eine Reibahle dem Bohrer.
     (Wenn einen die Hässlichkeit eines Menschen abstösst, so kann sie im
Bild, im gemalten, gleichfalls abstossen, aber auch in der Beschreibung,
in den Worten.)

⋎ S. 390
87
     

23
Mit dem Satz scheint die Realität wesentlich übereinstimmen oder nicht
übereinstimmen zu können. Er scheint sie zu fordern, sich mit ihm zu
vergleichen.
     






     “Meine Erwartung ist so gemacht, dass, was immer kommt, mit ihr über-
einstimmen muss, oder nicht.”
     

     Der Satz ist als Richter hingestellt und wir fühlen uns vor ihm verant-
wortlich.
     

     Ich sage, die Hand über demn Tisch haltend, “ich wollte, dieser Tisch
wäre so hoch”. Nun ist das Merkwürdige: die Hand über dem Tisch an und
für sich drückt gar nichts aus. D.h., sie ist eine Hand über einem Tisch,
aber kein Symbol (wie der Pfeil, der etwa die Gehrichtung anzeigen soll,
an sich nichts ausdrückt).
     

     “Die Hand zeigt dahin”. Aber in wiefern zeigt sie dahin? einfach, weil
sie sich in einer Richtung verjüngt? (Zeigt ein Nagel in die Wand?) D.h.,
ist es dasselbe zu sagen “sie zeigt etc.” oder und “sie verjüngts sich in
dieser Richtung”?
88
     
     Man kann eine Lehne auf das Mass eines Körpers einstellen, vorberei-
ten. Dann liegt in dieser Einstellung zwar das eingestellte Mass, aber in
keiner Weise, dass ein bestimmter Körper es hat. Ja vor allem liegt darin
keine Annahme darüber, ob der Körper dieses Mass hat, oder nicht hat.
     

     Ich sagte, der Satz wäre wie ein Masstab an die Wirklichkeit angelegt:
Aber Und der Masstab ist, wie alle richtigen Gleichnisse des Satzes, ein be-
sonderer Fall eines Satzes. Und auch er bestimmt nichts, solange man
nicht mit ihm misst. Aber Messen ist Vergleichen (und muss heissen, Ueber-
setzen).
     

     Man möchte sagen: Lege den Masstab an einen Körper an; er sagt nicht,
dass der Körper so lang ist. Vielmehr ist er an sich gleichsam ˇich möchte sagen tot und
leistet nichts von dem, was der Gedanke leistet. Es ist, als hätten wir
uns eingebildet, das Wesentliche am lebenden Menschen sei die äussere Ge-
stalt, und hätten nun einen Holzblock von</>dieser Gestalt hergestellt und
sähen mit Enttäuschung den toten Klotz, der auch keine Aehnlichkeit mit
dem Leben hat.
     

     Man könnte sagen, “die Erwartung ist kein Bild, sie bedient sich nur
eines Bildes<>. Ich erwarte etwa, dass meine Uhr jetzt auf 7 zeigen wird
und drücke dies durch ein Bild der Zeigerstellung aus. Dieses Bild kann
ich nun mit der wirklichen Stellung vergleichen; die Erwartung aber
nicht.
     

     Mein Gedanke ist immer: wenn einer die Erwartung sehen könnte, dass er
sehen // erkennen// müsste, was erwartet wurde.
      Aber so ist es ja auch: wer den Ausdruck der Erwartung
sieht, sieht was erwartet wird.
Und wie könnte man es
<auf andere Weise, in anderem Sinne sehen?!>
     


      Gut, ich sage: wenn ich meine Uhr herausziehe, wird sie mir jetzt ent-
weder dieses Bild der Zeigerstellung bieten, oder nicht.
Aber wie
89
kann ich es ausdrücken, dass ich mich für eine dieser Annahmen entschei-
de?

      Jeder Gedanke ist der Ausdruck eines Gedankens.
     

     Ich könnte mein Problem so darstellen: Wenn ich untersuchen wollte, ob
die Krönung Napoleons so und so stattgefunden hat, so könnte ich mich da-
bei, als einer Urkunde, des Bildes bedienen, statt einer Beschreibung. Und
es frägt sich nun, ist die ganze Vergleichung der Urkunde mit der Wirk-
lichkeit von der Art, wie der Vergleich der Wirklichkeit mit dem Bild, oder gibt es dabei noch etwas Andres, von andrer Art?
     

     Aber womit soll man die Wirklichkeit vergleichen, (:) als mit dem Satz?
Und was soll man andres tun, (:) als sie mit ihm zu vergleichen?
     

     Wenn man das Beispiel von dem, durch Gebärden mitgeteilten Befehl be-
trachtet, möchte man einerseits immer sagen: Ja, dieses Beispiel ist eben
unvollkommen, die Gebärdensprache zu roh, darum kann sie den beabsichtig-
ten Sinn nicht vollständig ausdrücken” – aber tatsächlich ist sie so gut
wie jede denkbare andere, und erfüllt ihren Zweck so vollständig, wie es
überhaupt denkbar ist.
     (Es ist eine der wichtigsten Einsichten, dass es keine Verbesserung
der Logik gibt.)
     

< Der Befehl die Zahlen 1 bis 4 zu quadrieren. >
     

S. 92

     Der Befehl kommt uns unvollständig vor. Es scheint uns, als
wäre etwa nur angedeutet, was nicht ausgesprochen ist.

     


      Angedeutet aber ist etwas nur insofern, als ein System nicht ausdrück-
lich, oder unvollkommen festgelegt ist.
Wir möchten sagen, es sei uns un-
vollkommen angedeutet oder, das Zeichen suggeriere nur undeutlich, was
90
wir zu tun hätten. Es sei etwa in dem Sinn undeutlich, wie eine Tafel mit
der Aufschrift “Links Gehen” deutlicher wird, wenn zugleich ein Pfeil die
Richtung zeigt. //Es sei etwa undeutlich in dem Sinn, in welchem wir der
Deutlichkeit halber Zeichen ausführlicher geben.//
     
<
>
     

     Aber für uns ist der Befehl deutlich, der unzweideutig ist; und einen
deutlicheren gibt es nicht.
     

     Eindeutig aber kann er nur werden, dadurch, dass in dem System von Be-
fehlen eine Unterscheidung gemacht wird, die, wenn sie fehlt, eben die
Zweideutigkeit hervorruft. (Wenn also das System die richtige Mannigfal-
tigkeit erhält.)
     

     Was, in der Logik, nicht nötig ist, hilft auch nicht. //… ist
auch nicht von Nutzen.//
     Was nicht nötig ist, ist überflüssig.

     

     Die Unbeholfenheit, mit der das Zeichen wie ein Stummer durch allerlei
suggestive Gebärden sich verständlich zu machen sucht,ˇ – sie verschwindet, wenn
wir erkennen, dass das Wesentliche am Zeichen das System ist, dem es zu-
gehört und sein übriger Inhalt wegfällt.

     Man möchte sagen nur der Gedanke
kann es ganz sagen, d[er|as] [G|Z]eichen nicht.


91
     

24
Das Symbol (der Gedanke), scheint als solches unbefriedigt zu sein.











⋎ S. 163/5
     
<      “Der Satz sagt etwas” darauf ist die Erganzung
entweder die Frage “Was?” & ein andrer Satz –
oder es hieß man könnte dafür setzen “der
Satz sagt”
“sagt etwas” istˇ gar keine Variable, heißt
nicht: sagt dies, oder jenes.
>
     
     Der Wunsch scheint schon zu wissen was ihn erfüllen
wird oder würde, der Satz der Gedanke was ihn wahr⋰macht auch
wenn es gar nicht da ist! Woher dieses Bestimmen,
dessen, was noch nicht da ist? – dieses despotische
Verlangen
Verfügen?
     Und woher diese [S|s]eltsame Sinnestauschung?
Wir sagen der Satz sagt etwas, der Wunsch wunscht der Befehl befiehlt etwas. Aber
wie verwenden benützen wir
denn diese Aussagen, wann benützen wir sie in welchem weitern Zusammenhang? Was ist es, was ein
Satz sagt, was setzen wir statt dem ‘etwas’ ein? Dieser
Satz sagt: daß … & nun folgt ein weiterer Satz Ausdruck.
     

<      Wir sagen auch: Der Befehl befielt
dies, & tun es; aber auch, “der Befehl
befiehlt dies: Du ich sollst das & das tun.
Wir übersetzen ihn einmal in einen andern Satz, einmal in
eine Demonstration, oder & einmal in die Tat.

Ja er befielt ja schon – möchte ich sagen – daß ich das
tun soll! Aber was ist denn das das? Ich werde von
der Form: “Er befielt das” hypnotisiert.
>
     

<      “Der Befehl befielt seine Befolgung”. Ja
also kennt er seine Befolgung schon
ehe sie da istch! – Aber der Satz ist ja nur
ein Grammatischer über die Worte “Befehl”
& “Befolgung”. Er sagt: Wenn ein Befehl
lautet “Tue das & das” dann
nennt man “das & das tun” die Befolgung
das Befolgen
d[es|ie]ses Befehls. Jener Satz ist von der
Art grammatikalischer Sätze wie: Der Hund
hat einen ‘Schwanz’ der Fuchs eine ‘Rute’ ‘Beine’ der
Hase ‘Läufe’.
>
     

     Jedes Symbol scheint als solches etwas offen zu lassen.
     

     Der Plan ist als Plan etwas Unbefriedigtes. (Wie der Wunsch, die Er-
wartung, die Vermutung u.s.f..)
< Und hier meine ich,: die Erwartung ist un-
befriedigt weil sie die Erwartung von
etwas ist; der Glaube, die Meinung unbe-
friedigt weil sie die Meinung ist daß etwas
der Fall ist, etwas Wirkliches, etwas außerhalb dem Vorgang der Meinung.
>
     Ich möchte manchmal mein Gefühl dem Plan gegenüber als eine Innerva-
tion bezeichnen. Aber auch die Innervation an sich ist nicht unbefriedigt,
ergänzungsbedürftig.
     

     In wiefern kann man den Wunsch als solchen, die Erwartung ‘unbefrie-
digt’ nennen? Was ist das Urbild //Vorbild// der Unbefriedigung? Ist es
der leere Hohlraum (in den etwas hineinpasst)? Und würde man von einem
leeren Raum sagen, er sei unbefriedigt? Wäre das nicht auch eine Me-
tapher? Ist es nicht ein gewisses Gefühl, das wir Unbefriedigung nennen?
Etwa der Hunger. Aber der Hunger enthält nicht das Bild seiner Befriedi-
gung.
     

     Die Hohlform ist nur unbefriedigt in dem System, in dem auch die ent-
sprechende Vollform vorkommt. //… in dem auch die Vollform vorkommt.//
92
     
     Ich meine man kann das Wort “unbefriedigt” nicht schlechtweg von ei-
ner Tatsache gebrauchen. Es kann aber in einem System eine Tatsache be-
schreiben helfen. Ich könnte z.B. festsetzen, dass ich den Hohlzylinder
‘den unbefriedigten Zylinder’ nennen werden, den entsprechenden Vollzy-
linder, seine Befriedigung.
     

     Aber man kann nicht sagen, dass der Wunsch ‘p möge der Fall sein’,
durch die Tatsache p befriedigt wird, es sei denn als Zeichenregel:
/der Wunsch p möge der Fall sein/ =
der Wunsch, der durch die Tatsache p befriedigt wird/.
     

⋎ S. 17/5, 18/1,2, dazu erstes M.S. S. 139/3 = S. 89/4 & S. 90/4
     

     < Man könnte auch so sagen: Dieser
Befehl befiehlt dies (& tut es). – Aber hat
er dies nicht schon früher befohlen? (Er
hat dochˇ früher nichts anderes befohlen!) Also
hat er diese Tat befohlen ehe es sie
noch gab. Inwiefern hat er aber früher
dies befohlen? – We Ist denn Befehlen eine
Tätigkeit, die er auch früher ausübte?
Und wie hat er sie ausgeübt? Er
Der Befehl befielt das & das enthält
ja die Zeit gar nicht sowenig wie 2 + 2 ist 4.
Ich habe auch früher dies gemeint
enthält wohl die Zeit. Aber was ist denn
hier das Kriterium dafür daß ich dies
meinte. Heißt es ich habe schon früher
den Dieb gehangen ehe ich ihn noch hatte.

Wie kann man meinen was noch nicht
geschehen ist. Worin bestand aber dies
meinen damals. Was nennen wir also
jetzt diesˇ was wir jetzt tun gemeint zu haben? Worin besteht
die Identität: dasselbe jetzt tun, was
ich früher meinte. Worin besteht es:
dasselbe dieselbe Speise jetzt kochen, was zubereiten die ich später esse
Ja ich meine ja jetzt schon das was ich später
tue ausführe. Ja manchmalch meine ich jetzt dasselbe;
manchmal etwas anderes:! In welchem Falle
sagen wir das eine, in welchem Fälle das andere?
In welchem Falle sage ich daß ich etwas anderes
getan habe als ich meinte – & in welchem das
selbe.
> <Und wenn der Befehl nicht befolgt wird:
wo ist dann der Schatten der seiner Befolgung den
Du zu sehen meintest, weil Dir die Form
> <vorschwebte: Er befielt das & das.>
< Wie macht man es denn: etwas das & das zu befehlen?
Man sagt: man befielt: den Befehl
und auch man befielt: die Handlung
(die Befolgung
Man möchte sagen: ich befehle mehr
als die Worte & weniger als die Handlung.
Wir identifizieren den Satz “daß …”
mit der Handlung.
Er hat das getan was ich ihm befohlen
habe – Warum soll man hier nicht
von einer sagen es [h|s]ei eine Identitätch der
Handlungch & der Worte?! Wozu soll ich
mich einen Schatten zwischen die beiden stellen?
Wir haben ja eine Projektions-methode.
> <Nur ist es eine andere Identität:
Ich habe das getan was er getan hat & ich habe
>
<getan das was er befohlen hat.>
93
     

25
Ein Satz ist ein Zeichen in einem System von Zeichen. Er ist eine Zeichen-
verbindung von mehreren möglichen und im Gegensatz zu den andern möglichen.

Gleichsam eine Zeigerstellung im Gegensatz zu andern möglichen.












siehe S. 196
Wort nur im Satzzusammenhang Bedeutg..
Satz Komplex.

siehe S. 82/2 auch §23 S. 87 ff
⋎ S. 63/6
     
     Einen Satz verstehen heisst, eine Sprache verstehen.
     

     Jeder Satz einer Sprache hat nur Sinn im Gegensatz zu anderen Wortzusam-
menstellungen derselben Sprache.
     

     Wenn ein Satz nicht eine mögliche Verbindung unter anderen wäre, so
hätte er keine Funktion.
      D.h.: Wenn ein Satz eine Beschreibung nicht das Ergebnis einer Entscheidung wäre, hätte er sie
nichts zu sagen.
     
< Sprache die nur aus einem Signal besteht
das immer gegeben wird, wenn eine bestimmte
Handlung vollführt werden soll.
     Abrichten.
>
     

     Denken ist Pläne machen.
     Wenn Du Pläne machst, so machst Du ein[n|e]n Plan zum Unterschied von
//im Gegensatz zu// andern Plänen.
     

      im Gegensatz zu ist ein anderes Zeichen als im Gegensatz zu

94
     
     “Geh so      nicht so     ” hat nur Sinn, wenn es die Richtung ist, die
dem Pfeil hier wesentlich ist, und nicht, etwa nur die Länge.
     

     Man muss wissen, worauf im Zeichen man zu sehen hat. Etwa: auf welcher
Ziffer der Zeiger steht, nicht darauf, wie lange er ist.
     

     “Geh' in der Richtung, in der der Zeiger zeigt”.
     “Geh' so viele Meter in der Sekunde, als der Pfeil cm lang ist”.
     “Mach' so viele Schritte, als ich Pfeile zeichne”.
     “Zeichne diesen Pfeil nach”.
Für jeden dieser Befehle kann der Gleiche Pfeil stehen. ‒ ‒ ‒
     

     “Ich muss auf die Länge achten”. “ich muss auf die Richtung achten”, das
heisst schon: auf die Länge im Gegensatz zu anderen, etc..
     

     Wie soll ich mich nach der Uhr richten? Wie kann ich mich nach diesem
Bild richten? (Wie nach jedem andern.)
     

     Es zeigt mir jemand zum ersten Mal eine Uhr und will, dass ich mich
nach ihr richte. Ich frage nun: worauf soll ich bei diesem Ding achten.
Und er sagt: auf die Stellung der Zeiger.
     

     Natürlich, das Zeichen eines Systems bezeichnet es nur im Gegensatz zu
anderen Systemen und setzt selbst ein System voraus. (Interne Relation,
die nur besteht, wenn ihre Glieder da sind.)

⋎ S. 3/1
95
     

26
Sich vorstellen können, <>wie es wäre,<> als Kriterium dafür, dass ein Satz
Sinn hat.
     






     Was heisst es, wenn man sagt: “ich kann mir das Gegenteil davon nicht
vorstellen”, oder “wie wäre es denn, wenn's anders wäre”; z.B. wenn je-
mand gesagt hat, dass meine Vorstellungen privat seien, oder dass nur ich
selbst wissen kann, ob ich Schmerzen empfinde, und dergleichen.
     

     Wenn ich mir nicht vorstellen kann, wie es anders wäre, so kann ich
mir auch nicht vorstellen, wie es so sein kann.
     “Ich kann mir nicht vorstellen” heisst nämlich hier nicht, was es im
Satz “ich kann mir keinen Totenkopf vorstellen” heisst. Ich will damit
nicht auf eine mangelnde Vorstellungskraft deuten.
     

     ˇUeberlege: “Ich habe tatsächlich nie gesehen, dass ein schwarzer Fleck nach und
nach immer heller wird, bis er weiss ist, und dann immer [t|r]ötlicher, bis
er rot ist; aber ich weiss, dass es möglich ist, weil ich es mir vorstel-
len kann. D.h., ich operiere mit meinen Vorstellungen im Raume der Farben
und tue mit ihnen, was mit den Farben möglich wäre.” ((Siehe “Logische
Möglichkeit”.))


96
     
     Es scheint, als könnte man so etwas sagen wie: Die Wortsprache lässt un-
sinnige Ausdrücke Wortzusammenstellungen zu, die Sprache der Vorstellung aber nicht unsinnige Vor-
stellungen. (Natürlich kann das, so wie es da steht, nichts heissen.)
     

Aber so ist es nicht Also die Sprache
der Zeichnung auch nicht unsinnige
Zeichnungen; – aber so ist es nicht,
denn eine Zeichnung kann in den
selben Sinne unsinnig sein wie ein ‘Satz’
Denken wir uns eine Zeichnung nach
der Körper modelliert werden sollen
// Denken wir uns nach dann hätte z.B.
die Zeichnung eines Würfels Sinn
aber nicht die eines Sechsecks mit sei-
nen Diagonalen. Und denken wir an
das sinnlose Stück in der Zeich-
nung einer Reiseroute
Beispiel vom
Einzeichnen einer Reiseroute in die
beiden Erdprojektionen
     

     Was heisst es denn “entdecken, dass ein Satz keinen Sinn hat”? Oder fra-
gen wir so: Wie kann man denn die Unsinnigkeit eines Satzes (etwa): “die-
ser Körper ist ausgedehnt”) dadurch bekräftigen, dass man sagt: “Ich kann
mir nicht vorstellen, wie es anders wäre”?
     Denn, kann ich etwa versuchen, es mir vorzustellen? Heisst es nicht: Zu
sagen, dass ich es mir vorstelle, ist sinnlos? Wie hilft mir dann also die-
se Umformung von einem Unsinn in einen andern? – Und warum sagt man gerade:
“ich kann mir nicht vorstellen, wie es anders wäre”? und nicht –
was doch auf dasselbe hinauskommt – “ich kann mir nicht vorstellen, wie das
wäre”?
     Man erkennt scheinbar in dem unsinnigen Satz etwas, wie eine Tautologie,
zum Unterschied von einer Kontradiktion. Aber das ist ja auch falsch. – Man
sagt gleichsam: “Ja, es // er// ist ausgedehnt, aber wie könnte es denn
anders sein? also, wozu es sagen?”
     Es ist dieselbe Tendenz, die uns auf den Satz “dieser Stab hat eine be-
stimmte Länge” nicht antworten lässt “Unsinn!”, sondern “Freilich!”.
     Was ist aber der Grund (zu) dieser E Tendenz? Sie könnte auch so be-
schrieben werden: wenn wir die beiden Sätze “dieser Stab hat eine Länge”
und seine Verneinung “dieser Stab hat keine Länge” hören, so sind wir par-
teiisch und neigen dem ersten Satz zu (statt beide für Unsinn zu erklären).
     Der Grund hievon ist aber eine Verwechslung: Wir sehen den ersten Satz
verifiziert (und den zweiten falsifiziert) dadurch, “dass der Stab 4 m hat”.
Und man wird sagen: “und 4 m ist doch eine Länge” und vergisst, dass man
hier einen Satz der Grammatik hat.
     

     Warum sieht man es als Beweis dafür an, dass ein Satz Sinn hat, <:> dass ich
97
mir, was er sagt, vorstellen kann? Ich könnte sagen: Weil ich diese Vor-
stellung mit einem dem ersten verwandten Satz beschreiben müsste.
     

     Könnte ich durch eine Zeichnung darstellen, wie es ist, wenn es sich so
verhält, wenn es keinen Sinn hätte, zu sagen “es verhält sich so”?
     Zu sagen, “ich kann aufzeichnen wie es ist, wenn es sich so verhält” ist
hier eine grammatische Bestimmung über den betrachteten Satz (denn ich will
ja nicht sagen, ich könne es zeichnen, etwa weil ich zeichnen gelernt
habe u.s.w.). Wie wenn ich sagte: “ist das kein Spiel, da ich doch darin
gewinnen und verlieren kann?” – Nun, wenn das Dein Kriterium eines Spieles
ist, dann ist es ein Spiel.
     

     “Ich Weiss, dass es möglich ist, weil …” Diese Ausdrucksform ist von
Fällen hergenommen, wie: “Ich weiss, dass es möglich ist, die Tür mit die-
sem Schlüssel aufzusperren, weil ich es schon einmal getan habe”. Vermute
ich also in dem Sinn, dass dieser Farbenübergang möglich sein wird,
weil ich mir ihn vorstellen kann?! Muss es nicht vielmehr heissen: der
Satz “der Farbenübergang ist möglich” heisst dasselbe wie der: “ich kann
ihn mir vorstellen”, oder: der erste Satz folgt aus dem zweiten? – Wie ist es damit: “Das ABC lässt sich laut hersagen, weil ich
es mir im Geiste vorsagen kann”?
     “Ich kann mir vorstellen, wie es wäre”, oder – was wieder ebenso gut
ist – : “ich kann es aufzeichnen, wie es wäre, wenn p der Fall ist” gibt
eine Anwendung des Satzes. Es sagt etwas über den Kalkül, in wel-
chem wir p verwenden.
98
     

27
“Logische Möglichkeit und Unmöglichkeit”. – Das Bild des ‘Könnens’ ultra-
physisch angewandt. Aehnlich: “Das ausgeschlossene Dritte”.)
     






     Wenn man sagt, die Substanz ist unzerstörbar, so meint man, es
ist sinnlos, in irgend einem Zusammenhang – bejahend oder verneinend – von
dem “Zerstören einer Substanz” zu reden.
     

Man kann auch einen zeigen daß ein Satz metaphy-
sisch gemeint ist indem man fragt: Ist das
nun eine Erfahrungstatsache? Kannst Du
Dir denken (vorstellen) daß es anders wäre. Willst
Du sagen Substanz sei noch nie zerstört worden
oder es sei undenkbar daß sie zerstört werde
     Undenkbar
     

Seltsam daß man sollte sagen können
das & das sei undenkbar! Auch wenn
wir im Denken wesentlich eine Beglei-
tung des Ausdrucks sehen so ist sind müssen
also doch die Worte ‘das & das’ in
diesem Satz unbegleitet sein. Was soll
er also für einen Sinn haben? Es
sei denn daß er aussagen soll diese
Worte seien sinnlos. Aber dann
ist nicht quasi ihr Sinn sinnlos
sondern sie werden aus unserer Spra-
che ausgeschaltet wie irgend ein belie-
biges Geräusch & der Grund ihrer aus-
drücklichen Ausschließung kann
nur darin liegen daß wir aus irgend
einem Grunde versucht sind das Gebil-
de mit einem Satz unserer Sprache zu
verwechseln.
     

     Ich versuche etwas, kann es aber nicht. – Was heisst es aber: “etwas
nicht versuchen können”?
     “Wir können auch nicht einmal versuchen, uns ein rundes Vier-
eck vorzustellen”.
     

     Logische Möglichkeit und Sinn. Kann man fragen: “wie müssen die gramma-
tischen Regeln für die Wörter beschaffen sein, damit sie einem Satz Sinn geben”?
     

     Der Gebrauch des Satzes, das ist sein Sinn.
     

     Ich sage z.B. “auf diesem Tisch steht jetzt keine Vase, aber es könnte
eine da stehn; dagegen ist es sinnlos // unsinnig// zu sagen, der Raum
könnte vier Dimensionen haben.” Aber wenn der Satz dadurch sinnvoll wird,
dass er mit den grammatischen Regeln im Einklang ist, nun, so machen wir
99
eben die Regel, die den Satz, unser Raum habe vier Dimensionen, erlaubt.
Wohl, aber damit ist nun die Grammatik dieses Ausdrucks noch nicht festge-
legt. Nun müssen erst noch weitere Bestimmungen darüber gemacht // [v|g]etrof-
fen// werden, wie ein solcher Satz zu gebrauchen ist, wie er etwa verifi-
ziert wird.
     

     Wenn man auch den Satz als Bild des beschriebenen Sachverhalts auf-
fasst und sagt, der Satz zeige eben wie es ist, wenn er wahr wäre, er zei-
ge also die Möglichkeit des behaupteten Sachverhalts, so kann der Satz
doch bestenfalls tun, was ein gemaltes oder modelliertes Bild tut, und er
kann also jedenfalls nicht das hinstellen //erzeugen//, was nun eben [Frege]
nicht der Fall ist. Also hängt es ganz von unserer Grammatik ab, was mög-
lich genannt wird und was nicht, nämlich eben, was sie zulässt. Aber das
ist doch willkürlich! – Gewiss, aber nicht mit jedem Gebilde kann ich et-
was anfangen; d.h.: nicht jedes Spiel ist nützlich und wenn ich versucht
bin, etwas ganz Nutzloses Unnützes als Satz zuzulassen, einen Satz zu nennen, so geschieht es, weil ich
mich durch eine Analogie dazu verleiten lasse und nicht sehe, dass mir für
meinen Satz noch die wesentlichen Regeln der Anwendung fehlen. <Gewiß, aber nicht jeder Kalkül der dem,
mit gewissen unserer Erfahrungssätzen, ana-
log ist, ist irgendwie ist irgendwie von Nutzen
Nicht jedes Gebilde das in soso einem Kalkül jenen Erfahrungssätzen entspricht
werden wir Satz nennen wollen



Gewiß aber unsere [S|E]rfahrungssätze
z.B. die, welche sich durch ein gemaltes
Bild ersetzen ließen weil sie eine sicht-
bare Verteilung von Körpern beschreiben
haben eher eine bestimmte Anwendung
einen bestimmten Nutzen. Aber nicht

> So ist es
z.B., wenn man von einer unendlichen Baumreihe redet und sich fragt,
wie es denn zu verifizieren sei, dass eine Baumreihe unendlich ist, und
was etwa die Beziehung dieser Verifikation zu der des Satzes “die Baumrei-
he hat 100 Bäume” ist.

⋎145/3
100
ch
     


28
Elementarsatz.
     






     Kann ein logisches Produkt in einem Satz verborgen sein? Und wenn, wie
erfährt man das, und was für Methoden haben wir, das im Satz Verborgene
ans Tageslicht Licht zu ziehen? Haben wir noch keine sicheren Methoden, (es zu
finden,
) dann können wir auch nicht davon reden, dass etwas verborgen ist,
oder verborgen sein könnte. Und haben wir eine Methode des Suchens, so
kann das logische Produkt, etwa, , z.B., im Satz nur so verborgen sein, wie es
etwa die Teilbarkeit durch 3 in der Zahl 753 ist, solange ich das Kriterium
n[i|o]ch nicht angewandt habe, oder aber auch die √7 solange ich sie noch
nicht ausgerechnet habe
der Quotient 753 : 3 ist solange die Division noch nicht ausgeführt ist. Denn, das verborgene logische Produkt finden, ist
eine mathematische Aufgabe.
<
      Die Frage ob ein log. Produkt in einem Satz
versteckt sei ist ein mathematisches
Problem.
>
     

     Also ist Elementarsatz ein solcher, der sich in dem Kalkül, wie ich es ihn
jetzt heute benütze, nicht als Wahrheitsfunktion anderer Sätze darstellt.
     

     Die Idee, Elementarsätze zu konstruieren (wie dies z.B. Carnap ver-
sucht hat), beruht auf einer falschen Auffassung der logischen Analyse.
Sie betrachtet das Das Problem dieser Analyse als das,ˇ besteht nicht darin ist nicht: es sei eine Theorie
der Elementarsätze zu findench. Als seien Prinzipien der Mechanik zu finden. Sie lehtn lehnt sich an das an, was, in der
101
Mechanik z.B., geschieht, wenn eine Anzahl von Grundgesetzen gefunden
wird, aus denen das ganze System von Sätzen hervorgeht.
     

     Meine eigene Auffassungˇ in der log. phil. Abhandlg. war falsch: Teils,ˇ 1.) weil ich mir über den Sinn
der Worte “in einem Satz iste ein logisches Produkt versteckt
(und ähnlicher) nicht klar war, zweitens, 2.) weil auch ich dachte, die logi-
sche Analyse müsse verborgene Dinge an den Tag bringen (wie es die chemi-
sche und physikalische tut).
     

     Man kann den Satz “dieser Ort ist jetzt rot” (oder “dieser Kreis ist
jetzt rot”, etc.) einen Elemen[f|t]arsatz nennen, wenn man damit sagen will,
dass er weder eine Wahrheitsfunktion anderer Sätze ist, noch als solche de-
finiert (ist?). (Ich sehe hier von Verbindungen der Art p & (q . V . non-q) und
analogen ab.)
     Aus “a ist jetzt rot” folgt aber “a ist jetzt nicht grün” und die Ele-
mentarsätze in diesem Sinn sind also nicht von einander unabhängig, wie die
Elementarsätze in meinem seinerzeit beschriebenen Kalkül, von dem ich an-
nahm, der ganze Gebrauch der Sätze müsse sich auf ihn <…> zurückführen
lassen; – verleitet durch einen falschen Begriff von diesem “zurückführen” //von dieser Zurückführung//.
102
     


Siehe Sinn & Grammatik
     
29
“Wie ist die Möglichkeit von p in der Tatsache, dass non-p der Fall ist,
enthalten?”
“Wie enthält z.B. der schmerzlose Zustand die Möglichkeit der Schmerzen?”
     








Man scheint etwas über den Zustand der Schmerzlo-
sigkeit zu sagen wenn man sagt daß er die Möglich-
keit des Schmerzes enhalten muß. Man redet aber
nur vom System der Bilder das wir verwenden.

⋎ S. 388, 389
     
                Derˇ Über den schmerzlosen Zustandˇ sinnvoll reden setzt die Fähigkeit voraus, Schmerzen zu fühlen und das kann keine “ physiologische
Fähigkeit Disposition sein, – denn wie wüsste man sonst, wozu es die Fähigkeit ist –
sondern eine logische Möglichkeit. – Ich beschreibe meinen gegenwärtigen
Zustand durch die Anspielung auf Etwas, was nicht der Fall ist. * <* Diese Ans Das zu sagen ist irreführend, denn es ist klingt,
als sei es eine Anspielung auf einen nicht
Existierenden, während es eine Anspielung auf
einen Abwesenden ist. Aber auch das ist
irreführend.
> Wenn diese
Hinweisung zu der Beschreibung nötig ist (und nicht bloss eine Verzierung),
so muss in meinem gegenwärtigen Zustand e[g|t]was liegen, was diese Erwähnung
(Hinweisung) nötig macht. Ich vergleiche diesen Zustand mit einem anderen,
also muss er mit ihm vergleichbar sein. Er muss auch im Schmerzraum liegen,
wenn auch an einer andern Stelle. – Sonst würde mein Satz etwa heissen, mein
gegenwärtiger Zustand hat mit einem schmerzhaften nichts zu tun;
etwa, wie ich sagen würde, die Farbe dieser Rose hat mit der Eroberung Gal-
liens durch Cäsar nichts zu tun. D.h. es ist kein Zusammenhang vorhanden.
Aber ich meine gerade, dass zwischen meinem jetzigen Zustand und einem
schmerzhaften ein Zusammenhang besteht.” Ich meine nur, was ich sage.
     In wiefern ist aber Schmerzlosigkeit ein Zustand. Was nenne ich
einen “Zustand”? < Vielleicht lehrreich. Sonst U.>
103
     


      Wenn ich sage, ich habe heute Nacht nicht geträumt, so muss ich
doch wissen, wo nach dem Traum zu suchen wäre (d.h., der Satz “ich habe ge-
träumt” darf, auf die Situation angewendet, nur falsch, aber nicht unsinnig
sein.
     Ich drücke die gegenwärtige Situation durch eine Stellung – die negati-
ve – der Signalscheibe “Träume – keine Träume” aus. Ich muss sie aber trotz
ihrer negativen Stellung von andern Signalscheiben unterscheiden können. Ich
muss wissen, dass ich diese Signalscheibe in der Hand habe.

     Man könnte nun fragen: Heisst das, dass Du doch etwas gesprüt gespürt
hast, sozusagen die Andeutung eines Traums, die Dir die Stelle zum Bewusst-
sein bringt, an der ein Traum gestanden wäre?
Oder, wenn ich sage “ich habe
keine Schmerzen im Arm”, heisst das, dass ich eine Art schattenhaftes Ge-
fühl habe, welches die Stelle andeutet, in die der Schmerz eintreten würde? Aber muß ich nicht wissen wie es wäre wenn ich
Schm. hatte?

Doch offenbar, nein.

     In wiefern enthält der gegenwärtige, schmerzlose Zustand die Möglichkeit
der Schmerzen?
     Wenn einer sagt: “Damit das Wort Schmerzen Bedeutung habe, ist es notwen-
dig, dass man Schmerzen als solche erkennt, wenn sie auftreten”, so kann man
antworten: “Es ist nicht notwendiger, als dass man das Fehlen von Schmerzen
erkennt”.

      “Schmerzen” heisst sozusagen der ganze Masstab und nicht einer seiner
Teilstriche. Dass er auf einem bestimmten Teilstrich steht, ist durch einen
Satz auszudrücken.


     Man kommt nicht davon weg, daß die Benützung
des Satzes darin besteht daß man sich bei jedem Wort
etwas vorstellen muß // vorstellt//
     

     “Was wäre das für eine Frage: Könnte denn Alles nicht der Fall
sein, und nichts der – Fall – sein’? Könnte man sich einen Zustand einer
Welt denken, in dem mit Wahrheit nur negative Sätze zu sagen wären? Ist
das nicht offenbar alles Unsinn? Gibt es denn wesentlich negative und posi-
tive Zustände?” Nun, es kommt darauf an, was man ‘Zustände’ nennt.
< Die Anwendg. des Satzes ist nicht die, die eine solche Vorstellung
fordert. Immer wieder möchte man sich den Sinn eines Satzes,
also seine Anwendung Verwendung (seinen Nutzen) in dem einem Geisteszustand
des redenden konzentriert denken.
> <Man denkt nicht, daß>
<man mit ihm rechnet, operiert, ihn mit der Zeit durch dies oder jenes Bild ersetzt.>
< Sondern sein Sinn, d.i aber sein Zweck, soll in einer Art Bild liegen
die //soll in einem Zustand liegen// …
>
104
     
< Wie weiß Einer daß er nicht taub ist wenn er kein Geräusch
hört & daß er nicht innerlich taub ist, wenn er
sich keins vorstellen kann.
>
     

     Ist absolute Stille zu verwechseln mit innerer Taubheit, ich meine der
Unbekanntheit mit dem Begriff des Tones? Wenn das der Fall wäre, so könnte
man den Mangel des Gehörssinnes nicht von dem Mangel eines andern Sinnes un-
terscheiden.
     Ist das aber nicht genau dieselbe Frage wie: Ist der Mann, der jetzt
nichts Rotes um sich sieht, in derselben Lage, wie der, der unfähig ist, rot
zu sehen?
     Man kann natürlich sagen: Der Eine kann sich rot doch vorstellen, aber
das vorgestellte Rot ist ja nicht dasselbe, wie das gesehene.


     Nun, worin äussert sich denn die Fähigkeit, rot zu sehen und worin die
Bekanntschaft mit dem Begriff des Tons?

<gut darüber nachzudenken.>
Man wird sagen: Er muß wissen
was “Ton” heißt. Aber was heißt
es das zu wissen? – Ich sage “ich weiß was “rot” heißt” – Jemand
fragt: “Bist Du sicher?” – Was würde ich da tun um mich davon
zu überzeugen?
     

     Wenn ich nur etwas Schwarzes sehe und sage, es ist nicht rot, wie weiss
ich, dass ich nicht Unsinn rede, d.h. dass es rot sein kann kann, dass
es Rot gibt? Wenn nicht rot eben ein anderer Teilstrich auf dem Masstab
ist, auf dem auch schwarze einer ist. Was ist der Unterschied zwischen
“das ist nicht rot” und “das ist nicht abracadabra”? Ich muss offenbar wis-
sen,d dass “schwarz”, welches den tatsächlichen Zustand beschreibt (oder
beschreiben hilft) das ist, an dessen Stelle in der Beschreibung “rot”
steht. < vielleicht lehrreich>
     

     Das Gefühl ist, als müsste <…> non-p, um p zu verneinen, es erst in gewis-
sem Sinne wahr machen. Man fragt “was ist nicht der Fall”. Dieses muss
dargestellt werden, kann aber doch nicht so dargestellt werden, dass p wirk-
lich wahr gemacht wird.
     

     “Das Grau muss bereits im Raum von dunkler und heller vorgestellt sein,
wenn ich davon reden will, dass es dunkler [u|o]der heller werden kann.
<ˇ D.h.: es kann zum Verständnis des Satzes gehören, daß man
etwas helleres oder & dunkleres vor sich sieht & etwa sagt man sagt dann etwa:
“dieses Grau kann so oder auch so werden”.
> < vielleicht lehrreich>
     Man könnte also vielleicht auch sagen: Der Masstab muss schon angelegt
105
sein, ich kann ihn nicht – willkürlich – anlegen, ich kann nur einen Teil-
strich darauf hervorheben.

      Das kommt auf Folgendes hinaus: Wenn es um mich her vollkommen still ist,
so kann ich an diese Stille den Gehörsraum nicht willkürlich anbringen[,| (]auf-
bauen), oder nicht anbringen. D.h., es ist für mich entweder still im Gegen-
satz zu einem Laut, oder das Wort ‘still’ hat keine Bedeutung für mich. D.h.
ich kann nicht wählen zwischen innerem Gehör und innerer
Taubheit.
     Und ebenso kann ich, wenn ich [g|G]rau sehe, nicht zwischen normalem innerem
Sehen, partieller oder vollkommener Farbenblindheit wählen.”
     

     “Kann ich mir Schmerzen in der Spitze meines Nagels denken, oder in mei-
nen Ha[z|a]ren? Sind diese Schmerzen nicht ebensoˇwohl, und ebenso wenig vorstellbar,
wie die an irgend einer Stelle des Körpers, wo ich gerade keine Schmerzen
habe und mich an keine erinnere?” (Siehe: Sinn & Grammatik)
     

< v.l.>
      Sehen wir die Sache vom Standpunkt des gesunden Menschenverstandes an. Wir
sind versucht zu sagen; “ich habe jetzt in der Hand keine Schmerzen” heisst
nur etwas, wenn ich weiss, wie es ist, wenn man Schmerzen in der Hand hat.
Was heisst es, das zu wissen? Was ist unser Kriterium dafür, dass man es
weiss? Nun, ich würde sagen: “ich habe schon öfters Schmerzen gehabt”, “ich
habe öfters Schmerzen an dieser Stelle gehabt”, oder “ich habe zwar nicht
an dieser Stelle Schmerzen gehabt, aber an andern Stellen meines Kör-
pers”. Es könnte gefragt werden: worin besteht die Erinnerung an Deine ver-
gangenen Schmerzen? fühlst Du sie in einer Art schattenhafter Weise wieder?
Aber sei diese Erfahrung (des Sich-Erinnerns) wie immer, sie ist eine be-
stimmte
Erfahrung und ich nenne sie die Erinnerung “an Schmerzen, die ich
gehabt habe” und dies zeigt eben, wie ich das Wort “Schmerzen” und den Aus-
106
druck der Vergangenheit gebrauche.
     

     Die Verneinung enthält eine Art Allgemeinheit durch das Gebiet von Mög-
lichkeiten, die sie offen lässt.
     Aber freilich muss auch die Bejahung sie enthalten und nur einen andern
Gebrauch von ihr machen.
     

     Non-p schliesst p aus; was es dann zulässt, hängt von der Natur,
d.h. der Grammatik, des p ab.
// “non-p” schliesst einfach p aus. Was dann statt p der Fall sein
kann, folgt aus dem Wesen des Ausgeschlossenen.//

⋎ S. 21 Anmerkung
     
     Ist die Verneinung identisch einer
Disjunktion der ausgeschlossenen Fälle?
ˇSie ist es in manchen Fällen & in manchen
ist sie es nicht.
“Die Kom Permutation von ABC die ich sah
war nicht ACB.”
107
     


30
“Wie kann das Wort ‘nicht’ verneinen?”
Das Wort “nicht” erscheint uns wie ein Anstoss zu einer kompl<i>zierten
Tätigkeit des Verneinens.
     






Verneinen, eine ‘geistige Tatigkeit’.
Verneine etwas & beobachte was Du
tust. Du schüttelst etwa innerlich
den Kopf. Nun und was hilft nützt das? weiter?
Ist das nützlicher als ein “~” vor einem Satz
schreiben?
     

     “Wie kann das Wort ‘nicht’ verneinen?” Ja, haben wir denn abgesehen von
der Verneinung // ausser der Verneinung// durch ein Ze[z|i]chen, noch einen
Begriff von der Verneinung?
     Doch es fällt uns dabei etwas ein, wie: Hindernis, abwehrende Geste,
Ausschluss. Aber das alles (ist) doch immer in einem Zeichen verkörpert.
     

     Was ist der Unterschied zwischen: Wünschen, dass etwas geschieht und
Wünschen, dass dasselbe nicht geschieht?
     Wollte man es bildlich darstellen, man würde mit dem Bild der Handlung
etwas vornehmen: es durchstreichen, in bestimmter Weise einrahmen einzäunen, und
dergleichen. Aber das erscheint uns als eine rohe Methode des Aus-
drucks; aber ich glaube, dass jede wesentlich ebenso sein muss; in
der Wortsprache setze ich das Zeichen “nicht” in den Satz. Wie gesagt, das
scheint
Das scheint uns wie ein ein ungeschickter Behelf und man meint etwa, im Denken ge-
schieht es schon anders. Ich glaube aAber, im Denken, Erwarten, Wünschen,
geschieht es ganz ebenso. Sonst würde ja auch die Diskrepanz zwischen dem
Denken und dem Sprechen der Sprache – in dem wir der wir ja doch doch denken – unerträglich sein.
108
     
     Noch einmal, der Ausdruck der Verneinung, den wir gebrauchen, wenn wir
uns irgendeiner Sprache Schrift bedienen, erscheint uns primitiv; als gä-
be es einen richtigeren, der mir nur in den rohen Verhältnissen dieser
Sprache Ausdrucksform nicht zur Verfügung steht.
     

     Dieses Primitive der Ausdrucksform, das uns bei der Verneinung aufge-
fallen ist, haben wir schon früher auch anderwärts begegnet; wenn man nämlich etwa einem
Menschen begreiflich machen will, dass er einen gewissen Weg gehen soll, so
kann man ihm den Weg aufzeichen, und hierin mit beliebig weitgehender Ge-
nauigkeit verfahren. Die Andeutung jedoch, die ihm verständlich machen
soll, dass er den Weg gehen soll, ist wieder von der primitiven Art, die
man gerne verbessern möchte.
     

     “Was hil[c|f]t es, dass als Negationszeichen nur ein Haken vor dem Satz p
steht, ich muss ja doch die ganze Negation denken”.
     

     “Das Zeichen ‘non nicht’ deutet an, Du sollst das, was ˇ darauf folgt, negativ auf[c|f]as-
sen,..

     Es deutet an, heisst aber, dass das ˇdieses Zeichen der Verneinung nicht der letzte sprachliche Aus-
druck ist[.|;] Ddass das nicht das Bild des Gedankens ist. Dass mehr in der Ne-
gation ist, als das.
     

     Ich Man möchte sagen: die ˇdas Zeichen der Verneinung ist nurr eine Veranlassung um etwas
viel Komplexeres Komplizierteres ˇ//sehr Kompliziertes// zu tun; aber was? si Lässt sich die Frage nicht beantwor-
ten (und das eine Symbol der Negation durch ein anderes zu ersetzen, ist
keine Antwort)
, so ist sie unsinnig, und dann ist es auch jener erste Satz.
     Es ist, als veranlasste uns das Zeichen der Negation zu etwas; aber was, wozu?
das wird scheinbar nicht gesagt. Es ist, als brauchte es nur angedeutet
werden; als wüssten wir es schon. ?–Als wäre eine Erklärung jetzt unnötig, da
wir die Sache ohnehin schon kennen.–?
⋎ S 3/2
109
     
     Gäbe es eine explizitere Ausdrucksweise der Negation, so müsste sie
sich doch in/die andere abbilden lassen und könnte darum nicht von anderer
Multiplizität sein.
     

     Nun wäre aber die Frage: wie zeigt sich das uns bekannte Spezifische
der Negation in den Regeln, die vom Negationszeichen gelten //handeln//.
Dass z.B. ein gezeichneter Plan eines Weges ein Bild des Weges ist, ver-
stehen wir ohne weiteres; wo sich der gezeichnete Strich nach links biegt,
biegt sich auch der Weg nach links, etc. etc.. Dass aber das Zeichen “nicht”
den Plan ausschliesst, sehen wir nicht. Eher noch, wenn wir etwas ausge-
schlossenes mit einem Strich umfahren, gleichsam abzäumen. Aber so könnte
man ja das “non” als eine Tafel auffassen “Verbotener Weg”.
     Denken wir aber daran, wie jemandem wirklich die Bedeutung so einer Ta-
fel gelehrt würde. Man würde ihn etwa zurückhalten, den Weg zu gehen.
     


     < überlegen> “Ich sage doch diese Worte nicht bloss, sondern ich meine auch etwas mit
ihnen”. Wenn ich z.B. sage “Du darfst nicht herein[i|k]ommen”, so ist es der
natürliche Akt, zur Begleitung dieser Worte, mich vor die Tür zu stellen
und sie zuzuhalten. Aber es wäre nicht so offenbar naturgemäss, wenn ich
sie ihm bei diesen Worten öffnen würde. Diese Worte haben, wie sie hier
verstanden werden, offenbar etwas mit jenem Akt zu tun.
     Der Akt ist sozusagen eine Illustration zu ihnen – müsste als Sprache
aufgefasst werden können. Andrerseits ist er aber auch der Akt, den ich
abgesehen von jedem Symbolismus aus meiner Natur tun will. tue.
     

     Wie ist es aber mit diesem Gedanken: Wenn “non-p” ein Bild sein soll,
wäre, was es bedeutet, nicht am besten dadurch darzustellen, dass das im
Zeichen nicht der Fall ist, wasˇ, wenn es der Fall wäre, darstellen würde, dass p der Fall
ist. Es ist aber klar, dass so ein Symbolismus nicht funktioniert.
      Es ist dafür keine Erklärung, zu sagen (was ich einmal sagte), ein sol-
110
cher negativer Symbolismus ginge schon, <
      Wäre es da nicht am natürlichsten, wenn
es das Gegenteil von p durch das Gegenteil
des Zeichens von “p” darstellte. Man würde
dann, daß zwei Menschen nicht miteinander
kämpfen dadurch darstellen abbilden daß man sie
abbildete wie sie nicht miteinder kämpfe[n|nd]. abbildete. darst
Ich sagte einmal, ein solcher negativer
Symbolismus wäre schon möglich ……
> er sei nur darum nicht zu gebrau-
chen, weil man aus ihm nicht erfahren könne, was verneint sei. Dann
ist er eben kein Symbolismus der Negation, wenn er uns nicht das Nötige
mitteilt. [u|U]nd dann fehlt es ihm am Wesentlichen.
     Es hat ja seinen Grund, warum in gewissen Fällen der negative Symbolis-
mus funktioniert und z.B. keine Antwort auch eine Antwort ist. In diesen
Fällen ist eben der Sinn des Schweigens eindeutig bestimmt.
     


      Würde man es ein Porträt nennen? Es wird eine andere Art Porträt entworfen, durch ein Bild, was zeigen
soll, wie es sich nicht verhält, als durch eines, was zeigt wie es sich
verhält.
     

     Die Farbangabe, dass etwas nicht rot ist, ist von anderer Art als die,
dass etwas rot (oder blau) ist. D.h. sie ist nicht in dem gleichen Sinn
eine Farbangabe.
     

     Dagegen Aber es kann die Negation eines Satzes eine Angabe gleicher Art
sein, wie der negierte Satz.
     

     “Ich brauche im negativen Satz das intakte Bild des positiven Satzes.”
     

     “Ich kann ein Bild davon zeichnen, wie Zwei miteinander fechten; aber
doch nicht davon, wie Zwei miteinander nicht fechten (d.h. nicht ein Bild,
das bloss dies darstellt).
     ‘Sie fechten nicht miteinander’ heisst nicht, dass davon nicht die Rede
ist, sondern, es ist eben davon die Rede und wird (nur?) ausgeschlossen”.
     

     Die Idee der Negation ist nur in einer Zeichenerklärung verkörpert und
soweit wir eine solche Idee besitzen, besitzen wir sie nur in der Form so
111
einer Er[l|k]lärung. Denn wenn man fragen kann “was meinst Du damit //mit
diesem Zeichen//”, so ist die Antwort nur eine Zeichenerklärung (irgendei-
ner Art).

     Den Begriff der Negation // Verneinung// besitzen wir nur in einem Sym-
bolismus. Und darum kann man nicht sagen: “auf die und die Art kann man die
Negation nicht darstellen, weil diese Art nicht eindeutig wäre” – als han-
delte es sich um die Beschreibung eines Gegenstandes, die nicht eindeutig
gegeben worden wäre. Wenn der Symbolismus nicht erkennen lässt, was ver-
neint wurde, so verneint er nicht; wie ein Schachbrett ohne Felder kein
schlechtes, d.h. unpraktisches Schachbrett ist, sondern keins. Und wenn ich
glaubte, auf // mit// einem Brett ohne Felder Schach spielen zu können, so
habe ich das Spiel einfach missverstanden und werde etwa jetzt darauf auf das Miss-
verständnis
auf-
merksam gemacht.
     Ein Symbolismus, der die Negation “nicht darstellen kann”, ist kein Sym-
bolismus der Negation.
     

     Ich glaube, ein Teil der Schwierigkeit rührt vom Gebrauch der Wörter
“ja” und “nein” her (auch “wahr” und “falsch”). Diese beiden lassen es so
erscheinen, als wäre ein Satz und sein Gegenteil im Verhältnis zweier Pole
zueinander oder zweier entgegengesetzter Richtungen. Während schon, dass
non-non-p = p ist, eine doppelte Bejahung aber keine Verneinung ist, zei-
gen kann, dass dieses Bild falsch ist.
     

     Wenn gefragt würde: ist die Negation //Verneinung// in der Mathematik,
etwa in non(2 + 2 = 5), die gleiche, wie die nicht-mathematischer Sätze? so
müsste erst bestimmt werden, was als Charakteristikum der //dieser // Ver-
neinung als solcher aufzufassen ist. Die Bedeutung eines Zeichens liegt ja
in den Regeln, nach denen es verwendet wird //in den Regeln, die seinen
Gebrauch vorschreiben//. Welche dieser Regeln machen das Zeichen “non”
112
zur Verneinung? Denn es ist klar, dass gewisse Regeln, die sich auf “non”
beziehen, für beide Fälle die gleichen sind; z.B. non-non-p = p. Man könnte
ja auch fragen: ist die Verneinung eines Satzes “ich sehe einen roten
Fleck” die gleiche, wie die von “die Erde bewegt sich in einer Elipse um
die Sonne”; und die Antwort müsste auch sein: Wie hast Du “Verneinung” de-
finiert, durch welche Klasse von Regeln? – daraus wird sich ergeben, ob
wir in beiden Fällen “die gleiche Verneinung” haben. Wenn die Logik allge-
mein von der Verneinung redet, oder einen Kalkül mit ihr treibt, so ist die Bedeutung des Verneinungszeichens nicht weiter festgelegt, als die Re-
geln <…> seines Kalküls. Wir dürfen hier nicht vergessen, dass ein Wort
seine Bedeutung nicht als etwas, ihm ein für allemal verliehenes, mit sich
herumträgt, sodass wir sicher sind, wenn wir nach dieser Flasche greifen,
auch die bestimmte Flüssigkeit, etwa Spiritus, zu erwischen. //… auch
die bestimmte Flüssigkeit, z.B. Spiritus, in der Hand zu halten.//
⋎Siehe S. 106 letzter Satz
113
     


31
Ist die Zeit den Sätzen wesentlich?
Vergleich von: Zeit und Wahrheitsfunktionen.
     







     Landsch Tritt die Zeit in ein Landschaftsbild ein?
oder in ein Stilleben?
     Literatur die aus Landschaftsschilderungen
besteht.
     

     Die Grammatik, wenn sie in der Form eines Buches [a|u]ns vorläge, bestün-
de nicht aus einer Reihe bloss nebengeordneter Artikel, sondern würde
eine andere Struktur zeigen. Und in dieser müsste man – wenn ich Recht
habe – auch den Unterschied zwischen Phänomenologischem und Nicht-Phäno-
menologischem sehen. Es wäre da etwa ein Kapitel von den Farben, worin
der Gebrauch der Farbwörter geregelt wäre; aber dem vergleichbar wäre
nicht, was über die Wörter “nicht”, “oder”, etc. (die “logischen Konstan-
ten”) in der Grammatik gesagt würde.
     Es würde z.B. aus den Regeln hervorgehen, dass diese letzteren Wörter
in? jedem Satz anzuwenden seien (nicht aber die Farbwörter). Und dieses
“jedem” hätte nicht den Charakter einer erfahrungsmässigen Allgemein-
heit; sondern der inappellablen Allgemeinheit einer obersten Spielregel.
Es scheint mir ähnlich, wie das Schachspiel wohl ohne gewisse Figuren
zu spielen (oder doch fortzusetzen) ist, aber nie ohne das Schachbrett.
[Das ist nicht wahr, man könnte ganz gut mit einem Teil des Brettes
auskommen.]
     

     Wie offenbart sich die Zeitlichkeit der Tatsachen, wie drückt sie
sich aus, als dadurch, dass gewisse Ausdrücke Wendungen in unsern Sätzen vorkommen
114
müssen. D.h.: Wie drückt sich die Zeitlichkeit der Tatsachen aus, als grammatisch?
“Zeitlichkeit” damit ist nicht gemeint daß ich
um 5 h komme
sondern daß ich irgendwann komme d.h. daß mein Satz die Struktur hat, die er hat.
     

     Woher – möchte ich fragen – die
ganz allgemeine Zeitlichkeit die Allgemeinheit der Zeitlichkeit
der Sätze Erfahrungssätze?
     

<      Konnte man auch so fragen:
“Woher Wie kommt es daß man alle
Erfahrungstatsachen mit dem was
eine Uhr zeigt in Verbindung bringen
kann?”?
>
     

< Lehrreich>
     Negation und Disjunktion, möchten wir sagen, hat mit dem Wesen des Sat-
zes zu tun, die Zeit aber nicht, sondern mit seinem Inhalt.
     Wie aber kann es sich in der Grammatik zeigen, dass Etwas mit dem Wesen
des Satzes zusammenhängt und etwas anderes nicht, wenn sie beide gleich
allgemein sind?
     Oder sollte ich sagen, die geringere Allgemeinheit wäre auf seiten der
Zeit, da die mathematischen Sätze negiert und disjungiert werden können,
aber nicht zeitlich sind? Ein Zusammenhang ist wohl da, wenn auch diese
Form, die Sache darzustellen, irreführend ist.
      Das zeigt eben was ich unter “Satz” oder dem “Wesen des
Satzes” verstehe.
     

     Wie unterscheidet die Grammatik zwischen Satzform und Inhalt? Denn dies
soll ja ein grammatikalischer Unterschied sein. Wie sollte man ihn be-
schreiben können, wenn ihn die Grammatik nicht ezeigt?
     

[Zu § 18]

     Was hat es mit dem Schema “Es verhält sich so und so” für eine Bewandt-
nis? Man könnte sagen, das “Es verhält sich” ist die Handhabe für den An-
griff der Wahrheitsfunktionen. der Angriff für die Wahrheitsf..
     “Es verhält sich” ist also nur ein Ausdruck aus einer Notation der Wahr-
heitsfu[t|n]ktionen. Ein Ausdruck, der uns zeigt, welcher Teil der Grammatik
hier in Funktion tritt.

     

     ?–Jene Zweifache Art der Allgemeinheit wäre so seltsam–?, wie wenn von zwei
Regeln eines Spiels, die beide gleich ausnahmslos gelten, die eine als die
fundamentalere angesprochen würde. Als könnte man also fragen // darüber
reden
//, ob der König oder das Schachbrett für das Schachspiel essentiel-
ler wäre. Welches von beiden das Wesentlichere, welches das Zufälligere
wäre.
115
     
     Zum mindesten scheint eine Frage berechtigt: Wenn ich die Grammatik
aufgeschrieben hätte und die verschiedenen Kapitel, über die Farbwörter,
etc. etc. der Reihe nach da sün stünden, wie Regeln über alle die Figuren
des Schachspiels, wie wüsste ich dann, dass dies nun alle Kapitel
sind? Und wenn sich nun in allen vorhandenen Kapiteln eine gemeinsame Ei-
gentümlichkeit findet, so haben wir es hier scheinbar mit einer logischen
Allgemeinheit, aber keiner wesentlichen, d.h. voraussehbaren Allgemein-
heit, zu tun. Man kann aber doch nicht sagen, dass die Tatsache, dass das Schachspiel mit 16 Figuren gespielt wird, ihm weniger wesentlich ist, als,
dass es auf dem Schachbrett gespielt wird.
     

     Da Zeit und Wahrheitsfunktionen so verschieden schmecken und da sie ihr
Wesen allein und ganz in der Grammatik offenbaren, so muss die Grammatik
den verschiedenen Geschmack erklären.
     Das eine schmeckt nach Inhalt, das andere nach Darstellungsform.
     Sie schmecken so verschieden, wie der Plan und der Strich durch den
Plan.
     

     Es kommt mir so vor, als wäre die Gegenwart, wie sie in dem Satz “der
Himmel ist blau” steht (wenn dieser Satz nicht-hypothetisch gemeint ist),
keine Form der Zeit. Als ob also die Gegenwart in diesem Sinne un-
zeitlich wäre.
     

     Es ist merkwürdig, dass die Zeit, von der ich hier rede, nicht die im
physikalischen Sinne ist. Es handelt sich hier nicht um eine Zeitmessung.
Und es ist verdächtig, dass etwas, was mit einer solchen Messung nichts
zu tun hat, in den Sätzen eine ähnliche Rolle spielen soll, wie die physi-
kalische Zeit in den Hypothesen der Physik.

116
     
< überlege>
     Diskutiere:
     Der Unterschied zwischen der Logik des Inhalts und der Logik der Satz-
form überhaupt. Das eine erscheint gleichsam bunt, das andere matt. Das
eine scheint von dem zu handeln, was das Bild darstellt, das andere, wie
der Rahmen des Bildes ein Charakteristi[u|k]um der Bildform zu sein.
     

< uberlegen>
     Dass alle Sätze die Zeit in irgend einer Weise enthalten, scheint uns
zufällig, im Vergleich damit, dass auf alle Sätze die Wahrheitsfunktionen
anwendbar sind.
     Das scheint mit ihrem Wesen als Sätzen zusammenzuhängen, das andere mit
dem Wesen der vorgefundenen Realität.
     

     Ein Satz kann in sehr ver-
schiedenem Sinne die Zeit
enthalten.
      Ich habe Zahnschmerzen!
     Du tust mir weh!
     Es ist herrliches Wetter draußen.
     Der Inn fließt in die Donau.
     Wasser gefriert bei 0˚.
Ich verschreibe mich oft.
Vor einiger Zeit …
Ich hoffe er wird kommen.
Um 5 Uhr …
Diese Stahlsorte ist sehr gut.
Unsere Erde war einmal ein Gasball
117
     



32
Wesen der Hypothese.
     






     Eine Hypothese könnte man offenbar durch Bilder erklären. Ich meine,
man könnte z.B. die Hypothese “hier liegt ein Buch” durch Bilder erklären,
die das Buch im Grundriss, Aufriss und verschiedenen Schnitten zeigen.
     

     Eine solche Darstellung gibt ein Gesetz. Wie die Gleichung einer
Kurve ein Gesetz gibt, nach der die Ord[n|i]natenabschnitte aufzufinden sind,
wenn man in verschiedenen Abszissen schneidet.
     Die fallweisen Verifikationen entsprechen dann solchen wirklich ausge-
führten Schnitten.
     Wenn unsere Erfahru[g|n]gen die Punkte auf einer Geraden ergeben, so ist
der Satz, dass diese Erfahrungen die verschiedenen Ansichten einer Geraden
sind, eine Hypothese.
     Die Hypothese ist eine Art der Darstellung dieser Realität, denn eine
neue Erfahrung kann mit ihr übereinstimmen oder nicht-übereinstimmen, bezw.
eine Aenderung der Hypothese nötig machen.
     

     Drücken wir z.B. den Satz, dass eine Kugel sich in einer bestimmten
Entfernung von unseren Augen befindet, mit Hilfe eines Koordinatensystems
118
und der Kugelgleichung aus, so hat diese Beschreibung eine grössere Man-
nigfaltigkeit, als die einer Verifikation durch das Auge. Jene Mannigfal-
tigkeit entspricht nicht einer Verifikation, sondern einem Ge-
setz
, welchem Verifikationen gehorchen.
     

     Eine Hypothese ist ein Gesetz zur Bildung von Sätzen.
     Man könnte auch sagen: Eine Hypothese ist ein Gesetz zur Bildung von Erwartungen.
     Ein Satz ist sozusagen ein Schnitt durch eine Hypothese in einem be-
stimmten Ort.
     

     Nach meinem Prinzip müssen die beiden Annahmen ihrem Sinne nach iden-
tisch sein, wenn alle mögliche Erfahrung, die die eine bestätigt,
auch die andere bestätigt. Wenn also keine Entscheidung zwischen durch die
Erfahrung denkbar ist.
     

     Darstellung einer Linie als Gerade mit Abweichungen. Die Gleichung der
Linie enthält einen Parameter, dessen Verlauf die Abweichungen von der Ge-
raden ausdrückt. Es ist nicht wes[r|e]ntlich, dass diese Abweichungen “gering”
seien. Sie können so gross sein, dass die Linie einer Geraden nicht ähnlich
sieht. Die “Gerade mit Abweichungen” ist nur eine Form der Beschreibung. Sie
erleichtert es mir, einen bestimmten Teil der Beschreibung auszuschalten, zu vernachlässigen, wenn ich will. (Die Form “Regel mit Ausnahmen”.)
     

     Was hei[w|s]st es, sicher zu sein, dass man Zahnschmerzen haben wird.
(Kann man nicht sicher sein, dann erlaubt es die Grammatik nicht, das
Wort “sicher” in dieser Verbindung zu gebrauchen.)
     Grammatik des Wortes “sicher sein”.

119
     
     Man sagt: “Wenn ich sage, dass ich einen Sessel dort sehe, so sage ich
mehr, als ich sicher weiss”. Und nun heisst es meistens: “Aber eines
weiss ich doch sicher”. Wenn man aber nun sagen will, was das ist, so
kommt man in eine gewisse Verlegenheit.
     “Ich sehe etwas Braunes, – das ist sicher”; damit will man ei-
gentlich
sagen, dass die braune Farbe gesehen, und nicht vielleicht auch
nur bloss vermutet ist (wie etwa in dem Fall, wo ich es sie aus gewissen anderen An-
zeichen vermute). //…und nicht vielleicht auch bloss aus anderen Anzei-
chen vermutet ist.// Und man sagt ja auch einfach: “Etwas Braunes sehe
ich”.
     

     Wenn mir gesagt wird: “Sieh in dieses Fernrohr und zeichne mir auf, was
Du siehst”, so ist, was ich zeichne, der Ausdruck eines Satzes, nicht ei-
ner Hypothese.
     

     Wenn ich sage “hier steht ein Sessel”, so ist damit – wie man sagt –
“mehr” gemeint, als die Beschreibung dessen, was ich wahrnehme. Und das
kann nur heissen, dass dieser Satz nicht wahr sein muss, auch wenn die Be-
[w|s]chreibung des Gesehenen stimmt. Unter welchen [u|U]mständen werde ich nun sa-
gen, dass jener Satz nicht wahr war? Offenbar: wenn gewisse andere Sätze
nicht wahr sind, die in dem ersten mit beinhaltet waren. Aber es ist nicht
so, als ob nun der erste ein logisches Produkt gewesen wäre.
     

     Das beste Gleichnis für jede Hypothese, und selbst ein Beispiel, ist
ein Körper mit seinen nach einer bestimmten Regel konstruierten Ansichten
aus den verschiedenen Punkten des Raumes.
     

     Der Vorgang einer Erkenntnis in einer wissenschaftlichen Untersuchung
(in der Experimentalphysik etwa) ist freilich nicht der einer Erkenntnis
im Leben ausserhalb dem des // Laboratoriums; aber er ist ein ähnli-

120
cher und kann, neben den andern gestellt // gehalten//, diesen be-
leuchten.
     

     Es ist ein wesentlicher Unterschied zwischen Sätzen wie “das ist ein
Löwe”, “die Sonne ist grösser als die Erde”, die alle ein “dieses”, “jetzt”,
“hier” enthalten und also an die Realität unmittelbar anknüpfen, und Sät-
zen wie “Menschen haben zwei Hände” etc. Denn, wenn zu[a|f]ällig keine Menschen
in meiner Umgebung wären, wie wollte ich diesen Satz kontrollieren?
     

     Es werden immer Fassetten der Hypothese verifiziert.
     

     Ist es nun nicht etwa so, dass das, was die Hypothese erklärt, selbst
nur wieder durch eine Hypothese ausdrückbar ist. Das heisst natürlich: gibt
es überhaupt primäre Sätze; die also endgültig verifizierbar sind, und
nicht die Fassetten einer Hypothese sind? (Das ist etwa, als würde man fra-
gen “gibt es Flächen, die nicht Oberflächen von Körpern sind?”)
     

     Es kann jedenfalls kein Unterschied sein zwischen einer Hypothese, als
Ausdruck einer unmittelbaren Erfahrung gebraucht, und einem Satz im engeren
Sinne.
     

     Es ist ein Unterschied zwischen einem Satz wie “hier liegt eine Kugel
vor mir” und “es schaut so aus, als läge eine Kugel vor mir”. – Das zeigt
sich auch so: man kann sagen “es scheint eine Kugel vor mir zu liegen”,
aber es ist sinnloss zu sagen: “es schaut so aus, als schiene eine Kugel
hier zu liegen”. Wie man auch sagen kann “hier liegt wahrscheinlich eine
Kugel”, aber nicht “wahrscheinlich scheint hier eine Kugel zu liegen”. Man
würde in so einem Falle sagen: “ob es scheint, musst Du doch wissen”.
121
     

     In dem, was den Satz mit der gegebenen Tatsache verbindet, ist nichts
Hypothetisches.
     

     Es ist doch klar, dass eine Hypothese von der Wirklichkeit – ich meine
von der unmittelbaren Erfahrung – einmal mit ja, einmal mit nein beantwor-
tet wird; (wobei freilich das “ja” und “nein” hier nur Bestätigung und Feh-
len der Bestätigung
ausdrückt) und dass man dieser Bejahung und Verneinung
Ausdruck verleihen kann.
     

     Die Hypothese wird, mit der Fassette an die Realität angelegt, zum
Satz.
     

     Ob der Körper, den ich sehe, eine Kugel ist, kann zweifelhaft sein, aber,
dass er von hier etwa eine [M|K]ugel zu sein scheint, kann nicht zweifelhaft
sein. – Der Mechanismus der Hypothese würde nicht funktionieren, wenn der
Schein noch zweifelhaft wäre; wenn also auch nicht eine Fassette der Hypo-
these unzweifelhaft verifiziert würde. Wenn es hier Zweifel gäbe, was könn-
te den Zweifel heben? Wenn auch diese Verbindung locker wäre, so gäbe es
auch nicht Bestätigung einer Hypothese, die Hypothese hinge dann gänzlich
in der Luft und wäre zwecklos (und damit sinnlos).
     

     Wenn ich sagte “ich sah einen Sessel”; so widerspricht dem (in einem
Sinne) nicht der Satz “es war keiner da”. Denn den ersten Satz würde ich
auch in der Beschreibung eines Traums verwenden und niemand würde mir dann
mit den Worten des zweiten widersprechen. Aber die Beschreibung des Traums
mit jenen Worten wirft ein Licht auf den Sinn der Worte “ich sah”.
     In dem Satz “es war ja keiner da” kann das “da” übrigens verschiedene
Bedeutung haben.
122
haben.
     



     Ich stimme mit den Anschauungen m neuerer Physiker überein, wenn sie sa-
gen, dass die Zeichen in ihren Gleichungen keine “Bedeutungen” mehr haben,
und dass die Physik zu keinen solchen Bedeutungen gelangen könne, sondern
bei den Zeichen stehen bleiben müsse: sie sehen nämlich nicht, dass diese
Zeichen insofern Bedeutung haben – und nur insofern – als ihnen, auf welchen
Umwegen immer, das beobachtete Phänomen entspricht, oder nicht</>entspricht.
     

     Denken wir uns, dass das Schachspiel nicht als Brettspiel erfunden worden
wäre, sondern als Spiel, das mit Ziffern und Buchstaben auf Papier zu spie-
len ist und so, dass sich niemand dabei ein Qu[d|a]drat mit 64 Feldern etc. vor-
gestellt hätte. Nun aber hätte jemand die Entdeckung gemacht, dass dieses
Spiel ganz einem entspricht, das man auf einem Brett in der und der Weise
spielen könnte. Diese Erfindung wäre eine grosse Erleichterung des Spiels
gewesen (Leute, denen es früher zu schwer gewesen wäre, könnten es nun spie-
len). Aber es ist klar, dass diese neue Illustration der Spielregeln nur
ein neuer, leichter übersehbarer, Symbolismus wäre, der übrigens mit dem Ge-
schriebenen auf gleicher Stufe stünde. Vergleiche nun damit das Gerede da-
rüber, dass die Physik heute nicht mehr mit mechanischen Modellen, sondern
“nur mit Symbolen” arbeitet.













123
     



33
Wahrscheinlichkeit.
     






     Die Wahrscheinlichkeit einer Hypothese hat ihr Mass darin, wieviel Evi-
denz nötig ist, um es vorteilhaft zu machen, sie umzustossen.
     Nur in diesem Sinne kann man sagen, dass wiederholte gleichförmige Erfah-
rung in der Vergangenheit das Andauern dieser Gleichförmigkeit in der Zu-
kunft wahrscheinlich macht.
     Wenn ich nun in diesem Sinne sage: Ich nehme an, dass morgen die Sonne
wieder aufgehen wird, weil das Gegenteil zu unwahrscheinlich ist, so meine
ich hier mit “wahrscheinlich” oder “unwahrscheinlich” etwas ganz Anderes,
als mit diesen Worten im Satz “es ist gleich wahrscheinlich, dass ich Kopf
oder [D|A]dler werfe” gemeint ist. Die beiden Bedeutungen des Wortes “wahr-
scheinlich” stehen zwar in einem gewissen Zusammenhang, aber sie sind nicht
identisch.
     

     Man gibt die Hypothese nur um einen immer höheren Preis auf.
     

     Die Induktion ist ein Vorgang nach einem ökonomischen Prinzip.

124
     

     Die Frage der Einfachheit der Darstellung durch eine bestimmte angenom-
mene Hypothese hängt, glaube ich, unmittelbar mit der Frage der Wahrschein-
lichkeit zusammen.
     

     Man kann einen Teil einer Hypothese vergleichen mit der Bewegung eines
Teils eines Getriebes, einer Bewegung, die man festlegen kann, ohne da-
durch die bezweckte Bewegung zu präjudizieren. Wohl aber hat man dann das
übrige Getriebe auf eine bestimmte Art einzurichten, dass es die gewünschte
Bewegung hervorbringt. Ich denke an ein Differentialgetriebe. – Habe ich
 
 
die Entscheidung getroffen, dass von einem gewissen
Teil meiner Hypothese nicht abgewichen werden soll,
was immer die zu beschreibende Erfahrung sei, so ha-
be ich eine Darstellungsweise festgelegt und jener
Teil der Hypothese ist nun ein Postulat. Ein Postu-
lat muss von solcher Art sein, dass keine denkbare
Erfahrung es widerlegen kann, wann es auch äusserst
unbequem sein mag, an dem Postulat festzuhalten. In
dem Masse, wie man hier von einer grösseren oder geringeren Bequemlichkeit
reden kann, gibt es eine grössere oder geringere Wahrscheinlichkeit des
Postulats.
     

     Von einem Mass dieser Wahrscheinlichkeit zu reden, ist nun <…> vor der Hand
sinnlos. Es verhält sich hier ähnlich, wie im Falle, etwa, zweier Zahlen-
arten, wo wir mit einem gewissen Recht sagen können, die eine sei der an-
dern ähnlicher (stehe ihr näher) als einer dritten, ein zahlenmässiges Mass
der Aehnlichkeit aber nicht existiert. Man könnte sich natürlich auch in
solchen Fällen ein Mass konstruiert denken, indem man etwa die Postulate
125
oder Axiome zählt, die beide Systeme gemein haben, etc. etc..
     

     Ich gebe jemandem die Information undd nur diese: Du wirst um die und
die Zeit auf der Strecke A B einen Lichtpunkt erscheinen sehen. Hat nun die
Frage einen Sinn, “ist es wahrscheinlicher,
 
 
dass dieser Punkt im In[v|t]erval A C erscheint,
als in C B”? Ich glaube, offenbar nein. – Ich kann freilich bestimmen, dass
die Wahrscheinlichkeit, dass das Ereignis in C B eintritt, sich zu der, dass
es in A C eintritt, verhalten soll, wie CB/AC, aber das ist eine Bestim-
mung, zu der ich empirische Gründe haben kann, aber a priori ist darüber
nichts zu sagen. Die beobachtete Verteilung von Ereignissen kann nicht zu
dieser Annahme führen. Die Wahrscheinlichkeit, wo unendlich viele Möglich-
keiten in Betracht kommen, muss natürlich als Limes betrachtet werden. Tei-
le ich nämlich die Strecke A B in beliebig viele, beliebig ungleiche Teile
und betrachte die Wahrscheinlichkeiten, dass das Ereignis in irgend einem
dieser Teile stattfindet, als untereinander gleich, so haben wir sofort den
einfachen Fall des Würfels vor uns. Und nun kann ich ein Gesetz – willkür-
lich – aufstellen, wonach Teile gleicher Wahrscheinlichkeit gebildet werden
sollen. Z.B., das Gesetz, dass gleiche Länge der Teile gleiche Wahrschein-
lichkeit bedingt,. Aber auch jedes andere Gesetz ist gleichermassen erlaubt.
     Könnte ich nicht auch im Fall des Würfels etwa 5 Flächen zusammennehmen
als eine Möglichkeit und sie der sechsten als der zweiten Möglichkeit ge-
genüberstellen? Und was, ausser der Erfahrung, kann mich hindern, diese b[d|e]i-
den Möglichkeiten als gleich wahrscheinlich zu betrachten?
     Denken wir uns etwa einen roten Ball geworfen, der nur eine ganz kleine
grüne Calotte hat. Ist es in diesem Fall nicht viel wahrscheinlicher, dass
er auf dem roten Teil auffällt, als auf dem grünen? – Wie würde man aber
diesen Satz begründen? Wohl dadurch, dass der Ball, wenn man ihn wirft, viel
öfter auf die rote, als auf die grüne Fläche auffällt. Aber das hat nichts
126
mit der Logik zu tun. – Man könnte die rote und grüne Fläche und die Er-
eignisse, die auf ihnen stattfinden, immer auf solche Art auf eine Fläche
projizieren, dass die Projektion der grünen Fläche gleich oder grösser wäre
als die der roten; so, dass die Ereignisse, in dieser Projektion betrach-
tet, ein ganz anderes Wahrscheinlichkeitsverhältnis zu haben scheinen, als
auf der ursprünglichen Fläche. Wenn ich z.B. die Ereignisse in einem geeig-
neten gekrümmten Spiegel sich abbilden lasse und mir nun denke, was ich für
das wahrscheinlichere Ereignis gehalten hätte, wenn ich nur das Bild im
Spiegel sehe.
     Dasjenige, was der Spiegel nicht verändern kann, ist die Anzahl bestimmt
umrissener Möglichkeiten. Wenn ich also auf meinem Ball n Farbenflecke ha-
be, so zeigt der Spiegel auch n, und habe ich bestimmt, dass die-
se als gleich wahrscheinlich gelten sollen, so kann ich diese Bestimmung
auch für das Spiegelbild aufrecht erhalten.
     Um mich noch deutlicher zu machen: Wenn ich das Experiment im Hohlspie-
gel ausführe, d.h. die Beobachtungen im Hohlspiegel mache, so
wird es vielleicht scheinen, als fiele der Ball öfter auf die kleine Fläche, als auf die viel grössere und es ist klar, dass keinem der Experimente
– im Hohlspiegel und ausserhalb – ein Vorzug gebührt.
     


     Wir können unser altes Prinzip auf die Sätze, die eine Wahrscheinlich-
keit ausdrücken, anwenden und sagen, dass wir ihren Sinn erkennen werden,
wenn wir bedenken, was sie verifiziert.
     Wenn ich sage “das wird wahrscheinlich eintreffen”, wird dieser Satz
durch das Eintreffen ver[f|i]fiziert, oder durch das Nichteintreffen falsifi-
ziert? Ich glaube, offenbar nein. Dann sagt er <…> auch nichts darüber
aus. Denn, wenn ein Strei[e|t] darüber entstünde, ob es wahrscheinlich ist oder
127
nicht, so würden immer nur Argumente aus der Vergangenheit herangezogen
werden. Und auch dann nur, wenn es bereits bekannt wäre, was eingetroffen
ist.
     

     Die Kausalität beruht auf einer beobachteten Gleichförmigkeit. Nun ist
zwar nicht gesagt, dass eine bisher beobachtete Gleichförmigkeit immer so
weiter gehen wird, aber, dass die Ereignisse bisher gleichförmig waren,
muss feststehen; das kann nicht wieder das unsichere Resultat einer em-
pirischen Reihe sein, die selbst <…> auch wieder nicht gegeben ist, sondern
von einer ebenso unsicheren abhängt, u.s.f. ad inf.
     

     Wenn Leute sagen, der Satz “es ist wahrscheinlich, dass p eintreffen
wird” sage etwas über das Ereignis p, so vergessen sie, dass es auch wahr-
scheinlich bleibt, wenn das Ereignis p nicht eintrifft.
     

     Wir sagen mit dem Satz “p wird wahrscheinlich eintreffen” zwar etwas
über die Zukunft, ˇaber nicht etwas “über das Ereignis p”, wie die gramma-
tische Form der Aussage uns glauben macht.
     

     Wenn ich nach dem Grund einer Behauptung frage, so ist die Antwort auf
diese Frage nicht für den Gefragten und eben diese Handlung (die Be-
hauptung), sondern allgemein gültig.
     

     Wenn ich sage: “das Wetter deutet auf Regen”, sage ich etwas über das
zukünftige Wetter? Nein, sondern über das gegenwärtige, mit Hilfe eines Ge-
setzes, welches das Wetter zu einer Zeit mit dem Wetter zu einer späteren
//in einer früheren// Zeit in Verbindung bringt. Dieses Gesetz muss be-
reits vorhanden sein, und mit seiner Hilfe fassen wir gewisse Aussagen über
128

     unsere Erfahrung zusammen. –

       Aber dasselbe könnte man dann auch für historische Aussagen behaup-
ten. Aber es war ja auch vorschnell, zu sagen, der Satz “das Wetter deutet
auf Regen” sage nichts über das zukünftige Wetter. Das kommt darauf an, was
man darunter versteht “etwas über etwas auszusagen”. Der Satz sagt eben sei-
nen Wortlaut!
     Der Satz “p wird wahrscheinlich eintreten” sagt //Er sagt// nur etwas
über die Zukunft in einem Sinn, in welchen seine Wahr- und Falschheit gänz-
lich unabhängig ist von dem, was in der Zukunft geschehen wird.
     

     Wenn wir sagen, “das Gewehr zielt jetzta auf den Punkt P”, so sagen wir
 
 
nichts darüber, wohin der Schuss treffen wird. Der Punkt
auf den es zielt, ist ein geometrisches
Hilfsmittel zur Angabe seiner Richtung. Dass wir gerade dieses Mittel ver-
wenden, hängt allerdings mit gewissen Erfahrungen // Beobachtungen// zu-
sammen (Wurfparabel, etc.), aber diese treten jetzt nicht in die Beschrei-
bung der Richtung ein.
     

     Die Gallstone'sche Photographie, das Bild einer Wahrscheinlichkeit. Das
Gesetz der Wahrscheinlichkeit, das Naturgesetz, was man sieht, wenn man
blinzelt.
     

     Was heisst es: “die Punkte, die das Experiment liefert, liegen durch-
schnittlich auf einer Geraden”? oder: “wenn ich mit einem guten Würfel würf-
le, so werfe ich durchschnittlich alle 6 Würfe eine 1”? Ist dieser Satz mit
jeder Erfahrung, die ich etwa mache, vereinbar? Wenn er das ist, so
sagt er nichts. Habe ich (vorher) angegeben, mit welcher Erfahrung er nicht
mehr vereinbar ist, welches die Grenze ist, bis zu der die Ausnahmen von
der Regel gehen dürfen, ohne die Regel umzustossen? Nein. Hätte ich aber
129
nicht eine solche Grenze aufstellen können? Gewiss. – Denken wir uns, die
Grenze wäre so gezogen: wenn unter 6 aufeinander folgenden Würfen 4 glei-
che auftreten, ist der Würfel schlecht. Nun fragt man aber: “Wenn das aber
nur selten genug geschieht, ist er dann nicht doch gut!?” – Darauf lautet
die Antwort: Wenn ich das Auftreten von 4 gleichen Würfen unter 6 aufeinan-
der folgenden für eine bestimmte Zahl von Würfen erlaube, so ziehe ich da-
mit eine andere Grenze, als die erste war. Wenn ich aber sage “jede
Anzahl gleicher aufeinander folgender Würfe ist erlaubt, wenn sie nur sel-
ten genug auftritt, dann habe ich damit die Güte des Würfels im strengen
Sinne als unabhängig von den Wurfresultaten erklärt. Es sei denn, dass ich
unter der Güte des Würfels nicht eine Eigenschaft des Würfels, sondern eine
Eigenschaft einer bestimmten Partie im Würfelspiel verstehe. Denn dann kann
ich allerdings sagen: Ich nenne den Würfel in einer Partie gu[,|t], wenn unter
den N Würfen der Partie nicht mehr als log N gleiche aufeinander folgende
vorkommen. Hiermit wäre aber eben kein Test zur Ueberprüfung von Würfeln
gegeben, sondern ein Kriterium zur Beurteilung einer Partie des Spiels.
     

     Man sagt, wenn der Würfel gla ganz gleichmässig und sich selbst überlas-
sen ist, dann muss die Verteilung der Ziffern 1, 2, 3, 4, 5, 6 unter den
Wurfresultaten gleichförmig sein, weil kein Grund vorhan-
den ist
, weshalb die eine Ziffer öfter vorkommen sollte als die ande-
re.
     

     Stellen wir nun aber die Wurfresultate statt durch die Ziffern 1 bis 6
durch die Worte der Funktion (x ‒ 3)² für die Argumente 1 bis 6 dar, also
durch die Ziffern 0, 1, 4, 9. Ist ein Grund vorhanden, warum eine die-
ser
Ziffern öfter in den neuen Wurfresultaten fungieren soll, als eine
andere? Dies lehrt uns, dass das Gesetz a priori der Wahrscheinlichkeit
eine Form von Gesetzen ist, wie die der Minimumgesetze der Mechanik etc..
130
     

Hätte man durch Versuche herausgefunden, dass die Verteilung der Würfe
1 bis 6 mit einem regelmässigen Würfel so ausfällt, dass die Verteilung
der Werte (x–3)² eine gleichmässige wird, so hätte man nun diese
Gleichmässigkeit als die Gleichmässigkeit a priori erklärt.
     So machen wir es auch in der kinetischen Gastheorie: wir stellen die
Verteilung der Molekülbewegungen in der Form irgend einer gleichförmigen
Verteilung dar; was aber gleichförmig verteilt ist – so wie an andrer
Stelle was zu einem Minimum wird – wählen wir so, dass unsere Theorie
mit der Erfahrung übereinstimmt.
     

     “Die Moleküle bewegen sich bloss nach den Gesetzen der Wahrscheinlich-
keit”, das soll heissen: die Physik tritt ab, und die Moleküle bewegen
sich jetzt quasi bloss nach Gesetzen der Logik. Diese Meinung ist ver-
wandt der, dass das Trägheitsgesetz ein Satz a priori ist; und auch hier
redet man davon, [d|w]as ein Körper tut, wenn er sich selbst überlassen ist.
Was ist das Kriterium dafür, dass er sich selbst überlassen ist? Ist es am
Ende das, dass er sich gleichförmig in einer Geraden bewegt? Oder ist es
ein anderes. Wenn das letztere, dann ist es eine Sache der Erfahrung, ob
das Trägheitsgesetz stimmt; im ersten Fall aber war es gar kein Gesetz, son-
dern eine Definition. Und Analoges gilt von einem Satz: “wenn die Teilchen
sich selbst überlassen sind, dann ist die Verteilung ihrer Bewegungen die
und die”. Welches ist das Kriterium dafür, dass sie sich selbst überlassen
sind? etc..
     

/     Wenn die Messung ergibt, dass der Würfel genau und homogen ist, – ich
nehme an, dass die Ziffern auf seinen Flächen die Wurfresultate nicht be-
einflussen – und die werfende Hand bewegt sich regellos – folgt daraus die
durchschnittlich gleichmässige Verteilung der Würfe 1 bis 6? Woraus sollte
man die schliessen? Ueber die [N|B]ewegung beim Werfen hat man keine Annahme
131
gemacht und die Prämisse der // Annahme der// Genauigkeit des Würfels ist
doch von ganz anderer Art //Multiplizität//, als eine durchschnittlich
gleichförmige Verteilung von Resultaten. Die Prämisse ist gleichsam ein-
färbig, die Konklusion gesprenkelt. Warum hat man gesagt, der Esel werde
zwischen den beiden gleichen Heubündeln verhungern, und nicht, er werde
durchschnittlich so oft von dem einen, wie von dem andern fressen //er
werde von beiden durchschnittlich gleich oft fressen//? /
     

     Zu sagen, die Punkte, die dieses Experiment [.|l]iefert, liegen durch-
schnittlich auf dieser Linie, z.B. einer Geraden, sagt etwas Aehnliches wie:
“aus dieser Entfernung gesehen, scheinen sie in einer Geraden zu liegen”.
     Ich kann von einer Linie //Strecke// sagen, der allgemeine Eindruck
ist der einer Geraden; aber nicht: “die Linie Strecke schaut gerade aus, denn sie
kann das Stück einer Linie sein, die mir als Ganzes Ganze den Eindruck der Gera-
den macht”. (Berge auf der Erde und auf dem Mond. Erde eine Kugel.)
     

     Das Experiment des Würfelns dauert eine gewisse Zeit, und unsere Erwar-
tungen über die zukünftigen Ergebnisse des Würfelns können sich nur auf
Tendenzen gründen, die wir in den Ergebnissen des Experiments wahrnehmen.
D.h., das Experiment kann nur die Erwartung begründen, dass es so wei-
tergehen wird, wie (es?) das Experiment gezeigt hat. Aber wir können nicht
erwarten, dass das Experiment, wenn fortgesetzt, nun Ergebnisse liefern
wird, die mehr als die des wirklich ausgeführten Experiments mit einer vor-
gefassten Meinung über seinen Verlauf übereinstimmen. Wenn ich also z.B.
Kopf und Adler werfe und in den Ergebnissen des Experiments keine Tendenz
der Kopf- und Adler-Zahlen finde, sich weiter <…> einander zu nähern, so
gibt das Experiment mir keinen Grund zur Annahme, dass seine Fortsetzung
eine solche Annäherung zeigen wird. Ja die Erwartung dieser Annäherung muss
sich selbst auf einen bestimmten Zeitpunkt beziehen, denn man kann nicht
sagen, man erwarte, dass ein Ereignis einmal – in der unendlichen
132
Zukunft – eintreten werde.
     

     Alle “begründete Erwartung” ist Erwartung, dass eine bis jetzt beobach-
tete Regel weiterhin //weiter// gelten wird.
     (Die Regel aber muss beobachtet worden sein und kann nicht selbst wie-
der bloss erwartet werden.)
     

     Die Logik der Wahrscheinlichkeit hat es mit dem Zustand der Erwartung
nur soweit zu tun, wie die Logik überhaupt, mit dem Denken.
     

 
 
Von der Lichtquelle Q wird ein Lichtstrahl ausgesandt,
der die Scheibe AB trifft, dort einen Lichtpunkt er-
zeugt und dann die Scheibe AC trifft. Wir haben nun kei-
nen Grund zur Annahme, der Lichtpunkt auf AB werde
rechts von der Mitte M liegen, noch zur entgegengesetz-
ten; aber auch keinen Grund anzunehmen, der Lichtpunkt
auf AC werde auf der und nicht auf jener Seite von der Mitte m liegen.
//Wir haben nun keinen Grund, anzunehmen, dass der Lichtpunkt auf AB eher
auf der einen Seite der Mitte M, als auf der andern liegen wird; aber auch
keinen Grund, anzunehmen, der Lichtpunkt auf AC werde auf der einen und
nicht auf der andern Seite der Mitte m liegen. Das gibt also widerspre-
chende Wahrscheinlichkeiten. Wenn ich nun eine Annahme über den Grad der
Wahrscheinlichkeiten mache, dass der eine Lichtpunkt im Stück AM liegt, –
wie wird diese Annahme verifiziert. Wir denken meinen doch, durch einen Häufig-
keitsversuch. Angenommen nun, dieser bestätigt die Auffassung, dass die
Wahrscheinlichkeiten für das Stück AM und BM gleich sind (also für Am und
Cm verschieden), so ist sie damit als die richtige erkannt und erweist
sich also als eine physikalische Hypothese. Die geometrische Konstruktion
zeigt nur, dass die Gleichheit der Strecken AM und BM kein Grund zur
Annahme gleicher Wahrscheinlichkeit war.
133
     
     Wenn ich annehme, die Messung ergebe, dass der Würfel genau und homogen
ist, und die Ziffern auf seinen Flächen die Wurfresultate nicht beeinflus-
sen, und die Hand, die ihn wirft, bewegt sich ohne bestimmte Regel; folgt
daraus die // eine// durchschnittlich gleichförmige Verteilung der Würfe
1 bis 6 unter den Wurfergebnissen? – Woraus sollte sie hervorgehen? Dass
der Würfel genau und homogen ist, kann doch keine durchschnitt-
lich gleichförmige
Verteilung von Resultaten begründen.
(Die Voraussetzung ist sozusagen homogen, die Folgerung wäre gesprenkelt.)
Und über die Bewegung beim Werfen haben wir ja keine Annahme gemacht. (Mit
der Gleichheit der beiden Heubündel hat man zwar begründet, dass der Esel
in ihrer Mitte verhungern (werde); aber nicht, dass er ungefähr gleich oft
von jedem fressen werde.) – Mit unseren Annahmen ist es auch vollkommen ver-
einbar, dass mit dem Würfel 100 Einser nacheinander geworfen werden, wenn
Reibung, Handbewegung, Luftwiderstand so zusammentreffen. Die Erfahrung,
dass das nie geschieht, ist eine, die diese Faktoren betrifft //ist eine
diese Faktoren betreffende//. Und die Vermutung der gleichmässigen Vertei-
lung der Wurfergebnisse ist eine Vermutung über das Arbeiten dieser Fakto-
ren // Einflüsse//.
     Wenn man sagt, ein gleicharmiger Hebel, auf den symmetrische Kräfte wir-
ken, müsse in Ruhe bleiben, weil keine Ursache vorhanden ist, weshalb er
sich eher auf die eine als auf die andre Seite neigen sollte, so heisst das
nur, dass, wenn wir gleiche Hebelarme und symmetrische Kräfte konstatiert
haben und nun der Hebel sich nach der einen Seite neigt, wir dies aus den
uns bekannten – oder von uns angenommenen <> Voraussetzungen nicht erklären
können. (Die Form, die wir “Erklärung” nennen, muss auch asymmetrisch sein;
wie die Operation, ?–die aus “a + b” “2a “2a + 3b” macht–?.) Wohl aber können wir
die andauernde Ruhe des Hebels aus unsern Voraussetzungen erklären. – Aber
auch eine schwingende Bewegung, die durchschnittlich gleich oft von der
Mitte //Mittellage// nach rechts und nach links gerichtet ist? Die schwin-
134
gende Bewegung nicht, denn in der ist ja wieder Asymmetrie. Nur die Symme-
trie in dieser Asymmetrie. Hätte sich der Hebel gleichför[,|m]ig nach rechts ge-
dreht, so könnte man analog sagen: Mit der Symmetrie der Be[g|d]ingungen kann
ich die Gleichförmigkeit der Bewegung, aber nicht ihre Richtung erklären.
     Eine Ungleichförmigkeit der Verteilung der Wurfresultate ist mit der
Symmetrie des Würfels nicht zu erklären. Und nur insofern erklärt die-
se Symmetrie die Gleichförmigkeit der Verteilung. – Denn man kann natürlich
sagen: Wenn die Ziffern auf den Würfelflächen keine Wirkung haben, dann kann
ihre Verschiedenheit nicht eine Ungleichförmigkeit der Verteilung erklären;
und gleiche Umstände können selbstverständlich nicht Verschiedenheiten er-
klären; soweit also könnte man auf eine Gleichförmigkeit schliessen. Aber
woher dann überhaupt verschiedene Wurfresultate? Gewiss, was diese // Was
diese // erklärt, muss nun auch ihre durchschnittliche Gleichförmigkeit er-
klären. Die Regelmässigkeit des Würfels stört nur eben diese Gleichförmig-
keit nicht.
     

     Angenommen, Einer der täglich im Spiel würfelt, würde etwa eine Woche
lang nichts als Einser werfen, und zwar mit Würfeln, die nach allen anderen
Arten //Methoden// der Untersuchung [P|//] Prüfung// sich als gut erweisen,
und wenn ein Andrer sie wirft, auch die gewöhnlichen Resultate geben //lie-
fern
//. Hat er nun Grund, hier ein Naturgesetz anzunehmen, dem gemäss er im-
mer Einser wirft // werfen muss//; hat er Grund zu glauben, dass das nun so
weiter gehen wird, – oder (vielmehr) Grund anzunehmen, dass diese Regelmäs-
sigkeit nicht lange mehr andauern kann // wird//? Hat er also Grund das
Spiel aufzugeben, da es sich gezeigt hat, dass er nur Einser werfen kann;
oder weiterzuspielen, da es jetzt nur um so wahrscheinlicher ist, dass er
beim nächsten Wurf eine höhere Zahl werfen wird? – In Wirklichkeit wird er
sich weigern, die Regelmässigkeit als ein Naturgesetz anzuerkennen; zum min-
desten wird sie lang andauern müssen, ehe er diese Auffassung in Betracht
135
zieht. Aber warum? – “Ich glaube, weil so viel frühere Erfahrung seines
Lebens gegen ein solches Gesetz spricht, die alle sozusagen – erst über-
wunden werden muss, ehe wir eine ganz neue Betrachtungsweise annehmen.
     

     Wenn wir aus der relativen Häufigkeit eines Ereignisses auf seine rela-
tive Häufigkeit in der Zukunft Schlüsse ziehen, so können wir das natürlich
nur nach der bisher tatsächlich beobachteten Häufigkeit tun. Und/nicht nach
einer, die wir aus der beobachteten durch irgend einen Prozess der Wahr-
scheinlichkeitsrechnung erhalten haben. Denn die berechnete Wahrscheinlich-
keit stimmt mit jeder beliebigen tatsächlich beobachteten
Häufigkeit überein, da sie die Zeit offen lässt.
     

     Wenn sich der Spieler, oder die Versicherungsgesellschaft, nach der
Wahrscheinlichkeit richten, so richten sie sich nicht nach der Wahrschein-
lichkeitsrechnung, denn nach dieser allein kann man sich nicht richten, da,
was immer geschieht, mit ihr in Uebereinstimmung zu bringen ist;
sondern die Versicherungsgesellschaft richtet sich nach einer tatsächlich
beobachteten Häufigkeit. Und zwar ist das natürlich eine absolute Häufig-
keit.
136
     



34

                Der Begriff “ungefähr”.
                Problem des ‘Sandhaufens’.
     






     “Er kam ungefähr von dort (Pfeil)”.
“Ungefähr da ist der hellste Punkt des Horizontes”.
“Mach' das Brett ungefähr 2 m lang”.
     Muss ich, um das sagen zu können, Grenzen wissen, die den Spielraum
dieser Länge bestimmen? Offenbar nicht. Genügt es nicht z.B. zu sagen: “der
Spielraum ± 1 cm ist ohneweiteres erlaubt; ± 2 cm wäre schon zu viel”? –
Es ist doch dem Sinn meines Satzes auch wesentlich, dass ich nicht im-
stande bin, den Spielraum “genaue” Grenzen zu geben. Kommt das ˇnicht offenbar da-
her, dass der Raum, in dem ich hier arbeite, eine andere Metrik is hat,
als der Euklidische?
     Wenn man nämlich den Spielraum genau durch Versuch feststellen woll-
te, indem man die Länge ändert //und sich den Grenzen des Spielraums nä-
hert// und immer fragt, ob diese Länge noch angehe oder schon nicht mehr,
so käme man nach einigen Einschränkungen zu Widersprüchen, indem einmal ein
Punkt noch als innerhalb der Grenzen liegend bezeichnet würde, ein ander-
mal ein weiter innerhalb gelegener als schon unzulässig erklärt würde; bei-
des etwa mit der Bemerkung, die Angaben Antworten seien nicht mehr (ganz) sicher.
137
     
     Die Unsicherheit ist von der Art, wie die, der Angabe des höchsten Punk-
tes einer Kurve. Wir sind eben nicht im ek euklidischen Raum und es gibt
hier nicht im euklidischen Sinne einen höchsten Punkt. Die Antwort wird
heissen: “der höchste Punkt ist ungefähr da”, und die Grammatik des Wor-
tes “ungefähr” – in diesem Zusammenhang – gehört dann? zur Geometrie unseres
Raumes.
     

     Ist es denn nicht so, wie man etwa beim Fleischhauer nur auf Deka genau
abwiegt, obwohln das anderseits willkürlich ist, und nur bestimmt durch die
herkömmlichen Messinggewichte. Es genügt hier zu wissen: mehr als P1 wiegt
es nicht undw weniger als P2 auch nicht. Man könnte sagen: die Gewichtsan-
gabe besteht hier prinzipiell nicht aus einer Zahlangabe, sondern aus der
Angabe eines Intervalls, und die Intervalle bilden eine diskontinuierliche
Reihe.
     

     Man könnte doch sagen: “halte Dich jedenfalls innerhalb ± 1 cm”
damit eine willkürliche Grenze setzend. – Würde nun gesagt: “gut, aber dies
ist doch nicht die wirkliche Grenze des zulässigen Spielraums: welche ist
es also?” so wäre etwa die Antwort “ich weiss keine, ich weiss nur, dass
± 2 cm schon zu viel wäre”.
     

 
 
Denken wir uns folgendes psychologisches Experiment:
Wir zeigen dem Subjekt zwei Linien G1, G2, durch wel-
che quer die Gerade A gezogen ist. Das Stü[f|c]k dieser
Geraden, welches zwischen G1 und G2 liegt, werde ich
die Strecke a nennen. Wir z[ei|ie]hen nun in beliebiger
Entfernung von a und parallel dazu b und fragen, ob
er die Strecke b grösser sieht als a, oder die beiden Längen nicht mehr
unterscheidet. Er antwortet, b erscheine grösser als a. Darauf nähern wir
138
uns a, indem wir die Distanz von a zu b mit unsern Messinstrumenten halbie-
ren und ziehen c. “Siehst Du c grösser als a?” – “Ja”. Wir halbieren die
Distanz c–a und ziehen d. “Siehst Du d grösser als a?” – “Ja”. Wir halbie-
ren a–d. “Siehst Du e grösser als a?” – “Nein”. Wir halbieren daher e–d.
“Siehst Du f grösser als e?” – “Ja”. Wir halbieren also e–f und ziehen h.
Wir könnten uns so auch von der linken Seite der Strecke a nähern, und dann
sagen, dass einer gesehenen Länge a im euklidischen Raum nicht eine
Länge, sondern ein Intervall von Längen entspricht, und in ähnlicher Weise
einer gesehenen Lage eines Strichs (etwa des Zeigers eines Instruments)
ein Intervall von Lagen im euklidischen Raum: aber dieses Intervall hat
nicht scharfe Grenzen. Das heisst: es ist nicht von Punkten begrenzt, son-
dern von konvergierenden Intervallen, die nicht gegen einen Punkt konver-
gieren. (Wie die Reihe der Dualbrüche, die wir durch Werfen von Kopf und
Adler erzeugen.) Das Charakteristische zweier Intervalle, die so nicht durch
Punkte sondern unscharf begrenzt sind, ist, dass auf die Frage, ob
sie einander übergreifen oder getrennt voneinander liegen, in gewissen Fäl-
len die Antwort lautet: “unentschieden”. Und dass die Frage, ob sie einan-
der berühren, einen En[f|d]punkt miteinander gemein haben, immer sinnlos ist, da
sie ja keine Endpunkte haben. Man könnte aber sagen: sie haben vorläu-
fige
Endpunkte. In dem Sinne, in welchem die Entwicklung von II ein
vorläufiges Ende hat. An dieser Eigenschaft des ‘unscharfen’ Intervalls ist
natürlich nichts geheimnisvolles, sondern das etwas Paradoxe k[k|l]ärt sich
durch die doppelte Verwendung des Wortes “Intervall” auf.
     Es ist dies der gleiche Fall, wie der der doppelten Verwendung des Wor-
tes “Schach”, wenn es einmal die Gesamtheit der jetzt geltenden Schachre-
geln bedeutet, ein andermal: das Spiel, welches N.N. in Persien erfunden
hat und welches sich so und so entwickelt hat. In einem Fall ist es unsin-
nig, von einer Aenderung //Entwicklung // der Schachregeln zu reden, im
andern Fall nicht. Wir können “Länge einer gemessenen Strecke” entweder
das nennen, was bei einer bestimmten Messung, die ich heute um 5 Uhr durch-
139
führe, herauskommt, – dann gibt es für diese Lä[m|n]genangabe kein “ ± etc.” [,|]
oder etwas, dem sich Messungen nähern etc.: in den zwei Fällen wird das
Wort “Länge” mit ganz verschiedener Grammatik gebraucht. Und ebenso das
Wort “Intervall”, wenn ich einmal etwas Fertiges, einmal etwas sich Entwik-
kelndes ein Intervall nenne.
I) die Intervalle liegen getrennt
 
 
II) sie liegen getrennt und berüh-
ren sich vorläufig
III) sie lie unentschieden
IV) unentschieden
V) unentschieden
VI) sie übergreifen
VII) sie übergreifen
Wir können uns aber nicht wundern, dass nun ein Intervall so seltsame Ei-
genschaften haben soll: da wir eben das Wort “Intervall” jetzt in einem
nicht gewöhnlichen Sinn gebrauchen. Und wir können nicht sagen, wir haben
neue Eigenschaften gewisser Intervalle entdeckt. Sowenig wie wir neue Eigen-
schaften des Schachkönigs entdecken würden, wenn wir die Regeln des Spiels
änderten, aber die Bezeichnung “Schach” und “König” beibehielten. (Vergl. da-
gegen Brouwer, über das Gesetz des ausgeschlossenen Dritten.)
     Jener Versuch ergibt also wesentlich, was wir ein “unscharfes” Intervall
genannt haben; dagegen wären natürlich andere Experimente möglich // denk-
bar//, die statt dessen ein scharfes Intervall ergeben. Denken wir etwa,
wir bewegten ein Lineal von der Anfangsstellung b, und parallel zu dieser,
gegen a hin, bis in unserm Subjekt irgend eine bestimmte Reaktion einträte:
dann könnten wir den Punkt, an dem die Reaktion beginnt, die Grenze unseres
Streifens nennen. – So könnten wir natürlich auch ein Wägungsresultat “das
Gewicht eines Körpers” nennen und es gäbe dann in diesem Sinn eine absolut
genaue Wägung, d.i. eine, deren Resultat nicht die Form “G ± g” hat. Wir ha-
140
ben damit unsere Ausdrucksweise geändert, und müssen nun sagen, dass das
Gewicht des Körpers schwankt und zwar nach einem uns unbekannten Gesetz.
(Die Unterscheidung Der Unterschied [t|z]wischen “absolut genauer” Wägung und “wesentlich un-
genauer” Wägung ist eine grammatische ein grammatischer und bezieht sich auf zwei verschie-
dene Bedeutungen des Ausdrucks “Ergebnis der Wägung”.)
     

     Die Unbestimmtheit des Wortes “Haufen”. Ich könnte definieren: ein
Körper von gewisser Form und Konsistenz etc. sei ein Haufe, wenn sein Vo-
lumen K m3 beträgt, oder mehr; was darunter liegt, will ich ein Häufchen
nennen. Dann gibt es kein grösstes Häufchen; das heisst: dann ist es sinn-
los, von dem “grössten Häufchen” zu reden. Umgekehrt könnte ich bestimmen:
Haufe solle alles das sein, was grösser als K m3 ist, und dann hätte der
Ausdruck “der kleinste Haufe” keine Bedeutung. Ist aber diese Unterschei-
dung nicht müssig? Gewiss, – wenn wir unter dem Volumen ein Messungsresul-
tat im gewöhnlichen Sinne verstehen; denn dieses Resultat hat die Form
“V ± v”. // Gewiss, – wenn wir unter dem Resultat der Messung des Volumens
einen Ausdruck von der Form “V ± v” verstehen.// Sonst aber könnte die // wäre diese // Unterscheidung so unbrauchbar sein, wie // Unterscheidung nicht müssiger sein als // die, zwischen einem Schock Aepfel und 61 Aepfeln.
     

     Zu dem Problem vom “Sandhaufen”: Man kö[h|n]nte sich hier, wie in ähnlichen
Fällen, einen offiziellen //offiziell festgesetzten// Begriff denken
//…denken, dass es einen offiziellen Begriff, wie den einer Schrittlän-
ge gäbe,// etwa: Haufe ist alles, was über einen ha[k|l]ben m3 gross ist. Die-
ser wäre aber dennoch nicht unser gewöhnlich gebrauchter Begriff. Für die-
sen liegt keine Abgrenzung vor (und bestimmen wir eine, so ändern wir den
Begriff); sondern es liegen nur Fälle vor, welche wir zum dem Umfang des
Begriffs //zu den Haufen// rechnen und solche, die wir nicht mehr zu
dem Umfang des Begriffs rechnen.


141
     
     “Mach' mir hier einen Haufen Sand”. – “Gut, das nennt er gewiss noch
einen Haufen”. Ich konnte dem Befehl Folge leisten, also war er in Ordnung.
Wie aber ist es mit diesem Befehl: “Mach' mir den kleinsten Haufen, den Du
noch so nennst”? Ich würde sagen: das ist Unsinn; ich kann nur eine vor-
läufige obere und untere Grenze bestimmen.
1
     



Das augenblickliche Verstehn und die
Anwendung des Worts in der Zeit
.








































143
2
     

35
Ein Wort verstehen = es anwenden können.
Eine Sprache verstehen: Einen Kalkül beherrschen.












     

dazu S. 2/3

     Kann ich sagen, Man könnte sagen: mich unsU interessiert nur der Inhalt des Satzes <[ d.h. nur das was der Satz ˇselber sagt.]>?;
Und der Inhalt des Satzes ist in ihm.

[kein Absatz]
     Seinen Inhalt hat der Satz als Glied des Kalküls.
     

     Ist also “einen Satz verstehen” von der gleichen Art, wie “einen Kalkül
beherrschen”? Also wie: multiplizieren können? Das glaube ich. siehe S. 148/4 S. 190
     
     Die Bedeutung eines Worts verstehen, heisst, seinen Gebrauch kennen,
verstehen.
     

     “Ich kann das Wort ‘gelb’ anwenden” – ist das auf einer anderen Stufe
als “ich kann Schach spielen”, oder “ich kann den König im Schachspiel
verwenden”?
     

     Die Frage, die unmittelbar mit unserer in Beziehung steht, ist die
nach dem Sinn der Aussage “ich kann Schach spielen”?
     “Ich weiss, wie ein Bauer [d|z]iehen darf”.
     “Ich weiss, wie das Wort ‘Kugel’ gebraucht werden darf”.
3
144
< >
     
¤ An den Anfang des §6 ( p. 22)

Wenn ich auf die Frage: “kannst Du dieses Gewicht
heben”, antworte “ja”, ist damit ein Zustand be-
schrieben
nicht-hypothetisch beschrieben, ahnlich
also, wie wenn man mich gefragt hätte “hast
Du Kopfschmerzen?”?



     Man kann das Wort können so verstehen daß die Aus-
führung als Kriterium der Fähigkeit gilt aber auch so
daß dies nicht der Fall ist.
     Fragt man mich kannst Du diese Kugel heben & ich sage
ja dann versuche ich, sie zu heben, aber es gelingt
mir nicht, so gibt es einen Fall in welchem ich sagen werde
“ich hatte mich geirrt, ich konnte sie nicht heben” aber
auch den “jetzt kann ich sie nicht heben, weil ich schon
müde bin, als ich aber sagte ich könne sie heben, da k[ö|o]nnte
ich es”. Ebenso “als ich sagte ich könne Schach spielen konn-
te ich's, aber durch diesen Schreck habe ich es vergessen”, etc.
Gefragt “wie weißt Du daß Du es damals konntest würde
man etwa sagen: “ich habe es immer gekonnt”, ich hatte
gerade zuvor eine Partie gespielt”, “mein Gedächtnis ist
doch nicht so schlecht”, “ich hatte mir gerade die Regeln
hergesagt” und Ähnliches.
     In keinem Fall ist die Fähigkeit ein bewußter Zustand
wie Zahnschmerzen.


     Was gilt alles als Kriterium dafür daß
man ein Recht hat zu sagen man
könne es.
     

     Wenn ich sage “ich kann dieses Gewicht heben”, so kann man antworten:
“das wird sich zeigen, wenn Du es versuchst”; und geht e[w|s] dann nicht, so
kann man sagen “siehst Du, Du konntest es nicht”; und ich kann darauf
nicht antworten “doch, ich konnte es, als ich es sagte, nur als es zum
Aufheben kam, konnte ich es nicht”. Ob man es kann, wird die Er-
fahrung zeigen
. Anders ist es, wenn ich sage “ich verstehe
diesen Befehl”; dies ist, oder scheint ein Erlebnis zu sein. “Ich muss
wissen, ob ich ihn (jetzt) verstehe” – aber nicht: Ich muss wissen, ob
ich das Gewicht jetzt heben kann. – Wie ist es nun in dieser Hinsicht mit
dem Satz “ich kann Schach spielen”? Ist das etwas, was sich zeigen wird,
oder kann man sagen “als ich es behauptete, konnte ich Schach spielen, nur
jetzt kann ich es nicht”.
     Ist nicht das, was mich rechtfertigt, nur, dass ich mich erinnere, frü-
her Schach gespielt zu haben? Und etwa, dass ich, aufgefordert zur Probe
die Regeln im Geiste durchfliegen kann?
     

     Ist es nicht auch so beim Gebrauch des Wortes “Kugel”? Ich gebrauche
das Wort instinktiv. Aufgefordert aber, Rechenschaft darüber zu geben, ob
ich es verstehe, rufe ich mir, gleichsam zur Probe, gewisse Vorstellungen
hervor.
     (Es kann nicht darauf ankommen, ob die Sprache instinktiv oder halbin-
stinktiv gebraucht wird. Wir sind hier im Sumpf der graduellen Unterschie-
de, nicht auf dem festen Grund der Logik.) (Ist es nicht das Schachspiel, wenn
es automatisch gespielt wird?)
     

Zu §38 S. 165
     Wenn ich sage “sieh', dort ist eine Kugel”, oder “dort ist ein Kegel eine Halbkugel”,
so kann die Ansicht (ein Kreis) auf beides zu beidem passen, und wenn ich sage “ja,
ich sehe es sie”, so unterscheide ich doch zwischen den beiden Hypothesen. Wie
ich im Schachspiel zwischen einem Bauer und dem König unterscheide, auch
4
145
wenn der gegenwärtige Zug einer ist, den beide machen könnten, und wenn
selbst eine Königsfigur als Bauer fungierte.
     Das Wort “Kugel” ist mir bekannt und steht in mir für etwas;
d.h., es bringt mich in eine gewisse Stellung zu sich (wie ein Magnet ei-
ne Nadel in seine Richtung bringt).
     

     Man ist in der Philosophie immer in der Gefahr, eine Mythologie des
Symbolismus zu geben, oder der Psychologie. Statt einfach zu sagen, was
jeder weiss und zugeben muss.
     

     Wenn ich gefragt würde “kannst Du das Alphabet hersagen”, so würde
ich antworten: ja. – “Bist Du sicher” – “Ja”. Wenn ich nun aber im Hersa-
gen steckenbliebe und nicht weiter wüsste, so gibt es doch einen Fall, in
welchem ich sagen würde “ja, als ich sagte, ich könne es hersagen, da
konnte ich es”, und zwar dann, wenn ich es mir dama[.|l]s “im Geiste” herge-
sagt hätte. Ich würde dies auch als Beweis angeben. Das heisst aber, dass
das Hersagen im Geiste die Fähigkeit zum wirklichen Hersagen – so wie wir
hier das Wort Fähigkeit verstehen – enthält.

     

Zu S. 99

     Etwas tun können hat ja eben jenen schattenhaften Charakter, das
heisst, es erscheint wie als ein Schatten des wirklichen tatsächlichen Tuns, gerade wie der
Sinn des Satzes als Schatten seiner Verifikation // als Schatten einer
Tatsache// erscheint; oder das Verständnis des Befehles als Schatten sei-
ner Ausführung. Der Befehl “wirft, gleichsam, seinen Schatten schon vor-
aus”, oder, im Befehl wirft die Tat ihren Schatten voraus”. – Dieser
Schatten aber, was immer er sein mag, ist, was er ist, und nicht
das Ereignis. Er ist in sich selbst abgeschlossen und weist nicht weiter
als er selbst reicht.
     
     Das ist doch der gleiche Fall wie: “Kannst Du Deinen Arm heben?” In
welchem Falle würde ich dies verneinen müssen, oder bezweifeln? Solche
5
146
Fälle sind leicht zu denken.
     Als Die Bestätigung dessen, dass wir den Arm heben können, sehen wir etwas
ein in einem Zucken mit den Muskeln an, oder eine kleine einer kleinen Bewegung des Arms. Oder
die geforderte Bewegung selbst, jetzt ausgeführt, als Kriterium dafür,
dass ich sie gleich darauf ausführen kann.
6
147
     


36
Wie begleitet das Verstehen des Satzes das Aussprechen oder Hören
des Satzes?
     






     Wann kann das Gefäß … enthalten?
     

     Das schwierigste Problem scheint der Gegensatz, das Verhältnis zu sein
zwischen dem Operieren mit der Sprache in der Zeit // im Lauf der Zeit//
und dem momentanen Erfassen des Satzes.
     

     Aber wann erfassen oder verstehen wir den Satz?! Nachdem
wir ihn ausgesprochen haben? – Und wenn, : während wir ihn aussprechen; , – ist
das Verstehen ein artikulierter Vorgang, wie das Bilden des Satzes, oder
ein unartikulierter? Und wenn ein artikulierter: muss er nicht projektiv
mit dem andern verbunden sein? Denn sonst wäre seine Artikulation von
der ersten unabhängig.
     

     “Er sagt das, und meint es”: Vergleiche das einerseits mit: “er
sagt das, und schreibt es nieder”; anderseits mit: “er schreibt das
und unterschreibt es”.
     

     Man könnte fragen: Wie lange braucht es man, um einen Satz zu verstehen.
Und wenn man ihn eine Stunde lang versteht, beginnt man da immer wieder
vom frischen?
7
148
     
     Ist das Verstehen nicht das Erfassen des Satzes, so kann es auch nach
diesem (und warum nicht auch vorher) vor sich gehen.
     

     Ist das Verstehen eines Satzes dem Verstehen eines Schachzuges, als sol-
chen ˇals Schachzuges, nicht analog? Wer das Schachspiel gar nicht kennt und sieht jemand
einen Zug machen, der wird ihn nicht verstehen, d.h. nicht als Zug eines
Spieles verstehen. Und es ist etwas anderes, dem Spiel Zug mit Verständnis zu
folgen, als es ihn bloss zu sehen.
     

     Was ist es aber dann, das was uns immer das Gefühl gibt, dass das Verstehen
eines Satzes das Verstehen von etwas ausserhalb ihm Liegendem ist und zwar
nicht von der Welt ausserhalb des Zeichens, wie sie eben ist, sondern von
der Welt, wie das Zeichen sie – gleichsam – wünscht.
     

     Man würde etwa (so?) sagen: Ich sage ja nicht nur “zeichne einen Kreis”,
sondern ich wünsche doch, dass der Andre etwas tut. (Gewiss!) Und dieses
Tun ist doch etwas anderes als das Sagen, und ist eben das Ausserhalb, wo-
rauf ich weise // worauf der Satz weist//. Und, was der andre tut, ist doch außerhalb dessen was ich sage.
     

     Das Verstehen eines Satzes der Wortsprache ist dem Verstehen eines mu-
sikalischen Themas (oder Musikstückes) viel verwandter, als man glaubt. Und
zwar so, dass das Verstehen des sprachlichen Satzes näher als man denkt
dem liegt, was man gewöhnlich das Verständnis des musikalischen Ausdrucks
nennt. – Warum pfeife ich das gerade so? warum bringeˇ will ich den Wechsel
der Stärke und des Zeitmasses gerade auf dieses ganz bestimmte Idealˇ bringen?
Ich möchte sagen: “weil ich weiss, was das alles heisst” – aber was heisst
es denn? – Ich wüsste es nicht zu sagen, ausser durch eine Uebersetzung in
einen Vorgang vom gleichen Ry Rhythmus.

8
149
     
     Das Können und Verstehen wird von der Sprache scheinbar als Zustand
dargestellt, wie der Zahnschmerz, und das ist die falsche Analogie, unter
der ich laboriere.
     

     Wie, wenn man fragte: Wann kannst Du Schach spielen? Immer? oder
während Du es sagst? einen Zug machst? aber während des ganzen Satzes? – Und wie seltsam <Während Du spielst? & während jedes
Zuges? – Und wie seltsam ……
>,
dass Schachspielen-Können so kurze Zeit braucht // dauert// und eine
Schachpartie so viel länger!
     

     Wenn nun “das Wort ‘gelb’ verstehen” heisst, es anwenden können, so
besteht ist die gleiche Frage: Wann kannst Du es anwenden. Redest Du von
einer Dispo[w|s]ition? Ist es eine Vermutung?
     

     Augustinus: “Wann messe ich einen Zeitraum? Aehnlich meiner Frage:
Wann kann ich Schach spielen.
9
150
     


37
Zeigt sich die Bedeutung eines Wortes in der Zeit? Wie der tatsächliche
Freiheitsgrad eines Mechanismus.
Enthüllt sich die Bedeutung des Worts erst nach und nach wie seine
Anwendung fortschr[i|e]itet?












gehört zu ‘Bedeutung’ §9
     
< Vielleicht lehrreich>
[Zu: “Lernen der Sprache” “Wie wirkt das einmalige …”]

     Es ist eine sehr merkwürdige Tatsache, dass ich mich bei dem Gebrauch
der Sprache nicht erinnere, wie ich sie gelernt habe. Ich sage “hier sehe
ich eine schwarze Kugel”. Ich wei[w|s]s nicht, wie ich “schwarz” und “Kugel”
gelernt habe. Meine Anwendung der Wörter ist unabhängig von diesem Erler-
nen
. Es ist so, als hätte ich die Wörter selbst geprägt. Und hier werden
wir wieder zu der Frage geführt: Wenn die Grammatik, die von den Wörtern
handelt, für ihre Bedeutung wesentlich ist, muss ich die grammatischen Re-
geln, die von einem Wort handeln, alle im Kopf haben, wenn es für mich et-
was bedeuten soll? Oder ist es hier, wie im Mechanismus: Das Rad, das
stillsteht, oder auch sich dreht, das Rad in einer Lage, weiss, gleichsam,
nicht, welche Bewegung ihm noch erlaubt ist, der Kolben weiss nicht, wel-
ches Gesetz seiner Bewegung vorgeschrieben ist; und doch wirkt das Rad und
der Kolben nur durch jene Gebundenheit //jenes Gebundenseins//.
     Soll ich also sagen: Die grammatischen Regeln wirken in der Zeit? (Wie
jene Führung.)
     
<      Unterscheidung zwischen Regel & Erfahrungssatz. Wenn
ein Satz der Grammatik ein Naturgesetz der Anwendung des Wortes
wäre, so gäbe es grammatische Hypothesen; & wie ein Wort gebraucht
werden kann zeigt sich dadurch, wie es gebraucht wird.
>
     

Wie seltsam: es es scheint als ob zwar eine physische (mechanische)
Führung versagen, unvorhergesehenes zulassen, könnte, aber
eine Regel nicht! Sie wäre sozusagen die einzig verläßliche
Führung. Aber worin besteht es, daß eine Führung eine Bewegung
nicht zuläßt, & worin, daß eine Regel sie nicht zuläßt? – Wie
weiß man das eine, & wie das andere?
     
     Also: Das Wort “Kugel” wirkt nur in der Art durch die Art seiner Anwendung. Und es
10
151
wäre die seltsame Frage denkbar: “wie kann ich denn dann gleich wissen, was
ich mit ‘Kugel’ meine
<Wenn aber ‘die Bedeutung eines Wortes verstehen’ heißt
seine grammatische Anwendung kennen (die Möglich-
keit seiner gr. Anw.), dann kann man fragen: Wie kann
ich denn gleich wissen was ich mit ‘Kugel’ meine ……
>
, ich kann doch nicht die ganze Art der Anwendung ˇ des Wortes auf
einmal
im Kopfe haben?”
     

     Und ist es nicht ähnlich mit dem Schachspiel: in irgend einem Sinne kann
man sagen, ich wisse die Regeln des Schachspiels (habe sie im Kopf), wäh-
rend wenn ich spiele. Aber ist dieses “sie im Kopf haben” nicht wirklich nur ei-
ne Hypothese. Habe ich sie nicht nur insofern im Kopf, als si ich sie in je-
dem besondern Falle anwende? – Gewiss, dies wWissen ist nur das hypotheti-
sche Reservoir, woraus das wirklich gesehene Wasser fliesst.
     

     Das Verständnis der Sprache – quasi des Spiels – scheint wie ein Hinter-
grund, auf dem der einzelne Satz erst Bedeutung gewinnt.
     

     Die allgemeine Regel erst enthüllt den [D|F]reiheitsgrad, die Beweglichkeit
des Mechanismus. Das Bild des Mechanismus in einer seiner Stellungen ent-
hält hievon nichts.
     

     Soll ich nun sagen, der Freiheitsgrad des Mechanismus kann sich nur mit
der Zeit enthüllen? Aber wie kann ich dann je wissen, dass er gewisse Bewe-
gungen nicht machen kann (und dass er gewisse Bewegungen machen kann,
die er gerade noch nicht gemacht hat).
     

     Das Verständnis als eine Disposition der Seele, oder des
Gehirns, geht uns nichts an.
     

<      Das Bild des Mechanismus kann wohl ein Zeichen des
Freiheitsgrades sein. D.h. als Ausdruck dafür gebraucht werden,
welche Bewegungen er er etwas ausführen soll (meiner Meinung nach
ausführen wird, ausgeführt hat, etc.). Wenn ich aber sage
das Bild kann ein Zeichen des Freiheitsgrades sein, – was heißt
das? Was macht ein Bild zum Zeichen des Freiheitsgrades? Doch
nicht daß man ihm etwas anderes; quasi einen existierenden Freiheits-
grad zuordnet. Außer indem man zur Erklärung des Zeichens
auf einen Mechanismus zeigt & diesen gewisse Bewegungen aus-
führen läßt. Aber dann liegt darin keine pr Prophezeihung
über das Verhalten dieses Mechanismus. Es s Seine vorge-
führten Bewegungen waren vielmehr nur ein Zeichen, womit wir
ein anderes erklärten.
11
152
>
     


38
Begleitet eine Kenntnis der grammatischen Regeln den Ausdruck des Sat-
zes, wenn wir ihn – seine Worte – verstehn?
     






‘Gedanke ist einennennen wir etwas? Vorgang? der den
Satz begleitet’ aber auch den Satz
selbst im System der Sprache.

⋎ S. 144/4
     
     Kann ich nicht sagen: ich meine die Verneinung, welche verdoppelt eine
Bejahung gibt?
     

     Wäre das nicht, als würde man sagen: Ich meine die Gerade, deren zwei
sich in einem Punkt schneiden.
     

     Das heisst: Wenn Du von Rot gesprochen hast, hast Du dann das gemeint,
wovon man sagen kann, es sei hell, aber nicht,ˇ es sei grün, auch wenn Du an diese
Regel nicht gedacht, oder noch von ihr Gebrauch gemacht hast? – Hast Du das
‘non’ verwendet, wofür non–non–non–p = non–p ist? auch wenn Du diese
Regel nicht verwendet hast? Ist es etwa eine Hypothese, dass es das
non war? Kann es zweifelhaft sein, ob es dasselbe war, und durch die Er-
fahrung bestätigt werden.
     

     Was heisst die Frage: Ist das dasselbe ‘non’, für welches die Regel
non–non–non–p = non–p gilt?
     

     “Meinst Du das ‘non’ so, dass ich aus non–p non–non–non–p schliessen
kann?”
12
153
     
     Das Schachspiel ist gewiss durch seine Regeln (sein Regelverzeichnis)
charakterisiert. Und wir sagen, daß Einer, der eine Partie
Schach spielt
und jetzt einen Zug macht, etwas anderes tut, als der, der nicht Schach
spielen kann (d.h. das Spiel nicht kennt) und nun eine Figur in die Hand
nimmt und sie zufällig der Regel gemäss bewegt. Anderseits ist es klar,
dass der Unterschied nicht darin bestehthen muß, dass der Erste in irgend einer
Form die Regeln des Schachspiels vor sich hersagt oder überdenkt. – Wenn
ich nun sage: “dass er Schach spielen kann, (wirklich Schach spielt, die
Absicht hat, Schach zu spielen) besteht darin, dass er die Regeln kennt”,
ist diese Kenntnis der Regeln in jedem Zuge in irgendeiner Form enthalten?
     Was heisst das: “er tut etwas anderes”? Hierin liegt schon die Verwen-
dung eines falschen irreführenden Bildes. Worin besteht der Unterschied? Man denkt da
wieder an Gehirnvorgänge.
     


     Wenn das Schachspiel durch seine Regeln definiert ist, so gehören diese
Regeln zur Grammatik des Wortes “Schach”. < Das Schachspiel ist gewiß durch seine Regeln (sein Regel-
verzeichnis) charakterisiert. Wenn ich Schachˇ nur durch
seine Regeln definiere, so gehören diese Regeln zur
Grammatik des Wortes “Schach”.
>

13
154
     

[Zu S. 354)

      Worin besteht es die Absicht zu haben eine Partie Sch. zu spielen Kann man eine Intention haben, ohne sie auszudrücken? Kann man die Ab-
sicht haben, Schach zu spielen (in dem Sinne, in welchem man apodiktisch
sagt “ich hatte die Absicht Schach zu spielen; ich muss es
doch wissen”),
ohne einen Ausdruck dieser Absicht? – Könnte man
da nicht fragen: Woher weisst Du, dass das, was Du hattest, diese Ab-
sicht war? D.h. wie unterscheidet sich diese Absicht von der Dame zu spielen.
     Ist die Absicht Schach zu spielen etwa wie die Vorliebe für das Spiel,
oder für seine Person.? Wo man auch fragen könnte: Hast Du diese Vorliebe
die ganze Zeit oder etc., und die Antwort ist, dass “eine Vorliebe haben”
gewisse Handlungen, Gedanken und Gefühle einschliesst und andere aus-
schliesst.

     Das Sch. ist doch durch seine Regeln definiert.


     

     Muss ich nicht sagen: “Ich weiss, dass ich die Absicht hatte, denn
ich habe mir gedacht ‘jetzt komme ich endlich zum Schachspielen’” oder
etc. etc..
     

[Zu: S. 354

     Es würde sich mit der Absicht in diesem Sinne auch vollkommen vertra-
gen, wenn ich beim ersten Zug darauf käme, dass ich alle Schachregeln ver-
gessen habe, und zwar so, dass ich nicht etwa sagen könnte “ja, als ich
den Vorsatz hatte // fasste//, da hatte // habe// ich sie noch gewusst”.

     

     Es wäre wichtig, den Fehler allgemein auszudrücken, den ich in allen
diesen Betrachtungen zu machen neige //geneigt bin//. Die falsche Analo-
gie, aus der er entspringt.


     Ich glaube, jener Fehler liegt in der Idee, dass die Bedeutung eines
Wortes eine Vorstellung ist, die das Wort begleitet.
     Und diese Conception hat wieder mit der des Bewusst-Seins zu tun.
// Und diese Conception steht wieder … in Verbindung.// Dessen, was
ich immmer “das Primäre” nannte.
     

Zu S. 223

     Es stört uns quasi, dass der Gedanke eines Satzes in [m|k]einem Moment ganz
vorhanden ist. Hier sehen wir, dass wir den Gedanken mit einem Ding ver-
gleichen, welches wir erzeugen, und das wir nie als Ganzes besitzen; son-
dern, kaum entsteht ein Teil, so verschwindet ein andrer. Das hat gewisser-
massen
etwas unbefriedigendes, weil wir – wieder durch eine Erklärung //ein
Gleichnis// verführt – uns etwas Anderes erwarten.

     

[Zu: S. 354

     Der Spieler, der die Intention hatte, Schach zu spielen, hatte sie schon
dadurch, dass er zu sich etwa die Worte sagte “jetzt wollen wir Schach
spielen”. Und etwa durch gewisse Gefühle die die Worte begleiteten.

14
155
spielen”.

      Ich will sagen, dass das Wort “Schach” eben auch (nur) ein Stein in
einem Kalkül Spiel istˇ das wir ˇ fortlaufend spielen. Wird der Kalkül beschrieben, so müssen wir die Regeln
tabulieren //tabuliert vor uns haben//, wird er aber angewandt, so wird
jetzt gemäss der einen, dann gemäss der andern Regel vorgegangen, dabei
kann uns ihr Ausdruck vorschweben, oder auch nicht.
     

     Muss denn dem, der das Wort “Schach” gebraucht, eine Definition des
Wortes vorschweben? Gewiss nicht. – Gefragt, was er unter “Schach” ver-
steht, wird er erst eine geben. Diese Definition ist selber ein bestimm-
ter Schritt in/seinem Kalkül im Kalkulieren. […ist (selber) eine Handlung im Kalkül, den wir betreiben.]
     

     Wenn ich ihn aber nun fragte: Wie Du das Wort ausgesprochen hast, was
hast Du damit gemeint? – Wenn er mir darauf antwortet: “ich habe das Spiel
gemeint, das wir so oft gespielt haben etc.. etc.”, so weiss ich, dass
ihm diese Erklärung in keiner Weise beim Gebrauch des Wortes vorgeschwebt
hatte, und dass seine Antwort meine Frage nicht in dem Sinn beantwor-
tet, dass sie mir sagt, was, quasi, “in ihm vorging // vorgegangen ist//”,
als er dieses Wort sagte.
     

     Statt “ich habe das Spiel gemeint, welches …” hätte
ich auch sagen können: ich setze jetzt statt des Wortes
Schach daß das ich früher vorhin gebraucht habe den Ausdruck:
“das Spiel, was wir so oft …”.
     
     Denn die Frage ist eben, ob unter der “Bedeutung, in der man ein Wort
gebraucht” ein Vorgang verstanden werden soll, den wir beim Sprechen oder
Hören des Wortes erleben.
     


      Die Quelle des Fehlers scheint die Idee vom Gedanken zu sein,
der ist der Begriff vom Gedanken, der …… <Die Quelle der Verwirrung ist vielleicht der Begriff ……> den Satz begleitet. (Oder der seinem Ausdruck voran-
geht.) Dem Wortausdruck kann natürlich ein andrer Ausdruck vorangehen, aber
für uns kommt der [u|U]nterschied // Artunterschied// dieser beiden Ausdrük-
ke – oder Gedanken – nicht in Betracht.
Und es kann der Gedanke unmittel-
15
156
bar in seiner Wortform gedacht werden.

     
     Man könnte sagen: auf die Aussage “dieser Satz hat Sinn” kann man nicht
wesentlich fragen “welchen?” So wie man jach auch auf den Satz “diese Worte
sind ein Satz” nicht fragen kann “welcher?”


     (“Er hat diese Worte gesagt, sich aber dabei gar nichts gedacht.” –
“Doch, ich habe mirch etwas dabei gedacht”. – “Und zwar was denn?” – “Nun,
das, was ich gesagt habe”.)

     

     “Dieses Wort hat doch eine ganz bestimmte Bedeutung”. Wie ist sie denn
(ganz) bestimmt?
     

Zu S. 224

     ”Ich habe etwas bestimmtes damit gemeint, als ich sagte …”. – “Wann
hast Du es gemeint und wie lange hat es gebraucht. Und
hHast Du bei jedem
Wort etwas anderes gemeint, oder während des ganzen Satzes dasselbe?”

Zu S. 224
(Uebrigens komisch, dass, seltsam: wenn man bei jedem – sagen wir, deutschen –
Wort etwas meint, ˇ daß eine Zusammenstellung solcher dieser Wörter Unsinn sein kann!)
     

     “Ich meine aber doch mit diesen Worten etwas”. Gewiss: im Gegensatz z.B.
etwa
zu dem Falle, wo ich nichts meine, wo ich etwa Silben ihres komischen
Klangs wegen aneinander reihe.
     Ich will eigentlich sagen, dass ‘ich meine etwas mit den Worten’ nur
heisst: ich unterscheide doch diesen Fall von dem des sinnlossen Plapperns
etc.. Und das ist zugegeben. Aber es ist damit noch keine besondere Theorie
des Meinens gegeben.
     

     Und so geht es in allen solchen Fällen. Wenn etwa jemand sagt: “aber
ich meine doch wirklich, dass der Andere Zahnschmerzen hat; nicht, dass er
16
157
sich bloss so benimmt”. Immer muss man antworten: “Gewiss” und zugeben,
dass auch wir diese Unterscheidung machen müssen. //dass diese Unterschei-
dung besteht.//
     


      “Jetzt

     “Jetzt sehe ich's erst, er zeigt immer auf die Leute, die dort vorüber-
gehen”. Er hat ein System verstanden: wie Einer, dem ich die Ziffern
1, 4, 9, 16 zeige und der sagt “ich versteh' jetzt das System, ich kann
jetzt selbst weiterschreiben”. Aber was ist diesem Menschen geschehen, als
er das System plötzlich verstand?
     

     Es handelt sich beim Verstehenˇ, meinen, nicht um einen Akt des momentanen, sozu-
sagen
ch nicht diskursiven, Erfassens der Grammatik. Als könnte man sie gleich-
sam auf einmal herunterschlucken.
     

     Das also, was der macht tut, der auf einmal die Bewegung des Andern deutet das Zeichen, das ihm der Andere gegebenˇ hat, versteht
(ich sage nicht “richtig deutet”), ist ein Schritt in einem Kalkül. Er
tut ungefähr was er sagt, wenn er seinem Verständnis seiner Deutung Ausdruck
gibt. – Und das ist ja immer unser Prinzip –. Und wenn ich sage “was er
macht, ist der Schritt eines Kalküls”, so heisst das, dass ich diesen Kal-
kül schon kenne; in dem Sinne, in dem ich die deutsche Sprache kenne, oder
das Ei[i|n]maleins.
     Welche ich ja auch nicht so in mir habe, als wäre wären die ganze deutsche
Grammatik und die Einmaleins-Sätze zusammengeschoben auf Eetwas, was man
auf einmal, als Ganzes, erfassen kann. //was ich nun auf einmal, als Gan-
zes, besitze.//
     

     Gewiss, der Vorgang des “jetzt versteh' ich …!” ist ein ganz spezi-
17
158
fischer, aber es ist eben auch ein ganz spezifischer Vorgang, wenn wir
auf einen bekannten Kalkül stossen, wenn wir “weiter wissen”.
     Aber dieses Weiter-Wissen ist eben auch diskursiv (nicht intui-
tiv
).

     


Zu S. 223

     Intuitives Denken, das wäre so, wie eine Schachpartie auf die Form eines
dauernden, gleichbleibenden Zustandes gebracht. (ebenso undenkbar).

18
159
     

39
Die grammatischen Regeln – und die Bedeutung eines Wortes.
Ist die Bedeutung, wenn wir sie verstehen, ‘auf einmal’ erfasst: und in
den grammatischen Regeln gleichsam ausgebreitet?
     






     Und doch ist noch etwas unklar //nicht klar//, was sich z.B. in der
dreifachen Verwendung des Wortes ‘ist’ zeigt. Denn, was heisst es, wenn
ich sage, dass im Satz ‘die Rose ist rot’ das ist eine andere Bedeutung
hat, als in ‘zweimal zwei ist vier’? Wenn man sagt, es heisse, dass ver-
schiedene Regeln von diesen beiden Wörtern gelten, so muss man zunächst
sagen, dass wir hier nur ein Wort haben. Zu sagen aber: von diesem
gelten in einem Fall die Regeln, im anderen jene, ist Unsinn.
     Und das hängt wieder mit der Frage zusammen, wie wir uns denn aller Re-
geln bewusst sind, wenn wir ein Wort in einer bestimmten Bedeutung gebrau-
chen, und doch die Regeln die Bedeutung ausmachen?
     

     Wenn ich nun aber das Wort “ist” betrachte: Wie kann ich hier zwei ver-
schiedene Anwendungsarten unterscheiden, wenn ich nur auf die grammati-
schen Regeln sehe //achte//? Denn diese erlauben ja eben die Verwendung
des Wortes im Zusammenhang “die Rose ist rot” und “zweimal zwei ist vier”.
An diesen Regeln sehe ich nicht, dass es sich um zwei verschiedene Wörter
19
160
handelt // dass wir hier zwei verschiedene Wörter haben//. – Ich ersehe
es aber z.B. wenn ich versuche, in beiden Sätzen statt “ist” “ist gleich”
zu setzen // einzusetzen// (oder auch den Ausdruck “hat die Eigenschaft”).
Aber nur wieder, weil ich für den Ausdruck “ist gleich” die Regel kenne,
dass er in “die Rose …rot” nicht eingesetzt werden darf //nicht stehen
darf//.
     

     Wenn ich mich weigere ein Wort, z.B. das Wort ‘ist gleich’ in zwei Zu-
sammenhängen zu gebrauchen, so ist der Grund das, was wir mit den Worten
beschreiben “das Wort habe in den beiden Fällen verschiedene Bedeutung”.
//das Wort werde in diesen Fällen in verschiedenem Sinn gebraucht.//

     
Ib      Kann ich nun aber das, was die grammatischen Regeln von einem Worte sa-
gen, auch anders beschreiben, nämlich durch die Beschreibung des Vorgangs,
der beim Verstehen des Wortes stattfindet?

     

Ic      Wenn also die Grammatik – z.B. – die Geometrie der Verneinung ist, kann
ich sie durch eine Beschreibung dessen ersetzen, was bei der Verwendung
sozusagen hinter dem Wort ‘nicht’ steht?
     

     Aber so eine Beschreibung wäre doch – wie gesagt – ein Ersatz des Wor-
tes //für das Wort// ‘nicht’, etwa wie
und könnte die Grammatik
nicht ersetzen. (?)
     

Ia      In meiner Darstellung schienen doch die grammatischen Regeln die Aus-
einanderlegung dessen, was ich im Gebrauch des Wortes auf einmal erlebe. Sind die grammatischen Regeln die Auseinanderlegung dessen, was … erlebe? < Es können die grammatischen Regeln als die Auseinanderlegung dessen
erscheinen ……
> Sozusagen (nur?) Folgen, Aeusserungen, der Eigenschaften, die ich beim Ver-
20
161
stehen auf einmal erlebe. erlebe? Das muss natürliche ein Unsinn sein.

     

Id      Man würde ja geradezu möchte sagen: die eine Verneinung hat die Eigenschaft, dass
sie verdoppelt eine Bejahung ergibt zu ergeben. (Etwa wie: Eisen hat die Eigenschaft,
mit Schwefelsäure Eisensulfat zu geben.)
Während die Regel die Verneinung
nicht näher beschreibt, sondern konstituiert.

     

     Dass wir dieses Wort dieser Regel gemäss gebrauchen, das dafür einsetzen
etc., damit dokumentieren wir, wie wir es meinen.
     

     “Wie ich einen Körper durch seine verschiedenen Ansichten geben kann
und er mit diesen äquivalent ist, so offenbart sich die Natur der Negation
in den verschiedenen, grammatisch erlaubten Anwendungen des Negationszei-
chens.”

     
Ib      ”Die doppelte Negation gibt eine Bejahung”, das klingt so wie: Kohle
und Sauerstoff gibt Kohlensäure. Aber in Wirklichkeit gibt die doppel-
te Negation nichts, sondern ist etwas.
     

Ia      ”Wer die Negation versteht, der weiss, dass die doppelte Negation …”

     

Ic      Es täuscht uns da etwas eine physikalische Tatsache vor.
     So, als sähen wir ein Ergebnis des logischen Prozesses.
Während das Ergebnis nur das des physikalischen Prozesses ist.

     
If      Das Wort ‘nicht’ in der grammatischen Regel hat keine Bedeutung, sonst
könnte das nicht von ihm ausgesagt werden.
     

Ie      Die Negation hat keine andere Eigenschaft, als etwa die, in gewissen
21
162
Sätzen, die Wahrheit zu ergeben.
     Und ebenso hat ein Kreis die Eigenschaft, da oder dort zu stehen, diese
Farbe zu haben, von einer Geraden tatsächlich geschnitten zu
werden; aber nicht, was ihm die Geometrie zuzuschreiben scheint. (Nämlich
diese Eigenschaften haben zu können.)

     

     Was heisst es: “Dieses Papier ist nicht schwarz und ‘nicht’ ist hier in
dem Sinne //ist hier so// gebraucht, dass eine dreifache Verneinung eine
Verneinung ergibt”? Wie hat sich denn das im Gebrauch geäussert?
     Oder: “Dieses Papier ist nicht schwarz und zwei von diesen Verneinungen
geben eine Bejahung”. Kann ich das sagen?
     Oder: “Dieses Buch ist rot und die Rose ist rot und die beiden Wörter
‘rot’ haben die gleiche Bedeutung”. (Dieser Satz ist von gleicher Art wie die
beiden oberen.) Was ist denn das für ein Satz? ein grammatischer? Sagt er et-
was über das Buch und die Rose?
     Ist der Zusatz zum Verständnis des ersten Satzes nicht nötig, so ist er Un-
sinn, und wenn nötig, dann war das erste noch kein Satz; und dasselbe gilt in
den oberen Fällen.
     

     “Dass 3 Verneinungen wieder eine Verneinung ergeben, muss doch schon in der
einen Verneinung, die ich jetzt gebrauche, liegen”. Aber deute ich hier nicht
schon wieder? (D.h. bin ich nicht im Begriffe, eine Mythologie einen Mythus zu erfinden?)
     
     Aber können wir die Berechtigung dieser Regel nicht einsehen, wenn wir
die Verneinung verstehen? Ist sie nicht eine Folge aus dem Wesen der Ver-
neinung? Sie ist nicht eine Folge, aber ein Ausdruck dieses Wesens.
     

     Was wir sehen, wenn wir einsehen, dass eine doppelte Verneinung etc. …
muss von der Art dessen sein, was wir im Zeichen
wahrnehmen. (?)
     

     Die Geometrie spricht aber so wenig von Würfeln, wie die Logik von der
Verneinung.

     (Man möchte hier vielleicht einwenden, dass die Geometrie vom Begriff
des Würfels und die Logik vom Begriff der Negation handelt. Aber diese Be-
griffe gibt es nicht.)
     

     Man kann einen Würfel– ich meine das Wesentliche des Würfels – nicht , aber nicht die Würfelform
beschreiben. Aber kann ich denn nicht beschreiben, wie man z.B. eine Kiste
macht? und ist damit darin nicht eine Beschreib[j|u]ng des eines Würfels der Würfelform gegeben? enthalten? Das We-
sentliche am Würfel ist damit nicht beschrieben, das steckt vielmehr in der
Möglichkeit dieser Beschreibung, d.h. darin, dass sie eine Beschreibung
ist; nicht darin, dass sie zutrifft.
     

     Nun kann ich doch aber sagen: “Ich sehe die Figur
3-dimensional”. Aber dieser Satz entspricht der Be-
schreibung einer Kiste. Er beschreibt einen bestimmten Würfel, nicht die
Würfelform. Freilich kann ich das Wort “Würfelform” definieren. D.h. Zei-
chen geben, durch die es ersetzt werden kann. darf.
     

Zu S. 91

     Man kann eine geometrische Figur nicht be[w|s]chreiben. Auch die Gleichung
beschreibt sie nicht, ?–sondern vertritt sie durch die Regeln, die von ihr
gelten–?.
23
164


     

Zu S. 91

     Und haben wir hier nicht das Wort “Figur” so angewendet //angewandt//,
wie in unseren Betrachtungen so oft das Wort “Gedanke” oder “Symbol”? Die
Art der Anwendung dieses Wortes, von welcher ich sagte, es bedeute dann kein
Phänomen, sondern sei quasi ein unvollständiges Zeichen //Symbol// und ent-
spreche eher einer Funktion.
     

     Man kann auch nicht sagen, die Würfelform habe die Eigenschaft, lauter
gleiche Seiten zu besitzen. Wohl aber hat ein Holzklotz diese Eigenschaft.
(Noch hat “die Eins die Eigenschaft, zu sich selbst addiert, zwei zu erge-
ben”.)
     

     Ich sagte doch: Es schien, als wären die grammatischen Regeln die ‘Folgen
in der Zeit’ dessen, was wir in einem Augenblick wahrnehmen, wenn wir eine
Verneinung verstehen.
     Und als gebe es also zwei Darstellungen des Wesens der Verneinung: Den
Akt (etwa den seelischen Akt) der Verneinung selbst, und seine Spiegelung in
dem System der Grammatik.
     

     Man ist versucht zu sagen //könnte sagen//: die Gestalt eines Würfels
wird doch sowohl durch die Grammatik des Wortes “Würfel[|], als auch durch ei-
nen Würfel, dargestellt.
     

     In “non-p & (non-non-p = p)” kann der zweite Teil nur eine Spielregel
sein.
     

     <> Wenn Du weißt was ich mit einer halben Drehung meine
so wirst Du verstehen daß zwei halbe Drehungen einander
aufheben.
Es hat den Anschein, als könnte man aus der Bedeutung der Negation
schliessen, dass non-non-p, p heisst.
     

     Als würden aus der Natur der Negation die Regeln über das Negationszeichen
folgen.

24
folgen.

     So dass, in gewissem Sinne, die Negation zuerst vorhanden wäre ist und dann
die Regeln der Grammatik.
     

     Es ist also, als hätte das Wesen der Negation einen zweifachen Ausdruck
in der Sprache: Dasjenige, was ich sehe, wenn ich die Negation verstehe,
und die Folgen dieses Wesens in der Grammatik.
     

     Zu sagen, dass eine Vierteldrehung ein Quadrat mit sich selbst zur Deckung
bringt, heisst doch offenbar nichts andres als: Das Quadrat ist um ?
zwei zueinander senkrechte Achsen symmetrisch, und das wieder, dass es Sinn
hat, von zwei senkrechten Achsen zu reden, ob sie vorhanden sind oder nicht.
Dies ist ein Satz der Grammatik.
     

     Die Schwierigkeit ist wieder, dass es scheint, es so scheinen kann, als wäre in einem Satz,
deretwa , z.B., das Wort ‘Quadrat’ ‘Kugel’ enthält, schon der Schatten eines andern Satzes
mit diesem Worte enthalten. anderer Sätze, die mit diesem Wort gebildet sind, enthalten. – Nämlich eben die Möglichkeit je-
nen anderen Satz <…> Sätze zu bilden, die ja, wie ich sagte, im Sinn des Wortes ‘Qua-
drat’ liegt.
     Und doch kann man eben nur sagen, der andere Satz ist nicht mit diesem
ausgesprochen, auch nicht schattenhaft. nicht in einer schattenhaften Weise. (Und wird vielleicht nie ausgespro-
chen werden.)
Siehe: S 144/2
     


      Statt der Betrachtung der Negation, könnte ich auch die eines Pfeiles
setzen und z.B. sagen: wenn ich ihn zweimal um 180o drehe, zeigt er wieder,
wohin er jetzt zeigt: welcher Satz dem non-non-p = p entspricht. Wie ist
es nun hier mit der Darstellung des Wesens dieses Pfeils durch die Sprache?
Jener Satz muss doch unmittelbar von diesem Wesen abgeleitet //abgelesen//
sein und es also darstellen.
25
darstellen.
      Oder nehmen wir den Fall eines Quadrats und eines Rechtecks und die Sät-
ze, dass das Quadrat durch eine Vierteldrehung mit sich selbst zur Deckung
gebracht werden kann; das Rechteck aber erst durch eine halbe Drehung.
     

     Es frägt sich: Was ist das für ein Satz “das Wort ‘ist’ in ‘die Rose ist
rot’ ist dasselbe, wie in ‘das Bu[h|c]h ist rot’, aber nicht dasselbe, wie in
‘zweimal zwei ist vier’? Man kann nicht antworten, es heisse, verschiedene
Regeln gelten von den beiden Wörtern, denn damit geht man im Zirkel. Wohl
aber heisst es, das Wort ist in seinen verschiedenen Verbindungen durch zwei
Zeichen ersetzbar, die nicht für einander einzusetzen sind. Ersetze ich da-
gegen das Wort in den beiden ersten Sätzen durch zwei verschiedene Wörter, so
darf ich sie für einander einsetze[h|n].
     

     Nun könnte ich wieder fragen: sind diese Regeln // ist diese Regel// nur
eine Folge des Ersten: dass im einen Fall die beiden Wörter ‘ist’
die gleiche Bedeutung haben, im andern Fall nicht? Oder ist es so, dass diese
Regel eben der sprachliche Ausdruck dafür ist, dass die Wörter das Gleiche be-
deuten?
     

     Ich will es damit vergleichen ˇIch möchte die Metapher gebrauchen, dass das Wort ‘ist’ einen andern WortBedeutungskörper
hinter sich hat wenn es einmal = einma ε bedeutet //einmal für “ = ” einmal für “ε” steht”. Dass es beide Male die gleiche Fläche Vorderfläche ist, die einem andern
Körper angehört, wie wenn ich ein Dreieck im Vordergrund sehe, das das eine
Mal die Endfläche eines Prismas, das andre Mal eine[w|s] Tetraeders ist.

S. 145/1
     
     Oder denken wir unsd diesen Fall: Wir hätten ganz vollkommen durchsichtige Glaswürfel, deren eine Seite
//Seitenfläche// rot gefärbt wäre. Wenn wir sie aneinander reihen, so w[r|i]rd werden
im Raum nur (eine) ganz bestimmte Anordnungen roter Quadrate entstehen können, be-
dingt durch die Würfelform der Körper. Ich könnte nun die Regel, nach der
26
hier rote Qud Quadrate angeordnet sein können, auch ohne Erwähnung der Würfel
angeben geben, aber in ihr wäre doch bereits das Wesen der Würfelform präjudiziert.
Freilich nicht, dass wir es gläserne Würfel haben sind wohl aber die Geometrie des
Würfels.
     

     Wenn wir nun aber einen solchen Würfel sehen, sind damit wirk-
lich schon alle Gesetze der möglichen Zusammenstellung ge[b|g]eben?! Also die gan
ze
Geometrie[.| ?]
     Kann ich die Geometrie des Würfels von einem Würfel ablesen?
     

     Der Würfel ist dann eine Notation der Regel.
     Und hätten wir eine solche Regel gefunden, so könnten wir sie wirklich
nicht besser notieren, als durch die Zeichnung eines Würfels (und dass es
hier eine Zeichnung tut, ist wieder ungemein wichtig // bedeutsam//).
     

     Und nun ist die Frage: in wiefern wie kann der Würfel Wie aber kann der Würfel ……, oder die Zeichnung (denn
die beiden kommen hier auf dasselbe hinaus //auf eine hinaus//) als Nota-
tion der geometrischen Regeln dienen?


     Doch auch nur, sofern er einem System angehört sofern er als Satz einem System von Sätzen angehört.: nämli[h|c]h der Würfel mit der
einen roten Endfläche wird etwas anderes notieren, als eine Pyramide mit qua-
dratischer roter Basis, etc.. D.h., es wird dasjenige Merkmal der Regeln no-
tieren, worin sich z.B. der Würfel von der Pyramide unterscheidet.
     

     Jedes Zeichen der Negation ist gleichwertig jedem andern, denn
ist ebenso ein Komplex von Strichen, wie das Wort “nicht”, und
zur Negation wird es nur durch die Art, wie es ‘wirkt’. d.h. wie es im Spiel gebraucht wird. Hier aber ist
nicht die Wirkung im Sinne der Psychologie (das Wort ‘Wirkung’ also nicht
kausal) gemeint, sondern die Form seiner Wirkung.

27
     
     Ich möchte sagen: Nur dynamisch wirkt das Zeichen, nicht statisch.
Der Gedanke ist dynamisch.
     

     Dass die Tautologie und Kontradiktion nichts sagen, geht nicht etwa aus dem
W-F-Schema hervor, sondern muss festgesetzt werden. Und die Schemata machen
nur die Form der allgemeinen Festsetzung einfach. //…machen nur die Fest-
setzung der Form leicht. einfach.//



⋎ S. 22/1, 2
     
[Zu S. 93]
< überprüfen>
     Du sagst, das Hinweisen auf einen roten Gegenstand ist das primäre Zeichen
für ‘rot’. Aber das Hinweisen auf einen roten Gegenstand ist nicht mehr, als
die bestimmte Handbewegung gegen einen roten Gegenstand, und ist vorläufig außer in einem System gar
kein Zeichen. Wenn Du sagst, Du meinst: das Hinweisen auf den roten Gegenstand
als Zeichen verstanden – so sage ich: das Verständnis, auf
das es uns ankommt, ist kein Vorgang, der das Hindeuten begleitet (etwa ein
Vorgang im Gehirn) und wenn Du doch so einen Vorgang meinst, so ist dieser an
sich wieder kein Zeichen. ((Die Idee ist hier immer wieder, dass die Meinung,
die Interpretation, ein Vorgang sei, der das Hinweisen begleitet und ihm sozu-
sagen die Seele gibt (ohne welche es tot wäre).
Das scheint besonders dort
so, wo ein Zeichen die ganze Grammatik zusammenzufassen scheint, dass wir sie
aus ihm ableiten könnten., und es scheint, dass daß sie in ihm enthalten wäre, wie
eine <
      Der Würfel scheint seine ganze Gr. zusammenzufassen,
//Es scheint, als ob der Würfel seine ganze Grammatik
zusammenfaßte,// daß wir sie aus ihm ableiten
könnten, daß sie in ihm enthalten wäre, wie die ……
> Perlenschnur in einer Schachtel und wir sie nur herausziehen müssten. < Es scheint hier als ob das Zeichen die ganze Gr. zusam-
menfaßte, daß wir … könnten, & sie in ihm … wäre, die
wir nur herausziehen müßten.
Es scheint hier … zusammenfaßte, daß sie in ihm enthalten
wäre… und wir sie nur ……
>
(Aber dieses Bild ist es eben, was welches uns irreführt.) Als wäre also das Ver-
ständnis ein momentanes Erfassen von etwas, wovon später nur die Konsequen-
zen gezogen werden; und zwar so, dass diese Konsequenzen bereits in einem
ideellen Sinn existieren, ehe sie gezogen wurden.
Als ob also der Würfel – z.
B. –
schon die ganze Geometrie des Würfels enthielte und ich sie nun nur noch auszubreiten habe hätte. Aber welcher Würfel? Der Gesichtswürfel, oder ein Eisen-
würfel? Oder gibt es einen ideellen idealen geometrischen Würfel? – Offenbar schwebt uns der Vor-
gang vor, wenn wir aus einer Zeichnung, Vorstellung (oder einem Modell) Sätze der Geo-
28
metrie abzuleiten. Aber welche Rolle spielt dabei das Modell? Doch wohl die
des Zeichens[:|.] Des Zeichens, welches eine bestimmte Verwendungsart hat und
nur durch dieses bezeichnet. Es ist allerdings interessant und merkwürdig, wie
dieses Zeichen verwendet wird, wie wir, etwa, die Zeichnung des Würfels wieder
und wieder bringen mit immer anderˇen Zutaten. Einmal sind die Diagonalen ge-
zogen, einmal Würfel aneinander gereiht, etc. etc.. Und es ist dieses Zeichen
(mit der Identität eines des Zeichens), welches wir
für jenen Würfel nehmen, in dem die geometrischen Gesetze bereits liegen.
(Sie liegen in ihm so wenig, wie im Schachkönig die Dispositionen, in gewis-
ser Weise benützt zu werden.) ˇ [dazu S. 145/1] Die geometrischen Gesetze konstituie-
ren
den Begriff des Würfels (sie geben eine Konstitution, eine Verfassung).
Was ich seinerzeit über den “Wortkörper” geschrieben habe, ist der klare Aus-
druck des besprochenen Irrtums.))
170
     





Wesen der Sprache.








































171
     
40
Lernen, Erklärung, der Sprache.
Kann man die Sprache durch die Erklärung gleichsam aufbauen, zum
Funktionieren bringen?
     






[Zu § 18 S. 76]

     Wenn ich erkläre “‘non-p’ ist wahr, wenn ‘p’ nicht wahr ist”, so setzt
das voraus, dass ich verstehe, was es heisst, ‘p’ sei nicht wahr. Dann ha-
be ich aber nichts getan als zu definieren:
non-p = ‘p’ ist falsch.

     Es kommt nämlich wesentlich darauf an, dass es nicht möglich ist, das
Zeichen “p” auf der rechten Seite der Definition auszulassen, bezw. durch
ein anderes zu ersetzen (es sei denn wieder durch eine // mit Hilfe einer//
Definition). Solange das nicht möglich ist, kann und muss man auch die
rechte Seite als Funktion auffassen von p, nämlich: ‘()’ ist falsch.

     Das hängt auch damit zusammen, dass ja der Tintenstrich nicht
falsch ist. Wie er schwarz oder krumm ist.
     

Ist es denn richtig zu schreiben ““p” ist falsch”?
Muß es nicht heißen “p ist falsch”?

     

<< Überprüfe
>
Sagt denn “‘p’ ist wahr” etwas über
das Zeichen ‘p’ aus? Man sagt: “ja, es sagt
daß ‘p’ mit der Wirklichkeit überein-
stimmt”. Denken wir uns statt eines gewohnl Satzes
der Wortsprache ein nach einer exakten Projek-
tionsmethode gezeichnetes Bild der betreffen-
den Wirklichkeit. Hier muß es sich gewiß am
deutlichsten zeigen, was “‘p’ ist wahr” von dem
Bild ‘p’ aussagt. Man kann also den Satz
“‘p’ ist wahr” mit dem vergleichen: “Dieser Ge-
genstand hat zweimal die Länge dieses Maß-
ˇMeterstabes” & “p” dem Satz: “dieser Gegenstand
ist 1 m lang”. Aber der Vergleich ist falsch
denn “dieser Meterstab” ist eine Beschreibung
während weil “Meterstab” eine Begriffsbestimmung
ist. Dagegen tritt in “‘p’ ist wahr” der Maßstab
unmittelbar in den Satz ein.
> <‘p’ representiert>
<hier einfach die Länge & nicht den [m|M]eterstab Stab.> <Denn
p die projizierte Figur ist ja auch gar nicht
wahr außer nach einer bestimmten Projek-
tionsmethode die den MeterMaßstab zu einem rein-geometrischen Anhängsel der gemessenen Strecke
macht.
>
     

     Wenn ich also auch dem Schriftzug “p” den Namen A gebe und daher schrei-
be: “non-p = A ist falsch”, so hat das nur einen Sinn, d.h. die rechte Sei-
te kann nur verstanden werden, wenn A für uns als Satzzeichen
steht. Dann aber ist nichts gewonnen: zum mindesten keine Erklärung
172
des Mechanismus der Negation.
     

     Und dasselbe muss der Fall sein, wenn man erklärt, “(x).fx” sei wahr,
wenn f( ) für alle Substitutionen wahr ist. < Jeder dieser beiden Sätze folgt aus dem anderen,
drum sind sie identisch.
>
Man muss auch dazu schon den lo-
gischen Mechanismus der Verallgemeinerung verstehen. Es ist (auch) nicht
so, dass man erst ahnungslos ist, und die Verallgemeinerung nun durch die
Erklärung erst zum Funktionieren gebracht wird. Wie wenn man in eine Ma-
schine ein Rad einsetzt und sie dann // nun// erst funktioniert (oder, die
Maschine erst in zwei getrennten Teilen da ist und sie nun erst durch das
Zusammensetzen als diese Maschine funktionieren).
     



     Die Erklärung einer Sprache (der Zeichen einer Sprache) führt uns nur
von einer Sprache in eine andere.

⋎ S. 2/3 & S 3/1
     
     Wie schaut die Erklärung eines Zeichens aus? Das müsste doch eine für
die Sprache ausserordentlich wichtige Form sein, sei dieser Behelf nun ein
Satz oder nicht.
     

     Denken wir uns eine Sprache, in der ich “A ist grösser als B” nicht nur
so ausdrücke: “ist grösser als”, sondern in der ich auch statt des
Wortes “grösser” eine Geste mache, die die Bedeutung des Wortes zeigt. –
Wie könnte ich nun so eine Sprache erklären? (Wie könnte ich die Zeichen so
einer Sprache erklären?) Und würde ich nun noch das frühere Bedürfnis nach
einer Erklärung fühlen?
     Eine Erklärung für die Bedeutung eines Zeichens tritt an Stelle des er-
klärten Zeichens.
173
     

     Auch das Kind lernt in diesem Sinne // durch Erklärungen// nur ei-
ne Sprache vermittels einer anderen. Die Wortsprache durch die Gebärden-
sprache.
     

     Die Gebärdensprache ist eine Sprache und wir haben sie nicht –
im gewöhnlichen Sinne – gelernt. Das heisst: sie wurde uns nicht geflissent-
lich gelehrt. – Und jedenfalls nicht durch Zeichenerklärungen.
     

[Zu S. 201]

     Man kann sich das Lernen einer Sprache in anderm Sinne aber analog dem
Fingerhutsuchen vorstellen, wo die gewünschte Bewegung durch “heiss, heiss”,
“kalt, kalt” herbeigeführt wird. Man könnte sich denken, dass der Lehrende
statt dieser Worte auf irgendeine Weise (etwa durch Mienen) angenehme und
unangenehme Empfindungen hervorruft, und der Lernende nun dazu gebracht
wird, die Bewegung auf den Befehl hin auszuführen, die regelmässig von
der angenehmen Empfindung begleitet wird (oder zu ihr führt). Abrichten



     

     Verbindung von Wort und Sache durch die Erklärung // das Lehren der
Sprache// hergestellt. Was ist das für eine Verbindung, welche Art? Was
für Arten von Verbindungen gibt es?
     Eine elektrische, mechanische, psychische Verbindung kann funktionieren
oder nicht funktionieren: Anwendung auf die Verbindung, die die Worterklä-
rung herstellt.
     

     Die Zuordnung von Gegenstand und Name ist keine andere, als die durch
die Worte “das ist …” oder eine Tabelle erzeugte etc.. Sie ist ein Teil
des Symbolismus. Es ist daher unrichtig, die Beziehung von // zwi-
schen// Name und Gegenstand sei eine psychologische.
     

     Das Wort ‘Teekanne’ hat doch Bedeutung; gewiss, im Gegensatz zum Worte
174
‘Abracadabra’, nämlich in der deutschen Sprache. Aber wir könnten ihm na-
türlich auch eine Bedeutung geben; das wäre ein Akt ganz analog dem, wenn
ich ein Täfelchen mit der Aufschrift ‘Teekanne’ an eine Teekanne hänge. Aber
was habe ich hier anders als eine Teekanne mit einer Tafel, auf der Striche
zu sehen sind? Also wieder nichts logisch Interessantes. Die Festsetzung
der Bedeutung eines Wortes kann nie (wesentlich) anderer Art sein.
175
     


41
Wie wirkt die einmalige Erklärung der Sprache, das Verständnis?
     






     [B|V]ielleicht ist die eigentliche Schwierigkeit die: dass ich das Wort
“rot” erkläre, indem ich auf etwas Rotes zeige und sage “das ist rot”,
während doch dieses Rote später meinem Blick entschwindet. Und nun s[d|c]hein-
bar etwas Anderes an seine Stelle tritt (die Erinnerung oder
[d|w]ie man es heissen mag).
     

     “Also so wird dieses Wort gebraucht!” Aber wie bewahre ich denn
dieses So in der Erinnerung?
     

     Das Lernen der Sprache Die Weise des Lernens der Sprache …… ist <Die (Art &) Weise, wie wir die Sprache lernten lernen, ist ……> in ihrer Benützung // ihrem Gebrauch//
nicht en enthalten. (Wie die Ursache eben nicht in ihrer Wir-
kung.)
     

     Ich kann die Regel selbst festsetzen und mich eine die Sprache
lehren. Ich gehe spazieren und sage mir: Wo immer ich einen Baum treffe,
soll mir das das Zeichen sein, bei der nächsten Kreuzung links zu gehen,
und nun richte ich mich nach den Bäumen in dieser Weise (fasse ihre Stel-
lung als einen Befehl auf).
176
     
     Wie kann ich mir vornehmen, einer Regel zu folgen?
     Nicht nur soweit, als ich die Regel ausdrücken kann?
     

     Welche Wirkung hatte nun die hinweisende Erklärung? Hatte sie sozusagen
nur eine automatische Wirkung? Das heisst aber, wird sie nun immer wieder
benötigt, oder hatte sie eine ursächliche Wirkung, wie etwa eine Impfung,
die uns ein für allemal, oder doch bis auf weiteres, geändert hat.
     

     Ich sage “wähle alle blauen Kugeln aus”; er aber weiss nicht, was “blau”
heisst. Nun zeige ich und sage “das ist blau”. Nun versteht er mich und
kann meinem Befehl folgen.
     

     Ich setze ihn in Stand, dem Befehl zu folgen. Was geschieht nun aber,
wenn er in Zukunft diesen Befehl hört? Ist es nötig, dass er sich jener
Erklärung, d.h. des einmaligen Ereignisses jener Erklärung erin-
nert? Ist es nötig, dass das Vorstellungsbild die des blauen Gegenstands
oder eines blauen Gegenstands vor seine Seele tritt? Alles das scheint
nicht nötig zu sein, obwohl es möglicherweise geschieht. Und doch
scheint das Wort “blau” jetzt einen anderen Aspect für ihn zu haben, als
da es ihm noch nicht erklärt war. Es gewinnt gleichsam Tiefe.
     

     In wiefern hilft die hinweisende Erklärung “das ist ‘rot’” zum Ver-
ständnis des Wortes.
     (Sie ‘hilft’ gar nicht, sondern ist eben eine der symbolischen
Regeln für den Gebrauch des Wortes ‘rot’.)
     



     Eine Erklärung kann nicht in die Ferne wirken. Ich meine: sie wirkt nur,
177
wo sie angewandt wird. Wenn sie ausserdem noch eine “Wirkung” hat, dann
nicht die als Erklärung.
     

     Ist es so, dass eine Erklärung, eine Tabelle ˇ z.B., zuerst so gebraucht werden
kann wird, dass man sie “nachschlägt”; dass man sie dann gleichsam im Kopf nach-
schlägt, d.h., sie sich vor das innere Auge ruft (oder dergleichen); und
dass man endlich ohne diese Tabelle arbeitet, also so, als wäre sie nie da
gewesen. In diesem letzten Fall spielt man alsoˇ offenbar ein anderes Spiel. Denn es
ist nun nicht so, dass jene Tabelle ja doch im Hintergrund steht und man
immer auf sie zurückgreifen kann;
sie Die Tabelle ist aus unserm Spiel ausgeschieden
und wenn ich auf sie zurückgreife, so tue ich, was der Erblindete tut, der
etwa auf den Tastsinn zurückgreift. Eine Erklärung ist das Anlegen // die
Konstruktion // Anfertigung// das Anfertigen einer Tabelle und sie die Erklärung wird Geschichte, wenn
ich die Tabelle nicht mehr benütze. Eine Erklärung fertigt eine Tabelle
an und sie wird zur Geschichte, wenn ……
     

     Ich muss unterscheiden zwischen den Fällen: wenn ich mich einmal nach
einer Tabelle richte, und ein andermal in Uebereinstimmung mit der Tabelle
(der Regel, welche die Tabelle ausdrückt) handle, ohne die Tabelle zu be-
nützen. – Die Regel, deren Erlernung uns veranlasste, jetzt so und so zu
handeln, ist als Ursache unserer Handlungsweise Geschichte. als ihre Gesch Vorgeschichte und (für uns) oh-
ne Interesse.
<… ohne Interesse für uns.> Sofern sie aber eine allgemeine Beschreibung unserer Hand-
lungsweise ist, ist sie eine Hypothese. Es ist [d|D]ie Hypothese, dass diese
zwei Leute, die am //über dem // Schachbrett sitzen, so und so handeln wer-
den (wobei auch ein Verstoss gegen die Spielregeln unter die Hypothese
fällt, denn diese sagt dann etwas darüber aus, wie sich die Beiden benehmen
werden, wenn sie auf diesen den Verstoss aufmerk[d|s]am werden)
. Die Spieler kön-
nen aber die Regel auch benützen, indem sie in jedem besonderen Fall nach-
schlagen, was zu tun ist; hier tritt die Regel in die Spielhandlungˇen selbst
178
ein und verhält sich zu ihr ihnen nicht, wie eine Hypothese zu ihrer Bestätigung.
“Hier gibt es aber eine Schwierigkeit. Denn der Spieler, welcher ohne Be-
nützung des Regelverzeichnisses spielt, ja, der nie eins gesehen hätte,
könnte dennoch, wenn es verlangt würde, ein Regelverzeichnis anlegen und
zwarˇ meine ich nicht – behaviouristisch – indem er durch wiederholte Beobachtung fest-
stellte, wie er in diesem und in jenem Fall gehandelt hat //handelt//,
sondern, indem er, vor einem Zug stehend, sagt: ‘in diesem Fall zieht
man so
’”. – Aber, wenn das dies so ist, so zeigt es doch nur, dass er unter
gewissen Umständen eine Regel aussprechen wird, nicht, dass er von ihr beim
Zug (expliciten) Gebrauch gemacht hat. Dass er ein Regelverzeichnis anlegen
würde // wird //, wenn man es verlangte verlangt, ist eine Hypothese und wenn man ei-
ne Disposition, ein Vermögen, ein Regelverzeichnis anzulegen annimmt, so
ist es eine psychische Disposition auf gleicher Stufe mit einer physiologi-
schen. Wenn gesagt wird, diese Disposition charakterisiert den Vorgang des
Spiels, so charakterisiert sie ihn als einen psychischen oder physiologi-
schen, was er tatsächlich ist. (Im Staudium des Symbolismus gibt es keinen
Vordergrund und Hintergrund, nicht ein sichtbares //greifbares// Zeichen
und ein es begleitendes unsichtbares // ungreifbares// Vermögen, oder Ver-
ständnis.)
     

Zu § 13 S. 46

     Wie wirkt nun die hinweisende Erklärung? Sie lehrt den Gebrauch eines
Zeichens; und das Merkwürdige ist nur, dass sie ihn auch für die Fälle zu
lehren scheint, in denen ein Zurückgehen auf das hinweisende Zeichen nicht
möglich ist. Aber geschieht das nicht, indem wir, quasi, die in der hinwei-
senden Definition gelernten Regeln in bestimmter Weise transformieren?
< Ich gebrauche eine mache von einer Zeichenerklärung Gebrauch für Trans-
formationen, deren Paradigma sie mir gibt. sie ist.
>
(Wenn z.B. der Mann, der mir vorgestellt wurde, abwesend ist und ich nun
trotzdem seinen Namen gebrauche, dessen Gebrauch mir durch die Vorstellung –

hinweisende Erklärung – erklärt wurde.) Wenn ich ihn nun brauche, in
wiefern mache ich da von der hinweisenden
Erklärung Gebrauch
? Offenbar nicht in der Weise, in wel-
179
cher ich in der Anwesenheit des Menschen von ihr Gebrauch machen konnte.

Es gibt ein Spiel, worin ich immer statt des Namens das hinweisende Zeichen
geben kann, und eins, in welchem das nicht mehr möglich ist. (Und wir müssen
nur daran festhalten, dass die Erklärung, als fortwirkende Ursache
unseres Gebrauchs von Zeichen, uns nicht interessiert, sondern nur, sofern
wir von ihr in unserm Kalkül Gebrauch machen können.) Eine Schwierigkeit
// Es macht eine Schwieri[k|g]keit // in der Erklärung des Gebrauchs der hinwei-
senden Definition macht es dass wir Definition, dass wir verschiedene Kriterien der Identität
anwenden (also das Wort Identität “identisch” in verschiedener Weise gebrauchen), je
nachdem, ob ein Ding sich vor unsern Augen bewegt, oder unserm Blick ent-
schwindet und vielleicht wieder erscheint. Das ist wichtig, denn für den
zweiten Fall gibt uns die hinweisende Definition eigentlich nur ein Muster
Muster und tut nur, was auch der Hinweis auf ein Bild tut. Das drückt
sich darin aus, dass die gegebene hinweisende Erklärung nichts nützt, wenn Denn die gegebene hinw. Erkl. nützt nichts, wenn ……
wir vergessen haben, wie der Mensch, auf den gezeigt wurde, aussah.

     

     Es ist möglich, dass Einer die Bedeutung des Wortes “blau” vergisst. Was
hat er da vergessen?: Wie äussert sich das?

     Da gibt es verschiedene Fälle: . Er zeigt etwa auf verschieden gefärbte
Täfelchen und sagt: “ich weiss nicht mehr, welche von diesen man ‘blau’
nennt”. Oder aber, er weiss überhaupt nicht mehr, was das Wort //es// be-
deutet, und nur, dass es ein deutsches Wort ist // ein Wort der deutschen
Sprache ist//.
     Wenn wir ihn nun fragen: “weisst Du, was das Wort ‘blau’ bedeutet”, und
er sagt “ja”; da konnte er verschiedene Kriterien anwenden, um sich “zu
überzeugen”, dass er die Bedeutung wisse. (Denken wir wieder an die entspre-
chenden Kriterien dafür, dass er das Alphabet hersagen kann.) Vielleicht
rief er sich ein blaues Vorstellungsbild vor die Seele, vielleicht sah er
nach einem blauen Gegenstand im Zimmer, vielleicht fiel ihm das englische
Wort “blue” ein, oder er dachte an einen “blauen Fleck”, den er sich geholt
180
hatte, etc., etc..

     Wenn nun gefragt würde: wie kann er sich denn zur Probe seines Ver-
ständnisses ein blaues Vorstellungsbild vor die Seele rufen, denn, wie
kann ihm das Wort ‘blau’ zeigen, welche Farbe aus dem Farbenkasten seiner
Vorstellung er zu wählen hat, – so ist zu sagen, dass es sich ebenso so
zeigt, es sich so da eben zeigt, dass das Bild vom Wählen, etwa, eines blaues Gegenstands mittels
eines blauen Mustertäfelchens hier unpassend //ungeeignet// ist. Und
der Vorgang eher mit dem zu vergleichen ist, wenn beim Drücken eines
Knopfes, auf dem das Wort “blau” geschrieben steht, automatisch ein blau-
es Täfelchen vorspringt, oder, wenn der Mechanismus versagt, nicht vor-
springt.
     Man könnte nun sagen: Der, welcher die Bedeutung des Wortes “blau”
vergessen hat und aufgefordert wurde, einen blauen Gegenstand aus anderen
auszuwählen, fühlt beim Ansehen dieser Gegenstände, dass die Verbindung
zwischen dem Wort “blau” und jenen Farben nicht mehr besteht (unterbro-
chen ist). Und die Verbindung wird wieder hergestellt, wenn wir ihm die
Erklärung des Wortes wiederholen. Aber wir konnten die Verbindung auf man-
nigfache Weise wieder herstellen: Wir konnten ihm einen blauen Gegenstand
zeigen und die hinweisende Definition geben, oder ihm sagen “erinnere
Dich an Deinen ‘blauen Fleck’”, oder wir konnten ihm das Wort “blue” zu-
flüstern, etc. etc.. Und wenn ich sagte, wir konnten die Verbindung auf
diese verschiedenen Arten herstellen, so liegt nun der Gedanke nahe, dass
ich ein bestimmtes Phänomen, welches ich die Verbindung zwischen Wort
und Farbe, oder das Verständnis des Wortes nenne, auf alle diese ver-
schiedenen Arten hervorgerufen habe; wie ich etwa sage, dass ich die En-
den zweier Drähte durch Drahtstücke verschiedener Länge und Materialien
leitend miteinander verbinden kann. Aber von so einem Phänomen, etwa dem
Entstehen eines blauen Vorstellungsbildes, muss keine Rede sein und das
Verständnis wird sich dann dadurch zeigen, dass er etwa die blaue Kugel
181
aus den andern tatsächlich auswählt, oder sagt, er könne es nun tun, wol-
le es aber nicht; etc., etc. etc.. Wir können dann immer ein Spiel fest-
setzen, welches eine Möglichkeit so eines Vorgangs darstellt, und
müssen nicht vergessen, dass in Wirklichkeit hundert verschiedene und ih-
re Kreuzungen mit den Worten “die Bedeutung vergessen”, “sich an die Be-
deutung erinnern”, “die Bedeutung kennen” beschrieben werden.
     
Siehe auch Notizbuch
182
     




42
Kann man etwas Rotes nach dem Wort “rot” suchen? braucht man ein Bildˇ, ein Erinnerungsbild,
dazu?
Verschiedene Suchspiele.












⋎ S. 23/5
     

     Man könnte eine wesentliche Frage auch so stellen: Wenn ich jemandem
sage “male diesen Kreis rot”, wie entnimmt er aus dem Wort rot, welche
Farbe er zu nehmen hat?
     

     Heisst es etwas, zu sagen, dass das Wort ‘rot’, um ein brauchbares
Zeichen zu sein, ein Supplement – etwa im Gedächtnis – braucht?
      D.h., inwiefern ist es allein nicht Zeichen?
     

     Wenn ich eine Erfahrung mit den Worten beschreibe “vor mir steht ein
blauer Kessel”, ist die Rechtfertigung dieser Worte, ausser der Erfahrung
die in den Worten beschrieben wird, noch eine andere, etwa die Erinne-
rung, dass ich das Wort ‘blau’ immer für diese Farbe verwendet habe, etc.?
     

     Wenn ich jemandem sage “wenn ich läute, komm' zu mir”, so wird er zu-
erst, wenn er läuten hört, sich diesen Befehl (das Läuten) in Worte über-














183
setzen und erst den übersetzten befolgen. Nach einiger Zeit aber wird er
das Läuten ohne Intervention anderer Zeichen in die Handlung übersetzen.
     Und so, wenn ich sage “zeige auf einen roten Fleck”, befolgt er diesen
Befehl, ohne daß ihm dabei zuerst das Phantasiebild eines roten Flecks
als Zeichen für ‘rot’ erscheint.
     

< Der Witz muß sein, daß die Erinnerung (wie das Wissen) dem verglichen
wird was irgendwo aufgeschrieben steht
>
     

     Wenn er läutet, som komme ich zu ihm, ohne mir erst ein Bild meiner
Bewegungen vorzustellen, wonach ich (dann) handle.
     

     Muß er sich daran erinnern, wie er den Befehl gestern befolgt hat?
     Ich kann gewiss sagen: Ich kann auch den ausdrückl. Befehl geben: “Tu jetzt, was Du, Deiner Erinnerung nach, ge-
stern um diese Zeit heute vor einem Jahr getan hast”. Und wenn er sich daran erinnert, kann er
seiner Erinnerung folgen. Erinnert er sich aber nicht, so hat der Befehl
keinen Sinn für ihn.
      < Und wie weiß er dann, was die Worte dieses
Befehls (Tu was Du Deiner Erinnerung nach …) von
ihm wollen – wenn wir annehmen es sei immer
ein Erinnerungsbild das den Worten ihre Bedeu-
tung gibt.
> [D.h. die Erinnerung wirkt automatisch.]
     

< Dies bezieht sich auf den Fall vom Läuten damit jemand
kommt & die Weise wie er die Bedeutung dieses Zeichens
lernt.
     Ich glaube die Frage war: Muß er, wenn er sich das
Läuten nicht in Worte in eine Erklärung übersetzt, sich nicht
nach der Erinnerung an die letzte Befolgung des Befehls
richten?
>
     

[Lösung] ↓

     Wäre dieser Befehl also Dieser Bef. ist also ähnlich wie der: “Tu, was auf dem Zettel in dieser La-
de aufgeschrieben steht”. Wenn in der Lade kein Zettel ist, so ist das
kein Befehl. (Oder denken wir uns, dass auf dem Zettel eine unsinnige sinnlose Wort-
verbindung steht[.|o]der etwa: “Kaufe n Pflaumen & n² + 2n + 2 = 0”.)
     

     Wenn ich jemandem sage “male das Grün Deiner Zimmertür nach dem Ge-
dächtnis”, so bestimmt das, was er zu tun hat, nicht eindeutiger, als der
Befehl “male das Grün, was Du auf dieser Tafel siehst”. Denn er wird
auch im zweiten Fall für gewöhnlich nicht nach der Projectionsmethode fragen.
     

     Wenn es bei der Bedeutung des Wortes “rot” auf das Bild ankommt, das
mein Gedächtnis beim Klang dieses Wortes automatisch reproduziert, so
muss ich mich auf diese Reproduktion gerade so verlassen, als wäre ich
entschlossen, die Bedeutung durch Nachschlagen in einem Buche zu bestim-
men, wobei ich mich diesem Buche, dem Täfelchen, das ich darin fände,
quasi auf Gnade und Ungnade ergeben würde.
184
     

     Ich bin dem Gedächtnis ausgeliefert.
     

     Freilich kann man sagen: das rote Täfelchen ist in Wirklichkeit auch
nicht massgebend, weil das Gedächtnis immer als Kontrolle des Täfelchens
verwendet wird.
     

     Die Frage aber ist: Ist im Falle einer relativen Veränderung der Farbe
des Täfelchens zu meinem Gedächtnis (ein gewagter Ausdruck) in irgend ei-
nem Sinne unbedingt der Deutung der Vorzug zu geben, das Täfelchen habe
sich geändert und ich müsse mich also nach dem Gedächtnis richten? Offen-
bar nein. Uebrigens besagt die ‘Deutung’, das Täfelchen und nicht das Ge-
dächtnisbild habe sich verändert, nichts als eine Worterklärung der Wör-
ter “verändern” und “gleichbleiben”.
     

     Könnte ich behaupten, dass mein Gedächtnis immer etwas nachdunkle?
     Jedenfalls könnte ich sagen: “wähle die Farbe, die Du im Gedächtnis
hast” und auch “wähle eine etwas dunklere Farbe, als die Du im Gedächtnis
hast”. Von einem Nachdunkeln kann man natürlich nur im Vergleich zu Etwas
//etwas andrem// sprechen und es genügt nicht, zu sagen “nun, mit der
Farbe, wie sie wirklich war”, weil hier die besondere Art der Verifikation,
d.h., die (besondere) Grammatik der Worte “wie sie war” noch nicht festge-
legt ist, diese Worte (al[w|s]o) noch mehrdeutig sind.
     

     Mit einem Draht nach einem Kurzschluss suchen: er ist gefunden, wenn es
läutet. Aber suche ich dabei auch nach etwas, was der Idee des Klingelns
gleich ist?
     


      Der Befehl sei: “Stelle Dir einen roten Kreis vor”. Und ich tue es. Wie
185
konnte ich den Worten auf diese Weise folgen?
      Das ist doch ein Zeichen //Beweis// dafür, dass wir den Worten auch
ohne Vorstellungen gehorchen können.
     


            Wie kann ich es rechtfertigen, dass ich mir auf diese
Worte hin diese Vorstellung mache?

[Zu § 77 S. 357[)|]]

     Hat mir jemand die Vorstellung der blauen Farbe gezeigt und gesagt,
dass sie das ist?


     Was heißt denn hier “diese Vorstellung”?
Kann ich denn auf sie zeigen? Dies
hängtˇ unmittelbar mit dem Problem zusammen ‘ob ˇ & woher ich
denn wissen kann ob & was der [a|A]ndre fühlt, sieht etc.’
     

     Es ist also richtig: “Ich erinnere mich daran”, an das, was ich
hier vor mir sehe. Das Bild ist dann in einem gewissen Sinne <…> gegenwärtig
und vergangen.
     

↑      Der Vorgang des Vergleiches eines Bildes mit der Wirklichkeit ist also
der Erinnerung nicht wesentlich.
     

     Es ist instruktiv zu denken, dass, wenn wir mit einem gelben Täfelchen
die Blume suchen, uns jedenfalls nicht die Relation der Farbengleichheit
in einem weiteren Bild gegenwärtig ist. Sondern wir sind mit dem einen
ganz zufrieden.
     

     (So wie wir nicht für einen Augenblick daran dächten, ein Kind die Ge-
bärdensprache zu lehren.)
     

     Ich kann die Bedeutung der Zeichen,
 
 
, durch die Tabelle
erklären; aber diese Tabelle wieder erklären,
indem ich sie so schreibe
 
 

und sie einer anderen entgegenstelle:
 
 

186

     Aber konnte denn auch die erste Erklärung wegbleiben? Gewiss, wenn die
Zeichen , , ,
 
 
uns (etwa) ursprünglich ebenso beigebracht worden
wären, wie die Wörter “Kirche”, “Haus”, “Stadt”. Aber diese mussten uns
doch erklärt werden! – Soweit sie uns überhaupt ‘erklärt’ wurden, geschah
es durch eine Gebärdensprache, die uns nicht erklärt wurde. | – Aber wäre
denn diese Gebärdensprache einer Erklärung fähig gewesen? – Gewiss; z.B.
durch eine Wortsprache.
     

     Denken wir an das laute Lesen nach der Schrift (oder das Schreiben nach
dem Gehör). Wir könnten uns natürlich eine Art Tabelle denken, nach der wir
uns dabei richten könnten. Aber wir richten uns nach keiner. Kein Akt des
Gedächtnisses, nichts, vermittelt zwischen dem geschriebenen Zeichen und
dem Laut.
     

     (Das Wort ‘rot’ ist ein Stein in einem Kalkül und das rote Täfelchen ist
auch einer.)
     

     Es ist ein anderes Spiel, mit einem Täfelchen herumgehen, es an die Ge-
genstände anzulegen und so die Farbengleichheit zu prüfen; und anderseits:
ohne ein solches Muster nach Wörtern in einer Wortsprache handeln.
     Man denkt nun: Ja, das erste Spiel verstehe ich; das ist ja ganz einfach:
Der erste Schritt ist der, von einem geschriebenen Wort auf das gleiche ge-
schriebene Wort des Musters; der zweite ist der Uebergang von dem Wort auf
dem Mustertäfelchen zu der Farbe auf dem gleichen Täfelchen; und
der dritte, das Vergleichen von Farben. Jeden Schritt die[w|s]es Kalküls gehen
wir also auf einer Brücke. (Wir sind geführt, der Schritt ist vorgezeich-
net.)

     Aber wir sind doch hier nur insofern ˇso geführt, als wir unsˇ so führen lassen.
Auf diese Weise ka kann ich alles, und muss ich nichts eine Füh-
rung nennen. –
Und am Schluss tu ich, was ich tue und das ist Alles.
187
Alles.
< Man möchte Gründe & Gründe & Gründe angeben. In dem
Gefühl: wo ein Grund ist, ist alles in Ordnung. // solange
ein Grund das ist, ist alles in Ordnung richtig. Man wir möchten nicht
aufhören zu erklären; & nicht einfach beschreiben. Wie kann
denn das interessant sein, wasˇ eben geschieht, wir wollen doch
nur
uns interessiert doch nur immer die Rechtfertigung
das Warum. Das ist doch nicht Mathematik zu
sagen was <…> die Menschen tun.
>
     Aber ein Unterschied bleibt doch: Wenn ich gefragt werde “warum nennst
Du gerade diese Farbe ‘rot’, so würde ich tatsächlich antworten: weil sie
auf dem gleichen Täfelchen mit dem Wort ‘rot’ steht. Würde ich aber in dem
gleichen Täfelchen mit zweiten Spiel gefragt “warum nennst Du diese Farbe
‘rot’”, so gäbe es darauf keine Antwort und die Frage hätte keinen Sinn. –
Aber im ersten Spiel hat die Frage keinen Sinn: “warum nennst Du die
Farbe ‘rot’, die auf dem gleichen Täfelchen mit dem Wort ‘rot’ steht”. So
handle ich eben (und man kann dafür wohl eine Ursache angeben, aber keinen
Grund). Das Gedächtnis ist jedenfalls nicht immer
die letzte Instanz.


     Bedenke vor allem: Wie weiss man, dass das Täfelchen rot bleibt? Braucht
man dazu wieder ein Bild? Und wie ist es mit dem? etc.. Woran erkennt er
das Vorbild als Vorbild?
     

     “Eine Hauserreihe ist eigentlich unendlich, denn
man könnte immer noch weitere Haüser bauen.”

     (Ein Grund lässt sich nur innerhalb eines Spiels angeben.)
     

     Die Kette der Gründe kommt zu einem Ende und zwar dem Ende in diesem
Spiel //und zwar (an?) der Grenze des Spiels //.
     

<      Und, wenn man sich in die Erinnerung ruft daran erinnert, “daß die
Tabelle uns nicht zwingt”, sie so & so zu benützen,
noch, sie immer auf die gleiche Weise zu benützen, so
wird es ganz jedem klar, daß unser Gebrauch des Wortes “Siel” “Regel”
& des Wortes “Spiel” ein schwankender ist. (Nach den Rän-
dern zu verschwimmt.)
>
     

     Man kann sagen: Die Regeln des Spiels sind die, die gelehrt werden, wenn
das Spiel gelehrt wird. – Nun wird z.B. dem Menschen, der lesen lernt, tat-
sächlich gelehrt: das ist ein a, das ist ein e, etc.; also, könnte man sagen,
gehören diese Regeln, gehört diese Tabelle mit zum Spiel. – Aber erstens:
lehrt man denn auch den Gebrauch dieser Tabelle? und könnte man ihn,
anderseits, nicht lehren? Und zweitens kan[h|n] doch das Spiel wirklich
auf zwei verschiedene Arten gespielt werden.
     Man kann nun fragen: ist es denn aber auch noch ein Spiel, wenn Einer
die Buchstaben abbc sieht und irgend etwas macht? Und wo hört
das Spiel auf, und wo fängt es an?
     Die Antwort ist natürlich: Spiel ist es, wenn es nach einer Regel vor
188
sich geht. Aber was ist noch eine Regel und was keine mehr?
     Eine Regel kann ich nicht anders geben, als durch ihren Ausdruck; denn
auch Beispiele, wenn sie Beispiele sein sollen, sind ein Ausdruck für die
Regel, wie jeder andre.
     Wenn ich also sage: Spiel nenne ich es nur, wenn es einer Regel gemäss
geschieht und die Regel ist eine Tabelle, so kann ich nicht die Verwendungs-
art //die Art des Gebrauches// dieser Tabelle garantieren, denn ich kann
sie nur durch eine weitere Tabelle festlegen, oder durch Beispiele. Diese
Beispiele tragen nicht weiter, als sie selbst gehen // reichen// und die
zwei[f|t]e Tabelle ist im gleichen Fall wie die erste.
     Ich könnte auch sagen: was ist das Schachspiel andres (oder was ist vom
Schachspiel andres vorhanden[,|)], als Regelverzeichnisse (gesprochen, geschrie-
ben, etc.) und die Beschreibung einer Anzahl von Schachpartien?
     Es steht mir (danach) natürlich frei, ‘Spielregel’ nur ein Ding von be-
stimmt festgelegter Form zu nennen.
189
     




43
“Die Beziehung //Verbindung // zwischen Sprache und Wirklichkeit” ist
durch die Worterklärungen hergestellt //gemacht //, welche wieder zur
Sprachlehre gehören. So dass die Sprache in sich geschlossen, autonom,
bleibt.
     






→[Zu § 21 S. 76 83]

     Uebereinstimmung von Gedanke und Wirklichkeit. Wie alles Metaphysische
ist die (prästabilierte) Harmonie zwischen Gedanken und Wirklichkeit in
der Grammatik der Sprache aufzufinden.
     

<      Jedes Bild müsse etwas mit der Welt
des Dargestellten gemeinsam haben um ein
Bild von
etwas in dieser Welt sein dastellen
zu können. Was aber nur heißt:
Das Bild habe sozusagen die
Projektionsmethode mit dem
Dargestellten gemeinsam.
Wie könnte etwas ein Befehl sein
wenn ich mich nicht danach richten
konnte. Und wie könnte ich mich nach
ihm richten,
wenn ihm nicht
die Form meiner einer
Handlung
eigen wäre.
Es kann mich
nun reizen den
Begriff “gem h”
so weit auszu-
dehnen, daß man dies sagen
kann.
>
     


      [Zu § 21 S. 83] Was macht uns glauben daß so etwas wie eine
Übereinstimmung von der des Gedankens mit der Wirk-
lichkeit besteht? – Die Ub Statt Übereinstimmung
könnte manˇ hier ruhig sagen setzen: “Bildhaftigkeit”.
Ist aber die Bildhaftigkeit eine Übereinstim-
mung? In der ‘Abhandlung Log. phil. Abh.’ hätte habe ich so
etwas gesagt wie: sie ist sei eine Übereinstim-
mung der Form. Das ist aber irreführend eine Irreführung.
     < überlege>
Alles kann ein Bild von allem sein: Wenn
wir den Begriff des Bildes entsprechend ausdeh-
nen. Und sonst müssen wir eben sagen, was
wir noch ein Bild von etwas nennenˇ wollen &ˇ damit auch was
wir noch die Übereinstimmung der Bildhaftigkeit,
die Übereinstimmung der Formen nennen wollen.
     Denn was ich sagte kommt ja eigentlich
darauf hinaus: zu sagen daß jede Projek-
tion, nach welcher Methode immer, etwas habe müsse etwas
mit dem Projizierten gemeinsam habench muß.
Aber das sagt nur, daß ich hier den Begriff
des ‘gemeinsam habens’ ausdehne & ihn dem
allgemeinen Begriff des Projizierens äquiva-
lent mache. Ich mache also nur auf
eine Möglichkeit der Verallgemeinerung auf-
merksam (was freilich sehr wichtig sein kann).
Es schwebt mir also drängt sich also eine bestimmte mogliche Verallgemeinerung vor eine Form der Darstellungch, ein Aspekt
      Es drängt sich mir also eine bestimmte Art Form der
Verallg. auf, eine Form der Darstellung, einˇ bestimmter Aspekt.
     


      Es ist wohl auch Unsinn unrichtig zu sagen, die Uebereinstimmung (und Nichtüber-
einstimmung) zwischen Satz und Welt // Realität// sei willkürlich durch
eine Zuordnung</>geschaffen. Denn, wie ist die Zuordnung auszudrücken? Sie
besteht darin, dass der Satz “p” sagt, es sei gerade das der
Fall. Aber wie ist dieses “gerade das” ausgedrückt // gegeben//? Wenn
durch einen andern Satz, so gewinnen wir nichts dabei; wenn aber durch die
Realität, dann muss diese schon in bestimmter Weise – artikuliert – aufge-
fasst sein. Das heisst: man kann nicht auf einen Satz und auf eine Realität
deuten und sagen: “das entspricht dem”. Sondern, dem Satz ent-
spricht nur wieder das schon Artikulierte.
D.h., es gibt keine hinweisende
190
Erklärung für Sätze.
     

     Um in einer Sprache im Chinesischen einen Satz bilden zu können, dazu genügt es nicht,
die Lautreihe zu lernen und zu wissen, dass sie, etwa in der Fibel neben
einem bestimmten Bild steht. Denn das befähigt mich nicht, die Tatsache in
jener Sprache auf Chinesisch zu porträtieren.
     Ja, wenn es mir im Deutschen so geschähe, dass ich die ganze Sprache
vergässe verlernte, mir aber bei einer bestimmten Gelegenheit doch die Lautverbindungˇ des Satzes
einfiele, die man in diesem Falle gebraucht zu gebrauchen pflegt, so würde ich diese Lautverbin-
dung in diesem Falle damit nun nicht verstehen. Denk aber etwa an den Satz: “Komm!”
     

     Wenn man jemanden fragt “wie weisst Du, dass diese Beschreibung die Worte dieser Beschreibg wieder-
gibt, was Du siehst”, so könnte er etwa antworten “ich meine das mit die-
sen Worten”. Aber was ist dieses “das”, wenn es nicht (selbst) wieder
artikuliert, also schon Sprache ist? Also ist “ich meine das” gar keine
Antwort. Die Antwort ist eine Erklärung der Bedeutung der Worte.
     

     Wenn ich die Beschreibung nach Regeln bilde, (sie mit der Wirklichkeit kollationiere) was auch möglich ist, dann
übersetze ich sie als eine Sprache aus einer anderen. Und das kann ich na-
türlich mit Grammatik und Wörterbuch tun und so rechtfertigen. – Aber dann
ist die Uebertragung von Artikuliertem in Artikuliertes. Und wenn ich sie
durch Berufung auf die Grammatik und das Wörterbuch rechtfertige, so tue
ich nichts, als eine Beziehung zwischen Wirklichkeit und Beschreibung (ei-
ne projektive Beziehung) festzustellen, von der Intention aber, meiner Be-
schreibung ist hiebei keine Rede. (D.h., ich kann eben nur die Aehnlichkeit
des Bildes Portraits prüfen, nichts weiter.)

⋎ S. 143/1,2,3
191
     






44
Die Sprache in unserem Sinn nicht als Einrichtung definiert, die einen
bestimmten Zwe[f|c]k erfüllt.
Die Grammatik kein Mechanismus, der durch seinen Zweck gerechtfertigt ist.
     






<      Kann man sagen: “die Grammatik ist die
richtige, die die gewünschte Wirkung hat”?
Wir würden möchten dann sagen: die Wirkung inter-
essiert uns nicht (wir erlauben uns irgend eine
zu erdichten), sondern uns interessiert nur
die Form der Wirkung. D.h. was wir als Wirkung
von eEtwas auffassen können.
>
     

<      Oder auch: Wir erlauben uns irgend welche
Erfahrungstatsachen zu erdichten & die Grenze
ist für uns nur dort gezogen wo das auf-
hört was wirˇ <…> noch Erdichtung nennen, wo der Uns
Sinn aufhört.
>
     

Ich muß nun so etwas sagen, wie: Was ein Zei-
chen sein kann, kann auch eine Ursache sein;
aber nicht immer umgekehrt. Eine Ursache muß die
Multiplizität eines Zeichens haben. (Ein Zeichen, die
Multiplizität einer möglichen Ursache.) (Vergleiche
Gesetz der Symmetrie, Gleichgewicht des symmetrischen Hebels.)
     

Kann ich eine grammatische Regel durch
ihren Zweck rechtfertigen?


     Ich kann sagen, ich gebrauche zwei
verschiedene Wörter hier um eine Verwechslung
zu vermeiden.
     Aber sind die grammatischen Regeln so
durch ihren Zweck gerechtfertigt wie die Regeln
über den Bau einer Dampfmaschine durch
die beabsichtigte Wirkungsweise der Dampf-
maschine? Sind sie die Regeln nach denen
ein Mechanismus konstruiert sein muß um
die & die Bewegungen & … hervorzubringen?
     

Wie wäre es, wenn man eine Man kann eine…… bestimmte Zeichen-
gebung damit rechtfertigte Wie wäre es, wenn man eine Man kann eine…… bestimmte Zeichen-
gebung damit rechtfertigte, daß ein Anderer danach die & die gewisse Handlungen ausführen soll?
     Man würde die Wirkung der verschiedenen
Zeichen auf ihn beschreiben. Man würde viel-
leicht sagen, daß dieses Zeichen die gewün-
schte Wirkung hat jenes ein anderes nicht.
Man würde also etwa sagen dieser Pfeil das Zeichen → be-
wirkt daß er nach rechts geht dieses ←
daß er nach links geht. Gäbe man Erklä-
rungen der Bedeutung, so würde man sagen:
dieses das Zeichen → bedeutet “geh nach links”, etc.
Es ist klar daß es so eine kausale Recht-
fertigung der unserer Zeichen gibt & auch, daß sie
uns nicht interessiert.
.
     

     Könnte ich nicht die Sprache als soziale Einrichtung betrachten, die
gewissen Regeln unterliegt, weil sie sonst nicht wirksam wäre // wirken
würde//. Aber hier liegt es: dieses Letztere //Letzte // kann ich nicht
sagen: eine Rechtfertigung der Regeln kann ich, auch so, nicht geben. Ich
könnte sie nur als ein Spiel, das die Menschen spielen, beschreiben.
     

     Aber wie ist es: Ich gehe diesen Weg, um dorthin zu kommen; ich drehe
den Hahn auf, um Wasser zu erhalten, ich winke, damit jemand zu mir kommt
und endlich teile ich ihm meinen Wunsch mit, damit er ihn erfüllt! ((D.h.:
War also die Mitteilung meines Wunsches nicht nur das Ziehen eines Hebels
und der Sinn meiner Mitteilung. Iihr Zweck aber nicht ihre Wirkung.?))
     


      Aber was geht vor sich, wenn ich den Hahn aufdrehe, damit Wasser
herausfliesst? Was geschieht, ist, dass ich den Hahn aufdrehe, und dass
dann Wasser herauskommt, oder nicht. Was geschieht, ist also, dass ich den
Hahn aufdrehe. –

192
aufdrehe.
     Was auf das Wort “damit” folgt, die Absicht, ist darin nicht enthalten.
Ist sie vorhanden, so muss [d|s]ie ausgedrückt sein und sie kann nur dann be-
reits durch das Aufdrehen des Hahnes ausgedrückt sein, wenn das Teil ei-
ner Sprache ist.
     

     Die Rechtfertigung würde etwa lauten:
wenn ich das sagen will, muß ich solche
//diese// Regeln geben muß ich nach
solchen Regeln vorgehen. Aber was ich
sagen will (ich meine der Ausdruck für
das “das”) ist ja erst durch die
Regeln bestimmt.
     

Die grammatischen Regeln sind nicht die-
jenigen (natürlichen erfahrungsmäßigen)
Regeln nach denen die Sprache gebaut
sein muß um ihren Zweck zu erfül-
len. Um diese Wirkung zu haben.
     Vielmehr sind sie die Beschreibung davon
wie die Sprache es macht, – was immer sie
macht.

      D.h. die Grammatik beschreibt nicht die
Wirkungsweise der Sprache sondern nur
das Spiel der Sprache die Sprachhandlungen.
     

Eine Sprache erfinden um mit ihr etwas
[b|B]estimmtes A auszudrücken: aber dieses etwas
muß schon vorher ausgedrückt sein, ehe wenn
ich sagen kann, daß ich es ausdrücken will.
     

Man könnte z.B. Einem ein Bild zeigen, damit er
tut, was auf dem Bild dargestellt ist.
Hätte man durch Erfahrung gefunden daß dieser Be-
helf ihn zu gewissen Handlungen bringen kann,
so könnte man nun eine Sprache, wie einen
Mechanismus konstruieren um ihn
damit zu lenken.
     

     Wenn man sagte: Sprache ist alles, womit man sich verständigen kann, so
muss // müsste// man fragen: Aber worin besteht ,es, ‘sich verständigen’ ?
     Ich könnte als Antwort darauf einen realen oder fiktiven Fall einer
Verständigung von Menschen oder andern Lebewesen beschreiben. In dieser
Beschreibung werden dann fingierte kausale Verbindungen eine Rolle spie-
len. Aber wenn der Begriff Sprache durch solche bestimmt ist, so interes-
siert er uns nicht. Und abgesehen von jenen empirischen Regelmässigkeiten
der Ereignisse, haben wir dann nur noch einen willkürlichen // beliebi-
gen
// Kalkül. – Aber worin besteht denn das Wesentliche eines Kalküls?
     

     ‘Sprache’ und ‘Lebewesen’. Der Begriff des Lebewesens hat die gleiche
Unbestimmtheit wie der der Sprache //… ist so unbestimmt wie ……//
     

     “Ein Zeichen ist doch immer für ein lebendes Wesen da, also muss das
etwas dem Zeichen Wesentliches sein”. Gewiss: auch ein Sessel ist immer
nur für einen Menschen da, a[v|b]er er lässt sich beschreiben, ohne dass wir
von seinem Zweck reden. Das Zeichen hat nur einen Zweck in der menschli-
chen Gesellschaft, aber dieser Zweck kümmert uns gar nicht.
     Ja am Schluss sagen wir überhaupt keine Eigenschaften von den Zeichen
aus – denn diese interessieren uns nicht – sondern nur die (allgemeinen)
Regeln ihres Gebrauchs. Wer das Schachspiel beschreibt, gibt weder Eigen-
schaften der Schachfiguren an, noch redet er vom Nutzen und Gebrauch des
Schachspiels.
193
     
< überlege>
     Denken wir uns den Standpunkt eines Forschers: er findet, dass in der
Sprache der Erde ein Zeichen benützt wird, das nach diesen und diesen Re-
geln (etwa nach denen der Negation) gebraucht wird, und fragt sicht: Wozu
können sie das brauchen? Die Antwort wäre aber: Wenn immer ein Zeichen mit
diesen Regeln zu gebrauchen ist.
     

Es wäre ja auch möglich daß man
fände, daß nur die deutsche Sprache dazu
geeignet wäre von Menschen verstanden
zu werden. Und wenn es sich um Men-
schen handelt die nur Deutsch gelernt
haben, so ist das ja wirklich so. Man
würde dann sagen: nur mit diesem Zei-
chensystem kann man Menschen beeinflussen.
     Wäre dann das aber die einzig richtige
Grammatik?

     

Die Grammatik ist die Beschreibung der Sprache.
     Aber sie teilt nicht mit, ob je-
mand die Sprache versteht, wer sie ver-
steht, oder obˇ etwa ein Befehl dieser Sprache be-
folgt wird.
     

     Die Sprache ist Teil eines Mechanismus (oder
man zu mindest kann man sie so auffassen sie so aufgefaßt werden).
Mit ihrer Hilfe beeinflussen wir die Hand-
lungen anderer Menschen & werden wir beein-
flußt.
     Als Teil des Mechanismus, kann man sagen,
hat die Sprache einen Zweck. Aber die Grammatik
kümmert sich nicht um den Zweck der Sprache & ob
sie ihn erfüllt. Sowenig wie die Arithmetik um die
Anwendung der Addition.
     

<      Sind die Regeln des Schachspiels willkürlich? Den-
ken wir uns den Fall, es stellte sich heraus, daß nur
das Schachspiel mit seinen gegenwärtigen Regeln die Men-
schen zerstreute & befriedigte. Dann wären doch diese
Regeln, wenn der Zweck des Spiels erfüllt werden soll,
nicht willkürlich. Wenn man aber von diesem Zweck
absähe, wären könnte man sie willkürlich nennen.
>
     

     Eine Sprache erfinden, heisst nicht auf Grund von Naturgesetzen (oder
im Einklang mit ihnen // in Uebereinstimmung mit ihnen //) eine Vorrich-
tung zu einem bestimmten Zweck erfinden. Wie es etwa die Erfindung des
Benzinmotors oder der Nähmaschine ist. Auch die Erfindung eines Spiels ist
nicht in diesem Sinne eine Erfindung, aber vergleichbar der Erfin-
dung einer Sprache.
     

     Ich brauche nicht zu sagen, dass ich nur die Grammatik des Wortes “Spra-
che” weiter beschreibe, indem ich sie mit der Grammatik des Wortes “Erfin-
dung” in Verbindung bringe.
     

     Ist alles, was ich sagen darf //kann// damit gesagt: Man kann nicht
von den grammatischen Regeln sagen, sie seien eine Einrichtung dazu, dass
die Sprache ihren Zweck erfüllen könne. Wie man etwa sagt: wenn die Dampf-
maschine keine Steuerung hätte, so könnte der Kolben nicht hin und her
gehen, wie er soll. Als könne man sich eine Sprache auch ohne Grammatik
denken.
     


      Die grammatischen Regeln sind, wie sie nun einmal da sind, Regeln des
Gebrauchs der Wörter. Uebertreten wir sie, so können wir deswegen die Wör-
ter dennoch mit Sinn gebrauchen. Wozu wären dann die grammatischen Regeln
da? Um den Gebrauch der Sprache im Ganzen gleichförmig zu machen? (etwa
aus ästhetischen Gründen?)
Um den Gebrauch der Sprache als gesellschaftli-
194
che Einrichtung zu ermöglichen? also wie eine Verkehrsordnung, damit kei-
ne Kollision geschieht // entsteht//?
(Aber was macht es uns //geht es
uns an//, wenn eine entsteht?) Die Kollision, die nicht geschehen // entstehen// darf, darf nicht entstehen können! D.h., ohne Grammatik ist es
nicht eine schlechte Sprache, sondern keine Sprache.
     

     Anderseits muss man doch sagen, die Grammatik einer Sprache als all-
gemein anerkannte Institution ist
eine Ver-
kehrsordnung. Denn, dass man das Wort “Tisch” immer in dieser Weise
gebraucht, ist nicht der Sprache als solcher wesentlich, sondern quasi nur
eine praktische Einrichtung.
     

     Wie unterscheiden sich die Sprachregeln von denen des Anstandes?
Wenn man kein Ziel angeben kann, das nicht erreicht würde, wenn diese
Regeln anders wären.
     

     Denken wir uns anuns eine Art Baukasten einen Baukasten
zur Herstellung zur Errichtung von Mechanismen. Er enthält Es gäbe da
Zahnräder, Hebel, Stäbe, Kolben, Lager, etc. Man könnte nun
Regeln geben, wie diese Bestandteile aneinan-
der gefügt werden dürfen, ganz abgesehen davon,
welchem Zweck der zusammengestellte Mechanis-
mus haben soll.
     

Es ist klar, daß es einer Verwechslung ent-
springt, z.B., zu sagen: die Grammatik müsse
von vier primären Farbenˇ Wörtern reden, weil es vier pri-
märe Farben gäbe. Als wäre der Fall vergleich-
bar dem: die Astronomie muß von vier Jupiter-
monden sprechen, weil es vier Jupitermonde gibt.
     

Man kann also sagen, die Grammatik läßt sich nicht
mit der Wirklichkeit rechtfertigen. Aber es ist ein
andrer Satz, daß sie sich nicht als Teil eines
psychologischen Mechanismus rechtfertigen läßt.
     

< Ja es wäre – wie ich oben gesagt habe – ˇeben ein der Fall denkbar
daß sie sich durch die psychologische Erfahrung
rechtfertigen ließe, wenn sich z.B. die deutsche Spra-
che als die einzige erwiese die ein Mensch lernen kann.
Aber diese Rechtfertigung interessiert uns nicht.
>
     

So könnte es sein daß ein Mensch das Zeigen einer
Richtung <…> (etwa der, in welcher er gehen soll) nur
verstünde, wenn es mit der Hand oder einem Pfeil in der gewöhn-
lichen Weise geschähe, aber nicht wenn man mit
dem Fuß Ellbogen in dieser Richtung wiese. Und verstehen heißt
hier ˇauf das Zeichen reagieren wie ein Verstehender. //auf das Zeichen in bestimmter Weise
reagieren //.
     

     Der Zweck der Grammatik ist nur der Zweck der Sprache.
     Der Zweck der Grammatik ist der Zweck der Sprache.
     

     Woher die Bedeutung der Sprache? Kann man denn sagen: Ohne Nicht: Ohne …… Sprache
könnten wir uns nicht miteinander verständigen. Nein, das ist ja nicht so,
wie: ohne Telephon könnten wir nicht von Amerika nach Europa reden. (Es
sei denn, dass wir unter “Telephon” jede Vorrichtung verstehen, welche etc
etc..) Ohne Sprache könnten wir nicht Gedanken
austauschen. Ja, was heißt das Gedanken
austauschen? Und übrigens was heißt denn
Gedanken lesen?
     

     Wir können aber sagen: Ohne Sprache könnten wir die Menschen nicht be-
einflussen. Oder, nicht trösten. Oder: nicht ohne eine Sprache Häuser und
Maschinen bauen.

     Ohne Sprache könnten wir die Menschen
nicht bewegen unseren Willen zu tun.

195
     
Denken wir daran wie ein Mensch durch die Sprache
die Tätigkeiten einer Schar von Arbeitern lenkt – beim
Bau einer Pyramide etwa. Und ; und wie Worte & Menschen
durch Maschinen zu ersetzen wären. Aber
es ist auch eine Maschine denkbar die auf
in die man Befehle hineinspricht & die auf
dieses System von Einwirkungen durch Befol-
gung der Befehle reagiert. – Welches Und
nun kann man fragen: Welches Interesse
hat nun dieser Mechanismus für die Philo-
sophie?
     

     Es ist auch richtig // sinnvoll// zu sagen, ohne den Gebrauch des Mun-
des oder der Hände können sich Menschen nicht verständigen.
     

     Die Worte, die Einer bei gewisser Gelegenheit sagt, sind insofern nicht
willkürlich, als gerade diese in der Sprache, die er sprechen will
(oder muss) das meinen, was er sagen will; d.h., als gerade für sie diese
grammatischen Regeln gelten. Was er aber meint, d.h. das grammatische
Spiel, das er spielt, ist insofern nicht willkürlich, als er etwa seinen
Zweck nur so glaubt erreichen zu können.
     

Die Sprache mit den Bärten von Schlüsseln zu
vergleichen. Ebenso kann ich sie aber auch mit der
Perforation der Pianolarolle vergleichen.
     

     Man kann sagen, daß die gramm. R. den Bau der Spr. be-
schreiben, ihre Möglichkeiten beschreiben.
     

     Wie wäre es wenn ein Mensch die Sprache
erfände wie man eine Maschine erfindet?
Könnte er denn nicht das Abrichten von Tieren
oder Menschen erfinden, ˇ entdecken daß sie auf gewisse
Signale reagieren & dies dazu benützen sie ge-
wisse Arbeiten verrichten zu lassen?
     Wenn ich aber eine Notation erfinde so ist das
eine Erfindung in einem andern Sinn des Wortes.
     

     Uns interessiert die Sprache als Phänomen, nicht als
die Maschine, die einen bestimmten Zweck erfüllt.
     

Sprache ist für uns: die deutsche Sprache, die eng-
lische Sprache, etc., etc. & ähnliche Systeme.
     

     Warum interessiert uns aber das Phänomen der Sprache?
Gewisser Mißverständnisse halber. – Aber was sind Miß-
verständnisse?
     Worin besteht das Sich-nicht-auskennen? Es findet
scheinbar ja auch seinen Ausdruck in der Sprache.
     

Könnte sich die Philosophie auch für
andere Mechanismen als den der Spra-
che interessieren? Denken wir es würde
uns beunruhigen, daß Handgriffe, deren
Verrichtungen ganz verschieden, sind
gleich geformt sind. Wäre es nicht auch
eine philosophische Tat die gleichen
Handgriffe durch verschiedene zu er-
setzen. Denken wir an die Handgriffe beim
Automobil: das Vollan, eine Pumpe,
einen Hahn, die Bremse, etc. Könnte es
nicht einen Menschen stutzig machen beunruhigen
daß man aus einem Rohr Flüssigkeitˇ stetig er-
halten kann indem man eine einzige
Bewegung macht (einen Hahn aufdreht)
& aus einem andern nur, indem man
einen Handgriff solange bewegt als man
Flüssigkeit erhalten will (Pumpe)?
196
     



45
Die Sprache funktioniert als Sprache nur durch die Regeln, nach denen
wir uns in ihrem Gebrauch richten, wie das Spiel nur durch seine Regeln
ein Spiel ist.
     






     Das ist insofern nicht richtig, als für die Sprache
keine Regeln niedergelegt sein müssen, sowenig wie
für's Spiel. Aber man kann die Sprache (& das Spiel)
vom Standpunkt eines Vorgangs nach Regeln
betrachten.
     

     Grammatik besteht aus Vereinbarungen;
anderseits kann die Sprache teil eines Mecha-
nismus sein. Wie tritt nun das, was
einer Vereinbarung entspricht in einen
Mechanismus, z.B. das Pianola, ein?
Nun eine Vereinbarung ist doch z.B.
eine Tabelle & eine Tabelle könnte
ganz gut auch Teil eines Mecha-
nismus von der Art des Pianola
sein.
     

     Warum interessiere ich mich denn
so sehr für die Sprache? Kann man
einen Grund dafür angeben, oder ist es
eben eine Tatsache deren Ursachen mich einfach
nicht interessieren?
     Und könnten Bilder nicht als Befehle
gebra verwendet werden? Und warum soll-
te ich mich nicht für Bilder interessieren, wenn
sie im menschlichen Leben eine überragende
Rolle spielen würden?
     

Und könnten philosophische Probleme, Beun-
ruhigungen, auch in gemalten gezeichneten Bildern entstehen?
So etwas ließe sich schon ausdenken.
     
     Wie, wenn eine Sprache aus lauter einfachen und unabhängigen Signalen
bestünde?! Denken wir uns diesen Fall: Es handle sich etwa um die Be-
schreibung einer Fläche, auf der in schwarz und weiss [i|s]ich allerlei Figu-
ren zeigen können. Wäre es nun möglich, alle möglichen Figuren durch un-
abhängige Symbole zu bezeichnen // kennzeichnen//? (Ich nehme dabei an,
dass ich nur über, sagen wir 10000 Figuren reden will.) Wenn ich Recht ha-
be, so muss die ganze Geometrie in den Regeln über die Verwendung dieser
10000 Signale wiederkehren. (Und zwar ebenso, wie die Arithmetik, wenn
wir statt 10 unabhängiger Zahlzeichen eine Billion verwendeten.)
     

     Um eine Abhängigkeit auszudrücken, bedarf es einer Abhängigkeit.
     

     Denken wir uns ein Tagebuch mit Signalen geführt. Etwa die Seite in Ab-
schnitte für jede Stunde eingeteilt und nun heisst ‘A’ ich schlafe, ‘B’
ich stehe auf, ‘C’ ich schreibe, etc..
197
     
     Muss denn nicht die Regel der Sprache – dass also dieses Zeichen das
bedeutet – irgendwo niedergelegt sein?
     Freilich auch: Mehr als die Regel niederlegen, kann ich nicht.
     Ist die Regel niedergelegt, so ist es eben eine andere Sprache, als wenn
sie nicht niedergelegt ist.
     

     “Contrat sociale” auch hier ist in
Wirklichkeit kein Vertrag geschlossen worden;
aber die Situation ist ähnlich mehr oder
weniger ähnlich, analog, der in welcher
wir wären, wenn …. Und sie ist mit großem
Nutzen vom Ge unter dem Gesichtspunkt
eines solchen Vertrages zu betrachten.
     

     Und warum soll ich, dass ‘A’ in dieser Zeile steht, nicht ein Bidl Bild
dessen nennen, dass ich dann schlafen gehe? Freilich, dass es die Multipli-
zität dessen wiedergeben soll die in jenen Worten liegt, kann ich nicht
verlangen.
     Der Akt des Schlafengehens war ja auch nicht dadurch bestimmt.
     Denken wir, ich zeichne einen Sitzplan
 
 
, ist ein Kreuzchen das Bild
eines Menschen oder nicht? –
     

     Wie kann ich denn kontrollieren, dass es immer dasselbe ist, was ich ‘A’
nenne. Es sei denn, dass ich etwa ein Erinnerungsbild zuziehe. Das aber
dann zum Zeichen gehört.
     

     Wenn z.B. Einer fragte: wie weisst Du, dass Du jetzt dasselbe tust, wie
vor einer Stunde, und ich antwortete: ich habe mir's ja aufgeschrieben, hier
steht ja ein ‘A’!
     

     Wenn ich mich in dieser Sprache ausdrücke, so werde ich also mit
‘B’ immer dasselbe meinen. Es kann einen //keinen// Sinn haben, zu sagen,
dass ich beide Male dasselbe tue, wenn ich den Befehl ‘B’ befolge (oder
dasselbe getan habe, als ich tat, was <…> ich durch ‘B’ bezeichnete).

              B = B
     



      D.h. die Sprache funktioniert als Sprache nur durch die Regeln, nach
198
denen wir uns in ihrem Gebrauch richten. (Wie das Spiel nur durch Regeln
als Spiel funktioniert.)
     

     Und zwar, ob ich zu mir oder Andern rede. Denn auch mir teile ich nichts
mit, wenn ich Lautgruppen ad hoc mit irgend welchen Fakten associiere.
     

Ich könnte auch sagen, daß, wenn die Zeichen ad hoc
erfunden sind, eben ein System eine Regel erfunden
werden muß.
     

     Ich muss,ˇ auch wenn ich zu mir rede, schon auf einem bestehenden // gegebe-
nen
// Sprachklavier spielen.
     

Man kann sagen: die Grammatik erklärt die
Bedeutungen der Zeichen & dadurch macht sie
die Sprache bildhaft.
     Man würde nicht sagen, daß ich aus den
Signalen im Tagebuch die Ereignisse eines
Tages ableiten kann d.h. z.B. Bilder nach
den Aufzeichnungen entwerfen kann, wenn
zu den Signalen nicht noch eine Erklärung
tritt.
     Es handelt sich um den Begriff des
Ableitens. Man spricht vom Ableiten wo
eine allgemeine Regel, also ein Ausdruck
einer solchen Regel, gegeben ist.
     
Wir werden würden nämlich nicht sagen aus
     a b b c ließe sich die Figur

ableiten wohl aber aus a b b c & der
Tabelle
a
b
c
d





     Die Erklärung der Bedeutung bestimme
wie ein Wort beim portraitieren eines Sach-
verhalts zu verwenden ist.
     Man kann sagen: die Grammatik bestimmt die
Bedeutung der Wörter & bestimmt ihnen damit den
Platz den sie beim Portraitieren eines Sachver-
haltes
einnehmen dürfen. Denn wonach
richte ich mich wenn ich hier ‘rot’ & nicht
“gelb” verwende, <…> hier “aber” & nicht “oder”? Doch
wohl nach der Bedeutg der Wörter nach
dem wasˇ in Übereinkommen über sie in der Grammatik festgehalten ist,
denn warum sollte ich sonst das eine
Wort dem andern vorziehen.
     

     ‘Ich verstehe diese Worte’ (die ich etwa zu mir selbst sage), ‘ich meine
etwas damit’, ‘sie haben einen Sinn’ muss immer dasselbe heissen wie: ‘sie
sind nicht ad hoc erfundene Laute, sondern Zeichen aus einem vorbereiteten System [Zeichen, über die eine Konvention besteht?]’. <
Aber da könnte man fragen: Tut es jedes System?
> < Ist es nicht eben das System unserer Sprache was ich meine?
> Ich
spiele ein Spiel mit ihnen ˇ[ d.h. ein schon bestehendes Spiel.].
     

     Etwa?, wie die Teilstriche auf einem Masstab nur solche sind, wenn sie ein
System bilden.
     

     Denn, wenn wir einen Befehl befolgen, so deuten wir die Worte nicht will-
kürlich.
      D.h. wieder, wir müssen die Unterscheidung anerkennen zwischen dem ‘Be-
folgen eines Befehls’ und einem ‘willkürlichen Zuordnen einer Handlung’.
     

     Das Aussprechen eines Satzes wäre kein Porträtieren, wenn ich meine Wor-
te nicht aus einem System wählte, so dass man sagen kann, ich wähle sie
im Gegensatz zu anderen.
     Aber die Worte, wenn sie nicht in einem grammatischen System stehen, sind
ja alle gleichwertig und also wäre es dann ˇganz gleichgültig, welche ich wählte,
ja, – man könnte sagen – als Worte würden sie sich (dann) voneinander gar
199
nicht unterscheiden.
     Man muss die Worte wählen, wie // in demselben Sinne wie// man die
Striche und Farben wählt, mit denen man einen Körper abbildet.
     

     Warum wir ein Wort – und nicht ein anderes – an dieser Stelle gebrauchen,
erfahren wir, wenn wir jemand fragen: warum gebrauchst Du hier das Wort A.
Die Antwort wird sein: das und das heisst A. Und das ist eine Regel der
Grammatik, die die Position des Wortes in der Sprache bestimmt. (Und Und
(zum Zeichen, dass es sich hier wi[l|r]klich um Grammatik handelt) wenn A das
Wort “und” gewesen wäre, so könnte man weiter nichts tun, als die Regeln für
“und” angeben.
     

     Sage ich jemandem “bringe eine rote Blume” und er bringt eine, und nun
frage ich “warum hast D[i|u] mir eine von dieser Farbe gebracht?” – und er:
“diese Farbe nenne ich // heisst doch// rot”: so ist dies Letzte ein
Satz der Grammatik. Er rechtfertigt eine Anwendung des Worts.
     

Zusammenhang der Grammatik mit der
Bildhaftigkeit der einer Sprache.
     

     Fehlt dieser Satz //diese Regel//, so ist die Grammatik des Worts (sei-
ne Bedeutung) eine andere.
     

     Wenn man einen Satz braucht, so muss er schon irgendwie funktio-
nieren
. Das heisst, man gebraucht ihn nicht, um einer Tatsache einen
Lärm beizuordnen.
     

     Wir vergleichen den tatsachlichen Vorgang
mit dem in welchem die Rechtfertigung
ausgeführt ist.
     

     Wir ergänzen das tatsächlich Ausgeführte
zu einem bestimmten Kalkül, um es dadurch
zu beleuchten. Ähnlich wie die Grammatik
einen eliptischen Satz zu einem vollstandigen
ergänzt, d.h. ein gewisses Gebilde als
eliptischen Satz auffaßt.
     

     Es wäre doch nicht, einen Tatbestand porträtieren, wenn ich etwa beliebi-
ge Striche auf das Papier kritzelte und sagte “es gibt gewiss eine Projek-
tionsmethode, die diesen Tatbestand in diese Zeichnung projiziert”.
200
     
     Ja auch hier (beim Porträtieren // Abbilden//) fühle ich mich schon
beim ersten Strich verpflichtet – d.h. er ist nicht willkürlich. Jeden-
falls aber fängt das Bild erst dort an, wo die Verpflichtung an-
fängt.
     

Wenn ich die Achsel zucke, könnte man da
sagen: ich meine etwas damit? Gewiß,
manes könnte mich doch jemand fragen: “hast
Du mit der Achsel nurˇ zufällig gezuckt weil oder
hast Du es als Achselzucken gemeint?
Und worin unterscheiden sich diese Fälle// Und was
ist der wesentliche Unterschied zwischen diesen
Fällen; worin besteht es, diese Bewegung
als Achselzucken zu meinen? Ist es ein
besonderes Gefühl was das <…> die Bewegung
begleitet? Ist es nicht vielmehr die ganze Umgebung
in der die sie liegt? Was sozusagen aus ihr
folgt, was ich zu ihrer Erklärung sagen würde,
oder was ich zu ihrer Ergänzung sage oder denke.
Würden wir etwa von der Bedeutung der Mei-
nung des Achselzuckens reden wenn es iso-
liert von aller andern Ausdrucksweise auf-
träte // geschähe//? Sagen wir daß der Hund etwas
mit dem Wedeln des Schweifs meint? Wir werden
da vielleicht auch da von einer Meinung
reden, wenn wir den Fall des Wedeln aus Freude
von dem aus einer andern Ursache unterschei-
den wollen & doch ist das natürlich ein anderer
Fall als der, in welchem wir das Krite-
rium der Meinung der Ausdruck einer
Sprache ist.
     

Wir würden kaum fragen, ob das Krokodil etwas
damit meint wenn es mit offenem Rachen auf
uns einen Menschen zukommt. Und wir wurden erklären, das Kro-
kodil könne nicht denken & darum sei eigentlich hier
von einem Meinen keine Rede.
     

     “Meinen” ist so vieldeutig wie “ein Zeichen geben” //wie
“Zeichen”// oder das Wort “ausdrucken”.
     

     Wie unterscheidet sich eine Geste von irgend
einer andern Bewegung? Dadurch daß sie etwas
ausdrückt? –
     

     Denken wir es würde uns [e|E]iner vorschlagen:
“Meine einmal mit dem Wort ‘ der Lautreihe “ber”
die Negation, ‘nicht’”. statt mit dem Wort ‘nicht’.” Wie mache ich das? Besteht
es darin daß ich in mir ein bestimmtes Gefühl
hervorrufe wenn ich das Wort ‘ber’ ausspre-
che?
     

     Es ist zu bedenken Man könnte sagen, daß das Wort je nach der
Wortart in einem andern Sinne “bedeutet”.
     

     Wenn das Achselzucken ein Zeichen ist, – kann
man es durch ein beliebiges anderes ersetzen?
& wie kann man das andere an die Stelle des
ersten setzen?
     

Ist das Gähnen unbedingt ein Zeichen der Langenweile
& nichtˇ meist nur ein Anzeichen von ihr? Und wie wird etwas
zum Zeichen, sagen wir, des Zweifels? Wenn ich etwa
von heute an immer wenn ich im Zweifel wäre statt
meinen Kopf zu schütteln mit der Hand wackeln würde
(erfahrungsgemäß), würde dann die Handbewegung
dadurch zum Zeichen des Zweifels? Und kann man das
Gähnen auch meinen?
     

     Kann man sagen der Unterschied zwischen dem Gähnen & dem
< Achselzucken ist Unwillkürlichkeit & Willkürlichkeit?>
     

Oder könnte man eine Gebärde für die es Sinn hat zu
sagen, ich trachtete sie nicht zu machen aber mein
Körper hat gegen meine Anstrengung sie gemacht, könnte man
diese Gebärde auch meinen wenn sie in diesem Sinne
gegen den Willen geschieht?
     

Wenn ich mich kratze, nenne ich das ein Zeichen
das es mich juckt? Gewiß, ich kann es als Zeichen
dafür gebrauchen, aber auch nicht.
     

Ich kannˇ in einem Gespräch ein trauriges Gesicht machen als Zeichen
der Trauer aber es kann auch nur ein Anzeichen sein.
Worin besteht es nun in diesem Falle das Gesicht als Zeichen
der Trauer zu verziehen? Ich würde sagen: “ich habe
es absichtlich getan & ihm auch
     

Kann ich Ich kann mir kaumˇ alle die Gesten die bei mir uns im Zusammenhang
mit der Sprache stehn, mir auch ohne diesen Zu-
sammenhang denken // richtig vorstellen //? Würde
ich sie außer diesem Zusammenhang auch
Zeichen nennen?
     

     Man sagt: die Henne lockt ihre Jungen durch Glucken der Hahn ruft die Hühner durch sein Krähen herbei, – aber
liegt dem nicht schon die Vorstellung unserer Sprache
zugrunde? Wird nämlich der Aspekt nicht ganz ver-
ändert indem man sich vorstellt durch irgend eine <…>
Physikalische Einwirkung ziehe das Glucken die Kücklein
zur Henne?
     

Wenn aber im Fall der menschlichen Sprache gezeigt würde,
Lernen der Sprache als ein Abrichten

daß das Wort “komm zu mir” auf die Menschen eine Anzie-
hung im physikalischen Sinne bewirkt, würde damit die
Sprache den Charakter der Sprache verlieren?
     

Ich will doch immer wieder sagen unsere Sprache, unsere der Apparat unserer Sprache, unserer……
Wortsprache, ist vor allem das was wir Sprache nennen, & dann
anderes nach seiner [a|A]nalogie oder Vergleichbarkeit mit
ihr.
     

Wir benützen das Wort “Sprache”, “meinen”, etc. nach
sehr verschiedenen Kriterien
     

Und das Achselzucken ist natürlich gar nicht <wesentlich verschieden von einem Wort, ja einem Satz, etwa:
“Ich weiß nicht!” oder “Weiß Gott!”.
> <Diese Worte können ge-
wiß so unwillkürlich ausgesprochen werden wie eine Geste
gemacht werden kann.
>
     

Die Zeichen will wollte ich sagen, haben ihre Bedeutung nicht durch
etwas was sie begleitet // … nicht durch das was sie begleitet, noch durch das, was
sie hervorruft, ……//
; sondern durch ein System dem sie
zugehören wovon aber beim Aussprechen des Worts nichts andres
als dieses Wort vorhanden sein braucht
     
201
46
Funktionieren des Satzes an einem Sprachspiel erläutert.
     






[siehe Notizbuch]
⋎ S. 173/3
Lernen der Sprache
durch Abrichten.
     

     Ich halte meine Wange, und jemand fragt, warum ich es tue und ich ant-
worte: “Zahnschmerzen”. Das heisst offenbar dasselbe, wie “ich habe Zahn-
schmerzen”, aber weder stelle ich mir die fehlenden Worte im Geiste vor,
noch gehen sie mir im Sinn irgendwie ab. Daher ist es auch möglich, dass
ich die Worte den Satz “ich habe Zahnschmerzen” in dem Sinne aussprache, als
sagte ich nur das letzte Wort oder, als wären die drei nur wäre der ganze Satz nur…… ei[h|n] Wort.
     (Eliptischer Satz. Was tut die Grammatik, wenn sie sagt: “‘Hut und
Stock!’ heisst eigentlich ‘gib mir meinen Hut und meinen Stock!’”)
     

     Ein einfaches Sprachspiel ist z.B. dieses: Man spricht zueinem Kind
(es kann aber auch ein Erwachsener sein), indem man das elektrische Licht
in einem Raum andreht: “Licht”, dann, indem man es abdreht: “Finster”; und
tut das etwa mehrere Male mit Betonung und variierenden Zeitlängen. Dann
geht man etwa in das Nebenzimmer, dreht von dort aus das Licht im ersten
an und bringt das Kind dazu, dass es mitteilt, ob es licht oder finster
ist. // dasse es mitteilt: “Licht”, oder “Finster”.
     Soll ich da nun “Licht” und “Finster” ‘Sätze’ nennen? Nun, wie ich will.
– Und wie ist es mit der ‘Uebereinstimmung mit der Wirklichkeit’?
202
     
     Wenn ich bestimmte einfache Spiele Sprachspiele beschreibe, so geschieht es nicht,
um mit ihnen nach und nach die wirklichen Vorgänge derˇ ausgebildeten Sprache – oder des
Denkens – aufzubauen, (Nicod Russell) was nur zu Ungeriechtigkeiten führt, – sondern ich
stelle die Spiele als solche hin, und lasse sie ihre aufklärende Wirkung
auf die besonderen Probleme ausstrahlen.
     

     Man könnte eben aber? sagen: “die Worte ‘Licht’, ‘Finster’ sind hiera als
Sätze gemeint und sind nicht einfach Wörter”. Das he[k|i]sst, sie sind hier
nicht so gebraucht, wie wir sie in der gewöhnlichen Sprache gebrauchen
(obwohl wir tatsächlich auch oft so sprechen). Aberˇ Neue Zeile [w|W]enn ich plötzlich
ohne sichtbaren Anlass das Wort “Licht” isoliert ausspreche, so wird man
allerdings sagen: “was heisst</>das? das ist doch kein Satz” oder: “Du sagst
‘Licht’, nun was soll's damit?” Das Aussprechen des Wortes “Licht” ist in
diesem Fall sozusagen noch ?–kein (kompletter) Zug des Spiels, das, wie wir
annehmen, der Andre spielt. , auf das wir gefaßt sind.–? Ebenso aber auch der Satz “er darf nicht kommen”.
     

     Wie unterscheidet sich nun aber “Licht”, wenn es den Wunsch nach Licht aus-
drüc[j|k]t, von “Licht”, wenn es konstatiert, dass es im Zimmer licht ist?
Dass wir es in jedem Fall anders meinen? Und worin besteht das? In
bestimmten Vorgängen, die das Aussprechen begleicheten, oder in einem be-
stimmten Benehmen, das ihm vorangeht, eventuell es begleitet, und ihm
folgt? Wir können es einmal in anderm Ton aussprechen als das andere
mal, oder mit anderer Empfindung (Meinung im andern Sinn) Oder
es kommt bloß in einem anderen Spielzusammenhang vor.

Denken wir uns die Frage: Wie unterscheidet sich ein Zug
im Damespiel von der gleichen Bewegung in Fuchs & Jäger?
(Vielleicht antwortet er das eine mal auf die Frage was meinst Du<‒ ‒ ‒>
     

     Wenn ein Mann im Ertrinken “Hilfe!” schreit, – konstatiert er die Tat-
sache, dass er Hilfe bedarf? dass er ohne Hilfe ertrinken wird? – Dagegen
gibt es den Fall, in dem man, quasi, sich beobachtend, sagt “ich hätte
(oder: habe) jetzt den Wunsch nach …”.
     

     Ich sage das Wort “Licht!”, – der Andere fragt mich: “was meinst Du?” –
203
und ich sage // antworte//: “Ich meinte, Du sollst Licht machen”. – Wie
war das, als ich es meinte? Sprach ich den “[j|k]ompletten Satz” in der
Vorstellung unhörbar aus, oder den entsprechenden in einer andern Sprache?
(Ja, das kann vorkommen oder auch nicht.) Die Fälle, die man alle mit
dem Ausdruck “ich meinte” zusammenfasst, sind sehr mannigfach.
     

     Nun kann man ruhig annehmen: ‘ich meinte, Du solltest Licht machen’
heisst, dass mir dabei ein Phantasiebild von Dir in dieser Tätigkeit vorge-
schwebt hat, und ebensogut: der Satz heisst, dass mir dabei die Worte des
vollständigen Satzes in der <…> Phantasie gegenwärtig waren, oder, dass
eins von diesen beiden der Fall war; – <…> nur muss ich wissen, dass ich da-
mit eine Festsetzung über die Worte “ich meinte” getroffen habe und eine
engere als die ist, welche dem tatsächlichen allgemeinen Gebrauch des Aus-
druckse entspricht.
     

     Wenn das Meinen für uns irgend eine Bedeutung, Wichtigkeit, haben soll,
so muss dem System der Sätze ein System der Meinungen zugeordnet sein, was
immer
für Vorgänge die Meinungen sein sollen mögen.
     

<Modepuppen

>
     

Aber reden wir doch nicht vom Meinen als
einem unbestimmten & uns unbekannten nicht genau bekannten
Vorgang sondern vom (tatsächlichen),
‘praktischen’, Gebrauch des Wortes von
den Handlungen, die wir mit ihnen aus
führen.
     Reden wir vom Meinen nur wenn es
ein teil des Sprachkalküls ist (etwa
der Teil der aus Bildern unserer Vorstellungs-
bildern besteht) & Und dann brauchen wir
eigentlich das Wort Meinen nicht denn
das suggests immer daß es sich um
Vorgänge handelt die der Sprache nicht
angehören sondern ihr gegenüberstehen
& daß es Vorgänge von wesentlich an-
derer Natur als der sprachlichen sind.

     
     Inwiefern stimmt nun das Wort “Licht” im obigen Symbolismus oder Zeichen-
spiel mit einer Wirklichkeit überein, – oder nicht überein?
     Wie gebrauchen wir überhaupt das Wort “übereinstimmen”? – Wir sagen “die
beiden Uhren stimmen überein”, wenn sie die gleiche Zeit zeigen, “die bei-
den Masstäbe stimmen überein”, wenn gewisse Teilstriche zusammenfallen, “die
beiden Farben stimmen überein”, wenn etwa ihre Zusammenstellung uns ange-
nehm ist. oder manchmal wenn wir sagen wollen die beiden Dinge haben dieselbe Farbe. Wir sagen “die beiden Längen stimmen überein”, wenn sie gleich
sind, aber auch, wenn sie in einem von uns gewünschten Verhältnis stehen.
Und, dass sie “übereinstimmen” heisst dann nichts andres, als dass sie in
diesem Verhältnis – etwa 1:2 – stehen. <passen

Der Plan stimmt mit der Wirklichkeit
überein.
Was er spielt stimmt mit den Noten überein.
>
So muss also in jedem Fall erst
204
festgesetzt werden, was unter “Uebersti “Uebereinstimmung” zu verstehen
ist. – So ist es nun auch mit der Uebereinstimmung einer Längenangabe mit
einer der Länge eines Gegenstandes. Wenn ich sage: “dieser Stab ist 2 m lang”, so kann ich z.B.
erklären // eine Erklärung geben//, wie man nach diesem Satz mit einem
Masstab die Länge des Stabes kontrolliert, wie man etwa nach diesem Satz
einen Messtreifen für den Stab 2 m langen Stab erzeugt. Und ich sage nun, der Satz stimmt
mit der Wirklichkeit überein, wenn der auf diese Weise konstruierte Mess-
streifen mit dem Stab übereinstimmt. Diese Konstruktion eines Messtreifens
illustriert übrigens, was ich in der “Abhandlung” damit meinte, dass der
Satz bis an die Wirklichkeit herankommt. – Man könnte das auch so klar ma-
chen: Wenn ich die Wirklichkeit daraufhin prüfen will, ob sie mit einem
Satz übereinstimmt, so kann ich das auch so machen, dass ich sie nun be-
schreibe und sehe, ob der gleiche Satz herauskommt. Oder: ich kann die
Wirklichkeit nach grammatischen Regeln in die Sprache des Satzes überset-
zen und nun im Land der Sprache ?–den Vergleich durchführen–?.
     Als ich nun dem Andern erklärte: “Licht” (indem ich Licht machte), “Fin-
ster” (indem ich auslöschte), hätte ich auch sagen können und mit genau
derselben Bedeutung: “das ist // heisst// ‘Licht’” (wobei ich Licht ma-
che) und “das ist // heisst// ‘Finster’” etc., und auch ebensogut warum hätte ich nicht sagen sollen ……: “das
stimmt mit ‘Licht’ überein”, “das stimmt mit ‘Finster’ überein”.
     

     Es kommt eben wieder auf die Grammatik des Wortes “Uebereinstimmung”
an, auf seinen Gebrauch. Und hier liegt die Verwechslung mit ‘Aehnlich-
keit’ nahe, in dem Sinn, in dem zwei Personen einander ähnlich sind, wenn
ich sie leicht miteinander verwechseln kann.
     Ich kann auch wirklich nach der Aussage über die Gestalt eines Körpers
eine Hohlform konstruieren, in die nun der Körper passt, oder nicht passt,
je nachdem die Beschreibung richtig oder falsch war, und die konstruierte
Hohlform gehört dann in dieser Auffassung noch zur Sprache (die bis an die
Wirklichkeit herankommt).
205

     Aber auch die Hohlform macht kein finsteres Gesicht, wenn der Körper
nicht in sie passt.
     

     Wenn das Wort “Uebereinstimmung mit der Wirklichkeit” gebraucht wird
//werden darf//, dann nicht als metalogischer Ausdruck, sondern als Teil
eines Kalküls, als Teil der gewöhnlichen Sprache. <sondern nur als eine Münze im praktischen Geldverkehr

sondern nur als Redeteil im praktischen Gebrauch unserer
gewöhnlichen Sprache.
sondern als (einen) Teil der gewöhnlichen, prakti-
schen, Sprache.
>
Man kann etwas sagen: Im
Sprachspiel “Licht! – Finster!” kommt der Ausdruck “Uebereinstimmung mit
der Wirklichkeit” nicht vor.
     

     In dem Sprachspiel “Licht – Finster” kommt keine Frage vor. – Aber
wir könnten es auch mit Fragen spielen.
     

Das Sprachspiel eine Geschichte erfinden
anderseits ein wirkliches Erlebnis erzählen.
So lernt der Maler portraitieren, aber auch ein Bild
aus der Phantasie entwerfen, oder ein Ornament
erfinden, etc..
206
     



47

       Behauptung, Frage, Annahme, etc.
     






     Das Frege'sche Behauptungszeichen ist am Platze, wenn es nichts wei-
ter bezeichnen soll, als den Anfang des Satzes. Man könnte sagen “den
Anfang der Behauptung”, im Gegensatz zu den Sätzen, die in der Behaup-
tung vorkommen können. Das Behauptungszeichen dient dann demselben Zweck,
wie der Schlusspunkt des vorhergehenden Satzes.
     “Ich denke p” hat dann mit “!-p” eben nur das Zeichen “p” gemein // gemeinsam//.
     

     Was zum Wesen des Satzes gehört, kann die Sprache schon darum nicht
ausdrücken, weil es für jeden Satz das Gleiche wäre; und ein Zeichen, das
in jedem Satz vorkommen muss, logisch eine blosse Spielerei wäre. Die
Zeichen des Satzes sind ja nicht Talismane oder magische Zeichen, die
auf den Betrachter einen bestimmten Eindruck hervorrufen sollen.
     Gäbe es philosophische Zeichen im Satz, so müsste ihre Wirkung //Funk-
tion// eine solche unmittelbare sein.
     

     Man hat natürlich das Recht, ein Behauptungszeichen zu verwenden, wenn
man es im Gegensatz etwa zu einem Fragezeichen gebraucht.
Irreleitend
207
ist es nur, wenn man meint, dass die Behauptung nun aus zwei Akten beste-
he, dem Erwägen und dem Behaupten (Beilegen des Wahrheitswertes, oder
dergl.) und dass wir diese Akte nach dem geschriebenen Satz ausführen, un-
gefähr wie wir nach Noten Klavier spielen singen.
     Mit dem Klavierspielen nach Noten ist nun allerdings das laute oder
auch leise, Lesen nach dem geschriebenen oder gedruckten Satz zu verglei-
chen und ganz analog; aber n[k|i]chts, was wir ‘denken’ nennen aber nicht das Denken des Satzes. <aber nicht etwas, was wir ein Denken oder Meinen des
Satzes nennen würden. < aber nicht Akte des Denkens oder Meinens> <
aber nicht eine psychologische Tätigkeit Reihe seelischer Akte des
Denkens oder Meinens des Satzes
>
> Ist also z.B.
ein Behauptungszeichen im geschriebenen Satz, so wird wieder ein Behaup-
tungszeichen im gelesenen sein (etwa die Betonung, oder der
Stimmfall). <A aber nicht Akte des Denkens oder Meinens
Aber nicht das Denken; insofern da wir nicht
aber nicht eine psychologische Tatigkeit Reihe seelischer Akte des
Denkens oder Meinens des Satzes

Aber die Zeichen des Satzes sind nicht
Signale nach welchen denen wir psychische
Operationen vornehmen ausführen – u.a. auch das Behaupten.

Aber die Zeichen des Satzes sind nicht Signale
zu psychischen Tätigkeiten des Meinens.
>
< Daher ist auch das Zeichen <…> in der Fregeschen Schreibweise
ganz überflüssig.
> <Es wird (ja) vor alle Sätze gesetzt
kann
> <also in allen weggelassen werden.> <Dort wo er einmal
einen Satz ohne dieses Zeichen hinschreibt tut er
es mit einer gewissen Unsicherheit die zeigt daß er eigentlich nicht
>
<darauf gefaßt war es je wegzulassen also wirklichen Gebrauch im Kalkül davon zu machen.>
     

< Freges ansicht daß in der Behauptung
eine Annahme steckt kommt läuft darauf läuft
hinaus zu sagen daß jede Behauptung
in der Form geschrieben werden könne
      Ich behaupte daß …
>
     

     Eine Sprache (ich meine eine Sprechart) ist denkbar, in der es keine
Behauptungssätze gibt, sondern nur Fragen und die Bejahung und Verneinung.
     


      Behauptung, Annahme, Frage. Man kann auf dem Schachbrett einen Zug in
einer Schachpartie machen, – aber auch während eines Gespräches über ein
Schachproblem zur Illustration, oder wenn man jemand das Spiel lehrt, –
etc.. Man sagt dann auch etwa: “angenommen, ich zöge so, …”. So
ein Zug hat Aehnlichkeit mit dem, was man in der Sprache ‘Annahme’ nennt.
Ich sage nun etwa “im Nebenzimmer ist ein Dieb”, – der Andre fragt mich
“woher weisst Du das?” und ich antworte: “ic “oh ich wollte nicht sagen,
dass wirklich ein Dieb im Nebenzimmer ist, ich habe es nur in Erwägung
gezogen”. – Möchte man da nicht fragen: Was hast Du erwogen? wie Du
Dich benehmen würdest, wenn ein Dieb da wäre, oder, was für ein Geräusch
es machen würde, oder, was er Dir wohl stehlen würde?
     Freges Anschauung könnte man so wiedergeben: dass die Annahme (so wie
er das Wort gebraucht) das ist, was die Behauptung, dass p der Fall
ist, mit der Frage, ob p der Fall ist, gemeinsam hat.
Oder auch, dass
208
die Annahme dasselbe ist wie die Frage. Man könnte auch eine Behauptung
immer als eine Frage mit einer Bejahung darstellen. Statt “Es regnet”:
“Regnet esˇ Annahme? Jaˇ Behauptungszeichen !” Ich behaupte daß es regnet
     

     Wenn es so etwas gäbe, wie eine Annahme im Sinne Freges, müsste dann
nicht die Annahme, dass p der Fall ist gleich der sein, dass non-p der
Fall ist?
     

     In dem Sinn, in welchem die Frage “ist p der Fall?” die gleiche ist
wie “ist p nicht der Fall?”.
     

     Es gibt wirkliche Annahmen, die wir eben durch Sätze von der Form “an-
genommen p wäre (oder: ist) der Fall” ausdrücken. Aber solche Sätze nen-
nen wir nicht vollständig und sie scheinen sehr ähnlich den Sätzen der
Form // erinnern uns an Sätze der Form// “wenn p der Fall ist, …”.
     

     Ist nun aber eine solche Annahme ein Teil einer Behauptung?
Ist das nicht, als sagte man, die Frage, ob p der Fall ist, sei ein Teil
der Behauptung, dass p der Fall ist?
     

     Ist es aber nicht auffällig, dass wir es in unsern gewöhnlich philoso-
phisch-grammatischen Problemen nie damit zu tun haben, ob sie sich auf
Behauptungen oder Fragen beziehen? (Etwa in dem Problem vom Idealismus
und Realismus.)
     

     Und welcher Art ist ein Satz, wenn sich Einer eine mögliche Situation,
etwa ihrer Seltsamkeit wegen, notiert? Oder: die Erzählung eines Witzes?
     

     Sprachspiel: eine Geschichte erfinden. Oder: eine Geschichte erfinden
209
und zeichnen. – Etc..
     

     Es ist uns, als könnten wir sagen[;| ,] der fragende Ton-
fall sei dem Sinn der Frage angemessen.
     

     Wir könnten uns auch eine Sprache denken, die nur aus Befehlen be-
steht. So eine Sprache verhält sich zu der unseren, wie eine primitive
Arithmetik zu unserer. Und wie jene Arithmetik nicht wesentlich unvoll-
ständig ist, so ist es auch die primitivere Form der Sprache nicht.

S. 21/1
Bemerkung gehört nicht hierher.
     

     Denken wir an dieˇ große Mannigfaltigkeit der Sprach-
spiele:

<
      Eine Mitteilung machen wie “Licht”, “Finster”,
. einen
      Einen Befehl geben “mach Licht!” “Licht aus”.
      Auf Fragen Licht? Finster? mit ja & nein antworten.
      Einen Befehl ausführen.
      Fragen & die Antwort kontrollieren auf ihre Richtigkeit prüfen.
      Negative & positive Befehle ausführen. Disjunktion.
      Eine Vermutung aussprechen (Aufschlagen von
Karten) & sie verifizieren.
      Die Form eines Satzes vereinfachen (~~~p = ~p). Schließen.
      Eine Rechnung machen Ein angewandtes Rechenexem-
pel lösen.
      Eine Zeichnung herstellen & sie beschreiben.
      Einen Hergang erzählen.
      Eine Erzählung erfinden
      Eine Hypothese aufstellen & prüfen
      Eine Tabelle anlegen
      Grüßen
>
     

Es hilft hier immer sich den Fall des Kindes
vorzustellen welches d sprechen lernt oder
auch den Fall eines Volkesstammes Volkes dasˇ nur eine
primitive Sprache besitzt.
     Aber auch der Erwachsene lernt neue
Sprachspiele Formen der Sprache wenn er die Form des Beweises
kennen lernt oder lernt Tabellen oder anzulegen
oder abzulesen oder graphische Darstellun-
gen
zu machen & zu verwenden.
     

     Geschicklichkeits- & Hasardspiele sie sind
viel fundamentaler verschieden als ihre Be-
zeichnung erkennen läßt.
     

     Richtig & falsch spielen
     Richtig & falsch vermuten wobei man
richtig spielt.
     

     Der Tonfall der Frage angelernt & instinktiv.
Und was macht es aus, ob er angelernt ist oder nicht;
da wir, wenn wir ihn einmal gebrauchen, doch nicht auf das
Lernen zurückgreifen. Später ist er jedenfalls instinktiv, was immer
sein Ursprung ist.
     

Man sagt: Die Affen sprechen nicht weil ihnen die geistigen
Fähigkeiten dazu fehlen. Das heißt: sie denken nicht, darum
sprechen sie nicht. Aber sie sprechen eben nicht & das
ist alles. Befehlen, fragen, beschreiben erzählen, plauschen, sind so
natürliche Handlungen wie gehen, trinken, spielen.
     

Das hängt damit zusammen daß man meint das Lernen der
< Sprache bestehe darin daß man Gegenstände benennt &
zwar: Menschen, Gattungen, Farben, Schmerzen, Stimmungen, Zahlen,
etc..
>
     
Wie gesagt, das Benennen ist etwas Ähnliches wie einem
Ding Mineral eine Etiquette Ding eine Namenstafel umhän-
gen. Man kann es eine Vorbereitung zum weiteren Ge-
brauch des eines Worts nennen. Aber worauf ist es eine Vor-
bereitung?!
     

“Wir benennen die Dinge & können nun über sie reden: uns
in der Rede auf sie beziehen”: als ob mit dem Akt des
Benennens schon das was wir weiter tun gegeben sei.
Als ob es nur Eines gabe was heißt: von Dingen reden.
Während wir das Verschiedenartigste mit unseren Sätzen tun.
     

Denken wir nur an die Verschiedene Ausrufe mit ihren
ganz verschiedenen Funktionen: Trinken! Wasser! (Ich will trinken)
Weg! (Geh weg) Au! – Hilfe! – Schön! – Nicht! –
     

Bist Du nun noch geneigt diese Wörter “Namen” zu
nennen?
     

Es sagte mir einmal jemand: “Wie wäre es, wenn die Menschen
ihre Schmerzen nicht äußerten (nicht stöhnten, etc.), – dann
könnte man einem Kind nicht das Wort “Zahnschmerz”
beibringen!” – Denken wir uns nun, es würde Einer sagen: “Ich
nehme an, das Kind sei ein Genie & erfinde selbst einen Namen
für den Schmerz, obwohl ihm keiner gelehrt wurde. – Aber nun könnte
er sich freilich mit diesem Wort nicht verständlich machen!” Also
versteht es ihn, kannˇ aber seine Bedeutung niemandem erklären?
Aber was heißt es denn, daß er “seinen Schmerzen benannt
hat”? Was ist die Verbindung des Wortes daß er ausspricht
mit dem Schmerz? Und was für eine Funktion hat dieses Wort? Wie
hat er das gemacht den Schmerz zu benennen?? Und was
immer er getan hat, was hat es für einen Zweck? – Wenn man
sagt “er hat dem Schmerz einen Namen gegeben” so vergißt
man daߡ sozusagen schon alles mögliche in der Sprache vorbereitet
sein muß damit das bloße benennen einen Sinn
hat. Und wenn wir davon reden daß er dem Schmerz einen
Namen gibt die Grammatik des Wortes “Schmerz” hier das Vor-
bereitete es zeigt den Posten an an dem das neue Wort ge-
stellt wird.
210
     




Gedanke.
Denken.








































211
     



48
Wie denkt man den Satz ‘p’, wie erwartet, (glaubt, wünscht) man, dass p
der Fall sein wird? Mechanismus des Denkens.
     







      < Die Idee ist: [d|D]enken, Glauben, etc. als
Tätigkeiten in denen der Satz vorkommt, ˇ etwa wie
die Karten in den Operationen des Musterweb-
stuhls.
>
     Das Unverständnis der Grammatik des Wortes “Denken” & psychologisches Unverständnis
angesehen als nicht Verstehen eines kompli-
zierten mechanischen Vorgangs.
     

     Man ist (durch die irreführende Grammatik) unsere Grammatik irregeführt) versucht, zu fragen: wie
denkt man den Satz p, wie erwartet man, dass das und das eintreffen wird
(wie macht man das). Und in dieser falschen Frage liegt wohl die ganze
Schwierigkeit in nuce enthalten.
     

     “Wie arbeitet der Gedanke, wie bedient er sich seines Ausdrucks?” –
das ist // klingt// analog der Frage <… dies scheint analog der Frage ……> dies möchte man fragen analog: “wie arbeitet der Musterwebstuhl,
wie bedient er sich der Karten?”
     


      Das Gefühl ist, dass mit dem Satz “ich glaube, dass p der Fall ist”
der Vorgang des Glaubens nicht beschrieben sei (dass vom Webstuhl nur die
Karten gegeben seien und alles übrige bloss angedeutet ist). Dass man die
Beschreibung “ich glaube p” durch die Beschreibung eines Mechanismus er-
setzen könnte, worin dann p, d.h. jetzt die Wortfolge “p”, wie die Karten
im Webstuhl nur als ein Bestandteil vorkommen würde. Aber hier ist
der Irrtum: Was immer diese Beschreibung enthielte, wäre für uns wertlos,
212
ausser eben der Satz p mit seiner Grammatik. Sie ist
quasi der eigentliche Mechanismus, in welchem // dem// er eingebettet
liegt. < Das Gefühl ist, daß mit in dem Satz “ …” etwas Wesent-
liches, derˇ eigentliche Vorgang des Glaubens, nur angedeutet sei;
daß sich diese Andeutung durch eineˇ eigentliche Beschreibung
des dieses Mechanismus müsse ersetzen lassen. Eine
Beschreibung worin p wie die Karten in der Be-
schreibung des Musterwebstuhls vorkäme. Und
daß nun diese Beschreibung erst der komplette
Ausdruck des Glaubens wäre.
     Vergleichen wir nun das Glauben mit dem Aussprechen
eines Satzes. Es gehen da auch sehr komplizierte Vorgänge in
unseren Sprechmuskeln, Nerven etc., etc., vor sich. Diese begleiten den
ausgesprochenen Satz & er bleibt das Einzige was uns interessiert.
Und zwar als als Bestandteil eines Kalküls, nicht eines Mechanismus.
>
     

     Wenn man fragt “wie macht der Gedanke // Satz// das, dass er darstellt?”
So könnte die Antwort sein: “Weisst Du es denn (wirklich) nicht? Du siehst
es doch, wenn Du denkst //wenn Du ihn benützt//”. Es ist ja nichts ver-
borgen.
     Wie macht der Satz das? – Weisst Du es denn nicht? Es ist ja nichts ver-
steckt.
     

[Gehört nicht hierher, sondern zur Betrachtg. der Zeit oder zu Solipsismus.]

     Dass ‘alles fliesst’, scheint uns am Ausdruck der Wahrheit zu hindern,
denn es ist, als ob wir sie nicht auffassen könnten, da sie uns entgleitet.
     

Aber es hindert uns eben nicht am Ausdruck. – Was es heisst, etwas Ent-
fliehendes in der Beschreibung festhalten zu wollen, wissen wir. Das ge-
schieht etwa, wenn wir das Eine vergessen, während wir das Andere beschrei-
ben wollen. Aber darum handelt es sich doch hier nicht. Und so ist der Aus-
druck //das Wort// “entfliehen” anzuwenden.
     

     Aber auf die Antwort “Du weisst ja, wie es der Satz macht, es ist ja
nichts verborgen”, möchte man sagen: “ja, aber es fliesst alles so rasch
vorüber und ich möchte es gleichsam breiter auseinander gelegt sehen”.
     


      Aber auch hier irren wir uns. Denn es geschieht dabei auch nichts, was
uns durch die Geschwindigkeit entgeht.
     


      Warum können wir uns keine Maschine mit einem Gedächtnis denken? Es w[r|u]r-
de oft gesagt, dass das Gedächtnis darin besteht, dass Ereignisse Spuren

213
hinterlassen, in denen nun gewisse Vorgänge vor sich gehen müssten. Wie wenn
Wasser sich ein Bett macht und das folgende Wasser in diesem Bett fliessen
muss; der eine Vorgang fährt für den nächsten das Gleise aus. // der eine
Vorgang fährt das Gleise aus, das den andern führt. Geschieht dies nun
aber in einer Maschine, wie es wirklich geschieht, so sagt niemand, die Ma-
schine habe Gedächtnis, oder habe sich den einen Vorgang gemerkt.
     

     Nun ist das aber ganz so, wie wenn man sagt, eine Maschine kann nicht
denken, oder kann keine Schmerzen haben. <Könnte eine Maschine denken? ‒ ‒ ‒ Könnte sie
Schmerzen haben? In dem Sinne in welchem
der tierische Körper Schmerzen hat. – ja
Wann Wenn ich diesen eine Maschine
nennen will.
> < Aber im Satz “ich habe
Schmerzen” bezeichnet ‘ich’ keinen
Körper also nicht auch keine Maschine.
> Und hier kommt es darauf an, was
man darunter versteht “Schmerzen zu haben”. <Hier kommt es drauf an, wie der Ausdruck
“Schmerzen haben” angewandt wird.
>
Es ist klar, dass ich mir eine
Maschine denken kann, die sich genau so benimmt (in allen Details), wie ein
Mensch der Schmerzen hat. Oder vielmehr: ich kann den Andern eine Maschine
nennen, die Schmerzen hat, d.h.: den andern Körper. Und ebenso, na-
türlich, meinen Körper. Dagegen hat das Phänomen der Schmerzen, wie es auf-
tritt
, wenn ‘ich Schmerzen habe’, mit meinem Körper, d.h. mit demn Erfahrun-
gen, die ich als Existenz meines Körpers zusammenfasse, gar nichts zu tun.
(Ich kann Zahnschmerzen haben ohne Zähne.) Und hier hat nun die Maschine gar
keinen Platz. – Es ist klar, die Maschine kann nur einen physikalischen Kör-
per ersetzen. Und in dem Sinne, wie man von einem solchen sagen kann, er
“habe” Schmerzen, kann man es auch von einer Maschine sagen. Oder wieder,
die Körper, von denen wir sagen, sie hätten Schmerzen, können wir
mit Maschinen vergleichen, und auch Maschinen nennen.
     

     Und ganz ebenso verhält es sich mit dem Denken und dem Gedächtnis.
     

<>      Es ist uns – wie gesagt – als ginge es uns mit dem Gedanken so, wie mit
einer Landschaft, die wir gesehen haben und beschreiben sollen, aber wir
erinnern uns ihrer nicht genau genug, um sie in? allen ihren Zusammenhängen
beschreiben zu können. So, glauben wir, können wir das Denken nachträglich
214
nicht beschreiben, weil uns alle die vielen feineren Vorgänge dann verloren
gegangen sind.
     Diese feinen Verhäkelungen möchten wir sozusagen unter der Lupe sehen.
215
     




49
“Was ist ein Gedanke, welcher Art muss er sein, um seine Funktion erfül-
len zu können?”
Hier will man sein Wesen aus seinem Zweck, seiner Funktion erklären.
     






     Wir fragen: Was ist ein Gedanke, welcher Art muss etwas sein, um die
Funktion des Gedankens verrichten zu können? Und diese Frage ist ganz ana-
log der: Was ist, oder, wie funktioniert, eine Nähmaschine. “Wie macht sie
das?” Aber die Antwort könnte sein: Schau den Stich an; alles, was der
Nähmaschine wesentlich [nicht sperren] ist, ist in ihm zu sehen; alles andre
kann so, oder anders sein.
     

     Wir fragen, wie muss der Gedanke beschaffen sein, um seine Bestimmung //Funktion // zu erfüllen; aber was ist denn seine Bestimmung // Funktion//?
Wenn sie nicht in ihm selbst liegt (d.h. wenn sie nicht ist, (das?) zu sein,
was er ist), liegt sie in seiner Wirkung; aber die interessiert
uns nicht.
     

     Wir sind nicht im Bereiche der Erklärungen und jede Erklärung klingt
uns trivial.
216
     
     Aber dieser Verzicht auf die Erklärung macht es so schwer zu sagen,
was der Gedanke uns eigentlich bedeutet.
     

     Man kann etwa sagen: Er rechnet auf Grund von Gegebenem und endet in ei-
ner Handlung.
     

     Willst Du sehen wie der Gedanke verwendet wird: Die Berechnung der Wandstärke eines Kessels und, der entsprechenden,
Verfertigung ist ein sicheres Beispiel des Denkens. // …muss ein Beispiel
des Denkens sein.//
//die Berechnung der Wandstärke eines Kessels und die dieser entsprechenden
Verfer[i|t]igung……//
     

     Der Schritt, der von der Berechnung auf dem Papier zur Handlung führt,
ist noch ein Schritt der Rechnung.
     

     Wir sagen, wir werden das Denken untersuchen von dem Standpunkt aus, dass
es auch von einer Maschine ausgeführt werden könnte.
     Aber hier befinden wir uns in einer falschen Betrachtungsweise. Wir se-
hen das Denken für // als // einen Vorgang wie das Schreiben an, oder das
Weben das Erzeugen eines Stoffes, etc.. Und dann lässt sich natürlich sa-
gen, dass dieser Vorgang der Erzeugung sich im Wesentlichen auch maschinell
muss denken lassen.
217
     



50
Ist die Vorstellung das Porträt par excellence, also grund-
verschieden, etwa, von einem gemalten Bild und durch ein solches oder
etwas Aehnliches nicht ersetzbar? Ist sie das, was eigentlich eine be-
stimmte Wirklichkeit darstellt, – zugleich Bild und Meinung Intention?
     







      < Aber ist nicht der Satz dieses
Wunderding ––? der sagt, was er
meint?
> Denn so ein Wunderding, scheint es, brau-
chen wir.
     Und die Vorstellung scheint es dies zu sein,:
[d|D]enn wir können uns nicht fragen, ob, z.B.
unsere Vorstellung von diesem Menschen
wirklich die Vorstellung von diesem
Menschen sei oder von & nicht vielleicht von einem Andern der
ihm nur ähnlich sieht.
     

[Zu § 21]

     Sokrates zu Theaitetos: “Und wer vorstellt, sollte nicht etwas vor-
stellen?” Th.: “Notwendig”. Sok.: “Und wer etwas vorstellt, nichts Wirk-
liches?” Th.: “So scheint es”.

     

Und wer malt sollte nicht etwas malen –
& wer etwas malt, nichts wirkliches? – Ja, wasch
meinst Du: das Bild was er malt oder den Gegenstand
etwa den Menschen den es darstellt.
     

     “Ist die Vorstellung nur die Vorstellung, oder ist sie Vorstellung von
Etwas in der Wirklichkeit?”
     Und von dieser Frage aus könnte man // Und von dieser Frage aus könnte man ……// auch die Beziehung der Vorstellung
zum gemalten Bild erfassen.
// denn ich kann nicht zweifeln wenn ich mir
Napoleon vorstelle, ob es wirklich Napoleon ist den
ich mir vorstelle oder nicht nur jemand der ihm

<ähnlich sieht!>
     


      Die Frage könnte aber nicht heissen: “Ist die Vorstellung immer Vor-
stellung von etwas, was inn der Wirklichkeit existiert” – denn das ist sie
offenbar nicht immer –; sondern, es müsste heissen: bezieht sich die
Vorstellung immer, wahr oder falsch, auf Wirklichkeit. – Denn das kann
man von einem gemalten Bild nicht sagen. – Aber worin besteht dieses
‘sich auf die Wirklichkeit beziehen?’
Es ist doch wohl die Beziehung des
218
Porträts zu seinem Gegenstand.
     

     Aber warum sollte man dann nicht sagen, dass eine Vorstellung Vor-
stellung eines Traumes sei?
     

     Wenn mit heute geträumt hat, dass N mich besuche und N besucht mich nun
wirklich, so war darum jene Traumphantasie? keine Erwartung, und die Tatsa-
che, dass N mich besuchte, keine Erfüllung der //einer// Erwartung.
     

     Diese Situation ist nicht denkbar: Wie kommt es daß es diese Situation nicht gibt: …… Ich habe irgend ein Vorstellungsbild
vor mir und sage: “jetzt weiss ich nicht, ist das eine Erwartung oder eine
Erinnerung, oder nur ein Bild ohne jede Beziehung zur Wirklichkeit”.

     Denn ich erwarte ebenso wirklich, wie ich warte.
219
     



51
Ist das Denken ein spezifisch organischer Vorgang? Ein spezifisch mensch-
lich-psychischer Vorgang? Kann man ihn in diesem Falle durch einen anor-
ganischen Vorgang ersetzen, der denselben Zweck erfüllt, aberlso sozusagen
durch eine Prothese?
     






< Wenn man an den Gedanken als etwas spezi-
fisch menschliches organisches denkt, möchte
man fragen: kann man sich eine Gedankenpro-
these denken? könnte es eine … geben?
>
     

     Der Gedanke’, das ist nichts organisches,
läßt sich mit nichts organischem vergleichen;
//sollte nicht mit etwas organischem ver-
glichen werden; das sich dann etwa
durch etwas [t|T]otes Anorganisches wie durch eine Prothese ersetzen läßt ließe.
     

     Eine Gedankenprothese ist darum nicht möglich, weil der Gedanke für uns
nichts spezifisch Menschliches ist.
     Wir könnten die Rechenmaschine als eine Prothese statt der 10 Finger
ansehen, aber die Rechnung ist nichts spezifisch Menschliches und
für sie gibt es keinen Ersatz //keine Prothese//.
220
     




52
Ort des Denkens.
     






     Das Denken: ein Vorgang im Gehirn
& Nervensystem; im Geist; auf dem im
Mund & Kehlkopf; auf dem Papier.
     

     Eine der gefährlichsten Ideen ist, merkwürdigerweise, dass wir mit dem
Kopf, oder im Kopf denken.
     

     Die Idee von einem <…> ein Die Idee vom Denken als einem…… Vorgang im Kopf, in dem gänzlich abgeschlossenen Raum,
gibt dem Denken gibt ihm etwas Okultes.
     

     “Das Denken geht im Kopf vor sich” heisst eigentlich nichts anderes, als,
unser Kopf hat etwas mit dem Denken zu tun. Man sagt freilich auch: “ich
denke mit der Feder auf dem Papier” und diese Ortsangabe ist mindestens so
gut, wie die erste.
     

     Wenn wir fragen “wo geht das Denken vor sich”, so ist dahinter immer die
Vorstellung eines maschinellen Prozesses, der in einem abgeschlossenen Raum
vor sich geht, sehr ähnlich, wie der Vorgang die Vorgänge in der Rechenmaschine.
     


      Schon die Bezeichnung ‘Tätigkeit’ für's Denken ist in einer Weise irre-
führend. Wir sagen: das Reden ist eine Tätigkeit unseres Mundes.
Denn wir
221
sehen dabei unseren Mund sich bewegen und fühlen es, etc. In demselben diesem Sin-
ne kann man nicht sagen, das Denken sei eine Tätigkeit unseres Gehirns.
     Und kann man sagen, das Denken sei eine Tätigkeit des Mundes oder des
Kehlkopfs oder der Hände (etwa, wenn wir schreibend denken)?

     Zu sagen, Denken sei eben eine Tätigkeit des Geistes, wie Sprechen des
Mundes, ist eine Travestie (der Wahrheit).
     Wir gebrauchen eben ein Bild, wenn wir von der Tätigkeit des Geistes
reden.
     

     Das Denken ist nicht mit der Tätigkeit eines Mechanismus zu vergleichen,
die wir von aussen sehen // der wir von aussen zuschauen//, deren Inneres
aber wir sehen müssten //müssen// um sie zu verstehen.

     // Das Denken ist nicht die Tätigkeit eines Mechanismus, der wir von
aussen zusehen, deren Inneres aber erforscht werden muss.//

     // Das Denken ist nicht mit der Tätigkeit eines Mechanismus zu verglei-
chen, den wir von aussen sehen, in dessen Inneres wir aber erst dringen
müssen.//
     

     Die Wendung “dass etwas in unserem Geist vor sich geht”, soll, glaube
ich, andeuten, dass es im physikalischen Raum nicht lokalisierbar ist. Von
Magenschmerzen sagt man nicht, dass sie in unserem Geist vor sich gehen, ob-
wohl der physikalische Magen ja nicht der unmittelbare Ort der Schmerzen
ist, in dem Sinn, in welchem d er der Ort der Verdauung ist.
222
     




53

        Gedanke und Ausdruck des Gedankens.
     






<      Der Schrei als Ausdruck des Schmerzes,
der Satz als Ausdr. des Gedankens.
>
     

     Das Denken ein Vorgang in einem
ätherischen Mechanismus.
     

<      Denken nennen wir einen bestimmten Gebrauch
von Symbolen.
>
     

< Der Gedanke ist nicht eine Art von Stimmung
die die durch den seinen Ausdruck wie
durch eine Droge hervorgerufen wird.
Und die Verständigung ˇdie Vermittlung des Gedankens mittels durch die Sprache
ist nicht der Vorgang daß ich durch ein
Gift im Andern die gleichen Schmerzen
hervorrufe wie ich sie habe.
     Welchen Was für einen Vorgang könnte man
“Gedankenlesen” nennen.
>
     

     Der Gedanke ist wesentlich das, was durch den Satz ausgedrückt ist, wo-
bei ‘ausgedrückt’ nicht heisst ‘hervorgerufen’. Ein Schnupfen wird durch
ein kaltes Bad hervorgerufen, aber nicht durch ein kaltes Bad ausge-
drückt.
     

     Man hat nicht den Gedanken, und daneben die Sprache. – Es ist
also nicht so, dass man für den Andern die Zeichen, für sich selbst aber
einen stummen Gedanken hat. Gleichsam einen gasförmigen oder ätherischen
Gedanken, im Gegensatz zu sichtbaren, hörbaren Symbolen.
     

     Man könnte so sagen, am Gedanken ist nichts wesentlich privat.–
Es kann jeder in ihn Einsicht nehmen.
     

     Man hat nicht den Zeichenausdruck und daneben, für sich selbst, den
(gleichsam dunkeln) Gedanken. Dann wäre es doch auch zu merkwürdig, dass
man den Gedanken durch die Worte sollte wiedergeben können.
223
     
      D.h.: wenn der Gedanke nicht schon artikuliert wäre, wie könnte der
Ausdruck durch die Sprache ihn artikulieren. Der artikulierte Gedanke aber
ist in allem Wesentlichen ein Satz.
     

     Wie sich der Gedanke zur Rede verhält, Um einzusehen, wie Gedanke & Rede sich zueinander verhalten kann man am besten verstehen,
wenn man bedenkt, ob bedenke man, ob etwa das Verständnis (der Gedanke) einer Rechnung
(etwa z.B. einer Multiplikation ˇ z.B.) als gesonderter Prozess neben dem Rechnungsvor-
gang einherläuft.
     

     Wenn man das Verstehen, Wissen, etc., als Zustand auffasst, dann
nur hypothetisch im Sinne einer psychischen Disposition, welche auf der-
selben Stufe steht, wie eine physiologische Disposition.

S. 154/5✓ S. 158/1✓
     
     “Dachtest Du denn, als Du den Satz sagtest, daran, dass Napoleon …” –
“ich dachte nur, was ich sagte”.
     

     Plato nennt die Hoffnung eine Rede. (Philebos)
     

     Der Gedanke ist kein geheimer – und verschwommener – Prozess von dem wir
nur Andeutungen in der Sprache sehen, als wäre die Negation ein Stoss und
der Gedanke darauf wie? ein unbestimmter Schmerz, von diesem Stoss hervorge-
rufen, aber gänzlich von ihm verschieden.
     

     Gedankenlesen kann nur darin bestehen, dass wir Zeichen interpretieren,
also einfach lesen (nur vielleicht andere Zeichen). Oder aber es
besteht darin, dass Einem, wenn man des Anderen Hand hält (oder in andrer
Art mit ihm in Kontakt steht) Gedanken kommen, die durch nachträgliche
Fragen als die Gedanken auch des Anderen erkannt werden. Aber da handelt
es sich überhaupt um kein Lesen, sondern es wäre nur die Hypothese
224
erlaubt, dass zwei Leute unter gewissen Umständen das Gleiche dächten.
     

     Ist das Denken ein augenblicklicher Vorgang oder etwa ein andauernder
Zustand, wovon die Worte, der Satz, nur eine ungeschickte Wiedergabe sind
(sodass man etwa sagen könnte, wie von dem Eindruck einer Landschaft: Wor-
te können das gar nicht wiedergeben)? Der Gedanke braucht solange wie sein
Ausdruck. Weil der Ausdruck der Gedanke ist.
     

     Ich habe einmal gelesen, dass ˇ (einmal) diesen Ausspruch eines französischer Politikers gesagt hat gelesen,
die französische Sprache sei dadurch ausgezeichnet, dass in ihr die Wörter
in der Ordnung folgen, wie man wirklich denkt.
     

     Niemand würde fragen, ob die Multiplikation zweier Zahlen (etwa nach der
gewöhnlichen Art durchgeführt) gleichläuft mit dem Gedanken Gedankenprozess Denkvorgang. Weil jeder die
Multiplikation als ein Man be-
trachtet eben die Mult. als ein ……
Instrument ansieht betrachtet. Während man den Gedanken Satz nicht
als ein Instrument ansieht.
     

     Die Idee, dass eine Sprache eine Wortfolge haben kann, die der Reihenfol-
ge des Denkens entspricht, im Gegensatz zu einer anderen Sprache anderen Sprachen, rührt von
der Auffassung her, dass das Denken vom Ausdruck der Gedanken getrennt vor-
geht. Also ein wesentlich anderer Vorgang ist. Nach dieser Auffassung könn-
te man nun freilich sagen: Die wesentlichen Eigenschaften des Negationszei-
chens offenbaren sich freilich erst nach und nach im Gebrauch, aber ich
denke die Negation auf einmal. Das Zeichen “nicht” ist ja nur ein Hin-
weis auf den Gedanken “nicht”. Es stösst mich nur, dass ich das Rechte den-
ke. (Es ist nur Signal.)

⋎ S. 156/4,5✓
     
     Willkürlichkeit des sprachlichen Ausdrucks: Könnte man sagen: das Kind
muss das Sprechen einer bestimmten Sprache zwar lernen, aber nicht
225
das Denken, d.h. es würde von selber denken, auch ohne irgend eine Spra-
che zu lernen? ((D.h. Willkürlichkeit, wie sie gewöhnlich aufgefasst wird.
Sozusagen: “auf den Gedanken kommt es an, nicht auf die Worte<>.))
     Ich meine aber, wenn es denkt, so macht es sich eben Bilder und diese
Ich sind in einem gewissen Sinne willkürlich, insofern nämlich, als an-
dere Bilder denselben Dienst geleistet hätten. Und andererseits ist ja die Sprache auch natürlich entstanden, d.h., es muss wohl einen ersten Men-
schen gegeben haben, der einen bestimmten Gedanken zum ersten Mal in ge-
sprochenen Worten ausgedrückt hat. Und übrigens ist das Ganze gleichgül-
tig, weil jedes Kind, das die Sprache
lernt, sie nur in dieser Weise lernt, dass es anfängt in ihr zu denken.
Plötzlich anfängt; ich meine: Es gibt kein Vorstadium, in welchem das
Kind die Sprache zwar schon gebraucht, sozusagen zur zum Zweck der Verständigung ge-
braucht, aber noch nicht in ihr denkt.
     

< Lernt das Kind nur sprechen, & nicht
auch denken? Lernt es den Sinn des Multiplizierens
vor, oder nach, dem Multiplizieren?
Oft müßte könnte man auf die Frage “was meinst Du,
wenn Du sagst …?” nur Antworten: ich meine nur
was ich sage.
>
     

<       Ich weiß bin nicht ganz sicher, aber ziemlich sicher daß er kommen wird.” nicht ganz sicher Ich meine, was ich sage. >
     

     Ist es quasi eine Verunreinigung des Sinnes, dass wir ihn in einer be-
stimmten Sprache, mit ihren Zufälligkeiten, ausdrücken und nicht gleichsam
körperlos und rein?? Nein, denn es ist wesentlich, dass ich die Idee der
Uebersetzung von einer Sprache in die andere verstehe.
     

     Spiele ich eigentlich doch nicht das Schachspiel selbst, da die Figuren
?–ja auch anders sein könnten?! andere Formen haben könnten?
     

     Da der Sinn eines Satzes ganz in der Sprache fixiert ist, und es auf
den Sinn ankommt, so ist jede Sprache gleich gut. Der Sinn aber ist, was
Sätze, die in einander übersetzbar sind, gemein haben.
     

<
      Beweise die das Dez. Syst. verwenden.
>
226
     



54
Was ist der Gedanke? Was ist sein Wesen?
“Der Gedanke, dieses seltsame Wesen”.
     






Sage Dir ˇ(beim Philosophieren): immer wieder: daß [d|D]enken etwas ˇganz hausbackenes
sein muß. Daß es sich nicht Es handelt sich nicht darum handelt,
ein geheimnisvolles Wesen
zu studieren. daß Daß Du verführt bist, – wenn Du meinst denkst, daß hier da ein
seltsamer Vorgang vorliegt ist.
<; daß es eine Verführung ist, zu meinen, , wenn wir denken,
daß hier etwas Geheimnisvolles vorliegt.
daß uns hier ein geheimnisvoller Vorgang vorliegt.
daß es eine Verführung ist, die was Dich das
Denken als einen geheimn. Vorg. sehen läßt.
><‒ ‒ ‒ daß Du verführt bist wenn Du das Denken
als seltsamen Vorgang (an)sieht.
‒ ‒ ‒ daß Du verführt bist, wenn Dir das Denken
als ein seltsamer Vorgang erscheint.
>
     

     Der Gedanke, soweit man überhaupt von ihm reden kann, muss etwas ganz
hausbackenes sein. (Man pflegt sich ihn als etwas Aetherisches, noch Uner-
forschtes, zu denken; als handle es sich um Etwas, dessen Aussenseite bloss
wir kennen, dessen Wesen aber noch unerforscht ist, etwa wie das unseres
Gehirns.) unser Gehirn.)
     

     Der Gedanke hat aber nur eine Aussenseite und kein Innen. Und ihn ana-
lysieren heisst nicht in ihn dringen.
     

     Man kann wieder nur die Grammatik des Wortes “erwarten” //“denken”//
explicit machen. (Und so des Wortes “erwarten” //“denken”//, etc..)
227
     



55
Zweck des Denkens.
Grund des Denkens.
     






     Wozu denkt der Mensch? Weil
Denken sich bewährt hat?
     Denkt man, weil man denkt, es
sei vorteilhaft zu denken?
     Erzieht er seine Kinder weil es sich sich das
bewährt hat?
     

     Wozu denkt der Mensch? wozu ist es nütze? Wozu berechnet er
Dampfkessel und überlässt ˇ[die|ihre] Dimensionen Wandstärke es nicht dem Zufall[,|?] wie stark er ihre Wand Wände
macht // wie stark die Wand des Kessels wird //?
Es ist doch nur Erfahrungs-
tatsache, dass Kessel, die so berechnet wurden, nicht so oft explodieren// explodierten//.
Aber so, wie er alle[r|s] eher täte, als die Hand ins Feuer
stecken, das ihn früher gebrannt hat, so wird er alles eher tun, als den
Kessel nicht berechnen. Da Wenn uns aber Ursachen nicht interessieren, so können werden
wir nur sagen: die Menschen denken tatsächlich: sie gehen ( z.B.) auf diese
Weise vor, wenn sie einen Dampfkessel bauen. Und dieses Vorgehen hat sich bewahrt. Kann nun ein so erzeugter Kes-
sel nicht explodieren? Oh ja. Doch! Oh freilich. – Warum sollte er denn nicht?
     

Denkt der Mensch also, weil [d|D]enken sich
bewährt hat? Weil er denkt, es sei vorteilhaft zu denken?
<In gewissen speziellen Fällen wird man
das sagen können.
> <
      In gewissen, speziellen, Fällen
aber wird man ˇ aber sagen können:
Heute berechnet man dies, weil &
überläßt es nichtˇ mehr dem Gefühl (oder dem Zufall)
weil es sich das bewährt hat.
> < Man kann auch sagen
es hat sich bewährt diese
Berechnungen immer genau
kontrollieren zu lassen.
> < Und doch kann man sagen,
das Denken habe sich bewährt.
Es seien jetzt weniger Kesselex-
plosionen als früher seit
man die Dimensionen etwa
nicht mehr nach dem Gefühl
bestimmt sondern auf die & die
Weise berechnet. Oder, seit man
jede Rechnung unabhängig von
zwei Leuten ausführen läßt.

Manchmal, also, denkt man
weil es sich bewährt hat.

>
     

     Sich etwas überlegen. Ich überlege, ob ich jetzt ins Kino gehen soll.
Ich mache mir ein Bild der Zeiteinteilung des Abends. Aber wozu tue
ich das?? Ich mache ja kein “Gedankenexperiment”!
     

§ Wie wäre herauszubringen: warum er denkt?
     

     Wir verstehen alle, was es heisst, in einem Kalender nachschlagen, an
welchem Tag der Woche wir frei sind. Das Bild, das wir sehen, ist etwa
228
und wir sagen nun, wir seien nur Freitag frei, und handeln
demgemäss. Mit welcher Berechtigung handeln wir nach dem Bild Fahrplan?
     

     Wir erwarten etwas und handeln der Erwartung gemäss. Muss die Erwartung
eintreffen? Nein. ‒ ‒ ‒ Warum aber handeln wir nach der Erwartung? Weil wir dazu
getrieben werden, wie dazu, einem Automobil auszuweichen, uns niederzuset-
zen, wenn wir müde sind und aufzuspringen, wenn wir uns auf einen Dorn
gesetzt haben.
     

←      Die Natur des Glaubens an die Gleichförmigkeit des Geschehens wird viel-
leicht am klarsten im Falle, in dem wir Furcht vor dem [e|E]rwarteten Ereignis
em[f|p]finden. Nichts könnte mich dazu bewegen, meine Hand in die Flamme zu
stecken, obwohl ich mich doch nur in der Vergangenheit
verbrannt habe.
     

     Dass mich das Feuer brennen wird, wenn ich die Hand hineinstecke:
das ist Sicherheit.
      D.h., da sehe ich sehen wir siehst Du was Sicherheit bedeutet. (Nicht nur was das Wort “Si-
cherheit” bedeutet, sondern auch, was es mit ihr auf sich hat.)
     

     Der Glaube, dass mich das Feuer brennen wird, ist von der Natur der
Furcht, dass es mich brennen wird.
     

     Wenn man mich ins Feuer zöge, so würde ich mich wehren und nicht gut-
willig gehn; und ebenso würde ich schreien: “das Feuer es wird mich brennen!”
und ich würde nicht schreien: “vielleicht wird es ganz angenehm sein!”
     

     Ich kalkuliere so, weil ich nicht anders kalkulieren kann. (Ich
glaube das, weil ich nicht anders glauben kann.)
229
     
     Es lässt sich kein // Man kann keinen // Grund angeben, Was sollte ich für einen Grund angeben, <Was sollte ich als Grund angeben dafür, weswegen> weswegen man
denken soll.
      Es sei denn ein einen Grund von der Art dessen, weswegen man essen soll.
     

     Man kann einen Gedanken aus anderen begründen, aber nicht das Denken Es ist eines: einen Gedanken aus andern begründen, –
ein anderes: das Denken begründen
.
Das, glaube ich, ist es, was unsere Untersuchung rein beschreibend macht.
     

     Es lässt sich kein rationaler Grund angeben, weshalb wir denken sollten
// müssten//. Ich weiß nicht, warum ich denken sollte.
Aber ich denke.
     


      Fahrplan
     Ich nehme an, dass dieses Haus nicht in einer halben Stunde zusammen-
stürzen wird. Wann nehme ich das an? Die ganze Zeit? und was ist dieses An-
nehmen für eine Tätigkeit? Heisst, das annehmen, nicht (wieder) zweierlei?
Einmal bezeichnet es eine hypothetische psychologische Disposition; einmal
den Akt des Denkens, Ausdrückens, jenes Satzes // des Satzes “das Haus wird
nicht einstürzen”//. Im ersten Sinne ist das Kriterium dafür, dass ich
jene Annahme mache //das annehme// das, was ich sonst sage, fühle und
tue; im andern Sinn, dass ich einen Satz sage, der wieder ein Glied einer
Rechnung // Kalkulation// ist. Nun sagt man: Du musst aber doch einen
Grund haben, das anzunehmen, sonst ist die Annahme ungestützt und wertlos
(erinnere Dich daran, dass wir zwar auf der Erde stehen, die Erde aber
nicht wieder auf irgend etwas; und Kinder glauben, sie müsse fallen, wenn
sie nicht gestützt ist). Nun, ich habe auch Gründe zu meiner Annahme. Sie
lauten etwa: dass das Haus schon jahrelang gestanden hat, aber nicht so
lang, dass es schon baufällig sein könnte, etc. etc.. Was ein Grund
wofür ist (Was als Grund wofür gilt), kann von vornherein angegeben
werden und beschreibt //bestimmt// einen Kalkül, in welchem //dem//
eben das eine ein Grund des andern ist. Soll aber nun ein Grund für diesen
ganzen Kalkül gegeben werden, so sehen wir, dass er fehlt. Fragt man aber,
230
ob der Kalkül also eine willkürliche Annahme ist, so ist die Antwort, dass
er so wenig ist, wie die Furcht vor dem Feuer oder einem wütenden Men-
schen, der sich uns nähert.
< Ist es [w|W]illkürlich, daß wir das als Grund
von dem betrachten? Ist es [w|W]illkürlich, daß wir
auf die Erzählungdes A dieser Hund habe ihn
gebissen, diesem Hund nicht in die Nähe gehen
wollen?
>
     Wenn man nun sagt: gewiss sind doch die Regeln der Grammatik, nach de-
nen wir vorgehen und operieren, nicht willkürlich; so müsste man zur Ant-
wort fragen: Gut also, warum denkt denn ein Mensch wie er denkt? warum
geht er denn durch diese Denkhandlungen? (gefragt ist hier natürlich nach
den Gründen Gründen, nicht Ursachen). Nun, da lassen sich Gründe in
dem Kalkül angeben; und ganz zum Schluss ist man dann versucht zu sagen:
“es ist eben sehr wahrscheinlich, dass sich das Ding jetzt so verhalten
wird, wie es sich immer verhalten hat” //…dass das Ding jetzt das glei-
che Verhalten zeigen wird, das es immer gezeigt hat”//, – oder dergleichen.
Eine Redensart, die den Anfang des Raisonnements verhüllt und hier //an
diesem Anfang
// eine ähnliche Rolle spielt, wie der Schöpfer am Beginn
//Anfang// der Welt, der //welcher// zwar in Wirklichkeit nichts er-
klärt, aber ein einen den Menschen acceptabler acceptablen Anfang ist. macht.
     Das, was so schwer einzusehen ist, ist,ˇ eigentlich, < Das was so schwer einzusehen ist, lautet eigentlich etwa: <…>
> dass, solange wir ein
Wahr-Falsch-Spiel spielen // dass, solange wir im Bereich der Wahr-Falsch-Spiele bleiben//, eine Aenderung der Gramm. uns nur von einem
solchen Spiel zu einem andern führen kann, aber nicht < Das, was so schwer einzusehen ist: Solange
wir im Bereich der W.F.Spiele bleiben, kann
uns eine Änderung der Grammatik nur von
einem solchen Spiel zu einem andern führen,
aber nicht ……
> von etwas Wahrem zu
etwas Falschem. Und wenn wir anderseits aus dem Bereich dieser Spiele
heraustreten, so nennen wir es eben nicht mehr Grammatik, und zu einem Wi-
derspruch mit der Wirklichkeit kommen wir wieder nicht.
     

     Denken wir uns die Tätigkeit in einem Haus, in einer Werkstätte. Da wird
gehobelt, gesägt, gestrichen, etc. etc.; und ausserdem gibt es da eine Tä-
tigkeit, die man ‘rRechnen’ nennt, und die sich scheinbar von allen den an-
dern unterscheidet //von allen diesen unterscheidet//, besonders, was
den // ihren// Grund anbelangt. Wir machen da etwa ein Bild, die Tätigkeit
231
des Rechnens (Zeichnens, etc.) verbindet Teile der andern Tätigkeit. Er
setzt aus, rechnet etwas, dann misst er und arbeitet mit dem Hobel weiter.
Er setzt auch manchmal aus, um das Hobelmesser zu schleifen; aber ist diese
Tätigkeit analog der andern des Kalkulierens? – “Aber Du glaubst doch auch,
dass mehr Kessel explodieren würden //mehr Kesselexplosionen wären//,
wenn die Kessel nicht berechnet würden”. Ja, ich glaube es bin überzeugt davon; – aber was will
das sagen? Folgt daraus, dass weniger sein werden? Und was ist denn
die Grundlage dieses Glaubens?
     Wenn man nun nach dem Grund einer einzelnen Denkhandlung (Kalkülhand-
lung) fragt, so erhält man als Antwort die Auseinandersetzung eines Systems
dem die Handlung angehört.
     

“Ist also also daß es sich in der
Vergangenheit bewährt hat kein
guter Grund zu anzunehmen daß
es in Zukunft so sein wird? –
Das ist was wir einen guten Grund
nennen.?
232
     




Grammatik.








































233
     



56
Die Grammatik ist keiner Wirklichkeit Rechenschaft schuldig.
Die grammatischen Regeln bestimmen erst die Bedeutung (konstituieren sie)
und sind darum keiner Bedeutung verantwortlich und insofern willkürlich.
     






     Angenommen, wir lassen die Uebersetzung in die Gebärdensprache fort;
zeigt es sich dann in der Anwendung (ich meine, in den grammatischen Regeln
der Anwendung), dass diese Uebersetzung möglich ist?
     

     Und kann es sich nur zeigen, dass dsie möglich ist, oder auch,
dass sie notwendig ist?
     Wenn sie notwendig ist, so heisst das, dass die Sprache ver-
mittels des roten Täfelchens in irgend einem Sinn notwendig ist; und nicht
gleichberechtigt der Wortsprache.
     

     Aber wie könnte das sein? denn dann wären ja die hinweisenden Erklärun-
gen überflüssig: das heisst aber schon, implicite in den andern enthalten.
Wie kann denn eine Regel eines Spiels überflüssig sein, wenn es eben
das Spiel sein soll, was auch durch diese Regel charakterisiert
wird.
234
     
     Der //Mein// Fehler besteht hier immer wieder darin, dass ich vergesse
dass erst alle Regeln das Spiel, die Sprache, charakterisieren, und
dass diese Regeln nicht einer Wirklichkeit verantwortlich sind, so dass sie
von ihr kontrolliert würden, und so dass man von einer Regel bezweifeln
könnte, dass sie notwendig, oder richtig, wäre. ([C|V]ergleiche das Problem der
Widerspruchsfreiheit der Nicht-euklidischen Geometrie.)
     

     Die Grammatik ist keiner Wirklichkeit verantwortlich.
     

     (Die Grammatik ist kei der Wirklichkeit nicht Rechenschaft schuldig.)
     

     Kann man diese hinweisende Erklärung mit den ˇ übrigen Regeln der Verwendungˇ des Worts kolli-
dieren?


      Denn eigentlich können ja Regeln nicht kollidieren, ausser sie widerspre-
chen einander. Denn im Uebrigen bestimmen sie ja eine Bedeutung, und sind
nicht einer verantwortlich, so dass sie ihr widersprechen könnten. ((Dazu
eine Bemerkung, dass die hinweisende Erklärung eine der Regeln ist,
die von einem Wort gelten.))
     

     Eine Sprache ist, was sie ist, und eine andere Sprache ist nicht die-
se
Sprache. Ich gebrauche also die Nummern des Musterkataloges anders,
als die Wörter “rot”, “[B|b]lau”, etc..
     

     Es kann keineˇ Wie kann es eine Diskussion darüber geben, ob diese Regeln oder andere die
richtigen für das Wort ‘nicht’ sind.? Denn das Wort hat ohne diese // die//
Regeln noch keine Bedeutung, und wenn wir die Regeln ändern, so hat es nun
eine andere Bedeutung (oder keine) und wir können dann ebensogut auch das
Wort ändern. Daher sind diese Regeln willkürlich, weil die Regeln erst das dem
235
Zeichen machen. die Bedeutung geben.
     

     Überlege: “Das einzige Korrelat, in der Sprache, zu einer Naturnotwendigkeit ist
eine willkürliche Regel. Sie ist das einzige, was man von dieser Notwendig-
keit in Sätze //einen Satz// abziehen kann.
< Bezieht sich auf Sätze wie ~~p = p>
     



     Wenn man fragt “warum gibst Du Eier in diesen Teig”, so ist die Antwort
etwa “weil der Kuchen dann besser schmeckt”. Also, man hört //erfährt//
eine Wirkung und sie wird als Grund gegeben.


     Wenn ich dem Holzblock eine bestimmte Form geben will, so ist der Hieb
der richtige, der diese Form erzeugt. – Ich nenne aber nicht das Argument
das richtige, das die erwünschten Folgen hat. Vielmehr nenne ich die Rech-
nung falsch, obwohl // auch wenn // die Handlungen, die dem Resultat ent-
springen, zum gewünschten Ende geführt haben. (ˇVergl den Witz “Ich mach den Haupttreffer,
und er will mich belehren!”
< Ein Jude A erzählt einem andern dem B er habe in der
Lotterie den Haupttreffer gemacht gewonnen:; er habe
auf der Straße eine Kiste liegen gesehen &
darauf der seien die Zahlen 5 & 7. gestanden, [e|E]r
habeˇ habe gerechnet;, 5 × 7 ist 64, – & habechˇ & die Nummer 64 gesetzt.
Der [a|A]ndre B: Aberch 5 × 7 ist doch nicht 64!
Der Erste A: Ich mach den Haupttreffer & er
will mich belehren.
>
Das zeigt, dass die Rechtfertigungen in den
beiden Fällenˇ von verschiedener sind[,|.]ˇ Art ist. und also “Rechtfertigung” verschiedenes in
beiden bedeutet.
In einem Fall kann man sagen: “Wart' nur, Du wirst schon
sehen, dass das Richtige (d.h. hier: Gewünschte) herauskommt”; im andern
ist dies keine Rechtfertigung.


     Wenn man nun von der Wirklich Willkürlichkeit der grammatischen Regeln
spricht, so kann das nur bedeuten, dass es die Rechtfertigung, die in
der Grammatik als solcheˇr liegt, nicht für die Grammatik gibt. Und wenn
man das Rechnen und // aber// nicht das Kochen dem Spiel vergleicht, ?–so
ist es eben aus aus eben diesem Grunde–?. Das ist aber auch der Grund, warum man das
Kochen keinen Kalkül nennen würde. Wie ist es aber mit dem Aufräumen eines
Zimmers, oder dem Ordnen eines Bücherschrankes, – oder dem Stricken eines
bestimmten Musters? Diese Dinge kommen dem Spiel in irgendeiner Weise nä-

236
her. Ich glaube, der Grund, warum man das Kochen kein Spiel zu nennen ver-
sucht ist, ist der: es gibt natürlich auch für das Kochen Regeln, aber “Ko-
chen” bezeichnet nicht wesentlich eine Tätigkeit nach diesen Regeln, son-
dern eine Tätigkeit, die ein bestimmtes Resultat hat. Es ist z.B. etwa eine
Regel, dass man Eier 3 Minuten lang kocht, um weiche Eier zu erhalten; wird
aber durch irgend welche Umstände das gleiche Ergebnis durch 5 Minuten lan-
ges Kochen erreicht, so sagt man nun nicht “das heisst dann nicht ‘weiche
Eier kochen’”. Dagegen heisst “Schachspielen” nicht die Tätigkeit, die ein
bestimmtes Ergebnis hat, sondern dieses Wort bedeutet eine Täti[v|g]keit, die
nachch gewissen den & den ↘ ausgeführt wirdch entspricht. Die Regeln der Kochkunst hängen mit
der Grammatik des Wortes “kochen” anders zusammen, als die Regeln des
Schachspiels mit der Grammatik des Wortes “Schach spielen” und als die Re-
geln des Multiplizierens mit der Grammatik des Wortes “multiplizieren”.
     
<

In diesem Sinn würde man es eine willkür-
liche Regel nennen, die Ingredientien
beim Kochen nach Pfund zu wägen, aber
nicht Eier 3 Minuten lang kochen zu
lassen.


     “Die Maßeinheit ist willkürlich”
(wenn dies nicht heißen soll: “wähle
in diesem Falle die Einheit ganz wie
Du willst”) sagt nichts anderes,
als daß die Angabe der Maßeinheit
keine Längenangabe ist (obwohl sie
so klingt). Und zu sagen, die Regeln
der Grammatik sind willkürlich, sagt
bloß: Verwechsle eine Regel nicht mit
einem über den Gebrauch des Wortes A
nicht mit einem Satz, in dem vom Wort
A Gebrauch gemacht wird G Denke
nicht daß die Regel in über”A” sei in
ähnliche[m|r] Sinne Weise einer Realität
verantwortlich ist, wie der Erfahrungs-
satz der “A” enthält. von A handelt.

>
     Die Regeln der Grammatik sind so (d.h. in demselben Sinne) willkürlich,
ˇ & in demselben Sinne nicht willkürlich wie die Wahl einer Masseinheit. Aber das kann doch nur heissen, dass sie
von der Länge des Zumessenden unabhängig ist. Und dass nicht die Wahl der
einen Einheit ‘wahr’, der andern ‘falsch’ ist, wie die Angabe der Länge
wahr oder falsch ist. Was natürlich nur eine Bemerkung über die Grammatik
des Wortes “Längeneinheit” ist.
Man drückt dies auch so aus: diese Regeln
seien ‘praktisch’ oder ‘unpraktisch’ ‘brauch-
bar’ oder ‘unbrauchbar’ aber nicht
‘wahr’ oder ‘falsch’

<


     Die grammatischen Regeln
sind zu vergleichen Regeln über
das Messen Vorgehn beim Messen der von Zeiträumen
der Zeit, von Zeiträumen
<…> von Entfernungenˇ Temperaturen, Kräften etc. etc.
Oder auch: diese methodologischen
Regeln sindˇ selbst Beispiele grammatischer
Regeln.

Grammatische Regeln wird man mit
Vorteil Übereinkommen vergleichen.


     Diese Regeln des Vorgehens sind willkür-
lich heißt kann nur heißen: Wenn Dein Zweck
nur der ist, so kannst Du ihn
auf alle diese Weisen erreichen.

“Wenn Du mit diesem Zeichen die Nega-
tion ausdrücken willst, so mußt Du
davon von ihm die & die die Regeln gelten lassen.” –
Was für ein eine Art Satz ist das?

>
     Man ist versucht, die Regeln der Grammatik durch Sätze zu rechtfertigen
von der Art: “Aber es gibt doch wirklich 4 primäre Farben”; und gegen die
Möglichkeit die[w|s]er Rechtfertigung, die nach dem Modell der Rechtfertigung
eines Satzes durch (den?) Hinweis auf seine Verifikation gebaut ist, richtet
sich das Wort, dass die Regeln der Grammatik willkürlich sind.
     Kann man aber nicht doch in irgend einem Sinne sagen, dass die Gramma-
tik der Farbwörter die Welt, wie sie tatsächlich ist, charakterisiert? Man
möchte sagen: kann ich nicht wirklich vergebens nach einer fünften primä-
ren Farbe suchen? (Und wenn man suchen kann, denn ist ein Finden denkbar.)
Nimmt man nicht die primären Farben zusammen, weil sie eine Aehnlichkeit
237
haben, oder zum mindesten die Farben, im Gegensatz z.B. von // zu den//
Formen oder Tönen, weil sie eine Aehnlichkeit haben? Oder habe ich, wenn
ich diese Einteilung der Welt als die richtige hinstelle, schon eine vorge-
fasste Id[d|e]e als Paradigma der im Kopf? Von der ich dann etwa nur sagen kann:
“ja, das ist die Weise //Art//, wie wir die Dinge betrachten”, oder “wir
wollen eben ein solches Bild (von der Wirklichkeit) machen”. Wenn ich näm-
lich sage: “die primären Farben haben doch eine bestimmte Aehnlichkeit mit-
ch
einander” – woher nehme ich den Begriff dieser Aehnlichkeit? D.h.: habe ich
hier eine Funktion “x ähnlich mit y”, in die ich die Farben als Argumente
einsetzen kann?
Ist nicht so, wie der Begriff “primäre Farbe” nichts andres
ist, als “blau oder ro[r|t] oder grün oder gelb”, – auch der Begriff jener Aehn-
lichkeit nur durch die vier Farben gegeben? Ja, sind sie nicht die gleichen!
Ja, könnte man denn auch rot, grün und kreisförmig zusammenfassen?” – Warum
nicht?!
     Die Wichtigkeit in einem Spiel eines Spiels liegt darin, dass wir dieses Spiel spie-
len. Dass wir diese Handlungen ausführen. Es verliert seine Wichtig-
keit nicht dadurch, dass es selbst nicht wieder eine Handlung in einem an-
dern (übergeordneten) Spiel ist.
     Warum nenne ich die Regeln des Kochens nicht willkürlich; und warum bin
ich versucht, die Regeln der Grammatik willkürlich zu nennen? Weil das Ko-
chen durch seinen Zweck definiert ist, dagegen der die Regeln des Gebrauchs der Sprache das Sprechen
nicht. Darum ist der Gebrauch der Sprache in einem gewissen Sinne autonom, in
dem das Kochen und Waschen es nicht ist. Denn, wer sich beim Kochen nach an-
dern als den richtigen Regeln richtet, kocht schlecht; aber wer sich nach
andern Regeln als denen des Schach richtet, spielt ein ein anderes
Spiel
und wer sich nach andern grammatischen Regeln richtet, als den
und den, spricht darum nichts Falsches, sondern von etwas Anderem.
     

     Könnte ich den Zweck der grammatischen Konventionen dadurch beschreiben,
238
dass ich sagte, ich müsste sie machen, weil etwa die Farben gewisse Eigen-
schaften haben, so wären damit diese Konventionen überflüssig, denn dann
könnte ich eben das sagen, was die Konvention gerade ausschliessen.
Umge-
kehrt, wenn die Konventionen nötig waren, also gewisse Kombinationen der
Wörter als unsinnig ausgeschlossen werden mussten, dann kann ich eben darum
nicht eine Eigenschaft der Farben angeben, die die Konventionen nötig mach-
te, denn dann wäre es denkbar, dass die Farben diese Eigenschaft nicht hät-
ten und das könnte nur entgegen den Konventionen ausgedrückt werden.
     

<      Angenommen man wollte eine Grammatische Kon-
vention damit rechtfertigen, daß – z.B. – die Farben
die & die Eigenschaften haben & daher gewisse Regeln
für den Gebrauch der Farbwörter gelten //gelten müßten//
Dann wäre es nach dieser Grammatik auch denkbar,
ˇnämlich sagbar, daß die Farben diese jene Eigenschaften nicht hätten
& es müßte sich nach ihr alles sagen lassen, was
dann der Fall wäre., wenn
>
     

     ‘Die grammatischen Regeln sind
willkürlich’ heißt …
     
     Ich <…> nenne die Regel Vorschriften der Darstellung keine Konvention, die sich durch
Sätze rechtfertigen lässt, Sätze, welche das Dargestellte beschreiben und
zeigen, dass die Darstellung adäquat ist. Die Konventionen der Grammatik
lassen sich nicht durch eine Beschreibung des Dargestellten rechtfertigen.
Jede solche Beschreibung setzt schon die Regeln der Grammatik voraus. D.h.,
was in der zu rechtfertigenden Grammatik als Unsinn gilt, kann <…> in der
Grammatik der rechtfertigenden Sätze auch nicht als Sinn gelten, u.u.
ch
     

     Wer etwas dagegen hat, dass man sagt, die Regeln der Grammatik seien
Spielregeln, hat in dem Sinne Recht, dass das, was das Spiel zum Spiel macht
die Konkurrenz von Spielern, der Zweck der Unterhaltung und Erholung, in der
Grammatik abwesend ist, etc.. Aber niemand wird leugnen, dass das Studium
des Wesens der Spielregeln für das Studium der grammatischen Regeln nützlich
sein muss, da (irgend) eine Aehnlichkeit eine Analogie zweifellos offenbar besteht. Es ist
überhaupt besser, ohne ein gefasstes Urteil oder Vorurteil über die Analogie
zwischen Grammatik und Spiel, und nur getrieben von dem sicheren Instinkt,
dass hier eine Verwandtschaft vorliegt, die Spielregeln zu betrachten. Und
hier wieder soll man einfach berichten, was man sieht und nicht fürchten,
dass man ei damit eine wichtige Anschauung untergräbt, oder auch, seine Zeit
239
mit etwas Ueberflüssigem verliert.
     Man sieht dann vor allem, wie der Begriff des Spiels und damit der Spiel-
regel ein an den Rändern verschwimmender ist.
     Ferner sieht man etwa Folgendes, wenn man die Regeln z.B. des Schachspiels
betrachtet: Es gibt hier Sätze, die die Züge der einzelnen Figuren beschrei-
ben; allgemeiner ausgedrückt, Regeln über Spielhandlungen. Dann aber gibt es
doch die Sätze, die die Grundstellung beschreiben und solche, die das Schach-
brett beschreiben.
     


      Dieser Kalkülˇ die Zahlentheorie etwa zeigt nicht, welche
ˇ wunderbare Eigenschaften Gott den Zahlen gege-
ben hat; sondern, welche Eigen-
schaften er uns & den Dingen ge-
geben hat, daß dieser Kalkül
nützlich, interessant, &, mit
unsern Schreibmaterialien,ˇ leicht aus-
führbar
ist.
240
     



57
Regel und Erfahrungssatz.
Sagt eine Regel, dass Wörter tatsächlich so und so gebraucht werden?
     






     Die Regel ist eine Anwendung der
Satzform; sie grenzt sie geht nach verschie-
denen Seiten in Befehl, Rat, Vorschlag, Erklärung
eines Spiels, Erfahrungssatz u.a. über.
     

     Eine Regel verglichen mit einem
Weg. Sagt ein Weg man solle auf
ihm (& nicht auf dem Rasen) gehen? Sagt
erˇ aus die Menschen gingen meistens so?
     

Regel und Erfahrungssatz. Ist eine Regel Was ist eine Regel? Ist sie ein Erfahrungssatz – etwa (z.B.)
über den Gebrauch der Sprache? Ist eine Regel des Schachspiels ein Satz
darüber, wie die Menschen seit dem Ereignis der Erfindung des Schach-
spiels es gespielt haben; d.h. etwa mit so geformten Figuren gezogen ha-
ben? Denn, wenn davon die Rede ist, dass die Menschen das Schachspiel
so gespielt haben, so muss das Schachspiel so definiert sein, dass es
Sinn hat, davon auszusagen, es sei anders gespielt worden. Sonst nämlich
gehören die Regeln zur Definition des Schachspiels. Dass jemand der Re-
gel … gemäss spielt, das ist eine Erfahrungstatsache; oder: “A spielt
der Regel … gemäss”, “die meisten Menschen spielen der Regel … ge-
mäss”, “niemand spielt der Regel … gemäss” sind Erfahrungssätze. Die
Regel ist kein Erfahrungssatz, sondern nur der Teil eines solchen Sat-
zes.
     Ist eine Regel ein Befehl? oder eine Bitte? <Ist eine Bitte & was ist eine Bitte?> < Schau wie
der Satz wirklich im Verkehr gebraucht wird.
>
     Die Regel ist die Festsetzung der Masseinheit //Die Regel setzt die
Masseinheit fest//, und der Erfahrungssatz sagt, wie la[h|n]g ein Gegen

stand ist. (Und hier sieht man, wie logische Gleichnisse funktionieren,
denn die Festsetzung der Masseinheit ist wirklich eine grammatische Re-
241
gel und die Angabe einer Länge in dieser Masseinheit ein Satz, der von
der Regel Gebrauch macht.)
     

     Wenn man die Regel dem Satz beifügt, so ändert sich der Sinn des Sat-
zes nicht. Wenn die Definition des Meters ˇist, es sei die Länge des Pariser Urmeters,
ist, so sagt der Satz “dieses Zimmer ist 4 m lang” dasselbe wie, “dieses
Zimmer ist 4 m lang; , und 1 m = die Länge des Pariser Urmeters”.
     Die Legende zu einer Landkarte ist so eine Anweisung zum Gebrauch –
oder ˇzum Verständnis – einer Beschreibung. | [Ende]|

     Diese Legende sagt jedenfalls nichts über die Geographie des Landes
aus. So wenig, wie der Satz “1 m ist die Länge des ˇPariser Urmeters in Paris
die Länge eines Gegenstandes beschreibt angibt.
     

     Ferner muss sichˇ Ferner bezieht sich die Regel auf die ihre Anwendung in der Beschreibung (<…> der
Wirklichkeit
) beziehen. Denn, was hat es für einen Sinn von einem Stab zu
sagen “das ist das Urmeter”, wenn sich diese Aussage nicht auf Messungen
mit dem Metermass bezieht. Insofern könnten wir uns die Regel jedem Satz
beigefügt denken.
     Die Regel ist eine Art vorgezeichneter Route; ein vorgezeichneter Weg.
     

     Die Regel möchte ich ein Instrument nennen.
     

     Wenn eine Regel ein Satz ist, dann wohl einer, der von den Wörtern der
Sprache handelt. Aber was sagt so ein Satz von den Wörtern aus? Dass sie
in dem und dem Zusammenhang gebraucht werden? Aber von wem und wann?
Oder, dass jemand wünscht, dass sie so gebraucht werden? Und wer? – Viel-
mehr ist die Regel von allen diesen solchen Aussagen ein Teil.
     


      Die Regel “links gehen!” oder einfach ein Pfeil. Wie, wenn ich mir in
meinem Zimmer einen Pfeil an die Wand malte – wäre der auch der Ausdruck
242
eines Gesetzes, wie es der Pfeil auf einem Bahnhof wohl sein könnte? Um
ihn zu einem Gesetz zu machen, gehört doch // wohl// noch der übrige Ap-
parat, dessen ?–einer Teil der Pfeil nur ist–?.
     (Sraffa) Ein Ingenieur baut eine Brücke; er schlägt dazu in mehreren
Handbüchern nach; in technischen Handbüchern und in juridischen. Aus dem
einen erfährt er, dass die Brücke zusammenbrechen würde, wenn er diesen
Teil schwächer machen würde als etc. etc.; aus den andern, dass er einge-
sperrt würde, wenn er sie so und so bauen wollte //würde//. – Stehn nun
die beiden Bücher nicht auf gleicher Stufe? – Das kommt drauf an, was für
eine Rolle sie in seinem Leben spielen. Das juridische Handbuch kann ja
für ihn einfach ein Buch über die Naturgeschichte der ihn umgebenden Men-
schen sein. Vielleicht muss er auch ein Buch über das Leben der Biber nach
schlagen, um zu erfahren, wie er die Brücke streichen muss, dass die Biber
sie nicht annagen. – Gibt es aber nicht noch eine andere Weise, die Ge-
setze zu betrachten? Fühlen wir nicht sogar deutlich, dass wir sie nicht
so betrachten? – Ist dies nicht die gleiche Frage, wie: – Ist ein Vertrag
nur die Feststellung, dass es für die Parteien nützlich ist, so und so zu
handeln? Fühlen wir uns nicht in manchen Fällen (wenn auch nicht in</>allen)
auf andre Weise “durch den Vertrag gebunden”? Kann man nun sagen: “Wer
sich durch einen Vertrag oder ein Gesetz gebunden fühlt, stellt sich irr-
tümlicherweise das Gesetz als einen Menschen (oder Gott) vor, der ihn mit
physischer Gewalt zwingt”? – Nein; denn, wenn er handelt, als ob ihn je-
mand zwänge, so ist doch seine Handlung jedenfalls Wirklichkeit und auch
die Vorstellungsbilder, die er etwa dabei hat, sind nicht Irrtümer; und er
braucht sich in nichts irren und kann doch handeln wie er handelt und sich
auch vorstellen, was er sich etwa vorstellt.
Die Worte “der Vertrag bindet
mich” sind zwar eine bildliche Darstellung und daher mit der gewöhnlichen
Bedeutung des Wortes “binden” ein falscher Satz: aber, richtig aufgefasst,
sind sie wahr (oder können es sein) und unterscheiden einen Fall von dem,

243
in welchem der Vertrag mir bloss sagt, was zu tun mir nützlich ist. Und
wenn man etwas gegen die Worte einwendet “der Vertrag (oder das Gesetz)
bindet mich”, so kann man nichts sagen gegen die Worte: “ich fühle
mich durch den Vertrag gebunden”.
     


      Die Regel – wie ich sie verstehe – ist wie ein Weg in einem Garten.
Oder wie die vorgezeichneten Felder auf einem // dem// Schachbrett, oder
die Linien einer Tabelle. Von diesen Linien etc. wird man nicht sagen, dass
sie uns etwas mitteilen (obwohl sie ein Teil einer Mitteilung sein können,
ja auch selbst Mitteilungen). Ich lege in einer Abmachung mit jemandem ei-
ne Regel fest. In dieser Abmachung teile ich ihm etwa die Regel (einer
künftigen Darstellung) mit. Ich sage ihm etwa: “der Plan, den ich Dir von
meinem Haus zeichne, ist im Masstab 1:10”. Das ist eigentlich ein Teil der
Beschreibung des Hauses. Und wenn ich schreibe non-p & (non-non-p = p)
so ist das wirklich ähnlich, wie wenn ich dem Plan den Masstab beifüge.


      < Kann man “non” nicht in der gegenwärtigen
selben Bedeutung gebrauchen ob
man nun definiert ~~p = p oder
~~p = ~p? Denn warum sollen wir
nicht wie in vielen Wortsprachen eine doppel-
te Negation als Negation verwenden?
Man könnte dann etwa unterscheiden
zwischen ~(~p) = p & ~~p = ~p aber eine
Schreibweise ~(~p) braucht es gar nichtˇ in unserer Sprache zu geben
& die Schreibweise ~~p = ~p multipliziert zwar
unnötig Zeichen der Negation aber mehr
kann man ihr nicht zum Vorwurf machen.
Wie ist mir aber dann die Bedeutung des
Zeichens “nicht” der Verneinung // Verneinungszeichens//
gegeben? Durch das Kopfschütteln, die abwehrende
Bewegung? (Aber diese bestimmen keinen Kalkül.)
Oder durch eine Reihe besonderer Erklärungen
wie etwa der “der Fleck befindet sich nicht
innerhalb dieser Figur heißt …”?
>
     Ich könnte auch so sagen: Ich will nur das mitteilen, was der Satz der
Sprache mitteilt; und die Regel ist nichts als ein Hilfsmittel dineser
Mitteilung (so wie ich sie, die Regel, verstehe). Schon deshalb kann darf
//kann // die Regel nicht selbst eine Mitteilung sein; denn sonst würde
der Sinn des Satzes irgendwie zugleich den Sinn der Mitteilung über den
Sprachgebrauch beinhalten.

     Wir müssen uns vergegenwärtigen, wie wir in der Philosophie, d.h. beim
Klären grammatischer Fragen, wirklich von Regeln reden; – damit wir auf
der Erde bleiben und nicht nebelhafte Konstruktionen machen //bauen //.
Ich gebe z.B. Regeln wie: (E x). fx: V :fa: V :fb = (E x).fx oder
non-non-p = p, oder ich sage, dass es sinnlos ist von einem “rötlichen
Grün” zu reden, oder von “schwärzlichen Schwarz”, oder ich sage, dass
“a = a” sinnlos ist, oder beschreibe eine Notation die dieses Gebilde und
“(E x).x = x” vermeidet, oder sage, es habe keinen Sinn zu sagen, etwas
244
“scheine rot zu scheinen”, oder es habe Sinn zu sagen, dass im Gesichts-
raum eine krumme Linie aus geraden Stücken zusammengesetzt sei, oder es
<…> habe den gleichen Sinn, zu sagen “der Stein falle, weil er von der
Erde angezogen werde” und “der Stein müsse fallen, weil er von der
Erde etc.”.
     Ich biete dem Verwirrten eine Regel an und er nimmt sie an. Ich könnte
auch sagen: ich biete ihm eine Notation an.
     Wie schaut nun so eine Notation aus? Nun, in</>den meisten Fällen werde
ich Sätze der alten Notation (etwa der Wortsprache) in die entsprechenden
Sätze der neuen Schreibweise übersetzen; etwa indem ich schreibe:
alt:
(E x,y). f(x,y) …
(E x,y). f(x,y). & .x ≠ …
neu:
(E x,y).f(x,y) : V : (E x).f(x,x)
(E x,y).f(x,y)
etc..
     

     Die Regel entspricht aber in gewissem Sinne dem, was man eine “Annahme”
genannt hat. Sie ist quasi ein Satzradikal (chemisch gesprochen). Und es
ist charakteristisch für die Art unserer Untersuchung, dass wir uns nicht
für die Sätze interessiereˇn, die mit diesem Radikal gebildet werden (kön-
nen
). Im Mittelpunkt der Betrachtung steht die Regel; nicht, dass ich sie jemandem anbiete, nicht, dass jemand sie benützt, etc.. Sie könnte, glau-
be ich, vergl[ei|ic]hen werden dem Plan eines Hauses, ich meine einer Zeich-
nung, die als Plan eines Hauses gebraucht werden kann, der aber kein exi-
stierendes Haus entspricht und von der auch nicht gesagt wird, dass ihr
einmal eines entsprechen soll, etc..
     

     Die Beschreibung einer neuen, etwa übersichtlicheren, Notation (denn
auf die Uebersichtlichkeit kommt es uns an) ist dann von der gleichen
Art, wie die Beschreibung einer jener Sprachen, die die Kinder erfinden
245
oder von einander lernen, worin z.B. jeder Vokal der gewöhnlichen Sprache
// Wörter// verdoppelt und zwischen die Teile der Verdoppelung ein b ge-
stellt wird. Hier sind wir ganz nah an's Spiel herangekommen. So eine Beschreibung oder ein Regelverzeichnis kann man als Definiens des Namens der
Sprache oder des Spiels auffassen. Denken wir auch an die Beschreibung des
Zeichnens, Konstruierens, irgend einer Figur, etwa eines Sternes (welches
auch in Spielen eine Rolle spielt). Sie lautet etwa so: “Man zieht eine Ge-
rade von einem Punkt A nach einem Punkt B, etc. etc.”. Diese Beschreibung
könnte ich offenbar auch // einfach// durch eine Vorlage, d.h. Zeichnung, ersetzen.
     Das, was hier irrezuführen scheint, ist ein Doppelsinn des Wortes “Be-
schreibung”, wenn man einmal von der Beschreibung eines wirklichen Hauses
oder Baumes etc. spricht, ein andermal // einmal// von der Beschreibung
einer Gestalt, Konstruktion, etc., einer Notation, eines Spiels. Worunter
aber eben nicht ein Satz gemeint ist der sagt, dass ein solches Spiel ir-
gendwo wirklich gespielt, oder eine solche Notation wirklich verwendet
wird; vielmehr steht die Beschreibung statt der hier gebrauchten Wörter
“ein solches Spiel” und “eine solche Notation”.
     Die Beschreibung einer Notation fängt (man?) charakteristisch(erweise)
oft mit den Worten an: “Wir können auch so schreiben: …”. Man
könnte fragen: “was ist das für eine Mitteilung ‘wir können …’?? etc..
Man schreibt auch etwa: “übersichtlicher wird unsere Darstellung, wennw
wir statt … schreiben: …; und die Regeln geben …”; und hier ste-
hen die Regeln in einem Satz.
     

     Denken wir uns etwa ein Bild, einen Boxer in bestimmter Kampfstellung
darstellend. Dieses Bild kann nun dazu gebraucht werden um jemandem mitzu-
teilen, wie er stehen, sich halten soll; oder, wie er sich nicht halten
soll; oder, wie ein bestimmter Mann dort und dort gestanden hat // ist//;
246
etc. etc.. Man könnte dieses Bild ein Satzradikal nennen.
     

     ‘Regel’ ist in demselben Sinne ein Begriff mit verschwommenen Rändern,
wie ‘Blatt’ oder ‘Stiel’ oder ‘Tisch’, etc..
     

     Wenn man eine Notation beschreibt, sagt man etwa: “ich will //werde//
in diesem Buch statt ‘p oder q’ ‘p V q’ schreiben”, und das ist natür-
lich ein kompletter Satz. Das aber, was ich ‘Regel’ nennen will, und etwa
“p oder q . = . p V q” geschrieben wird, ist keiner. – Was ich ‘Regel’
nenne, soll nichts von einer bestimmten (oder auch unbestimmten) Zeit oder
einem Ort der Anwendung enthalten, sich auf keine bestimmten (oder unbe-
stimmten) Personen beziehen; sondern nur Instrument der Darstellung sein.
     Wir sagen nun: “wir gebrauchen die Wörter ‘rot’ und ‘grün’ in solcher
Weise, dass es als sinnlos gilt (kontradiktorisch ist) zu sagen, am sel-
ben Ort sei zu gleicher Zeit rot und grün”. Und dies ist natürlich ein
Satz. Erfahrungssatz über unsere tatsächliche Sprache.
     

Eine Regel, könnte man sagen, ist kein Befehl,
sondernˇ quasi ein Vorschlag.
Man könnte sich die Regeln eines
Spiels auch in der Form gegeben denken:
“Willst Du nicht folgendes Spiel spielen: …”
     


      ¤ hat, warum wir ihre Autorität – sozusagen – nicht
in Frage ziehen, kommt daher,
Die Stellung der Spielregeln zu den Sätzen. Eine Regel verhält sich zu
einen Erfahrungssatz ähnlich, wie die Zeichnung, die die charakteristi-
schen Merkmale eines Wohnhausplanes hat, zu der Beschreibung, welche sich
einer solchen Zeichnung bedient, und welche sagt, dass so ein Haus dort
und dort existiere //stehe//.
     Der Respekt, den man vor den Regelnˇ[|(] z.B. denen des Schachspiels)etwa (z.B.) – hat, ich meine, daß man sie annimmt
ohne sich über sie zu wundern
sich nicht über sie ……
, <//, – des Schach z.B. // daß hat, – daß man wir sie annehmen, uns nicht über
sie wundern –
> ent-
springt //kommt// daher, ˇ hat, warum wir ihre Autorität – sozusagen – nicht in Frage ziehen, kommt daher, dass die Spiele, die diese von den…… Regeln // ihnen // charakteri-
sieren beschreiben werden, uns in vielerlei Bezei Beziehung Weise Hinsicht gemäss sind. Denken wir uns aber,
ich erfände //beschriebe// ein Spiel, das ich es soll … heißen, ich will es etwa “Abracadabra” nenne nennen,
und gebe dafür die Regel indem ich dafür die Regel gebe: “Man lege einen Feldstein in eine viereckige
Kiste, nagle die Kiste zu und werfe mit einem andern Stein nach ihr” –
gewiss hat dieses Gebilde auch das Recht, eine Regel genannt zu werden.

247
Man wird nur fragen: “was soll das alles? wozu sollen wir das machen?”
Aber auf solche Fragen geben ja auch die Schachregeln keine Antwort. Aber
in dem Fall der eben gegeben jener Regel fällt das Wort “man lege … und
werfe” auf, //fällt das Wort auf “man lege … und werfe”,// nämlich die
imperative Form der Imperativ; man möchte fragen: warum soll ich … legen etc., oder
in welchem Fall? Was muss mein Zweck sein, damit ich das tun soll? Das
heisst, der Imperativ scheint uns hier unsinnig. Aber er ist es ebensowe-
nig, wie in einer gewöhnlichen Spielregel. Nur sieht man hier //in die-
sem Fall // klar, dass man es nicht mit einem kompletten Satz Befehl zu tun hat.
Höchstens mit der Definition von “Abracadabra; nämlich: “Abracadabra” spie
spielen” heisst, einen Feldstein in eine Kiste legen, etc..
     


      Kaufe Dir in einer Spilwarenhandlung
ein Spiel <…> Du erhalst eine
Schachtel darin die Implemente
des Spiels & ein Regelverzeichnis.
Was sind die Regelnˇ dieses Verzeichnisses für Sätze?
Wird Dir vom Erzeuger des Spiels
befohlen soˇ & so zu handeln?, [O|o]derˇ wird es Dir
angeraten? Oder wird Dir mitge-
teilt daß die & die Menschen,
oder alle Menschen, so gehan-
del[t|n] haben? Nun, sieh doch
ˇ nur nach wie das Regelverzeichnis
gebraucht wird!
Die meisten Leute
die das Spiel kaufen lesen

<die Regeln & spielen
nach ihnen. –
>
     

< “Wenn der Satz von den Spielfiguren
handelt so ist er also ein
Erfahrungssatz!” – So ist also
auch dies ein Erfahrungssatz:
“Alle Wohlgerüche Arabiens …”?
>
     

< Dieser Satz kann die Rolle
eines Erfahrungssatzes spielen
& die Sätze des Regelverzeichnisses
könnten die Rolle von Befehlen,
von Ratschlägen oder von Erfahrungs-
sätzen spielen, (sie) tun es aber
nicht.
248
>
     



58
Die strikten grammatischen Spielregeln und der schwankende Sprachgebrauch.
Die Logik normativ.
Inwiefern reden wir von idealen Fällen, einer idealen Sprache. (“Logik
des luftleeren Raums”.)
     






     Was heisst es, zu wissen, was eine Pflanze ist?
     Was heisst es, es zu wissen und es nicht sagen zu können?
     “Du weisst es und kannst hellenisch reden, also musst Du es doch sagen
können.”
     Müssigkeit einer Definition, etwa der, des Begriffs ‘Pflanze’. Aber
ist die Definition kein Erfordernis der Exaktheit? “Der Boden war ganz mit
Pflanzen bedeckt”; : damit meinen wir nicht Bacillen. Ja, wir denken dabei
vielleicht an grüne Pflanzen einer bestimmten Grössenordnung. Wer uns sa-
gen würde, wir wissen nicht, was wir reden, ehe wir keine Definition der
Pflanze gegeben haben, würden wir mit Recht für verrückt halten. Ja, wir
könnten auch mit einer solchen Definition uns in den gewöhnlichen Fällen
nicht besser verständigen. Ja, es scheint sogar, in gewissem Sinne schle[f|c]h-
ter, weil gerade das Undefinierte in diesem Fall zu unserer Sprache zu
gehören scheint.
     

< Denken wir Eine Richtige Erklärung könnte in
so einem Falle durch ein gemaltes Bild gegeben
werden zusammen mit den Worten und den Worten “so ähnlich hat
der Boden ausgesehen”.
> <Denken wir uns aber nun wir
es wollte jemand wir wollten die Erklarung exakt machen indem
>
wir sagen: “der Boden hat genau so ausgesehen”. Nun
Also genau diese Gräser & Blätter in diesen Lagen waren
dort
? Das ist es offenbar nicht was ich meinte.
Welche exakte Erklärung immer mir Einer gäbe,
ich könnte keine anerkennen.
249
     

Ist eine scharfe Photographie immer & für alle Zwecke immer besser
als eine unscharfe verschwommene? Was,
wenn Einer man sagen würde: “eine unscharfes Bild
ist eigentlich gar kein Bild”?!
     

     Denken wir uns in dem Satz einer Erzählung “der Boden war ganz mit
Gräsern und Kräutern bedeckt” die Wörter “Gräser” und “Kräuter” durch De-
finitionen ersetzt. Es ist klar, dass diese Definitionen lange und kom-
plizierte Ausdrücke sein müssen //werden//; und nun ist die Frage, ob
wir denn wirklich mit dem Satz das gemeint haben, was jetzt in dem un-
gleich viel komplizierteren steht. Wir würden – glaube ich – sagen, dass
wirn an alles das gar nicht gedacht hätten.
     

     Kann man nun aber auf eine solche Sprache die Idee des Kalküls anwen-
den? Und ist das nicht so, als wollte man in einem Bild, worin alle Farb-
flecken ineinander verlaufen, von Farbgrenzen reden? Oder liegt die Sache
so: Denken wir uns ein Spiel, etwa das Tennis, in dessen Regeln nichts
über die Höhe gesagt ist, die ein Ball im Flug nicht übersteigen darf. Und
nun sagte Einer: Das Spiel ist ja gar nicht geregelt, denn, wenn Einer
den Ball so hoch wirft, dass er nicht wieder auf die Erde zurückfällt,
oder so weit, dass er um die Erde herumfliegt, so wissen wir nicht, ob
dieser Ball als ‘out’ oder ‘in’ gelten soll. Man würde ihm – glaube ich –
antworten, wenn ein solcher Fall einträte, so werde man Regeln für ihn
geben, jetzt sei es nicht nötig.
     

     So können doch grammatische Regeln über den Gebrauch des Wortes “Pflan-
ze” gegeben werden und wir können also auf Fragen von der Art “folgt aus
diesem Sachverhalt, dass dort eine Pflanze steht” Bescheid geben.
Auf andere solche Fragen aber sind wir nicht gerüstet und können antwor-
ten: Ein solcher Fall ist noch nie vorgekommen und es wäre für uns müs-
sig, für ihn vorzusorgen.
(Wenn es etwa gelänge, ein Lebewesen halb ma-
schinell und halb auf organischem Weg zu erzeugen, und nun gefragt würde:
ist das nun noch ein Tier (oder eine Pflanze).)

250
     
     Wenn etwa beim Preisschiessen für gewisse Grenzfälle keine Bestimmung
getroffen wäre, ob dieser Schuss noch als Treffer ins Schwarze gelten
soll (oder nicht). Nehmen wir nun aber an, ein solcher Schuss komme bei
unserem Preisschiessen gar nicht vor; könnte man dann dennoch sagen, die
ganze Preisverteilung gelte nichts, weil für diesen Fall nicht vorgesehen
// vorgesorgt// war?
     

     Ich mache mich doch anheischig, das Regelverzeichnis unserer Sprache
aufzustellen: Was soll ich nun in einem Fall, wie dem des Begriffes
‘Pflanze’, tun?
     Soll ich sagen, dass für diesen und diesen Fall keine Regel aufgestellt
ist? Gewiss, wenn es sich so verhält. Soll ich aber solche sagen, es gibt
kein Regelverzeichnis unserer Sprache und das ganze Unternehmen, eines auf-
zustellen, ist Unsinn? – Aber es ist ja klar, dass es nicht unsinnig ist,
denn wir stellen ja mit Erfolg Regeln auf, und wir müssen uns nur enthal-
ten, Dogmen aufzustellen.
(Was ist das Wesen eines Dogmas? Besteht es nicht
darin, naturnotwendige Sätze über alle möglichen Regeln zu behaupten?)
//Ist es nicht die Behauptung eines naturnotwendigen Satzes über alle möglichen Regeln?//
     

<      Ich mache mich nicht anheischig ein Regelver-
zeichnis aufzustellen das alle unsere
Sprachhandlungen regelt; sowenig
ein Jurist es versucht für sämtliche Hand-
lungen der Menschen Gesetze zu geben.
>

     

Was ist eine exakte Definition im Gegensatz
zu einer unexakten? Nun etwa; eine Def.
in der nicht das Wort “ungefähr”, “beiläufig”
& <…> ähnliche vorkommen.
     

     “Ich weiss, was eine Pflanze ist, kann es aber nicht sagen”. Hat dieses
Wissen die Multiplizität eines Satzes, der nur nicht ausgesprochen wurde?
So dass, wenn der Satz ausgesprochen würde, ich ihn als den Ausdruck meines
Wissens anerkennen würde? – Ist es nicht vielmehr waˇhr, dass jede exakte De-
finition als Ausdruck unseres Verstehens abgelehnt werden müsste? D.h.,
würden wir nicht von so einer sagen müssen, sie bestimme zwar einen, dem
unseren verwandten, Begriff, aber nicht diesen selbst? Und die Verwandt-
schaft sei etwa die, zweier Bilder, deren eines aus unscharf begrenzten
Farbflecken, das andere aus ähnlich geformten und verteilten, aber scharf
251
begrenzten, bestünde. Die Verwandtschaft wäre dann ebenso unleugbar, wie
die Verschiedenheit.
     
     Die Frage ist nun: kannst Du bei dem ersten Bild auch von Flecken reden?
Gewiss, nur in einem anderen, aber verwandten, Sinn.
     

     Das heisst: die unscharfen Grenzen gehören zu meinem Begriff der Pflan-
ze, so wie er jetzt ist, d.h. so, wie ich dieses Wort jetzt gebrauche, und
es charakterisiert diesen Begriff, dass ich z.B. sage: ich habe darüber
keine Bestimmung getroffen, ob dieses Ding eine Pflanze heissen soll oder
nicht.
     

     Es verhält sich doch mit dem Begriff [/|]Pflanzex ‘Pflanze’ ähnlich, wie
mit dem der Eiförmigkeit, wie wir sie im gewöhnlichen Leben meinen. Die
Grenzen dieses Begriffs sind nicht schwarf bestimmt und wir würden z.B. ein
Osterei von dieser Form
nicht als solches gelten lassen und doch nicht
sagen können, bei welchem Verhältnis der Länge und Breite etwas anfängt,
ein Osterei zu sein. Ja, wenn Einer nun ein solches Verhältnis angäbe,
was es auch sei, so könnten wir es nicht als die richtige Be-
grenzung unseres Begriffs anerkennen. Sondern wir müssten entweder sagen:
nein, das nenne ich kein Osterei, es ist zu schlank, oder zu dick etc.,
oder: ja, das ist auch ein Osterei, aber der Grenzfall ist es nicht
gerade. Diesen gibt es eben nicht in unserm Kalkül und wer einen Grenzfall
einführt, führt einen andern Kalkül ein.
     

     Wenn man sagt “N. existiert nicht”, so kann das verschiedenerlei bedeu-
ten. Es kann heissen, dass ein Mann, der, als er lebte, diesen Namen trug,
nicht, oder nicht zun einer gewissen Zeit, in einem gewissen Land existiert
hat; aber auch, dass spätere Geschichtsschreiber den Charakter, den wir so
252
(etwa “Moses”) nennen, erfunden haben, dass die und die Ereignisse nie
stattgefunden haben und ihr Held also nie gelebt hat. D.h. also: kein
Mensch hat Moses geheissen und diese Taten vollbracht; oder: das Ding, das
Dir als Herr N vorgestellt wurde, war eine Puppe; etc.. Denken wir uns, es
sagte uns Einer, er habe Moses auf der Strasse gesehen. Wir würden ihn dann
fragen: “wie meinst Du das: Du hast ihn gesehen? Wie wusstest Du denn, dass
er es war?” und nun könnte der Andre sagen: “er hat es mir gesagt”, oder
“er sah so aus, wie ich mir Moses vorstelle”, oder “er hatte diese und die-
se Merkmale”, etc.. Ich will doch wohl das sagen, was Russell dadurch aus-

drückt, dass der Name Moses durch verschiedene Beschreibungen definiert
sein kann (“der Mann, welcher ‘Moses’ hiess und zu dieser Zeit an diesem
Ort lebte”, oder “der Mann – wie immer er damals genannt wurde – welcher
die Israeliten durch die Wüste führte”, oder “der Mann, der als kleines
Kind von der Königstochter aus dem Nil gefischt wurde”, etc. etc.). Und je

nachdem wir die eine oder andere Definition annehmen, bekommt < “Moses hat nicht existiert”; – das kann heißen:
Es hat nicht einen Menschen gegeben der alle die
Taten die von Moses berichtet werden getan hat.
Es hat keinen Mann mit Namen ‘Moses’ gegeben der
die Israeliten aus Ägypten durch die Wüste geführt hat. Es hat
so einen Mann gegeben aber er hat nicht “Moses”
geheißen.
      Russell würde sagen daß wir den Namen
Moses durch verschiedene Beschreibungen
definieren können. [Beispiele] Jenachdem wir die
eine oder andere Def annehmen erhält ……
> der Satz “Mo-
ses hat existiert” einen andern Sinn und ebenso jeder andere Satz, der von
Moses handelt. Man würde //könnte// auch immer, wenn uns jemand sagte
“N existiert nicht” fragen: “was meinst Du? willst Du sagen, dass …, oder

dass … etc.?” – Wenn ich nun sage: “N ist gestorben” so hat kann es mit “N”
gewöhnlich etwa folgende Bewandtnis haben: Ich glaube, dass ein Mensch N ge-
lebt hat: den ich 1.) dort und dort gesehen habe, der 2.) so und so aus-
schaut, 3.) das und das getan hat und 4.) in der bürgerlichen Welt den Na-
men “N” führt.
Gefragt, was ich unter “N” verstehe, würde ich alle diese
Dinge, oder einige von ihnen, und bei verschiedenen Gelegenheiten verschie-
dene, aufzählen. Meine Definition von “N” wäre also: der Mann, von dem al-
les das stimmt. Wenn aber nun einiges davon sich als falsch erwiese, – wä-
re der Satz “N” “N ist gest[r|o]rben” nun als falsch anzusehen? auch, wenn nur et-
was vielleicht ganz Nebensächliches, was ich von dem Menschen glaubte, nicht
stimmen würde; – und wo wo aber fängt das Hauptsächliche Nebensachliche an?
Das kommt nun darauf
253
hinaus, dass wir den Namen “N” in gewissem Sinne ohne feste Bedeutung ge-
brauchen, oder: dass wir bereit sind, die Spielregeln nach Bedarf zu ver-
ändern (make the rules as we go along).
Das erinnert an das, was ich frü-
her einmal über die Benützung der Begriffswörter, z.B. des Wortes “Blatt”

oder “Pflanze”, geschrieben habe. – Und hier erinnere ich mich daran, dass
Ramsey einmal betont hat, die Logik sei eine “normative Wissenschaft”.
Wenn man damit meint, sie stelle ein Ideal auf, dem sich die Wirklichkeit
nur nähere, so muss gesagt werden, dass dann dieses “Ideal” uns nur als
ein Instrument der annähernden Beschreibung der Wirklichkeit interessiert.

< “Die Logik ist eine normative Wissenschaft”
heißt eigentlich sollte doch wohl
heißen sie stelle Ideale auf nach
denen wir nachstreben sollen. Aber
so ist es ja nicht. Die Logik stellt
exakte Kalküle auf
>
Es ist allerdings möglich, einen Kalkül genau zu beschreiben und zwar zu
dem Zweck, um dadurch eine Gruppe anderer Kalküle beiläufig zu charakte-
risieren.
Wollte z.B. jemand wissen, was ein Brettspiel ist, so könnte
ich ihm zur Erklärung das Damespiel genau beschreiben und dann sagen:
siehst Du, so ungefähr funktioniert jedes Brettspiel. – War es nun nicht
ein Fehler von mir (denn so scheint es mir jetzt) anzunehmen, dass der,
der die Sprache gebraucht, immer ein bestimmtes Spiel
spiele? Denn, war das nicht der Sinn meiner Bemerkung, dass alles an ei-
nem Satz – wie beiläufig immer er ausgedrückt sein mag – ‘in Ordnung ist’?
Aber wollte ich nicht sagen: alles müsse in Ordnung sein, wenn Einer ei-
nen Satz sage und ihn anwende? Aber daran ist doch weder etwas in Ordnung
noch in Unordnung, – in Ordnung wäre es, wenn man sagen könnte: auch die-
ser Mann spielt ein Spiel nach einem bestimmten, festen Regelverzeichnis.
Und setzt das nicht wieder voraus, dass dieses
     

     Denn ich habe zur Feststellung der Regel, nach der er handelt, zwei We-
ge angeben. Der eine, der hypothetische, bestand in der Beobachtung seiner
Handlungen und die Regel war dann von der Art eines naturwissenschaftlichen
Satzes. Der andere war, ihn zu fragen, nach w[w|e]lcher Regel er vorgehe. Wie
254
aber, wenn der erste Weg ?–kein klares Resultat er[i|g]ibt–? und die Frage keine
Regel zu Tage fördert, wie es im Fall “N ist gestorben” geschieht. Denn,
wenn wir den, der das sagte, fragen “was ist N?” so wird er zwar ‘N’ durch
eine Beschreibung erklären, wird aber bereit sein, diese Beschreibung zu
widerrufen und abzuändern, wenn wir ihm den einen oder andern Satz wider-
legen
// entziehen//. Wie soll ich also die Regel bestimmen // auffassen//,
nach der er spielt? er weiss sie selbst nicht. Ich könnte eine Regel nur
nach dem bestimmen, was er auf die Frage “wer ist N” in diesem Fall gerade
antwortet.
     

Unsre Untersuchung trachte nicht
die eigentliche exacte Bedeutung der Wörter zu
finden; so wohl aber geben wir den
Wörtern im Verlauf unsrer Untersuchung
oft exacte Bedeutungen.
     

     Steckt uns da nicht die Analogie der Sprache mit dem Spiel ein Licht
auf? Wir können uns doch sehr wohl denken, dass sich Menschen auf einer
Wiese damit unterhielten, mit einem Ball zu spielen; und zwar so, dass sie
verschiedene bestehende Spiele der Reihe nach anfingen, nicht zu Ende
spielten und etwa daz[i|w]ischen sogar planlos den Ball würfen, auffingen, fal-
len liessen etc.. Nun sagte Einer: die ganze Zeit hindurch spielen die Leu-
te ein Ballspiel und richten sich daher bei jedem Wurf nach gewissen // be-
stimmten// Regeln. – Aber – wird man einwenden – der den Satz “N ist ge-
storben” gesagt hat, hat doch nicht planlos Worte aneinander gereiht (und
darin besteht es ja, dass er ‘etwas mit seinen Worten gemeint hat’). – Aber
man kann wohl sagen: er sagt den Satz planlos, was sich eben in der be-
schriebenen Unsicherheit zeigt. Freilich ist der Satz von irgendwo herge-
nommen und wenn man will, so spielt er nun auch ein Spiel mit sehr primiti-
ven Regeln; denn es bleibt ja wahr, dass ich auf die Frage “wer ist N” ei-
ne Antwort
bekam, oder eine Reihe von Antworten, die nicht gänz-
lich regellos waren. – Wir können sagen: Untersuchen wir die Sprache auf
ihre Regeln hin. Hat sie dort und da keine Regeln, so ist das das Re-
sultat unsrer Untersuchung.

⋎ S. 250✓
255
     
     Wenn aber der Träger dem Namen abhanden kommen, oder nie existiert ha-
ben kann, som musste man beim Gebrauch des Namens von vornherein damit
rechnen. Das musste in seiner Bedeutung liegen. ((Es sei denn, dass wir
diese Bedeutung geändert haben, oder, dass das Wort keine bestimm-
te
Bedeutung hatte; denn welches ist die Bedeutung, wenn er sie nicht
angeben kann? Nun, wir werden sein tatsächliches Verhalten durch ein
“Schwanken zwischen mehreren Bedeutungen” beschreiben können. Es ist wohl
wesentlich, dass ich ihn fragen kann: was hast Du eigentlich gemeint. Und
als Antwort wird er mir vieles sagen, und sich etwa vielleicht an mich wenden, dass
ich ihm das Regelverzeichnis einrichte, das seinem Zweck entspricht. Es
wird sich dann in unserem Gespräch oft die Redeweise finden “Du wolltest
also eigentlich sagen …” (und diese kann wieder ganz missverstanden
werden – sie ist keine Beschreibung des damaligen Geisteszustands des
Sprechenden; als ob das “was er sagen wollte” irgendwo in seinem Geist aus-
gedrückt gewesen wäre).ˇ Absatz <
     [Siehe Notizbuch: was geschieht, wenn
man sagt ich kann nicht gut ausdrücken was ich denke]
> Aber hier Hier ist eine Gefahr: Es scheint nämlich dann
(leicht) oft als landeten wir am Schlusse bei? etwas, erreichten wir endlich etwas, was wir mit unserer ge-
wöhnlichen Sprache gar nicht mehr ausdrücken können. Das ist aber das si-
cherste Zeichen (dafür), dass wir fehl gegangen sind; aus unserm Spiel
herausgetreten sind. – Was versteht man unter “allen Regeln des Tennis-
spiels”? Alle Regeln, die in einem bestimmten Buche stehen, oder alle die
der Spieler im Kopf hat, oder alle die je ausgesprochen wurden, oder gar:
alle die sich angeben lassen?! – Daher wollen wir lieber nicht so vague von
‘allen Regeln’ reden, sondern nur von bestimmten Regeln, oder allen Regeln eines Verzeichnisses, etc.. Und das gleiche gilt von den Regeln über die
Verwendung eines Wortes. Wenn Einer mich, z.B., etwas fragt, so will ich,
wenn ich ihm antworte, wissen, ob diese Antwort in seinem Spiel als Antwort
auf seine Frage gilt; ob in seinem Spiel dieser Satz aus jenem folgt //aus
dem, was er gesagt hat, folgt//.
     Für uns ist es genügend, dass es eine Frage gibt: “wie meinst Du das?”
256
und dass als Antwort auf diese Frage das zuerst gegebene Zeichen durch ein
neues ersetzt wird. – Der Einwand dagegen ist, dass mir eine Erklärung
ja nichtsˇ zum Verständnis hilft, wenn sie nicht die letzte ist, und dass sie nicht nie die letz
te ist. Ich kann zwar erklären: unter ‘Moses’ verstehe ich den Mann, wenn
es einen solchen gegeben hat, der die Israeliten aus Aegypten geführt hat,
wie immer er damals genannt worden sein mag und was immer er sonst getan
oder nicht getan haben mag –, aber ähnliche Fragen ergeben sich nun in Be-
zug auf die Wörter dieses Satzes // dieser Erklärung// (was nennst
Du “Aegypten”? wen, “die Israeliten”? etc.). Ja, diese Fragen kommen auch
nicht zu einem Ende, wenn wir etwa bei Worten //Wörtern// wie ‘rot’, ‘dun-
kel’, ‘süss’, angelangt wären. Unrichtig war es nur, zu sagen, fsdd mit dass mir
deshalb eine dieser Erklärungen nichts hilft. Im Gegenteil, sie ist es ge-
rade, was ich brauche, ja alles, was ich brauchen, und auch geben kann. < Als ich nach einer Erklärung fragte, war es gerade das was
ich brauchte
> Und
wenn ich auf eine solche Erklärung hin sage “jetzt weiss // versteh'//
ich, was Du meinst”, so kann man nicht einwenden, das können ich ja doch
nie verstehen; sondern seine Erklärung hat mir eben das gegeben, was ich
[v|V]erständnis nenne; sie hat die Schwierigkeit beseitigt, die ich
hattech
. Was uns quälte, ist, glaube ich, ganz in dem Pseudoproblem
ausgedrückt: Das Schachspiel ist doch durch die Gesamtheit der Schachre-
geln konstituiert, – was macht dann das Rücken einer Figur im Spiel zu ei-
nem Schachzug, da doch dabei in keiner Weise alle Regeln des Schachspiels
beteiligt sind.))
ch
     

Unsere Aufgabe ist es nicht eine Sprache zu
konstruieren der sämtliche


Es ist nicht unsere Aufgabe unsere Spracheˇ wesentlich
zu verbessern, exakter zu machen, oder
etwa (gar) zu versuchen an ihre Stelle eine ‘ideal
exakte’ zu setzen. Ich habe Wir haben von einer solchen
gar keinen Begriff. Damit meine ich nicht, daß
wir für unsere Zwecke nicht auf preciseren exa Ausdruck
dringen.
      Wer die eine Verkehrsregelung an Stellen starken
Verkehrs verbessern oder strenger gestalten will
     

     Die Verkehrsregelung in den Straßen erlaubt
& verbietet gewisse Handlungen Verkehrshandlungen.
Aber sie versucht nicht sämtliche Handlungen Bewegungen
der gehenden & fahrenden Fußgänger & Fahrzeuge
durch Regeln zu leiten Vorschriften zu regeln. Und es wäre unsinnig
von einer idealen Verkehrsordnung zu reden die das
täte wir wüßten nicht was wir unter diesem Ideal
vorstellen sollten wie wir uns dieses Ideal zu denken hätten. Wünscht einer die Verkehrsord-
nung in irgendwelchen Punkten strenger zu gestalten
so bedeutet das nicht daß er sich so einem Ideal
zu nähern wünscht.
     

     Was wir Regeln nennen bilden wir nach Ana-
logie von bestehenden Regeln.
     

     Wir wissen alle was es heißt daß der daß eine ˇ TaschenUhr
auf die genaue Stunde zu stellen gestellt
wird, oder gerichtet wird da[ß|mi]t sie genau
geht. Wie aber wenn man fragte: ist
diese Genauigkeit eine ideale Genau-
igkeit & oder wie weit nähert sie sich ihr?
     

< Wir können freilich von Zeitmessen reden
bei denen es eine andere & im gewissen
Sinne größere Genauigkeit gibt. Bei denen
die Worte die Uhr auf die genaue Stunde
stellen eine andere Bedeutung haben.
Wo die Uhr ablesen ein anderer Prozess
ist etc. Wenn ich nun jemandem sage
Du solltest pünktlicher zum Mittagessen
kommen Du weißt daß es genau um
2 h anfängt ist die Genauigkeit von der <…>
hier die Rede ist eine unvollkommene im
Vergleich zu jener andern. Und gibt es <…>
ein Ideal der Genauigkeit.
>
     

     Was bedeutet “undefinierbar”? Dieses Wort ist offenbar irreführend, denn
es erweck[g|t] den Anschein, als könnten wir hier etwas versuchen, was sich
dann als unausführbar erwiese. Als wäre also das Undefinierbare etwas, was
sich nicht weiter definieren liesse, wie sich ein zu grosses Gewicht nicht
heben lässt. Wir könnten sagen: “Wie denn ‘undefinierbar’?! Könnten wir
257
denn versuchen, es zu definieren?”
     


      Ist “rot” undefinierbar. Undefinierbar darunter stellt man
sich etwas vor wie unanalysierbar, zwar so als wäre der
<betreffende>
<Gegenstand unanalysierbar (wie ein chem. Element).> <Dann wäre die
Logik aber doch eine Art sehr allgemeiner Naturwissenschaft. Aber
die Unmöglichkeit der Analyse ist eine logische entspricht uns der von
uns
einer von uns festgesetzten Darstellungsform Form der Darstellung.
>
     

     Nun könnte man freilich sagen: die Definition ist ja etwas Willkürli-
ches, d.h., wie ich ein Wort definiere, so ist es definiert. Aber darauf
kann geantwortet werden: Es kommt darauf an, es so zu definieren, wie wir
das Wort meinen. Also so, dass wir zur Definition des Wortes “Tisch”, z.B.,
sagen: ja, das ist es, was ich mit dem Wort meine. – Ja hat Dich nun aber
die Definition dahin gebracht, das mit dem Wort zu meinen oder willst Du sa-
gen, dass Du das schon immer gemeint hast? Und wenn das Letztere, so hast
Du also immer das gemeint, was die Definition sagt (im Gegensatz zu et-
was Anderem, was sie auch sagen könnte). D.h.: die Definition ist auch eine
Beschreibung dessen, was Du schon früher gemeint hast. Du warst also auch
früher schon im Besitz einer Uebersetzung dieser Definition; sie hat sozu-
sagen nur laut gesagt, was Du schon im Stillen wusstest. Sie hat also auch
wesentlich nichts zergliedert. (Vergleiche: Begriff der 3 Teilung des Winkels
vor & nach der Betrachtung die die Unmöglichkeit der 3 Teilung zeigt.)
     

Gibt es ein komplettes Regelverzeichnis für die
Verwendung eines Wortes?
Gibt es ein komplettes Regelverzeichnis
für die Verwendung einer Figur im Schachspiel?
     

     Denken wir uns Jemand, der die // alle// Formen in diesem Zimmer be-
schreibt, indem er sie mit ebenflächigen geometrischen Formen vergleicht.
Gibt es in diesem Zimmer nur solche Formen? Nein. – Muss der, der die Formen
unter dem Gesichtspunkt der ebenflächigen Körper beschreibt, behaupten, es
gäbe nur solche Formen im Zimmer? Auch nicht. Kann man sagen, dass das ein-
seitig ist, weil er alle Formen durchgängig nach diesem Schema auffasst?
Und sollte es ihn in //an// dieser Auffassung irre machen, wenn er be-
merkt, dass auch runde Körper vorhanden sind? Nein. Es wäre auch irrefüh-
rend, den ebenflächigen Körper ein “Ideal” zu nennen, dem sich die Wirk-
lichkeit nur mehr oder weniger nähert. Aber die Geometrie der ebenflächigen
Körper könnte man mit Bezug auf diese Darstellungsweise // Darstellung//
eine normative Wissenschaft nennen. (Eine, die das Darstellungsmittel dar-
stellt; gleichsam eine, die die Messgläser eicht.)
     

Man kann fragen: Wenn wir nicht nach eine
einer idealen Exactheit streben anstrebenˇ im Gegensatz zu der alltäglichen, wozu
arbeiten hantieren wir mit an der Grammatik unserer
Sprache überhaupt herum. Und die
Antwort ist: <…> Unsere Aufgabe ist gewisse
Beunruhigungen zu beseitigen und wir suchen
nach dem erlösenden Wort
wir suchen uns von
philos. Beunruhigungen zu beseitigen be-
freien & das tun wir indem wir Unter-
scheidungen welche die Grammatik der
gewöhnlichen Sprache verschleiert, her-
vorheben. Sozusagen Regeln die mit ver-
blaßter Tinte geschrieben sind, stark
nachziehen und anderes mehr. Dadurch
kann es allerdings den Anschein haben
als reformierten wir die Sprache.
258
     
     Ich habe ein Bild mit verschwommenen Farben und komplizierten Uebergän-
gen. Ich stelle ein einfaches mit klargeschiedenen Farben, aber mit dem er-
sten verwandtes, daneben. Ich sage nicht, dass das erste eigentlich das
zweite andere sei; aber ich lade den Andern ein, das einfache anzuse-
hen, und verspreche mir davon, dass gewisse Beunruhigungen für ihn ver-
schwinden
werden.

     

Wer etwa … einführte könnte im Interesse
der Chemie die Sprache verbessern …
     

So eine Reform fürˇ gewisse praktische Zwecke ist wohl
denkbar die Verbesserung unserer Termino-
logie zur Vermeidung von Mißverständ-
nissen. (Wenn zwei Mitglieder einer Fami
lie ‘Paul’ heißen, so ist es manchmal
zweckmäßig den einen von ihnen bei einem
andern Namen zu nennen.) Aber das
sind nicht die Fälle mit denen wir es zu
tun haben. Die Konfusionen mit denen
wir es zu tun haben die uns beschäftigen entstehen, gleichsam,
wenn die Sprache [Ferien|feiert], nicht wenn sie ar-
beitet. (Man könnte sagen: wenn sie leer
läuft.)
     

     Behandle die deutlichen Fälle in der Philosophie, nicht die undeutlichen
Diese werden sich lösen, wenn jene gelöst sind.
     Die Tendenz mit der Untersuchung eines Satzes da anzufangen, wo seine
Anwendung ganz nebelhaft und unsicher ist (der Satz der Identität ist ein
gutes Beispiel), anstatt diese Fälle vorläufig beiseitge zu lassen und den
Satz dort anzugehen, wo wir mit gesundem Menschenverstand über ihn reden
können, diese Tendenz ist für die aussichtslose Methode der meisten Men-
schen, die philosop[j|h]ieren, bezeichnend.
     

     Ich betrachte die Sprache und Grammatik unter dem Gesichtspunkt des Kal-
küls //unter der Form des Kalküls// als Kalkül//, d.h. des Operie-
rens nach festgelegten Regeln. // d.h. als Vorgang nach festgesetzten Re-
geln.//
     

Wir wollen nicht das Regelsystem in unerhörter
Weise verfeinern oder komplettieren vervollständigen
     Wir wollen Verwirrungen & Beunruhigungen beseitigen
die aus der Unübersichtlichkeit des Regelsystems
herrühren. //die aus der Schwierigkeit herrühren, das Regel[s|S] zu übersehen.
     

Es ist als wäre dieses Regelsystem in einem Buch
niedergelegt; wir zögen aber dieses Buch in prakti-
schen Fällen
beinahe nie zu Rate. Hie & da aber
wären wir verleitet versucht darin zu lesen. Dann aber
verwirrt es uns gänzlich; denn vieles darin ist
so vergilbt daß wir es kaum lesen können an-
deres steht klarch da, ist aber ohne die nötige
Qualification falsch & irreführend.
     

     Untersuchen wir die //unsere// Sprache auf ihre Regeln
hin
.
     

     Gibt es so etwas, wie eine komplette Grammatik, z.B., des Wortes ‘nicht’?
     



     Es ist von der grössten Bedeutung, dass wir uns zu einem Kalkül der Lo-
259
gik immer ein Beispiel denken, auf welches der Kalkül wirklich angewandt
wird, und nicht Beispiele, von denen wir sagen, sie seien eigentlich nicht
die I idealen, diese aber hätten wir noch nicht. Das ist das Zeichen einer
ganz falschen Auffassung. Kann ich den Kalkül überhaupt verwenden, dann ist
das // dies// auch die ideale Verwendung und die Verwendung, um die es
sich handelt. Man geniert sich nämlich einerseits, das Beispiels als das
eigentliche anzuerkennen, weil man in ihm noch eine Komplikation erkennt,
auf die der Kalkül sich nicht bezieht <… weil man in ihm eine Komplication
sieht für die der Kalkül nicht aufkommt
>;
anderseits ist es doch das Urbild . [a|A]ber es ist das Urbild ……
des Kalküls und er davon hergenommen, und auf eine geträumte Anwendung kann
man nicht warten. Man muss sich also eingestehen, welches das eigentliche
Urbild des Kalküls ist. & dies ist kein Fehleroder , keine Unvollkommen-
heit des Kalküls. Der Fehler liegt darin seine Anwendung in nebelhafter
Ferne zu versprechen.
     

     Das ist aber kein Eingeständnis – als habe man damit einen Fehler ge-
macht //begangen//, den Kalkül von daher genommen zu haben, sondern
der Fehler liegt darin, ihn jetzt in nebelhafter Weise anzuwenden, oder ei-
ne Anwendung zu versprechen. //… oder eine Anwendung in nebuloser Ferne
zu versprechen.//
     

     (So könnte Spengler besser verstanden werden, wenn er sagte: ich ver-
gleiche
verschiedene Kulturperioden dem Leben von Familien; inner-
halb der Familie gibt es eine Familienähnlichkeit, während es auch zwischen
den Mitgliedern verschiedener Familien eine Aehnlichkeit gibt; die Familien-
ähnlichkeit unterscheidet sich von der andern Aehnlichkeit so und so etc..
Ich meine: das Vergleichsobjekt, der Gegenstand, von welchem diese Betrach-
tungsweise abgezogen ist, muss uns angegeben werden, damit nicht in die
Diskussion immer Ungerechtigkeiten einfliessen. Denn da wird dann alles, was
für das Urbild der Betrachtung stimmt gilt, auch von dem Objekt, worauf wir die
Betrachtung anwenden, behauptet ausgesagt <Denn nun wird alles was das vom Object der Betrach-
tung behauptet was für das Urbild stimmt
>:
und behauptet “es müsse immer …” < Schenkersche Betrachtungsweise der Musik >
     Das kommt nun daher, dass man den Merkmalen des Urbil[s|d]s einen Halt?? in
260
der Betrachtung geben will. Da man aber Urbild und Objekt vermischt, dem
Objekt dogmatisch beilegen muss, was nur das Urbild charakterisieren muss
// soll//. Anderseits glaubt man, die Betrachtung ermangle ja der // ha-
be nicht die// Allgemeinheit, die man ihr geben will, wenn sie nur für
den einen ˇ besondern? Fall wirklich stimmt. Aber das Urbild soll ja eben als solches
hingestellt werden; ˇ so? dass es die ganze Betrachtung charakterisiert, ihre
Form bestimmt. Es steht also an der Spitze und ist dadurch,ˇ ? ˇausgezeichnet aber nicht dadurch, dass alles,
was nur von ihm gilt, von allen Objekten der Betrachtung ausgesagt wird.

[dieser Satz Absatz vom Typisten falsch kopiert]
     

     Die Aristotelische Logik Der Syllogismus ist ein Spiel, das Kalkül, der sich auf Sätze anwenden
lässt. <Der Sylogismus ist ein Kalkül der auf
Sätze angewandt werden kann. (Wie das
Einmaleins auf Pflaumen.)
>
[Gehört an eine andere Stelle]
     

< Der Syllogismus wartet nicht auf eineˇ zukünftige
exacte Anwendung

ˇFragen wir uns Was ist die praktische Anwendung des
Syllogismus.
>
     

     Wie seltsam, wenn sich die Logik mit einer “idealen” Sprache befasste,
und nicht mit unserer, denn woher sollten wir diese ideale Spra-
che nehmen? Und was sollte diese ideale Sprache ausdrücken? Doch wohl das,
was wir jetzt in unserer gewöhnlichen Sprache ausdrücken; dann muss die
Logik also diese untersuchen. Oder etwas anderes: aber wie soll ich dann
überhaupt wissen, was das ist. – Die logische Analyse ist die Analyse von
etwas, was wir haben, nicht von etwas, was wir nicht haben. Sie ist also
die Analyse der Sätze wie sie sind. (Es wäre seltsam, wenn die
menschliche Gesellschaft bis jetzt gesprochen hätte, ohne einen richtigen
Satz zusammenzubringen.)
     

     Nicht das ist wahr, dass, was ich sage // wir sagen//, nur für eine
“ideale Sprache” gilt (oder Geltung hätte); wohl aber kann man sagen, dass
wir eine ideale Sprache konstruieren, in die aber dann alles übersetzbar
ist, was in den anderen //in unidealen// Sprachen gesagt werden kann.
     

     Wenn Einer von einer idealen Sprache redet, so müsste man fragen: in
262
<[Mistake in numbering: no page missing.]> welcher Beziehung ‘ideal’?

     
     (Es gibt keine Logik für den luftleeren Raum. Insofern es keine Hypo-
these in der Logik gibt.)
263
     



59
Wortarten werden durch ihre Grammatik unterschieden.
     






     Es gibt nicht zwei Wortarten, die ich grammatisch (ganz) gleich be-
handeln kann, die aber doch zwei Wortarten sind. Sondern die Regeln, die
von ihnen handeln, machen die Wortarten aus: dieselben Regeln, dieselbe
Wortart. Das hängt damit zusammen, dass, wenn sich ein Zei[f|c]hen ganz so
benimmt wie ein anderes, die beiden dasselbe Zeichen sind.
     

     Verschiedenen</>Arten von Schachfiguren wie Läufer, Rössel etc. entspre-
chen verschiedene Wortarten.
     

     Ich komme hier auf jene Methode der Zeichenerklärung, über die sich
Frege som lustig gemacht hat. Man könnte nämlich die Wörter “Rössel”,
“Läufer”, etc. dadurch erklären, dass man die Regeln angibt, die von die-
sen Figuren handeln.
     


      Genau dasselbe gilt in jeder Geometrie von den Ausdrücken “Punkt” und
“Gerade” etc. Was ein Punkt ist und was eine Gerade, sieht man nur daran,
welche Plätze das eine und das andere in dem System von Regeln einnimmt.

Denken wir uns etwa ein System von Buchstaben von solcher Art, dass alle
264
erlaubten Zeichen Gruppen von 3 Buchstaben sind, und zwar derart, dass ein
Buchstabe, der an einer Aussenstelle stehen darf, nicht in der Mittelstel-
le stehen darf und umgekehrt.
Diese Regel würde zwischen zwei “Wortarten”
unterscheiden und wir könnten das dadurch zum Ausdruck bringen, dass wir
für die Aussenglieder grosse, für die Innenglieder kleine Buchstaben ver-
wenden. – Andrerseits aber hat die Unterscheidung zweier Wortarten keiner-
lei Sinn, wenn sie nicht auf die obige Art syntaktisch unterschieden
sind, d.h. wenn sie nicht auch ohne die verschiedene Art der Bezeichnung,
bloss durch die von ihnen geltenden Regeln, als verschieden zu erkennen
wären. (Zwei Rössel könnten einander in keiner Hinsicht ähnlich sehen und wären, wenn man die für sie geltenden Spielregeln kennt, doch als solche
gekennzeichnet.) Damit hängt es unmittelbar zusammen, dass das Einführen
neuer Gattungsnahmen in die Philosophie der Logik uns um kein Haar wei-
terbringt, solange nicht die syntaktischen Regeln gegeben sind, die den Unterschied machen.
     

     Das Wort “ein gewisser” und seine Grammatik. Ein Beispiel, wie man Wor-
te häuft, um eine Bedeutung zu sichern, statt auf die Spielregeln zu ach-
ten. (Als wollte man dem Schachkönig ein wirkliches Gesicht anmalen, um
ihm die richtige Wirkung zu sichern.)
265
     




60
Sage mir, was Du mit einem Satz anfängst, wie Du ihn verifizierst, etc.,
und ich werde ihn verstehen.
     







      <Was ist ein Sessel?
     Wie sieht der Sessel aus?
     Sind das etwa voneinander unabhängige Fragen?
>
     <Die einzige Funktion des Satzes scheint es,
auf dem Gedankenklavier zu spielen; was
er die Musik die er …… darauf hervorruft, hervorbringt, das Gedankengebilde, das ist der Gegenstand
>
unsrer Untersuchung. Seine Die Anwen-
dung, seine die Tauschkraft des Satzes im Verkehr, mag
uns zwar wohl manchmal einen Wink geben,
aber das ist nicht der Sinn des Satzes.
     

Untersuche seine Nützlichkeit!
     

Die Frage “wie kann man das wissen”
fragt (in einer Bedeutung) nach einem logischen
Zusammenhang, wenn sie nach einer logischen Möglichkeit
fragt.
     

Wie weiß man wenn es regnet. Wir sehen & fühlen etwa
den Regen. Die Bedeutung des Wortes “Regen”
wurde uns durch diese solche Erfahrungen er-
klärt. “Was ist Regen” & “wie sieht Regen
aus” sind logisch verwandte Fragen.
Die Erfahrung habe <…>nun gelehrt
daß ein gewisses Phänomen etwa das ein
plötzliches Fallen des Barometers eintritt
wenn es regnet. Denn kann ich nun
aus dem Fällen des Barometers entneh-
men daß es regnet. Ich nenne es ein Symptom
dafür daß es regnet. Ob ein Phänomen ein
Symptom des Regens ist lehrt die Erfahrung
was ein als Kriterium dafür ist gilt das es regnet
ist Sache der Abmachung (Definition).
     

     Die Angabe // Beschreibung// der Verifikation eines Satzes ist ein
Beitrag zu seiner Grammatik.
     

     Man kann nicht die Möglichkeit der Evidenz mit der Sprache überschrei-
ten. < D.h. eigentlich: die Möglichkeit der
Evidenz für einen Satz ist eine Angelegenheit der
Grammatik.
>
     

/     Die Frage nach der Verifikation ist nur eine andere besondere Form der Frage
“wie meinst Du das?”. / “Was tut man mit diesem Satz?”.
     

     Wie sich die Sprache von der Beschreibung der Verifikation entfernt. wie sie abstrakt wird!
Man muss wieder entdecken, dass man die Zeit mit der Uhr misst. – Und
erkennt dabei nicht einmal, dass man eine grammatische Entdeckung ge-
macht hat.
     


      Wie ein Satz verifiziert wird, das sagt er. Vergleiche die Allgemein-
heit in der Arithmetik mit der Allgemeinheit von nicht arithmetischen

266
Sätzen. Sie wird anders verifiziert und ist darum eine Andere. Die Veri-
fikation ist nicht bloss ein nicht ein blosses Anzeigˇchen der Wahrheit, sondern sie bestimmt
den Sinn des Satzes. (Einstein: wie eine Grösse gemessen wird, das ist
sie.)
     

< Man ist vielleicht geneigt zu glauben denken: der
Sessel steht da es regnet oder nicht; wie ich das
weiß ist eine andere Sache: Wie mich die Kunde
davon erreicht hat. Aber fragen wir also so?
Was nenne ich denn also eine Kunde
daß ein Sessel dort steht? (Oder habe ichˇ auch von
dieser Kunde nur Kunde?) Und was macht kennzeichnet
denn diese Kunde zur als Kunde von etwas? Leitet
uns da nicht unser sprachlicher Ausdruck irre?
>
<Ist das eben nicht ein irreleitendes Bild:
> <“mein Auge gibt mir Kunde davon daß dort
ein Sessel steht”?
>
     

“Der Sessel existiert unabhängig davon
ob ihn jemand sieht wahrnimmt” Ist das ein
ein Erfahrungssatz oder ein Satz
eine verschleierte Festsetzung der
Grammatik? Sag Soll es sagen
die Erfahrung habe gelehrt daß
ein Sessel nicht verschwindet wenn
man sich von ihm wegwendet?
     

Folgt nun daraus, daß ich einen Mann
dorten sehe, daß einer sich dort befindet?
     

< Wir können müssen hier nun stark schematisierte
Fälle betrachten da die wirklichen zu
mannigfach sind.
>
     

Ob unsere Sinne uns belügen, davon rede
ich nicht, sondern nur davon, daß wir ihre
Sprache verstehen.

     
< Die Frage nach der Verification ist
eine Frage nach der Methode.
>
     

     Welches ist die ‘wirkliche Lage’ des Körpers, den ich
unter Wasser sehe, was, die ‘wirkliche Farbe’ des Tisches.
Welches nennst Du “die wirkliche Lage” Du selbst kannstˇ es entscheiden. Hier macht eben die Frage nach der Verifikation den Sinn der Worte //die-
ser Ausdrücke
// klar.
     

     Eigentlich [j|h]at ja schon Russell durch seine “theory of descriptions”
gezeigt, dass man sich nicht eine Kenntnis der Dinge von hinten herum er-
schleichen kann, und dass es nur scheinen kann, als wüssten wir
von den Dingen mehr, als sie uns auf geradem Weg geoffenbart haben. Aber
er hat durch die Idee der “indirect knowledge” wieder alles verschleiert.
     

     Es ist gut sich zu sagen: Aus derselben Quelle fließt nur Eines. [Gehört in einen größeren Zusammenhang
wohl zur Mathematik]
     

     Welche Sätze aus ihm folgen und aus welchen Sätzen er folgt, das ma[h|c]ht
seinen Sinn aus. Daher auch die Frage nach seiner Verifikation eine Fra-
ge nach seinem Sinn ist.
     

     Wende das auf einen Satz an, wie etwa Betrachten wir den Satz: “es wird niemals Menschen mit 2
Köpfen geben”. Dieser Satz scheint irgendwie ins Unendliche, Unverifi-
zierbare zu reichen und sein Sinn von jeder Verifikation unabhängig zu
sein. Aber wenn wir seinen Sinn erforschen wollen, so meldet sich ganz
richtig die Frage: Können wir die Wahrheit eines solchen Satzes je wis-
sen, und wie können wir sie wissen; und welche Gründe können wir haben,
was der Satz sagt anzunehmen oder abzulehnen? Nun wird man vielleicht sa-
267
gen: es ist ja nach dem Sinn gefragt worden; und nicht danach, ob und wie
man ihn wissen kann. Aber die Antwort auf die Frage “wie kann man diesen
Satz wissen?” ist nicht eine psychologische, sondern ˇ sie sagt, aus welchem
andern Satz er folgt
mit welchen andern Sätzen er in bestimmtem Zusammenhang des Kalküls steht, gehört also zur Grammatik des erstern. <sondern sie stellt gibt macht erklärt einen den Zusammenhang
des eines Kalküls mit andern Sätzen her.
sondern sie erklärt seinen Zusammenhang
mit andern Sätzen des Kalküls //Zusammenhang im Kalkül mit andern Sätzen.
sondern sie stellt seinen Zusammenhang mit andern
Sätzen des Kalküls her.
sondern sie lehrt Zusammenhänge im Kalkül.
>
Und die Grün-
de, die möglich sind den Satz anzunehmen., sind nicht persönliche Angele-
genheiten, sondern Teile des Kalküls, zu dem der Satz gehört. ˇ [Neue Zeile] Wenn ich fra-
ge: wie kann ich den Satz “jemand ist im Nebenzimmer” verifizieren,
oder wie kann ich herausfinden, dass jemand im Nebenzimmer ist, so ist et-
wa eine Antwort: “indem ich ins Nebenzimmer gehe und ihn sehe nachsehe”. Wenn nun
gefragt wird “wie kann ich ins Nebenzimmer kommen, wenn die Türe ver-
sperrt ist”, so ist dieses “kann” ein anderes als das erste: Die erste
Frage nach der Möglichkeit (der logischen) hatte eine Erklärung über den
Satzkalkül zur Antwort, dass nämlich dieser Satz aus jenem folgt; die zwei-
te Frage war eine nach der physikalischen Möglichkeit und hatte einen Er-
fahrungssatz zur Antwort: dass man, etwa, die Mauer nicht durchbrechen
könne, weil sie zu stark sei, dagegen die Tür mit einem Sperrhaken öffnen
könne. Beide Fragen nun sind in gewissem Sinn, aber nicht im gleichen,
Fragen nach derˇ Möglichkeiten Verifikation. Und, indem man die erste Art mit der zwei-
ten verwechselt, glaubt man, die Frage nach der Verifikation sei für den
Sinn ohne Belang. Die Gründe für die Annahme eines Satzes sind nicht zu
verwechseln mit den Ursachen der Annahme. Jene gehören zum Kalkül des
Satzes.
     

<      So kann ja auch der Satz
der Komet … bewege sich in einer
Parabel nicht verifiziert werden.
Aber können wir ihn nicht verwenden?
Denke darüber nach, was wir
mit so einem Satz machen[?|.] Wie
er unsere Beobachtungen leitet.
>
     

     Die Ursachen, warum wir einen Satz glauben, wären bei der // für die//
Frage, was es denn ist, was wir glauben, allerdings irrelevant, aber nicht
so die Gründe, die ja mit dem Satz grammatisch verwandt sind und uns sa-
gen, wer er ist.
     

< Wenn Du wissen erfahren willst, was wie ein Mensch
seinen Tag verbringt; frage nach seinem
Beruf[?|.] Hat jeder Mensch einen Beruf? Ist
es klar was alles ‘Beruf’ zu nennen ist?

268
>
     
     Und der Sinn des Satzes ist ja nicht etwas, was wirˇ wie die Struktur der Materie erforschen undˇ was viel-
leicht zum Teil unerforschlich ist. So dass wir später erst noch einmal da-
raufkommen könnten, dass dieser Satz von andern Wesen als wir sind, auf ei-
ne andere Art gewusst werden kann. So dass er dieser Satz mit die-
sem
Sinn bliebe, dieser Sinn aber [R|E]igenschaften hätte, die wir jetzt
nicht ahnen. Der Satz, oder sein Sinn, ist nicht das pneumatische Wesen, was
sein Eigenleben hat und nun Abenteuer besteht, von denen wir nichts zu wis-
sen brauchen. Wir hätten ihm quasi Geist von unserm Geist eingehaucht –
seinen Sinn – aber nun hat er sein Eigenleben – wie unser Kind – und wir
können ihm ihn (nur) erforschen und mehr oder weniger verstehen. Mathematik
     

     Der Instinkt führt leitet Einen richtig, der zur Frage führt: Wie kann man so
etwas wissen; was für einen Grund können wir haben, das anzunehmen; aus
welchen Erfahrungen würden wir so einen Satz ableiten; etc..
     

     Der Sinn ist keine Seele des Satzes. Er muss, soweit wir an ihm interes-
siert sind, sich gänzlich ausmessen lassen, sich ganz in Zeichen offenbaren
// erschliessen//.
     

       Die Lagrangeschen Gleichungen,
die Keplerschen Gesetze, ein
Satz aus der Naturgeschichte,
oder der Satz “dort geht Herr N.N”,
ˇ sie haben alle verschiedene Art
der Verwendung, wenn auch
Verwandschaft zwischen ihnen be-
steht. Es sind eben alles In-
strumente zu verschiedenartigenˇ (wenn auch bis zu einem gewissen Grade verwandten)
Zwecken.
     

Und hier kann man ermessen
welche unheilvolle Wirkung die
Preokupation mit dem “Sinn” des
Satzes, dem “Gedanken”, den er ausdrückt,
gehabt hat. Denn so werden den
Satz begleitenden Empfindungen & Bilder
charakteristische Vorstellungen die mit sich mit dem Satz den Worten des Satzes verbunden sind verbinden für wichtig das Wichtige maßgebende angesehen, auch dort, wo
sie es garch nicht sindˇ & alles auf die Technik [seiner| einer] Verwendung ankommt. –– Und man kann
sagen der Satz habe einen andern
Sinn wenn er ein anderes Bild
macht. Und wenn ich mir
erlau-
<ben darf Freges ˇGrundGedanken in seiner Theorie vom
> <Sinn & ˇ der Bedeutung der Sätze zu erraten so würde
ich nun fortfahren: die Bedeutung des
Satzes, im Sinne Freges, sei seine
Verwendung Anwendung.
>
     
     Wenn man nun fragt: hat es Sinn zu sagen “es wird nie das und das
geben? – Nun, welche Evidenz gibt es dafür; und was folgt daraus? – Denn,
wenn es keine Evidenz dafür gibt – nicht, dass wir noch nicht im Stande wa-
ren sie zu krigen sondern, dass //wenn// keine im Kalkül vorge-
sehen
wurde, – dann ist damit der Charakter dieses Satzes bestimmt.
Wie das Wesen einer Zahlenart dadurch, dass kein Vergleich zwischen ihr und
gewissen Rationalzahlen möglich ist.
     

     Uebrigens: Eine Zahl, die heute auf bewusste Weise mittels des Fermat'-
schen Satzes definiert ist, wird dadurch nicht geändert, dass der Beweis

269
dieses Satzes, oder des Gegenteils, gefunden wird. Denn der Kalkül dieser
Zahl weiss von dieser Lösung des Problems nichts (und wird auch dann
nichts von ihr wissen).
     



     


     “Ich werde nie einen Menschen mit 2 Köpfen sehen”; man glaubt durch
diesen Satz irgendwie in die Unendlichkeit zu reichen. Quasi, zum minde-
sten eine Eisenbahn dorthin gelegt zu haben, wenn wir auch noch nicht die
ganze Strecke bereist haben.
     Es liegt da die Idee zu Grunde, dass z.B. das Wort “nie” die Unendlich-
keit bereits //schon// mitbringe, da das eben seine Bedeutung ist.
     Es kommt darauf an: Was kann ich mit so einem Satz tun anfangen fange ich mit so einem diesem Satz an:
denn, auf die Frage “was bedeutet sagt er?” kommt ja wieder ein Satz zur Ant-
wort, und der führt mich solange nicht weiter, als ich aus der Erklärung
nichts über die Züge erfahre, die ich mit den Figuren machen darf. (Als
ich, sozusagen, nur immer wieder die gleiche Konfiguration Spielstellung vor mir sehe
und keine anderen, die ich aus ihr bilden kann.) So höre ich z.B., dass
keine Erfahrung diesen Satz beweisen kann und das beruhigt mich über seine
unendliche Bedeutung.
     

     Aus keiner Evidenz folgt, dass dieser Satz wahr ist. Ja, aber ich kann
doch glauben, dass er wahr ist ˇwas er sagt // dchass das der Fall ist, was er
sagt
// <aber ich kann doch glauben daß es sich so
verhält wie so ist wie …… er sagt
>! Aber was heisst das welcher Art ist: “glauben, dass das der Fall ist es sich so verhält was er sagt”? Reicht et-
wa dieser Glaube <…> in die Unendlichkeit; fliegt er der Verifikation vor-
an? – Was heisst es, das diesen Satz glauben?: Diesen Satz Ihn mit bestimmten Gefühlen sa-
gen? ist es ein bestimmtes Benehmen sich so & so verhalten, so & so zu handeln? denn etwas andres kann es doch nicht
sein.
– Und dann interessiert es uns nur insofern, als es Das alles interessiert uns alles nur insofern es …… ein Kalkulieren
mit dem Satz ist. < Alles das interessiert uns nur insofern
Diese Vorgänge ˇUnd diese Handlungen interessieren uns nur, sofern sie
zeigen was wir mit dem Satz anfangen wie wir ihn im
Kalkül gebrauchen.
>
     

     Um den Sinn einer Frage zu verstehen, bedenken wir: Wie sieht denn die
Antwort auf diese Frage aus.
270
aus.
     Auf die Frage “ist A mein Ahne” kann ich mir nur die Antwort denken
“A findet sich in meiner Ahnengalerie” oder “A findet sich nicht in mei-
ner Ahnengalerie” (wo ich unter Ahnengalerie die Gesamtheit aller Arten
von Nachrichten über meine Vorfahren verstehe). Dann konnte aber auch die
Frage nur dasselbe heissen wie: “Findet sich A in meiner Ahnengalerie”.
(Eine Ahnengalerie hat ein Ende: das ist ein Satz der Syntax) Wenn mir
ein Gott offenbarte, A sei mein Ahne, aber nicht, der wievielte, so könn-
te auch diese Offenbarung für mich nur den Sinn haben, ich werde A unter
meinen Ahnen finden, wenn ich nur lang genug suche; da ich aber die Zahl
N von Ahnen durchsuchen werde, so muss die Offenbarung bedeuten, A sei un-
ter jenen N Ahnen.
271
     




Intention und Abbildung.








































272
     



61
Wenn ich mich abbildend nach einer Vorlage richte, also weiss,
dass ich jetzt den Stift so bewege, weil die Vorlage so ver-
läuft, ist hier eine mir unmittelbar bewusste Kausalität im Spiel?
     






<Die Verwechslung von Grund & Ursache.

>
⋎ S. 281/4
     


      Wenn ich, den Regeln folgend, statt “” “a” schreibe, so ist es,
als wäre hier eine Kausalität im Spiel, die nicht hypothetisch, sondern
unmittelbar erlebt, wäre. (Natürlich ist nichts dergleichen der Fall.)
[Zu: Grund, Ursache, Motiv.]
     

<      Der Gegenstand meines Ha[ß|ss]es ist nicht die
Ursache meines Ha[ß|ss]es.
>
     

     Wenn ich mich aber nun ärgere, weil jemand zur Türe hereinkommt,
kann ich mich hier im Nexus irren, oder erlebe ich ihn wie den Aerger?
     In einem gewissen Sinne kann ich mich irren, denn ich kann mir sagen
“Ich weiss nicht, warum mich sein Kommen heute so? ärgert”. Das heisst,
über die Ursache meines Aergers lässt sich streiten. – Anderseits nicht
darüber, dass der Gedanke an sein Kommen – wie man sagt – unlustbetont
ist.
     Wie aber in dem Fall: Ich sehe den Menschen und der Ha[ss|ß] gegen ihn
steigt bei seinem Anblick in mir gegen ihn auf. – Könnte man fragen: wie
weiss ich, dass ich ihn hasse, dass er die Ursache meines Hasses
ist. Und wie weiss ich, dass sein Anblick diesen Hass neu erweckt? Auf
die erste Frage: – ‘ich hasse ihn’ heisst nicht ‘ich hasse und er ist
273
die Ursache meines Hasses’. Sondern er, beziehungsweise sein Gesichtsbild –
etc. – kommt in meinem Hass vor, ist ein Bestandteil meines Hasses. (Auch
hier tut's die Vertretung nicht, denn was garantiert mir dafür, dass das
Vertretene existiert.) Im zweiten Fall kommt? eben unmittelbar die Erschei-
nung des Menschen in meinem Hass vor?, oder, wenn nicht, dann ist seine Er-
scheinung wirklich nur die hypothetische Ursache meines Gefühls und ich
kann mich darin irren, dass sie es ist, die das Gefühl hervorruft.
     

     “Ganz ebenso muss es sich auch mit dem Handeln nach einem Zeichen-
ausdruck verhalten. Der Zeichenausdruck muss in diesem Vorgang involviert
sein, während er nicht involviert ist, wenn er bloss die Ursache meines
Handelns ist.”
     

     Wenn der Satz “ich hasse ihn” so aufgefasst wird: ich hasse und er ist
die Ursache; dann ist die Frage möglich “bist Du sicher, dass Du ihn
hasst, ist es nicht vielleicht ein Anderer oder etwas Anderes” und das
ist offenbarer Unsinn.
274
     



62
Wenn wir “nach einer bestimmten Regel abbilden”, ist diese Regel in
dem Vorgang des Kopierens (Abbildens) enthalten, also aus ihm eindeu-
tig abzul<e>sen? Verkörpert der Vorgang des Abbildens sozusagen diese Regel?
     






     Denken wir uns den einfachen Fall, dass jemand eine Strecke absichtlich
im Masstab 1:1 kopiert. Ist dann in dem Vorgang des Kopierens schon das
Verständnis des Nachzeichnens irgendeiner Strecke im Masstab 1:1 der allgemeinen Regel enthalten?
D.h. ist die Weise, in der mein Bleistift von der Strecke geführt wird,
eben dieses allgemeine Gesetz?
Mein Stift wurde von mir quasi ganz voraus-
setzungslos gehalten und nur von der Länge der Vorlage [f|g]eführt // be-
einflusst//.
     Ich würde dann sagen: Wäre die Vorlage länger gewesen, so wäre ich mit
meinem Bleistift noch weitergefahren und wenn kürzer, weniger weit. Aber
war, gleichsam, der Geist, der sich hierin ausspricht, schon im Nachziehen
des einen Strichs enthalten?
     

     Ich kann mir vornehmen: Ich gehe solange, bis ich ihn finde (ich will
etwa jemand auf einer Strasse treffen). Und nun gehe ich die Strasse ent-
lang und treffe ihn an einem bestimmten Punkt und bleibe stehen. War in
275
dem Vorgang des Gehens, oder irgend einem andern gleichzeitigen, die Be-
folgung der allgemeinen Regel, die ich mir vorgesetzt hatte, enthalten?
Oder war der Vorgang nur in Uebereinstimmung mit dieser
Regel, aber auch mit anderen entgegengesetzten Regeln?
     

 
 
Ich gebe jemandem den Befehl von A eine Linie parallel zu
a zu ziehen. Er versucht (beabsichtigt) es zu tun, aber
mit dem Er[o|f]olg, dass die Linie parallel zu b wird. War nun
der Vorgang des Kopierens derselbe, als hätte er beabsichtigt, parallel zu
b zu ziehen und seine Absicht ausgeführt? Ich glaube offenbar, nein. Er
hat sich von der Linie a führen lassen.
     

     Wer liest, macht das, was er abliest abhängig von dem, was da steht.
Aber die Abhängigkeit kann nur durch eine Regel ausgedrückt werden.
     

     Was hätte übrigens eine //die// allgemeine Regel überhaupt auszudrücken,
wenn das nicht nicht das?
     

     Die Frage ist nun: wenn ich (nun) auf diese Weise eine Vorlage nachge-
zeichnet habe, ist es dann möglich, den Vorgang des Nachzeichnens, wie er
war, auch nach einer anderen allgemeinen Regel richtig zu beschreiben?
Oder kann ich so eine Beschreibung zurückweisen // ablehnen// mit den Wor-
ten: “nein, ich habe mich wirklich nur von dieser (allgemeinen) Re-
gel leiten lassen (und nicht von jener anderen, die in diesem Falle hier al-
lerdings auch dasselbe Resultat ergeben hätte)”.
     

     Wenn ich absichtlich eine gewisse Form nachzieh nachzeichne, so hat
der Vorgang des Kopierens mit der Wirklichkeit an einer bestimmten Stelle
diese Form gemein. Sie ist eine Fassette des Vorgangs des Kopierens. Eine
276
Fassette, die an dem kopierten Gegenstand anliegt und sich dort mit ihm
deckt.
     

     Man könnte dann sagen: Wenn auch mein Bleistift die Vorlage nicht
trifft, die Absicht trifft sie immer.
     

     Es ist nur die Absicht, die an das Modell heranreicht. Und das ist
dadurch ausgedrückt, dass der Ausdruck der Absicht die Beschreibung des
Modells und den Ausdruck der Projektionsregel
enthält. Was ich tatsäch-
lich spiele, ist gleichgültig; die Erfahrung wird es lehren und die Be-
schreibung des Gespielten muss nichts mit der Beschreibung des Noten-
bildes gemein haben. Wenn ich dagegen meine Absicht beschreiben will, so
muss es heissen, dass ich dieses Notenbild auf die Weise in Tönen abzu-
bilden beabsichtige. Und nur das kann der Ausdruck dafür sein, dass die
Absicht an die Vorlage heranreicht und eine allgemeine Regel enthält.
     

     Wenn ich einen Apparat machte, der nach Noten spielen könnte, der al-
so auf das Notenbild in der Weise reagierte, dass er die entsprechenden
Tasten einer Klaviatur drückte, und wenn dieser Apparat bis jetzt immer
klaglos funktioniert hätte, so wäre doch weder er, noch sein Funktionie-
ren der Ausdruck einer allgemeinen Regel. Ferner, dieses Funktionieren
ist, wie immer er funktioniert, an sich weder richtig noch falsch; d.h.
weder der Notenvorlage entsprechend, noch ihr nichtentsprechend. Kein
Mechanismus, welcher Art immer, kann eine solche Regel etablieren. Man
kann nur sagen: der Mechanismus arbeitet bis jetzt dieser Regel gemäss
(was natürlich heisst, dass er auch anderen Regeln gemäss arbei-
tet). Das Funktionieren des Apparates bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt
würde gewisse Regeln zu //von// seiner Beschreibung ausschliessen, aber
nie eine Regel eindeutig bestimmen.
277
     

     Wir können wohl eine Maschine zur Illustration der Koordination zwei-
er Vorgänge, der Abbildung des einen in dem andern, verwenden, aber nur
die Maschine wie sie funktionieren soll, also
die Maschine in ganz bestimmter Weise als Ausdruck aufgefasst, also als
Teil der Sprache.
     

     Nur in diesem Sinne bildet z.B. das Pianola die Loch-Schrift auf dem
Streifen in die Tonfolge ab. Oder der Musterwebstuhl die Sprache der ge-
lochten Karten in das Muster des gewebten Stoffes.
     


     < In dem Ausdruck der Absicht muß ich die
Vorlage beschreiben; in der Beschreibung des
Abbildes nicht. (Und das ist der Kern des ganzen
Problems, & seine Lösung.)
>
     

     Das Wort “psychischer Vorgang”, “mental process”, ist an vieler Ver-
wirrung schuld. Wenn wir sagen, der Gedanke, die Intention sind psychi-
sche Vorgänge, so stellen wir uns darunter etwas ähnliches oder analoges
vor, wie unter dem Wort chemischer Vorgang, oder physiologischer Vorgang. –
Und soweit das richtig ist, haben wir mit dem Gedanken und der Intention
nichts zu tun.
     

Zu § 63
< Diese Bemerkung gehört nicht zu der, daß die
Rechtfertigungen der Abbildung irgendwo aufhören etc.
>
     “Wenn man kopiert, d.h. überhaupt abbildet, sich von einer Vorlage
leiten lässt, so ist das Charakteristische daran, dass nur die Vorlage
mir bewusst wird, dagegen nicht die Projektionsart ˇ (Nach Noten spielen). Ich bin mir bewusst,
dass mich die Vorlage einmal so, einmal so lenkt, aber das Wie die-
ser Uebertragung nehme ich sozusagen hin; ich bemerke es weiter nicht.
Und zwar, weil ich es nicht mit einem Anderen vergleiche. Ich befolge
die Projektionsregel, aber ich drücke sie nicht aus und sie fällt sozu-
sagen aus der Betrachtung heraus, weil sie mit nichts verglichen wird.
Wenn ich sie beschreibe, so setzt das voraus, dass ich sie mit anderen
Regeln vergleiche.” < Was ist das Kriterium der Absicht? Kommt
diese Frage in die Betrachtung dieser Seite
hinein?
>
     

Zu § 63

     “Ja, in gewissem Sinne ist alles, was beim Nachbilden der Vorlage ge-
278
schieht, dass diese Vorlage an uns vorüberzieht und wir sie besser oder
weniger gut treffen. D.h. es ist das Ende der Kopiermaschine, das unse-
rer Vorlage entlangläuft, was wir beobachten; die ganze übrige Maschine
nehmen wir als gegeben hin. Wir merken sozusagen nur, was sich ändert,
nicht, was gleichbleibt. Der Abbildungsweise haben wir durch eine Ein-
stellung (die gleichbleibt) (ein für allemal) Rechnung getragen. – Und
was wir spüren, ist nur das Modell.”
     

Zu § 63

     “Darum, wenn wir falsch nach Noten singen oder spielen – so verschie-
den diese Abbildung der Art nach von ihrem Vorbild ist – füh[r|l]len nennen wir es
als einen Verstoss gegen das Modell die Vorlage das Vorbild.”
279
     




63
Wie rechtfertigt man das Resultat der Abbildung mit der allgemeinen
Regel der Abbildung?
     






     Ich kann 5² mittels x² rechtfertigen, wenn ich dabei x² einem x³ oder
einem anderen Zeichen des Systems entgegenstelle.
     

     Die Schwierigkeit ist offenbar, dass nicht zu rechtfertigen versu-
chen, was keine Rechtfertigung verträgt // zulässt//.
     

     Wenn man fragt: “warum schreibst Du 5²?” und ich antworte “es steht
doch da, ich soll quadrieren”, so ist das eine Rechtfertigung – und ei-
ne volle –. ?–Eine Rechtfertigung verlangen, in dem Sinne, in dem
dies keine ist, ist sinnlos.–?
     

     Ich hätte jemandem alle möglichen Erklärungen alle mögliche Erklä-
rung dafür ge[f|g]eben, was der Befehl “quadriere diese Zahlen” heisst.
(Und diese Erklärungen sind doch sämtlich Zeichen.) Er quadriere darauf,
und nun frage ich ihn “warum tust Du das auf diese Erklärung hin?”
Dann hätte es keinen Sinn mir zu antworten: “Du hast mir doch gesagt:
(es folgt die Wiederholung der Erklärungen)”. Eine andre Art der Antwort
280
ist aber auf diese Frage auch nicht möglich und die Frage heisst eben
nichts. Sie müsste sinnvoll lauten: “Warum tust Du das und nicht je-
nes auf diese Erklärungen hin (ich habe Dir doch gesagt …)”.
     

     Wenn man nun fragen würde: Wie lange vor der Anwendung der Regel muss
die Disposition “x²” gedauert haben? Eine Sekunde, oder zwei? Diese Fra-
ge klingt natürlich, und mit Recht, wie eine Persiflage. Wir fühlen, dass
es darauf gar nicht ankommen kann. Aber diese Art der? Frage taucht immer
wieder auf.
     

     Wenn man nach einer Regel einen Tatbestand abbildet, so ist die-
ser
dabei die Vorlage. Ich brauche keine weitere Vorlage, die
mir zeigt, wie die Abbildung vor sich zu gehen hat, wie also die erste
Vorlage zu benützen ist, denn sonst brauchte ich auch eine Vorlage, um
mir die Anwendung der zweiten zu zeigen, u.s.f. ad infinitum. D.h. eine
weitere Vorlage nützt mich nichts, ich muss ja doch einmal ohne Vorlage
handeln.
     

     Wenn ich ˇmich mit der Bewegung des Punktes P von A nach B nach dem Pfeil
richte, so ist, was hier geschieht //so ist das// nur dadurch beschrie-
ben, dass ich das System von Pfeilen beschreibe, dem dieser angehört. –
Ich könnte nun wohl sagen: Ist das genug? muss ich nicht auch die Regel
angeben, nach der die Uebersetzung geschieht, z.B. hier, dass ich mich
parallel zum Pfeil bewegen soll? Aber diese Uebersetzungsregel kann
// könnte// ich mir in Gestalt etwa des Zeichens “!!” (im Gegensatz etwa zu “!/” dem Pfeile zugesetzt denken; aber dann würde das Zeichen “
 
 
!!” auf keiner andern Stufe stehen wie “
 
 
” und ich könnte doch jetzt nur
das System beschreiben, dem dieses Zeichen angehört, wenn ich nicht ad
281
infinitum, also erfolglos, weitere Zeichen zu den obigen
setzen will.
     

< Jedes Abbilden,(Ableiten einer H (Handeln nach (
nicht bloß in Übereinstimmung mit) gewissen
Zeichen einer Regel) Ableiten einer Handlung aus einem
Befehl, Rechtfertigen einer Handlung mit
einem Befehl ist von der Art des schrift-
lichen Ableitens eines Resultats aus einer
Angabe dem Hinweis auf eine Tabelle //auf
die Stellung von Zeichen in einer Tabelle//.
>
     

     Wir stossen hier immer auf die peinliche Frage, ob denn nicht das An-
schreiben des ‘5²’ (z.B.) mehr oder weniger (oder ganz) automatisch er-
folgt sein könne, und fühlen, dass das der Fall sein mag und dass es uns
gar nichts angeht. ?–Dass wir hier auf ganz irrelevantem Boden sind, wo
wir nicht hingehören.–?
     

     “Ich schreibe ‘5²’, weil hier ‘x²’ steht”. Was aber, wenn ich sagte:
“Ich schreibe ‘ + ’, weil hier ‘A’ steht”? Man würde fragen: Schreibst Du
denn überall ‘ + ’ wo ‘A’ steht? D.h., man würde nach einer allgemeinen
Regel fragen. Und [w|d]as ‘weil’ im letzten Satz hätte sonst keinen Sinn.
     

     
 
 
Warum schreibst Du 25? – Weil dort ‘y²
steht. – Ja, ist das das Signal für 25? –
Nein, aber ich habe ‘25’ geschrieben, weil
dort ‘y²’ steht. – Woher weisst Du denn, dass Du es deswegen geschrieben
hast? Hier hätte man das “weil” als Einleitung einer
Angabe der Ursache aufgefaßt statt des Grundes.
     


      Zu S. 272
      Was heisst es aber: Ich geh' zur Tür, weil der Befehl gelautet
hat “geh' zur Tür”?
     Und wie vergleicht sich dieser Satz mit: ich geh' zur Tür, obwohl der
Befehl gelautet hat “geh' zur Tür”. Oder: Ich geh' zur Tür, aber nicht
weil der Befehl lautete “geh' …”, sondern …. Oder: Ich geh'
nicht zur Tür, weil der Befehl gelautet hat “geh' z.T.”.

     

     Das Phänomen der Rechtfertigung. Ich rechtfertige das
Resultat 3² durch x². So schaut jede Rechtfertigung aus.
282
     
     In gewissem Sinn bringt uns das nicht weiter. Aber es kann uns ja
auch nicht weiter, d.h., zu einem Fundament //zu dem Metalogi-
schen//, bringen.
283
     




64
Der Vorgang der absichtlichen Abbildung, der Abbildung mit der In-
tention abzubilden ist nicht wesentlich ein psychischer, innerer.
Ein Vorgang der Manipulation mit Zeichen auf dem Papier kann das-
selbe leisten.
     






     Kein psychischer Vorgang kann besser symbolisieren, als Zeichen,
die auf dem Papier stehen.
     Der psychische Vorgang kann auch nicht mehr leisten, als die
Schriftzeichen auf dem Papier.
     Denn immer wieder ist man in der? Versuchung, einen symbolischen
Vorgang durch einen besonderen psychischen Vorgang erklären zu wol-
len, als ob die Psyche in dieser Sache viel mehr tun könnte, als das
Zeichen.
     

     Es missleitet uns da die falsche Analogie mit einem Mechanismus,
der mit anderen Mitteln arbeitet, und daher besondere Bewegungen //eine besondere Bewegung// erklären kann. Wie wenn wir sagen: diese Bewegung kann nicht durch den Eingriff von Zahnrädern allein erklärt
werden.
284
     

      Hierher gehört irgendwie: dass es nicht selbstverständlich ist,
dass sich das Zeichen durch seine Erklärung ersetzen lässt.
Sondern eine merkwürdige, wichtige Einsicht in das Wesen dieser
(Art von) Erklärung. (Im Gegensatzˇ zu einer kausalen Erklärung.) < Hierher gehört, daß es eine wichtige Einsicht
in das Wesen der Zeichenerklärung ist, im Gegen-
satz zur Kausalerklärung ist, <… die sie in Gegensatz bringt zur Kausalerklärung ……>, daß
sich das Zeichen durch seine Erklärung
ersetzen läßt.
>
     

     Die Beschreibung des Psychischen müsste sich ja doch wieder als Sym-
bol verwenden lassen.
     

     Das Behaviouristische an meiner Auffassung // an unserer Behand-
lung // besteht nur darin, dass ich // wir // keinen Unterschied zwi-
schen ‘aussen’ und ‘innen’ machen mache. Weil mich die Psychologie nichts
angeht.
     

     Kann man etwas in einem wesentlich anderem Sinne “offen las-
sen
”, als man eine Klammer leer lässt?
     

     Es kann nie essentiell für uns ˇunsere Betrachtung sein, dass ein ˇ symbolisierendes Phänomen in der Seele
sich abspielt und nicht auf dem Papier, für den Andern sichtbar.
     

     Man kann sagen, dass, ob ich lese, oder nur Laute hervorbringe, wäh-
rend ein Text vor meinen Augen ist, sich nicht durch die Beobachtung
von aussen entscheiden lässt. Aber das Lesen kann nicht wesentlich ei-
ne innere Angelegenheit sein. Das Ableiten der Uebersetzung vom
Zeichen, wenn es überhaupt ein Vorgang ist, muss auch ein sichtbarer
Vorgang sein können. Man muss also z.B. auch den Vorgang dafür nehmen
//ansehen// können, der sich auf dem Papier abspielt, wenn die Glie-
der der Reihe, 1,4,9,16 (als Uebersetzung von 1,2,3,4) durch die Glei-
chungen 1 × 1 = 1, 2 × 2 = 4, 3 × 3 = 9, etc. ausgerechnet erscheinen.
285
erscheinen.
1
×
1
1
2
×
2
4
3
×
3
9
4
×
4
16
Man könnte dann vom Standpunkt des Behaviourism sa-
gen: Wenn ein Mensch das hinschreibt, dann hat er
die untere Reihe durch Rechnung gewonnen, schreibt
er aber bloss die untere Rechnung an, dann nicht.
     Schriebe er aber nun:
1
×
1
1
2
×
2
5
3
×
3
9
4
×
4
20
so würden wir sagen, er hat
falsch gerechnet, weil 2 × 2 nicht 5 ist, etc..
     

     Man könnte natürlich ebensogut schreiben
x

1
1
2
4
3
9
4
16
und diese
Darstellung ist ganz gleichwertig mit der ersten, oder überhaupt jeder
andern, wenn eine Regel festgesetzt ist, die sie von einer anderen Dar-
stellung unterscheidet.
     

     Das Gefühl, welches man bei jeder solchen Darstellung hat, dass sie
roh (unbeholfen) ist, leitet irre, denn wir sind versucht, nach einer
“besseren” Darstellung zu suchen. Die gibt es aber gar nicht. Eine ist
so gut wie die andere, solange die Multiplizität die richtige ist; d.h.,
solange jedem Unterschied im Dargestellten ein Unterschied in der Dar-
stellung entspricht.
     

     Und nun kann aber auch der Gedanke als psychischer Prozess nicht
mehr tun, als dieses “rohe” Zeichen.
     

     Man kann nicht fragen: Welcher Art sind die gie geistigen Vorgänge,
dass sie wahr und falsch sein können, was die aussergeistigen nicht kön-
nen. Denn, wenn es die “geistigen” können, so müssen's auch die anderen
286
können; und umgekehrt.
     Denn, können es die seelischen // geistigen// Vorgänge, so muss es
auch ihre Beschreibung können. Denn in ihrer Beschreibung muss es sich
zeigen, wie es möglich ist.
     

     Wenn man sagt, der Gedanke sei eine seelische Tätigkeit, oder eine
Tätigkeit des Geistes, so denkt man an den Geist als an ein trübes, gas-
förmiges Wesen, in dem manches geschehen kann, dass ausserhalb dieser
Sphäre nicht geschehen kann. Und von dem man manches erwarten kann muss, das
sonst nicht möglich ist.
     Es handelt //Als handle// gleichsam die Lehre vom Gedanken vom or-
ganischen Teil, im Gegensatz zum anorganischen des Zeichens.
     Es ist //wäre// gleichsam der Gedanke der organische Teil des Sym-
bols, das Zeichen der anorganische. Und jener organische Teil kann
Dinge leisten, die der anorganische nicht könnte.
     Als geschähe hinter dem Ausdruck noch etwas Wesentliches, was
sich nicht ausdrücken lässt // nicht durch den Ausdruck ersetzen lässt//
– auf das // worauf// sich etwa nur hinweisen lässt – was in dieser
Wolke (dem Geist) geschieht und den Gedanken erst zum Gedanken macht.
Wir denken hier an einen Vorgang analog dem Vorgang der Verdauung und
die Idee ist, dass im Inneren des Körpers andere chemische Veränderun-
gen vor sich gehen, als wir sie aussen produzieren können, dass der or-
ganische Teil der Verdauung einen anderen Chemismus hat, als, was wir
aussen mit den Nahrungsmitteln w vornehmen könnten.
     

     Das heisst, das Abbilden kann sich von einem andern Vorgang auch nur
so unterscheiden, wie eben ein Vorgang vom andern und das heisst, dass
dieser Unterschied nicht logische Bedeutung haben kann // kein metalogischer Vorgang ist//.
     

< Abbilden ist kein metalogischer
Begriff.
287

     
>
     
So wie ich früher einmal gesagt habe: Die Intention kann auch nur ein
Phänomen wie jedes andere sein, wenn ich überhaupt von ihr reden darf.
     

     Das Wählen der Striche beim Abbilden einer Vorlage ist also allerdings
ein anderer Vorgang, als etwa das blosse Zeichnen dieser Striche, wenn
ich mich “nicht nach der Vorlage richte”, aber der Unterschied ist ein
äusserer, beschreibbarer, wie der Unterschied zwischen den Zeichengruppen
2,
4
4,
16
6,
36
8,
64
und
x

2,
4
4,
16
6,
36
8,
64
und steht mit diesem Unterschied auf glei-
cher Stufe //auf einer Stufe//.
     

Und so steht es also auch mit dem Wählen der Worte, wenn ich etwas mit
Worten beschreibe: dieser Vorgang unterscheidet sich von dem, des will-
kürlichen Zuordnens von Worten, aber eben nur (äusserlich), wie sich die
beiden Zeichen im vorigen Satze unterscheiden.
     

     “Wenn man einen Hund gelehrt hätte, den Zeichenverbindungen von
a,b,c,d zu folgen (wobei a =
 
 
, b =
 
 
, c =
 
 
, d =
 
 
), so mag er das
me[f|c]hanisch tun, aber, wenn ich nun wissen will, welches Zeichen ich ihm
geben muss, um ihn einen bestimmten Linienzug laufen zu lassen, so muss
ich das Zeichen von dem Linienzug nach der Regel ableiten.”
288
     



65
Wire hängen unsre Gedanken mit den Gegenständen zusammen, über die wir
denken? Wie treten diese Gegenstände in unsre Gedanken ein. (Sind sie
in ihnen durch etwas Andres – etwa Aehnliches – vertreten?)
Wesens des Porträts; die Intention.
     






< Die Vorstellung von ihm ist ein unge-
maltes Portrait.
>
     

     “Das sol soll er sein” (dieses Bild stellt ihn vor) darin
liegt das ganze Problem der Darstellung.
     

<      Kann man sagen: “mein Erinnerungsbild
stellt ihn vor”? oder: “ich habe ein Vor-
stellun
Kann manˇ nicht statt “ich stelle
mir ihn vor” sagen: ich habe ein Vorstel-
lungsbild, welches ihn vorstellt darstellt”?
>
     

< Worin besteht es, daß ich mir ihn vorstelle? Daß
mein Vorstellungsbild ihm ähnlich ist? Und wie
wenn es einem andern Menschen zufälliger-
weise noch ähnlicher wäre, – stellte ich mir
dann den andern vor?
     Nun, die Vorstellung als Bild kann ihm
nur ähnlich oder unähnlich sein ist ihm
nur
…….
>
     

     Wenn ich sage “der Sinn eines Satzes ist dadurch bestimmt, wie er zu
verifizieren ist”, was muss ich dann von dem Sinn des Satzes sagen: dass
dieser Satz die Uebersetzung //dieses Bild das Porträt// jenes Gegen-
standes
sein soll? Wie ist das denn zu verifizieren?
     

     Was heisst es: Ich kann mir vorstellen, dass der Fleck A sich an den
Ort B bewegt? Die seltsame Täuschung, der man unterliegt, dass im Satze
die Gegenstände das tun, was der Satz sagt, muss sich aufhellen.
     

     Es ist, als ob im Befehl bereits ein Schatten der Ausführung läge.
Aber ein Schatten eben dieser Ausführung. Du gehst im Befehl
289
dort und dort hin. – Sonst wäre es aber eben ein anderer Befehl. < Gewiß diese die Identität ist die die der Differenz
entspricht zweier verschiedener Befehle
entspricht.
>
     

[Zu § 21 S. 83]

     “Der Satz ist ein Bild”. Ein Bild wovon? Kann man sagen: “von der
Tatsache, die ihn wahr macht, wenn er wahr ist und von der Tatsache, die
ihn falsch macht, wenn er falsch ist. Im ersten Fall ist er ein korrek-
tes Bild, im zweiten ein unkorrektes”? ((Wenn ich bei einem gemalten
Bild frage: “wovon ist das ein Bild”; was ist die Art der Antwort?))
< Die Antwort kann offenbar verschiedener Art sein:
Sie ist anders für ein Porträtˇ als Porträt & anders für ein
Genrebild.
>
     

[Zu § 21 S. 83]

     Wenn man mit Bild meint: die richtige, oder falsche Darstellung der
Realität, dann muss man wissen, welcher Realität, oder; welches Teils
der Realität. Ich kann dieses Zimmer richtig oder falsch darstellen, aber
um heraus zu finden, ob richtig oder nicht, muss ich wissen, dass dieses
Zimmer gemeint ist.
     

     Was hei[w|s]st es: Sich eine Vorstellung machen, die der Wirklichkeit
nicht entspricht?
     

     Man vergleiche das Vorstellen mit dem Malen eines Bildes. Er malt al-
so ein Bild des Menschen, wie dieser in Wirklichkeit nicht ist.
     Sehr einfach. Aber warum nennen wir es das Bild dieses Menschen? Denn,
wenn es das nicht ist, ist es (ja?) nicht falsch. – Wir nennen es so, weil
er selbst es drübergeschrieben hat.
     Also hat er nichts weiter getan, als jenes Bild zu malen, und jenen
Namen drüberzuschreiben. Und das tat er wohl auch in der Vorstellung.
     

     Es muss uns klar sein, dass der Zusammenhang unseres Gedankens mit
Napoleon nur durch diesen selbst und durch kein Bild (Vorstellung, etc.)
und sei es noch so ähnlich, gemacht werden kann. Anderseits aber ist
Napoleon für uns in seiner S Abwesenheit nicht weniger enthalten, als
290
in seiner Anwesenheit.
     

     “Der Plan besteht darin, dass ich mich das und das tun sehe”. Aber
wie weiss ich, dass ich es bin. – Nun, ich bin es ja nicht, was ich
sehe, sondern etwa ein Bild. Warum aber nenne ich es mein Bild? Nicht
etwa, weil es mir ähnlich sieht.
     “Woher weiss ich, dass ich es bin”: Das ist ein gutes Beispiel einer
falsch angebrachten Frage. Die Frage hat nämlich Sinn, wenn es etwa heisst:
Woher weiss ich, dass ich es bin, den ich da im Spiegel sehe. Und die Ant-
wort gibt dann Merkmale, nach denen ich zu erkennen bin. –
     

     Die Frage “woher weiss ich, dass ich das bin” oder richtiger “… dass
das mich vertritt” ist Unsinn, denn, dass es mich vertritt, ist mei-
ne (eigene) Bestimmung. Ja, ich könnte ebensogut fragen: “woher weiss ich,
dass das Wort ‘ich’ mich vertritt”, denn meine Figur im Bild war nur ein
anderes Wort ‘ich’.
     

     Wohl aber könnte man fragen “was ˇhat denn der Name ‘a’ mit diesem Menschen
zu tun”. Und die Antwort wäre: Nun, das ist a //er heisst a//.
     

     “Diese Figur des Bildes bin ich” ist ein Uebereinkommen.
     

     Ja, aber worin kommen wir überein? Welche Beziehung zwischen Zeichen
und mir stellen wir her? Nun, nur die, die etwa durch das Zeigen mit
der Hand oder das Umhängen eines Täfelchens besteht. Denn diese Relation
ist nur durch das System <…> bedeutungsvoll, dem sie angehört.
     

     Wenn man sagt: Ich stelle mir die Sonne vor, wie sie über den Himmel
zieht; so ist doch nicht die Vorstellung damit beschrieben, dass “die Son-
291
ne über den Himmel zieht”! Nun könnte ich einerseits fragen: ist nicht,
was Du vor Dir siehst, eine gelbe Scheibe in Bewegung? aber doch nicht
gerade die Sonne. – Andrerseits, wenn ich sage “ich stelle mir die Sonne
in dieser Bewegung vor”, so ist das nicht dasselbe, wie wenn ich (etwa ki-
nematographisch) ein solches Bild zu sehen bekäme.
     Ja, es hätte Sinn, von diesem Bild zu fragen: “stellt das die Sonne
vor?”
     

     Das Porträt ist nur ein dem N ähnliches Bild (oder auch das nicht), es
hat aber nichts in sich (wenn auch noch so ähnlich), was es zum Bildnis
dieses Menschen, d.h. zum beabsichtigten Bildnis machen würde. (Ja,
das Bild, was dem Einen täuschend ähnlich ist, kann in Wirklichkeit das
schlechte Porträt eines Anderen sein.)
     

     Nun kann man doch fragen: “Wie zeigt sich denn das, dass er das Bild
als Porträt des N meint?” – “Nun, indem er's sagt” – “Aber wie zeigt es
sich denn, dass er das mit dem meint, was er sagt?” – “Gar nicht!”
((Worauf bezieht sich denn dieses “das”. Man kann fragen: Wie zeigt sich,
dass er meint, was er sagt. Antwort z.B. an seinem Gesicht.))
     

     “Ich war der Meinung Ich dachte, Napoleon sei 1805 gekrönt worden”. – “Warst Du
die ganze Zeit ununterbrochen dieser Meinung?”
     

     “Was hat aber Deine Meinung Dein Gedanke mit Napoleon zu tun? Welcher Zusammenhang
//Welche Verbindung // besteht zwischen Deinerm Meinung Gedanken und Napoleon?
     Es kann, z.B., der sein, dass das Wort “Napoleon” in dem Ausdruck mei-
ner Meinung vorkommt, plus dem Zusammenhang, den dieses Wort mit seinem
Träger hat. Also etwa, dass er sich so unterschrieben hat, so angeredet
wurde, etc. etc.
292

     “Aber mit dem Wort ‘Napoleon’ bezeichnest Du doch, während Du es
aussprichst, eben diesen Menschen”. – “Wie geht denn, Deiner Meinung
nach, dieser Akt des Bezeichnens vor sich? Momentan? oder braucht er
Zeit?” – “Ja aber, wenn man Dich fragt ‘hast Du jetzt (eben) den Mann
gemeint, der die Schlacht bei Austerlitz gewonnen hat?’ wirst Du doch
sagen ‘ja’. Also hast Du diesen Mann gemeint, als Du den Satz,
in dem sein Name vorkommt, aussprachst
!” –
Wohl, aber nur etwa in dem Sinne, in welchem ich damals auch wusste, dass
2 + 2 = 4 ist //sei//. Nämlich nicht so, als ob zu dieser Zeit ein be-
sonderer Vorgang stattgefunden hätte, den wir dieses ‘Meinen’ nennen könn-
ten; auch wenn vielleicht gewisse Bilder das Aussprechen begleitet haben,
die für diese Meinung charakteristisch sind und bei andrer Bedeutung des
Wortes ‘Napoleon’ vielleicht andre gewesen wären. Vielmehr ist die Ant-
wort “ja, ich habe den Sieger von Austerlitz gemeint” ein weiterer Schritt
im Kalkül. Täuschend ist an ihmr die vergangene Form, die eine Beschrei-
bung dessen zu geben scheint, was “in mir” während des Aussprechens des
Satzes vorgegangen war. In Wirklichkeit knüpft das Präteritum nur an den
früher ausgesprochenen Satz an.
     

     “Aber ich habe ihn gemeint”. Sonderbarer Vorgang, dieses Meinen!
Kann man ˇhier in Europa jemanden meinen, auch wenn er in Amerika und man in Europa ist?
Und //Oder// gar, wenn er schon tot ist?
     

Meine ganzen Ueberlegungen gehen immer dahin, zu zeigen, dass es nichts
nützt, sich das Denken als ein Haluzinieren vorzustellen. D.h., dass
es überflüssig ist, die Schwierigkeit aber bestehen bleibt.
Denn auch die Haluzination, kein Bild, kann die Kluft zwischen dem
Bild und der Wirklichkeit überbrücken, und das eine nicht eher als das
andere.

293
     




Logischer Schluss.








































294
     




66
Wissen wir, dass p aus q folgt, weil wir die Sätze verstehen?
Geht das Folgen aus einem Sinn hervor?
     






p & q = p heisst “q folgt aus p”.
     

     (Ex).fx V fa = (Ex).fx, (Ex).fx & fa = fa Wie weiss ich das? (denn
das Obere habe ich sozusagen bewiesen). Man möchte etwa sagen: “ich
verstehe ‘(Ex).fx’ eben”. (Ein herrliches Beispiel dessen, was ‘verste-
hen’ heisst.)
     Ich könnte aber ebensogut fragen “wie weiss ich, dass (Ex).fx aus fa
folgt” und antworten: “weil ich ‘(Ex).fx’ verstehe”. Wie weiss ich aber
wirklich, dass es folgt? – Weil ich so kalkuliere.
     

     Wie weiss ich, dass (Ex).fx aus fa folgt? Sehe ich quasi hinter das
Zeichen “(Ex).fx”, und sehe den Sinn, der hinter ihm steht und daraus
//aus ihm//, dass er aus fa folgt? ist das das Verstehen?
     Nein, jene Gleichung drückt einen Teil des Verstehens // Verständ-
nisses// aus (das so ausgebreitet vor mir liegt).
295
liegt).
     Denke an die //Vergleich[d|e] die// Auffassung des Verstehens, das ur-
sprünglich mit einem Schlag erfassbar //ein Erfassen mit einem Schlag//,
erst so ausgebreitet werden kann.
     Wenn ich sage “ich weiss, dass (Ex).fx folgt, weil ich es verstehe”,
so hiesse das, dass ich, es verstehend, etwas Anderes sehe, als
das gegebene Zeichen, gleichsam eine Definition des Zeichens, aus der
das Folgen hervorgeht.
     

     Wird nicht vielmehr die Abhängigkeit durch die Gleichung hergestellt
und festgesetzt? Denn eine verborgene Abhängigkeit gibt es eben nicht.
     



     Aber, meinte ich, muss also nicht (Ex).fx eine Wahr-
heitsfunktion von fa sein, damit das möglich ist?
Damit diese Abhängigkeit möglich ist?
     

     Ja sagt denn eben (Ex).fx V fa = (Ex).fx nicht, dass fa schon in
(Ex).fx enthalten ist? Zeigt es nicht die Abhängigkeit des fa vom (Ex).fx?
Nein, ausser, wenn (Ex).fx als logische Summe definiert ist
(mit einem Summanden fa). – Ist das der Fall, so ist (Ex).fx (nichts als)
eine Abkürzung.
     

     Einen verborgenen Zusammenhang gibt es in der Logik nicht.
     

     Hinter die Regeln kann man nicht dringen, weil es kein Dahinter gibt.
     

     fE & fa = fa Kann man sagen: das ist nur möglich, wenn fE aus fa
folgt; oder muss man sagen: das bestimmt, dass fE aus fa folgt? //folgen
296
soll.//
     

     Wenn das erste, so muss es vermöge der Struktur folgen, etwa indem fE
durch eine Definition so bestimmt ist, dass es die entsprechende Struktur
hat. Aber kann denn wirklich das folgen, gleichsam aus der sichtbaren
Struktur der Zeichen hervorgehen, wie ein physikalisches Verhalten aus
einer physikalischen Eigenschaft, und braucht etwa nicht vielmehr immer
solche Bestimmungen, wie die Gleichung fE & fa = fa? Ist
es etwa den p V q anzusehen, dass es aus p folgt, oder auch nur den Re-
geln, welche Russell für die Wahrheitsfunktionen gibt?
     

     Und warum sollte auch die Regel fE & fa = fa aus einer andern Regel
hervorgehen und nicht die primäre Regel sein?
     

     Denn was soll es heissen “fE muss doch fa in irgendeiner Weise ent-
halten”? Es enthält es eben nicht, insofern wir mit fE arbeiten können,
ohne fa zu erwähnen. Wohl, aber, insofern eben die Regel fE & fa = fa
gilt.
     

     Die Meinung //Idee// ist nämlich, dass fE & fa = fa nur vermöge
einer Definition von fE gelten kann.
     

     Und zwar – glaube ich – darum, weil es sonst den falschen Anschein hat,
als würde nachträglich noch eine Bestimmung über fE getroffen, nachdem es
schon in die Sprache eingeführt sei?. Es wird aber tatsächlich keine Be-
stimmung einer künftigen Erfahrung überlassen.
     

     Und die Definition des fE aus ‘allen Einzelfällen’ ist ja ebenso
unmöglich, wie die Aufzählung aller Regeln von der Form fE & fx = fx.
297

     Ja, die Einzelgleichungen fE & fx = fx sind eben gerade ein Ausdruck
dieser Unmöglichkeit.
     

     Wenn man gefragt wird: ist es aber nun auch sicher, dass ein anderer
Kalkül als dieser nicht gebraucht wird, so muss man sagen: Wenn das
heisst “gebrauchen wir nicht in unserer tatsächlichen //wirklichen//
Sprache noch andere Kalküle”, so kann ich nur antworten “ich weiss (jetzt?)
keine anderen (so, wie wenn jemand fragte “sind das alle Kalkülle der
(gegenwärtigen?) Mathematik”, ich sagen könnte “ich erinnere mich keiner
anderen, aber ich kann etwa noch genauer nachlesen). Die Frage kann aber
nicht heissen “kann kein anderer Kalkül gebraucht werden?” Denn wie soll-
te ich diese Frage beantworten? //Denn wie sollte die Antwort auf diese
Frage gefunden werden?//
     Ein Kalkül ist ja da, indem man ihn beschreibt.
     

     Kann man sagen: ‘Kalkül’ ist kein mathematischer Begriff?
     

     Wenn ich sagte: “ob p aus q folgt, muss aus p und q allein zu ersehen
sein //hervorgehen//”; so müsste es heissen: dass p aus q folgt, ist
eine Bestimmung, die den Sinn von p und q bestimmt; nicht etwas, das,
von dem Sinn dieser beiden ausgesagt, wahr ist. Daher kann man (sehr)
wohl die Schlussregeln ˇangeben, gibt damit aber Regeln für die Benützung
der Schriftzeichen an, die deren Sinn erst bestimmen; was nichts andres
heisst, als dass die[w|s]e Regeln willkürlich festzusetzen sind; d.h. nicht
von der Wirklichkeit abzulesen, wie eine Beschreibung. Denn, wenn ich
sage, die Regeln sind willkürlich, so meine ich, sie sind nicht von der
Wirklichkeit determiert, determiniert, wie die Beschreibung dieser Wirklichkeit. Und
das heisst: Es ist Unsinn, von ihnen zu sagen, sie stimmen mit der Wirk-
lichkeit überein; die Regeln über die Worter “blau”, “rot”, etwa, stimm-
298
ten mit den Tatsachen, die diese Farben betreffen, überein, etc..
     

     Die Gleichung p & q = p zeigt eigentlich den Zusammenhang des Fol-
gens und der Wahrheitsfunktionen.
299
     



67
“Wenn p aus q folgt, so muss p ind q schon mitgedacht sein”.
     






     Bedenke, dass aus dem allgemeinen Satz eine logische Summe von, sa-
gen wir, hundert Summanden folgen könnte, an die wir doch bestimmt nicht
gedacht haben, als wir den allgemeinen Satz aussprachen. Können wir
nicht dennoch sagen, dass sie aus ihm folgt?
     

     “Was aus einem Gedanken folgt, muss in ihm mitgedacht werden. Denn an
einem Gedanken ist nichts, was wir nicht wissen, während wir ihn denken.
Er ist keine Maschine, deren Untersuchung Ungeahntes zu Tage fördern
kann, oder eine Maschine, die etwas leisten kann, was man ihr zuerst
nicht ansieht. D.h. er wirkt eben logisch überhaupt nicht als
Maschine. Als Gedanke liegt in ihm nicht mehr, als hineingelegt würde.
Als Maschine, d.h. kausal, wäre ihm alles zuzutrauen; logisch ergibt er
nur, was wir mit ihm gemeint haben.”
     Wenn ich sage, das Viereck ist ganz weiss, so denke ich nicht an zehn
kleinere, in ihm enthaltene Rechtecke, die weiss sind; und an “alle
in ihm enthaltene Rechtecke oder Flecken, kann ich nicht denken. Ebenso
denke ich im Satz “er ist im Zimmer” nicht an hundert mögliche Stellun-
300
gen, die er einnehmen kann, und gewiss nicht an alle.
     

     “Wo immer Du die Scheibe triffst, hast Du gewonnen. – Du hast sie
rechts oben getroffen, also …”
     

     Auf den ersten Blick scheint es zwei Arten der Deduktion zu geben:
in der einen ist in der Prämisse von dem //allem// die Rede, wovon
die Konklusion handelt, in der andern nicht. Von der ersten Art ist der
Schluss von p & q auf q. Von der anderen der Schluss: der ganze Stab ist
weiss, also ist auch das mittlere Drittel weiss. In dieser Konklusion
wird von Grenzen gesprochen, von denen im ersten Satz nicht die Rede
war. (Das ist verdächtig.) Oder wenn ich sage: “wo immer in diesem Krei-
se Du die Scheibe triffst, wirdst Du den Preis gewinnen” und dann “Du
hast sie hier getroffen, also …”, so war dieser Ort im ersten Satz
nicht vorausgesehen. Die Scheibe mit dem Einschuss hat zu der Scheibe,
wie ich sie früher gesehen habe, eine bestimmte interne Beziehung und
darin besteht es, dass das Loch hier unter die vorausgesehene allgemei-
ne Möglichkeit fällt. Aber es selbst war nicht vorausgesehen und ˇes kam in
dem ersten Bild nicht vor. Oder musste doch nicht darin vorkommen. Denn
selbst angenommen, ich hätte dabei an tausend bestimmte Möglichkeiten
gedacht, so hätte es zum mindesten geschehen können, dass die ausgelas-
sen wurde, die später eintraf. Und wäre das Voraussehen dieser Möglich-
keit wesentlich gewesen, so hätte die Prämisse durch das Uebersehen die-
ser einen Möglichkeit den unrechten Sinn bekommen und die Konklusion
würde nun nicht aus ihr folgen.
     Anderseits wird dem Satz “wohin immer Du in diesem Kreis triffst …”
nichts hinzugefügt, wenn man sagt: “wohin immer Du in diesem Kreis
triffst, und wenn Du insbesondere den schwarzen Punkt triffst …”.
Aber, war der schwarze Punkt schon da, als man den ersten Satz aussprach,
301
so war er natürlich mitgemeint; war er aber nicht da, so hat sich durch
ihn eben der Sinn des Satzes geändert.
     

     Was soll es aber dann heissen, zu sagen: wenn ein Satz aus dem andern
folgt, so muss der erste im zweiten mitgedacht sein, da es doch nicht
nötig ist, im Satz “ich bin 170 cm hoch” auch nur einen einzigen der
aus ihm folgenden negativen Längenangaben mitzudenken.
     

     “Das Kreuz liegt so auf der Geraden: ” – “Es
liegt also zwischen den Strichen …”
     “Es hat hier 16½o”. – “Es hat also jedenfalls mehr als 15o.”
     Wenn man sich übrigens wundert, dass dieser Satz aus jenem folgt, ob-
wohl man doch bei jenem gar nicht an ihn dachte, //dass ein Satz aus
dem andern folgt, obwohl man doch bei diesem gar nicht an jenen dachte,//
so denke man nur daran, dass p V q aus p folgt, und ich denke doch
gewiss nicht alle Sätze p V x wenn ich p denke.
     

     Die ganze Idee, dass man bei dem Satz, aus dem ein anderer folgt,
diesen denken muss, beruht auf einer falschen, und psychologisierenden,
Auffassung. Wir haben uns ja nur um das zu kümmern, was in den Zeichen
und (ihren) Regeln liegt.
     

     Wenn das Kriterium dafür, dass p aus q folgt, darin besteht, dass man
“beim Denken von q p mitdenkt”, so denkt man wohl beim Denken des Sat-
zes “in dieser Kiste sind 105 Sandkörner” die 105 Sätze: “in dieser Ki-
ste ist ein Sandkorn”, “…2 Sandkörner”, etc., etc.? Was ist denn
hier das Kriterium des Mitdenkens!
     Und wie ist es mit einem Satz: “ein Fleck (F)
liegt zwischen den Grenzen AA? Folgt aus ihm nicht, dass
302
F auch zwischen BB und CC liegt, u.s.w.? Folgen hier aus einem
[D|S]atz unendlich viele? und ist er also unendlich vielsagend? – Aus dem
Satz “ein Fleck liegt zwischen den Grenzen AA” folgt jeder Satz von der
Art “ein Fleck liegt zwischen den Grenzen BB”, den ich hinschreibe – und
so viele, als ich hinschreibe. Wie aus p soviele Sätze der Form p V x
folgen, als ich hinschreibe (oder ausspreche, etc.). (Der Induktionsbe-
weis beweist soviele Sätze von der Form … als ich hinschreibe.)
303
     




68
Der Fall: unendlich viele Sätze folgen aus einem.
     






     Ist es unmöglich, dass aus einem Satz unendlich viele Sätze folgen, –
in dem Sinne nämlich, dass nach einer Regel immer neue Sätze aus dem
einen gebildet werden könn<t>en, aad infinitum?
     

     Angenommen, die ersten tausend Sätze dieser Reihe schrieben wir in
Konjunktion an. Musste der Sinn dieses Produktes dem Sinne des ursprüng-
lichen Satzes nicht näherkommen, als das Produkt der ersten hundert Sät-
ze? Müsste man nicht eine immer bessere Annäherung an den ersten Satz
bekommen, je mehr man das Produkt ausdehnte und würde das nicht zeigen,
dass aus dem Satz nicht unendlich viele andere folgen können, da ich
schon nicht mehr im Stande bin, das Produkt aus 1010 Gliedern zu ver-
stehen und doch den Satz verstanden habe, dem das Produkt aus 10100 Glie-
dern noch näher kommt als das von 1010 Gliedern?
     

     Man denkt sich wohl, der allgemeine Satz ist eine abgekürzte Ausdrucks-
weise des Produkts. Aber was ist am Produkt abzukürzen, es enthält ja
nichts Ueberflüssiges.

304
     
     Wenn man ein Beispiel braucht dafür, dass unendlich viele Sätze aus
einem folgen, so wäre vielleicht das Einfachste das, dass aus “a ist
rot” die Negation aller Sätze folgt, die a eine andere Farbe zuschreiben.
Diese Negatien negativen Sätze werden gewiss in dem einen nicht mitgedacht.
Man könnte natürlich sagen: wir unterscheiden doch nicht unendlich viele
Farbtöne; aber die Frage ist: hat die Anzahl der Farbtöne, die wir unter-
scheiden, überhaupt etwas mit der Komplikation jenes ersten Satzes zu tun;
ist er mehr oder weniger komplex, je nachdem wir mehr oder weniger Farbtöne
unterscheiden?
     Müsste man nun nicht so sagen: Ein Satz folgt erst aus ihm, wenn er da
ist. Erst wenn wir zehn Sätze gebildet haben, die aus dem ersten folgen,
folgen zehn Sätze aus ihm.
     

     Ich möchte sagen, ein Satz folgt erst dann aus dem anderen, wenn er mit
ihm konfrontiert wird. Jenes “u.s.w. ad infinitum” bezieht sich nur auf
die Möglichkeit der Bildung von Sätzen, die aus dem ersten folgen, ergibt
aber keine Zahl solcher Sätze.
     Könnte ich also einfach sagen: Unendlich viele Sätze folgen darum
nicht aus einem Satz, weil es unmöglich ist, unendlich viele Sätze hinzu-
schreiben (d.h. ein Unsinn ist, das zu sagen).
     


     
 
 
Wie verhält es sich nun mit dem Satz: “die Fläche ist von
A bis B weiss”? Aus ihm folgt doch, dass sie auch von A'
bis B' weiss ist. Es braucht sich da nicht um gesehenes
Weiss zu handeln; und der Schluss von dem ersten Satz auf
den zweiten wird jedenfalls immer wieder ausgeführt. Es sagt mir Einer “ich
habe die Fläche von A bis B damit bestrichen” und ich sage darauf “also
ist sie jedenfalls von A' bis B' gestrichen”.
     Man müsste a priori sagen können, dass F(A'B') aus F(AB) folgen würde.

3o05
     
     Sind die Striche A' und B' vorhanden, dann folgt allerdings jener
zweite Satz aus dem ersten (?–dann ist die Zusammengesetztheit schon in
dem ersten Satz offenbar? vorhanden–?) dann folgen aber aus dem ersten Satz
nur so viele Sätze, als seiner Zusammengesetztheit entspricht (also nie
unendlich viele).
     

     “Das Ganze ist weiss, folglich ist auch ein Teil, der durch eine sol-
che Grenzlinie charakterisiert ist, weiss.” “Das Ganze war weiss, also
war auch jener Teil davon weiss, auch wenn ich ihn damals nicht be-
grenzt darin wahrgenommen habe.”
     

“Eine ungeteilt gesehene Fläche hat keine Teile“.

     Denken wir uns aber einen Masstab an die Fläche angelegt, sodass wir
etwa zuerst das Bild
 
 
, dann das Bild
 
 
und dann
 
 
vor
uns hätte[,|n], dann folgt daraus, dass das erste Band durchaus weiss ist
durchaus nicht, dass im zweiten und dritten alles mit Ausnahme der Teil-
striche weiss ist.
     

     “Wo immer, innerhalb dieses Kreises Du die Scheibe triffst, hast Du
gewonnen”.
     “Ich denke, Du wirst die Scheibe irgendwo innerhalb dieses Kreises
treffen”.
     Was den ersten Satz betrifft, könnte man fragen: woher weisst Du das?
Hast Du alle möglichen Orte ausprobiert? Und die Antwort müsste
dann lauten: das ist ja kein Satz, sondern eine allgemeine Fest-
setzung
.
     

     Der Schluss lautet auch nicht so: “wo immer auf der Scheibe der Schuss
hintrifft, hast Du gewonnen. Du hast auf der Scheibe dahin getroffen,
306
also hast Du den Preis gewonnen”. Denn wo? ist dieses da? wie ist es
ausser dem Schuss bezeichnet, etwa durch einen Kreis? Und war der auch
schon früher auf der Scheibe? Wenn nicht, so hat die Scheibe sich ja ver-
ändert, wäre ˇer aber schon dort gewesen, dann wäre er als eine Möglichkeit
des Treffens vorgesehen worden. Es muss vielmehr heissen: “Du hast die
Scheibe getroffen, also …”.
     

     Der Ort auf der Scheibe muss nicht notwendig durch ein Zeichen, einen
Kreis, auf der Scheibe angegeben sein. Denn es gibt jedenfalls die Be-
schreibung “näher dem Mittelpunkt”, “näher dem Rand”, “rechts oben“ etc..
Wie immer die Scheibe getroffen wird, stets muss so eine Beschrei-
bung möglich sein. (Aber von diesen Beschreibungen gibt es auch nicht
“unendlich viele”.)
     

     Hat es nun einen Sinn zu sagen: “aber wenn man die Scheibe trifft, muss
man sie irgendwo treffen”? Oder auch: “wo immer er die Fläche
trifft, wird es keine Ueberraschung sein, <> so dass man etwa sagen würde
‘das habe ich mir nicht erwartet, ich habe gar nicht gewusst, dass es
diesen Ort gibt’”. Das heisst aber doch, es kann keine geometrische
Ueberraschung sein.
     

     Was für eine Art Satz ist: “Auf diesem Streifen sind alle Schattierun-
gen von Grau zwischen Schwarz und Weiss zu sehen”? Hier scheint es auf
den ersten Blick, dass von unendlich vielen Schattierungen die Rede ist.
     Ja, wir haben hier scheinbar das Paradox, dass wir zwar nur endlich
viele Schattierungen von einander unterscheiden können und der Unter-
schied zwischen ihnen natürlich nicht ein unendlich kleiner ist, und wir
dennoch einen kontinuierlichen Uebergang sehen.
307
     
     Man kann ein bestimmtes Grau ebensowenig als eines der unendlichen
vielen Grau zwischen Schwarz und Weiss auffassen, wie man eine Tangente t
als eines der unendlich vielen Uebergangsstation von t' nach t''
 
 
auffas-
sen kann. Wenn ich etwa ein Lineal von t' nach
t'' am Kreis abrollen sehe, so sehe ich – wenn es
sich kontinuierlich bewegt – keine einzige der
Zwischenlagen in dem Sinne, in welchem ich t se-
he, wenn die Tangente ruht; oder aber ich sehe
nur eine endliche Anzahl von Zwischenlagen. Wenn
ich aber in so einem Fall scheinbar von einem all-
gemeinen Satz auf einen Spezialfall schliesse, so
ist die Quelle dieses allgemeinen Satzes nie die
Erfahrung und der Satz wirklich kein Satz.
     Wenn ich als z.B. sage: “Ich habe das Lineal sich von t' nach t'' be-
wegen sehen, also muss ich es auch in t gesehen haben”, so haben wir
hier keinen richtigen logischen Schluss. Wenn ich nämlich damit sagen
will, das Lineal muss mit in der Lage t erschienen sein – wenn
ich also von der Lage im Gesichtsraum rede, so folgt das aus dem Vorder-
setz durchaus nicht. Rede ich aber vom physischen Lineal, so ist es na-
türlich möglich, dass das Lineal die Lage t übersprungen hat und das
Phänomen im Gesichtsraum dennoch kontinuierlich war.
308
     



69
Kann eine Erfahrung lehren, dass dieser Satz aus jenem folgt?
     






     Es ist nur wesentlich, dass wir (hier?) nicht sagen können, wir sind
durch Erfahrung daraufgekommen, dass es auch noch diesen Fall der Gramma-
tik gibt. Denn den müssten wir in dieser Aussage statement beschreiben und diese
Beschreibung, obwohl ich ihre Wahrheit erst jetzt einsehe, hätte ich
doch schon vor dieser Erfahrung verstehen können.
     

     Es ist die alte Frage: inwiefern kann man jetzt von einer Erfahrung
sprechen, die man jetzt nicht hat.
     Was ich nicht voraussehen kann, kann ich nicht voraussehen. Und wovon
ich jetzt sprechen kann, kann ich jetzt sprechen, unabhängig von dem, wo-
von ich jetzt nicht sprechen kann.
     Die Logik ist eben immer komplex.
     

     “Wie kann ich wissen, was alles folgen wird?” – Was ich dann wissen
kann, kann ich auch jetzt wissen.
     

     Aber gibt es denn auch allgemeine Regeln der Grammatik, oder nicht nur
Regeln über allgemeine Zeichen[.| ?]
309
Zeichen?
     Was wäre etwa eine allgemeine und eine besondere Regel im Schachspiel
[&|(]oder einem andern)? Jede Regel ist ja allgemein.
     Doch ist eine andere Art der Allgemeinheit in der Regel, dass p V q
aus p folgt, als in der, dass jeder Satz der Form p, non-non-p, … aus
p & q folgt. Ist aber nicht die Allgemeinheit der Regel für den Rösssel-
spr[i|u]ng eine andere als die, einer Regel für den Anfang einer Partie?
     

     Ist das Wort “Regel” überhaupt vieldeutig? Und sollen wir also nicht
von Regeln im Allgemeinen reden, wie auch nicht von Sprachen im Allgemei-
nen? Sondern nur von Regeln in besonderen Fällen.
     

     “Wenn aus F1(a) (a hat die Farbe F1) folgt non-F2 (a), so musste in
der Grammatik des ersten Satzes auch schon die Möglichkeit des zweiten
vorausgesehen sein (wie könnten wir auch sonst F1 und F2 Farben nennen).”
     “Wenn der zweite Satz dem ersten, sozusagen, unerwartet gekommen wäre,
so könnte er nie aus ihm folgen”.
     “Der erste Satz muss den anderen als seine Folge anerkennen. Oder
vielmehr es muss dann beide eine Grammatik vereinigen und diese muss
dieselbe sein, wie vor dem Schluss”.
     (Es ist sehr schwer, hier keine Märchen von den Vorgängen im Symbolis-
mus zu erzählen, wie an anderer Stelle keine Märchen über die psycholo-
gischen Vorgänge. Denn alles ist ja einfach und allbekannt (und nichts
neues zu erfinden). Das ist ja eigentlich das Unerhörte an der Logik, dass
ihre ausserordentliche Schwierigkeit darauf beruht, dass nichts zu kon-
struieren, sondern alles schon da und bekannt ist.)
     

     “Welchen Satz p nicht als seine Folge erkennt, der ist nicht seine
Folge”.
310
     
     Aus der Grammatik des Satzes – und aus ihr allein, muss es hervorge-
hen
, ob ein Satz aus ihm folgt. Keine Einsicht in einen neuen Sinn kann
das ergeben; – sondern nur die Einsicht in den alten Sinn. – Es ist nicht
möglich, einen neuen Satz zu bilden, der aus jenem folgt, den man nicht
hätte bilden können (wenn auch ohne zu wissen, ob er wahr oder falsch ist)
als jener gebildet wurde. Entdeckte man einen neuen Sinn und folge dieser
aus jenem // dem// ersten Satz, so hätte dieser Satz dann nicht seinen
Sinn geändert.
311
     




Allgemeinheit.








































312
     




70
Der Satz “der Kreis befindet sich im Quadrat” in gewissem Sinne unab-
hängig von der Angabe einer bestimmten Lage (er hat, in gewissem Sinne,
nichts mit ihr zu tun).
     






     Ich möchte sagen: das allgemeine Bild ! o ! hat eine andre Metrik
als das besondere.
     

     Im allgemeinen Zeichen “! o !” spielen die Distanzen so wenig eine
Rolle wie im Zeichen “aRb”.
     

     Wie man die Zeichnung ! o! als eine Darstellung des “allgemeinen
Falls” ansehen kann. Quasi nicht im Massraum, sondern so, dass die Distan-
zen des Kreises von den Geraden garnichts ausmachen. Man sieht dann das
Bild d als Fall eines anderen Systems, wie wenn man es als Darstellung
einer besonderen Lage des Kreises zwischen den Geraden sieht. Oder rich-
tiger: Es ist dann Bestandteils eines andren Kalküls. Von der Variablen
gelten eben andre Regeln, als von ihrem besonderen Wert.
     

     ”Woher //Wie// weisst Du, dass er im Zimmer ist?” – “Weil ich ihn
313
hineingesteckt habe und er nirgends heraus kann.” – So ist also Dein Wis-
sen der allgemeinen Tatsache, dass er irgendwo im Zimmer ist, auch von
der Multiplizität dieses Grundes.
     

     Nehmen wir die besonderen Fälle des allgemeinen Sachverhalts, dass das
Kreuz sich zwischen den Grenzstrichen befindet:
Jeder dieser Fälle
z.B. hat eine // seine// besondere Individualität. Tritt diese Individua-
lität irgendwie in den Sinn des allgemeinen Satzes ein? Offenbar nicht.
     

     Es scheint uns aber das ‘zwischen den Strecken, oder Wänden, Liegen’
etwas Einfaches, wovon die verschiedenen Lagen (ob die Gesichtserschei-
nungen, oder die durch Messen festgestellten Lagen) ganz unabhängig sind.
      D.h., wenn wir von den einzelnen (gesehenen) Lagen reden, so scheinen
wir von etwas ganz Anderem zu reden, als von dem, wovon im allgemeinen
Satz die Rede ist.
     

     Es ist ein anderer Kalkül, zu dem unsere Allgemeinheitsbezeichnung ge-
hört und ein anderer, in dem es jene Disjunktion gibt. Wenn wir sagen,
das Kreuz liegt zwischen diesen Strichen, so haben wir keine Disjunktion
bereit, die den Platz des // dieses// allgemeinen Satzes nehmen könnte.
     

     Wenn man die allgemeinen Sätze von der Art “der Kreis befindet sich im
[W|Q]uadrat” betrachtet, so kommt es einem immer wieder so vor, als sei die
Angabe der Lage im Quadrat nicht eine nähere Bestim-
mung
zur Angabe, der Kreis liege im Quadrat (wenigstens
nicht, soweit der Gesichtsformraum in Betracht kommt), als sei vielmehr das
“im Quadrat” eine komplette Bestimmung, die an sich nicht mehr näher zu
314
beschreiben sei. So wie eine Angabe der Farbe die Angabe der Härte eines
Materials nicht näher bestimmt. – So ist nun das Verhältnis der Angaben
über den Kreis natürlich nicht, und doch hat das Gefühl einen Grund.
     

     In den grammatischen Regeln für die Termini des allgemeinen Satzes
muss es liegen, welche Mannigfaltigkeit er für mögliche Spezialfälle vor-
sieht // voraussieht//. Was in den Regeln nicht liegt, ist nicht vorher-
gesehen.
     

 
 
Alle diese Verteilungen könnten verschiedene Zerrbilder
desselben Sachverhalts sein. (Man denke sich die beiden
weissen Streifen und den schwarzen Streifen in der Mitte
dehnbar.)
     

     Ist denn in (x).fx von a die Rede, da fa aus (x).fx folgt? In dem
Sinne des allgemeinen Satzes, dessen Verifikation in einer Aufzählung be-
steht, ja.
     

     Wenn ich sage “in dem Quadrat ist ein schwarzer Kreis” so ist es mir
immer, als habe ich hier wieder etwas Einfaches vor mir. Als müsse ich
nicht an verschiedene mögliche Stellungen // Lagen// oder Grössen des
Kreises denken. Und doch kann man sagen: wenn ein Kreis in dem Quadrat
ist, so muss er irgendwo und von irgend einer Grösse sein. Nun kann aber
doch auf keinen Fall davon die Rede sein, dass ich mir alle mögli-
chen Lagen und Grössen zum voraus denke. – In dem ersten Satz scheine ich
sie vielmehr, sozusagen, durch ein Sieb zu fassen, sodass “Kreis inner-
halb des Quadrats” einem Eindruck zu entsprechen scheint, für den
das Wo etc. überhaupt noch nicht in Betracht kommt, als sei es (gegen
allen Anschein) etwas, was mit jenem ersten Sachverhalt nur physikalisch,
315
nicht logisch verbunden sei.
     Der Ausdruck “Sieb” kommt daher: wenn ich etwa eine Landschaft ansehe,
durch ein Glas, das nur die Unterschiede von Dunkelheit und Helligkeit
durchlässt, nicht aber die Farbunterschiede, so kann man so ein Glas ein
Sieb nennen. Denkt man sich nun das Quadrat durch ein Glas betrachtet, das nur den Unterschied “Kreis im Quadrat, oder nicht im Quadrat” durch-
liesse, nicht aber einen Unterschied der Lage oder Grösse des Kreises, so
könnten wir auch hier von einem Sieb sprechen.
     

     Ich möchte sagen, in dem Satz “ein Kreis liegt im Quadrat” ist von der
besonderen Lage überhaupt nicht die Rede. Ich sehe dann in dem Bild nicht
die Lage, ich sehe von ihr ab. So als wären etwa die Abstände von den
Quadratseiten dehnbar und als gälten ihre Längen nicht.
     Ja, kann denn nicht der Fleck sich wirklich im Viereck bewegen? Ist
das nicht nur ein spezieller Fall von dem, im Viereck zu sein? Dann
wäre es also doch nicht so, dass der Fleck an einer bestimmten Stelle im
Viereck liegen muss, wenn er überhaupt darin ist.
     

     Ich will sagen, dass es eine Beziehung des Flecks zum Rand zu geben
scheint, die unabhängig von dem Abstand ist. – Gleichsam als bediente ich
mich einer Geometrie, in der es keinen Abstand gibt, wohl aber ein Innen
und Aussen. So gesehen, sind allerdings auch die Bilder
 
 
und
 
 

gleich.
     

     Der Satz “der Fleck ist im Quadrat” hält gleichsam selbst den
Fleck bloss im Quadrat, das heisst, er beschränkt die Freiheit des Flecks
nur auf diese Weise und gibt ihm in dem Quadrat volle? Freiheit. Der Satz
bildet dann einen Rahmen, der die Freiheit des Flecks beschränkt und ihn
innerhalb frei lässt, das heisst, mit seiner Lage nichts zu
316
schaffen hat. – Dazu muss aber der Satz (gleichsam eine Kiste,
in der der Fleck eingesperrt ist) die logische Natur dieses Rahmens ha-
ben und das hat er, denn ich könnte jemandem den Satz erklären und dann
jene Möglichkeiten auseinandersetzen und zwar unabhängig davon, ob ein
solcher Satz wahr ist oder nicht, also unabhängig von einer Tatsache.
     

     “Wo immer der Fleck im Viereck ist …” heisst “wenn er //“solange er//
im Viereck ist …” und hier ist nur die Freiheit (Ungebundenheit) im
Viereck gemeint, aber keine Menge von Lagen.
     

     Es besteht freilich eine logische Aehnlichkeit (formelle Analogie)
zwischen dieser Freiheit und der Gesamtheit von Möglichkeiten, daher ge-
braucht man oft in beiden Fällen dieselben Wörter (“alle”, “jeder”, etc.).
     

     “Alle Helligkeitsgrade unter diesem tun meinen Augen weh”. Prüfe die
Art der Allgemeinheit.
     

     “Alle Punkte dieser Fläche sind weiss”. Wie verifizierst Du das? –
dann werde ich wissen, was es heisst.
317
     



71
Der Satz “der Kreis liegt im Quadrat” keine Disjunktion von Fällen.
     






     Wenn ich sage, der Fleck liegt im Quadrat, so weiss ich – und muss
wissen – dass es verschiedene mögliche Lagen für ihn gibt. Aber auch,
dass ich nicht eine bestimmte Zahl aller solcher Lagen nennen könnte.
Ich weiss von vornherein nicht, wieviele Lagen “ich unterscheiden könnte”.
– Und ein Versuch darüber lehrt mich auch nicht das, was ich hier wissen
will.
     Das Dunkel, welches über den Möglichkeiten der Lage etc. herrscht, ist
die gegenwärtige logische Situation. So wie trübe Beleuchtung auch eine
bestimmte Beleuchtung ist.
     

     Es ist da immer so, als könnte man eine logische Form nicht ganz über-
sehen, da man nicht weiss, wieviel, oder welche mögliche Lagen es für
den Fleck im Viereck gibt. Anderseits weiss man es doch, denn man ist
von keiner überrascht, wenn sie auftritt.
     

     Es ist natürlich nicht “Stellung des Kreises in diesem Quadrat” ein
Begriff, und die besondere Stellung ein Gegenstand, der unter ihn fällt.
318
So dass Gegenstände gefunden würden, von denen man sich überzeugt, dass
sie <(>auch?) Stellungen des Kreises im Quadrat sind, von denen man aber
früher nichts gewusst hat.
     

     Die Mittelstellung des Kreises und andere ausgezeichnete Stellungen
sind übrigens ganz analog den primären Farben in der Farbenskala. (Die-
ses Gleichnis könnte man mit Vorteil fortsetzen.)
     

     Der Raum ist sozusagen eine Möglichkeit. Er besteht nicht aus
mehreren Möglichkeiten.
     

     Wenn ich also höre, das Buch liegt – irgendwo – auf dem Tisch, und
finde es nun in einer bestimmten Stellung, so kann ich nicht überrascht
sein und sagen “ah, ich habe nicht gewusst, dass es diese Stellung gibt”
und dochn hatte ich diese besondere Stellung nicht vorhergesehen, d.h.,
als besonderee Möglichkeit vorher ins Auge gefasst. Was mich über-
rascht, ist eine physische Möglichkeit, nicht eine logische!
     

     Was ist aber der Unterschied zwischen dem Fall “das Buch liegt ir-
gendwo auf dem Tisch” und dem “das Ereignis wird irgendeinmal in
Zukunft eintreten”? Offenbar der, dass wir im einen Fall eine sichere
Methode kennen zu verifizieren, ob das Buch auf dem Tisch liegt, im
anderen Fall eine analoge Methode nicht existiert. Wenn etwa ein be-
stimmtes Ereignis bei einer der unendlich vielen Bisektionen einer
Strecke eintreten sollte, oder besser: wenn es eintreten sollte, wenn
wir die Strecke in einem Punkt (ohne nähere Bestimmung) schneiden
und an diesem Punkt eine Minute verweilen, so ist diese Angabe ebenso
sinnlos, wie die über die unendliche Zukunft.

319
     

     Angenommen, ich gäbe eine Disjunktion von so vielen Stellungen an,
dass es mir unmöglich wäre, eine Stellung von allen angegebenen als ver-
schieden zu erkennen sehen; wäre nun die Dis[k|j]unktion der allge-
meine Satz (Ex).fx? Wäre es nicht sozusagen Pedantrie, die Disjunktion
noch immer nicht als den allgemeinen Satz anzuerkennen? Oder besteht ein
wesentlicher Unterschied, und ist die Disjunktion vielleicht dem allgemei-
nen Satz gar nicht ähnlich?
     

     Das, was uns auffällt, ist, dass der eine Satz so kompliziert, der an-
dere so einfach ist. Oder ist der einfache nur eine kurze Schreibweise
des komplizierteren?
     

     Was ist denn das Kriterium dafür (für den allgemeinen Satz), dass der
Kreis im Quadrat ist? Entweder überhaupt nichts, was mit einer Mehrheit
von Lagen (bezw. Grössen) zu tun hat, oder aber etwas, was mit einer endli-
chen Anzahl solcher Lagen zu tun hat.
     

     Wenn man sagt, der Fleck A ist irgendwo zwischen den Grenzen B und C,
ist es denn nicht offenbar möglich, eine Anzahl von Stellungen des A zwi-
schen B und C zu beschreiben oder abzubilden, sodass ich die Succession
aller dieser Stellungen als kontinuierlichen Uebergang sehe? Und ist dann
nicht die Disjunktion aller dieser N Stellungen eben der Satz, dass sich
A irgendwo zwischen B und C befindet?
     Aber wie verhält es sich mit diesen N Bildern? Es ist klar, dass ein
Bild und das unmittelbar folgende visuell nicht unterscheidbar sein dür-
fen, sonst ist der Uebergang visuell diskontinuierlich.
     Die Stellungen, deren Succession ich als kontinuierlichen Uebergang
sehe, sind Stellungen nicht im Gesichtsraum.
320
Gesichtsraum.
     


     Wie ist der Umfang des Begriffs “Dazwischenliegen” bestimmt? Denn es
soll doch im Vorhinein festgelegt werden, welche Möglichkeiten zu diesem
Begriff gehören. Es kann, wie ich sage, keine Ueberraschung sein, dass ich
auch das “dazwischenliegen” nenne. Oder: wie können die Regeln für das
Wort “dazwischenliegen” angegeben werden, da ich doch nicht die Fälle des
Dazwischenliegens aufzählen kann? Natürlich muss gerade das für die Be-
deutung dieses Worts charakteristisch sein.
     

     Wir würden das Wort ja auch nicht durch Hinweisen auf alle be-
sonderen Fälle
jemandem zu erklären suchen, sondern // aber
wohl,// indem wir auf einen solchen Fall (oder einige) zeigten und in ir-
gendeiner Weise andeuteten, dass es auf den besonderen Fall nicht ankomme.
     

     Das Aufzählen von Lagen ist nicht nur nicht nötig, sondern es kann hier
wesentlich von so einem Aufzählen keine Rede sein.
     

     Zu sagen “der Kreis liegt entweder zwischen den beiden Geraden oder
hier“ (wo dieses // das// ‘hier’ ein Ort zwischen den Geraden ist)
heisst offenbar nur: “der Kreis liegt zwischen den beiden Geraden”, und
der Zusatz “oder hier” erscheint // ist// überflüssig. Man wird sagen:
in dem ‘irgendwo’ ist das ‘hier’ schon mitinbegriffen. Das ist aber merk-
würdig, weil es nicht (darin) genannt ist.
     

     Eine bestimmte Schwierigkeit besteht darin, dass //wenn// die Worte
//Zeichen// das nicht zu sagen scheinen, was der Gedanke erfasst, oder:
wenn die Worte das nicht sagen, was der Gedanke zu erfassen scheint.
321

     So, wenn wir sagen “dieser Satz gilt von allen Zahlen” und glauben in
dem Gedanken alle Zahlen wie die Aepfel in einer Kisste gefasst // aufge-
fasst// zu haben.
     

     Nun könnte man aber fragen: Wie kann ich (nun?) im Voraus wissen, aus
welchen Sätzen dieser allgemeine Satz folgt? Wenn ich diese Sätze nicht
angeben kann.
     

     Kann man aber sagen: “man kann nicht sagen, aus welchen Sätzen dieser
Satz folgt”? Das klingt so wie: man weiss es nicht. Aber so ist es natür-
lich nicht. Und ich kann ja Sätze sagen, und im Vorhinein sagen, aus de-
nen er folgt. – “Nur nicht alle”. – Aber das heisst ja eben nichts.
     

     Es ist eben nur der allgemeine Satz und besondere Sätze (nicht die be-
sonderen Sätze). Aber der allgemeine Satz zählt besondere Sätze nicht
auf. Aber was charakterisiert ihn denn ˇdann als allgemein, und was zeigt, dass
er nicht einfach diejenigen // die// besonderen Sätze umschliesst, von
denen wir in diesem bestimmten Falle sprechen?
     

     Er kann nicht durch seine Spezialfälle charakterisiert werden; denn
wieviele man auch aufzählt, so könnte er immer mit dem Produkt der ange-
führten Fälle // Spezialfälle// verwechselt werden. Seine Allgemeinheit
liegt also in einer Eigenschaft (grammatischen Eigenschaft) der Variab-
len.
322
     




72
Unzulänglichkeit der Frege- und Russell'schen Allgemeinheitsbezeichnung.
     






     Die eigentliche Schwierigkeit liegt nämlich im Begriff des ‘(E n)’
und allgemein des ‘(E x)’. Ursprünglich stammt diese Notation vom Aus-
druck unsrer Wortsprache her: “es gibt ein … von der und der Eigen-
schaft”. Und was hier an Stelle der Punkte steht, ist etwa “Buch meiner
Bibliothek”, oder “Ding (Körper) in diesem Zimmer”, “Wort in diesem
Brief”, u.s.w.. Man denkt dabei an Gegenstände, die man der Reihe nach
durchgehen kann. Durch einen, so oft verwendeten //angewandten//, Pro-
zess der Sublimierung wurde diese Form dann zu der: “es gibt einen Gegen-
stand, für welchen …”, und hier dachte man sich ursprünglich auch
die Gegenstände der Welt ganz analog den ‘Gegenständen’ im Zimmer (näm-
lich den Tischen, Stühlen, Büchern, etc.). Obwohl es ganz klar ist, dass
die Grammatik dieses “(E x). etc.” in vielen Fällen eine ganz andere ist,
als im primitiven und als Urbild dienenden Fall. Besonders krass wird
die Diskrepanz zwischen dem ursprünglichen Bild und dem, worauf die Nota-
tion nun angewendet werden soll //angewendet wird//, wenn ein Satz “in
diesem Viereck sind nur zwei Kreise” wiedergegeben wird durch die //in
der// Form “es gibt keinen Gegenstand, der die Eigenschaft hat, ein
323
Kreis in diesem Viereck, aber weder der Kreis a noch der Kreis b zu sein”,
oder “es gibt nicht drei Gegenstände, die die Eigenschaft haben, ein
Kreis in diesem Viereck zu sein”. Der Satz “es gibt nur zwei Dinge, die
Kreise in diesem Viereck sind” (analog gebildet dem Satz “es gibt nur zwei
Menschen, die diesen Berg erstiegen haben”) klingt verrückt; und mit Recht.
D.h., es ist nichts damit gewonnen, das wir den Satz “in diesem Viereck
sind zwei Kreise” in jene Form pressen; vielmehr hilft uns das nur zu
übersehen, dass wir die Grammatik dieses Satzes nicht klargestellt haben.
Zugleich aber gibt hier die Russell'sche Notation einen Schein von Exakt-
heit, der Manchen glauben macht, die Probleme seien dadurch gelöst, dass
man den Satz auf die Russell'sche Form gebracht hat. (Es ist das ebenso
gefährlich, wie der Gebrauch des Wortes “wahrscheinlich”, ohne weitere Un-
tersuchung darüber, wie das Wort in diesem speziellen Fall gebraucht wird.
Auch das Wort “wahrscheinlich” ist, aus leicht verständlichen Gründen, mit
einer Idee der Exaktheit verbunden.)
     In allen den Fällen: “Einer der vier Füsse dieses Tisches hält nicht”,
“es gibt Engländer mit schwarzen Haaren”, “auf dieser Wand ist ein Fleck”,
“die beiden Töpfe haben das gleiche Gewicht”, “auf beiden Seiten stehen
gleichviel Wörter” – wird in der Russell'schen Notation das “(E …) …”
gebraucht; und jedesmal mit anderer Grammatik. Damit will ich also sagen,
dass mit einer Uebersetzung so eines Satzes aus der Wortsprache in die
Russell[_|']sche Notation nicht viel gewonnen ist.
     

     Unzulänglichkeit der Frege'schen und Russell'schen Allgemeinheitsbe-
zeichnung.
     Es hat Sinn, zu sagen “schreib' eine beliebige Kardinalzahl hin”, ist
aber Unsinn zu sagen: “schreib' alle Kardinalzahlen hin”. “In dem Viereck
befindet sich ein Kreis” ((Ex).fx) hat Sinn, aber nicht non(Ex).non fx:
324
“in dem Viereck befinden sich alle Kreise”. “Auf einem andersfarbigen
Hintergrund befindet sich ein roter Kreis” hat Sinn, aber nicht “es gibt
keine von rot verschiedene Farbe eines Hintergrundes, auf der sich kein
roter Kreis befindet”.
     “In diesem Viereck ist ein schwarzer Kreis”: Wenn dieser Satz die Form
“(Ex).x ist ein schwarzer Kreis im Viereck” hat, was //welcher Art//
ist so ein Ding x, welches // das// die Eigenschaft hat, ein schwarzer
Kreis zu sein (und also auch die haben kann, kein schwarzer Kreis zu
sein)? Ist es etwa ein Ort im Quadrat? dann aber gibt es keinen Satz
“(x).x ist ein schwarzer …”. Anderseits könnte jener Satz bedeuten
“es gibt einen Fleck im Quadrat, der ein schwarzer Kreis ist”. Wie veri-
fiziert man diesen Satz? Nun, man geht die verschiedenen Flecken im Qua-
drat durch und untersucht sie daraufhin, ob sie ganz schwarz und kreis-
förmig sind. Welcher Art ist aber der Satz: “Es ist kein Fleck in dem
Quadrat”? Denn, wenn das ‘x’ in ‘(Ex)’ im vorigen Fall ‘Fleck im Quadrat’
hiess, dann kann es zwar einen Satz “(Ex).fx” geben, aber keinen “(Ex)”
oder “non(Ex)”. Oder, ich könnte wieder fragen: Was ist das für ein Ding,
das die Eigenschaft hat (oder nicht hat) ein Fleck im Quadrat zu sein?
     Und wenn man sagen kann “ein Fleck ist in dem Quadrat”, hat es dann
//damit// auch schon Sinn, zu sagen “alle Flecken sind in dem Quadrat”?
Welche alle?
     

     Die gewöhnliche Sprache sagt “in diesem Viereck ist ein roter Kreis”,
die Russell'sche Notation sagt “es gibt einen Gegenstand, der ein roter
Kreis in diesem Viereck ist”. Diese Ausdrucksform ist offenbar nach dem
Modell gebildet: “es gibt eine Substanz, die im Dunkeln leuchtet”, “es
gibt einen Kreis in diesem Viereck, der rot ist”. – Vielleicht ist schon
der Ausdruck “es gibt” irreführend. “Es gibt” heisst eigentlich soviel
wie “es findet sich”, oder “es gibt unter diesen Kreisen einen …”.
     Wenn man also in grösstmöglicher Annäherung an die Russell'sche Aus-
325
drucksweise sagt “es gibt einen Ort in diesem Viereck, wo ein roter Kreis
ist”, so heisst das eigentlich, unter diesen Orten gibt es einen, an wel-
chem etc..
     

     (Der schwierigste Standpunkt in der Logik ist der des gesunden Men-
schenverstandes. Denn er verlangt zur Rechtfertigung seiner Meinung die
volle Wahrheit und hilft uns nicht, durch die geringste Konzession, oder
Konstruktion.)
     

     Der richtige Ausdruck dieser Art Allgemeinheit ist also der, der ge-
wöhnlichen Sprache “in dem Viereck ist ein Kreis”, welcher die Lage des
Kreises einfach offen lässt (unentschieden lässt).
(“Unentschieden” ist ein richtiger Ausdruck, weil die Entscheidung einfach
fehlt.)
326
     




73
Kritik meiner früheren Auffassung der Allgemeinheit.
     






     Meine Auffassung des allgemeinen Satzes war, dass (Ex).fx eine logi-
sche Summe ist und dass nur ihre Summanden hier nicht aufgezählt sei-
en, sich aber aufzählen liessen (und zwar aus dem Wörterbuch und der Gram-
matik der Sprache).
     Denn liessen sie sich nicht aufzählen, so handelt es sich ja doch nicht
um ˇeine //um keine// logische Summe// , so haben wir ja doch keine logische
Summe//. (Vielleicht ein Gesetz, logische Summen zu bilden.)
     

     Die Erklärung von (Ex).fx als einer logischen Summe und (x).fx als
logischem Produkt kann natürlich nicht aufrecht erhalten werden. Sie ging
mit einer falschen Auffassung der logischen Analyse zusammen, indem ich
etwa dachte, das logische Produkt für ein bestimmtes (x).fx werde sich
schon einmal finden. – Es ist natürlich richtig, dass (Ex).fx irgend-
wie als logische Summe funktioniert und (x).fx als Produkt; ja in
einer Verwendungsart der Worte “alle” und “einige” ist meine alte
Erklärung richtig, nämlich – z.B. – in dem Falle “alle primären Farben
finden sich in diesem Bild” oder “alle Töne der C-Dur Tonleiter kommen in
327
diesem Thema vor”. In Fällen aber wie “alle Menschen sterben, ehe sie
200 Jahre alt werden” stimmt meine Erklärung nicht. Dass nun aber (Ex).fx
als logische Summe funktioniert, ist darin ausgedrückt, dass es aus fa
und aus fa. V .fb folgt, also in den Regeln:
                     (Ex).fx . & . fa = fa und
                    (Ex).fx : & : fa. V .fb = fa. V .fb.
     Aus diesen Regeln ergeben sich dann die Grundgesetze Russells
                     fx .C. (Ez).fz und
                    literalfx. V .fy :C: (Ez).fz als Tautologien.
     

     Für (Ex).fx, etc. brauchen wir auch die Regeln:
            (Ex). fx V Fx = (Ex).fx . V . (Ex).Fx,
(Ex,y). fx & Fy . V . (Ex).fx . & . Fx = (Ex).fx . & . (Ex).Fx.
Jede solche Regel ist ein Ausdruck der Analogie zwischen (Ex).fx und
einer logischen Summe.
     

     Man könnte übrigens wirklich eine Notation für (Ex).fx einführen, in
der man es durch ein Zeichen “fr V fs V ft V …” ersetzt und dürfte
dann damit rechnen, wie mit einer logischen Summe; es müssten aber die
Regeln vorgesehen sein, nach denen ich diese Notation immer in die von
“(Ex).fx” zurücknehmen kann und die also das Zeichen “fa V fb V fc V …”
von dem einer logischen Summe unterscheiden. Der Zweck dieser Notation wä-
re nur der, in gewissen Fällen leichter mit (Ex).fx rechnen zu können.
     

     Wenn ich Recht habe, so gibt es keinen Begriff “reine Farbe”; der Satz
“A hat eine reine Farbe” heisst einfach “A ist rot, oder gelb, oder blau,
oder grün”. “Dieser Hut gehört entweder A oder B oder C” ist nicht der-
selbe Satz wie “dieser Hut gehört einem Menschen in diesem Zimmer”, selbst
wenn tatsächlich nur A,B,C im Zimmer sind, denn das muss erst dazugesagt
werden. – Auf dieser Fläche sind zwei reine Farben, heisst: Auf dieser
328
Fläche sind rot und gelb, oder rot und blau, oder rot und grün, oder
etc.
     Wenn ich nun nicht sagen kann “es gibt 4 reine Farben”, so sind die
reinen Farben und die Zahl 4 doch irgendwie miteinander verbunden und
das muss sich auch irgendwie ausdrücken. – Z.B. wenn ich sage “auf dieser
Fläche sehe ich 4 Farben: gelb, blau, rot, grün.
     



     Die Allgemeinheitsbezeichnung unserer gewöhnlichen Sprache fasst die
logische Form noch viel oberflächlicher, als ich früher geglaubt habe. Sie
ist eben in dieser Beziehung mit der Subjekt-PrädikatForm vergleichbar.
     

     Die Allgemeinheit ist so vieldeutig, wie die Subjekt-Prädikat Form.
     

     Es gibt so viel verschiedene Allgemeinheiten, als es verschiedene
Zahlarten gibt. //Es gibt so viel verschiedene ‘alle’, als es verschie-
dene ‘Eins’ gibt.//
     

     Darum nützt es nichts, zur Klärung das Wort “alle” zu gebrauchen, wenn
man seine Grammatik in diesem Falle noch nicht kennt.
329
     




74

      Erklärung der Allgemeinheit durch Beispiele.
     






     Denken wir uns die Erklärung des Begriffs der Pflanze. Wir zeigen je-
mand mehrere Gegenstände und sagen, das sind Pflanzen. Dann zeigt auch
er auf einen weiteren Gegenstand und sagt “ist auch das eine Pflanze”
und wir antworten “ja, das auch”, u.s.w.. Ich hätte nun einmal gesagt,
er habe nun in dem Gezeigten den Begriff ‘Pflanze’ – das gewisse Gemein-
same – gesehen und er sähe //sehe// die Beispiele der Erklärung an-
ders, wenn er in ihnen eben diesen Begriff sieht als, wenn er sie etwa
als Repräsentanten dieser bestimmten Form //Gestalt// und Farbe allein
auffasse. (So wie ich auch sagte, er sähe in der Variablen, wenn er sie
als solche versteht, etwas, was er im Zeichen für den besonderen Fall
nicht sieht.) Aber der Gedanke des ‘darin Sehens’ ist von dem Fall her-
genommen, wo ich z.B. die Figur !!!! verschieden ‘phrasiert’ sehe. Aber
dann sehe ich eben in einem andern Sinn wirklich verschiedene Figuren und,
was diese gemein haben, ist ausser ihrer Aehnlichkeit die Verursachung
durch das gleiche physikalische Bild.
     Aber diese Erklärung ist doch nicht ohneweiteres auf den Fall des
Verstehens der Variablen oder der Beispiele für den Begriff ‘Pflanze’
330
anzuwenden. Denn angenommen, wir hätten wirklich etwas anderes in ihnen
gesehen, als in Pflanzen, die nur um ihrer selbst willen gezeigt wurden,
so ist die Frage, kann denn dieses, oder irgendein anderes, Bild uns zu
der Anwendung als Variablen berechtigen? Ich hätte Einem also die Pflan-
zen zur Erklärung zeigen können und ihm dazu einen Trank gegeben, durch
den es verursacht wird, dass er die Beispiele in der bestimmten Weise
sieht. (Wie es möglich wäre, dass ein Alkoholisierter eine Gruppe !!!!
immer als !!! ! sieht.) Und damit wäre die Erklärung des Begriffs in
eindeutiger Weise gegeben und wer sie verstanden hat, hätte von den vor-
gezeigten Specimina und den begleitenden Gesten dieses Bild emp-
fangen. So ist es aber doch nicht. – Es ist nämlich wohl möglich, dass
der, welcher z.B. das Zeichen !!!!!! als Zahlzeichen für die 6 sieht,
es anders sieht (etwas andres darin sieht) als der, welcher es nur als
Zeichen für “einige” auffasst, weil er seine Aufmerksamkeit nicht auf
das Gleiche richten wird; aber es kommt dann auf das System von Regeln
an, die von diesen Zeichen gelten und das Verstehen wird wesentlich kein
Sehen des Zeichens in gewisser Weise sein.
     

     Es wäre also möglich, zu sagen ‘jetzt sehe ich das nicht mehr als Ro-
se, sondern nur noch als Pflanze’!
     Oder: “Jetzt sehe ich es nur als diese Ro-
se”.
     “Ich sehe den Fleck nur noch im Quadrat, aber nicht mehr in einer be-
stimmten Lage”.
     

     Der seelische Vorgang des Verstehens interessiert uns eben gar nicht.
(So wenig, wie der einer Intuition.)
     

     “Es ist doch gar kein Zweifel, dass der, welcher die Beispiele als
331
beliebige Fälle zur Veranschaulichung des Begriffs versteht, etwas andres
versteht, als der, welcher sie als bestimmt begrenzte Aufzählung auf-
fasst”. Sehr richtig, aber was versteht der erste also, was der
zweite nicht versteht? Nun, er sieht eben nur Beispiele in den
vorgezeigten Dingen, die nur gewisse Züge aufzeigen //aufweisen// sol-
len, aber er meint nicht, dass ich ihm im Uebrigen diese Dinge um ihrer
selbst <…> willen zeige. –
     

     Ich möchte die eine Aufzählung // Klasse// ‘logisch begrenzt’, die
andere ‘logisch nicht begrenzt’ nennen.
     

     Ja, aber ist es denn so, dass er nun tatsächlich nur diese Züge an den
Dingen sieht? Etwa am Blatt nur das, was allen Blättern gemeinsam ist?
Das wäre so, als sähe er alles übrige “in blanco”. Also gleichsam ein
unausgefülltes Formular, in dem die wesentlichen Züge vorgedruckt sind.
(Aber die Funktion “f( …)” ist ja so ein Formular.)
     

     Aber was ist denn das für ein Prozess, wenn mir Einer mehrere ver-
schiedene Dinge als Beispiele eines Begriffes // für einen Begriff//
zeigt, um mich darauf zu führen, dass Gemeinsame in ihnen zu sehen; und
wenn ich es nun suche und wirklich sehe? //es suche und nun wirklich
sehe?// Er kann mich auch auf das Gemeinsame aufmerksam ma-
chen
. – Bringt er aber dadurch hervor, dass ich den Gegenstand an-
ders sehe? Vielleicht auch, denn ich kann jedenfalls besonders auf
einen seiner Teile schauen, während ich sonst etwa alle gleichmässig
deutlich gesehen hätte. Aber dieses Sehen ist nicht das Verstehen des
Begriffs. Denn wir sehen nicht etwas mit einer leeren Argument-
stelle.

332
     
     Man könnte auch fragen: Sieht der, welcher das Zeichen “!!! …” als
Zeichen des Zahlbegriffs (im Gegensatz zu “!!!”, welches 3 bezeichnen
soll) auffasst, jene erste Gruppe von Strichen anders, als die Zweite?
Aber auch wenn er sie anders – gleichsam, vielleicht, verschwommener –
sieht, sieht er da etwa das Wesentliche des Zahlbegriffs? Hiesse
das nicht, dass er dann “!!! …” und “!!!! …” tatsächlich nicht von-
einander müsste unterscheiden können? (Wenn ich ihm (nämlich?) etwa den
Trank eingegeben hätte, der ihn den Begriff sehen macht // lässt//.)
     

     Denn wenn ich sage: Er bewirkt dadurch, dass er uns mehrere Beispiele
zeigt, dass wir das Gemeinsame in ihnen sehen und von dem Uebrigen abse-
hen, so heisst das eigentlich, dass das Ueübrige in den Hintergrund tritt,
also gleichsam blasser wird (und warum soll es dann nicht ganz verschwin-
den) und “das Gemeinsame”, etwa die Eiförmigkeit, allein im Vordergrund
bleibt.
     Aber so ist es nicht. Uebrigens wären die mehreren Beispiele nur ein
technisches Hilfsmittel, und wenn ich einmal das Gewünschte gesehen hät-
te, so könnte ich's auch in einem Beispiel sehen. (Wie ja auch
‘(Ex).fx’ nur ein Beispiel enthält.)
     

     Es sind also die Regeln, die von dem Beispiel gelten, die es zum Bei-
spiel machen. –
     

     Nun genügt aber doch heute jedenfalls das blosse Begriffswort ohne ei-
ne Illustration, um sich mit mir zu verständigen //sich mir verständlich
zu machen// (und die Geschichte des Verständnisses interessiert uns ja
nicht) z.B., wenn mir Einer sagt “forme ein Ei”; und ich will doch nicht
sagen, dass ich etwa dabei den Begriff des Ei's vor meinem inneren Auge
sehe, wenn ich diesen Befehl (und das Wort “Ei” verstehe.
333
verstehe.
     Wenn wir eine Anwendung des Begriffes ‘Ei’ oder ‘Pflanze’ machen, so
schwebt uns gewiss nicht vorerst ein allgemeines Bild vor, oder bei dem
Hören des Wortes “Pflanze” das Bild des bestimmten Gegenstandes, den
ich dann als eine Pflanze bezeichne. Sondern ich mache die Anwendung
sozusagen spontan. Dennoch gibt es eine Anwendung, von der ich sagen
würde: nein, das habe ich unter ‘Pflanze’ nicht gemeint; oder anderseits
“ja, das habe ich auch gemeint”. Aber heisst das, dass mir diese Bilder
vorgeschwebt haben // vorschwebten// und ich sie in meinem Geist aus-
drücklich abgewiesen und zugelassen habe? – Und doch hat es diesen An-
schein, wenn ich sage: “ja, das und das und das habe ich alles gemeint,
aber das nicht”. Man könnte aber fragen: Ja, hast Du denn alle diese
Fälle vorausgesehen? und die Antwort würde dann lauten “ja”, oder “nein,
aber ich dachte mir, es sollte etwas zwischen dieser und dieser Form
sein”, oder dergleichen. Meistens aber habe ich in diesem Moment gar
keine Grenzen gezogen und diese ergeben sich nur auf einem Umweg durch
eine Ueberlegung. Ich sage z.B. “bring' mir noch eine ungefähr so gros-
se Blume” und er bringt eine und ich sage: Ja, so eine habe ich gemeint.
So erinnere ich mich vielleicht an ein Bild, was mir vorschwebte, aber
aus diesem geht nicht hervor, dass auch die herbeigebrachte Blume noch
zulässig ist. Sondern hier wende ich eben jenes Bild an. Und diese An-
wendung war nicht anticipiert worden.
     

     Was uns interessiert ist nur die exakte Beziehung des Beispiels
zum Folgen //zu dem Danachhandeln//.
     

     Es wird aus dem Beispiel heraus wieder kalkuliert.
     

     Beispiele sind ordentliche Zeichen, nicht Abfall, nicht Beeinflussung.
334
     
     Denn uns interessiert nur die Geometrie des Mechanismus. (Das heisst
doch, die Grammatik seiner Beschreibung.)
     



     Wie äussert es sich aber in unsern Regeln, dass die behandelten Fälle
fx keine wesentlich abgeschlossene Klasse sind? – Doch wohl nur durch die
Allgemeinheit der allgemeinen Regel. – Dass sie nicht die Bedeutung
für den Kalkül haben, wie eine abgeschlossene Gruppe von Grundzeichen
(etwa den Namen der 6 Grundfarben). Wie anders, als durch die Regeln, die
von ihnen ausgesagt sind. – Wenn ich etwa in einem Spiel die Erlaubnis
habe, eine gewisse Art von Steinen in beliebiger Anzahl zu borgen, andere
aber in festgesetzter Anzahl vorhanden sind, oder das Spiel zwar zeitlich
unbegrenzt, aber räumlich begrenzt ist, haben wir ja wohl denselben Fall.
Und der Unterschied zwischen den einen und den anderen Figuren des Spiels
muss eben durch die Spielregeln festgesetzt sein. Es heisst dann etwa von der einen: Du kannst soviele Steine dieser Art nehmen, als Du willst. –
Und nach einem anderen exakteren // bindenderen// Ausdruck der // die-
ser// Regel darf ich nicht suchen.
     

     Das heisst, dass der Ausdruck für die Unbegrenztheit der behandelten
Einzelfälle (eben) ein allgemeiner Ausdruck sein wird und kein andrer
sein kann, kein Ausdruck, indem die anderen nicht behandelten Einzelfäl-
le in schattenhafter Weise vorkämen.
     

     Es ist ja klar, dass ich keine logische Summe als Definition des Sat-
zes “das Kreuz liegt zwischen den Strichen” anerkenne. Und damit ist doch
alles gesagt.

335
     
     Eines möchte ich immer sagen, um den Unterschied der Fälle zu erklären,
die als Beispiele für einen Begriff beigebracht werden, von denen, die in
der Grammatik eine bestimmte abgeschlossene Gruppe bilden. Wird nämlich
zuerst erklärt “a,b,c,d sind Bücher. – Nun bringe mir ein Buch” und er
bringt eines, das von allen gezeigten verschieden ist, so kann dennoch
gesagt werden, er habe ganz richtig nach der aufgestellten Regel gehan-
delt. Hätte es aber geheissen “a,b,c,d sind meine Bücher. – Bringe mir
eines von meinen Büchern”, so wäre es falsch gewesen, überhaupt ein fünf-
[r|t]es
//weiteres// zu bringen und die Antwort hätte gelautet: Ich habe
Dir doch gesagt, dass a,b,c,d meine Bücher sind. Im ersten Fall handelt
der der Regel nicht zuwider, der einen anderen Gegenstand bringt, als die
in der Regel genannten, im zweiten Fall würde er dadurch der Regel zuwi-
der handeln. Wenn Du aber auch nur a,b,c,d im Befehl nanntest, aber die
Handlung f(e) als Befolgung des Befehls ansahst, heisst das nicht, dass
Du mit F(a,b,c,d …) doch F(a,b,c,d,e) meintest? Oder, wie unterscheiden
sich diese Befehle, wenn sie doch von dem Selben befolgt werden? – Ja,
aber es hätte ja auch f(g) mit dem Befehl übereingestimmt und nicht nur
f(e). – Gut, dann meintest Du eben mit dem ersten Befehl: F(a,b,c,d,e,g).
u.s.f. Was immer Du mir bringst, ichn hätte es doch in einer Disjunktion
einschliessen können. Wenn wir also eine Disjunktion aller von uns tat-
sächlich gebrauchten Fälle konstruieren, wie würde sich die syntaktisch
von dem allgemeinen Satz unterscheiden? Denn wir dürfen nun nicht sagen, :
dadurch, dass der allgemeine Satz auch noch durch r (das nicht in der
Disjunktion steht) wahr gemacht wird. Denn dadurch unterscheidet sich der
allgemeine Satz nicht von einer Disjunktion, die r enthält. (Und also
ist auch jede andere ähnliche Antwort unmöglich.) Wohl aber wird es einen
Sinn haben, zu sagen: F(a,b,c,d,e) ist die Disjunktion aller tatsächlich
von uns gebrauchten Fälle, aber auch andere Fälle (es wird
natürlich keiner erwähnt) machen den allgemeinen Satz “F(a,b,c,d, …)”
336
wahr. Während man hierin natürlich nicht den allgemeinen Satz für F(a,b,c,
F(a,b,c,d,e) einsetzen kann.
     

     Es ist übrigens hier gerade wichtig, dass die Paranthese im vorigen
Satz “und also ist auch jede andere ähnliche Antwort unmöglich” ein Un-
sinn //unsinnig// ist, weil man zwar verschiedene besondere Fälle als
Beispiele einer Allgemeinheit geben //angeben// kann, aber nicht ver-
schiedene Variable, da die Variablen r,s,t sich ihrer Bedeutung nach
nicht unterscheiden.
     

     Man könnte dann freilich nicht sagen, wir befolgen F(E) anders, wenn
wir f(d) tun, als eine Disjunktion, worin //in welcher// f(d) vorkommt,
denn F(E) = F(E) V f(d). Wem der Be[t|f]ehl gegeben wird “hole mir irgend
eine Pflanze, oder diese” (von welcher ihm ein Bild mitgegeben wird), der
wird dieses Bild ruhig beiseite legen und sich sagen “da es irgend eine
tut, so geht mich dieses Bild nichts an”. Dagegen werden wir das Bild
nicht einfach beiseite legen dürfen, wenn es uns mit fünf anderen gege-
ben wurde und der Befehl lautete, eine von diesen sechs Pflanzen zu brin-
gen. (Es kommt also darauf an, in welcher Disjunktion sich der
besondere Befehl befindet.) Und nach dem Befehl “f(a) V f(b) V f(c)” wird
man sich anders richten, als nach dem Befehl “f(E)” ( = f(E) V f(c)),
auch wenn man jedes Mal f(c) tut. – Das Bild f(c) geht in f(E) unter.
(Und es hilft uns ja nichts in einem Kahn zu sitzen, wenn wir b mitsamt
ihm unter Wasser sind und sinken.) Man möchte (uns?) sagen: Wenn Du auf
den Befehl “f(E)” f(c) tust, so hätte Dir ja auch f(c) ausdrücklich er-
laubt sein können, und wie hätte sich dann der allgemeine Befehl von ei-
ner Disjunktion unterschieden? – Aber auf diese Erlaubnis hättest Du
Dich eben, in der? Disjunktion mit dem allgemeinen Satz, gar? nicht
337
stützen können.
     Ist es also so, dass der Befehl “bringe mir eine Blume” nie durch den
Befehl ersetzt werden kann von der Form “bringe mir a oder b oder c”, son-
dern immer lauten muss “bringe mir a oder b oder c, oder eine
andere Blume
”?
     Aber warum tut der allgemeine Satz so unbestimmt, wenn ich ja doch je-
den Fall, der wirklich eintritt, auch im Voraus hätte beschreiben können?
     

     Aber auch das scheint mir noch nicht den wichtigsten Punkt dieser
Sache zu treffen. Weil es, wie [u|i]ch glaube, nicht eigentlich auf die Un-
endlichkeit der Möglichkeiten ankommt, sondern auf eine Art von Unbestimmt-
heit. Ja, gefragt, wie[i|v]iele Möglichkeiten es denn für einen Kreis im Ge-
sichtraumfeld gäbe, innerhalb eines bestimmten Vierecks zu liegen, könnte ich
weder eine endliche Zahl nennen, noch sagen, es gäbe unendlich viele (wie
in der euklidischen Ebene). Sondern wir kommen hier zwar nie zu einen En-
de, aber die Reihe ist nicht endlos im Sinne von /1, x, x + 1/.
     Sondern, kein Ende, zu dem wir kommen, ist wesentlich das Ende. Das
heisst, ich könnte immer sagen: ich seh' nicht ein, warum das alle Mög-
lichkeiten sein sollen. – Und das heisst doch wohl, dass es sinnlos ist,
von “allen Möglichkeiten” zu sprechen. Der Begriff ‘Pflanze’ und ‘Ei’
wird also von der Aufzählung gar nicht angetastet.
     

     Wenn wir auch sagen, wir hätten die besondere Befolgung fa immer als
möglich voraussehen können, so haben wir dies doch in Wirklichkeit nie
getan. – Aber selbst, wenn ich die Möglichkeit fa vorhersehe und ausdrück-
lich in meinen Befehl aufnehme, so verliert sie sich neben dem allgemei-
nen Satz und zwar, weil ich eben aus dem allgemeinen Satz ersehe, dass
dieser besondere Fall erlaubt ist, und nicht einfach daraus, dass er im
Befehl als erlaubt <…> festgesetzt ist. Denn, steht der allgemeine Satz da,
338
so nützt mir das Hinzusetzen des besonderen Falles nichts mehr (d.h. eso
macht den Befehl nicht expliciter). Denn nur aus dem allgemeinen Satz lei-
te ich ja die Rechtfertigung her, diesen besonderen Fall neben ihn zu
setzen. Man könnte nämlich glauben, und darauf geht ja meine ganze Argu-
mentation aus, dass durch das Hinzusetzen des besonderen Falles die –
gleichsam verschwommene – Allgemeinheit des Satzes aufgehoben wird. Man
könnte sagen //; dass man sagen könnte// “jetzt brauchen wir sie nicht
mehr, wir haben ja hier den bestimmten Fall”. Ja, aber wenn ich doch zu-
gebe, dass ich den besonderen Fall darum hierhersetze, weil er mit dem
allgemeinen Satz übereinstimmt! Oder, dass ich doch anerkenne, dass fa
ein besonderer Fall von fE ist! Denn nun kann ich nicht sagen: das be-
weis[s|t] // heisst// eben, dass fE eine Disjunktion ist, deren ein Glied fa
ist. Denn wenn dies so ist, so muss sich diese Disjunktion angeben lassen.
fE muss dann als eine Disjunktion definiert sein. Eine solche Definition
wäre auch ohne weiteres zu geben, sie entspräche aber nicht dem Gebrauch
von fE, den wir meinen. Nicht so, dass die Disjunktion immer noch etwas
übrig lässt; sondern, dass sie das Wesentliche der Allgemeinheit gar
nicht berührt, ja, wenn man sie dieser beifügt, ihrer Rechtfertigung erst
von dem allgemeinen Satz nimmt //bezieht//.
     

     Ich befehle zuerst fE; er befolgt den Befehl und tut fa. Nun denke ich,
ich hätte ihm ja gleich den Befehl “fE V fa” geben können. (Denn, dass fa
den Befehl fE befolgt, wusste ich ja früher und es kam ja auf dasselbe
hinaus, ihm fE V fa zu befehlen.) Und dann hätte er sich also bei der Be-
folgung nach der // einer// Disjunktion “tue Eines oder fa” gerichtet.
Und ist es, wenn er den Befehl durch fa befolgt, nicht gleichgültig, was
in Disjunktion mit fa steht? Wenn er auf jeden Fall fa tut, so ist ja
doch der Befehl befolgt, was immer die Alternative ist.
     Ich möchte auch sagen: In der Grammatik ist nichts nachträglich, keine
339
Bestimmung nach einer andern, sondern alles ist zugleich da?.
     Insofern kann ich also (auch?) nicht sagen, ich habe zuerst den Befehl
fE gegeben und bin dann erst draufgekommen, dass fa ein Fall von fE ist;
jedenfalls aber war und blieb mein Befehl fE, und fa setze ich dazu
wissend //in der Erkenntnis//, dass fa mit fE übereinstimmt. Und diese
Bestimmung, dass fa mit fE übereinstimmt, setzt doch eben den Sinn des
Satzes fE voraus, wenn er überhaupt selbständig festgehalten wird, und
nicht erklärt wird, er sei durch eine Disjunktion zu ersetzen. Und mein
Satz “jedenfalls war und blieb aber mein Befehl fE u.s.w.” hiess nur,
dass ich den allgemeinen Befehl nicht durch eine Disjunktion er-
setzt
hatte.
     Man kann sich nun denken, dass ich einen Befehl p V fa gebe und der
Andre den ersten Teil des Befehls nicht deutlich versteht, wohl aber, dass
der Befehl “… [B| V ] fa” lautet. Er könnte dann fa tun und sagen “ich weiss
gewiss, dass ich den Befehl befolgt habe, wenn ich auch den ersten Teil
nicht verstanden habe”. So nun denke ich es mir auch, wenn ich sage, es
käme ja auf die andere Alternative nicht an. Aber dann hat er doch nicht
den gegebenen Befehl befolgt, sondern ihn als “fa!” aufgefasst.
//als Befehl fa aufgefasst.// Man könnte fragen: Hat der, welcher auf
den Befehl “fE V fa” fa tut, den Befehl darum (d.h. insofern) befolgt,
weil der Befehl von der Form x V fa ist, oder darum, weil fE V fa = fE
ist? Wer fE versteht, also weiss, dass fE V fa = fE ist, der befolgt durch
fa fE, auch wenn ich es “fE V fa” schreibe, weil er ja doch sieht,
dass fa ein Fall v[i|o]n fE ist. – Und nun kann man uns entgegenhalten: Wenn
er sieht, dass fa ein Fall von fE ist, so heisst das ja doch, dass fa
disjunktiv ist in fE enthalten ist, dass also fE mit Hilfe von
fa definiert ist! Und – muss er jetzt weiter sagen – die übrigen Teile
der Disjunktion gehen mich eben nichts an, wenn die Glieder, die ich sehe,
[q|a]lle sind, die ich jetzt brauche. “Du hast eben mit der Erklärung ‘dass
340
fa ein Fall von fE ist’ nichts weiter gesagt, als dass fa in fE vorkommt,
und noch andere Glieder.” – Aber gerade das meinen wir nicht. Und es ist
nicht so, als hätten wir durch unsere Bestimmung fE unvollstän-
dig
// unvollkommen// defini definiert. Denn
dann wäre ja eine vollständige Definition möglich. Und es wäre
diejenige Disjunktion, nach welcher das angehängte “ V fE” gleichsam lächer-
lich wäre, weil ja doch nur die genannten //aufgezählten// Fälle für
uns in Betracht kämen. Wie wir aber fE auffassen, ist die Bestimmung, dass
fa ein Fall von fE ist, keine unvollkommene, sondern gar keine Definition
von fE. Ich nähere mich also auch nicht dem Sinn von fE, wenn ich die
Disjunktion der Fälle vermehre; die Disjunktion der Fälle V fE ist zwar
gleich fE, aber niemals gleich der Disjunktion der Fälle, sondern ein
ganz anderer Satz.
     

     Auf keinem Umweg kann, was über eine Aufzählung von Einzelfällen ge-
sagt ist //wird//, die Erklärung der Allgemeinheit ergeben // sein//.
     

     Kann ich denn aber die Regeln des Folgens in diesem Fall angeben? Denn,
wie weiss ich, dass gerade aus fa (Ex).fx folgt? ich kann ja doch nicht
alle Sätze angeben, aus denen es folgt. – Das ist aber auch gar nicht
nötig; folgt (Ex).fx aus fa, so war das jedenfalls vor jeder beson-
deren Erfahrung zu wissen, und möglich, es in der Grammatik anzugeben.
     

     Ich sagte “es war möglich, vor jeder Erfahrung zu wissen, dass (Ex).fx
aus fa folgt und es in der Grammatik anzugeben”. Es sollte aber heissen:
‘(Ex).fx folgt aus fa’ ist kein Satz (Erfahrungssatz) der Sprache, der
‘(Ex).fx’ und ‘fa’ angehören, sondern eine in ihrer Grammatik festgesetzte
Regel.
341
     




75
Bildungsgesetz einer Reihe.
u.s.w.
     






     Man kann für den Gebrauch der Variablen wohl eine Regel aufstellen und
es ist kein Pläonasmus, dass wir dabei eben diese Art der Variablen ge-
brauchen. Denn brauchten wir sie nicht, so wäre ja durch die Regeln die
Variable definiert. Und wir nehmen ja nicht an, dass sie sich definieren
lasse, oder: sie definiert werden müsse (denn einmal nehmen die De-
finitionen doch ein // ihr// Ende).
     

     Das heisst (nur?), dass – z.B. – die Variable “x²” keine Abkürzung ist
(etwa für eine logische Summe) und dass in unserem Gedanken auch nur ein
Zeichen dieser Multiplizität vorhanden ist.
     

     Denn nehmen wir an, ich hätte 7 Fälle //Spezialfälle // aufgezählt
und sagte “ihre logische Summe ist aber nicht der allgemeine Satz”, so
ist das nicht genug und ich will noch sagen, dass auch keine andere Zahl
von Fällen // Spezialfällen// den allgemeinen Satz ergibt. Aber in die-
sem Zusatz scheine ich nun wiederum eine Aufzählung, wenn auch nicht wi[k|r]k-
342
[k|l]ich so doch quasi schattenhaft auszuführen. Aber so ist es nicht, denn
in dem Zusatz kommen ganz andere Wörter als die Zahlwörter vor.
     

     “Wie aber soll ich es verbieten, dass ein Zahlwort dort und dort
eingesetzt wird? Ich kann doch nicht vorhersehen, welches Zahlwort Einer
<…> wird einsetzen wollen, um es zu verbieten”. – Du kannst es ja ver-
bieten, wenn es kommt. – Aber da sprechen wir ja schon, allgemein, vom
Zahlbegriff!
     

     Was macht aber macht ein Zeichen zum Ausdruck der Unendlichkeit? Was
gibt ihm den eigentümlichen Charakter dessen, was wir unendlich nennen?
Ich glaube, dass es sich ähnlich verhält wie das Zeichen einer enormen
Zahl. Denn das Charakteristische des Unendlichen, wie man es so? auffasst,
ist seine enorme Grösse.
     

     Aber es gibt nicht etwas, was eine Aufzählung ist und doch keine Auf-
zählung. Eine Allgemeinheit, die quasi nebelhaft aufzählt, aber nicht
wirklich und bis zu einer be[w|s]timmten Grenze.
     

     Die Punkte in “1 + 1 + 1 + 1 …” sind eben auch nur die vier Pünktchen.
Ein Zeichen, für das sich gewisse Regeln angeben lassen müssen. (Nämlich
dieselben, wie für das Zeichen “u.s.w. ad inf.”) Dieses Zeichen ahmt zwar
die Aufzählung in gewisser Weise nach, ist aber keine Aufzählung. Und
das heisst wohl, dass die Regeln, die von ihm gelten, bis zu einem Punkt
mit denen, die von einer Aufzählung gelten, übereinstimmen, aber nicht
ganz übereinstimmen.
     

     Es gibt kein Mittelding zwischen einer // der// bestimmten Aufzählung
und der Variablen. //und dem allgemeinen Zeichen.//
343
     

     Man hat natürlich nur die Zahlen bis zu einer gewissen höchsten – sa-
gen wir 1010 – hingeschrieben. Worin besteht nun die Möglich-
keit
, Zahlen hinzuschreiben, die man noch nicht hingeschrieben hat?
Wie seltsam dieses Gefühl, als wären sie doch schon alle irgendwie vor-
handen! (Frege sagte, eine Konstruktionslinie sei in gewissem Sinne schon
vorhanden, auch ehe sie gezogen wurde.)
     

     Hier ist die Schwierigkeit, sich zu wehren gegen den Gedanken, die
Möglichkeit sei eine Art schattenhafter Existenz // Wirklichkeit//.
     

     In den Regeln für die Variable a kann eine Variable b vorkommen und
auch besondere Zahlzeichen; aber auch keine Gesamtheit von Zahlen.
     

     Nun scheint es aber, als wäre damit etwas (aus der Logik) wegge-
leugnet
. Etwa gerade die Allgemeinheit; oder das, was die Punkte
andeuten. Das Unfertige (Lockere, Dehnbare) der Reihe // Zahlenreihe//.
Und natürlich dürfen und können wir nichts wegleugnen. Wo kommt also diese
Unbestimmtheit zum Ausdruck? Etwa so: Wenn wir Zahlen anführen, die wir
statt der Variablen a einsetzen dürfen, so sagen wir von keiner, es sei
die letzte, oder höchste.
     

     Würde uns aber nun nach der Erklärung einer Rechnungsart jemand fragen
“und ist nun 103 das letzte Zeichen, welches ich benützen kann”; was sollen
wir antworten? “Nein, es ist nicht das letzte”, oder “es gibt kein letz-
tes”? – Aber muss ich ihn nicht zurückfragen: “Und wenn es nicht das letz-
te ist, was käme dann noch?” Und sagt er nun “104”, so müsste ich sagen:
Ganz richtig, Du kannst die Reihe selber fortsetzen.
     

     Von einem Ende der Möglichkeit kann ich überhaupt nicht reden.
344

     (Nur vor dem Geschwätz muss man sich in der Philosophie hüten. Eine Re-
gel aber, die praktisch anwendbar ist, ist immer in Ordnung.)
     

     Es ist klar, dass man einer Regel von der Art /a, x, x + 1/ folgen kann;
ich meine, ohne schon von vornherein die Reihe hinschreiben zu können, son-
dern, indem man sich wirklich nach der Bildungsregel richtet //indem man
wirklich der Bildungsregel folgt//. Es ist ja dann dasselbe, wie wenn ich
eine Reihe etwa mit der Zahl 1 anfinge und sagte: “nun gib 7 dazu, multi-
pliziere mit 5 und zieh' die Wurzel, und diese zusammengesetzte Operation
wende immer wieder auf das //ihr// Resultat an”. (Das wäre ja die Regel
.)
     

     Schliesslich ist ja das Wort “u.s.w.” nichts anderes, als das Wort
u.s.w.” (d.h. wieder als ein Zeichen des Kalküls, das nicht mehr tun
kann, als durch die Regeln zu bedeuten, die von ihm gelten. Das nicht mehr
sagen kann, als es zeigt.)
      D.h. es wohnt in dem Wort “u.s.w.” keine geheime Kraft inne, durch die
nun die Reihe fortgesetzt wird, ohne fortgesetzt zu werden.
     

     Das wohl nicht, wird man sagen, aber eben die Bedeutung der unendlichen
Fortsetzung
.
     

     Man könnte nun? aber fragen: Wie kommt es, dass der, welcher die allge-
meine Regel nun auf eine weitere Zahl anwendet, nur dieser Regel
folgt. Dass keine weitere Regel nötig war, die ihm erlaubt, die allgemei-
ne auch auf diesen Fall anzuwenden; und dass doch dieser Fall in der (all-
gemeinen
) Regel nicht genannt war.
     

     Es wundert uns also, dass wir diesen Abgrund zwischen den einzelnen Zah-
345
len und dem allgemeinen Satz nicht überbrücken kann.
     

     “Kann man sich einen leeren Raum vorstellen?” (Diese Frage gehört merk-
würdigerweise hierher.)
     

     Es ist einer der tiefstwurzelnden Fehler der Philosophie: die Möglich-
keit als ein Schatten der Wirklichkeit. //, die Möglichkeit als einen
Schatten der Wirklichkeit zu sehen.//
     Anderseits aber kann es kein Irrtum sein. Und das ist es auch nicht,
wenn man den Satz diesen Schatten nennt.
     

     Die Gefahr ist natürlich hier wieder, in einen Positivismus
zu verfallen, nämlich in einen, der einen eigenen Namen verdient und daher
natürlich ein Irrtum sein muss. Denn wir dürfen überhaupt keine Tendenz
haben, keine besondere Auffassung der Dinge, sondern müssen alles anerken-
nen, was jeder Mensch darüber je gesagt hat, ausser soweit er selbst eine
besondere Auffassung der oder Theorie hatte.
     

     Denn das Zeichen “u.s.w.”, oder ein ihm entsprechendes, ist wohl für
die Bezeichnung der Endlosigkeit wesentlich. Natürlich durch die Regeln,
die von einem solchen Zeichen gelten. D.h. wir können wohl das Reihenstück
“1, 1 + 1, 1 + 1 + 1” unterscheiden von der Reihe “1, 1 + 1, 1 + 1 + 1, u.s.w.”. Und
das letzte Zeichen und sein Gebrauch ist so wesentlich für den Kalkül, als
eines der vorhergehenden. // als irgend ein andres.//
     

     Das, was mich nun bedrückt, ist, dass das “u.s.w.” scheinbar auch in
den Regeln für das Zeichen “u.s.w.” vorkommen muss. Z.B. ist 1, 1 + 1, u.s.w. =
= 1, 1 + 1, 1 + 1 + 1, u.s.w. u.s.w..

346
     
     Aber haben wir denn hier nicht die alte Erkenntnis, dass wir die Spra-
che nur von aussen beschreiben können? Dass wir also nicht erwarten dürfen,
durch eine Beschreibung der Sprache in andere Tiefen zu dringen, als die
Sprache selbst offenbart
: Denn die Sprache beschreiben wir mittels der
Sprache.
     

     Wir könnten sagen: Es ist ja [k|g]ar kein Anlass, zu fürchten, dass wir das
Wort “u.s.w.” in einer das Endliche übersteigenden Weise gebrauchen.
     

     Uebrigens kann der, für das “u.s.w.” charakteristische Teil seiner Gram-
matik nicht in Regeln über die Verbindung von “u.s.w.” mit einzelnen Zahl-
zeichen (nicht: “den einzelnen Zahlzeichen”) bestehen – denn diese Re-
geln geben ja wieder ein beliebiges Stück einer Reihe – sondern in Regeln
der Verbindung von “u.s.w.” mit “u.s.w.”.
     

     Die Möglichkeit noch weitere Zahlen anzuführen. Die Schwierigkeit
scheint uns die zu sein, dass die Zahlen, die ich tatsächlich angeführt ha-
be, ja gar nicht wesentlich sind //keine wesentliche Gruppe sind // und nichts dies andeutet, dass sie eine beliebige Kollektion sind
die zufällig aufgeschriebenen unter allen
Zahlen
.
     (So, als hätte ich in einer Schachtel alle Steine eines Spiels und auf
dem Tisch daneben eine zufällige Auswahl aus dieser Schachtel.
     Oder, als wären die einen Ziffern in Tinte nachgezogen, wäh-
rend sie alle schon gleichsam blass vorgezeichnet sind.)
     Dass wir aber ausser diesen zufällig benützten nur die allgemeine Form
haben.
     Haben wir hier übrigens nicht – so komisch das klingt – den Unterschied
zwischen Zahlzeichen und Zahlen?
347

     Wenn ich z.B. sage “‘Kardinalzahlen’ nenne ich alles, was aus 1 durch
fortgesetztes Addieren von 1 entsteht”, so vertritt das Wort “fortgesetzt”
nicht eine nebelhafte Fortsetzung von 1, 1 + 1, 1 + 1 + 1, vielmehr ist auch das
Zeichen “1, 1 + 1, 1 + 1 + 1, …” ganz exakt zu nehmen; als verschieden von
“1, 1 + 1, 1 + 1 + 1” anderen bestimmten Regeln unterworfen und nicht ein Ersatz
// Vertreter// einer Reihe “die sich nicht hinschreiben lässt”.
     

     Das heisst: Mit dem Zeichen “1, 1 + 1, 1 + 1 + 1, …” wird auch gerech-
net
, wie mit (den?) Zahlzeichen, nur nach andern Regeln.
     

     Was bildet man sich denn aber ein? Welchen Fehler macht man denn? Wofür
hält man das Zeichen “1, 1 + 1, …”? D.h.: wo kommt denn das wirklich
vor, [d|w]as man in diesem Zeichen zu sehen meint? Etwa, wenn ich sage “er zähl-
te 1,2,3,4 und so weiter bis 1000”? wo es auch möglich wäre, wirklich alle
Zahlen hinzuschreiben.
     

     Als was sieht man denn “1, 1 + 1, 1 + 1 + 1, …” an?
     Als eine ungenaue Ausdrucksweise. Die Pünktchen sind so, wie weitere
Zahlzeichen, die aber undeutlich sind. So, als hörte man auf, Zahlzeichen
hinzuschreiben, weil man ja doch nicht alle hinschreiben kann, aber als
seien sie allerdings, quasi, in einer Kiste, vorhanden. //… aber als seien
sie wohl, gleichsam in einer Kiste vorhanden.// Etwa auch, wie wenn ich von
einer Melodie nur die ersten Töne deutlich singe und den Rest nur noch an-
deute und in Nichts auslaufen lasse. (Oder wenn man beim Schreiben von einem
Wort nur wenige Buchstaben deutlich schreibt und mit einem unartikulierten
Strich endet.) Wo dann dem ‘undeutlich’ ein ‘deut-
lich’ entspräche
.
     


     Ich habe einmal gesagt, es könne nicht Zahlen geben und den Begriff
348
der Zahl. Und das ist richtig, wenn es heisst, dass die Variable zur
Zahl nicht so steht, wie der Begriff Apfel zu einem Apfel (oder der Be-
griff Schwert zu Nothung).
     Anderseits ist die Zahlvariable kein Zahl-
zeichen
.
     

     Ich wollte aber auch sagen, dass der Zahlbegriff nicht unabhängig von
den Zahlen (gegeben) sein könnte, und das ist nicht wahr. Sondern die
Zahlvariable ist in dem Sinne von einzelnen Zahlen unabhängig, als es
einen Kalkül mit einer Klasse unsrer Zahlzeichen, die von unsern gelten, und ohne die allgemei-
ne Zahlvariable, wohl gibt. Freilich gelten dann eben nicht alle Regeln
von diesen Zahlzeichen, die von unsern gelten, aber doch entsprechen sie
unseren, wie die Damesteine im Damespiel denen im Schlagdamespiel.
     

     Wogegen ich mich wehre, ist die Anschauung, dass eine //die// un-
endliche Zahlenreihe etwas uns Gegebenes sei, worüber es nun spezielle
Zahlensätze und auch allgemeine Sätze über alle Zahlen der Reihe gibt. So
dass der arithmetische Kalkül nicht vollständig wäre, wenn er nicht auch
die allgemeinen Sätze über die Kardinalzahlen enthielte, nämlich allge-
meine Gleichungen der Art a + (b + c) = (a + b) + c. Während schon 1:3 = 0,3
einem andern Kalkül angehört als 1:3 = 0,3. Und so ist eine allgemeine
Zeichenregel (z.B. rekursive Definition), die für 1, (1) + 1, ((1) + 1) + 1, ((1) + 1) + 1) + 1, u.s.w. gilt, etwas andres, als eine spezielle Definition.
Und die allgemeine Regel fügt dem Zahlenkalkül etwas neues bei, ohne wel-
ches er ebenso vollständig gewesen wäre, wie die Arithmetik der Zahlen-
reihe 1, 2, 3, 4, 5.
     



     Es fragt sich auch, wo denn der Zahlbegriff (oder Begriff der Kardi-
349
nalzahl) unbedingt gebraucht wird. Zahl, im Gegensatz wozu?
/1, x, x + 1/ wohl im Gegensatz zu /5, x, √x/ u.s.w.. – Denn wenn ich so
ein Zeichen (wie “/1, x, x + 1/”) wirklich einführe – und <…> nicht nur als
Luxus mitschleppe, so muss ich auch etwas mit ihm tun, d.h., es in ei-
nem Kalkül verwenden, und dann verliert es seine Alleinherrlichkeit und
kommt in ein System ihm koordinierter Zeichen.
     

     Man wird vielleicht sagen: aber ‘Kardinalzahl’ steht doch im Gegen-
satz zu ‘Rationalzahl’, ‘reelle Zahl’ etc.. Aber dieser Unterschied ist
ein Unterschied der Regeln (der von ihnen geltenden Spielregeln) – nicht
einer, der Stellung auf dem Schachbrett – nicht ein Unterschied, für
den man im selben Kalkül verschiedene koordinierte Worte braucht.
     

     Man sagt “dieser Satz ist für alle Kardinalzahlen bewiesen”. Aber
sehen wir doch nur hin, wie der Begriff der Kardinalzahl in de[m|nb] Beweis
eintritt. Doch nur, indem im Beweis von 1 und der Operation x + 1 die Rede
ist – aber nicht im Gegensatz zu Etwas, was den Rationalzahlen entsprä-
che. Wenn man also den Beweis in Prosa mit Hilfe des Begriffsworts
‘Kardinalzahl’ beschreibt, so sehen wir wohl, dass kein Begriff
diesem Wort entspricht.
     

     Die Ausdrücke “die Kardinalzahlen”, “die reellen Zahlen” sind ausser-
ordentlich irreführend, ausser, wo sie als Teil einer Bestimmung ver-
wendet werden, wie in: “die Kardi[b|n]alzahlen von 1 bis 100”, etc.. “Die
Kardinalzahlen” gibt es nicht, sondern nur “Kardinalzahlen” und den Be-
griff, die Form, ‘Kardinalzahl’. Nun sagt man: “die Zahl der Kardinal-
zahlen ist kleiner, als die der rellen Zahlen” und denkt sich, man könn-
te die beiden Reihen etwa nebeneinander schreiben (wenn wir nicht schwa-
che Menschen wären) und dann würde die eine im Endlosen enden, während
die andere ins wirklich [|U]nendliche über [d|s]ie hinaus liefe. Aber das ist
350
alles Unsinn. Wenn von einer Beziehung, die man nach Analogie “grös-
ser” und “kleiner” nennen kann, die Rede sein kann, dann nur zwischen den
Formen ‘Kardinalzahl’ und reelle Zahl’. Was eine Reihe ist, erfahre ich
dadurch, dass man es mir erklärt und nur soweit, als man es erklärt. Ei-
ne endliche Reihe wurde mir durch Beispiele der Art 1, 2, 3, 4 erklärt,
eine endlose durch Zeichen der Art “1, 2, 3, 4, u.s.w.” oder “1, 2, 3,
4 …”.
     



     Es ist wichtig, dass ich eine // die// Projektionsregel verstehen
(sehen) kann, ohne sie in einer allgemeinen Notation vor mir zu haben. Ich kann aus der Reihe 1/1 2/4 3/9 4/16 eine allgemeine Regel ent-
nehmen – freilich auch beliebig viele andere, aber doch auch
eine bestimmte
und das heisst, dass für mich diese Reihe
irgendwie der Ausdruck dieser einen Regel war.”
     

     Hat man “intuitiv” das Bildungsgesetz einer Reihe, z.B. der Reihe m
verstanden, so dass man also im Stande ist, ein beliebiges m(v) zu bil-
den, so hat man das Bildungsgesetz ganz verstanden, also so gut, wie
es etwa //irgend// eine algebraische Darstellung vermitteln könnte.
D.h. man kann es durch eine solche Darstellung nicht mehr besser verste-
hen. Und diese Darstellung ist daher insofern auch nicht
strenger. Obwohl sie natürlich einprägsamer sein kann.
     

     Man ist geneigt, zu glauben, dass die Notation, die eine Reihe durch
Anschreiben einiger Glieder mit dem Zeichen “u.s.w.” darstellt, wesent-
lich unexakt ist[.|,] Iim Gegensatz zur Angabe des allgemeinen Gliedes. Dabei
vergisst man, dass die Angabe des allgemeinen Gliedes sich auf eine
351
Grundreihe bezieht, welche nicht wieder durch ein allgemeines Glied be-
schrieben werden sein kann. So ist 2n + 1 das allgemeine Glied der un-
geraden Zahlen, wenn n die Kardinalzahlen durchläuft, aber es wäre
Unsinn zu sagen, n sei das allgemeine Glied der Reihe der Kardinalzahlen.
Wenn man diese Reihe erklären will, so kann man es nicht durch Angabe
des “allgemeinen Gliedes n”, sondern natürlich nur durch eine Erklärung
der Art 1, 1 + 1, 1 + 1 + 1, u.s.w.. Und es ist natürlich kein wesentlicher
Unterschied zwischen dieser Reihe und der: 1, 1 + 1 + 1, 1 + 1 + 1 + 1 + 1, u.s.w.,
die ich ganz ebensogut als Grundreihe hätte nehmen //annehmen// können
(sodass dann das allgemeine Glied der Kardinalzahlenreihe ½∙(n ‒ 1) ge-
lautet
hätte).
     

                     (Ex).fx & non(Ex,y).fx & fy
                      (Ex,y).fx & fy. & .non(Ex,y,z).fx & fy & fz
                      (Ex,y,z).fx & fy & fz. & .non(Ex,y,z,u).fx & fy & fz & fu
““Wie müsste man es nun anfangen, die allgemeine Form solcher Sätze zu
schreiben? Die Frage hat offenbar einen guten Sinn. Denn, wenn ich nur
einige solcher Sätze als Beispiele hinschreibe, so versteht man, was das
Wesentliche dieser Sätze sein soll.””
     Nun, dann ist also die Reihe der Beispiele schon eine Notation; denn
das Verstehen dieser Reihe besteht doch inn der Verwendung dieses Symbols
und darin, dass wir es von andern in demselben System unterscheiden, z.B.
von:
                             (Ex).fx
                             (Ex,y,z).fx & fy & fz
                             (Ex, y, z, u, v).fx & fy & fz & fu & fv.
Warum sollen wir aber nicht das allgemeine Glied der ersten Reihe so
schreiben:
             (E x1 …xn).Π
xn
x1
fx & (E x1 …xn + 1). Π
xn + 1
x1
fx?
Ist diese Notation unexakt? Sie selbst soll ja nichts bildhaft machen,
352
sondern nur auf die Regeln ihres Gebrauchs, das System in die sie ge-
braucht wird, kommt es an. //, auf das System, in dem sie gebraucht wird,
kommt es an. Die Skrupel, die ihr anhaften, schreiben sich von einem
Gedankengang her, der sich mit der Zahl der Urzeichen in dem Kalkül der
‘Principia Methamatica’ beschäftigte.
353
     





Erwartung.
Wunsch.
etc..








































354
     




76
Erwartung: der Ausdruck der Erwartung.
Artikulierte und unartikulierte Erwartung.












⋎ S. 154/2, 6
     
     Kann man sagen, die Erwartung ist eine vorbereitende, erwartende,
Handlung. – Es wirft mir jemand einen Ball, ich strek strecke die
Hände aus und richte sie zum Erfassen des Balls. Aber sagen wir, ich
hätte mich verstellt, ich hatte erwartet, dass er nicht werfen würde,
wollte aber so tun, als erwartete ich den Wurf. Worin besteht dann
mein Erwarten, dass er nicht werfen wird, wenn meine Handlung die ge-
genteilige Erwartung ausdrückt? Diese //Sie// musste doch auch in
etwas bestehen, was ich tat. Ich war also doch irgendwie nicht drauf
vorbereitet, dass der Ball kam.
     

     Es ist sehr trivial, wenn ich sage, dass ich in der Erwartung eines
Flecks die Erwartung eines kreisförmigen von der eines eliptischen
muss unterscheiden können und es überhaupt so viele Unterschiede in
der Erwartung geben muss, wie in den Erfüllungen der Erwartungen. (Der
Hunger und der Apfel, der ihn befriedigt, haben nicht die gleiche Mul-
tiplizität.)
355
     

Wenn wir die Worte “ich wissen wollen
was die Worte “ich erwarte daß er kommt”
bedeuten, – fragen wir uns: Was ist das
Kriterium dafür, daß, was wir tun ist,
ihn zu erwarten.
     Wie weiß wissen wir, daß wir ihn erwarten?
     

     Nehmen wir an, ich erwarte jemand: ich sehe auf die Uhr, dann zum Fen-
ster hinaus, richte etwas in meinem Zimmer zurecht, schaue wieder hinaus,
etc.. Diese Tätigkeit könnte ich das Erwarten nennen. Denke ich nun die
ganze Zeit dabei? (D.h. ist diese Tätigkeit wesentlich eine Denktätigkeit,
oder von ihr? begleitet?) Letzteres bestimmt nicht. Und wenn ich jene Tä-
tigkeiten Denken nenne, welches wären die Worte, durch die dieser Gedanke
ausgedrückt würde? – Wohl aber werden auch Gedanken während dieses War-
tens sich einfinden. Ich werde mir sagen: “vielleicht ist er zu Hau-
se aufgehalten worden”, und drgl. mehr; vielleicht auch die artikulierte
Erwartung “wenn er nur käme”.
     In allen jenen erwartenden Handlungen ist nichts, was uns interessiert
(die Erfüllung der Erwartung in diesem Sinn ist nichts anderes, als die
Stillung eines Hungers). Uns interessiert nur das zu einem Zweck gemach-
te Bild. – Der artikulierte Gedanke.
     

     Es ist – glaube ich, – wichtig zu erkennen, dass, wenn ich etwa glau-
be, dass jemand zu mir kommen wird, mein Dauerzustand nichts mit dem Be-
treffenden und den übrigen Elementen des Gedankens zu tun hat, d.h. sie
nicht enthält. Das Gleiche gilt aber für Erwartung, Wunsch, etc.
etc.. Wenn ich jemand erwarte, so denke ich nicht während dieser ganzen
Zeit, dass er kommen wird, oder dergleichen. Ja selbst, wenn ich es ge-
rade denke, so ist ja dieser Vorgang kein amorpher, wie etwa der des
Schmerzes, sondern besteht nur darin, dass ich etwa jetzt gerade den
Satz sage, “er wird kommen”. Man kann nicht amorph sehen, dass
etwas der Fall ist, glauben, dass etwas der Fall ist, wünschen, befürch-
ten, denken, etc..
     

     Der Ausdruck der Erwartung ist die Erwartung.

356
     
     Die Vorbereitung ist quasi selbst die Sprache und kann nicht über
[w|s]ich selbst hinaus. (In dem “nicht über sich selbst hinauskönnen”
liegt die Aehnlichkeit meiner Betrachtungen und jener der Relativi-
tätstheorie.)
     

     Wenn ich früher gesagt habe, es kommt darauf an, ob dieses
Bild erwartet wird, d.h., ob wir gerade dieses Bild “verwenden” (“be-
nützen”) so könnte ich jetzt sagen, es kommt darauf an, ob gerade
dieses Bild unsere Sprache ist. //zu unserer Sprache gehört.//
     

     Die Sprache als Ausdruck der Erwartung ist das Vorberei-
tete.
357
     



77
In der Erwartung wurde das erwartet, was die Erfüllung brachte.











⋎ S. 185/2
     
     Die Erwartung und die Tatsache, die die Erwartung befriedigt, passen
doch irgendwie zusammen. Man soll nun eine Erw[q|a]rtung beschreiben, und
eine Tatsache, die zusammenpassen, damit man sieht, worin diese Ueber-
einstimmung besteht. Da denkt man sofort an das Passen einer Vollform
in eine entsprechende Hohlform. Aber wenn man nun hier die beiden be-
schreiben will, so sieht man, dass, soweit sie passen, eine Beschrei-
bung für beide gilt. Vergleiche das Passen eines Hutes zu einem Kleid.
     

     Kann man den Vorgang des Verständnisses eines Befehls mit dem Vor-
gang der Befolgung d vergleichen, um zu zeigen, dass diese Be-
folgung diesem Verständnis, dieser Auffassung, wirklich ent-
spricht? und inwiefern sie übereinstimmen? Gewiss, – nämlich z.B. die
Auffassung p' mit der Befolgung p. “Ich habe mir das heller vorge-
stellt”. Aber nicht die Vorstellung ist als solche heller als die Wirk-
lichkeit.
     

     Kann man denn die Erwartung mit der eingetroffenen Tatsache ver-
358
gleichen? Man sagt ja, die Tatsache stimme mit der Erwartung
überein oder nicht überein. Aber dieses Uebereinstimmen bezieht sich
nicht auf Eigenschaften der Erwartung als solcher (des Vorgangs der Er-
wartung) und Eigenschaften des Ereignisses als Realität.
     Kann man eine Hohlform mit einer Vollform vergleichen.
     

     (Es ist aber nicht so als ob ich sagte: “ich habe Lust auf einen Apfel,
was immer also diese Lust stillen wird, werde ich einen Apfel nennen”.
(Also etwa auch ein Schlafmittel.))
     

     Das Seltsame ist ja darin ausgedrückt, dass, wenn das //dies// der
Fleck ist, den ich erwartet habe, er sich nicht von dem unterscheidet,
den ich erwartet habe. Wenn man also fragt: “Wie unterscheidet sich denn
der Fleck von dem, den Du erwartet hast, denn in Deiner Erwartung war
doch der wirkliche Fleck nicht vorhanden, sonst hättest Du ihn nicht
erwarten können”, so ist die Antwort dennoch: der Fleck ist der,
den ich erwartet habe.
     

     Ich sage “genau so habe ich mir's vorgestellt”. Und jemand antwortet
etwa “das ist unmöglich, denn das eine war eine Vorstellung und das an-
dere ist keine; und hast Du etwa Deine Vorstellung für Wirklichkeit ge-
halten?”
     

     “Ich erwarte mir einen Schuss”. Der Schuss fällt. Wie, das hast Du
Dir erwartet; war also dieser Krach irgendwie schon in Deiner Erwartung?
< “Der Knall ist leiser als ich mir ihn erwartet
habe” – “Hat es also in Deiner Erwartung lauter
geknallt?”
> Oder stimmt Deine Erwartung nur in anderer Beziehung mit dem Eingetre-
tenen überein, war dieser Lärm nicht in Deiner Erwartung enthalten und
kam nur als Accidens hinzu, als die Erwartung erfüllt wurde? Aber nein,
wenn der Lärm nicht eingetreten wäre, so wäre meine Erwartung nicht er-
359
füllt worden; der Lärm hat sie erfüllt, er kam nicht zu der Erfüllung
hinzu wie ein zweiter Gast zu dem einen, den ich erwartete.
     

     War das am Ereignis, was nicht auch in der Erwartung war, ein Accidens,
eine Beigabe des Schicksals //der Schickung//? Aber was war denn dann
nicht Beigabe, kam denn irgend etwas vom Schuss schon in meiner
Erwartung vor? Und was war denn Beigabe, denn hatte ich mir nicht den
ganzen Schuss erwartet.
     

     Unterscheidet sich etwa ein vorgestellter Ton von dem gleichen, wirk-
lich gehörten durch die Klangfarbe?!
     

     Es hat auch einen Sinn zu sagen, es sei nicht das geschehen, was ich
erwartet habe, sondern etwas ähnliches; im Gegensatze aber zu dem Fall,
wenn das geschieht, was erwartet wurde. Und das zeigt, welcher Art der
Missbrauch der Sprache ist, zu welchem //dem// wir hier verleitet
werden.
     

     Wenn man nun sagte: Das Rot, das Du Dir vorstellt, ist doch gewiss
nicht dasselbe (dieselbe Sache) wie das, was Du wirklich vor Dir ziehst, –
wie kannst Du dann sagen ‘das ist dasselbe, was ich mir vorgestellt ha-
be’? – Zeigt denn das nicht nur, dass, was ich “dieses Rot” nenne, eben
das ist, was meiner Vorstellung und der Wirklichkeit gemein ist? Denn
das Vorstellen des Rot ist natürlich anders als das Sehen des Rot, aber
darum heisst ja auch das eine “Vorstellen eines roten Flecks” und das
andre “Sehen eines roten Flecks”. In beiden (verschiedenen) Ausdrücken
aber kommt dasselbe Wort “rot” vor und so muss dieses Wort nur das be-
zeichnen, was beiden Vorgängen zukommt.
     Ist es denn nicht dasselbe in? den Sätzen “hier ist ein roter Fle[f|c]k”
360
und “hier ist kein roter Fleck”? In beiden kommt das Wort “rot” vor,
also kann dieses Wort nicht das Vorhandensein von etwas Rotem bedeu-
ten. – (Der Satz “das ist rot” ist nur eine Anwendung des Wortes
“rot”, gleichberechtigt mit allen anderen, wie mit dem Satz “das ist
nicht rot”.)
     (Das Wort “rot” hat eben – wie jedes Wort – nur im Satzzusammenhang
eine Funktion. Und ist das Missverständnis das, in dem Wort allein schon
den Sinn d eines Satzes zu sehen glauben?)
     

     Wie komisch wäre es, zu sagen: ein Vorgang sieht anders aus, wenn er
geschieht, als wenn er nicht geschieht. Oder: “Ein roter Fleck sieht an-
ders aus, wenn er da ist, als wenn er nicht da ist, aber die Sprache
abstrahiert von diesem Unterschied, denn sie spricht von
einem roten Fleck, ob er da ist oder nicht”.
     

     Wie unterscheidet sich das Rot eines Flecks, den wir vor uns sehen,
von dem dieses Flecks, wenn wir ihn uns bloss vorstellen? – Aber wie wis-
sen wir denn, dass es das Rot dieses Flecks ist, wenn es (von dem
Ersten
verschieden ist? – Woher wissen wir denn, dass es dasselbe Rot
ist, wenn es verschieden ist //nicht dasselbe ist//? – Dieser Calli-
mathias zeigt, dass hier ein Missbrauch der Sprache vorliegt.
     

     Wie ist es möglich, dass ich erwarte, und das, was ich erwarte, kommt?
Wie konnt' ich es erwarten, da es nicht da war?
     Die Realität ist keine Eigenschaft, die dem Erwarteten noch fehlt und
die nun hinzutritt, wenn es eintritt. – Sie ist auch nicht wie das Tages-
licht, das den Dingen erst ihre Farbe gibt, wenn sie im Dunkeln schon
gleichsam farblos vorhanden sind.
     Wie konnte ich es erwarten, und es kommt dann wirklich; – als
361
ob die Erwartung ein dunkles Transparent wäre und mit der Erfüllung
das Licht dahinter angezündet würde. – Aber jedes solche Gleichnis ist
falsch, weil es die Realität ˇals einen beschreibbaren Zusatz zur Erwartung
// zum Gedanken// darstellt; was unsinnig ist.
     (Es ist das im Grunde derselbe Unsinn, wie der, der die vorgestellte
Farbe als matt im Vergleich zur wirklichen darstellt.)
     

     Du siehst also, möchte ich sagen, an diesen Beispielen, wie die Wor-
te wirklich gebraucht werden.
     

     Ich habe etwas vorausgesagt, es tritt nun ein, und ich sage nun ein-
fach “es ist eingetroffen” und das beschreibt schon den Tatbestand
vollkommen. Er ist also auch jetzt nur so weit beschrieben, als man ihn
auch hat beschreiben können, bevor //ehe// er eingetreten war.
     

     Wenn ich einfach sagen kann “es ist eingetroffen” so kann ich andrer-
seits
nicht // nicht auch// beschreiben, wie ein Tatbestand sein muss,
um eine bestimmte Erwartung zu befriedigen.
     

     Das Befolgen des Befehls liegt darin, dass ich etwas tue ‒ ‒ ‒ Kann
ich aber auch sagen, ‘dass ich das tue, was er befiehlt’? Gibt es ein
Kriterium dafür, dass das die Handlung ist, die ihn befolgt?
     Was soll hier unter einem Kriterium verstanden werden.
     

     Die Erwartung verhält sich eben zu ihrer Befriedigung nicht wie der
Hunger zu seiner Befriedigung. Ich kann sehr wohl den Hunger beschrei-
ben und das, was ihn stillt, und sagen, dass es ihn stillt.
     

     Wenn ich ein Ereignis erwarte und es kommt dasjenige, welches meine
362
Erwartung erfüllt, hat es dann einen Sinn zu fragen, ob das wirklich
das Ereignis ist, welches ich erwartet habe.
ch D.h. wie würde
ein Satz, der das behauptet, verifiziert

werden?
ch
     

     “Wie weisst Du, dass Du einen roten Fleck erwartest?” – d.h.
“wie weisst Du, dass ein roter Fleck die Erfüllung dessen ist, was Du
Dir erwartest”. Aber ebensogut könnte man fragen, “wie wei[w|s]st Du, dass
das ein ro[f|t]er Fleck ist?”
     Wie weisst Du, dass, was Du getan hast, wirklich war, das Alphabet
im Geist herzusagen? – Aber wie weisst Du, dass, was Du hersagst, nun
wirklich das Alphabet is ist?
     Das ist natürlich die gleiche Frage wie: Woher weisst Du, dass, was
Du rot nennst, wirklich dasselbe ist, was der Andre so nennt. Und die
eine Frage ebenso unsinnig wie andere.
     

     Was immer ich über die Erfüllung der Erwartung sagen mag, was sie
zur Erfüllung dieser Erwartung machen soll, zählt sich zur Erwartung,
ändert den Ausdruck der Erwartung. D.h., der Ausdruck der Er-
wartung ist der vollständige Ausdruck der Erwartung.
     

     Wenn ich sage “das ist dasselbe Ereignis, welches ich erwartet habe”
und “das ist dasselbe Ereignis, was auch an jenem Ort stattgefunden hat”,
so bedeutet hier das Wort “dasselbe” jedesmal etwas anderes. (Man würde
auch normalerweise nicht sagen “das ist dasselbe, was ich erwartet ha-
be”, sondern “das ist das, was ich erwartet habe”.)
⋎ S. 23/3
363
     




78
“Wie kann man etwas wünschen, erwarten, suchen, was nicht da ist?”
Missverständnis des ‘Etwas’.
     






     Es könnte gesagt werden: Wie kann ich denn das Ereignis erwarten,
es ist ja noch garnicht da?
     

     Man kann sich vorstellen, es sei etwas der Fall, was nicht ist: sehr
merkwürdig! Denn, w dass die Vorstellung nicht mit der Wirklichkeit
übereinstimmt, ist nicht merkwürdig, dass sie sie aber dann repräsen-
tiert, ist merkwürdig.
     

     Sokrates: Wer also vorstellt, was nicht ist, der stellt nichts vor? –
Theaitetos: So scheint es. – S.: Wer aber nichts vorstellt, der wird
gewiss überhaupt garnicht vorstellen? – Th.: Offenbar, wie wir sehen.
     Setzen wir in diesem Argument // und dem ihm vorhergehenden // statt
“vorstellen” etwa “zerschneiden töten”, so läuft es auf eine Regel der Verw[d|e]n-
dung dieses Wortes hinaus. Man dürfe nicht sagen: “ich zerschneide
// töte// etwas, was nicht existiert”. //Es hat keinen Sinn zu sagen
……

364
     
     Ich kann mir einen Hirsch auf dieser Wiese vorstellen, der nicht da
ist, aber keinen töten, der nicht da ist. – Und sich einen Hirsch vor-
stellen, der nicht da ist, heisst, sich vorstellen, dass ein Hirsch da
ist, obwohl keiner da ist. Einen Hirsch töten aber, heisst nicht: töten,
dass ein Hirsch da ist (also: verschiedene grammatische Regeln).
Wenn
aber jemand sagt: “um mir einen Hirsch vorzustellen, muss es ihn doch in
einem gewissen Sinne geben”, so ist die Antwort: nein, es muss ihn dazu
in keinem Sinne geben. Und wenn darauf gesagt würde: Aber z.B.
die braune Farbe muss es doch geben, damit ich mir sie vorstellen kann,
so ist zu sagen: “‘Es gibt die braune Farbe’ heisst überhaupt nichts,
ausser etwa, dass sie da oder dort d als Färbung eines Gegenstandes
(Flecks) auftritt // erscheint// und das ist nicht nötig, damit ich
mir einen braunen Hirsch vorstellen kann.”
     

     “Ich stelle mir vor, wie das sein wird” (wenn der Sessel weiss gestri-
chen sein wird) – wie kann ich es mir denn vorstellen, wenn es nicht ist?!
Ist denn die Vorstellung eine Zauberei?
     

     Man möchte fragen: Welcher ausserordentliche Prozess muss das Wollen
sein, dass ich das schon jetzt wollen kann, was ich erst in 5 Minu-
ten tun werden?!

⋎ S. 23/2, 3
     
     Die Antwort: Wenn Dir das sonderbar vorkommt, son vergleichst Du es
mit etwas, womit es nicht zu vergleichen ist. – Etwa damit: Wie kann ich
jetzt dem Mann die Hand geben, der erst in 5 Minuten hereintreten wird?
(Oder etwa gar: Wie kann ich dem die Hand geben, den <…> es vielleicht gar
nicht gibt?)
     

     Das ‘foreshadowing’ der Tatsache besteht offenbar darin, dass wir
365
jetzt denken können, dass das eintreffen wird, was erst eintreffen
wird. Oder, wie das irreführend ausgedrückt wird: dass wir (an)
das denken können, was erst eintreffen wird.
     

< Wir sagen, daß der Ausdruck der Erwartung
die erwartete Tatsache beschreibt &
denken an sie wie an einen Gegenstand oder
Komplex der ˇ mit bei der Erfüllung der Erwartung in die Erscheinung tritt
>
     

     “Wenn immer ich über die Erfüllung eines Satzes rede, rede ich über
sie im Allgemeinen. Ich beschreibe sie in irgendeiner Form. Ja, es
liegt diese Allgemeinheit schon darin, dass ich die Beschreibung zum
Voraus geben kann und jedenfalls unabhängig von dem Eintreten der Tat-
sache.”
     

     Wenn man sagt, dass die Tatsache auf “allgemeine Art” beschrieben
wird // Wenn wir sagen, dass wir die Tatsachen auf “allgemeine Art”
beschreiben//, so setzen wir diese Art im Geiste einer andern entge-
gen. (Diese Entgegenstellung nehmen wir aber natürlich von wo anders
her.) Wir denken uns, dass bei der Erfüllung etwas Neues entsteht und
nun da ist, was früher nicht da war. Das heisst, wir denken an einen
Gegenstand oder Komplex, auf den wir nun zeigen können, beziehungswei-
se, der sich nun selbst repräsentieren kann, während die Beschreibung
nur sein Bild war. Wie wenn ich den Apfel, der auf diesem Zweig wach-
sen wird, zum Voraus gemalt hätte, nun aber er selber kommt. Man könn-
te dann sagen, die Beschreibung des Apfels war allgemein, d.h. mit
Wörtern, Farben, etc. bewerkstelligt, die schon vor dem Apfel und
nicht speziell für ihn da waren. Gleichsam altes Gerümpel im Vergleich
mit dem wirklichen Apfel. Vorläufer //Vorbilder//, die alle abdanken
müssen, wenn der Erwartete // (selber) kommt.
     

     Aber der Erwartete ist nicht die Erfüllung, sondern:
dass er gekommen ist.

366
     
     Dieser Fehler ist tief in unserer Sprache verankert: Wir sagen “ich
erwarte ihn” und “ich erwarte sein Kommen” und “ich erwarte, dass er
kommt”.
     

     Die Tatsache wird allgemein beschrieben heisst, sie wird <…> aus al-
ten Bestandteilen zusammengesetzt.
     Sie wird beschrieben, das ist so, als wäre sie uns, ausser durch
die Beschreibung, noch anders gegeben.
     

     Hier wird die Tatsache mit einem Haus oder einem andern // sonstigen//
Komplex gleichgestellt.
     

     Noch einmal der Vergleich: der Mensch tritt ein – die Tatsache //das
Ereignis// tritt ein: Als wäre die Tatsache //das Ereignis// schon
vorgebildet vor der Tür der Wirklichkeit und würde nun in diese eintre-
ten, wenn sie // es// eintritt.
     

     Das ganze Problem der Bedeutung der Worte ist darin aufgerollt, dass
ich den A suche, ehe ich ihn gefunden habe. – Es ist darüber zu sa-
gen, dass ich ihn suchen kann, auch wenn er in gewissem Sinne nicht
existiert.
     Wenn wir sagen, ein Bild ist <…> da[t|z]u nötig, wir müssen in irgend einem
Sinne ein Bild von ihn herumtragen, so sage ich: vielleicht; aber was
hat es für einen Sinn, zu sagen, es sei ein Bild von ihm. Das hat
also auch nur einen Sinn, wenn ich ein weiteres Bild von ihm habe, das
dem Wort “ihm” entspricht.
     

     Man sagt etwa: Wenn ich von der Sonne spreche, muss ich ein Bild der
Sonne in mir haben. – Aber wie kann man sagen, dass es ein Bild der
367
Sonne ist. Hier wird doch die Sonne wieder erwähnt, im Gegensatz zu
ihrem Bilde. Und damit ich sagen kann: “das ist ein Bild der Sonne”,
müsste ich ein weiteres Bild der Sonne besitzen. u.s.w..
     

     Man könnte nur sagen: Wenn er von der Sonne spricht, muss er ein vi-
suelles Bild (oder Gebilde von der und der Beschaffenheit – rund, gelb,
etc.) vor sich sehen. Nicht, dass das wahr ist, aber es hat Sinn, und
dieses Bild ist dann ein Teil des Zeichens.
     

     Wie seltsam, ich kann ihn suchen, wenn er nicht da ist, aber ich
kann nicht auf ihn zeigen, wenn er nicht da ist. Das ist eigentlich das
Problem des Suchens und zeigt den irreführenden Vergleich.
     Man könnte sagen wollen: da muss er doch auch dabei sein, wenn ich
ihn suche. – Dann muss er auch dabei sein, wenn ich ihn nicht finde,
und auch, wenn es ihn nicht gibt.
     

     Ihn (etwa meinen Stock) suchen, ist eine Art des Suchens und unter-
scheidet sich davon, dass man etwas andres sucht, durch das, was man
beim Suchen tut (sagt, denkt), nicht durch das, was man findet.
     

     Und trage ich beim Suchen ein Bild mit mir oder eine Vorstellung, nun
gut. Und sage ich, das Bild sei das Bild des Gesuchten, so sagt das
nur, welchen Platz das Bild im Vorgang des Suchens einnimmt. Und finde
ich ihn und sage “da ist er! den habe ich gesucht”, so sind die
letzten Worte nicht etwa eine Worterklärung für die Bezeichnung des
gesuchten Gegenstandes (etwa für die Worte “mein Stock”), die erst
jetzt, wo er gefunden ist, gegeben werden könnte // kann//. – Wie man
das, was man wünscht, nach der Erfüllung des Wunsches nicht besser
weiss, oder erklären kann, als vorher.
368
     
     Man kann den Dieg Dieb nicht hängen ehe man ihn hat, wohl aber schon
suchen.
     

     “Du hast den Menschen gesu[f|c]ht? Wie war das möglich, er war doch
gar nicht da!”
     

     “Ich suche meinen Stock. – Da ist er!” Dies letztere ist keine Erklä-
rung des Ausdrucks “mein Stock”, die für das Verständnis des ersten Sat-
zes wesentlich wäre und die ich daher nicht hätte geben können, ehe mein
Stock gefunden war. Vielmehr muss der Satz “da ist er”, wenn er nicht
eine Wiederholung der (auch) früher möglichen Worterklärung ist, ein
neuer synthetischer Satz sein.
     

     Das Problem entspricht einer Verwechslung des eines Wortes oder Aus-
drucks mit dem Satz, der die Existenz, das Dasein, des Gegenstands be-
hauptet.
     

     “Den hast Du gesucht? Du konntest ja nicht einmal wissen, ob er
da ist!” (Vergleiche dagegen das Suchen nach der Dreite[l|i]lung des Winkels.)
     

     Auch haben wir hier die Verwechslung zwischen der Bedeutung und dem
Träger eines Wortes. Denn der Gegenstand, auf den ich bei dem Worte
den” zeige, ist der Träger des Namens, nicht seine Bedeutung.
     

     Kurz: ich suche den Träger des Namens, nicht dessen // seine// Bedeu-
tung // die Bedeutung des Namens//.
     Aber anderseits: ich suche und hänge den Träger des Namens. (?)
     

     Man kann von dem Träger des Namens sagen, dass er ([)|e]xistiert oder)
369
nicht existiert, und das ist natürlich keine Tätigkeit, obwohl man es
mit einer verwechseln könnte und sagen, er müsse doch dabei sein, wenn
er nicht existiert. (Und das ist von einem Philosophen bestimmt schon
einmal geschrieben worden.)
     

     (“Ich suche ihn”. – “Wie schaut er aus”. – “Ich weiss es nicht, aber
(ich bin sicher) ich werde ihn wiedererkennen, wenn ich ihn sehe”.)
     

     Der Gedanke, dass uns (erst) das Finden zeigt //sagt//, was wir
erwartet haben, heisst, den Vorgang so beurteilen, wie etwa die
Symptome der Erwartung bei einem Andern. Ich sehe
ihn etwa unruhig auf und ab gehen; da kommt jemand zur Tür herein und
er wird ruhig und gibt Zeichen der Befriedigung; und nun sage ich: “er
hat offenbar diesen Menschen erwartet”.
     

     Die ‘Symptome der Erwartung’ sind nicht der Ausdruck der Erwartung.
     Und zu glauben, ich wüsste erst nach dem Finden, was ich gesucht
(nach der Erfüllung, was ich gewünscht) habe, läuft auf einen unsinni-
gen “behaviourism” hinaus.
     

     “Ich wünsche mir eine gelbe Blume”. – “Ja, ich gehe und suche Dir
eine gelbe Blume. Hier habe ich eine gefunden”. – Gehört die Bedeutung
von “gelbe Blume” mehr zum letzten Satz, als zu den zwei vorhergehen-
den?
     

     Die Bedeutung des Wortes “gelb” ist nicht die Existenz eines gelben
Flecks: Das ist es, was ich über das Wort “Bedeutung” suchen sagen möchte.

370
     

     ““Die Vorstellung, die mit dem Wort rot verbunden ist, ist gewiss
die, welche der Tatsache entspricht, dass etwas rot ist, – nicht die,
die der Tatsache entspricht, dass etwas blau, also nicht rot
ist. Statt der Worterklärung “das ist rot” sollte ich sagen “so
sieht es aus, wenn etwas rot ist”. Ja, die Vorstellung rot ist die Vor-
stellung, dass etwas rot ist. Und darauf beruht jene Verwechslung von
Wort und Satz, von der ich früher sprach.””
     

< Könnte man zur [e|E]rklärung des Wortes
“rot” auf etwas ˇhinweisen was nicht rot
ist? Wie wenn man einem der der deutschen
Sprache nicht mächtig ist das Wort “be-
scheiden” erklären sollte & man zeigte
dazu auf einen sehr unbescheidenen arroganten
Menschen & sagte zur Erklärung: “der ist das Gegen-
teil von bescheiden”. Es ist kein Argument
gegen diese Erklärungsweise daß sie miß-
verstan
vieldeutig ist. Mißverstanden werden
kann jede Erklärung.
>
     

     Und hier ist, glaube ich, ein Hauptanstoss zum Missvers<t>ändnis, dass
das “Vorkommen von rot” in zwei Tatbeständen als deren gemeinsamer Be-
standteil einen doppelten Sinn hat. es einen doppelten Sinn hat, wenn ich vom “Vorkommen …” rede. <Das Mißverständnis äußert sich auch darin
daß es doppelsinnig ist vom “vorkommen ……”
zu reden.
> In dem einen Fall heisst es, dass
sowohl da wie dort etwas rot ist – d.h. die Eigenschaft rot hat.
In dem andern handelt es sich nicht um eine Gemeinsamkeit der Farbe
(die ja durch eine Farbangabe ausgedrückt würde).
     Diese Gemeinsamkeit ist eben die Harmonie zwischen von Welt // Wirklich-
keit// und Gedanken, die nicht zu beschreiben ist. // d[er|ie] in Wahrheit eine Regel Form unserer Ausdrucksweise Sprache ent-
spricht.

371
     




79
Im Ausdruck der Sprache berühren sich Erwartung und Erfüllung.
     






     In der Sprache berühren sich Erwartung und Ereignis.
     

     “Ich sagte, ‘geh' aus dem Zimmer’ und er ging aus dem Zimmer”.
     “Ich sagte, ‘geh aus dem Zimmer’ und er ging langsam aus dem Zimmer”.
     ”Ich sagte, ‘geh aus dem Zimmer’ und er sprang zum Fenster hinaus”.
     Hier ist eine Rechtfertigung möglich, auch wo die Beschreibung der
Handlung nicht die ist, die der Befehl gibt.
     

     Es ist doch offenbar nicht unmöglich // undenkbar//, dass Einer die
gelbe Blume so mit einem Phantasiebild sucht, wie ein Anderer mit dem
färbigen Täfelchen, oder ein Dritter in irgendeinem Sinne, mit dem Bild
einer Reaktion, die durch das, was er sucht, hervorgerufen werden soll
(Klingel).
     Womit immer aber er suchen geht (mit welchem Paradigma immer), nichts
zwingt ihn, das als das Gesuchte anzuerkennen, was er am Schluss wirk-
lich anerkennt, und die Rechtfertigung in Worten, oder andern Zeichen,
die er dann von dem Resultat //Ergebnis// gibt, rechtfertigt wieder
372
nur im in Bezug auf eine andere Beschreibung in derselben Sprache.
     

     Die Schwierigkeit ist aufzuhören, ‘warum’ zu fragen (ich meine, sich
dieser Frage zu enthalten).
     

     Du befiehlst mir “bringe mir eine gelbe Blume”; ich bringe eine und
Du fragst: “warum hast Du mir so eine gebracht?” Dann hat diese Frage
nur einen Sinn, wenn sie zu ergänzen ist “und nicht eine von dieser
(andern) Art”.
      D.h., diese Frage gehört schon in //bezieht sich schon auf// ein
System; und die Antwort muss sich auf das gleiche System beziehen.
     

     Auf die Frage “warum tust Du das auf meinen Befehl?” kann man
fragen: “was?”
     Da wäre es nun absurd zu fragen “warum bringst Du mir eine gelbe
Blume, wenn ich Dir befohlen habe, mir eine gelbe Blume zu bringen”.
Eher könnte man fragen “warum bringst Du eine rote Blume, wenn ich sag-
te, Du solltest eine gelbe bringen” oder “warum bringst Du eine dunkel-
gelbe auf den Befehl ‘bring' eine gelbe’?”
     


      Noch einmal: was ist das Kriterium dafür, dass der Befehl richtig
ausgeführt wurde? Was ist das Kriterium, nämlich auch für den Befehlen-
den? Wie kann er wissen, <…> dass der Befehl nicht richtig ausgeführt
wurde. Angenommen, er ist von der Ausführung befriedigt und sagt nun:
“von dieser Befriedigung lasse ich mich aber nicht täuschen, denn ich
weiss, dass doch nicht das geschehen ist, was ich wollte”. Er [i|e]rinnert
sich in irgend einem Sinne daran, wie er den Befehl gemeint hatte. ‒ ‒ ‒
In welchem Sinne?
Woran erinner[t|e] ich mich, wenn ich mich erinnere, das
373
gewünscht zu haben.
     

[Zu: Behauptung, etc.]

     Man hat vielleicht das Gefühl: es kann doch nicht im Satz “ich glau-
be, dass p der Fall ist” das ‘p’ dasselbe bedeuten, wie in der Behaup-
tung “p”, weil ja in der Tatsache des Glaubens, dass p der Fall ist, die
Tatsache dass p der Fall ist, nicht enthalten ist.
     

     Man hat das Gefühl, dass ich mich im Satz “ich erwarte, dass er kommt”
der Worte “er kommt” in anderem Sinne bediene, als in der Behauptung “er
kommt”. – Aber wäre es so, wie könnte ich davon reden, dass meine Erwar-
tung durch die Tatsache befriedigt ist?
     

     Nun könnte man aber fragen: Wie schaut das aus, wenn er kommt? – “Es
geht die Tür auf und ein Mann tritt herein, der …”. Wie schaut das
aus, wenn ich erwarte, dass er kommt? – “Ich gehe auf und ab, sehe auf
die Uhr, …”. – Aber der eine Vorgang hat ja mit anderen nicht die
geringste Aehnlichkeit! Wie kann man dann dieselben Worte zu ihrer Beschreibung gebrauchen? Aber, auf- und- abgehen konnte ich ja auch, ohne
zu ˇer-warten, dass er kommen werde, auf die Uhr sehen auch, etc.; das ist
also nicht das Charakteristische des Erwartens, dass er kommt. Das Cha-
rakteristische aber ist nur eben durch diese Worte gegeben. Und “er”
heisst dasselbe, wie in der Behauptung “er kommt” und “kommt” heisst das-
selbe, wie in der Behauptung, und ihre Zusammenstellung bedeutet nichts
anderes. D.h. z.B.: eine hinweisende Erklärung des Wortes “er” gilt
für beide Sätze.
     

< Diesen Vorgang würde ich nicht mit den Worten
“ich erwarte daß er kommt” beschreiben. Worin
läge es denn z.B. daß ich gerade ihn erwarte?
Ich sagte doch der Vorgang der Erwartung
sollte ein solcher sein, daß ich, ihn sehend,
erkennen müßte was erwartet wird.
>
     

[Zu: Behauptung, etc.]

     Wenn ich non-p glaube, so glaube ich dabei nicht zugleich p, weil “p”
in “non-p” vorkommt.

374
     
     p kommt in non-p in demselben Sinne vor, wie non-p in p.


     Die Worte “vorkommen” etc. sind eben unbestimmt, wie alle solche Prosa.
Exakt und unzweideutig und unbestreitbar sind nur die grammatischen Regeln,
die am Schluss zeigen müssen, was gemeint ist.
375
     



80
“Der Satz bestimmt, welche Realität ihn wahr macht”.
Er scheint einen Schatten dieser Realität zu geben. Der Befehl scheint
seine Ausführung in schattenhafter Weise vorauszunehmen.












⋎ S. 384/1,2
     

< Denn es ist also als ob dieses Etwas, die Handlung,
ein Ding wäre das wir in der Befolgung des Befehls
in die Existenz treten solle & als ob der Befehl
uns eben dieses Ding kennen lehrte, also zeigte, so
daß er es also schon in irgend einem Sinne
in die Existenz riefe //rufen müßte//.
Wie kann der Befehl die Erwartung uns den Menschen
zeigen ehe er in unser Zimmer eingetreten ist?!
>
     

     Die Beschreibung der Sprache muss dasselbe leisten wie die Sprache.
     

     Denn dann kann ich wirklich aus dem Satz, der Beschreibung der
Wirklichkeit, ersehen, wie es sich in der Wirklichkeit verhält.
     

     (Aber nur das nennt man ja “Beschreibung” und nur das nennt man
ja “ersehen, wie es sich verhält”!)
     

     (Und etwas anderes ist es ja nicht, was wir alle damit sagen: dass
wir aus der Beschreibung ersehen, wie es sich in Wirklichkeit verhält.)
     

     “Du beziehst von dem Befehl die Kenntnis dessen, was Du zu tun hast.
     Und doch gibt Dir der Befehl nur sich selbst, und seine Wirkung
ist gleichgültig.”
     

     Das wird erst dann seltsam, wenn der Befehl etwa ein Glockenzeichen
376
ist. – Denn, in welchem Sinne mir dieses Zeichen mitteilt, was ich zu
tun habe, ausser dass ich es einfach //eben// tue und das Zeichen
da war ‒ ‒ ‒. Denn es ist auch nicht das, dass ich es erfahrungsgemäss
immer tue, wenn das Zeichen gegeben wird.
     

     Darum hat es ja auch ohne weiteres keinen Sinn, zu sagen:
“Ich muss gehen, weil die Glocke geläutet hat”. Sondern, dazu muss noch
etwas anderes gegeben sein.
     

     Wie kann man die Handlung von dem Befehl “hole eine gelbe Blume”
ableiten? – Wie kann man das Zeichen “5” aus dem Zeichen “2 + 3” ableiten?
     

     Kann man denn, und in welchem Sinne kann man, aus dem Zeichen plus
dem Verständnis (also der Interpretation) die Ausführung ableiten, ehe
sie geschieht? Alles was man ableitet, ist doch nur eine Beschreibung
der Ausführung und auch diese Beschreibung war erst da, nachdem man
sie abgeleitet hatte.
     

     Die Ausführung des Befehls leiten wir von diesem erst ab,
wenn wir ihn ausführen.
     

     The bridge can only be crossed when we get there. (Gemeint ist
die Brücke zwischen Zeichen und Realität.)
     

     Von der Erwartung zur Erfüllung ist ein Schritt einer Rechnung. Ja,
die Rechnung steht zu ihrem Resultat 625 genau im Verhältnis
der Erwartung zur Erfüllung.

377
     

     Und so weit – und nur so weit – als diese Rechnung ein Bild des Resul-
tats ist, ist auch die Erwartung ein Bild der Erfüllung.
     

     Und so weit das Resultat von der //durch die // Rechnung, so weit ist
die Erfüllung durch die Erwartung bestimmt. //… von der Rechnung be-
stimmt ist, so weit ……//
     

     “Der Befehl nimmt die Ausführung voraus”. Inwiefern nimmt er sie denn
voraus? Dadurch, dass er das befiehlt //dass er jetzt befiehlt//,
was später ausgeführt (oder nicht ausgeführt) wird. Oder: Das, was wir
damit meinen, wenn wir sagen, der Befehl nimmt die Ausführung voraus,
ist dasselbe, was dadurch ausgedrückt ist, dass der Befehl be-
fiehlt, was später geschieht. Aber richtig: “geschieht, oder nicht ge-
schieht”. Und das sagt nichts. (Der Befehl kann sein Wesen eben nur
zeigen.)
     

     Aber, wenn auch mein Wunsch nicht bestimmt, was der Fall sein wird,
so bestimmt er doch sozusagen das Thema einer Tatsache, ob die nun den
Wunsch erfüllt, oder nicht.
     

     Muss er nun dazu etwas voraus wissen? Nein. p. V .non-p sagt wirklich
nichts.
     

     Wir wundern uns – sozusagen – nicht darüber, dass Einer die Zukunft
weiss, sondern – darüber, dass er überhaupt (richtig oder falsch) prophe-
zeien kann.
     

     Es ist, als würde die blosse Prophezeiung (gleichgültig ob richtig
oder falsch) schon einen Schatten der Zukunft vorausnehmen. – Während
378
sie über die Zukunft nichts weiss, und weniger als nichts nicht wissen
kann.
     

     Worin besteht das Vorgehen nach einer Regel? – Kann man das fragen? –
     Ich gehe nach einer Regel vor heisst: i[v|c]h gehe so vor, dass das, was
herauskommt, …. Dass das, was herauskommt, dieser Regel genügt.
     Nach der Regel vorgehen, heisst so vorgehen, und das ‘so’ muss
die Regel enthalten.
     

     Wenn die Regel heisst “wo Du ein
 
 
siehst, schreib' ein ‘c’”, so
ist damit gegeben, was ich tun soll, so weit es überhaupt gegeben sein
kann.

     
     Denn mehr bestimmt, als durch eine genaue Beschreibung, kann etwas
nicht sein. Dennk, bestimmen kann nur heissen, es beschreiben.
ch
     

     Dann ist eine Handlung nicht bestimmt, wenn die Beschreibung noch
etwas offen lässt // gelassen hat// (so, dass man sagen kann “ich weiss
noch nicht ob …”) was also die eine Beschreibung bestimmen kann.
Ist die Beschreibung vollständig, so ist die Handlung bestimmt. Und das
heisst, es kann der Beschreibung nur eine Handlung entsprechen.
(Nur so können wir das Wort //diesen Ausdruck// gebrauchen.)
     (Erinnern wir uns an die Argumentation über “Zahnschmerzen”.)
ch
     

     Hier ist auch der Zusammenhang mit der Frage: “sieht der Andere wirk-
lich dieselbe Farbe, wenn er blau sieht, wie ich?” Freilich, er sieht
blau! Das ist ja eben dieselbe Farbe. – D.h.?, die Frage, ob er als blau
dieselbe Farbe sieht, ist unsinnig, wenn angenommen ist, dass wir das
Recht haben, was er sieht und ich sehe, als ‘blau’ zu bezeichnen. Lässt
379
sich im gewöhnlichen Sinne – d.h. nach der gewöhnlichen Methode – kon-
statieren, dass er nicht dieselbe Farbe sieht, so kann ich nicht sagen,
dass wir beide blau sehen. Und lässt es sich konstatieren, dass wir
beide blau sehen, dann “sehen wir beide die gleiche Farbe”, denn dieser
Satz hat ja nur auf diese Proben bezug.

     

     
[Zu: Erinnerungszeit]

     Und so //analog// verhält es sich mit der Frage: “ist das, was ich
jetzt ‘gelb’ nenne, gewiss die gleiche Farbe, die ich früher ‘gelb’ ge-
nannt habe?” – Gewiss, denn es ist ja gelb. – Aber woher weisst Du das? –
Weil ich mich daran erinnere. – Aber kann die Erinnerung nicht täuschen? –
Nein. Nicht, ?–wenn ihr Datum gerade das ist, wonach ich mich richte–?. <…>
ch
     

     Wenn man nun fragt: Ist also die Tatsache durch die Erwartung auf ja
und nein bestimmt, oder nicht, d.h. ist es bestimmt, in welchem Sinne
die Erwartung durch ein Ereignis – welches immer eintrifft? – beantwortet
werden? wird, so muss man antworten: ja! Unbestimmt wäre es etwa im
Falle einer Disjunktion im Ausdruck der Erwartung.
     

     Wenn ich sage “der Satz bestimmt doch schon im Voraus, was ihn wahr
machen wird”: Gewiss, der Satz ‘p’ bestimmt, dass p der Fall sein muss,
um ihn wahr zu machen; das ist aber auch alles, was man darüber sagen
kann, und heisst nur “der Satz p – der Satz, den die Tatsache p wahr
macht”.
     
     In der Sprache wird alles
ausgetragen.












380
     



81
Intention.
Was für ein Vorgang ist sie? Man soll aus der Betrachtung dieses
Vorgangs ersehen können, was intendiert wird.
     






     Wenn eine Vorrichtung <…> als Bremse wirken soll, tatsächlich aber
aus irgendwelchen Ursachen den Gang der Maschine beschleunigt, so ist
die Absicht, der die Vorrichtung dienen sollte, aus ihr allein nicht
zu ersehen.
     Wenn man sagt “das ist der Bremshebel, er funktioniert aber nicht”,
so spricht man von der Absicht. Aehnlich ist es, wenn man eine verdor-
bene Uhr doch eine Uhr nennt.
     

     Angenommen, das Anziehen des Bremshebels bewirkt manchmal das Ab-
bremsen der Maschine und manchmal nicht. So ist daraus allein nicht
zu schliessen, dass er als Bremshebel gedacht war. Wenn nun eine be-
stimmte Person immer dann, wenn der Hebel nicht als Bremshebel wirkt,
ärgerlich würde –. So wäre damit auch nicht das gezeigt, was ich zei-
gen will. Ja, man könnte dann sagen, dass der Hebel einmal die Bremse,
einmal den Aerger betätigt. – Wie drückt es sich nämlich aus, dass die
Person darüber ärgerlich wird, dass der Hebel die Bremse nicht
381
betätigt hat?

     (Dieses über etwas ärgerlich sein ist nämlich
scheinbar von ganz derselben Art, wie: etwas fürchten, etwas wünschen,
etwas erwarten, etc.) Das “über etwas ärgerlich sein” verhält sich näm-
lich zu dem, worüber man ärgerlich ist, nicht wie die Wirkung zur Ursache,
also nicht wie Magenschmerzen zu der Speise mit der man sich den Magen
verdorben hat. Man kann darüber im Zweifel sein, woran man sich den Ma-
gen verdorben hat und die Speise, die etwa die Ursache ist, tritt in die
Magenschmerzen nicht als ein Bestandteil dieser Schmerzen ein; dagegen
kann man, in einem gewissen Sinne, nicht zweifelhaft sein, worüber man
sich ärgert, wovor man sich fürchtet, was man glaubt. (Es heisst nicht
“ich weiss nicht, – ich glaube heute, aber ich weiss nicht woran”!) –
Und hier haben wir natürlich das alte Prob[o|l]em, dass nämlich der Gedanke,
dass das und das der Fall ist, nicht voraussetzt, dass es der Fall ist.
Dass aber anderseits doch etwas von? der Tatsache für den Gedanken selbst
Voraussetzung sein muss. “Ich kann nicht denken, dass etwas rot ist, wenn
rot garnicht existiert”. Die Antwort darauf ist, dass die Gedanken in im
demselben Raum sein müssen, wie das Zweifelhafte[k|,] wenn auch an einer an-
dern Stelle. Im Raum der Sprache nämlich.
     

< Der Satz “ich könnte nicht denken daß etwas
rot ist wenn Rot nicht existierte” bezieht
sich wirklich auf die Vorstellung von etwas
Rotem oder die Existenz eines roten Musters
als Teil unserer Sprache. Aber natürlich
kann man auch nicht sagen, unsere
Sprache müsse ein solches Muster enthalten.
Enthält sie es nicht so ist sie eben
eine Andere. Aber man kann sagen
& betonen, daß sie es enthält.
>
     

In der Sprache wird alles ausgetragen.
     

     Darin, und nur darin besteht auch die (prästabilierte) Harmonie zwi-
schen Welt und Gedanken.
     Die Intention ist nun aber von genau derselben Art wie – z.B. – der
Aerger. Und da scheint es irgendwie, als würde man die Intention von
aussen betrachtet nie als Intention erkennen; als müsste man
sie selbst intendieren //meinen//, um sie als Meinung zu verstehen (von innen).
Das hiesse aber, sie nicht als Phänomen, nicht als Tatsache, zu betrach-
ten! <ˇ D.h. es hieße eine weitere (unklar angedeutete) Bedingungˇ der Erfahrung allem hinzufügen. >
< Und freilich, wenn die Meinung Meinen eine Erfahrung ist
so muß man aber diese haben um zu wirklich zu
meinen & nicht eine andere die man nennen könnte die
Meinung von außen sehen.
> Da ist zuerst zu sagen daß es hier kein außen & innen gibt.

< Woher der Gedanke die Idee man könne etwas “nicht als
Phänomen” betrachten? Wie kommt denn hier das
Subjekt in die Betrachtung?
>

< Die Frage Das Problem aber
ist: wie kann man
die Intention wenn man
sie nun hat in die Worte über-
setzen, sie sei die Intention
das [Den|& das] zu tun? Denn daß die
Intention nur kennt wer sie erlebt
hat (siehe Zahnschmerzen) gebe ich zu; warum
aber nennst Du sie die Intention das zu tun.
Das hat mit ihrem unbeschreibbaren Charakter
offenbar nichts zu tun
>

< Und einerseits ist das so als wollte man
sagen, man könne Zahnschmerzen, nur
von innen betrachtet als solche erkennen.
Von außen betrachtet wäre er z.B. gar nicht unangenehm.

     Und hier erinnert die Intention an den Willen (auch im
Schopenhauerschen Sinn).
Die Zahnschmerzen geben [e|E]iem aber gar
kein solches Problem
Die Frage Das Problem aber
ist: wie kann man
die Intention wenn man
sie nun hat in die Worte über-
setzen, sie sei die Intention
das & das zu tun? Denn daß die
Intention nur kennt wer sie erlebt
hat (siehe Zahnschmerzen) gebe ich zu; warum
aber nennst Du sie die Intention das zu tun. –
Das hat mit ihrem unbeschreibbaren Charakter
offenbar nichts zu tun.
>

Das ist natürlich wieder das vorige Problem, denn der Witz ist,
dass man es den Gedanken (als selbständige Tatsache betrachtet) ansehen
382
muss, dass er der Gedanke ist, dass das und das der Fall ist. Kann man
es ihm nicht ansehen (so wenig wie den Magenschmerzen woher sie rühren),
dann hat er kein logisches Interesse, oder vielmehr, dann gibt es keine
Logik
. – Das kommt auch darauf hinaus, dass man den Gedanken mit der
Realität muss unmittelbar vergleichen können und es nicht erst einer
Erfahrung bedürfen kann, dass diesem Gedanken diese Realität entspricht.
(Darum unterscheiden sich auch Gedanken nach ihrem Inhalt, aber Magen-
schmerzen nicht nach dem, was sie hervorgerufen hat.)

     Meine Auffassung scheint unsinnig, wenn man sie so ausdrückt: man
soll sehen können, worüber Einer denkt, wenn man ihm den Kopf aufmacht;
wie ist denn das möglich? die Gegenstände, über die er denkt, sind ja
garnicht in seinem Kopf (ebensowenig wie in seinen Gedanken)!
     Man muss nämlich die Gedanken, Intentionen (etc.) von aussen betrach-
tet als solche verstehen, ohne über die Bedeutung von etwas unterrich-
tet zu werden. Denn auch die Relation des Bedeutens wird ja dann als ein
Phänomen gesehen (und ich kann //darf// dann nicht wieder auf eine Be-
deutung des Phänomens hinweisen müssen, da ja dieses Bedeuten wieder in
den Phänomenen dem Phänomen mit inbegriffen ist).
     

     Wenn man den Gedanken betrachtet, so kann also von einem Verstehen
keine Rede mehr sein, denn, sieht man ihn, so muss man ihn als den Ge-
danken dieses Inhalts erkennen, es ist nichts zu deuten. – Aber so ist
es ja wirklich, wenn wir denken, da wird nicht gedeutet. –
     

Kann man Magenschmerzen von außen
betrachtet als solche verstehen? Und
was heißt es heißt sind “Magenschmerzen von
außen betrachtet”. Es sind Magen-
schmerzen gemeint die man hat
nicht die des Andern deren Wirkungen man sieht.

Wie kommt es daß ich hier etwas der
Erfahrung entgegensetzen will?
     

Freilich, sofern das Meinen eine spezifische Erfah-
rung ist kann man keine Andere das Meinen
nennen. Nur erklärt keine besondere Erfah-
rung die Richtung der Meinung. Und wenn
wir sagten “von außen betrachtet …” so
wollen wir auchˇ gar nicht sagen die Meinung sei
eine besondere Erfahrung sondern sie sei nicht
etwas was geschähe oder uns geschähe, sondern
(denn das wäre ja tot) sondern etwas was
wir tun.
     

     Das Subject falle hier nicht aus
der Erfahrung heraus sondern sei
so in ihr involviert daß sich die Erfah-
rung nicht beschreiben ließe
     


      <Es ist beinahe als sagte man wir können
uns nicht dort hingehen sehen da wir nicht
selbst gehen. (Und also nicht stehen & zuschauen können)
Aber hier laborieren wir eben wie soˇ sehr oft
an einer Ausdrucksweiseˇ die inadäquat ist die wir abschütteln
wollen & ˇaber zugleich doch gebrauchen & kleiden den Protest
gegen unsere eigene Ausdrucksweise in einen
verneinenden Satz in dieser Ausdrucksweise.
>
<Denn wenn man sagt “wir sehen uns dorthin
gehen” so meint man eben daß wir sehen was
man sieht wenn man selbst geht & nicht was
>
<man sieht wenn ein Andrer geht.> <Und man sieht
ja
hat ja auch eine bestimmte [s|S]eherfahrung wenn
man selbst geht.
>
     


      Die kausale Bedeutung d Erklärung des Bedeutens und Verstehens lautet
im Wesentlichen so: einen Befehl verstehen heisst, man würde ihn ausfüh-
ren, wenn ein gewisser Riegel zurückgezogen würde. – Es würde jemandem
befohlen, einen Arm zu heben, und man sagt: den Befehl verstehen heisst,
den Arm zu heben.
Das ist klar, wenn auch gegen unseren Sprachgebrauch
383
(wir nennen das “den Befehl befolgen”). Nun sagt man //[ Frege]//] aber:
den Befehl verstehen heisst, entweder den Arm heben, oder, wenn das
nicht, etwas bestimmtes Anderes tun – etwa das Bein heben. Nun heisst
das aber nicht “verstehen im ersten Sinn, denn der Befehl war nicht “den
Arm oder das Bein zu heben”. Der Befehl bezieht sich also (nach wie vor)
auf eine Handlung, die nicht geschehen ist. Mit andern Worten, es
bleibt der Unterschied bestehen zwischen dem Verstehen und dem Befolgen
des Befehls. Und weiter //[ Frege]//]: ein unverstandener Befehl ist gar
kein Befehl. – Dieses Verstehen des Befehls kann nicht irgend eine Hand-
lung sein, (etwa den Fuss heben) sondern sie muss das Wesen des Befehls
selbst enthalten.
     

     “In dem Faktum des Verstehens muss das Verstehen (was immer es ist)
seinen Ausdruck finden.
     In dem Vorgang des Verstehens (welcher immer der sei) muss das Ver-
stehen ausgedrückt sein.”
     (Wenn ich Einem in die Seele sehe, müsste ich sehen, woran er denkt.
Siehe Vorgang des Denkens.)
     

     In der Sprache wird alles ausgetragen.
     

< Wenn ich in der Sprache denke so schweben mir nicht
neben dem sprachlichen Ausdruck noch Bedeutun-
gen vor sondern die Sprache selbst ist das Vehi-
kel der Gedanken.
>
     

     Warum scheint mir mein Gedanke ein so exceptionelles Stück Wirklich-
keit zu sein? Doch nicht, weil ich ihn “von innen” kenne, das heisst
nichts; sondern offenbar, weil ich alles in Gedanken ausmache, und über
das Denken auch nur wieder denke.
     

< Die Spra Alles wird auf den gemeinsamen
Nenner der Sprache gebracht & dort
verglichen.
384
>
     




82
Kein Gefühl der Befriedigung (kein Drittes) kann das Kriterium dafür
sein, dass die Erwartung erfüllt ist.
     






[Zu §80 S.375]

     Man könnte nämlich denken, wie ist es; der Gedanke und die Tatsache
sind verschieden; aber wir nennen den Gedanken: den, dass die Tat-
sache der Fall ist; oder die Tatsache: die, welche den Gedanken wahr
macht. Ist da das Eine eine Beschreibung mit Hilfe des Anderen? Wird der
Gedanke mittels der Tatsache, die ihn wahr macht beschrieben,
also einer äusseren Eigenschaft nach beschrieben, wie wenn ich von je-
mandem sage, er sei mein Onkel?


     Wenn man den Ausdruck “der Gedanke, dass … der Fall ist” als Be-
schreibung
erklärt, so ist damit wieder nichts erklärt, weil
es sich fragt: wie ist eine solche Beschreibung möglich, sie selbst sel-
ber wieder das Wesen des Gedankens voraus, denn sie enthält den Hinweis
auf eine Tatsache, die nicht geschehen ist, also gerade das, was proble-
matisch war.
     

     Die Erfüllung der Erwartung besteht nicht darin, dass ein Drittes ge-
385
schieht, das man ausser eben als “die Erfüllung der Erwartung” auch noch
anders beschreiben könnte, also z.B. als ein Gefühl der Befriedigung,
oder der Freude, oder wie immer.
     Denn die Erwartung, dass p der Fall sein wird, muss das Gleiche sein,
wie der die Erwartung der Erfüllung dieser Erwartung, dagegen wäre, wenn
ich unrecht habe, die Erwartung, dass p eintreffen wird, verschieden von
der Erwartung, dass die Erfüllung dieser Erwartung eintreffen wird.
     

     Könnte denn die Rechtfertigung lauten: “Du hast gesagt ‘bring’ etwas
Rotes’ und dieses hier hat mir daraufhin ein Gefühl der Befriedigung
erzeugt // gegeben//, darum habe ich es gebracht”?
     

     Müsste man da nicht antworten: Ich habe Dir doch nicht geschafft, mir
das zu bringen, was Dir auf [D|m]eine Worte hin ein solches Gefühl geben
wird!
     

     Ich gehe die gelbe Blume suchen. Auch wenn mir während des Gehens
ein Bild vorschwebt, brauche ich es denn, wenn ich die gelbe Blume – oder
eine andere – sehe? – Und wenn ich sage “sobald ich eine gelbe Blume se-
he, schnappt, gleichsam, etwas in der Erinnerung //dem Gedächtnis//
ein”: kann ich denn dieses Einschnappen eher voraussehen, erwarten, als
die gelbe Blume? Ich wüsste nicht, warum. D.h., wenn es in einem bestimm-
ten Fall wirklich so ist, dass ich nicht die gelbe Blume, sondern ein
anderes (indirektes) Kriterium erwarte, so ist das dies jedenfalls
keine Erklärung des Erwartens.
     

     Aber geht nicht mit dem Eintreffen des Erwarteten immer ein Phänomen
der Zustimmung //Bejahung (oder Befriedigung[/|)] Hand in Hand? Dann
frage ich: Ist dieses Phänomen ein anderes, als das Eintreten des Erwar-
386
teten? Wenn ja, dann weiss ich nicht, ob so ein anderes Phänomen die Er-
füllung immer begleitet. – Oder ist es dasselbe, wie die Erfüllung? Wenn
ich sage: Der, dem die Erwartung erfüllt wird, muss doch nicht sa-
gen “ja, das ist es” (oder dergleichen), so kann man mir antworten:
“gewiss, aber er muss doch wissen, dass die Erwartung erfüllt ist”. –
Ja, soweit das Wissen dazu gehört, da dass [d|s]ie erfüllt ist. In diesem
Sinne: wüsste er's nicht, so wäre sie nicht erfüllt. – “Wohl, aber, wenn
einem eine Erwartung erfüllt wird, so tritt doch immer eine Entspannung
auf!” – Woher weisst Du das? –
     

     Beim Versteckenspiel erwarte ich, den Fingerhut zu finden. Wenn ich
ihn finde, gebe ich ein Zeichen der Befriedigung von mir, oder ich fühle
doch (eine?) Befriedigung. Dieses Phänomen mag ich auch erwartet haben
(oder auch nicht), aber diese Erwartung ist nicht die, den Fingerhut zu
finden. Ich kann beide Erwartungen haben und die sind offenbar ganz ge-
trennt.
     

     Es ist nicht so, dass wir eine Unbefriedigung //das Phänomen einer
Unbefriedigung spüren //merkenbemerken//, die dann durch finden des Finger-
hutes aufgehoben wird //vergeht//, und nun sagen: “also war jenes Phä-
nomen die Erwartung des Fingerhutes //den Fingerhut zu finden//”.
     Nein, das erste Phänomen ist die Erwartung des Fingerhutes [n|//] den Fin-
gerhut zu finden// so sicher, als // wie// das zweite das Finden des
Fingerhutes ist. Das Wort “Fingerhut” //Der Ausdruck “finden des Finger-
huts”// gehört zu der Beschreibung des ersten so notwendig, wie zur Be-
schreibung des zweiten. Nur verwechseln wir nicht “die Bedeutung des
Wortes ‘Fingerhut’” (den Ort dieses Worts im grammatischen Raume) mit
der Tatsache, dass ein Fingerhut hier ist.
387
     



83
Der Gedanke – Erwartung, Wunsch, etc. – und die gegenwärtige Situation.
     






     “Die Beschäftigung mit dem Bild erscheint als Spielerei, Wenn der Gedanke ein Bild ist, so erscheint die Beschäftigung mit diesen Bild als Spielerei…… wenn sie
sich nicht mit der uns [u|i]nteressierenden Wirklichkeit befasst. Wenn ich
hoffe, dass er zur Tür hereinkommen wird, so beschäftige ich mich mit
dieser Tür, etwa mit dem Boden, auf den er treten wird. Und das
Uebrige, was die Phantasie tut, ist nicht Spiel, sondern eine Art Vor-
bereitung, eine Tätigkeit (sozusagen eine Arbe<i>t), die die Form des Bil-
des in sich trägt. Etwa so (nur nicht unbedingt so explicit) wie wenn
ich seinen Weg mit einem Teppich belegen und an einer bestimmten Stelle
einen Stuhl herrichten wollte.”
     Denn warum sollen wir uns gerade für dieses Bild interessieren, wo
wir uns doch sonst mit Seelenzuständen, Magenschmerzen, etc. nicht be-
fassen.
     

<      Der Kalkül des Denkens knüpft mit
der Wirklichkeit an.
>
     

<      Die Erwartung ist eine vorbereitende Handlung.
Eine vorbereitende Handlung innerhalb der Sprache
(Berechnung des Dampfkessels.)
>
     




<
      [gehört zur Erklärung des Wesens der Erwartg. Erwartg. als Hohlform eine Foll-
form fordernd.

Die Erwartung ist eine ˇerwartende vorbereitende Handlung. Eine vorb.
H. innerhalb der Sprache. In der Sprache wird alles ausgetragen.
// Die Erwartg. ist eine Vorbereitung auf etwas
eine Vorbereitung innerhalb d. Sprache.

Siehe S. 354
>
     

     (Der Plan kann mich nur leiten, wenn ich auch auf dem Plan bin.)
     

     Wenn ich mit verbundenen Augen die Richtung verloren habe und man
mir nun sagt: geh' dort und dort hin, so hat dieser Befehl keinen Sinn
für mich.
388
     

[Zu S. 102]

     Ich erwarte mir, dass der Stab im selben Sinne 2 m hoch
sein wird, in dem er jetzt 1 m 99 cm hoch ist.
      In der Spr. wird alles ausgetr.

     

     In demselben Sinne, ind dem er jetzt 1 m hoch ist, wird er
später 1,5 m hoch sein.
     

     Wäre der Gedanke sozusagen eine Privatbelustigung und hätte nichts
mit der Aussenwelt zu tun, so wäre er für uns ohne jedes Interesse (wie
etwa die Gefühle bei einer Magenverstimmung). Was wir wissen wollen ist:
Was hat der Gedanke mit dem zu tun, was ausser dem Gedanken vorfällt. Denn seine Bedeutung, ich meine seine Wichtigkeit, bezieht er ja nur da-
her.


     Was hat das, was ich denke, mit dem zu tun, was der Fall ist.
     

     Das Denken als Ganzes und seine mit seiner Anwendung geht sozu-
sagen automatisch d.h. als Kalkül vor sich. – Wieviele Zwischenstufen ich auch zwischen
den Gedanken und die Anwendung setze, immer folgt eine Zwischenstufe der
nächsten – und die Anwendung der letzten – ohne Zwischenglied. Und hier
haben wir den gleichen Fall, wie wenn wir zwischen Entschluss und Tat
durch Zwischenglieder vermitteln wollen.
     

     Wenn ich gehe, so enthält der einzelne Schritt nicht das Ziel, wohin
mich das Gehen bringen wird. Komme ich ans Ziel, so war jeder Schritt
ein Schritt zu diesem Ziel.

390
     

[Zu S. 102 §29]

     “Worin besteht es, sich eine gelbe Blume zu wünschen? Wesentlich darin,
dass man in dem, was man sieht, eine gelbe Blume vermisst? Also auch da-
rin, dass man erkennt, was in dem Satz ausgedrückt ist “ich sehe jetzt
keine gelbe Blume”.”
389
     
[Zu S. 102]

     Könnte man auch sagen: Man kann die Erwartung nicht beschreiben,
wenn man die gegenwärtige Realität nicht beschreiben kann oder, man kann
die Erwartung nicht beschreiben, wenn man nicht eine vergleichen-
de
Beschreibung von Erwartung und Gegenwart geben kann in der Form:
Jetzt sehe ich hier einen roten Kreis und erwarte mir später dort ein
blaues Viereck.
      D.h., der Sprachmasstab muss an dem Punkt der Gegenwart angelegt wer-
den und deutet dann über ihn hinaus – etwa in der Richtung der Erwartung.
     

< Ich will sagen um den Ort des Gewün-
schten zu bestimmen muß mein Sat
mein Satz wie ein Maßstab auf
die gegenwärtige Situationˇ in gewisser Richtg aufge-
setzt werden, denn wie sollte er
sonst den Punkt im Raum zeigen
wo das gewünschte sein soll?
Aber auch wenn so der Maßstab
an der Wirklichkeit aufstehtsitzt warum
muß ich ihn dann als gerade
diesen Wunsch interpretieren? Die
Schwierigkeit die man hier lösen will
ist wieder: “wie bestimmt der
Wunsch das gewünschte”. Und
man trachtet wieder vergebens
die Erfüllung des Wünsches im
Wunsche schon vorwegzunehmen.
>
     

[Zu S. 102]

     Ich will sagen: wenn ich über eine gelbe Blume rede, muss ich zwar
keine sehen, aber ich muss etwas sehen und das Wort “gelbe Blume”
hat quasi nur in Uebereinstimmung mit oder im Gegensatz zu dem Bedeutung,
was ich sehe. Seine Bedeutung würde quasi nur von dem aus bestimmt, was
ich sehe, entweder als das, was ich sehe, oder als das, was davon in der
und der Richtung so und so weit liegt. Hier meine ich aber weder Rich-
tung noch Distanz räumlich im gewöhnlichen Sinn, sondern es kann die
Richtung von Rot nach Blau und die Farbendistanz von Rot auf ein bestimm-
tes Blaurot gemeint sein. – Aber auch so stimmt meine Auffassung nicht.
Es ist schon richtig, dass der Satz “ich wünsche eine gelbe Blume” den
Gesichtsraum voraussetzt, nämlich nur insofern, als er in unserer Sprache
voraussetzt, dass der Satz “ich sehe jetzt eine gelbe Blume” und sein Ge-
genteil Sinn haben muss // hat//. Ja, es muss auch Sinn haben, oder viel-
mehr, es hat auch Sinn, zu sagen “das Gelb, was ich mir wünsche, ist grün-
licher als das, welches ich sehe”. Aber anderseits wird der grammatische
Ort des Wortes “gelbe Blume” nicht durch eine Massangabe, bezogen auf das,
was ich jetzt sehe, bestimmt. Obwohl, soweit von einer solchen Entfernung
und Richtung die Rede überhaupt sein kann, durch die Beschreibung des ge-
genwärtigen Gesichtsbildes und des Gewünschten diese Entfernung und Rich-
tung im grammatischen Raum gegeben sein muss.
     
     Ich habe das Gefühl, nur die Stellungnahme zu dem Bild kann es uns
zur Wirklichkeit machen, d.h., kann es mit der Wirklichkeit so verbinden,
gleichsam wie eine Lasche, die die Ueberleitung von dem Bild zur Wirklich-
keit herstellt, die beiden in der rechten Lage zueinander haltend, da-
durch, dass beide für sie dasselbe bedeuten.
     Die Furcht verbindet das Bild mit de[n|m] Schrecken der Wirklichkeit //mit
der Wirklichkeit//.
     

          Ich könnte vielleicht auch fragen:
Was ist es, was dem Bild eine Bedeutung
gibt?
          Die Kontinuität des Kalküls in mir.
          Ich benehme mich dem Bild gegenüber ähn-
lich wie der Wirklichkeit gegenüber & der
Kalkül das Nachdenken in mir vollzieht
sich in einer Einstellung oder einer konti-
nuierlichen Reihe von Einstellungen. D.h.
ich erlebe das Bild in seiner Art, wie die
Wirklichkeit in ihrer Art.
     

          Daß wir das Bild erleben, Unsere Stellungnahme zu dem Bild, daß wir das
Bild erleben……
macht es uns macht den Gedanken
zur Wirklichkeit.
     

           D.h. verbindet es mit der Wirklichkeit, indem
es eine Kontinuität herstellt.
     

Mit dem Bild ist der Satz gemeint. Und
das Problem war: “Was hat mein Gedanke mit
dem zu tun, was der Fall ist?” Das Problem
der Abbildung des Portraits etc. Oder (besser): “Dieses
Kreuz auf dem Plan bin ich”.
     

<           Ich bin empört, wenn ich die Beschreibung
eines Mordes lese //wenn ich von einem Mord lese//,
wie wenn ich Zeuge des Mordes bin. einen Mord sehe.
>
     

          Das Problem läßt scheinbar zwei Lösungen zu:
Man kann sagen, daß der Kalkül den
Gedanken mit der Wirklichkeit verbindet.
     

Früher sagte ich, daß der Satz seine
Bedeutung hat, indem er quasi in
uns eingreift.
     

Dazu auch: Wir denken, sehen voraus,
überlegen, weil wir nicht anders können.
     

Was macht uns die Erwartung zur Erwar-
tung?
     

          Man könnte fragen: Was macht uns das
Bild, den Gedanken, zur Wirklichkeit?
     


           Oder: Was macht uns den Glauben zur Wirk-
lichkeit?
     

          Nun das Glauben ist ein natürlicher Akt
der Menschen.
          Uns Bilder herzustellen ist Teil unseres
Lebens.
391
     

84
Glauben. Gründe des Glaubens.



< Man kann in Worten glauben. >
     

     Glauben. Hiermit verwandt ist: erwarten, hoffen, fürchten, wünschen.
Aber auch: zweifeln, suchen, etc..
     Man sagt: “Ich habe ihn von 5 bis 6 Uhr erwartet”, “ich habe de[m|n] gan-
zen Tag gehofft, er werde kommen”, “in meiner Jugend habe ich gewünscht
…”, etc.. Daher der falsche Vergleich mit in der Zeit amorphen Zu-
ständen (Zahnschmerz, das Hören eines Tones, etc., obwohl diese unter
sich wieder verschiedene sind).
     

     Was heisst es nun: “ich glaube, er wird um 5 Uhr kommen”? oder: “er
glaubt N werde um 5 Uhr kommen”? Nun, woran erkenne ich, dass er das
glaubt? Daran, dass er es sagt? oder aus seinem übrigen Verhalten? oder
aus beiden? Danach wird man dem Satz “er glaubt …” verschiedenen Sinn
geben können.
     

     Hat es einen Sinn zu fragen: “Woher weisst Du, dass Du das glaubst”?
Und ist etwa die Antwort: “ich erkenne es durch Introspection”?
     In manchen Fällen wird man so etwas sagen können, in manchen
aber nicht.
     

     Es hat einen Sinn, zu fragen: “liebe ich sie wirklich? mache ich mir
das nicht nur vor?” Und der Prozess der Introspection ist hier das Auf-
rufen
von Erinnerungen, das Vorstellen möglicher Situationen und der
Gefühle, die man hätte, etc..

603
392
     
                        Introspection nennt man einen Prozess // Vorgang // des
Schauens, im Gegensatz zum Sehen.
     

                        “Woher Wie weiss ich, dass ich das glaube?”, “wie weiss ich,
dass ich Zahnschmerzen habe?”: in mancher Beziehung sind diese Fälle //Bei-
spiele// ähnlich.
     

                        Man konstruiert hier nach dem Schema: “Woher weisst Du,
dass jemand im andern Zimmer ist?” – “Ich habe ihn drin singen gehört”.
            “Ich weiss, dass ich Zahnschmerzen habe, weil ich es fühle” ist nach
diesem Schema konstruiert und heisst nichts.
            Vielmehr: ich habe Zahnschmerzen = ich fühle Zahnschmerzen = ich
fühle, dass ich Zahnschmerzen habe (ungeschickter und irreführender Aus-
druck). “Ich weiss, dass ich Zahnschmerzen habe” sagt dasselbe, nur noch un-
geschickter, es sei denn, dass unter “ich habe Zahnschmerzen” eine Hypothese
verstanden wird. Wie in dem Fall: “ich weiss, dass die Schmerzen vom schlech-
ten Zahn herrühren und nicht von einer Neuralgie”.
            Denken wir auch an die Frage “wie merkst Du, dass Du Zahnschmerzen
hast?”, oder gar: “wie merkst Du, dass Du fürchterliche Zahnschmerzen hast?”
(Dagegen: “wie merkst Du, dass Du Zahnschmerzen bekommen wirst”.)
     

     In dem Sinn von ‘Z.’ in dem man geneigt ist zu
sagen ‘ich kann nicht Z. haben ohne es
zu wissen’ heißt es eben darum nichts
zu sagen “ich weiß daß ich Z. habe” es
sei denn daß dies ein ungeschickter Aus-
druck ist statt des Satzes “ich habe
Z.”
     


Ist “Ich glaube …” der Ausdruckˇ des Glaubens oder die
Beschreibung des Geisteszustandes? des Glaubens?
     

Ist der Satz “es regnet” die Beschreibung meines Geistes-
zustandes? da es doch die Wiedergabe des meines Gedankens
ist daß es regnet. Wir werden nicht so leicht
geneigt sein den Satz die Beschreibung des Geistes-
zustands zu nennen, wenn wir sehen bedenken, daß
das Denken im Reden bestehen kann, keine Be-
gleitung des Gedankenausdrucks ist.
     

     Man kann in Worten glauben.
     
Anderseits warum sollen wir nicht sagen,
daß der Satz die Aussage “Ich glaube …” die
Beschreibung des Geisteszustandes ist? es ist
ja damit nichts verredet. Denn “Geisteszu-
stand” & “Beschreibung des eines Geisteszustands
heißt eben so [v|V]ieles.
     

                        (Hierher gehört die Frage: welchen Sinn hat es, von
der Verifikation des Satzes ‘ich habe Zahnschmerzen’ zu reden? Und hier sieht
man deutlich, dass die Frage “wie wird dieser Satz verifiziert” von einem
Gebiet der Grammatik zum andern ihren Sinn ändert.)
     

                        Man könnte nun die Sache so (falsch) auffassen: Die
393
604
     
     
Frage “wie weisst Du, dass Du Zahnschmerzen hast” wird darum nicht gestellt,
weil man dies von den Zahnschmerzen (selbst) aus erster Hand erfährt, während
man, dass ein Mensch im andern Zimmer ist, aus zweiter Hand, etwa durch ein
Geräusch, erfährt. Das eine weiss ich durch unmittelbare Beobachtung, das
andere erfahre ich indirekt. Also: “Wie weisst Du, dass Du Zahnschmerzen
hast” – “Ich weiss es, weil ich sie habe” – “Du entnimmst es daraus, dass Du
sie hast; aber musst Du dazu nicht schon wissen, dass Du sie hast?”. ‒ ‒ ‒ Der
Uebergang von den Zahnschmerzen zur Aussage “ich habe Zahnschmerzen” ist eben
ein ganz anderer, als der vom Geräusch zur Aussage “in diesem Zimmer ist je-
mand”. Das heisst, die Uebergänge gehören ganz andern Sprachspielen an //ge-
hören zu ganz verschiedenen Sprachspielen//.
     

     
                        Ist, dass ich Zahnschmerzen habe ein Grund
zur Annahme, dass ich Zahnschmerzen habe?
     

     
                        (Man kann die Philosophen dadurch verwirren (confound), dass man
nicht bloss da Unsinn spricht, wo auch sie es tun, sondern auch solchen, den
zu sagen sie sich scheuen (würden).)
     

     
                        Erschliesst man aus der Wirklichkeit einen Satz? Al-
so etwa “aus den wirklichen Zahnschmerzen, darauf, dass man Zahnschmerzen
hat”? Aber das ist doch nur eine unkorrekte Ausdrucksweise; es müsste heis-
sen: man schliesst, dass man Zahnschmerzen hat daraus, dass man Zahnschmer-
zen hat (offenbarer Unsinn).
     

     
                        “Warum glaubst Du, dass Du Dich an der Herdplatte
verbrennen wirst?” – Hast Du Gründe für diesen Glauben, und brauchst Du
Gründe?
394
605

           Hast Du diese Gründe – gleichsam – immer bei Dir, wenn Du es
glaubst?
           Und glaubst Du es immer – ausdrücklich – wenn Du Dich etwa wehrst,
die Herdplatte anzurühren?
           Meint man mit ‘Gründen des Glaubens //für den Glauben//’ dasselbe,
wie mit ‘Ursachen des Glaubens’ (Ursachen des Vorgangs des Glaubens)?
     

     
                        Was für einen Grund habe ich, anzunehmen, dass mein
Finger, wenn er den Tisch berühren, einen Widerstand spüren wird? Was für ei-
nen Grund, zu glauben, dass dieser Bleistift sich nicht schmerzlos durch
meine Hand stecken lässt? Wenn ich dies frage, melden sich hundert Gründe,
die einander gar nicht zu Wort kommen lassen wollen. “Ich habe es doch
selbst ungezählte Male erfahren; und ebenso oft von ähnlichen Erfahrungen
gehört; wenn es nicht so wäre, würde …; etc.”.
     

     
                        Glaube ich, wenn ich auf meine Türe zugehe, ausdrück-
lich, dass sie sich öffnen lassen wird, – dass dahinter ein Zimmer und nicht
ein Abgrund sein wird, etc.?
           Setzen wir statt des Glaubens den Ausdruck des Glaubens. –
     

     
                        Was heisst es, etwas aus einem bestimmten Grunde
glauben? Entspricht es, wenn wir statt des Glaubens den Ausdruck des Glau-
bens setzen, dem, dass Einer // man // den Grund sagt, ehe er // man // das
Begründete sagt?
     

     
                        “Hast Du es aus diesen Gründen geglaubt[|?]” ist dann
eine ähnliche Frage, wie: “hast Du, als Du mir sagtest, 25 × 25 sei 625, die
395
606
Multiplikation wirklich ausgeführt?”
     

     
                        Die Frage “warum glaubst Du das” //“aus welchen Grün-
den glaubst Du das”// könnte bedeuten: “aus welchen Gründen leitest Du das
jetzt ab (hast Du es jetzt abgeleitet)”; aber auch: “welche Gründe kannst
Du mir nachträglich für diese Annahme angeben”.
     

     
                        Ich könnte also unter ‘Gründen’ zu einer Meinung
tatsächlich nur das das allein verstehen, was der Andere sich vorgesagt hat, ehe er zu
der Meinung kam. Die Rechnung, die er tatsächlich ausgeführt hat.
     

     
                        Frage ich jemand: “warum glaubst Du, dass diese Arm-
bewegung einen Schmerz mit sich bringen wird?”, und er antwortet: “weil sie
ihn einmal hervorgebracht und einmal nicht hervorgebracht hat”, so werde ich
sagen: “das ist doch kein Grund zu Deiner Annahme”.
           Wie nun, wenn er mir darauf antwortet: “oh doch! ich habe diese An-
nahme noch immer gemacht, wenn ich diese Erfahrung gemacht hatte”? – Da
würden wir doch sagen: “Du scheinst mir die Ursache (psychologische Ursache)
Deiner Annahme anzugeben, aber nicht den Grund”.
     

     
                        “Warum glaubst Du, dass das geschehen wird?” – “Weil
ich es zweimal beobachtet habe”.
           Oder: “Warum glaubst Du, dass das geschehen wird?” – “Weil ich es
mehrmals beobachtet habe; und es geht offenbar so vor sich: …” (es
folgt eine Darlegung einer umfassenden Hypothese). Aber diese Hypothese, die-
ses Gesamtbild, muss Dir einleuchten. Hier geht die Kette der Gründe
nicht weiter. – (Eher könnte man sagen, dass sie sich schliesst.)
396
607
     
     
                        Man möchte sagen: Wir schliessen nur dann aus der
früheren Erfahrung auf die zukünftige, wenn wir die Vorgänge verstehen (im
Besitze der richtigen Hypothese sind). Wenn wir den richtigen, tatsächli-
chen, Mechanismus zwischen den beiden Beobachteten Rädern annehmen. Aber den-
ken wir doch nur: Was ist denn das // unser// Kriterium dafür, dass unsere
Annahme die richtige ist? –
           Das Bild und die Daten überzeugen uns und führen uns nicht wieder
weiter – zu andern Gründen.
     

     
                        Wir sagen: “diese Gründe sind überzeugend”; und da-
bei handelt es sich nicht um Prämissen, aus denen das folgt, wovon wir
überzeugt wurden.
     

     
                        Wenn man sagt: “die gegebenen Daten sind insofern
Gründe, zu glauben, p werde geschehen, als dies aus den Daten zusammen mit
dem angenommenen Naturgesetz folgt”, – dann kommt das eben darauf hinaus, zu sagen, das Geglaubte folge aus den Daten nicht, sondern komme viel-
mehr ?–einer neuen Annahme gleich–?.
     

     
                        Wenn man nun fragt: wie kann aber frühere Er-
fahrung ein Grund zur Annahme sein, es werde später das und das eintreffen, –
so ist die Antwort: welchen allgemeinen Begriff vom Grund zu solch einer An-
nahme haben wir denn? Diese Art Angabe über die Vergangenheit nennen wir
eben Grund zur Annahme, es werde das in Zukunft geschehn. – Und wenn man
sich wundert, dass wir ein solches Sprachspiel //Spiel// spielen, dann be-
rufe ich mich auf die Wirkung einer vergangenen Erfahrung (dass
ein gebranntes Kind das Feuer fürchtet).

397
608
     
     
                        Wer sagt, er ist durch Angaben über Vergangenes nicht
davon zu überzeugen, dass in Zukunft etwas geschehen wird, der muss etwas
anderes mit dem Wort “überzeugen” meinen, als wir es tun. – Man könnte ihn
fragen: Was willst Du denn hören? Was für Angaben nennst Du Gründe um? // da-
für//, das zu glauben? Was nennst Du “überzeugen”? Welche Art des “Ueber-
zeugens” erwartest Du Dir. – Wenn das keine Gründe sind, was sind denn
Gründe? – Wenn Du sagst, dass sind [G|//] seien// keine Gründe, so musst Du
doch angeben können, was der Fall sein müsste, damit wir mit Recht sagen
könnten, es seien Gründe für unsern Glauben //unsere Annahme// vorhanden.
‘Keine Gründe’ – : im Gegensatz wozu?
     

     
                        Denn, wohlgemerkt: Gründe sind hier nicht Sätze, aus
denen das Geglaubte folgt.
     

     
                        <Aber> [N|n]icht, als ob man // wir // sagen könnte (kön //woll-
ten //: Für's Glauben genügt eben weniger, als für das Wissen. – Denn hier
handelt es sich nicht um eine Annäherung an das logische Folgen.
     

     
                        Irregeführt werden wir durch die Ausdrucksweise // Rede-
weise//: “Das ist ein guter //richtiger// Grund zu unserer Annahme, denn
er macht das Eintreffen des Ereignisses wahrscheinlich”. //“Dieser Grund ist
gut, denn er macht das Eintreffen des Ereignisses wahrscheinlich”.// Hier
ist es, als ob wir nun etwas weiteres über den Grund ausgesagt hätten, was
seine Zugrundelegung //was ihn als (guten) Grund// rechtfertigt; während
mit dem Satz, dass dieser Grund das Eintreffen wahrscheinlich macht, nichts
gesagt ist, wenn nicht, dass dieser Grund dem //einem // bestimmten Standard
des guten Grundes entspricht, – der Standard aber nicht begründet ist!

398
609
     
     
                        Ein guter Grund ist einer der so aussieht.
     

     
                        “Das ist ein guter Grund, denn er macht das Eintref-
fen wahrscheinlich” erscheint uns so wie: “das ist ein guter Hieb, denn er
macht den Gegner kampfunfähig”.
     

     
                        Man möchte ist versucht zu sagen: “ein guter Grund ist er nur da-
rum, weil er das Eintreffen wirklich wahrscheinlich macht”. Weil er
sozusagen wirklich einen Einfluss auf das Ereignis hat, also quasi einen
erfahrungsmässigen.
     

     
                        “Warum nimmst Du an, dass er besserer Stimmung sein
wird, weil ich Dir sage, dass er gegessen hat? ist denn das ein Grund?” –
“Das ist ein guter Grund, denn das Essen hat erfahrungsgemäss einen Einfluss
auf seine Stimmung”. Und das könnte man auch so sagen: “Das Essen macht es
wirklich wahrscheinlicher, dass er guter Stimmung sein wird”.
           Wenn man aber fragen wollte: “Und ist alles das, was Du von der
früheren Erfahrung vorbringst, ein guter Grund, anzunehmen, dass ˇes sich auch
diesmal so verhalten wird”, so kann ich nun nicht sagen: ja, denn das macht
das Eintreffen der Annahme w[h|a]hrscheinlich. Ich habe oben meinen Grund mit
Hilfe des Standards für den guten Grund gerechtfertigt; jetzt kann ich aber
nicht den Standard rechtfertigen.
     

     
                        Wenn man sagt “die Furcht ist begründet”, so ist
nicht wieder begründet, dass wir das als guten Grund zur Furcht ansehen.
Oder vielmehr: es kann hier nicht wieder von einer Begründung die Rede sein.

399
     
     Wenn der Grund, etwas zu glauben die Begründung eines Glaubens, eine erfahrungsgemässe Beziehung
wäre, so müsste man weiter fragen “und warum ist das ein Grund ge-
rade für diesen Glauben”. Und so ginge es weiter. (Z.B. “warum
nehmen wir das Gedächtnis als Grund für den Glauben, dass etwas in der
Vergangenheit geschehen ist”.)
     

Wenn die Beziehung des Grundes zum Begründeten eine
wäre, die die Erfahrung lehrt, so müßte man weiter
fragen: und mit welchem Recht nimmst Du das als Grund
für diesen Glauben? Und so ginge es weiter; & der Glaube
wäre nie gerechtfertigt.
     

Vergleiche damit: “Wenn eine Verbindungˇ zweier Dinge immer in einer
Vermittlung durch ein drittes Ding besteht, dann
sind zwei Dinge nie mit einander verbunden? Das
ist falsch; dagegen könnte man sagen: “Wenn eine
Verbindg. zweier Dinge – immer in einer Vermittlg. durch
ein drittes Ding besteht, daß mit jedem der zwei
verbunden ist, dann sind zwei Dinge nie mit einander
verbunden”, das heißt eigentlich: aber nicht: eine Verbindung
wird nie erreicht, sondern es hat keinen Sinn zu
sagen “die Verbindung wird erreicht” (& also auch
nicht das Gegenteil). D.h., es hat keinen Sinn von
einer “Verbindung” zu reden; der Begriff der ‘Verbindung’
ist gar nicht erklärt worden.
     

Wir meinen, wir mü[ßten|ssen] den endlosen Regress ein paarmal
Stufen weit durchlaufen & ihn dann in Verzweiflung
aufgeben. Während die Definitionsgleichung einfach keine
< Auflösung hat.> <Wir haben keine solche Methode zu ihrer
Auflösung festgelegt.
>
     


< Die Erfahrung lehrt daß die Ursache von B A ist.
Und also ist es ein guter Grund anzunehmen d zur Annahme
daß B geschehen wird wenn daß A geschehen ist.
Aber man kann nicht sagen die Erfährung lehre
daß die wiederholte Erfahrung der Koinzidenz
ein guter Grund zur Anname weiterer Koinzidenzen
sei.
>
     
     



85
Grund, Motiv, Ursache.
     






<      Wie kann man sicher sein, es darum getan
zu haben?
>
     

     Denken wir uns daß Hitze die Wirkung hätte daß
uns zu zwingenˇ die Hand gegen den heißen Gegenstand zu
pressen (etwa ähnlich wie man einen Leitungsdraht
nicht auslassen kann)
     

     Ich lege meine Hand auf die Herdplatte, fühle unerträgliche Hitze und
ziehe die Hand schnell zurück: War es nicht möglich, daß die Hitze der Platte im nächsten Augenblick aufgehört hätte? konnte ich es wissen? Und
war es nicht möglich, dass ich gerade durch meine Bewegung mich einem weiterem
Schmerz aussetzte?
     Es ist also in gewissem Sinne keine gute Begründung Es müßte also kein guter Grund sein …… zu sagen: “Ich
zog die Hand zurück, //Ich musste die Hand zurückziehen,// weil die
Platte zu heiss war”! ?
     

     Wenn man nun fragte: Bist Du sicher, dass Du es deswegen
getan hast? Würde man ich da nicht schwören, dass man ich es nur deswegen getan
hat habe? Und ist es nicht doch Erfahrung Hypothese? Müsste Sollte man nicht sagen: man sagen: man würde
schwören, dass man es deshalb tun wollte ich weiß daß ich es deshalb tun wollte; nicht, dass der Arm
sich aus dieser Ursache zurückgezogen hat? Man beschwört weiß das Motiv, nicht
die Ursache.
     

     “Ich hab' es nicht mehr (länger) ausgehalten”.
     “Ich halte es nicht mehr aus; ich muss die Hand zurückziehen”. Aber
401
worin besteht dieses Zurückziehen, als in dem Wunsch, die Hand möchte
sich zurückziehen, während sie sich wirklich zurückzieht? Zieht sie sich
nicht zurück, so können wir auch nichts machen. Jedenfalls, möchte ich
sagen, ist ‘sie zurückziehen wollen’ eine Erfahrung, die wir zwar wünschen
können, aber nicht herbeiführen. “Wie was?” muß ich fragen. (Denke an die Erfahrung beim Zeichnen ei-
nes Quadrats mit seinen Diagonalen durch den Spiegel.)
     

< zwangsläufiger Mechanismus
>
     Wenn ich sage, die Erfahrung des Wollens könne ich zwar wünschen, aber
nicht herbeiführen, so bin ich da wieder bei einem, für die Erkenntnis-
theorie sehr //so// charakteristischen Unsinn. Denn in dem Sinne, in
welchem ich überhaupt etwas herbeiführen kann (etwa Magenschmerzen durch
Ueberessen), kann ich auch das Wollen herbeiführen. (In diesem Sinne
führe ich das Schwimmen-Wollen herbei, indem ich in's tiefe Wasser sprin-
ge.) Ich wollte wohl sagen: ich könnte das Wollen nicht wollen; d.h., es
hat keinen Sinn, vom Wollen-wollen zusprechen. Und mein falscher Ausdruck
kam daher, dass man sich das Wollen als ein direktes unmittelbares, nicht-kausales, Her-
beiführen Bewegen denken will.
<Ich meinte mit dem Herbeiführen nicht: ein
kausales sondern
Verursachen, sondern
direktes (nicht kausales) Herbeiführen Bewegen.
>
Und dem?ˇ wieder // Dieser Idee // aber liegt wieder eine falsche
Analogie zugrunde, etwa, dass der kausale Nexus durch eine Reihe von Zahn-
rädern gebildet wird ˇder kaus. Nex. werde etwa durch eine Reihe von Z. gebildet. (die auslassen kann zugrunde; der kausale Nexus erscheint als ein Mechanismus der durch einen Mechanismus hergestellt, der zwei Maschinenteile verbindet. Die Verbindung kann auslassen, …… die irreführende Analogie zugrunde, in der der kausale die den kausalen Nexus als eine Reihe von Zahnrädern erscheint sieht <& hier denkt man sich den kaus. Nexus ……><Und dieser Idee liegt die Vorstellung zugrunde,
daß der kausale Nexus ……
> <Und hier denkt man sich das Wollen als ein
direktes (d.h. nicht-kausales)Herbeiführen. Und
den kausalen Nexus als eine Verbindung
zweier Maschinenteile durch einen zwangsläuf-
igen Mechanismus (etwa durch eine Reihe von
Zahnrädern), die auslassen kann……
>, wenn der Mechanismus gestört
wird), während der Nexus des Willensˇ etwa dem des Innern zum mit dem Aeussern
entspricht, oder dem der Bewegung des physikalischen Körpers zur ⌇ & der mit der Bewegung
seiner Erscheinung. //seines Gesichtsbildes.// <zwangsläufiger Mechanismus> <ˇ

     Man denkt nur an die Störungen, denen ein Mechanismus normalerweise
ausgesetzt ist; nicht daran, daß die Zahnräder plötzlich weich werden könnten, oder
einander durchdringen, etc..
>
     


      “Wie weisst Du, dass Du es aus diesem Motiv getan hast?” – “Ich erinnere mich daran, es darum getan zu haben”. – “Woran erinnerst Du
Dich? – Hast Du es Dir damals gesagt; oder erinnerst Du Dich an die Stimmung
in der Du warst; oder daran, dass Du Mühe hattest, einen Ausdruck Deines
Gefühls zu unterdrücken?” Daraus wird sich zeigen worin es bestand es aus diesem Motiv getan zu haben.
     
Und wenn man etwa einen Ausdruck seines Gefühls nur mit Mühe unter-

402
drückt hat, – wie war das? Hatte man sich ihn damals leise vorgesagt? etc.
etc..
     

     Das Motiv ist nicht eine Ursache ‘von innen gesehen’! Das Gleichnis von
‘innen und aussen’ ist hier – wie so oft – gänzlich irreleitend. – Es ist
von der Idee der Seele (eines Lebewesens) im Kopfe (als Hohlraum vorge-
stellt) hergenommen // hergeleitet//. Aber diese Idee ist die Idee von der Seele, einem Lebewesen, im Kopfe. Aber sie ist darin mit an-
dern unvereinbaren unverträglichen vermengt, wie die Metaphern in dem Satz: “der Zahn der
Zeit, der alle Wunden heilt, etc.”.
     

     Man nimmt an daß ein Mensch das Motiv seiner Tat weiß;
– das zeigt sagt nur was etwas über die Bedeutung des Wortes “Motiv”.
<; – das zeigt uns, wie wir das Wort “Motiv”
gebrauchen.
>
     

     “Wie weisst Du, dass das wirklich der Grund ist, weswegen Du es glaubst? –
(das?) ist, als fragte ich: “wie weisst Du, dass es das ist, was Du
glaubst”. Denn er gibt nicht die Ursache eines Glaubens an, die er nur
vermuten könnte, sondern beschreibt eine[h|n] Vorgang von Operationen, die ein Operieren mit Gedanken das zu dem Geglaubten führen führt (und ihn etwa geführt haben hat). Einen Vorgang, der seiner
Art nach zu dem des Glaubens gehört. – Der Unterschied zwischen der Frage
nach der Ursache und der (Frage) nach dem Grund des Glaubens ist etwa so,
wie
der, zwischen der Frage: den Fragen: “was ist die physikalische Ursache davon,
dass Du da bist von A nach B gekommen bist” und der Frage: “auf welchem Wege bist Du hergekommen von A nach B gekommen”. –
Und hier sieht man sehr klar, wie auch die Angabe der Ursache als Angabe
eines Weges aufgefasst werden kann, aber in ganz anderemn Sinne.
     

     “Man kann die Ursache einer Erscheinung nur vermuten” (nicht wis-
sen
). – Das muss ein Satz der Grammatik sein. Es ist nicht gemeint, eine Aussage die Grammatik betreffend sein. Er sagt nicht, dass
wir mit dem besten Willen die Ursache nicht wissen können. Der Satz ist
insofern ähnlich dem: “wir können in der Zahlenreihe, soweit wir auch zäh-
len, kein Ende erreichen”. Das heisst: von einem “Ende der Zahlenreihe”
kann keine Rede sein; und dies ist – irreführend – in das Gleichnis ge-
kleidet von Einem, der wegen der grossen Länge des Weges das Ende nicht
erreichen kann. – So gibt es einen Sinn, in dem ich sagen kann: “ich
403
kann die Ursache dieser Erscheinung nur vermuten” d.h.: es ist mir noch
nicht gelungen, sie [)|(]im gewöhnlichen Sinne) ‘festzustellen’. Also im Ge-
gensatz zu dem Fall, in dem es mir gelungen ist, wo? //in dem// ich also
die Ursache weiss. – Sage ich nun aber, als im metaphysischen Satz Sinn, “ich
kann diech // eine// Ursache immer nur vermuten”, so heisst das: sagt das eigentlich ich will
im Falle der Ursache immer nur von ‘vermuten’ und nicht von ‘wissen’
sprechen, um & so Fälle verschiedener Grammatik voneinander (zu) unterschei-
den. (Das ist also so, wie wenn ich sage als sagte ich: ich will in einer Gleichung das
Zeichen “ = ” und nicht das Wort “ist” gebrauchen.) Was also an unserem
ersten Beispiel falsch ist, ist das Wort “nur” Was an unserem Satz irreführend ist, ist das “nur”, aber freilich gehört das
eben ganz zu dem Gleichnis, das schon im Gebrauchd des Wortes “können”
liegt.
     

     Nach den Gründen zu einer Annahme gefragt, besinnt man sich
auf diese Gründe. Geschieht hier dasselbe, wie, wenn man über die Ursa-
chen eines Ereignisses nachdenkt? //… wenn man (darüber) nachdenkt, was
die Ursachen eines Ereignisses gewesen sein mögen?//
     

     “Diese Gegend macht micht melancholisch”. Woher weisst Du, dass es
die Gegend ist? Ist das eine Hypothese – wie Du auch nur glaubst,
dass es jene Speise war, die die Magenschmerzen verursachte, oder gehört
es zur unmittelbaren Erfahrung. Wäre es also widerlegt, wenn Du, in eine
andere Gegend versetzt, melancholisch bliebest; oder ist es nicht durch
eine künftige Erfahrung zu widerlegen, da es die Beschreibung der gegen-
wärtigen ist?
     Ja, wie bist Du auf den Gedanken gekommen, dass es die Gegend ist,
die diese Stimmung hervorruft? Oder handelt es sich eben gar ni[h|c]ht um ei-
nen durch sie hervorgerufenen Zustand meiner Person, sondern, etwa, darum,
dass das Bild der Gegend melancholisch ist? (Dies hängt unmittelbar
404
zusammen mit dem Problem: Motiv und Ursache.)


     “Das ist ein furchtbarer Anblick”. – Das kannst Du nicht wissen.
Vielleicht hättest Du auch sonst gezittert.
     Wie hängt die Furcht mit dem Anblick zusammen? oder mit der furcht-
baren Vorstellung? Oder soll ich etwa sa[f|g]en: “sich vor dieser Vor-
stellung fürchten” heisst, sie haben und sich fürchten? Wenn
man nun aber mehrere Vorstellungen hat, während man sich fürchtet (meh-
rere sieht oder hört), ist da ein Zweifel darüber, was das Furchtbare
ist? Oder weiss man es eben ausˇ früherer Erfahrung, wovor (von allen diesen Sa-
chen) man sich fürchtet? Ich möchte auch sagen “das Fürchten ist eine
Beschäftigung mit dem Anblick”.
     Kann ich sagen; es sei ein sehr komplizierter Vorgang, in welchem
die Vorstellung an charakteristischen Stellen eintritt?
     

     Denken wir an ein furchtbares Antlitz. Welche Rolle spielt der An-
blick im Vorgang der Furcht.
     

     Ich will sagen: die Furcht begleitet nicht den Anblick. Son-
dern das Furchtbare und die Furcht haben die Struktur des Gesichtes.
Denken wir, dass wir den Zügen eines Gesichts mit den Augen in Aufregung
folgen. Sie gleichsam zitternd nachfahren. So dass die Schwingungen der
Furcht den Linien des Gesichts superponiert wären.
405
     




Philosophie.








































406
     




86
Schwierigkeit der Philosophie, nicht die intelektuelle Schwierigkeit
der Wissenschaften, sondern die Schwierigkeit einer Umstellung. Wider-
stände des Willens sind zu überwinden.
     






     Wie ich oft gesagt habe, führt die Philosophie mich zu keinem Ver-
zicht, da ich mich nicht entbreche, etwas zu sagen, sondern eine gewis-
se Wortverbindung als sinnlos aufgebe. In anderem Sinne aber erfordert
die Philosophie dann eine Resignation, aber des Gefühls, nicht des Ver-
standes. Und das ist es vielleicht, was die sie Vielen so schwer macht.
Es kann schwer sein, einen Ausdruck nicht zu gebrauchen, wie es schwer
ist, die Tränen zurückzuhalten, oder einen Ausbruch des Zorns // der
Wut//.
     

/     (Tolstoi: die Bedeutung (Bedeutsamkeit) eines Gegenstandes liegt in
seiner allgemeinen Verständlichkeit. – Das ist wahr und falsch. Das,
was den Gegenstand schwer verständlich macht ist – wenn er bedeutend,
wichtig, ist – nicht, dass irgendeine besondere Instruktion über abstru-
se Dinge zu seinem Verständnis erforderlich wäre, sondern der Gegensatz
zwischen dem Verstehen des Gegenstandes und dem, was die mei[w|s]ten Men-
407
schen sehen wollen. Dadurch kann gerade das Naheliegendste am
allerschwersten verständlich werden. Nicht eine Schwierigkeit des Ver-
standes, sondern des Willens ist zu überwinden.) /
     

     Die Arbeita an der Philosophie ist – wie vielfach die Arbeit in? der
Architektur – eigentlich mehr die // eine// Arbeit an Einem selbst. An
der eignen Auffassung. Daran, wie man die Dinge sieht. (Und was man von
ihnen verlangt.)
     

     Beiläufig gesprochen, hat es in //nach // der alten Auffassung –
etwa der, der (grossen) westlichen Philosophen – zwei Arten von Proble-
men im wissenschaftlichen Sinne gegeben // zweierlei Arten von Proble-
men ……//: wesentliche, grosse, universelle, und unwesentliche, quasi
accidentelle Probleme. Und dagegen ist unsere Auffassung, dass es kein
grosses, wesentliches Problem im Sinne der Wissenschaft gibt.
408
     




87
Die Philosophie zeigt die irreführenden Analogien im Gebrauch uns-
rer Sprache auf.
     






     Ist die Grammatik, wie ich das Wort gebrauche, nur die Beschreibung
der tatsächlichen Handhabung der Sprache // Sprachen//? So dass ihre
Sätze eigentlich wie Sätze einer Naturwissenschaft aufgefasst werden
könnten?
     Das könnte man die descriptive Wissenschaft [o|v]om Sprechen nennen, im
Gegensatz zu der vom Denken.
     

     Es könnten ja auch die Regeln des Schachspiels als Sätze aus der
Naturgeschichte des Menschen aufgefasst werden. (Wie die Spiele der
Tiere in naturgeschichtlichen Büchern beschrieben werden.)
     



     Wenn ich einen philosophischen Fehler rektifiziere und sage, man
hat sich das immer so vorgestellt, aber so ist es nicht, so zeige ich
immer auf eine Analogie //so muss ich immer … zeigen//, nach der
409
man sich gerich[f|t]et hat, und, dass diese Analogie nicht stimmt. … so
muss ich immer eine Analogie aufzeigen, nach der man gedacht hat, die
man aber nicht als Analogie erkannt hat.
     

     Die Wirkung einer in die Sprache aufgenommenen falschen Analogie:
Sie bedeutet? einen ständigen Kampf und Beunruhigung (quasi einen ständi-
gen Reiz). Es ist, wie wenn ein Ding aus der Entfernung ein Mensch zu
sein scheint, weil wir dann Gewisses nicht wahrnehmen, und in der aNähe
sehen wir, dass es ein Baumstumpf ist. Kaum entfernen wir uns ein wenig
und verlieren die Erklärung aus dem Auge, so erscheint uns eine
Gestalt; sehen wir darauf-hin näher zu, so sehen wir eine andere; nun
entfernen wir uns wieder, etc. etc..
     

     (Der aufregende Charakter der grammatischen Unklarheit.)
     

     Philosophieren ist: falsche Argumente zurückweisen.
     



     Der Philosoph trachtet, das erlösende Wort zu finden, das ist das
Wort, das uns endlich erlaubt, das zu fassen, was bis jetzt immer dahin, un-
greifbar, unser Bewusstsein belastet hat.
     (Es ist, wie wenn man ein Haar auf der Zunge liegen hat; man spürt
es, aber kann es nicht erfassen //ergreifen // und darum nicht loswer-
den.)
     

     Der Philosoph liefert uns das Wort, womit man //ich // die Sache
ausdrücken und unschädlich machen kann.

410
     

     (Die Wahl unserer Worte ist so wichtig, weil es gilt, die Physiognomie
der Sache genau zu treffen, weil nur der genau gerichtete Gedanke auf
die richtige Bahn führen kann. Der Wagen muss haargenau auf die Schiene
gesetzt werden, damit er richtig weiterrollen kann.)
     



     Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, alle falschen Gedankengänge so
charakteristisch auszudrücken, dass der Leser sagt “ja, genau so habe
ich es gemeint”. Die Physiognomie jedes Irrtums nachzuzeichnen.
     

     Wir können ja auch nur dann den Andern eines Fehlers überführen, wenn
er anerkennt, dass dies wirklich der Ausdruck seines Gefühls ist. //…
wenn er diesen Ausdruck (wirklich) als den richtigen Ausdruck seines
Gefühls anerkennt.//
     

     Nämlich, nur wenn er ihn als solchen anerkennt, ist er der rich-
tige Ausdruck. (Psychoanalyse.)
     

     Was der Andre anerkennt, ist die Analogie die ich ihm darbiete, als
Quelle seines Gedankens.
411
     






88
Woher das Gefühl des Fundamentalen unserer grammatischen Untersuchungen?
     






Gehört zu “mussen”, “können”
     (Es beschäftigen uns Fragen verschiedener Art, etwa “wie gross ist
das spezifische Gewicht dieses Körpers”, “wird es heute schön bleiben”,
“(ˇwer wird als nächster zur Tür hereinkommen”, etc.. Aber unter unseren
Fragen finden sich solche von besonderer Art. Wir haben hier ein ande-
res Erlebnis. Die Fragen scheinen fundamentaler zu sein als die anderen.
Und nun sage ich; wenn wir dieses Erlebnis habenm, dann sind wir an der
Grenze der Sprache angelangt.)
     

     Woher nimmt die Betrachtung ihre Wichtigkeit, da sie doch nur alles
Interessante, d.h. alles Grosse und Wichtige, zu zerstören scheint?
(Gleichsam alle Bauwerke; indem sie nur Steinbrocken und Schutt übrig
lässt.)
     

     Woher nimmt die Betrachtung ihre Wichtigkeit:, die uns darauf aufmerk-
sam macht, dass man eine Tabelle auf mehr als eine Weise brauchen
kann, dass man sich eine Tabelle als Anleitung zum Gebrauch einer Tabel-
le ausdenken kann, dass man einen Pfeil auch als Zeiger der Richtung von
412
der Spitze zum Schwanzende auffassen kann, dass ich eine Vorlage auf
mancherlei Weise als Vorlage benützen kann?
     

     Wir führen die Wörter von ihrer metaphysischen, wieder auf ihre rich-
tige
normale Verwendung in der Sprache zurück.
     (Der Mann, der sagte, man könne nicht zweimal in den gleichen Fluss
steigen, sagte etwas Falsches; man kann zweimal in den gleichen Fluss steigen.)
     Und so sieht die Lösung aller philosophischen Schwierigkeiten aus.
Ihre Unsere An[f|t]worten müssen, wenn sie richtig sind, hausbacken und gewöhnlich
sein gewöhnliche & triviale sein. Aber man muss sie im richtigen Geist anschauen, dann macht das
nichts
.
ˇ [“Schlichter Unsinn”]
     

     Woher nehmen //nahmen// die alten philosophischen Probleme ihre
Bedeutung?
     

     Der Satz der Identität z.B. schien eine fundamentale Bedeutung zu ha-
ben. Aber der Satz, dass dieser “Satz” ein Unsinn ist, hat diese Bedeu-
tung übernommen.
     

     Ich könnte fragen: Warum empfinde ich einen grammatischen Witz in
gewissem Sinne als tief? (Und das ist natürlich die philosophische Tie-
fe.)
     

     Warum empfinden wir die Untersuchung der Grammatik als fundamental?
     

     (Das Wort “fundamental” kann auch nichts metalogisches, oder philoso-
phisches bedeuten, wo es überhaupt eine Bedeutung hat.)
     

     Die Untersuchung der Grammatik ist im selben Sinne fundamental, wie
413
wir die Sprache fundamental – etwa ihr eigenes Fundament – nennen kön-
nen.
     

     Unsere grammatische Untersuchung unterscheidet sich ja von der eines
Philologen etc.: uns interessiert z.B. die Uebersetzung von einer Spra-
che in andre, von uns erfundene Sprachen. Ueberhaupt interessieren uns
Regeln, die der Philologe gar nicht betrachtet. Diesen Unterschied kön-
nen wir also wohl hervorheben.
     

     Anderseits wäre es irreführend zu sagen, dass wir das Wesentliche
der Grammatik behandeln (er, das Zufällige).
     

     “Aber das ist ja nur eine äussere Unterscheidung //ein äusserer
Unterschied//”. Ich glaube, eine andere gibt es nicht.
     

     Eher könnten wir sagen, dass wir doch etwas Anderes Grammatik nennen,
als er. Wie wir eben Wortarten unterscheiden, wo für ihn kein Unter-
schied (vorhanden) ist.
     

     Die Wichtigkeit der Grammatik ist die Wichtigkeit der Sprache.
     

     Man könnte auch ein Wort z.B. “rot” ‘rot’ wichtig nennen insofern,
als es oft und zu Wichtigem gebraucht wird, im Gegensatz etwa zu dem
Wort ‘Pfeifendeckel’. Und die Grammatik des Wortes ‘rot’ ist dann wich-
tig, weil sie die Bedeutung des Wortes ‘rot’ beschreibt.
     

     (Alles, was die Philosophie tun kann ist, Götzen zerstören. Und das
heisst, keinen neuen – etwa in der “Abwesenheit eines Götzen” – zu
schaffen.)
414
     




89
Methode der Philosophie: die übersichtliche Darstellung der grammati-
schen //sprachlichen// Tatsachen.
Das Ziel: Durchsichtigkeit der Argumente. Gerechtigkeit.
     






     
     
     Es hat Einer gehört, dass der Anker eines Schiffes durch eine Dampf-
maschine aufgezogen werde. Er denkt nur an die, welche das Schiff treibt
(und nach welcher es Dampfschiff heisst) und kann sich, was er gehört
hat, nicht erklären. (Vielleicht fällt ihm die Schwierigkeit auch erst
später ein.) Nun sagen wir ihm: Nein, es ist nicht diese Dampfma-
schine, sondern ausser ihr gibt es noch eine Reihe anderer an Bord und
eine von diesen hebt den Anker. – War sein Problem ein philosophisches?
War es ein philosophisches, wenn er von der Existenz anderer Dampfma-
schinen auf dem Schiff gehört hatte und nur daran erinnert werden musste? –
Ich glaube, seine Unklarheit hat zwei Teile: Was der Erklärende ihm als
Tatsache mitteilt, hätte der Fragende sehr wohl als Möglichkeit sich
selber ausdenken können, und seine Frage in bestimmter Form, statt in
der des blossen Zugeständnisses der Unklarheit vorlegen können. Diesen
Teil des Zweifels hätte er selber beheben können, dagegen konnte ihn
Nachdenken nichtm über die Tatsachen belehren. Oder: Die Beunruhigung,
415
die davon herkommt, dass er die Wahrheit nicht wusste, konnte ihm kein
Ordnen seiner Begriffe nehmen.
     Die andere Beunruhigung und Unklarheit wird durch die Worte “hier
stimmt mir etwas nicht” gekennzeichnet und die Lösung, durch (die Worte):
“Ach so, Du meinst nicht die Dampfmaschine” oder – für einen andern
Fall – “… Du meinst mit Dampfmaschine nicht nur Kolbenmaschine”.
     

     Die Arbeit des Philosophen ist ein Zusammentragen von Erinnerungen zu
einem bestimmten Zweck.
     

     Eine philosophische Frage ist ähnlichn der, nach der Verfassung einer
bestimmten Gesellschaft. – Und es wäre etwa so, als ob eine Gesellschaft
ohne klar geschriebene Regeln zusammenkäme, aber mit einem Bedürfnis
nach einer solchen: ja, auch mit einem Instinkt, durch welchen sie ge-
wisse Regeln in ihren Zusammenkünften beobachten //einhalten//:
nur, dass dies dadurch erschwert wird, dass nichts hierüber klar ausge-
spr[i|o]chen ist und keine Einrichtung getroffen, die die Regeln deutlich
macht. //klar hervortreten lässt.// So betrachten sie tatsächlich Einen
von ihnen als Präsidenten, aber er sitzt nicht oben an der Tafel, ist
durch nichts kenntlich und das erschwert die Verhandlung. Daher kommen
wir und schaffen eine klare Ordnung: Wir setzen den Präsidenten an einen
leicht kenntlichen Platz und seinen Sekretär zu ihm an ein eigenes Tisch-
chen und die übrigen gleichberechtigten Mitglieder in zwei Reihen zu
beiden Seiten des Tisches etc. etc..
     

     Wenn man die Philosophie fragt: “was ist – z.B. – Substanz?” so
wird um eine Regel gebeten. Eine allgemeine Regel, die für das Wort
“Substanz” gilt, d.h.: nach welcher ich zu spielen entschlossen bin. –
Ich will sagen: die Frage “was ist …” bezieht sich nicht auf einen
416
besonderen – praktischen – Fall, sondern wir fragen sie von unserem
Schreibtisch aus. Erinnere Dich nur an den Fall des Gesetzes der Iden-
tität, um zu sehen, dass es sich bei der Erledigung einer philosophi-
schen Schwierigkeit nicht um das Aussprechen neuer Wahrheiten über den
Gegenstand der Untersuchung (der Identität) handelt.
     Die Schwierigkeit besteht nur nun darin, zu verstehen, was uns die
Festsetzung einer Regel hilft. Warum die uns beruhi[f|g]t, nachdem wir so
schwer tief beunruhigt waren. Was uns beruhigt ist offenbar, daß wir ein
System sehen, das diejenigen Gebilde (systematisch) ausschliesst, die
uns immer beunruhigt haben, mit denen wir nichts anzufangen wussten
und die wir doch ?–respektieren zu müssen glaubten–?. Ist die Festsetzung
einer solchen grammatischen Regel in dieser Beziehung nicht wie die
Entdeckung einer Erklärung in der Physik? z.B., des Copernicanischen
Systems? Eine Aehnlichkeit ist vorhanden. – Das Seltsame an der philo-
sophischen Beunruhigung und ihrer Lösung möchte scheinen, dass sie ist,
wie die Qual des Asketen, der, eine schwere Kugel unter Stöhnen stem-
mend, da stand und den ein Mann erlöste, indem er ih[j|m] sagte: “lass'
sie fallen”. Man fragt sich: Wenn Dich diese Sätze beunruhigen, Du
nichts mit ihnen anzufangen wusstest, warum liessest Du sie nicht schon
früher fallen, was hat Dich daran gehindert? Nun, ich glaube, es war
das falsche System, dem er sich anbequemen zu müssen glaubte, etc..
Henne & Kreidestrich
     

     (Die besondere Beruhigung, welche eintritt, wenn wir einem Fall, den
wir für einzigartig hielten, andere ähnliche Fälle an die Seite stel-
len können, tritt in unseren Untersuchungen immer wieder ein, wenn wir
zeigen, dass ein Wort nicht nur eine Bedeutung (oder, nicht nur
zwei) hat, sondern in fünf oder sechs verschiedenen (Bedeutungen) ge-
braucht wird.)

417
     
     Die philosophischen Probleme kann man mit den Kassenschlössern ver-
gleichen, die durch Einstellen eines bestimmten Wortes oder einer bestimm-
ten Zahl geöffnet werden, sodass keine Gewalt die Tür öffnen kann, ehe
gerade dieses Wort getroffen ist, und ist es get[o|r]offen, jedes Kind sie
öffnen kann. //… und ist es getroffen, keinerlei Anstrengung nötig
ist, die Tür //sie // zu öffnen.//
     

     Der Begriff der übersichtlichen Darstellung ist für uns von grundle-
gender Bedeutung. Er bezeichnet unsere Darstellungsform, die Art, wie
wir die Dinge sehen. (Eine Art der ‘Weltanschauung’, wie sie scheinbar
für unsere Zeit typisch ist[.| ,] Spengler.)
     

     Diese übersichtliche Darstellung vermittelt das Verstehen // Ver-
ständnis//, welches eben darin besteht, dass wir die “Zusammenhänge se-
hen”. Daher die Wichtigkeit der Zwischenglieder. //des
Findens von Zwischengliedern.
     

     Der Satz ist vollkommen logisch analysiert, dessen Grammatik vollkom-
men klargelegt ist. Er mag in welcher Ausdrucksweise immer hingeschrie-
ben oder ausgesprochen sein.
     

     Unserer Grammatik fehlt es vor allem an Uebersichtlich-
keit
.
     

     Die Philosophie darf den wirklichen // tatsächlichen // Gebrauch der
Sprache // …darf, was wirklich gesagt wird // in keiner Weise anta-
sten, sie kann ihn // es // am Ende also nur beschreiben.
     

     Denn sie kann ihn auch nicht begründen.
418

     Sie lässt alles wie es ist.
     Sie lässt auch die Mathematik wie sie ist (jetzt ist) und keine mathe-
matische Entdeckung kann sie weiter bringen.
     Ein “führendes Problem der mathematischen Logik” (Ramsey) ist ein
Problem der Mathematik wie jedes andere.
     

     (Ein Gleichnis gehört zu unserem Gebäude; aber wir können auch aus
ihm keine Folgen ziehen; es führt uns nicht über sich selbst hinaus, son-
dern muss als Gleichnis stehen bleiben. Wir können keine Folgerungen da-
raus ziehen. So, wenn wir den Satz mit einem Bild vergleichen (wobei ja,
was wir unter ‘Bild’ verstehen, schon früher // vorher// in uns fest-
liegen muss) oder, wenn ich die Anwendung der Sprache mit der, etwa, des
Multiplikationskalküls vergleiche.
     Die Philosophie stellt eben alles bloss hin und erklärt und folgert
nichts.)
     

     Da alles offen daliegt, ist auch nichts zu erklären. Denn was etwa
nicht offen daliegt, interessiert uns nicht. //…, denn, was etwa
verborgen ist ……//
     Die Antwort auf die Frage nach der Erklärung der Negation ist wirk-
lich: verstehst Du sie denn nicht? Nun, wenn Du sie verstehst, was gibt
es da noch zu erklären
, was hat eine Erklärung da noch zu tun?
     

     Wir müssen wissen, was Erklärung heisst. Es ist die stän-
dige Gefahr, dieses Wort in der Logik in einem Sinn verwenden zu wollen,
der von der Physik hergenommen ist.
     

< VII 7>
     Methodologie, wenn sie von der? Messung redet, sagt nicht, aus welchem
Material etwa wir den Masstab am Vorteilhaftesten herstellen, um dies
419
und dies Resultat zu erzielen; obwohl doch das auch zur Methode des
Messens gehört. Vielmehr interessiert diese Untersuchung bloss, unter
welchen Umständen wir sagen, eine Länge, eine Stromstärke, (u.s.w.) sei
gemessen. Sie will die, von uns bereits verwendeten, uns geläufigen,
Methoden tabulieren, um dadurch die Bedeutung der Worte “Länge”, “Strom-
stärke”m, etc. festzulegen.)
     

     Wollte man Thesen in der Philosophie aufstellen, eso könnte nie
über sie zur Diskussion kommen, weil Alle mit ihnen einverstanden wären.
     

VII 164
     Das Lernen der Philosophie ist wirklich ein Rückerinnern.
Wir erinnern uns, dass wir die Worte wirklich auf diese Weise gebraucht
haben.
     

     Die philosophisch wichtigsten Aspekte der Dinge //der Sprache//
sind durch ihre Einfachheit und Alltäglichkeit verborgen.
     (Man kann es nicht bemerken, weil man es immer (offen) vor Augen hat.)
     

     Die eigentlichen Grundlagen seiner Forschung fallen dem Menschen gar
nicht auf. Es sei denn, dass ihm dies einmal aufgefallen //zum
Bewusstsein gekommen// ist. (Frazer etc. etc..)
     Und das heisst, das Auffallendste (Stärkste) fällt ihm nicht auf.
     

     (Eines der grössten Hindernisse für die Philosophie ist die Erwartung
neuer tiefer // unerhörter// Aufschlüsse.)
     

     Philosophie könnte man auch das nennen, was vor allen neuen Ent-
[x|d]eckungen und Erfindungen möglich // da// ist.

420
     
     Das muss sich auch darauf beziehen, dass ich keine Erklärungen der Va-
riablen “Satz” geben kann. Es ist klar, dass dieser logische Begriff, die-
se Variable, von der Ordnung des Begriffs “Realität” oder “Welt” sein
muss.
     

     Wenn Einer die Lösung des ‘Problems des Lebens’ gefunden zu haben
glaubt, und sich sagen wollte, jetzt ist alles ganz leicht, so brauchte
er sich zu seiner Widerlegung nur erinnern, dass es eine Zeit gegeben
hat, wo diese ‘Lösung’ nicht gefunden war; aber auch zu der Zeit
musste man leben können und im Hinblick auf sie erscheint die gefundene
Lösung wie // als// ein Zufall. Und so geht es uns in der Logik. Wenn
es eine ‘Lösung’ der logischen (Philosophischen) Probleme gäbe, so müss-
ten wir uns nur vorhalten, dass sie ja einmal nicht gelöst waren (und
auch da musste man leben und denken können). ‒ ‒ ‒
     

     Alle Ueberlegungen können viel hausbackener angestellt werden, als
ich sie in früherer Zeit angestellt habe. Und darum brauchen wir in der
Philosophie auch keine neuen Wörter angewendet werden, sondern die al-
ten, gewöhnlichen Wörter der Sprache reichen aus. //die alten reichen
aus.//
     

     (Unsere Aufgabe ist es nur, gerecht zu sein. D.h., wir haben nur die
Ungerechtigkeiten der Philosophie aufzuzeigen und zu lösen, aber nicht
neue Parteien – und Glaubensbekenntnisse – aufzustellen.)
     

     (Es ist schwer, in der Philosophie nicht zu übertreiben.)
     

     (Der Philosoph übertreibt, schreit gleichsam in seiner Ohnmacht, so
421
lange er den Kern der Konfusion noch nicht entdeckt hat.)
     



     Das philosophische Problem ist ein Bewusstsein der Unordnung in un-
sern Begriffen, und durch Ordnen derselben zu heben.
     

     Ein philosophisches Problem ist immer von der Form: “Ich kenne mich
einfach nicht aus”.
     

     Wie ich Philosophie betreibe, ist es ihre ganze Aufgabe, den Aus-
druck so zu gestalten, dass gewisse Beunruhigungen //Probleme? // ver-
schwinden. ((Hertz.))
     

     Wenn ich Recht habe, so müssen sich philosophische Probleme wirk-
lich restlos lösen lassen, im Gegensatz zu allen andern.
     

     Wenn ich sage: Hier sind wir an der Grenze der Sprache, so scheint
//klingt// das immer, als wäre hier eine Resignation nötig, während
im Gegenteil volle Befriedigung eintritt, da keine Frage übrig
bleibt.
     

     Die Probleme werden im eigentlichen Sinne aufgelöst – wie ein Stück
Zucker im Wasser.
     

/     Die Menschen, welche kein Bedürfnis nach Durchsichtigkeit ihrer
Argumentation haben, sind für die Philosophie verloren. /
422
     




90
Philosophie.
Die Klärung des Sprachgebrauches. Fallen der Sprache.
     






     Wie kommt es, dass die Philosophie ein so komplizierter Bau //Auf-
bau// ist. Sie sollte doch gänzlich einfach sein, wenn sie jenes Letz-
te, von aller Erfahrung Unabhängige ist, wofür Du sie ausgibt. – Die
Philosophie löst die Knoten in unserem Denken auf; daher muss ihr Re-
sultat einfach sein, ihre Tätigkeit aber so kompliziert wie die Knoten,
die sie auflöst.
     

     Lichtenberg: “Unsere ganze Philosophie ist Berichtigung des Sprach-
gebrauchs, also, die Berichtigung einer Philosophie, und zwar der all-
gemeinsten.”
     

Zu ‘Witz’ ‘Tiefe’
     (Die Fähigkeit Veranlagung zur Philosophie besteht liegt in der Fähigkeit Empfänglichkeit, von einer
Tatsache der Grammatik einen starken und? nachhaltigen Eindruck zu emp-
fangen.)
     

     Warum die grammatischen Probleme so hart und anscheinend undausrott-
423
bar sind – weil sie mit den ältesten Denkgewohnheiten, d.h. mit den äl-
testen Bildern, die in unsere Sprache selbst geprägt sind, zusammen-
hängen
. ((Lichtenberg.))
     

/     Das Lehren der Philosophie hat dieselbe ungeheure Schwierigkeit, wel-
che der Unterricht in der Geographie hätte, wenn der Schüler eine Menge
falsche und viel zu einfache //und falsch vereinfachte// Vorstellun-
gen über den Lauf und Zusammenhang der Flüssläufe? // Flüsse// und Ge-
birgsketten // Gebirge// mitbrächte. /
     

/     Die Menschen sind tief in den philosophischen d.i. grammatischen
Konfusionen eingebettet. Und, sie daraus zu befreien, setzt voraus, dass
man sie aus den ungeheuer mannigfachen Verbindungen herausreisst, in
denen sie gefangen sind. Man muss sozusagen ihre ganze Sprache umgrup-
pieren. – Aber diese Sprache ist ja so entstanden // geworden//, weil
Menschen die Neigung hatten – und haben – so zu denken. Darum geht
das Herausreissen nur bei denen, die in einer instinktiven Auflehnung
gegen // Unbefriedigung mit // die der Sprache leben. Nicht bei denen, die
ihrem ganzen Instinkt nach in der Herde leben, die diese Sprache
als ihren eigentlichen Ausdruck geschaffen hat. /
     

     Die Sprache hat für Alle die gleichen Fallen bereit; das ungeheure
Netz gut erhaltener //ganzbarer// Irrwege. Und so sehen wir also Einen
nach dem Andern die gleichen Wege gehen und wissen schon, wo er jetzt
abbiegen wird, wo er geradaus fortgehen wird, ohne die Abzweigung zu be-
merken, etc. etc.. Ich sollte also an allen den Stellen, wo falsche We[t|g]e
abzweigen, Tafeln aufstellen, die über die gefährlichen Punkte hinweg-
helfen.

424
     
     Man hört immer wieder die Bemerkung, dass die Philosophie eigentlich
keinen Fortschritt mache, dass die gleichen philosophischen Probleme,
die schon die Greeks beschäftigten, uns noch beschäftigen. Die das
aber sagen, verstehen nicht den Grund, warum es so ist //sein muss//.
Der ist aber, dass unsere Sprache sich gleich geblieben ist und uns im-
mer wieder zu denselben Fragen verführt. Solange es ein Verbum ‘sein’
geben wird, das zu funktionieren scheint wie ‘essen’ und ‘trinken’, so-
lange es Adjektive ‘identisch’, ‘wahr’, ‘falsch’, ‘möglich’ geben wird,
solange von einem Fluss der Zeit und von einer Ausdehnung des Raumes die
Rede sein wird, u.s.w., u.s.w., solange werden die Menschen immer wieder
an die gleichen rätselhaften Schwierigkeiten stossen, und auf etwas
starren, was keine Erklärung scheint wegheben zu können.
     Und dies befriedigt im Uebrigen ein Verlangen nach dem Ueberirdischen
// Transcen[t|d]enten//, denn, indem sie die “Grenze des menschlichen Ver-
standes” zu sehen glauben, glauben sie natürlich, über ihn hinaus sehen
zu können.
     

     Ich lese “…philosophers are no nearer to the meaning of ‘Reality’
than Plato got …”. Welche seltsame Sachlage. Wie sonderbar, dass Plato dann überhaupt so weit kommen konnte! Oder, dass wir dann nicht wei-
ter kommen konnten! War es, weil Plato so gescheit war?
     

     Der Konflikt, in welchem wir uns in logischen Betrachtungen immer
wieder befinden, ist wie der Konflikt zweier Personen, die miteinander
einen Vertrag abgeschlossen haben, dessen letzte Formulierungen in
leic[t|h]t missdeutbaren Worten niedergelegt sind, wogegen die Erläuterun-
gen zu diesen Formulierungen alles in unmissverständlicher Weise erklären. Die eine der beiden Personen nun hat ein kurzes Gedächtnis, ver-
gisst die Erläuterungen immer wieder, missdeutet die Bestimmungen des
425
Vertrages und kommt //gerät daher// fortwährend in Schwierigkeiten. Die andere muss immer von frischem an die Erläuterungen im Vertrag erin-
nern und die Schwierigkeit wegräumen.
     

     Erinnere Dich daran, wie schwer es Kindern fällt, zu glauben, (oder)
einzusehen
) dass ein Wort wirklich zwei ganz verschiedene Bedeutungen hat
//haben kann//.
     

     Das Ziel der Philosophie ist es, eine Mauer dort zu errichten, wo die
Sprache ohnehin aufhört.
     

     Die Ergebnisse der Philosophie sind die Entdeckung irgend eines
schlichten Unsinns, und Beulen, die sich der Verstand beim Anrennen an
die Grenze //das Ende// der Sprache geholt hat. Sie, die Beulen, lassen
uns den Wert jener Entdeckung verstehen. //erkennen. //
     

     Welcher Art ist unsere Untersuchung? Untersuche ich die Fälle, die ich
als Beispiele anführe, auf ihre Wahrscheinlichkeit? oder Tatsächlichkeit?
Nein, ich führe nur an, was möglich ist, gebe also grammatische Beispie-
le.
     

     Philosophie wird nicht in Sätzen, sondern in einer Sprache niederge-
legt.
     



     Wie Gesetze nur Interesse gewinnen, wenn die Neigung besteht, sie zu
übertreten, //wenn sie übertreten werden // so gewinnen gewisse gramma-
tische Regeln erst dann Interesse, wenn die Philosophen sie übertreten
möchten.
426
     
     Die Wilden haben Spiele (oder wir nennen es doch so), für die <…> sie
keine geschriebenen Regeln, kein Regelverzeichnis besitzen. Denken wir
uns nun die Tätigkeit eines Forschers, die Länder dieser Völker zu berei-
sen und Regelverzeichnisse für ihre Spiele anzulegen. Das ist das ganze
Analogon zu dem, was der Philosoph tut. ((Warum sage ich aber nicht: Die
Wilden haben Sprachen (oder wir …), … keine geschriebene Grammatik
haben …”?
427
     




91
Die philosophischen Probleme treten uns im praktischen Leben gar
nicht entgegen (wie etwa die der Naturlehre), sondern erst, wenn wir
uns bei der Bildung unserer Sätze nicht vom praktischen Zweck, son-
dern von gewissen Analogien in der Sprache leiten lassen.
     






     Was zum Wesen der Welt gehört, kann die Sprache nicht ausdrücken.
Daher kann sie nicht sagen, dass Alles fliesst. Nur was wir uns
auch anders vorstellen könnten, kann die Sprache sagen.
     Dass Alles fliesst, muss im Wesen der Berührung der Sprache mit der
Wirklichkeit liegen. Oder besser: dass Alles fliesst, muss im Wesen
der Sprache liegen. Und, erinnern wir uns: im gewöhnlichen Leben fällt
uns das nicht auf – sowenig, wie die verschwommenen Ränder unseres Ge-
sichtsfeldes (“weil wir so daran gewöhnt sind”, wird Mancher sagen).
Wie, bei welcher Gelegenheit, glauben wir denn darauf aufmerksam zu wer-
den? Ist es nicht, wenn wir Sätze gegen die Grammatik der Zeit bilden
wollen?
     

     Wenn man sagt, dass ‘alles fliesst’, so w fühlen wir, dass wir ge-
hindert sind, das Eigentliche, die eigentliche Realität festzuhalten.
Der Vorgang auf der Leinwand entschlüpft uns eben, weil er ein Vorgang
428
ist. Aber wir beschreiben doch etwas; und ist das ein anderer Vorgang?
Die Beschreibung steht doch offenbar gerade mit dem Bild auf der Lein-
wand in Zusammenhang. Es muss dem Gefühl unserer Ohnmacht ein falsches
Bild zugrunde liegen. Denn was wir beschreiben wollen können, das können
wir beschreiben.
     

     Ist nicht dieses falsche Bild das eines Bilderstreifens, der so ge-
schwind vorbeiläuft, dass wir keine Zeit haben, ein Bild aufzufassen.
     

     Wir würden nämlich in diesem Fall geneigt sein, dem Bilde nachzulau-
fen. Aber dazu gibt es ja im Ablauf eines Vorgangs nichts analoges.
     

     Es ist merkwürdig, dass wir das Gefühl, dass das Phänomen uns ent-
schlüpft, den ständigen Fluss der Erscheinung, im gewöhnlichen Leben nie
spüren, sondern erst, wenn wir philosophieren. Das deutet darauf hin,
dass es sich hier um einen Gedanken handelt, der uns durch eine falsche
Verwendung unserer Sprache suggeriert wird.
     

     Das Gefühl ist nämlich, dass die Gegenwart in die Vergangenheit
schwindet, ohne dass wir es hindern können. Und hier bedienen wir uns
doch offenbar des Bildes eines Streifens, der sich unaufhörlich an uns
vorbeibewegt und den wir nicht aufhalten können. Aber es ist natürlich
ebenso klar, dass das Bild missbraucht ist. Dass man nicht sagen kann
“die Zeit fliesst” wenn man mit “Zeit” die Möglichkeit der Veränderung
meint.
     

     Dass uns nichts auffällt, wenn wir uns umsehen, im Raum herumsehen,
unseren eigenen Körper fühlen etc. etc., das zeigt, wie natürlich uns
eben diese Dinge sind. Wir nehmen nicht wahr, dass wir den Raum perspek-
429
tivisch sehen oder dass das Gesichtsbild gegen den Rand zu in irgendei-
nem Sinne verschwommen ist. Es fällt uns nie auf und kann uns nie auf-
fallen, weil es die Art der Wahrnehmung ist. Wir denken nie darüber
nach, und es ist unmöglich, weil es zu der Form unserer Welt keinen Ge-
gensatz gibt.
     

     Ich wollte sagen, es ist merkwürdig, dass die, die nur den Dingen,
nicht unseren Vorstellungen, Realität zuschreiben, sich in der Vorstel-
lungswelt so selbstverständlich bewegen und sich nie aus ihr herausseh-
nen.
      D.h., wie selbstverständlich ist doch das Gegebene. Es müsste mit al-
len Teufeln zugehen, wenn das das kleine, aus einem schiefen Winkel auf-
genommene Bildchen wäre.
     Dieses Selbstverständliche, das Leben, soll etwas Zufälli-
ges, Nebensächliches sein; dagegen etwas, worüber ich mir normalerweise
nie den Kopf zerbreche, das Eigentliche!
      D.h., das, worüber hinaus man nicht gehen kann, noch gehen will, wäre
nicht die Welt.
     Immer wieder ist es der Versuch, die Welt in der Sprache abzugrenzen
und hervorzuheben – was aber nicht geht. Die Selbstverständlichkeit der
Welt drückt sich eben darin aus, dass die Sprache nur sie bedeutet, und
nur sie bedeuten kann.
     Denn, da die Sprache die Art ihres Bedeutens erst von ihrer Bedeutung,
von der Welt, erhält, so ist keine Sprache denkbar, die nicht diese
Welt darstellt.
     

     In den Theorien und Streitigkeiten der Philosophie finden wir die Wor-
te, deren Bedeutungen uns vom alltäglichen Leben her wohlbekannt sind,
in einem ultraphysischen Sinne angewandt.
430
     

     Wenn die Philosophen ein Wort gebrauchen und nach seiner Bedeutung
forschen, muss man sichn immer fragen: wird denn dieses Wort in der
Sprache, die e[w|s] geschaffen hat //für die es geschaffen ist//, je tat-
sächlich so gebraucht?
     Man wird dann meistens finden, dass es nicht so ist, und das Wort ge-
gen seine normale //entgegen seiner normalen// Grammatik gebraucht
wird. (“Wissen”, “Stein”, “Ding”.)
     

     (Die Den Philosophen sind oft wie kleine Kinder, geht es oft wie den kleinen Kindern…… die zuerst mit ihrem Blei-
stift beliebige irgend welche Striche auf ein Papier kritzeln und nun //dann// den
Erwachsenen fragen “was ist das?” – Das ging so zu: Der Erwachsene hatte
dem Kind öfters etwas vorgezeichnet und gesagt: “das ist ein Mann”, “das
ist ein Haus”, u.s.w.. Und nun macht das Kind auch Striche und fragt:
was ist nun das?)
431
     




92

        Methode in der Philosophie.
Möglichkeit des ruhigen Fortschreitens.
     






     Die eigentliche Entde[f|c]kung ist die, die mich fähig macht, mit dem
Philosophieren aufzuhören, wann ich will.
     Die die Philosophie zur Ruhe bringt, so dass sie nicht mehr von
Die die Philosophi Fragen gepeitscht ist // wird//, die sie
selbst
in Frage stellen.
     Sondern es wird jetzt an Beispielen eine Methode gezeigt, und die
Reihe dieser Beispiele kann man abbrechen //kann abgebrochen werden//.
     

     Richtiger hiesse es aber: Es werden Probleme gelöst (Beunruhigungen
//Schwierigkeiten // beseitigt), nicht ein Problem.
     

     Die Unruhe in der Philosophie kommt daher, dass die Philosophen die
Philosophie falsch ansehen, falsch sehen, nämlich gleichsam in (unend-
liche) Längsstr[ie|ei]fen zerlegt, statt in (endliche) Querstreifen. Diese
Umstellung der Auffassung macht die grösste Schwierigkeit. Sie
wollen also gleichsam den unendlichen Streifen erfassen, und klagen,
432
dass es // dies// nicht Stück für Stück möglich ist. Freilich nicht,
wenn man unter einem Stück einen endlosen Längsstreifen versteht. Wohl
aber, wenn man einen Querstreifen als Stück // ganzes, definitives
Stück// sieht. – Aber dann kommen wir ja mit unserer Arbeit nie zu
Ende! Freilich // Gewiss// nicht, denn sie hat ja keins.
     

     (Statt der turbulenten Mutmassungen und Erklärungen wollen wir ruhi-
ge ?–Darlegungen Erwägung //Konstatierungen //–? sprachlicher Tatsachen geben.
//von sprachlichen Tatsachen geben.) //[W|w]ollen wir die ruhige Fest-
setzungstellung sprachlicher Tatsachen.
     

     Wir müssen die ganze Sprache durchpflügen.
     

     (Die meisten Menschen, wenn sie eine philosophische Untersuchung an-
stellen wollen, machen es wie Einer, der äusserst nervös einen Gegen-
stand ine einer Lade sucht. Er wirft Papiere aus der Lade heraus – das
Gesuchte mag darunter sein – blättert hastig und ungenau unter den <…>
übrigen. Wirft wieder einige in die Lade zurück, bringt sie mit den
andern durcheinander, u.s.w.. Man kann ihm dann nur sagen: Halt, wenn
Du so suchst, kann ich Dir nicht suchen helfen. Erst musst Du anfan-
gen, in vollster Ruhe methodisch eins nach dem andern zu untersuchen;
dann bin ich auch bereit, mit Dir zu suchen und mich auch in der Metho-
de
nach Dir zu richten.)
433
     




93
Die Mythologie in den Formen unserer Sprache. ((Paul Ernst.))
     






     In den alten Riten haben wir den Gebrauch einer äussert ausgebilde-
ten Gebärdensprache.
     Und wenn ich in Frazer lese, so möchte ich auf Schritt und Tritt sa-
gen: Alle diese Prozesse, diese Wandlungen der Bedeutung, haben wir
noch in unserer Wortsprache vor uns. Wenn das, was sich in der letzten
Garbe verbirgt, der ‘Kornwolf’ genannt wird, aber auch diese Garbe
selbst, und auch der Mann der sie bindet, so erkennen wir hierin einen
uns wohlbekannten sprachlichen Vorgang.
     

     Der Sündenbock, auf den man seine Sünde legt und der damit in die
Wüste hinausläuft, – ein falsches Bild, ähnlich denen, die die philoso-
phischen Irrtümer verursachen.
     

     Ich möchte sagen: nichts zeigt unsere Verwandtschaft mit jenen Wil-
den besser, als dass Frazer ein ihm und uns so geläufiges Wort wie
“ghost” oder “shade” bei der Hand hat, um die Ansichten dieser Leute
zu beschreiben.
434
     
     (Das ist ja doch etwas anderes, als wenn er etwa beschriebe, die Wil-
den bildeten //bilden// sich ein, dass ihnen ihr Kopf herunterfällt,
wenn sie einen Feind erschlagen haben. Hier hätte unsere Be-
schreibung
nichts Abergläubisches oder Magisches an sich.)
     

     Ja, diese Sonderbarkeit bezieht sich nicht nur auf die Ausdrücke
“ghost” und “shade”, und es wird viel zu wenig Aufhebens davon gemacht,
dass wir das Wort “Seele”, “Geist” (“spirit”) zu unserem eigenen gebilde-
ten Vokabular zählen. Dagegen ist es eine Kleinigkeit, dass wir nicht
glauben, dass unsere Seele isst und trinkt.
     

     In unserer Sprache ist eine ganze Mythologie niedergelegt.
     

     Austreiben des Todes oder Umbringen des Todes; aber anderseits wird
er als Gerippe dargestellt, also selbst in gewissem Sinne tot. “As dead
as death”. ‘Nichts ist so tot wie der Tod; nichts so schön wie die Schön-
heit selbst!’ Das Bild, worunter man sich hier die Realität denkt ist,
dass die Schönheit, der Tod, etc. die reine (konzentrierte) Substanz ist, reinen (konzentrierten) Substanzen sind
während sie in einem schönen Gegenstand als Beimischung vorhanden ist. sind.
Und erkenne ich hier nicht meine eigenen Betrachtungen über ‘Gegenstand’
und ‘Komplex’? (Plato.)
     

     Die primitiven Formen unserer Sprache: Substantiv, Eigenschaftswort und
Tätigkeitswort zeigen das einfache Bild, auf dessen Form sie alles zu brin-
gen sucht.
     

     Solange man sich unter der Seele ein Ding, einen Körper
vorstellt, der in unserem Kopfe ist, solange ist diese Hypothese nicht
gefährlich. Nicht in der Unvollkommenheit und Rohheit unserer Modelle
435
liegt die Gefahr, sondern in ihrer Unklarheit (Undeutlichkeit).
     Die Gefahr beginnt, wenn wir merken, dass das alte Modell nicht genügt,
es nun aber nicht ändern, sondern nur gleichsam sublimieren. Solange ich
sage, der Gedanke ist in meinem Kopf, ist alles in Ordnung; gefährlich
wird es, wenn wir sagen, der Gedanke ist nicht in meinem Kopfe, aber in
meinem Geist.
436
     




Phänomenologie.








































437
     




94
Phänomenologie ist Grammatik.
     






     Die Untersuchung der Regeln des Gebrauchs unserer Sprache, die Er-
kenntnis dieser Regeln und übersichtliche Darstellung, läuft auf das
hinaus, d.h. leistet dasselbe, was man oft durch die Konstruktion einer
phänomenologischen Sprache leisten // erzielen// will.
     Jedesmal, wenn wir erkennen, dass die und die Darstellungsweise auch
durch eine andre ersetzt werden kann, machen wir einen Schritt zu die-
sem Ziel.
     

     ““Angenommen, mein Ge[w|s]ichtsbild wären zwei gleichgrosse rote Kreise
auf blauem Grund: was ist hier in zweifacher Zahl vorhanden, und was
einmal? (Und was bedeutet diese Frage überhaupt?) – Man könnte sagen:
wir haben hier eine Farbe, aber zwei Oertlichkeiten. Es wurde aber
auch gesagt, rot und kreisförmig seinen Eigenschaften von zwei Gegen-
ständen, die man Flecke nennen könnte, und die in gewissen räumlichen
Beziehungen zueinander stehen.”” Die Erklärung “es sind hier zwei Gegen-
stände – Flecke –, die …” klingt wie eine Erklärung der Physik. Wie
wenn Einer fragt “was sind das für rote Kreise, die ich dort sehe” und
438
ich antworte “das sind zwei rote Laternen, etc.”. Eine Erklärung wird
aber hier nicht gefordert (unsere Unbefriedigung durch eine Erklärung
lösen zu wollen ist der Fehler der Metaphysik). Was uns beunruhigt, ist
die Unklarheit über die Grammatik des Satzes “ich sehe zwei rote Kreise
auf blauem Grund”; insbesondere die Beziehungen zur Grammatik der Sätze
// eines Satzes// wie “auf dem Tisch liegen zwei rote Kugeln”; und
wieder “auf diesem Bild sehe ich zwei Farben”. Ich kann //darf// na-
türlich statt des ersten Satzes sagen: “ich sehe zwei Flecken mit //von//
den Eigenschaften Rot und kreisförmig und in der räumlichen Beziehung
Nebeneinander” – und ebensowohl: “ich sehe die Farbe rot an zwei kreis-
förmigen Oertlichkeiten nebeneinander” – wenn ich bestimme, dass diese
Ausdrücke das gleiche bedeuten sollen, wie der obige Satz. Es wird sich
dann einfach die Grammatik der Wörter “Fleck”, “Oertlichkeit”, “Farbe”,
etc. nach der (Grammatik) der Wörter des ersten Satzes richten müssen.
Die Konfusion entsteht hier dadurch, dass wir glauben, über das Vorhanden-
sein oder Nichtvorhandensein eines Gegenstands (Dinges) – des Flecks –
entscheiden zu müssen: wie wenn man entscheidet, ob, was ich sehe (im
physikalischen Sinn) ein roter Anstrich oder ein Reflex ist.
     

     Irrtümliche Anwendung unserer physikalischen Ausdrucksweise auf Sin-
nesdaten. “Gegenstände”, d.h. Dinge, Körper im Raum des Zimmers – und
“Gegenstände” im Gesichtsfeld; der Schatten eines Körpers an der Wand als
Gegenstand! Wenn man gefragt wird: “existiert der Kasten noch, wenn ich
ihn nicht anschaue”, so ist die korrekte Antwort: “ich glaube nicht, dass
ihn jemand gerade dann wegtragen wird, oder zerstören”. Die Sprachform
“ich nehme x wahr” bezieht sich ursprünglich auf ein Phänomen (als Argu-
ment) im physikalischen Raum (ich meine hier: im “Raum” der alltäglichen
Ausdrucksweise). Ich kann diese Form daher nicht unbedenklich auf das
anwenden, was man Sinnesdatum nennt, etwa auf ein optisches Nachbild.
439
(Vergleiche auch, was wir über die Identifizierung von Körpern, und an-
derseits von Farbflecken im Ge[w|s]ichtsfeld gesagt haben.) Was es heisst:
ich, das Subjekt, stehe dem Tisch, als Objekt, gegenüber, kann ich leicht
verstehen; in welchem Sinne aber stehe ich meinem optischen Nachbild des
Tisches gegenüber?
     “Ich kann diese Glasscheibe nicht sehen, aber ich kann sie fühlen”.
Kann man sagen: “ich kann das Nachbild nicht sehen, aber …”?
Vergleiche: “Ich sehe den Tisch deutlich”;
            “ich sehe das Nachbild deutlich”.
             “Ich höre die Musik deutlich”;
            “ich höre das Ohrensausen deutlich”.
     Ich sehe den Tisch nicht deutlich, heisst etwa: ich sehe nicht alle
Einzelheiten des Tisches; – was aber heisst es: “ich sehe nicht alle
Einzelheiten des Nachbildes”, oder: “ich höre nicht alle Einzelheiten
des Ohrenklingens”?
     Könnte man nicht sehr wohl statt “ein Nachbild sehen” sagen: “ein
Nachbild haben”? Denn: ein Nachbild “sehen”? im Gegensatz wozu? –
     “Wenn Du mich auf den Kopf schlägst, sehe ich Kreise”. – “Sind es ge-
naue Kreise, hast Du sie gemessen?” (Oder: “sind es ge[i|w]iss Kreise, oder
täuscht Dich Dein Augenmass?”) – Was heisst es nun, wenn man sagt: “wir
können nie einen genauen Kreis sehen”? Soll das eine Erfahrungstatsache
sein, oder die Konstatierung einer logischen Unmöglichkeit? – Wenn das
letztere, so heisst es also, dass es keinen Sinn hat, vom Sehen eines
genauen Kreises zu reden. Nun, das kommt drauf an, wie man das Wort ge-
brauchen will. “Genauer Kreis” im Gegensatz zu einem Gesichtsbild, das
wir eine sehr kreisähnliche Elipse nennen würden, kann man doch gewiss
sagen. Das Gesichtsbild ist ein genauer Kreis // Das Gesichtsbild ist
dann ein genauer Kreis//, welches uns wirklich, wie wir sagen würden,
440
kreisförmig erscheint und nicht vielleicht nur sehr ähnlich einem Kreis
// Kreise//. Ist anderseits von einem Gegenstand der Messung die Rede,
so gibt es wieder verschiedene Bedeutungen des Ausdrucks “genauer Kreis”,
je nach dem Erfahrungskriterium, welches ich dafür bestimme, dass der
Gegenstand genau kreisförmig ist. //…je nach dem Erfahrungskriterium,
das ich für die genaue Kreisförmigkeit des Gegenstandes bestimme. // Wenn
ich nun sage //wir nun sagen//: “keine Messung ist absolut genau”, so
erinnern wir hier an einen Zug in der Grammatik der Angabe von Messungs-
resultaten. Denn sonst könnte uns Einer sehr wohl antworten: “wie weisst
Du das, hast Du alle Messungen untersucht?” – “Man kann nie einen genauen
Kreis sehen” kann die Hypothese sein, dass genauere Messung
eines kreisförmig aussehenden Gegenstandes immer zu dem Resultat führen
wird, dass der Gegenstand von der Kreisform abweicht. – Der Satz “man
kann ein 100-Eck nicht von einem Kreis unterscheiden” hat nur Sinn, wenn
man die beiden auf irgend eine Weise unterscheiden kann, und sagen
will, man könne sie, etwa visuell, nicht unterscheiden. Wäre keine Me-
thode der Unterscheidung vorgesehen, so hätte es also keinen Sinn, zu
sagen, dass diese zwei Figuren (zwar) gleich aussehen, aber “in Wirklich-
keit” //“tatsächlich”// verschieden sind. Und jener Satz wäre dann etwa
die Definition 100-Eck = Kreis.
     Ist in irgendeinem Sinne ein genauer Kreis im Gesichtsfeld undenkbar,
dann muss der Satz “ich sehe nie einen genauen Kreis im Gesichtsfeld”
von der Art des Satzes sein: “ich sehe nie ein hohes C im Gesichtsfeld”.
//…, dann muss der Satz “im Gesichtsfeld ist nie ein genauer Kreis”
von der Art des Satzes sein: “im Gesichtsfeld ist nie ein hohes C.”//
     



     Der Farbenraum wird beiläufig dargestellt durch das Oktoeder,
441
mit den reinen Farben an den Eckpunkten und diese Darstellung ist eine
grammatische, keine psychologische. Zu sagen, dass unter den und den Um-
ständen – etwa – ein rotes Nachbild sichtbar wird, ist dagegen Psycholo-
gie (das kann sein, oder auch nicht, das andere ist a priori; das
Eine kann durch Experimente festgestellt werden, das Andere nicht.)
     

     Was Mach ein Gedankenexperiment nennt, ist natürlich gar kein Experi-
ment. Im Grunde ist es eine grammatische Betrachtung.
     

     Das Farbenoktoeder ist Grammatik, denn es sagt, dass wir von einem
rötlichen Blau, aber nicht von einem rötlichen Grün reden können, etc..
     

     Die Oktoeder-Darstellung ist eine übersichtliche Dar-
stellung der grammatischen Regeln.
     

     Wenn Einer konstatieren wollte “der Gesichtsraum ist farbig”, so wären
wir versucht, ihm zu antworten: “Wir können ihn uns ja gar nicht anders
vorstellen (denken)”. Oder: “Wenn er nicht färbig wäre, so wäre er in dem
Sinne verschieden vom Gesichtsraum, wie ein Klang von einer Farbe”. Rich-
tiger aber könnte man sagen: er wäre dann eben nicht, was wir “Gesichts-
raum” nennen. In der Grammatik wird auch die Anwendung der Sprache be-
schrieben; das, was man den Zusammenhang zwischen Sprache und Wirklichkeit
nennen möchte. Wäre er aber nicht beschrieben, so wäre einerseits die
Grammatik unvollständig, anderseits könnte sie aus dem Beschriebenen nicht
vervollständigt werden. In dem Sinn, in welchem wir ihn uns nicht anders
denken können, ist die “Färbigkeit” in der Definition des Begriffs ‘Ge-
sichtsraum’, d.h. in der Grammatik des Wortes “Gesichtsraum”, enthalten.
     

     Wenn manchmal gesagt wird: man können das Helle nicht sehen, wenn man
442
nicht das Dunkle sähe; so ist das kein Satz der Physik oder Psychologie – denn hier stimmt es nicht und ich kann sehr woh[k|l] eine ganz weisse Fläche
sehen und nichts Dunkles daneben – sondern es muss heissen: In unserer
Sprache wird “hell” als ein Teil eines Gegensatzpaars hell – dunkel ge-
braucht. Wie wenn man sagte: im Schachspiel wird die weisse Farbe von Fi-
guren zur Unterscheidung von der schwarzen Farbe andrer Figuren gebrau[h|c]ht.
     

     Ist nicht die Harmonielehre wenigstens teilweise Phänomenologie, also
Grammatik!
     Die Harmonielehre ist nicht Geschmacksache.
     

     Eine Kirchentonart verstehen, heisst nicht, sich an die Tonfolge ge-
wöhnen, in dem Sinne, in dem ich mich an einen Geruch gewöhnen kann und
ihn nach einiger Zeit nicht mehr unangenehm empfinde. Sondern es heisst,
etwas Neues hören, was ich früher noch nicht gehört habe, etwa in der
Art – ja ganz analog – wie es wäre, 10 Striche !!!!!!!!!!, die ich früher
nur als 2 mal 5 Striche haben sehen können, plötzlich als ein charakte-
ristisches Ganzes sehen zu können. Oder die Zeichnung eines Würfels, die
ich nur als flaches Ornament habe sehen können, auf einmal räumlich zu
sehen.
443
     



95
Kann man in die Eigenschaften des Gesichtsraumes tiefer eindringen?
etwa durch Experimente?
     






     Die Tatsache, dass man ein physikalisches Hunderteck als Kreis sieht,
es nicht von einem physikalischen Kreis unterscheiden kann, sagt gar
nichts über die Möglichkeit, ein Hunderteck zu sehen.
     Dass es mir nicht gelingt, einen physikalischen Körper zu finden, der
das Gesichtsbild eines Hundertecks gibt, ist nicht von logischer Bedeu-
tung. Es frägt sich; Hat es Sinn von einem Gesichts-Hunderteck zu
reden? Oder: Hat es Sinn, von zugleich gesehenen 30
Strichen nebeneinander zu reden. Ich glaube, nein.
     Der Vorgang ist gar nicht so, dass man zuerst ein Dreieck, dann ein
Viereck, Fünfeck etc. bis z.B. zum 50-Eck sieht und dann der Kreis kommt;
sondern man sieht ein Dreieck, ein Viereck etc. bis vielleicht zum Acht-
eck, dann sieht man nur mehr Viel-Ecke mit mehr oder weniger langen Sei-
ten. Die Seiten werden kleiner, dann begin[g|n]t ein flukt[i|u]ieren zum Kreis
hin und dann kommt der Kreis.
     Dass eine physikalische Gerade als Tangente an einen Kreis gezogen das
Gesichtsbild einer geraden Linie gibt, die ein Stück weit mit der ge-
444
krümmten zusammenläuft, beweist auch nicht, dass unser Sehraum nicht eu-
klidisch ist, denn es könnte sehr wohl ein anderes physikalisches Gebil-
de das der euklidischen Tangente entsprechende Bild erzeugen. Tatsächlich
aber ist ein solches Bild undenkbar.
     

     Wenn man frägt, ob die Tonleiter eine unendliche Möglichkeit der Fort-
setzung in sich trägt, so ist die Antwort nicht dadurch gegeben, dass
man Luftschwingungen, die eine gewisse Schwingenzahl überschreiten, nicht
mehr als Töne wahrnimmt, denn es könnte ja die Möglichkeit bestehen, hö-
here Tonempfindungen auf andere Art und Weise hervorzurufen.
     

     Die Geometrie unseres Gesichtsraumes ist uns gegeben, d.h., es bedarf
keiner Untersuchung bis jetzt verborgener Tatsache[,|n], um sie zu finden.
Die Untersuchung ist keine, im Sinn einer physikalischen oder psycholo-
gischen Untersuchung. Und doch kann man sagen, wir kennen diese Geometrie
noch nicht. Diese Geometrie ist Grammatik und die Untersuchung eine
grammatische Untersuchung.
     

     Man kann sagen, diese Geometrie liegt offen vor uns (wie alles Logi-
sche) – im Gegensatz zur praktischen Geometrie des physikalischen Rau-
mes).
     

     Niemand kann [d|u]nseren //den // Gesichtsraum näher kennen lehren.
Aber wir können seine sprachliche Darstellung übersehen lernen. Unter-
scheide die geometrische Untersuchung von der Untersuchung der Vorgänge
im Gesichtsraum.
     

     Man könnte beinahe von einer externen und einer internen Geometrie re-
den. Das, was im Gesichtsraum angeordnet ist, steht in dieser Art von
445
Ordnung a priori, d.h. seiner logischen Natur nach und die Geometrie ist
hier einfach Grammatik. Was der Physiker in der Geometrie des physikali-
schen Raumes in Beziehung zu einander setzt, sind Instrumentablesungen,
die ihrer internen Natur nach nicht anderss sind, ob wir in ei-
nem geraden oder sphärischen physikalischen Raum leben. D.h., nicht eine
Untersuchung der logischen Eigenschaften dieser Ablesungen führt den
Physiker zu einer Annahme über die Art des physikalischen Raumes, sondern
die abgelesenen Tatsachen.
     

     Vergleich des Arbeitens an der Rechenmaschine mit dem Messen geometri-
scher Gebilde. Machen wir bei dieser Messung ein Experiment, oder ver-
hält es sich so, wie im Falle der Rechenmaschine, dass wir nur interne
Relationen feststellen und das physikalische Resultat unserer Operationen
nichts beweist?
     

     Im Gesichtsraum gibt es natürlich kein geometrisches Experiment.
     

     Ich glaube, dass hier der Hauptpunkt des Missverständnisses über das
a priori und a posteriori der Geometrie liegt.
     

     Jede Hypothese ist eine heuristische Methode. Und in dieser Lage ist,
glaube ich, auch die euklidische oder eine andere Geometrie auf den Raum
der physikalischen Messungen angewandt. Ganz anders verhält es sich mit
dem, was man die Geometrie des Gesichtsraumes nennen kann.
446
     




96
Gesichtsraum im Gegensatz zum Euklidischen Raum.
     






     Wenn die Aussage, dass wir nie einen genauen Kreis sehen, be-
deuten soll, dass wir z.B. keine Gerade sehen, die den Kreis in einem
Punkt berührt (d.h., dass nicht in unserm Sehraum die Multiplizität der
einen Kreis berührenden Geraden hat) dann ist zu dieser Ungenauig-
keit nicht ein beliebig hoher Grad der Genauigkeit denkbar.
     Das Wort “Gleichheit” hat eine andere Bedeutung, wenn wir es auf
Strecken im Sehraum anwenden, als, die es auf den physikalischen Raum an-
gewendet hat. Die Gleichheit im Sehraum hat eine andere Multiplizität
als die Gleichheit im physikalischen Raum, darum können im Sehraum
g' und g'' Gerade (Sehgerade) sein und die
 
 

Strecken a' = a'', a'' = a''' etc. aber
nicht a' = a''''' sein. Ebenso hat der
Kreis und die Gerade im Gesichtsraum eine andere Multiplizität als Kreis
und Gerade im physikalischen Raum, denn ein kurzes Stück eines gesehenen
Kreises kann gerade sein; “Kreis” und “Gerade” eben im Sinne der Ge-
sichtsgeometrie angewandt.
     Die gewöhnliche Sprache hilft sich hier mit dem Wort “scheint” oder
447
“erscheint”. Sie sagt a' und a'' scheinen gleich zu sein, während zwischen
a' und a''''' dieser Schein nocht nicht mehr be[w|s]teht. Aber sie benutzt
das Wort “scheint” zweideutig. Denn seine Bedeutung hängt davon ab, was
diesem Schein nun als das Sein entgegengestellt wird. In einem Fall ist
es das Resultat einer Messung, im anderen eine weitere Erscheinung. In
diesen Fällen ist also die Bedeutung des Wortes “scheinen” eine verschie-
dene.
     

     Wenn ich sage “die obere Strecke ist so lang wie die untere” und mit
diesem Satz das meine, was sonst der Satz “die obere Strecke erscheint mir
so lang, wie die untere” sagt, dann hat in dem Satz das Wort “gleich” ei-
ne ganz andere Bedeutung, wie im gleichlautenden Satz, für den die Verifi-
kation die Uebertragung der Länge mit dem Zirkel ist. Darum kann ich z.B.
im zweiten Fall von einem Verbessern der Vergleichsmethoden reden, aber
nicht im ersten Falle. Der Gebrauch desselben Wortes “gleich” in ganz
verschiedenen Bedeutungen ist sehr verwirrend. Er ist der typische Fall,
dass W[i|o]rte und Redewendungen, die sich ursprünglich auf die “Dinge” der
physikalischen Ausdrucksweise, die “Körper im Raum” beziehen, auf die
Teile uns[d|e]res Gesichtsfeldes angewendet werden, wobei sie ihre Bedeutung
gänzlich wechseln müssen und die Aussagen ihren Sinn verlieren, die frü-
her einen hatten, und andere einen Sinn gewinne[,|n], die in der ersten Aus-
drucksart keinen hatten. Wenn auch eine gewisse Analogie bestehen bleibt,
eben die, dien uns verführt, den gleichen Ausdruck zu gebrauchen.
     

     Die visuelle Gerade berührt den visuellen Kreis nicht in einem
Punkt, sondern in einer visuellen Strecke. – Wenn ich die? Zeichnung eines
Kreises und einer Tangente ansehe, so ist //wäre// nicht das merkwürdig,
wenn //dass // ich etwa niemals einen vollkommenen Kreis und eine voll-
kommene Gerade miteinander in Berührung sehe; interessant ist //wird wäre //
448
es erst, wenn ich sie sehe, und dann die Tangente mit dem Kreis ein Stück
zusammenläuft.
     

     Die Geometrie der Physik hat es in diesem Sinn nicht mit der Möglich-
keit, sondern mit den Tatsachen zu tun. Sie wird von Tatsachen bestätigt;
in dem Sinne nämlich, in dem ein Teil einer Hypothese bestätigt wird.
     

     Die Verschwommenheit, Unbestimmtheit unserer Sinneseindrücke ist nicht
etwas, de[j|m] sich abhelfen lässt, eine Verschwommenheit, der auch völlige
Schärfe entspricht (oder entgegensteht). Vielmehr ist diese allgem[i|e]ine Un-
bestimmtheit, Ungreifbarkeit, dieses Schwimmen der Sinneseindrücke, das,
was mit dem Worte “alles fliesst” bezeichnet worden ist. Wir sagen “man
sieht nie einen genauen Kreis”, und wollen sagen, dass, auch wenn wir kei-
ne Abweichung von der Kreisform sehen, uns das keinen genauen Kreis gibt.
(Es ist, als wollten wir sagen: wir können dieses Werkzeug nie genau füh-
ren, denn wir halten nur den Griff und das Werkzeug sitzt im Griff lose.)
Was aber verstehen wir dann unter dem Begriff ‘genauer Kreis’?
Wie sind wir zu diesem Begriff überhaupt gekommen? Nun, wir denken z.B.
an eine genau gemessene Kreisscheibe aus einem sehr harten Stahl. Aha –
also dorthin zielen wir mit dem Begriff ‘genauer Kreis’. Freilich, davon
finden wir im Gesichtsbild nichts. Wir haben eben die Darstellungsform ge-
wählt, die die Stahlscheibe genauer nennt als die Holzscheibe und die Holz-
scheibe genauer als die Papierscheibe. Wir haben den Begriff “genau”
durch eine Reihe bestimmt, und reden von den Sinneseindrücken als Bildern,
ungenauen Bildern, der physikalischen Gegenstände.
     



     Zwingt mich etwas zu der Deutung, dass der Baum, den ich durch mein
Fenster sehe, grösser ist als das Fenster? Das kommt darauf an, wie ich
die Wörter “grösser” und “kleiner” gebrauche. – Denken wir uns die normale
// alltägliche// visuelle Erfährung wäre es für uns, Stäbe in verschiede-
nen Längen zu Lagen zu sehen, die durch Teilstriche in (visuell) gleiche
449
Teile geteilt, wären. Könnte sich da nicht/ein doppelter Gebrauch der Worte
“länger” und “kürzer” einbürgern. Wir würden nämlich manchmal den Stab
den längeren nennen, der in mehr Teile gewä geteilt wäre; etc..
     

     Messen einer Länge im Gesichtsfeld durch Anlaˇegen <?> eines visuellen Mass-
stabes. D.i., eines Stabes, der durch Teilstriche in gleiche Teile ge-
teilt ist. Es gibt hier eine Messung, die darin besteht, dass der Masstab
an zwei Längen // Strecken// angelegt wird. Und zwar können 2 Masstäbe
je einer an eine Länge angelegt werden und das Kriterium für die Gleich-
heit der Mass[t|e]inheit ist, dass die Einheiten gleichlang aussehen. Es kann
aber auch ein Masstab von einer Länge //Strecke// zur andern transpor-
tiert werden und das Kriterium der Konstanz der Masseinheit ist, dass wir
keine Veränderung merken. Während das Kriterium dafür, dass die gemesse-
nen Längen sich nicht verändern etwa darin besteht, dass wir keine Bewe-
gung der Endpunkte wahrgenommen haben. Ich kann unzählige verschiedene
Bestimmungen darüber treffen, welches das Kriterium der Längengleichheit
im Gesichtsbild sein soll und danach werden sich wieder verschiedene Be-
deutungen der Massangaben ergeben.
     



Teilbarkeit. Unendliche Teilbarkeit.

     Die unendliche Teilbarkeit der euklidischen Strecke besteht in der
Regel (Festsetzung), dass es Sinn hat, von einem n-ten Teil jedes
Teils zu sprechen. Spricht man aber von der Teilbarkeit einer Länge im
Gesichtsraum und fragt, ob eine solche noch teilbar, oder endlos teilbar
ist, so suchen wir hier nach einer Regel, die einer gewissen Realität ent-
450
spricht (aber wie entspricht sie ihr?). Ich sehe einen schwarzen
Streifen an der Wand vor mir, – ist seine Breite teilbar? Was ist das Kri-
terium dafür? Hier gibt es nun unzählige Kriterien, die wir alle als Kri-
terien der Teilbarkeit im Gesichtsfeld bezeichnen // anerkennen// würden,
und die stufenweise in einander übergehen. Vor allem könnte die Bedeutung
von “Teilbarkeit” so festgelegt werden, dass ein Versuch sie erweist; dann
ist es also nicht “logische Möglichkeit” der Teilung, sondern physische
Möglichkeit, und die logische Möglichkeit, die hier in Frage kommt, ist
in der Beschreibung des Versuchs der Teilung gegeben – wie immer dieser
Versuch ausgehn mag.
     Was würden wir nun einen “Versuch der Teilung” nennen? – Etwa den,
einen Strich neben den ersten zu malen, der gleichbreit aussieht und aus
einem grünen und roten Längsstreifen besteht, wobei die Erinnerung das Kri-
terium dafür gäbe, dass der schwarze Streife die gleiche Breite habe, die
er hatte, als wir die Frage stellten. (D.h., dass wir als gleiche Breite
des schwarzen Streifens jetzt und früher das bezeichnen, was als
gleichbreit erinnert wird.) Anderseits könnte ich als Kriterium der Teil-
barkeit des schwarzen Streifens festsetzen, dass zugleich mit ihm ein gleich
breit aussehender und geteilter Streifen gesehen wird. Und als Vollzug der
möglichen Teilung würde ich dann die Ersetzung des ungeteilten durch einen
451
714
geteilten bezeichnen, bei welcher der zuerst gesehene ungeteilte Streifen be-
stehen bleibt. Ich würde also sagen “a sei ist geteilt” – weil ich
 
 
b daneben sehe und “a sei ist geteilt”, wenn ich danach 2 Streifen
von der Art b sehe. In der Aussage “a ist geteilt” bezeichnet
“a” also einen Ort; das nämlich, was gleichbleibt, ob a ge-
teilt oder ungeteilt ist. Hier gibt es nun wieder Verschiedenes, was wir als
“Ort im Gesichtsfeld” und “Festlegung eines Ortes im Gesichtsfeld” bezeichnen. –
Wir könnten aber einen Streifen nur dann teilbar nennen, wenn er sich in glei-
cher (gesehener) Breite in einen geteilten Streifen fortsetzt, oder aber, wenn
es uns gelingt, einen geteilten Streifen zeitweilig an ihn (im
 
 
Gesichtsfeld) anzulegen, etc. etc. – Dann aber gibt es das Kri-
terium der Vorstellbarkeit der Teilung. Wir sagen: “oh ja, diesen Streifen kann
ich mir noch ganz leicht geteilt denken” (oder “vorstellen”). “Wenn eine Tei-
lung dieses Streifens a in ungleiche Teile möglich ist, dann umsomehr
           
 
 
in gleiche Teile”. Und hier haben wir wieder die Festsetzung ei-
nes neuen Kriteriums der Teilbarkeit in gleiche Teile. Und hier
sagt man: ich kann mir doch in diesem Fall gewiss denken, dass der Streifen
halbiert wäre // wird//. Aber worin besteht diese Möglichkeit //Fähigkeit //
des Denkens? Kann ich es, wenn ich es versuche? Und wie, wenn es mir nicht ge-
lingt? Was hier mit dem “ich kann mir … denken” gemeint ist, erfährt man,
wenn man fragt “wieso kannst Du Dir nun die Halbierung denken”,. Darauf ist
die Antwort: “ich brauche mir doch nur den schwarzen Teil des Streifens etwas
breiter zu denken”; und es wird offenbar angenommen, dass das zu denken, kei-
ne Schwierigkeit mehr hat. In Wirklichkeit aber handelt es sich hier nicht um
Schwierigkeiten //die Schwierigkeit//, sich mir ein bestimmtes Bild vor's innere
Auge zu rufen, und nicht um etwas, was ich versuchen und mir misslingen kann;
sondern um die Anerkennung einer Regel der Ausdrucksweise. Diese Regel kann
allerdings gegründet sein auf der die Fähigkeit, sich etwas vorzustellen; d.h. die
Vorstellung funktioniert in diesem Fall als Muster, also als Zeichen, und kann
452
715
natürlich auch ersetzt werden durch ein gemaltes Muster. Wenn ich nämlich
frage: “was versteht man unter dem Wachsen der Breite eines Streifens”, so
wird mir als Erklärung so etwas vorgeführt, es wird mir ein Muster gegeben,
das ich, oder dessen Erinnerung ich etwa meiner Sprache einverleibe. Und
so kann der, den ich frage “wieso ist der breite Streifen a
 
 
teilbar, weil b teilbar ist” als Antwort den Streifen b ver-
breitern und mir zeigen vorführen, wie aus b ein geteilter
Streifen von der Breite des a wird //werden kann//. Aber bei dieser Ant-
wort hätte es nun sein Bewenden. Und was hat er zur Erklärung getan? Er
hat mir ein Zeichen, ein Muster, in mein Zeichensystem gegeben; das ist
alles.
     
           Gibt es nun für die Teilbarkeit des Streifens im Gesichtsraum
eine Grenze? Nun – das kann ich festsetzen, wie ich will. – Das heisst: ich
kann ein Zeichensystem mit begrenzter Teilbarkeit, oder eins mit unbegrenz-
ter Teilbarkeit einführen – nur kann ich natürlich die Tatsachen nicht
kommandieren und muss sie dann mit dem von mir festgesetzten Zeichensystem
entsprechend beschreiben. Wenn also meine Vorstellung, bezw. das Gesichts-
bild eines geteilten Streifens, einen Teil meines Zeichensystems bildet,
so endet dieser Teil meines Symbolismus, wo ich, aus irgend welchen Grün-
den unfähig bin, eine weitere Verkleinerung der Teile zu bewirken // her-
beizuführen//. Dann aber kann ich mich entscheiden, : entweder, zu sagen,
es gäbe keine weitere Teilung mehr, d.h. von einer solchen zu reden sei
sinnlos – und in diesem Falle habe ich mich gebunden, ein eventuell auf-
tretendes Phänomen, das ich versucht wäre, eine weitere Teilung zu nennen,
anders zu beschreiben; – oder aber, : die Teilbarkeit im Symbolismus weiterge-
hen zu lassen, wodurch aber nichts geändert wird, weil ja meine Reihe von
Mustern, die auch zur Sprache gehört, ein Ende hat. Soweit diese Reihe von
Mustern eine Reihe von Zeichen ist, kommt durch jedes neue Muster ein
453
716
neues Zeichen in die Sprache. Diese Betrachtung ist meist ohne Wich-
tigkeit; manchmal aber wird sie wichtig. Wir haben einen dem Problem der
Teilung analogen Fall Teilbarkeit analogen Fall, wenn gefragt wird: ist es
möglich, jede beliebige Anzahl 3n von Strichen !!!!!!!!!!!! mit einem
Blick als Gruppe von Trippeln zu erfassen, oder jede beliebig lange Reihe
solcher Striche als ein für ihre Anzahl charakteristisches Bild zu sehen,
wie es für ! !! !!! !!!! können? Auch hier können wir zur Be-
schreibung unserer Erfahrung ein endliches oder ein unendliches Zahlensy-
stem verwenden, – denn die Reihe der Muster übersehbarer Gruppen hat ein
Ende und sie determiniert den Sinn unsrer Sätze ebensosehr, wie das ver-
wendete Zahlensystem.
           Wenn ich also sagte “wir suchen nach einer Regel, die einer ge-
wissen Realität entspricht”, so liegt die Entsprechung in der
Einfachheit und leichten Verständlichkeit der Darstellung. Die Regel wird
durch die Tatsachen nur insofern gerechtfertigt, als die Wahl eines Koor-
dinatensystems durch ihre Anwendung auf eine Kurve gerechtfertigt wird,
die sich in dem System besonders einfach darstellen lässt.
     

                        Es ist möglich, im Gesichtsfeld zwei gleichlange
(d.h. gleichlang gesehen) S[g|t]recken zu sehen, deren jede durch Farbgrenzen
in mehrere Teile, gleiche Teile, geteilt ist und beim Zählen dieser Teile
zu finden, dass ihre Anzahlen ungleich sind. Wie ist es nun mit einer Fra-
ge: “Angenommen, ich könnte 30 und 31 Teile als Zahl übersehen, wäre es
auch dann möglich, zwei Strecken von 30 und 31 gesichtsgleichen Teilen als
gleichlang zu sehen?” – Nun, wie ist diese Frage zu entscheiden? Vor allem:
wie ist das, wenn man 30 Teile als Zahl übersieht? Was kann man dafür als
Erklärung geben? Wir können freilich niemandem einen Centaur zeigen, weil
es keinen gibt, aber es ist für die Bedeutung des Wortes “Centaur” wesent-
454
lich, dass wir einen malen, oder modellieren können. – So aber ist es
auch für den Sinn des Satzes “ich kann 30 Teile als Zahl übersehen” we-
sentlich, was ich etwa als Beispiel dieses Ueberblickens zeigen kann,
und dass ich keinen Fall eines Ueberblickens von 30 Strichen als Muster
zeigen kann. Hier kann man sagen: ich kann mir das Uebersehen von 30 Stri-
chen // Ueberblicken von 30 Strichen als Zahlbild// nicht vorstellen,
ich weiss nicht, wie das wäre, und die Frage “wie wäre es, wenn …”
ist für mich unsinnig, denn es ist mir kein Kriterium zur Entscheidung
gegeben.
     

     Wenn wir die Bedeutungen der Ausdrücke “gleichlang” und anderer im
Gesichtsraum mit den Bedeutungen derselben Wörter im euklidischen Raum
verwechseln, dann geraten // kommen // wir in // auf // Widersprüc[j|h]e und
fragen dann: “Wie ist so eine Erfahrung möglich?! Wie ist es möglich, dass
24 gleichlange Strecken zusammen die gleiche Länge ergeben, wie 25 eben-
solange? Habe ich wirklich so eine Erfahrungg gehabt?”
     



     “Ist ein Feld eines Schachbretts einfacher, als das ganze Schachbrett?”
Das kommt darauf an, wie Du das Wort “einfacher” gebrauchst. Meinst Du da-
mit “aus einer kleineren Anzahl von Teilen bestehend”, so sage ich: Wenn
diese Teile etwa die Atome des Schachbretts sind, so ist also das Feld
einfacher als das Schachbrett. – Wenn Du aber vom visuellen Schachbrett
sprich[t|s]t, // von dem sprichst, was wir am Schachbrett sehen, // so
bestehen ja die Felder nicht aus Teilen, es sei denn, dass sie wieder aus
kleineren Flecken bestehen, und wenn Du dann den Fleck den einfacheren
nennst, der weniger Flecken enthält, so ist wieder das Feld einfacher
455
als das Schachbrett. “Ist aber die gleichmässig gefärbte Fläche ein-
fach?” – Wenn “einfach” bedeutet: nicht aus Flecken mehrerer Farben [Z|z]u-
sammengesetzt, – ja!
     Aber können wir nicht sagen: einfach ist, was sich nicht teilen
lässt? – Wie teilen lässt? Mit dem Messer? Und mit welchem Mes-
sera? Beschreibe mir erst die Methode der Teilung, die Du erfolglos an-
wendest, dann werde ich wissen, was Du “unteilbar” nennst. Aber viel-
leicht willst Du sagen: “ist “unteilbar” nˇene ich nicht das, was man
erfolglos zu teilen versucht, sondern das, wovon es sinnlos (unerlaubt)
ist zu sagen, es bestehe aus Teilen. – Dann ist ‘unteilbar’ eine gramma-
tische Bestimmung. Eine Bestimmung also, die Du selber machen kannst
und durch welche Du die Bedeutung, den Gebrauch andrer Wörter festlegst.
Wenn ich etwa sage: ein einfärbiger Fleck ist unteilbar (einfach), denn,
wenn ich ihn – z.B. – durch einen Strich teile, so ist er nicht mehr ein-
färbig, – so setze ich damit fest, in welcher Bedeutung ich das Wort
“teilen” gebrauchen will. Wenn nun gefragt wird: “besteht das Gesichts-
bild aus minima visibilia”, so fragen wir zurück: wie verwendest Du das
Wort “aus … bestehen”? Wenn in dem Sinn, in welchem ein Schachbrett
aus schwarzen und weissen Feld[r|e]rn besteht, – nein! – Denn Du wolltest
doch nicht leugnen, dass wir einfärbige Flecke sehen (ich meine Flecke,
deren Erscheinung einfärbig ist). Wenn Du aber etwa? sagen
willst, dass ein physikalischer Fleck (ein messba-
rer
Fleck im physikalischen Raum) verkleinert werden kann, bis wir ihn
aus einer bestimmten Entfernung nicht mehr sehen, dass er dabb dann
beim Entschwinden gemessen und in dieser Ausdehnung der kleinst sichtba-
re Fleck genannt werden kann, so stimmen wir bei.
     

     Wenn wir in der Geometrie sagen, das regelmässige Sechseck bestehe aus
sechs gleichseitigen Dreiecken, so heisst das, dass es Sinn hat, von eine
456
einem regelmässigen Sechseck zu reden, das aus sechs gleichseitigen Drei-
ecken besteht. Wenn daraufhin gefragt würde “ist also das Sechseck ein-
fach oder zusammengesetzt”, so müsste ich antworten: bestimme Du selbst,
wie Du die Wörter “einfach” und “zusammengesetzt” gebrauchen willst.
     

     Es scheint, man kann einen einfärbigen Fleck nicht zusammengesetzt
sehen, ausser, wenn man ihn sich nicht einfärbigv vorstellt. Die
Vorstellung einer Trennungslinie macht den Fleck einfärbig, denn die
Trennungslinie muss eine andere Farbe haben, als der übrige Fleck.
Auslassung 1
     

     Ob es einen Sinn hat zu sagen “dieser Teil einer roten Fläche (der
durch keine sichtbare Grenze abgegrenzt ist[_|)] ist rot” hängt davon ab, ob
es einen absoluten Ort gibt. Denn, wenn im Gesichtsraum von einem absolu-
ten Ort die Rede sein kann, dann kann ich auch diesem absoluten Ort eine
Farbe zuschreiben, wenn seine Umgebung gleichfärbig ist.
     


     Wir können in einem absoluten Sinne //in absolutem Sinne// von einem
Ort im Gesichtsfeld reden. Denken wir uns, dass ein roter Fleck im Ge-
sichtsfeld verschwindet und in gänzlich neuer Umgebung wieder auftaucht,
so hat es Sinn zu sagen, er tauche am gleichen Ort oder an einem andern
Ort wieder auf. (Wäre ein solcher Raum mit einer Fläche vergleichbar, die
von Punkt zu Punkt eine andere Krümmung hätte, so dass wir jeden Ort
auf der Fläche als absolutes Merkmal angeben könnten?)
     

     Der Gesichtsraum ist ein gerichteter Raum, in dem es ein Obne Oben
und Unten, Rechts und Links gibt. Und diese Bestimmungen
457
524
haben nichts mit der Richtung der Schwerkraft oder der rechten und linken
Hand zu tun. Sie würden auch dann ihren Sinn beibehalten, wenn wir unser
ganzes Leben lang durch ein Teleskop zu den Sternen sähen. – Dann wäre un-
ser Gesichtsfeld dunkel mit einem helleren Kreis und in diesem Lichtpunkte.
//… unser Gesichtsfeld ein hellerer Kreis vom Dunkel begrenzt und im
Kreis Lichtpunkte.// Nehmen wir an, wir hätten nie unsern Körper gesehen,
sondern immer nur dieses Bild, wir könnten also die Lage eines Sterns
nicht mit der unseres Kopfes oder unserer Füsse vergleichen: was zeigt mir
dann, dass mein Raum ein Oben und Unten etc. hat, oder einfach: dass er
gerichtet ist? Es hat Sinn, zu sagen, dass sich das ganze Sternbild im
Kreis dreht, obwohl es dadurch seine relative Lage zu nichts im Ge-
sichtsraum ändert. Oder richtiger ausgedrückt: ich rede auch dann von ei-
ner Drehung im Gesichtsraum, wenn keine relative Lageänderung in ihm statt-
findet.
         Dieser Sachverhalt ist nicht vielleicht dadurch wegerklärt, dass
man sagt: die Retina hat eben ein Oben, Unten, etc., und so ist es leicht
verständlich, dass es das Analoge im Gesichtsfeld gibt. Vielmehr ist eben
das nur eine Darstellung des Sachverhalts auf dem Umweg über
die Verhä[o|l]tnisse in der Retina.
     

                         Man könnte meinen: es verhält sich im Gesichts-
feld immer so, als sähen wir mit allem Uebrigen ein gerichtetes Koordina-
tenkreuz, wonach wir alle Richtungen fixieren können. – Aber auch das ist
keine richtige Darstellung; denn sähen wir wirklich ein solches Kreuz
(etwa mit Pfeilen), so wären wir im Stande, nicht nur die relativen Rich-
tungen der Objekte dagegen zu fixieren, sondern auch die Lage des Kreuzes
selbst im Raum, gleichsam gegen ein ungesehenes im Wesen dieses Raums ent-
haltenes Koordinatensystem.

458
     

     Ich kann die Figur      
 
 
als Buchstaben, als Zeichen für “kleiner” oder
für “grösser” sehen, auch ohne es // sie// mit meinem Körper zusammen
zu sehen. Vielleicht wird man sagen, dass ich die Lage meines Körpers füh-
le, ohne ihn zu sehen. Gewiss, und ich sage eben, dass ‘die gefühlte Lage’
nicht ‘die gesehene Lage’ ist; daher können sie auch nicht miteinander
verglichen, wohl aber einander zugeordnet werden.
     Die Wörter “oben”, “unten”, “rechts”, “links” haben andere Bedeutung
im Gesichtsraum, andere im Gefühlsraum. Aber auch das Wort “Gefühlsraum”
ist mehrdeutig. (Definieren d (Definitionen der Wörter “oben”, “unten”,
etc. durch die Spitze des Buchstaben “V”, des Zeichens “kleiner” und
“grösser” einerseits, anderseits durch Kopf – und Fusschmerzen; oder
durch Gleichgewichtsgefühle.)
     

     “Ist Distanz in der Struktur des Gesichtsraumes schon enthalten, oder
scheint es uns nur, so, weil wir gewisse Erscheinungen des Gesichtsbil-
des mit gewissen Erfahrungen des Tastsinnes assoziieren, welche letzte-
re erst Distanzen betreffen?” Woher nehmen wir diese Vermutung? Wir
scheinen dergleichen irgendwo angetroffen zu haben. Denken wir nicht an
folgenden Fall? diese Melodie missfiele mir nicht, wenn ich sie nicht
unter diesen unangenehmen Umständen zum erstenmal gehört hätte. Aber
hier gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Melodie missfällt mir, wie
manche andere, für deren Missfallen ich jenen Grund nicht angeben würde,
und es ist bloss eine Vermutung, dass die Ursache meines Missfallens in
jenem früheren Erlebnis liegt. Oder ab[,|e]r, wenn immer ich die Melodie
höre, fällt mir jenes Erlebnis ein und macht mir das Hören der Melodie
unangehmen unangenehm; dann ist meine Aussage keine Hypothese über die
Ursache meines Missfallens, sondern eine Beschreibung dieses Missfallens
459
selbst. – Wenn also gefragt wird: “scheint es uns nur so, dass eine
Strecke im Gesichtsraum selbst länger ist, als eine andere und bezieht
sich das ‘länger’ nicht bloss auf eine Erfahrung des Tastsinns, die wir
mit dem Gesehenen associieren”, – so ist zu antworten: Weisst Du etwas
von dieser Association? beschreibst Du mit ihr Dein Erlebnis,
oder vermutest Du sie nur als Ursache Deines Erlebnisses? – Wenn das
letztere, so können wir von Distanzen im Ge[w|s]ichtsraum reden, ohne auf
die mögliche Ursache unserer Erfahrung Rücksicht zu nehmen. Dabei muss
man sich daran erinnern, dass die Aussagen über Distanzen (dass diese
Strecke gleichlang ist wie jene, oder länger als jene, etc.) einen andern
Sinn haben, wenn sie sich auf den Gesichtsraum, und einen andern, wenn
[w|s]ie sich auf den euklidischen Raum beziehen.
     

     Zu sagen, der Punkt B ist nicht zwischen A und C
(die Strecke a nicht kürzer als c), sondern dies erscheine uns nur so we-
gen gewisser Assoziationen, klingt und ist absurd, weil wir uns eben in
unserer Aussage gar nicht um eventuelle Ursachen der Erscheinung kümmern,
sondern nur diese im Gegensatz zu andern Erscheinungen beschreiben.
     Wenn Du sag[t|s]t, der Punkt B erscheint //scheint // Dir
nur zwischen A und C (zu liegen), so antworte ich: das ist es
ja, was ich sage
, nur gebrauche ich dafür den Ausdruck
“er liegt zwischen A und C”.
     Und wenn Du fragst “scheint es nicht nur so”, so antworte ich: Welche
Methode würdest Du denn anwenden, um die Antwort auf Deine Frage zu fin-
den. Dann nämlich werde ich verstehen, was Dein Verdacht eigentlich be-
trifft. Wenn Du sagst: ist auf diesem Tisch nicht doch vie[e|l]leicht etwas,
was ich nicht sehe, so antworte ich: Wie könnten wir denn das Betreffende
finden? Versuche mir doch eine Erfahrung zu beschreiben, die Dich sagen
lassen würde
//veranlassen würde, zu sagen//: “es war doch noch etwas
460
da”. Beschreibe mir die Erfahrung, die Dich davon überzeugen würde, dass
B doch nicht zwischen A und C liegt, und ich werde verstehen, welcher
Art der // dieser// wirkliche Sachverhalt im Gegensatz zum scheinbaren
ist. Aber Eines ist klar: die Erfahrung, die Dich das lehrt, kann nicht
diejenige ändern, die ich mit den Worten beschreibe “B liegt zwischen A
und C”.
     Dem Einwurf liegt aber eine falsche Auffassung der logischen Analyse
zugrunde. Was wir vermissen ist nicht ein genaueres Hinsehen (etwa auf
A, B und C) und die Entdeckung eines Vorgangs hinter dem gewöhnlich
//oberflächlich // beobachteten (dies wäre die Untersuchung eines physika-
lischen oder psychologischen Phänomens), sondern die Klarheit in der
Grammatik der Beschreibung des alten Phänomens. Denn, sähen wir genauer
hin, so sähen wir eben etwas Anderes und hätten nichts für unser
Problem gewonnen. Diese Erfahrung, nicht eine andere, sollte beschrie-
ben werden.
     

     Hat das Gesichtsfeld einen Mittelpunkt? – Es hat Sinn, in einem Bild
etwa ein Kreuzchen anzubringen und zu sagen: schau' auf das Kreuz; Du
wirst dann auch das Uebrige sehen, aber das Kreuz ist dann im Mittelpunkt
des Gesichtsfeld[.|e]s.
     

     Im Gesichtsraum gibt es absolute Lage. Wenn ich durch ein Aug' schaue,
sehe ich meine Nasenspitze. Würde diese abgeschnitten und entfernt, mir
aber dann in die Hand gegeben, so könnte ich sie ohne Hilfe des Spiegels
und bloss ?–durch die Kontrolle des Sehens–? wieder an ihre alte Stelle set-
zen; auch dann, wenn sich in[w|z]wischen alles in meinem Gesichtsbild geän-
dert hätte. Der Satz “ich sehe das sehende Auge im Spiegel” ist nur
scheinbar von der Form des Satzes “ich sehe das Auge des Andern im Spie-
gel”, denn es hat keinen Sinn zu sagen: “ich sehe das sehende Auge”. Wenn
461
ich “visuelles Auge” das Bild nenne, was mir etwa das Auge eines Andern
bietet, so kann ich sagen, dass das Wort “das sehende Aug” nicht einem
visuellen Auge entspricht.
     

     Im Gesichtsraum gibt es absolute Lage und daher auch absolute Bewegung.
Man denke sich das Bild zweier Sterne in stockfinsterer Nacht, in der ich
nichts sehen kann als diese, und diese bewegen sich im Kreise umeinander.
     

     Mein Gesichtsfeld weist keine Unvollständigkeit auf, die mich dazu
bringen könnte, mich umzuwenden und //um // zu sehen, was hinter mir
liegt. Im Gesichtsraum gibt es kein “hinter mir”; und wenn ich mich um-
wende, ändert sich ja bloss mein Gesichtsbild, wird aber nicht
vervollständigt. (?–Der <>Raum um mich herum” ist eine Verbindung von Sehraum
und Muskelgefühlsraum–?.) Es hat ekeinen Sinn, im Gesichtsraum von der Be-
wegung eines Gegenstandes zu reden, die um das sehende Auge hinten herum
führt.
     

     Beziehung zwischen physikalischem Raum und Gesichtsraum. Denke an das
Sehen bei geschlossenen Augen (Nachbilder, etc.) und an die Traumbilder.
462
     




97

      Das sehende Subjekt und der Gesichtsraum.
     






     Es ist unsinnig zu sagen “ich sehe die Dinge // diesen Gegenstand//
im Gesichtsraum”. Im Gegensatz wozu? Ist es denkbar, dass ich sie // ihn//
höre, oder dass ein Anderer sie //ihn// sieht?
     

     Darum kann ich auch nicht sagen, dass der Gegenstand in meinem Ge-
sichtsraum die Ursache dessen // davon// ist, dass ich ihn sehe.
     (Darum ist es auch Unsinn zu sagen: aus dem Urnebel haben sich die
Sonnen, Planeten, die einfachsten Lebewesen und endlich ein Wesen ent-
wickelt, das so organisiert ist, dass es all diese Dinge sehen und über
sie Betrachtungen anstellen kann. Es sei denn, dass man unter diesen
Betrachtungen die (rein?) physikalischen Aeusserungen, im Sinne des Be-
haviourism, versteht. In diesem Sinne kann man auch von einer photogra-
phischen Kamera sagen, dass sie etwas wahrnehme.)
     

     Wenn man gefragt würde: was ist der Unterschied zwischen einem Ton und
einer Farbe, und die Antw[ä|o]rt wäre “Töne hören wir, dagegen sehen wir die
Farben”; so ist das nur eine durch Erfahrung gerechtfertigte Hypothese,
463
wenn es überhaupt einen Sinn haben soll, das zu sagen. Und in diesem Sinn
ist es denkbar, dass ich einmal Töne mit den Augen wahrnehmen, also sehen
werde, und Farben hören. Das Wesentliche der Töne und Farben ist offenbar
in der Grammatik der Wörter für Töne und Farben gezeigt.
     

     Wenn wir vom Gesichtsraum reden, so werden wir leicht zu der Vorstel-
lung verführt, als wäre er eine Art von Guckkasten, den jeder mit //vor//
sich herumtrüge. D.h. wir verwenden dann das Wort “Raum” ähnlich, wie
wenn wir ein Zimmer einen Raum nennen. In Wirklichkeit aber bezieht sich
doch das Wort “Gesichtsraum” nur auf eine Geometrie, ich meine auf einen
Abschnitt der Grammatik unserer Sprache.
     In diesem Sinne gibt es keine “Gesichtsräume”, die etwa jeder seinen
Besitzer hätten. (Und etwa auch solche, vazierende, die gerade niemandem
gehören?)
     

     “[Q|A]ber kann nicht ich in meinem Gesichtsraum eine Landschaft, und Du in
dem Deinen ein Zimmer sehen?” – Nein, – ‘ich sehe in meinem Gesichtsraum’
ist Unsinn. Es muss heissen “ich sehe eine Landschaft und Du etc.” – und
das wird nicht bestritten. Was uns hier irreführt, ist eben das Gleich-
nis vom Guckkasten, oder etwa von einer kreisrunden weissen Scheibe, die
wir gleichsam als Projektionsleinwand mit uns trügen, und die der Raum
ist, in dem das jeweilige Gesichtsbild erscheint. Aber der Fehler an die-
sem Gleichnis ist, dass es sich die Gelegenheit – die Möglichkeit – zum
Erscheinen eines visuellen Bildes selbst visuell vorstellt; denn die
weisse Leinwand ist ja selbst ein Bild.
     

     Es ist nun wichtig, dass der Satz “das Auge, womit ich sehe, kann ich
nicht unmittelbar sehen” ein verkappter Satz der Grammatik, oder Unsinn
ist. Der Ausdruck “näher am (oder, weiter vom) sehenden Auge“ hat nämlich
464
eine andere Grammatik, als der “näher an dem blauen Gegenstand, welchen
ich sehe”. Die visuelle Erscheinung, die der Beschreibung entspricht “A
setzt die Brille auf”, ist von der grundverschieden, die ich mit den
Worten beschreibe: “ich setze die Brille auf”. Ich könnte nun sagen:
“mein Gesichtsraum hat Aehnlichkeit mit einem Kegel”, aber dann muss es
verstanden werden, dass ich hier den Kegel als Raum, als Repräsentanten
einer Geometrie, nicht als Teil eines Raumes (Zimmer) denke. (Also ist
es mit dieser Idee nicht verträglich, dass ein Mensch durch ein Loch an
der Spitze in den Kegel hineinschaut //ein Loch in der Spitze des Ke-
gels in diesen hineinschaut//.)
465
     




98
Der Gesichtsraum mit einem Bild (ebenen Bild) verglichen.
     






/     Wer aufgefordert würde, das Gesichtsbild zu malen . und es im
Ernst versuchte, würde bald sehen, dass es unmöglich ist. /
     

     Verschiedene Bedeutungen der Wörter “verschwommen”, “unklar”.
     

Verschwommen, unklar, unscharf.

     “Die Linien dieser Zeichnung sind unscharf”, “meine Erinnerung an
die Zeichnung ist unklar, verschwommen”, “die Gegenstände am Rand meines
Gesichtsfeldes sehe ich verschwommen”. – Wenn man von der Verschwommen-
heit der Bilder am Rande des Gesichtsfeldes spricht, so schwebt Eeinem
oft ein Bild dieses Gesichtsfeldes vor, wie es etwa Mach entworfen hat.
Die Verschwommenheit aber, als die die Ränder eines Bildes //Die Ver-
schwommenheit aber der Ränder eines Bildes ……// auf der Papierfläche
haben können, ist von gänzlich andrer Natur, als die, die man von den
Rändern des Gesichtsfeldes aussagt. So verschieden, wie die Blässe der
Erinnerung an eine Zeichnung, von der Blässe einer Zeichnung (selbst).
466
Wenn im Film eine Erinnerung oder ein Traum dargestellt werden sollte,
so gab man den Bildern einen bläulichen Ton. Aber die Traum- und Erinne-
rungsbilder haben natürlich keinen bläulichen T[i|o]n – sowenig, wie unser
Gesichtsbild verschwach verwaschene Ränder hat; also sind die bläulichen
Projektionen auf der Leinwand // bläulichen Bilder auf der Leinwand//
nicht unmittelbar ans[f|c]hauliche Bilder der Träume, sondern ‘Bilder’ in
noch einem andern Sinn. – Bemerken wir im gewöhnlichen Leben, wo wir
doch unablässig schauen, die Verschwommenheit an den Rändern des Ge-
sichtsfeldes? Ja, welcher Erfahrung entspricht sie eigentlich, denn im
normalen Sehen kommt sie nicht vor! Nun, wenn wir den Kopf nicht drehen
und wir beobachten etwas, was wir durch Drehen der Augen gerade noch se-
hen können, dann sehen wir etwa einen Menschen, können aber sein Gesicht
nicht erkennen, sondern sehen es in gewisser Weise verschwommen. Die Er-
fahrung hat nicht die geringste Aehnlichkeit mit dem Sehen einer Schei-
be, auf der //welcher// Bilder gemalt sind, in der Mitte der Scheibe
mit schwarfen Umrissen, nach dem Rand zu mehr und mehr verschwimmend,
etwa in ein allgemeines Grau unmerklich übergehend. Wir denken an so
eine Scheibe, wenn wir z.B. fragen: könnte man sich nicht ein Gesichts-
feld mit gleichbleibender Klarheit der Umrisse etc. denken? Es gibt kei-
ne Erfahrung, die im Gesichtsfeld der entspräche, wenn man den Blick ei-
nem Bild entlang gleiten lässt, das von scharfen Figuren zu immer ver-
schwommeneren übergeht.
     

     Es ist z.B. wichtig, dass in dem Satz “ein roter Fleck befindet sich
nahe an der Grenze des Gesichtsfeldes” das “nahe an” eine andere Bedeu-
tung hat als in einem Satz “der rote Fleck im Gesichtsfeld befindet sich
nahe an dem braunen Fleck”. Das Wort “Grenze” in dem vorigen Satz hat
ferner eine andere Bedeutung – und ist eine andere Wortart – als in dem
Satz “die Grenze zwischen rot und blau im Gesichtsfeld ist ein Kreis”.
467

     Welchen Sinn hat es, zu sagen: Unser Gesichtsbild ist an den Rändern
undeutlicher als gegen die Mitte? Wenn wir hier nämlich nicht davon re-
den, dass wir die physikalischen Gegenstände in der Mitte des Gesichts-
feldes deutlicher sehen.

     Eines der klarsten Beispiele der Verwechslung zwischen physikalischer
und phänomenologischer Sprache ist das Bild, welches Mach von seinem
Gesichtsfeld entworfen hat und worin die sogenannte Verschwommenheit der
Gebilde gegen den Rand des Gesichtsfeldes durch eine Verschwommenheit
(in ganz anderem Sinne) der Zeichnung wiedergegeben wurde. Nein, ein
sichtbares Bild des Gesichtsbildes kann man nicht machen.
     Kann ich also sagen, dass die Farbflecken in der Nähe des Randes des
Gesichtsfeldes keine scharfen Konturen mehr haben: Sind denn Konturen
dort denkbar? Ich glaube es ist klar, dass jene Undeutlichkeit
eine interne Eigenschaft des Gesichtsraumes ist. Hat z.B. das Wort “Far-
be” eine andere Bedeutung, wenn es sich auf Gebilde in der Randnähe be-
zieht?
     Die Grenzenlosigkeit des Gesichtsraums ist ohne jene “Verschwommen-
heit” nicht denkbar.
     

     Die Gefahr, die darin liegt, Dinge einfacher sehen zu wollen, als sie
in Wirklichkeit sind, wird heute oft sehr überschätzt. Diese Gefahr be-
steht aber tatsächlich im höchsten Grade in der phänomenologischen Unter-
schung der Sinneseindrücke. Diese werden immer für viel einfacher
gehalten, als sie sind.
     

/     Es ist seltsam, dass ich geschrieben habe, der Gesichtsraum hat
nicht die Form
 
 

und nicht, er habe nicht die Form
 
 

und dass ich das Erste geschrieben habe, ist sehr bezeichnend. /
468
     
     Man bedenkt gar nicht, wie merkwürdig das dreidimensionale Sehen ist.
Wie seltsam etwa ein Bild, eine Photographie aussähe, wenn wir im Stande
wären, sie als Verteilung grauer, weisser und schwarzer Flecken in einer
ebenen Fläche zu sehen. Was wir sehen, würde dann ganz sinnlos wirken.
Ebenso, wenn wir mit einem Aug' flächenchaft sehen könnten. Es ist z.B.
gar nicht klar, was geschieht, wenn wir mit zwei Augen die Gegenstände
plastischer sehen, als mit einem. Denn sie wirken auch mit
einem gesehen schon plastisch. Und der Unterschied zwischen Relief und
Rundplastik ist auch keine richtige Analogie.
469
     




99
Minima Visibilia.
     






     Der einfärbige Fleck in der färbigen //farbigen // Ebene ist nicht
aus kleineren Teilen zusammengesetzt, ausser so, wie die Zehn etwa aus
tausend Hundertsteln.
     

     Das kleinste sichtbare Stück ist ein Stück der physikalischen Fläche,
nicht des Gesichtsfeldes. Der Versuch, der das kleinste noch Sichtbare
ermittelt, stellt eine Relation fest zwischen zwei Erscheinungen.
     

     Der //Dieser// Versuch untersucht nicht den Gesichtsraum und man
kann den Gesichtsraum nicht untersuchen. Nicht in ihn tiefer eindringen.
     

     (Wenn man beschreiben wollte, was auf der Hand liegt, könnte man nicht
“untersuchen, was auf der Hand liegt”. //“untersuchen wollen, was auf
der Hand liegt”.//)
     

     Man könnte glauben, das Gesichtsfeld sei aus den minima visibilia
zusammengesetzt; etwa aus lauter kleinen Quadraten, die man als unteil-
470
bare Flecke sieht. Unsinn.
     Das Gesichtsfeld ist nicht zusammengesetzt, wenn wir die Zusammenset-
zung nicht sehen. Denn bei dem Wort “Zusammensetzung” denken wir doch an
die Zusammensetzung eines grösseren Flecks aus kleineren.
     Von kleinsten sichtbaren Teilen des Gesichtsfeldes zu reden ist irre-
führend; gibt es denn auch Teile des Gesichtsfeldes, die wir nicht mehr
sehen? Und wenn wir etwa das Bild //Gesichtsbild// eines Fixsterns so?
nennen, so könnte das nur heissen, dass es keinen Sinn habe, hier von
‘kleiner’ zu reden, und nicht, dass tatsächlich kein Fleck im Gesichts-
feld kleiner ist. Also ist der Superlativ “das kleinste …” falsch
angewendet.
     

     Der kleinste sichtbare Unterschied wäre einer, der in sich
selbst
das Kriterium des Kleinsten trüge.
     Denn im Fall des Flecks A zwischen B und C unterscheiden wir eben ei-
nige Lagen und andere unterscheiden wir nicht. Was wir aber brauch-
ten, wäre sozusagen ein infinitesimaler Unterschied, also ein Unter-
schied, der es in sich selbst trüge, der Kleinste zu sein.
     

     Der Gesichtsraum besteht offenbar nicht aus diskreten Teilen.
     Denn sonst müsste man unmittelbar sagen können, aus welchen.
     Oder er besteht nur sofern aus Teilen, als man sie angeben kann.
     

     Gibt es einen kleinst sichtbaren Farbunterschied? – Welche Farben sind
hier gemeint? Nennen wir Farbe das Ergebnis der Mischung von Farbstof-
fen: dann kann ich das Experiment machen, z.B. zu einer Menge eines ro-
ten Farbstoffes eine kleine Menge eines gelben beizumischen und zu ver-
suchen, ob ich einen Farbunterschied sehe; wenn ja, so wiederhole
471
534
ich den Versuch mit einem kleineren Zusatz des gelben Farbstoffes und immer
so fort, bis der Zusatz keinen sichtbaren Unterschied mehr hervorbringt;
das kleinste Quantum, welches noch einen sichtbaren Unterschied hervorbrach-
te, nenne ich, mit einem gewissen Faktor von Ungenauigkeit, den kleinst
sichtbaren Unterschied. Das Wesentliche ist (hier?), dass der Unterschied
noch da war, also noch konstatiert wurde, als kein Unterschied mehr ge-
sehen
wurde. Was ich so konstatiert habe, war der kleinst sichtbare
Unterschied in den Pigmenten. Und ähnlich könnte ich von einem kleinst
sichtbaren Unterschied zwischen farbigen Lichtern reden; wenn ich nur aus-
ser dem Gesicht ein anderes Mittel der Unterscheidung habe. – Anders wird
es, wenn man fragt: “gibt es einen kleinst sichtbaren Unterschied zwischen
den gesehenen Farben”. Der müsste der kleinste in dem Sinne sein, in dem
die Null die kleinste Kardinalzahl ist. Es wäre also nicht ein Unterschied,
den man nicht mehr unterteilen könnte, weil das Experiment seiner Untertei-
lung immer misslänge; sondern die Unmöglichkeit der Unterteilung wäre eine
logische, was so viel heisst, als dass es keinen Sinn hätte, von einer Un-
terteilung zu reden. Der kleinst sichtbare Unterschied in diesem Sinne wäre
also ein Farbunterschied einer andern Art.
     

                          Wenn man einen schwarzen Streifen auf weissem
Grund immer dünner und dünner werden lässt, so kommt man endlich zu dem,
was ich einen visuellen Strich (im Gegensatz zu einer visuellen Linie, der
Grenze zweier Farben) nennen möchte. Der Strich ist kein Streifen, er hat
keine Breite; d.h., wenn er von einem andern Strich durchkreuzt wird, sehen
wir nicht die 4 Eckpunkte, in denen sich die Grenzlinien zweier Streifen
schneiden. Es ist unsinnig, von der optischen Unterteilung eines Strichs zu
reden. Ihm entspricht die Erscheinung eines Fixsterns, die sich zum visuel-
len Punkt, dem Schnitt zweier Farbgrenzen, ebenso verhält, wie der Strich
zur Farbgrenze. Den optischen Fixstern könnte man also ein Minimum visibile
472
nennen. Aber man kann nun nicht etwa sagen, das Gesichtsfeld bestehe aus
solchen Teilen! Es bestünde nur daraus //aus ihnen//, wenn wir sie
sähen. Das Bild //visuelle Bild// eines Fixsternnebels im Fernrohr,
besteht aus ihnen, soweit wir sie unterscheiden können. Denn diese bei-
den Ausdrücke heissen eben dasselbe.
     

     Wenn gefragt wird “ist unser Gesichtsfeld kontinuierlich oder dis-
kontinuierlich”, so müsste man erst wissen, von welcher Kontinuität man
redet. Einen Farbübergang nennen wir kontinuierlich, wenn wir keine
Diskontinuität in ihm sehen.
473
     








100
Farben und Farbenmischung.


























⋎ S. 51/1
     
     Zu sagen, dass diese Farbe jetzt an einem Ort ist,
474
529
heisst, diesen Ort vollständig beschreiben. – Zwei Farben, zwei
Dampfspannungen, zwei Geschwindigkeiten, zwei elektrische Spannungen, haben
nicht zugleich an einem Ort // Punkt// Platz. – Eine merkwürdige Gesell-
schaft, die sich da zusammenfindet. Und auch der ‘Punkt’ von dem ich rede,
hat verschiedene Bedeutungen.

         Wenn also “f(x)” sagt, x sei jetzt an einem bestimmten Ort, so
ist also ‘f(a) & f(b)’ ein Widerspruch. Warum nenne ich aber “f(a) & f(b)’
einen Widerspruch; da doch p & non-p die Form des Widerspruchs ist? Bedeu-
tet //Heisst // es einfach, dass das Zeichen “fa & fb” kein Satz ist, wie
etwa “ffaa” keiner ist? Unsere Schwierigkeit ist nur, dass wir doch das Ge-
fühl haben, dass hier ein Sinn vorliegt, wenn auch ein degenerierter (Ram-
sey). Dass, wenn ich “und” zwischen zwei Aussagen setze, ein lebendes We-
sen entstehen muss und nicht etwas Totes, wie wenn ˇich etwa “a & f” geschrieben
hätte. Das ist eins sehr merkwürdiges und sehr tiefliegendes Gefühl. Man
müsste sich darüber klar werden, was die Worte “dass hier ein Sinn vorliegt”
sagen wollen.
        Die Entscheidung darüber, ob “fa & fb” [u|U]nsinn ist, wie “a & f”,
könnte man so fällen: Ist p & non(fa & fb) = p, oder ist die linke
Seite dieser Gleichung (und also die Gleichung) Unsinn? – Kann ich nicht
entscheiden, wie ich will?
        Kann ich die Regel, die dem allem zu Grunde liegt, so schreiben:
fa = (fa & non(fb)) ? d.i.: aus fa folgt non-fb.
        Ich glaubte, als ich die “Abhandlung” schrieb (und auch später noch),
dass fa = fa & non-fb nur möglich wäre, wenn fa das logische Produkt aus
irgend einem andern Satz und non-fb – also fa = p & non-fb – wäre, und war
der Meinung, fa (z.B. eine Farbenangabe) werde sich in ein solches Produkt
zerlegen lassen. Dabei hatte ich keine klare Vorstellung davon, wie ich mir
die Auffindung einer solchen Zerlegung dachte. Oder vielmehr: ich dachte
wohl an die Konstruktion eines Zeichens, das die richtige grammatische Ver-
530
475
wendung in jedem Zusammenhang durch seine Beschaffenheit zum Ausdruck bräch-
te (d.h., seine Regeln ganz einfach gestaltete und in gewissem Sinne schon
in sich trüge, wie jede übersichtliche Notation); aber ich übersah, dass,
wenn diese Umgestaltung des Satzes f(a) in seiner Ersetzung durch ein logi-
sches Produkt bestehen sollte, dann die Faktoren dieses Produkts einen un-
abhängigen und uns bereits bekannten Sinn haben muüssten.
       Als ich dann eine solche Analyse einer Farbangabe durchführen wollte,
kam zum Vorschein //, zeigte sich//, was es war, was ich mir unter der
Analyse vorgestellt hatte. Ich glaubte die Farbangabe als ein logisches
Produkt r & s & t … auffassen zu können, dessen einzelne Faktoren die
Ingredienzien angaben (wenn es mehrere waren), aus denen die Farbe (color,
nicht pigmentum) besteht. Es muss dann natürlich auch gesagt werden, dass
dies alle Ingredienzien sind und diese abschliessende Bemerkung S be-
wirkt, dass r & s & t & S mit r & s & t & u & S in Widerspruch steht.
Die Farbangabe hiesse dann: “an diesem Ort sind jetzt diese Farben (oder:
ist jetzt diese Farbe) und sonst keine“. D.h.: die Farbangabe,
die in unsrer gewöhnlichen Ausdrucksweise lautet “dies (oder: hier) ist
rot” würde nun “hier ist rot und sonst keine Farbe” zu lauten haben //lau-
ten müssen//; während die Angabe “hier ist rot und blau” bedeuten sollte,
dass die Farbe dieses Orts eine Mischfarbe aus rot und blau sei. Die Farb-
angaben //Sätze// nähmen da folgende Form an: “in dieser Farbe ist rot
enthalten”, “in dieser Farbe ist nur rot enthalten”, “in dieser Farbe
ist nur rot und blau enthalten”, etc.. – Aber dies gibt nicht die rechte
Grammatik: Es müsste das Vorhandensein eines roten Stiches ohne irgend ei-
nen andern Stich die rein rote Färbung dieses Orts bedeuten; das scheint
uns unsinnig und der Fehler klärt sich so auf: Es muss im Wesen (in der
Grammatik) dieses roten S[g|t]iches liegen, dass ein Mehr oder Weniger von ihm
möglich ist; ein rötliches Blau kann dem reinen Rot näher und weniger nahe
liegen, also in diesem Sinne mehr oder weniger Rot enthalten. Der Satz, wel-
476
cher angibt, dass Rot als Ingrediens einer Farbe hier vorhanden ist,
müsste also irgendwie eine Quantität von Rot nennen // angeben//; dann
aber muss dieser Satz auch ausserhalb des logischen Produkts Sinn ha-
ben, und es müsste also Sinn haben zu sagen, dass dieser Ort rein rot
gefärbt ist und die und die Quantität von Rot enthalte; und das hat
keinen Sinn. Und wie verhält es sich mit den einzelnen Sätzen, die ei-
nem Ort verschiedene Quantitäten, oder Grade, von Rot zuschreiben? Nen-
nen wir zwei solche q1r und q2r: sollen sich diese widersprechen? An-
genommen q2 sei grösser als q1, dann könnte zwar unsere Festsetzung sein,
dass q2r & q1r kein Widerspruch sein solle (wie die Sätze “in diesem
Korb sind 4 Aepfel” und “in diesem Korb sind 3 Aepfel”, wenn das “nur”
fehlt), aber dann müssen q2r und non-q1r einander widersprechen; und
daher müsste nach meiner alten Auffassung q2r ein Produkt aus q1r und
einem andern Satz sein. Dieser andre Satz müsste die von q1 auf q2 feh-
lende Quantität angeben und für ihn bestünde daher die selbe Schwierig-
keit. – Das Schema der Ingredientien passt nicht auf den Fall der Far-
benmischung, wenn man unter [|]Farben’ nicht Farbstoffe versteht, (nicht).
Und auch in diesem Schema sind verschiedene Angaben über das verwendete
Quantum eines Bestandteils widersprechende Angaben; oder, wenn ich
festsetze, dass p ( = ich habe 3 kg Salz verwendet) und q ( = ich habe 5 kg
Salz verwendet) einander nicht widersprechen sollen, dann doch q und non-p. //dann widersprechen einander doch q und non-p.// Und es läuft
alles darauf hinaus, dass der Satz “ich habe 2 kg Salz verwendet” nicht
heisst “ich habe 1 kg Salz verwendet und ich habe 1 kg Salz verwendet”,
dass also f(1 + 1) nicht gleich ist f(1) & f(1).
     

     Unsere Erkenntnis ist eben, dass wir es mit Masstäben, und nicht quasi
mit isolierten Teilstrichen zu tun haben.

477
     
     Der Satz “an einem Ort hat zu einer Zeit nur eine Farbe Platz”
ist natürlich ein verkappter Satz der Grammatik. Seine Verneinung ist
kein Widerspruch, widerspricht aber einer Regel unserer
angenommenen Grammatik.
     

     Die Regeln über “und”, “oder”, “nicht”, etc., die ich die durch die
W-F-Notation dargestellt habe, sind ein Teil der Grammatik über
diese Wörter, aber nicht die ganze.
     

     Wenn ich z.B. sage, ein Fleck ist zugleich hellrot und dunkelrot, so
denke ich dabei, dass der eine Ton den andern deckt.
     Hat es dann aber noch einen Sinn zu sagen, der Fleck habe den un-
sichtbaren, verdeckten Farbton?
     Hat es gar einen Sinn, zu sagen, eine vollkommen schwarze Fläche sei
weiss, man sehe nur das Weiss nicht, weil es vom Schwarz gedeckt sei?
Und warum deckt das Schwarz das Weiss und nicht Weiss das Schwarz?
     Wenn ein Fleck eine sichtbare und eine unsichtbare Farbe hat, so hat
er diese Farben //diese zwei Farben// jedenfalls in ganz verschiedenem
Sinne.
     

     “Rot und grün gehen nicht zugleich an denselben Ort” heisst nicht,
sie sind tatsächlich nie beisammen, sondern, es ist Unsinn zu sagen, sie
seien zugleich am selben Ort und also auch Unsinn zu sagen, sie seien
nie zugleich am selben Ort.
     

     Eine Mischfarbe, oder besser Zwischenfarbe, von blau und rot ist
dies durch eine interne Relation zu den Strukturen von blau und rot.
Richtiger ausgedrückt: was wir “eine Zwischenfarbe von blau und rot”
(oder “blaurot”) nennen, heisst so, wegen einer Verwandtschaft, die sich
478
in der Grammatik der Wörter //in den grammatischen Bestimmungen über
die Wörter// “blau”, “rot” und “blaurot” zeigt. (Der Satz, der von ei-
ner internen Relation der Strukturen redet, entspringt schon aus einer
unrichtigen Vorstellung; aus der, welche in den Begriffen ‘rot’,
‘blau’, etc. komplizierte Strukturen //Gebäude// sieht; deren innere
Strukture Konstruktion die Analyse zeigen muss.) Die Verwandtschaft
aber der reinen Farben und ihrer Zwischenfarbe ist elementarer
Art, d.h., sie besteht nicht darin, dass der Satz, welcher einem Gegen-
stand die Farbe blaurot zuschreibt, aus den Sätzen besteht, die ihm die
Farben rot und blau zuschreiben. Und so ist auch die Verwandtschaft ver-
schiedener Grade eines rötlichen Blau, z.B., eine elementare Verwandt-
schaft.
     

     Es hat Sinn von einer Färbung zu sagen, sie sei nicht rein rot, son-
dern enthalte einen gelblichen, oder bläulichen, weisslichen, oder
schwärzlichen Stich; und es hat Sinn zu sagen, sie enthalte keinen dieser
Stiche, sondern sei reines Rot. Man kann in diesem Sinne von einem rei-
nen Blau, Gelb, Grün, Weiss, Schwarz reden, aber nicht von einem reinen
Orange, Grau, oder Rötlichblau. (Von einem ‘reinen Grau’ übrigens wohl,
sofern man damit ein nicht-grünliches, nicht-gelbliches u.s.w. Weiss-Schwarz meint: und ähnliches gilt für ‘reines Orange’, etc..) D.h. der
Farbenkreis hat vier ausgezeichnete Punkte. Es hat nämlich Sinn zu sagen
“dieses Orange liegt (nicht in der Ebene des Farbenkreises, sondern im
Farbenraum) näher dem Rot als jenes”; aber wir können nicht, um
das gleiche auszudrücken sagen “dieses Orange liegt näher dem Blaurot
als jenes” oder “dieses Orange liegt näher dem Blau als jenes”.
     

     Die Farbenmischung, von der hier die Rede ist, bringt der Farbenkreise
hervor, aber auch er nicht, wenn ich ihn nur ruhend und dann in rascher
479
Drehung sehe. Denn es wäre ja denkbar, dass der Kreisel im ruhenden Zu-
stand halb rot und halb gelb ist und dass er in rascher Drehung (aus wel-
chern Ursachen immer) grün erscheint. Vielmehr bringt der Farbenkreisel die
Mischung nur insofern zustande, als wir sie optisch als solche wahrnehmen
können // optisch kontrollieren können//. Wenn er sich nämlich nach und
nach schneller und schneller dreht und wir sehen, wie aus rot und
gelb orange wird. Wir sind aber darin nicht dem Farbkreisel ausgeliefert;
sondern, wenn durch irgend einen unbekannten Einfluss, während der Krei-
sel sich schneller und schneller dreht, die Farbe seiner Scheibe ins
Weissliche überginge, so würden wir nun nicht sagen, die Zwischenfarbe
zwischen Rot und Gelb sei ein weissliches Orange. So wenig, wie wir sagen
würden 3 + 4 sei 6, wenn beim Zusammenlegen von 3 und 4 Aepfeln einer auf
unbekannte Weise verschwände und 6 Aepfel vor uns lägen. Ich gebrauche
hier den Farbenkreisel nicht zu einem Experiment, sondern zu einer Rech-
nung.
     

     Es scheint ausser dem Uebergang von Farbe zu Farbe auf dem Farbenkreis
noch einen bestimmten anderen zu geben, den wir vor uns haben, wenn wir
kleine Flecke der einen Farbe mit kleinen Flecken der andern untermischt
sehen. Ich meine hier natürlich einen gesehenen Uebergang.
     Und diese Art des Uebergangs gibt dem Wort “Mischung” eine neue Bedeu-
tung, die mit der Relation Zwischen auf dem Farbenkreis nicht zusammen-
fällt.
     Man könnte es so beschreiben: Einen orangefarbigen Fleck kann ich mir
entstanden denken durch Untermischen kleiner roter und gelber Flecke, da-
gegen einen roten nicht durch Untermischen von violetten und orangefarbi-
gen. – In diesem Sinne ist Grau eine Mischung von Schwarz und Weiss, und
Rosa eine von Rot und Weiss, aber Weiss nicht eine Mischung von Rosa und
einem weisslichen Grün.
     Nun meine ich aber nicht, dass es durch ein Experiment der Mischung
480
festgestellt wird, dass gewisse Farben so aus anderen entstehen. Ich könn-
te das Experiment etwa mit einer rotierenden Farbenscheibe anstellen. Es
kann dann gelingen, oder nicht gelingen, aber das zeigt nur, ob der be-
treffende visuelle Vorgang auf diese physikalische Weise hervorzurufen
ist, oder nicht; es zeigt aber nicht, ob er möglich ist. Genau so, wie
die physikalische Unterteilung einer Fläche nicht die visuelle Teilbarkeit
beweisen oder widerlegen kann. Denn angenommen, ich sehe eine physikali-
sche Unterteilung nicht mehr als visuelle Unterteilung, sehe aber die
nicht geteilte Fläche im betrunkenen Zustande geteilt, war dann die visuel-
le Fläche nicht teilbar?
     

     Man könnte sagen, Violett und Orange löschen einander bei der Mischung
teilweise aus, nicht aber Rot und Gelb.
     

     Orange ist jedenfalls ein Gemisch von Rot und Gelb in einem Sinne, in
dem Gelb kein Gemisch von Rot und Grün ist, obwohl ja Gelb im Kreis zwi-
schen Rot und Grün liegt.
     Und wenn das offenbar Unsinn wäre, so frägt es sich, an welcher Stelle
es anfängt Sinn zu werden; d.h., wenn ich nun im Kreis von Rot und Grün
aus dem Gelb näherrücke und Gelb ein Gemisch der betreffenden beiden Far-
ben nenne.
     

     Ich erkenne nämlich im Gelb wohl die Verwandtschaft zu Rot und Grün,
nämlich die Möglichkeit zum Rötlichgelb und Grünlichgelb – und dabei er-
kenne ich doch nicht Grün und Rot als Bestandteile von Gelb in dem Sinne,
in dem ich Rot und Gelb als Bestandteile von Orange erkenne.
     Ich will sagen, dass Rot nur in dem Sinn zwischen Violett und Orange
ist, wie Weiss zwischen Rosa und Grünlichweiss. Aber ist in diesem Sinn
481
nicht jede Farbe zwischen jenen zwei anderen, oder doch zwischen solchen
zweien, zu denen man auf unabhängigen Wegen von der dritten gelangen kann.
     Kann man sagen, in diesem Sinne liegt eine Farbe nur in einem gegebenen
kontinuierlichen Uebergang zwischen zwei andern. Also etwa Blau zwischen
Rot und Schwarz.
     
     Wenn man mir sagt, die Farbe eines Flecks liege zwischen Violett und
Rot, so verstehe ich das und kann mir ein rötlicheres Violett als das Ge-
gebene denken. Sagt man mir nun, die Farbe liege zwischen diesem Violett
und einem Orange – wobei mir kein bestimmter kontinuierlicher Uebergang
in Gestalt eines gemalten Farbenkreises vorliegt – so kann ich mir höch-
stens denken, es sei auch hier ein rötlicheres Violett gemeint, es könnte
aber auch ein rötlicheres Orange gemeint sein, denn eine Farbe, die, ab-
gesehen von einem gegebenen Farbenkreis in der Mitte zwischen
den beiden Farben liegt, gibt es nicht und aus eben diesem Grunde kann
ich auch nicht sagen, an welchem Punkt das Orange, welches die eine Gren-
ze bildet, schon zu nahe dem Gelb liegt, um noch mit dem Violett gemischt
werden zu können; ich kann eben nicht erkennen, welches Orange in einem
Farbenkreis 45 Grad vom Violett entfernt liegt. Das Dazwischenliegen der
Mischfarbe ist eben hier kein anderes, als das des Rot zwischen Blau und
Gelb.
     

     Wenn ich im gewöhnlichen Sinn sage, Rot und Gelb geben Orange, so ist
hier nicht von einer Quantität der Bestandteile die Rede. Wenn
daher ein Orange gegeben ist, so kann ich nicht sagen, dass noch mehr
Rot es zu einem röteren Orange gemacht hätte (ich rede ja nicht von Pig-
menten) obwohl es natürlich einen Sinn hat, von einem röteren Orange zu
sprechen. Es hat aber z.B. keinen Sinn zu sagen, dies Orange und dies
Violett enthalten gleichviel Rot. Und wieviel Rot enthilet enthielte
482
Rot?
     Der Vergleich, den man fälschlicherweise zu machen geneigt ist, ist
der der Farbenreihe mit einem System von 2 Gewichten an einem Masstab,
durch deren Vermehrung oder Verschiebung ich den Schwerpunkt des Systems
beliebig verschieben kann.
 
 
Es ist nun Unsinn, zu glauben, dass, wenn ich
die Schale A auf Violett halte und B in das
Feld Rot-Gelb hineinverschiebe, S sich gegen
Rot hin bewegen wird.
Und wie ist es mit den Gewichten, die ich
auf die Schalen lege: Heisst es denn etwas,
zu sagen, “me[g|h]r von diesem Rot”? Wenn ich nicht von Pigmenten
spreche. Das kann nur dann etwas heissen, wenn ich unter reinem Rot eine
bestimmte, vorher angenommene Anzahl von Einheiten verstehe. Dann aber be-
deutet die volle Anzahl dieser Einheiten nichts, als, dass die Wagschale
auf Rot steht. Es ist also mit den Verhältniszahlen wieder nur ein
Ort der Wagschale, aber nicht ein Ort und ein Gewicht angegeben.
     

     Solange ich nun im Farbenkreis mit meinen beiden Grenzfarben – z.B. –
im Gebiete Blau – Rot stehe und die rötere Farbe gegen Rot verschiebe, so
kann ich sagen, dass die Resultante auch gegen Rot wandert. Ueberschrei-
te ich aber mit der einen Grenzfarbe das Rot und bewege mich gegen Gelb, so wird die Resultierende nun nicht röter! Die Mischung eines gelblichen
Rot mit einem Violett macht Violett nicht röter, als die Mischung von
reinem Rot und dem Violett. Dass das eine Rot nun gelber geworden ist,
nimmt ja vom Rot etwas weg und gibt nicht Rot dazu.
     

     Man könnte das auch so beschreiben: Habe ich einen Farbtopf mit vio-
letten Pigment und einen mit Orange und nun vergrössere ich die Menge des
483
der Mischung zugesetztem Orange, so wird zwar die Farbe der Mischung
nach und nach aus dem Violett ins Orange übergehen, aber nicht über
das reine Rot.
     

     Ich kann von zwei verschiedenen Tönen von Orange sagen, dass ich von
keinem Grund habe zu sagen, er liege näher an Rot als an Gelb. – Ein
“in der Mitte” gibt es hier nicht. – Dagegen kann ich nicht zwei ver-
schiedene Rot sehen und im Zweifel sein, ob eines, und welches, von ih-
nen das reine Rot ist. Das reine Rot ist eben ein Punkt, das Mittel
zwischen Gelb und Rot aber nicht.
     

     Es ist freilich wahr, dass man von einem Orange sagen kann, es sei
beinahe Gelb, also es liege “näher am Gelb als am Rot” und Analoges von
einem beinahe roten Orange. Daraus folgt aber nicht, dass es nun auch
eine Mitte im Sinne eines Punktes zwischen Rot und Gelb geben müsse.
Es ist eben hier ganz wie in der Geometrie des Gesichtsraums, verglichen
mit der euklidischen. Es h ist hier eine andere Art von Quantitäten als
die, welche durch unsere rationalen Zahlen dargestellt werden. Die Be-
griffe näher und weiter sind hier überhaupt nicht zu brauchen, oder
sind irreführend, wenn wir diese Worte anwenden.
     

     Auch so: Von einer Farbe zu sagen, sie liege zwischen Rot und Blau,
bestimmt sie nicht scharf (eindeutig). Die reinen Farben aber müsste
ich e[u|i]ndeutig durch die Angabe bestimmen, sie liegen zwischen
gewissen Mischfarben. Also bedeutet hier das Wort “dazwischen liegen”
etwas anderes als im ersten Fall. D.h.: Wenn der Ausdruck “da-
zwischen liegen” einmal die Mischung zweier einfachen Farben, ein an-
dermal den gemeinsamen einfachen Bestandteil zweier Mischfarben bezeich-
net, so ist die Multiplizität seiner Anwendung in jedem Falle eine an-
484
dere. Und das ist kein Gradunterschied, sondern ein Ausdruck da-
für, dass es sich um 2 ganz verschiedene Kategorien handelt.
     

     Wir sagen, eine Farbe kann nicht zwischen Grüngelb und Blaurot lie-
gen, in demselben Sinne, wie zwischen Rot und Gelb, aber das können wir
nur sagen, weil wir in diesem Falle den Winkel von 45 Grad unterscheiden
können; weil wir Punkte Gelb, Rot sehen. Aber eben diese Unter-
scheidung gibt es im andern Fall – wo die Mischfarben als primär ange-
nommen werden – nicht. Hier könnten wir also sozusagen nie sicher sein,
ob die Mischung noch möglich ist oder nicht. Hier könnten wir also so-
zusagen nie sicher sein, ob die Mischung noch möglich ist oder nicht.
Freilich könnte ich beliebige Mischfarben wählen und bestimmen, dass
sie einen Winkel von 45 Graden einschliessen, das wäre aber ganz will-
kürlich, [q|w]ogegen es nicht willkürlich ist, wenn wir sagen, dass es keine
Mischung von Blaurot und Grüngelb im ersten Sinne gibt.
     In dem einen Falle gibt die Grammatik also den “Winkel von 45 Grad”
und nun glaubt man fälschlich, man brauche ihn nur zu halbieren und den
nächsten Abschnitt ebenso um einen andern Abschnitt von 45 Grad zu krie-
gen. Aber hier bricht eben das Gleichnis des Winkels zusammen.
     

     Man kann freilich auch alle Farbtöne in einer geraden Linie anordnen,
etwa mit den Grenzen Schwarz und Weiss, wie das geschehen ist, aber dann
muss man eben durch Regeln gewisse Uebergänge ausschliessen und endlich
muss das Bild auf der Geraden die gleiche Art des topologischen Zusam-
menhangs bekommen, wie auf dem Oktoeder. Es ist dies ganz analog, wie
das Verhältnis der gewöhnlichen Sprache zu einer “logisch geklärten”
Ausdrucksweise. Beide sind einander voll[l|k]ommen äquivalent, nur drückt die
eine die Regeln der Grammatik schon durch die äussere Erscheinung aus.

485
     
     Wenn mir 2 nahe aneinander liegende – etwa – rötliche Farbtöne gegeben
sind, so ist es unmöglich darüber zu zweifeln, ob beide zwischen Rot und
Blau, beide zwischen Rot und Gelb, oder der eine zwischen Rot und Blau,
der andere zwischen Rot und Gelb gelegen ist. Und mit dieser Entscheidung
haben wir auch entschieden, ob beide sich mit Blau, mit Gelb, oder der
eine sich mit Blau, der andere mit Gelb mischen, und das gilt, wie nahe
immer man die Farbtöne aneinander bringt, solange wir die Pigmente über-
haupt der Farbe nach unterscheiden können.
486
     






Idealismus, etc..








































487
     




101

      Die Darstellung des unmittelbar Wahrgenommenen.
     






     Es kommt uns vor, als wäre die Erinnerung eine etwas sekundäre Art
der Erfahrung, im Vergleich zur Erfahrung des Gegenwärtigen. Wir sagen
“daran können wir uns nur erinnern”. Als wäre in einem primären Sinn
die Erinnerung ein etwas schwaches und unsicheres Bild dessen, was wir
ursprünglich in voller Deutlichkeit vor uns hatten.
     In der physikalischen Sprache stimmt das: Ich sage “ich kann mich
nur undeutlich an dieses Haus erinnern”.
     

     Und warum es nicht dabei sein Bewenden haben lassen? Denn diese Aus-
drucksweise sagt ja doch alles, was wir sagen wollen und was sich sagen
lässt! Aber wir wollen sagen, dass es sich auch noch anders sagen
lässt; und das ist wichtig.
     In dieser andern Ausdrucksweise wird der Nachdruck gleichsam auf etwas
anderes gelegt. Die Worte “scheinen”, “Irrtum”, etc. haben nämlich eine
gewisse Gefühlsbetonung, die dem Phänomenen nicht wesentlich ist. Sie
hängt irgendwie mit dem Willen und nicht bloss mit der Erkenntnis zusam-
488
men.
     Wir reden z.B. von einer optischen Täuschung und verbinde[m|n] mit diesem
Ausdruck die Idee eines Fehlers, obwohl ja nicht wesentlich ein Fehler
vorliegt: und wäre im Leben für gewöhnlich das Aussehen wichtiger, als
die Resultate der Messung, so würde auch die Sprache zu diesen Phänomenen
eine andere Einstellung zeigen.
     Es gibt nicht – wie ich früher glaubte – eine primäre Sprache im Gegen-
satz zu unserer gewöhnlichen, der “sekundären”. Aber insofern könnte man
im Gegensatz zu unserer Sprache von einer primären reden, als in dieser
keine Bevorzugung gewisser Phänomene vor anderen ausgedrückt sein dürfte;
sie müsste sozusagen absolut sachlich sein.
     

     Es ist jetzt an der Zeit, Kritik am Worte “Sinnesdatum” zu üben. Sin-
nesdatum ist die Erscheinung dieses Baumes, ob nun “wirklich ein Baum da-
steht” oder eine Attrappe, ein Spiegelbild, eine Halluzination etc. Sin-
nesdatum ist die Erscheinung des Baumes, und was wir sagen w[i|o]llen ist,
dass diese sprachliche Darstellung nur eine Beschreibung, aber nicht
die wesentliche ist. Genau so, wie manv von dem Ausdruck “mein
Gesichtsbild” sagen kann, dass es nur eine Form der Beschrei-
bung
, aber nicht etwa die einzig mögliche und richtige ist. Die Aus-
drucksform “die Erscheinung dieses Baumes” enthält nämlich die Anschauung,
als bestünde ein notwendiger Zusammenhang dessen, was wir diese Erschei-
nung nennen, mit der “Existenz eines Baumes” und zwar, entweder durch ei-
ne wahre Erkenntnis oder einen Irrtum. D.h., wenn von der Erscheinung ei-
nes Baumes” die Rede ist, so hielten wir entweder etwas für einen Baum,
was einer ist, oder etwas, was keiner ist. Dieser Zusammenhang aber be-
steht nicht.
     Die Idealisten möchten der Sprache vorwerfen, dass sie das Sekundäre
als primär und das Primäre als sekundär darstellt. Aber das ist nur in
489
diesen unwesentlichen, und mit der Erkenntnis nicht zusammenhängenden
Wertungen der Fall (“nur” die Erscheinung). Davon abgesehen enthält die
gewöhnliche Sprache keine Entscheidung über primär und sekundär. Es ist
nicht einzusehen, inwiefern der Ausdruck “die Erscheinung eines Baumes”
etwas dem Ausdruck “Baum” sekundäres darstellt. Der Ausdruck “nur ein
Bild” geht auf die Vorstellung zurück, dass wir das Bild eines Apfels
nicht essen können.
     

     Zur Frage nach der Existenz der Sinnesdaten. Man sagt, wenn etwas rot
scheint, so muss Etwas rot gewesen sein; wenn etwas kurze Zeit
zu dauern schien, so muss Etwas kurze Zeit gedauert haben;
etc.. Man könnte nämlich fragen: Wenn etwas rot schien, woher wissen wir
denn, dass es gerade rot schien. Handelt es sich da u[j|m] eine erfahrungs-
mässige Zuordnung dieses Scheins mit // und // dieser Wirklichkeit? Wenn
etwas “die Eigenschaft F zu haben schien”, woher wissen wir, dass es
diese Eigenschaft zu haben schien ‒ ‒ ‒. Was für ein Zusammenhang be-
steht zwischen ‘es scheint so’ und ‘es ist so’.
     Vor allem kann der Schein recht haben, oder unrecht. – Er ist auch in
einem Sinne erfahrungsgemäss mit der Wirklichkeit verbun-
den. Man sagt “das scheint Typhus zu sein” und das heisst, diese Symptome
sind erfahrungsgemäss mit jenen Erscheinungen verbunden. Wenn ich sage
“das scheint rot zu sein” und dann “ja, es ist wirklich rot”, so habe ich
für die zweite Entscheidung einen Test angewandt, der unabhängig von der
ersten Erscheinung war
.
     

     Die Hypothese kann so aufgefasst werden, dass sie nicht über die Erfah-
rung hinausgeht, d.h. nicht der Ausdruck der Erwartung künftiger Erfahrung
ist. So kann der Satz “es scheint vor mir auf dem Tisch eine Lampe zu ste-
hen” nichts weiter tun, als meine Erfahrung (?–oder, wie man sagt, unmittel-
490
bare Erfahrung–?) zu beschreiben.
     

     Wie verhält es sich mit der Genauigkeit dieser Beschreibung. Ist es
richtig zu sagen: Mein Gesichtsbild ist so kompliziert, es ist unmög-
lich, es ganz zu beschreiben? Dies ist eine sehr fundamentale Frage.
     

     Das scheint nämlich zu sagen, dass man von Etwas sagen könnte, es
könne nicht beschrieben werden, oder nicht mit den jetzt vorhandenen
Mitteln, oder (doch) man wisse nicht, wie es beschreiben. (Die Frage,
das Problem, in der Mathematik.)
     Wie ist denn das Es gegeben, das ich nicht zu beschreiben weiss? –
Mein Gesichtsbild ist ja kein gemaltes Bild, oder der Ausschnitt der
Natur den ich sehe, dass ich es näher untersuchen könnte. – Ist dieses
Es schon artikuliert, und die Schwierigkeit nur es in Worten darzustel-
len, oder soll es noch auf seine Artikulation warten?
     

     “Die Blume war von einem rötlichgelb, welches ich aber nicht genauer
(oder, nicht genauer mit Worten) beschreiben kann”. Was heisst das?
     

     “Ich sehe es vor mir und könnte es malen”.
     Wenn man sagt, man könnte diese Farbe nicht mit Worten genauer be-
schreiben, so denkt man (immer) an eine Möglichkeit einer solchen Be-
schreibung (freilich, denn sonst hätte das Wort //der Ausdruck// “ge-
naue Beschreibung” keinen Sinn) und es schwebt einem dabei der Fall ei-
ner Messung vor, die wegen unzureichender Mittel nicht ausgeführt wurde.
     

     Es ist mir nich[g|t]s zur Hand, was diese oder eine ähnliche Farbe hätte.
     

     Wenn man sagt, man könne das Gesichtsbild nicht ganz beschreiben,
491
meint man, man kann keine Beschreibung geben, nach der man sich dieses
Gesichtsbild genau reproduzieren könnte.
     

     Aber was heisst hier “genaue Reproduktion”? Hier liegt selbst wieder
ein falches Bild zu Grunde.
     

     Was ist das Kriterium der genauen Reproduktion?
     

     Wir können von dem Gesichtsbild nicht weiter reden, als unsere
Sprache jetzt reicht. Und auch nicht mehr // weiter // meinen (den-
ken), als unsere Sprache sagt // reicht //. (Nicht mehr meinen, als wir
sagen können
.)
     

     Einer der gefährlichsten Vergleiche ist der des Gesichtsfelds mit einer
gemalten Fläche (oder, was auf dasselbe hinauskommt, einem farbigen räum-
lichen Modell).
     

     Hiermit hängt es zusammen: Könnte ich denn das Gesichtsbild “mit allen
Einzelheiten” wiedererkennen? Oder vielmehr, hat diese Frage überhaupt
einen Sinn?
     

     Denn als einwandfreiste Darstellung des Gesichtsbildes erscheint uns
immer noch ein gemaltes Bild oder Modell. Aber, dass die Frage nach dem
“Wiedererkennen in allen Einzelheiten” sinnlos ist, zeigt schon, wie
inadäquat
Bild und Modell sind.
     

     Phänomenologische Sprache: Die Beschreibung der unmittelbaren Sinnes-
wahrnehmung, ohne hypothetische Zutat. Wenn etwas, dann muss doch wohl die
Abbildung durch ein gemaltes Bild oder dergleichen eine solche Beschreibung
492
der unmittelbaren Erfahrung sein. Wenn wir also z.B. in ein Fernrohr
sehen und die gesehene Konstellation [w|a]ufzeichnen oder malen. Denken wir
uns sogar unsere Sinneswahrnehmung dadurch reproduziert, dass zu ihrer
Beschreibung ein Modell erzeugt wird, welches von einem bestimmten Punkt
gesehen, diese Wahrnehmungen erzeugt; das Modell könnte mit einem Kur-
belantrieb in die richtige Bewegung gesetzt werden und wir könnten durch
Drehen der Kurbel die Beschreibung herunterlesen. (Eine Annäherung hier-
zu wäre eine Darstellung im Film.)
     Ist das keine Darstellung des Unmittelbaren – was sollte eine
sein? – Was noch unmittelbarer sein wollte, müsste es aufgeben, eine Be-
schreibung zu sein. ?Es kommt dann vielmehr statt einer Beschreibung je-
ner unartikulierte Laut heraus?, mit dem manche Autoren die Philosophie
gerne anfangen möchten. (“Ich habe, um mein Wissen wissend, bewusst
etwas” Driesch.)
     

     “Was wir im physikalischen Raum denken, ist nicht das Primäre, das
wir <…> nur mehr oder weniger anerkennen können; sondern, was vom physi-
kalischen Raum wir erkennen können, zeigt uns, wie weit das Primäre
reicht und wie wir den physikalischen Raum zu deuten haben.”
     



     Es scheint ein Einwand gegen die Beschreibung des unmittelbar Erfah-
renen zu sein: “für wen beschreibe ich's?” Aber wie, wenn ich es ab-
zeichne? Und die Beschreibung muss immer ein Nachzeichnen sein.
     Und soweit eine Person für das Verstehen in Betracht kommt, steht
die meine und die des Anderen auf einer Stufe. Es ist doch hier ebenso
wie mit den Zahnschmerzen.
     Beschreiben ist nachbilden, und ich muss nicht notwendigerweise
493
für irgendjemand nachbilden.
     

     Wenn ich mich mit der Sprache dem Andern verständlich mache, so muss
es sich hier um ein Verstehen im Sinne des Behaviourism handeln. Dass
er mich verstanden hat, ist eine Hypothese, wie, dass ich ihn verstan-
den habe.
     

     “Für wen würde ich meine unmittelbare Erfahrung beschreiben? Nicht für
mich, denn ich habe sie ja: und nicht für jemand andern, denn der könnte
sie nie aus der Beschreibung entnehmen?” – Er kann sie soviel und so we-
nig aus der Beschreibung entnehmen, wie aus einem gemalten Bild. Die
Vereinbarungen über die Sprache sind doch mit Hilfe von gemalten Bildern
(oder was diesem gleichkommt) getroffen worden. Und, unserer Spr gewöhn-
lichen Ausdruksweise nach, entnimmt er doch aus einem gemalten Bild
etwas.
494
     




102
“Die Erfahrung im gegenwärtigen Moment, die eigentliche Realität.”
     






     Es ist nämlich die Anschauung aufzugeben, dass, um vom Unmittelbaren
zu reden, wir von dem Zustand in einem Zeitmoment reden müssten. Diese
Anschauung ist darin ausgedrückt, wenn man sagt: “alles, was uns gege-
ben ist, ist das Gesichtsbild und die Daten der übrigen Sinne, sowie
die Erinnerung, in dem gegenwärtigen Augenblick”. Das ist Unsinn; denn
was meint man mit dem “gegenwärtigen Augenblick”? Dieser Vorstellung
liegt vielmehr schon ein physikalisches Bild zu Grunde, nämlich das vom
Strom der Erlebnisse, den ich nun in einem Punkt //an einer Stelle //
quer durchschneide. Es liegt hier eine ähnliche Tendenz und ein ähnli-
cher Fehler vor, wie beim Idealismus (oder Solipsismus).
     

     Der Zeitmoment, von dem ich sage, er sei die Gegenwart, die alles
enthält, was mir gegeben ist, gehört selbst zur physikalischen Zeit.
     

     Denn, wie ist so ein Moment bestimmt? Etwa durch einen Glockenschlag?
Und kann ich denn nun die ganze, mit diesem Schlag gleichzeitige Erfah-
495
rung wirklich beschreiben? Wenn man daran denkt es zu versuchen, wird man
sofort gewahr, dass e[i|s] eine Fiktion ist, wovon wir reden.
     

     Wir stellen uns das Erleben wie einen Filmstreifen vor, so dass man
sagen kann: dieses Bild, und kein anderes, ist in diesem Augenblick vor
der Linse.
     

     Aber nur im? Film kann man von einem in diesem Moment gegenwärtigen Bild
reden; nicht, wenn man aus dem physikalischen Raum und seiner Zeit in den
Gesichtsraum und seine Zeit übergeht.
     

     Es ist eben irreführend, zu sagen “das Gedächtnis sagt mir, dass dies
dieselbe Farbe ist etc.” Sofern es mir etwas sagt, kann es mich auch täu-
schen (d.h. etwas falsches sagen).
     Wenn ich die unmittelbar gegebene Vergangenheit beschreibe, so be-
schreibe ich mein Gedächtnis, und nicht etwas, was dieses Gedächtnis an-
zeigt. (Wofür dieses Gedächtnis ein Symptom wäre.)
     

     Und “Gedächtnis” bezeichnet hier – wie früher “Gesicht” und “Gehör” –
auch nicht ein psychisches Vermögen, sondern einen bestimmten Teil der
logischen Struktur unserer Welt.
     

     Was wir die Zeit im Phänomen (specious present) nennen können, liegt
nicht ind der Zeit (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) der Geschichte,
ist keine Strecke der Zeit. Während, was wir unter “Sprache” verstehen,
// Während der Vorgang der “Sprache” // in der homogenen geschichtlichen
Zeit abläuft. (Denke an den Mechanismus zur Beschreibung der unmittelba-
ren Wahrnehmung.)

496
     
     (Von welcher Wichtigkeit ist denn diese Beschreibung des gegen-
wärtigen
Phänomens, die für uns gleichsam zur fixen Idee werden
kann. Dass wir darunter leiden, dass die Beschreibung nicht das beschrei-
ben kann, was beim Lesen der Beschreibung vor sich geht. Es scheint, als
wäre die Beschäftigung mit dieser Frage geradezu kindisch und wir in ei-
ne Sackgasse hineingeraten. Und doch ist es eine bedeutungsvolle Sack-
gasse, denn in sie lockt es Alle zu gehen; als wäre dort die letzte Lö-
sung der philosophischen Probleme zu suchen. – Es ist, als käme man mit
dieser Darstellung des gegenwärtigen Phänomens in einen verzauberten
Sumpf, wo alles Erfassbare verschwindet.)
     Anderseits brauchen wir eine Ausdrucksweise, die Vorgänge // Phäno-
mene
// des Gesichtsraums getrennt von den Erfahrungen andrer Art dar-
stellt.
     

     (Wir befinden uns mit unserer Sprache (als physischer Erscheinung)
sozusagen nicht im Bereich des projizierten Bildes auf der Leinwand, son-
dern im Bereich des Films, der durch die Laterne geht. Und wenn ich zu
dem Vorgang auf der Leinwand Musik machen will, muss das, was sie her-
vorruft, sich wieder im Gebiet des Films abspielen. Das gesprochene Wort
im Sprechfilm, das die Vorgänge auf der Leinwand begleitet, ist ebenso
fliehend? // fliessend?//, wie diese Vorgänge, und nicht das Gleiche wie
der Tonstreifen. Der Tonstreifen begleitet nicht das Spiel auf der Lein-
wand.)
     

     Ein Gedanke über die Darstellbarkeit der unmittelbaren Realität durch
die Sprache:
     “Der Strom des Lebens, oder der Strom der Welt, fliesst dahin, und
unsere Sätze werden, sozusagen, nur in Augenblicken verifiziert. Unsere
Sätze werden nur von der Gegenwart verifiziert. – Sie müssen also so ge-
497
macht sein, dass sie von ihr verifiziert werden können. Sie müssen das
Zeug haben, um von ihr verifiziert werden zu können. Dann haben sie al-
so in irgendeiner Weise die Kommensurabilität mit der Gegenwart // Dann
sind sie also in irgendeiner Weise mit der Gegenwart kommensurabel //
und diese // dies // können sie nicht haben // sein // trotz ihrer
raum-zeitlichen Natur, sondern diese muss sich zur Kommensurabilität
verhalten, wie die Körperlichkeit eines Masstabe[w|s] zu seiner Ausgedehnt-
heit, mit der //mittels der // er misst. Im Falle des Masstabes kann
man auch nicht sagen: ‘Ja, der Masstab misst die Länge trotz seiner
Körperlichkeit; freilich, ein Masstab, der nur Länge hätte, wäre das
Ideal, wäre der reine Masstab’. Nein, wenn ein Körper Länge hat, so
kann es keine Länge ohne einen Körper geben – und wenn ich auch verste-
he, dass in einem bestimmten Sinn nur die Länge des Masstabs misst, so
bleibt doch, was ich in die Tasche stecke der Masstab, – der Körper und
nicht die Länge.”
     

     “Nur die Erfahrung des gegenwärtigen Augenblicks hat Realität”. – Soll
das heissen, dass ich heute früh nicht aufgestanden bin? Oder, dass ein
Ereignis, dessen ich mich in diesem Augenblick nicht erinnere // entsin-
ne//, nicht stattgefunden hat? – Soll hier ‘gegenwärtige Erfahrung’ im
Gegensatz stehen zu zukünftiger und vergangener Erfahrung? Oder ist es
ein Beiwort, wie das Wort “rational” in “rationale Zahl”, so dass man
die beiden Wörter auch durch eines ersetzen könnte und das Beiwort
auf eine grammatische Eigentümlichkeit hinweist. Und was wird in diesem
Falle vom Subjekt ausgesagt, wenn ihm Realität zugesprochen wird? Beto-
nen wir hier nicht wieder eine grammatische Eigentümlichkeit, in dersel-
ben Weise, wie wenn man sagt //etwa, als wenn man sagte:// “nur die
Kardinalzahlen sind wirkliche Zahlen”. (Kronecker soll gesagt haben, nur
die Kardinalzahlen seien von Gott erschaffen, alle anderen seien Men-
498
schenwerk.) – Heisst es ‘gegenwärtige Erfahrung’ im Gegensatz zu zukünf-
tiger und vergangener, dann meint man mit diesen Erfahrungen etwa physi-
kalische Vorgänge; und wenn ich das Bild von der Laterna magica gebrau-
che und die zeitlichen Beziehungen in räumliche übersetze, so ist die
gegenwärtige Erfahrung im physikalischen Sinn das Bild auf dem Filmstrei-
fen, das sich vor dem Objektiv der Laterne befindet. (Ich kann nicht sa-
gen: “das sich jetzt vor dem Objektiv der Laterne befindet”.) Auf
der einen Seite dieses Bildes sind //liegen // die vergangenen, auf der
andern die zukünftigen Bilder (die beiden Seiten sind durch Eigentüm-
lichkeiten des Apparates charakterisiert). Das Bild auf der Leinwand ge-
hört der Zeit des Filmstreifens nicht an; man kann von ihm nicht in dem
eben beschriebenen Sinne sagen, es sei gegenwärtig. (Im Gegensatz wozu?
Das Wort ‘gegenwärtig’, wenn man es hier benützt, bezeichnet nicht einen
Teil [d|e]ines Raumes im Gegensatz zu andern Teilen, sondern charakterisiert
einen Raum.) Der Satz, nur die gegenwärtige Erfahrung habe Realität,
wäre nun hier der Satz, dass nur das Bild vor dem Objektiv dem Bild auf
der Leinwand entspricht. Und das könnte allerdings ein Erfahrungssatz
sein und das Gleichnis lässt uns hier in Stich, wenn wir die Entsprechung
zwischen Film und Leinwand (die Projektionsart) nicht so festsetzen
//festlegen//, dass sich dadurch das Bild auf dem Film, welches dem
Bild auf der Leinwand entspricht, als das Bild vor dem Objektiv der La-
[g|t]erne ergibt.
499
     




103
Idealismus.
     






     ((Ich sehe undeutlich eine Verbindung zwischen dem Problem des Solip-
sismus oder Idealismus und dem, der Bezeichnungsweise eines Satzes. Wird
etwa das Ich in diesen Fällen durch den Satz ersetzt und das Verhältnis
des Ich zur Wirklichkeit durch das Verhältnis von Satz und Wirklich-
keit?))
     

     Dem, der sagt “aber es steht doch wirklich ein Tisch hier” muss man
antworten: “Freilich steht ein wirklicher Tisch hier, – im Gegensatz zu
einem nachgemachten”.
     Wenn er aber nun weiterginge und sagte: die Vorstellungen seien nur
Bilder der Dinge, so müsste ich (ihm) widersprechen und sagen, dass der
Vergleich der Vorstellung mit einem Bilde des Körpers gänzlich irrefüh-
rend sei, das es für ein Bild wesentlich sei, dass es mit seinem Gegen-
stand verglichen werden kann.
     

     Wenn aber Einer sagt “die V[i|o]rstellungen sind das einzig Wirkliche”,
so muss ich sagen, dass ich hier das Wort //Prädikat // “wirklich”
500
nicht verstehe und nicht weiss, was für eine Eigenschaft man damit ei-
gentlich den Vorstellungen zuspricht und – etwa – den Körpern abspricht.
Ich kann ja nicht begreifen, wie man mit Sinn – ob wahr oder falsch – ei-
ne Eigenschaft Vorstellungen und physischen Körpern zuschreiben kann.
     

     (Der Mensch, der in den Spiegel sieht um sich zwinkern zu sehen; und
was er nun wirklich sieht. Ungeeignete physikalische Theorien.)
     

     (Zeitdauer eines Tones und Zeitdauer einer akkustischen Schwingung.)
     

     Das Wahre am Idealismus ist eigentlich, dass der Sinn des Satzes aus
seiner Verifikation ganz hervorgeht.
     

     Wenn der Idealismus sagt, der Baum sei nur meine Vorstellung, so ist
ihm vorzuhalten, dass der Ausdruck “dieser Baum” nicht dieselbe Bedeutung
hat wie “meine Vorstellung von diesem Baum”. Sagt der Idealismus, meine
Vorstellung allein existiert (hat Realität) nicht der Baum, so miss-
braucht er das Wort “existieren” oder “Realität haben”.
     1.) Du scheinst ja hier zu sagen, dass die Vorstellung eine Eigen-
schaft hat, die der Baum nicht hat. Aber wie weisst Du das? Hast Du alle
Vorstellungen und Bäume daraufhin untersucht. Oder ist das ein Satz a
priori, dann er in eine grammatische Regel gefasst werden, die sagt,
dass man von der Vorstellung etwas Bestimmtes mit Sinn aussagen darf,
nicht aber vom Baum. 2.) Was soll es aber heissen, von einer Vorstellung
Realität auszusagen? Dem Sprachgebrauch //Gebrauch// entsprechend höch-
stens
// nur//, dass diese Vorstellung vorhanden ist. In anderm Sinne –
freilich – sagen wir aber auch von einem Baum aus, er existiere (habe
Realität) im Gegensatz zu dem Fall etwa, dass er bereits umgehauen ist.
501
Und es bleibt nur übrig, dass das Wort “Baum” in der Bedeutung, in der
man sagen kann “der Baum wird umgehauen und verbrannt” einer anderen
grammatischen Kategorie angehört, als der Ausdruck “meine Vorstellung
vom Baum” etwa im Satz: “Meine Vorstellung vom Baum wird immer undeut-
licher”. Sagt aber der Realismus, die Vorstellungen seien doch “nur
die subjektiven Bilder //Abbilder// der Dinge”, so ist zu sagen,
dass dem eine falsche Analogie //ein falscher Vergleich // zwischen
der Vorstellung von einem Ding und dem Bild des Dinges zu Grunde liegt.
Und zwar einfach, weil es wohl möglich ist, ein Ding zu sehen und
sein Bild (etwa nebeneinander), aber nicht ein Ding und die Vorstel-
lung davon.
     Es handelt sich um die Grammatik des Wortes ‘Vorstellung’ im Gegen-
satz zur Grammatik der ‘Dinge’.
     

/     (Es könnte sich eine seltsame Analogie daraus ergeben, dass das
Okular auch des riesigsten Fernrohrs nicht grösser sein darf //nicht
grösser ist//, als unser Auge.) /
     

     Wer den Satz, nur die gegenwärtige Erfahrung sei real, bestreiten
will (was ebenso falsch ist, wie ihn zu behaupten) wird etwa fragen,
ob denn ein Satz wie “Julius Cäsar ging über die Alpen” nur den gegen-
wärtigen Geisteszustand Desjenigen beschreibt, der sich mit dieser Sa-
che beschäftigt. Und die Antwort ist natürlich: Nein! er beschreibt
ein Ereignis, das, wie wir glauben, vor ca. 2000 Jahren stattgefunden
hat. Wenn nämlich das Wort “beschreibt” so aufgefasst wird, wie in dem
Satz “der Satz ‘ich schreibe’ beschreibt, was ich gegenwärtig tue”.
Der Name Julius Cäsar bezeichnet eine Person. – Aber was sagt denn das
also alles? Ich scheine mich ja um die eigentliche philosophische Ant-
502
wort drücken zu wollen! – Aber Sätze, die von Personen handeln, d.h.
Personennamen enthalten, können eben auf sehr verschiedene Weise verifi-
ziert werden. – Fragen wir uns nur, warum wir den [D|S]atz glauben. – Dass
es ( z.B.) denkbar ist, die Leiche Cäsars noch zu finden, hängt unmittel-
bar mit dem Sinn des Satzes über Julius Cäsar zusammen. Aber auch, dass
es denkbar // möglich// ist, eine Schrift zu finden, aus der hervor-
geht, dass so ein Mann nie gelebt hat und seine Existenz zu bestimmten
Zwecken erdichtet worden ist // sei//. Diese //Solche// Möglichkeiten
gibt es (aber) für einen Satz: “ich sehe einen roten Fleck über einen
grünen dahinziehen” nicht; und das ist es, was wir damit meinen, wenn wir
sagen, dass dieser Satz in unmittelbarerer Art Sinn hat //, dieser Satz
habe in … Sinn, als ……//, als jener // der // über Julius Cäsar.
// … Und das meinen wir, wenn wir sagen, dieser Satz habe ……
503
     




104
“Schmerzen haben.”
     






     Zur Erklärung des Satzes “er hat Zahnschmerzen” sagt man etwa: “ganz
einfach, ich weiss, was es heisst, das ich Zahnschmerzen habe, und wenn ich sage, dass er Zahnschmerzen hat, so meine ich, dass er jetzt
das hat, was ich damals hatte”. Aber was bedeutet “er” und was bedeutet
“Zahnschmerzen haben”. Ist das eine Relation, die die Zahnschmer-
zen damals zu mir hatten und jetzt zu ihm. Dann wäre ich mir also jetzt
auch der Zahnschmerzen bewusst, und dessen dass er sie jetzt hat, wie
ich eine Geldbörse jetzt in seiner Hand sehen kann, die ich früher in
meiner gesehen habe.
     Hat es einen Sinn zu sagen “ich habe Schmerzen, ich merke sie aber
nicht”? Denn in diesem Satz könnte ich dann allerdings statt “ich habe”
“er hat” einsetzen. Und umgekehrt, wenn die Sätze “er hat Schmerzen” und
“ich habe Schmerzen” auf der gleichen logischen Stufe stehen, so muss
ich im Satz “er hat Schmerzen, die ich nicht fühle” statt “er hat” “ich
habe” setzen können. – Ich könnte auch so sagen: Nur insofern ich
Schmerzen haben kann, die ich nicht fühle, kann er Schmerzen habe[,|n], die
504
ich nicht fühle. Es könnte dann noch immer der Fall sein, dass ich tat-
sächlich die Schmerzen, die ich habe, immer fühle, aber es muss Sinn ha-
ben, das zu verneinen.
     

     Der Begriff der Zahnschmerzen als eines Gefühlsdatums ist allerdings
auf den Zahn des Anderen ebenso anwendbar, wie auf den meinen, aber nur
in dem Sinne, in dem es ganz wohl möglich wäre, in dem Zahn in eines an-
dern Menschen Mund Schmerzen zu empfinden. Im Einklang mit der gegenwär-
tigen Ausdrucksweise würde man aber diese Tatsache nicht durch die Worte
“ich fühle seinen Zahnschmerz” ausdrücken, sondern durch “ich habe in
seinem Zahn Schmerzen”. ‒ ‒ ‒ Man kann nun sagen: Freilich hast Du nicht
seinen Zahnschmerz, denn es ist auch dann sehr wohl möglich, dass er
sagt “ich fühle in diesem Zahn nichts”. Und sollte ich in diesem Fall
sagen “Du lügst, ich fühle, wie Dein Zahn schmerzt”?
     

     Wenn ich jemand, der Zahnschmerzen hat, bemitleide, so setze ich mich
in Gedanken an seine Stelle. Aber ich setze mich an seine Stelle.
     

     Die Frage ist, ob es Sinn hat zu sagen: “Nur A kann den Satz ‘A hat
Schmerzen’ verifizieren, ich nicht”. Wie aber wäre es, wenn dieser Satz
falsch wäre, wenn ich also den Satz verifizieren könnte, dass kann
es etwas anderes heissen, als dass dann ich Schmerzen fühlen müsste!
Aber wäre das eine Verifikation? Vergessen wir nicht: es i[w|s]t Unsinn, zu
sagen, ich müsste meine oder seine Schmerzen fühlen.
     Man könnte auch so fragen: Was in meiner Erfahrung rechtfertigt das
“meine” in “ich fühle meine Schmerzen”. Wo ist die Multiplizität
des Gefühls, die dieses Wort rechtfertigt, und es kann nur dann gerecht-
fertigt sein, wenn an seine Stelle auch ein anderes treten kann.

505
     
     “Ich habe Schmerzen” ist, im Falle ich den Satz gebrauche, ein Zeichen
ganz anderer Art, als es für mich im Munde eines Anderen ist; und zwar
darum, weil es im Munde eines Anderen für mich so lange sinnlos ist, als
ich nicht weiss, welcher Mund es ausgesprochen hat. Das Satzzeichen be-
steht in die[w|s]em Falle nicht im Laut allein, sondern in der Tatsache, dass
dieser Mund den Laut hervorbringt. Während im Falle ich es sage, oder
denke, das Zeichen der Laut allein ist.
     

     Angenommen, ich hätte stechende Schmerzen im rechten Knie und bei je-
dem Stich zuckt mein rechtes Bein. Zugleich sehe ich einen anderen Men-
schen, dessen Bein in gleicher Weise zuckt und der über stechende Schmer-
zen klagt; und zu gleicher Zeit fängt mein linkes Bein ebenso an zu zucken,
obwohl ich im linken Knie keine Schmerzen fühle. Nun sage ich: mein
Gegenüber hat offenbar in seinem Knie dieselben Schmerzen, wie ich in
meinem rechten Knie. Wie ist es aber mit meinem linken Knie, ist es nicht
in genau dem gleichen Fall, wie das Knie des Anderen?
     

     Wenn ich sage “A hat Zahnschmerzen”, so gebrauche ich die Vorstellung
des Schmerzgefühls in der selben Weise, wie etwa den Begriff des Flies-
sens, wenn ich vom Fliessen des elektrischen Stromes rede.
     

     Ich sammle gleichsam sinnvolle Sätze über Zahnschmerzen, das ist der
charakteris[it|ti]sche Vorgang einer grammatischen Untersuchung. Ich sammle
nicht wahre, sondern sinnvolle Sätze und darum ist diese Betrachtung
keine psychologische. (Man möchte sie oft eine Metapsychologie nennen.)
     

     Man könnte sagen: Die Philosophie sammle fortwährend ein Material von
Sätzen, ohne sich um ihre Wahr- oder Falschheit zu kümmern; nur im Falle
der Logik und Mathematik hat sie es nur mit den “wahren” Sätzen zu tun.
506

     Die Erfahrung des Zahnschmerzgefühls ist nicht die, dass eine Person
Ich etwas hat.
     

     In den Schmerzen unterscheide ich eine Intensität, einen Ort, etc.,
aber keinen Besitzer.
     Wie wären etwa Schmerzen, die gerade niemand hat? Schmerzen, die
gerade niemandem gehören?
     

     Die Schmerzen werden als etwas dargestellt, das man wahrnehmen kann,
im Sinne, in dem man eine Zündholzschachtel wahrnimmt. – Das Unangenehme
sind dann freilich nicht die Schmerzen, sondern nur das Wahrnehmen der
Schmerzen.
     

     Wenn ich einen Anderen bedaure, weil er Schmerzen hat, so stelle ich
mir wohl die Schmerzen vor, aber ich stelle mir vor, dass ich sie
habe.
     

     Soll ich mir auch die Schmerzen eines auf dem Tisch liegenden Zahnes
denken können, oder die Schmerzen eines Teetopfs? Soll man etwa sagen:
es ist nur nicht wahr, dass der Teetopf Schmerzen hat, aber ich kann es
mir denken?!
     

     Die beiden Hypothesen, dass die Anderen Schmerzen haben, und die, dass
sie keine haben, und sich nur so benehmen wie ich, wenn ich welche habe,
müssen ihrem Sinne nach identisch sein, wenn alle mögliche Er-
fahrung, die die eine bestätigt, auch die andere bestätigt. Wenn also
keine Entscheidung zwischen beiden durch die Erfahrung denkbar ist.
     

     Zu sagen, dass die Anderen keine Schmerzen haben, setzt aber voraus,
507
dass es Sinn hat zu sagen, dass sie Schmerzen haben.
     Ich glaube, es ist klar, dass man in demselben Sinne sagt, dass ande-
re Menschen Schmerzen haben, in welchem man sagt, dass ein Stuhl keine
hat.
     

     Wie wäre es, wenn ich zwei Körper hätte, d.h. wenn mein Körper aus
zwei getrennten Leibern bestünde?
     Hier sieht man – glaube ich – wieder, wie das Ich nicht auf derselben
Stufe mit den Andern steht, denn wenn die Andern je zwei Körper hätten,
so könnte ich es nicht erkennen.
     Kann ich mir denn die Erfahrung mit zwei Leibern denken? Die Gesichts-
erfahrung gewiss nicht.
     

     Das Phänomen des Schmerzgefühls in einem Zahn, welches ich kenne, ist
in der Ausdrucksweise der gewöhnlichen Sprache dargestellt durch “ich
habe
in dem und dem Zahn Schmerzen”. Nicht durch einen Ausdruck von
der Art “an diesem Ort ist ein Schmerzgefühl”. Das ganze Feld die-
ser Erfahrung wird in dieser Sprache durch Ausdrücke von der Form “ich
habe …” beschrieben. Die Sätze von der Form “N hat Zahnschmerzen”
sind für ein ganz anderes Feld reserviert. Wir können daher nicht über-
rascht sein, wenn in den Sätzen “N hat Zahnschmerzen” nichts mehr auf
jene Art mit der Erfahrung Zusammenhängendes gefunden wird.
     

     Wenn man sagt, die Sinnesdaten seien “privat”, sei niemand anderer
könne meine Sinnesdaten sehen, hören, fühlen, und meint damit nicht ei-
ne Tatsache unserer Erfahrung, so müsste das ein philosophischer Satz
sein; und was gemeint ist, drückt sich darin aus, dass eine Person in
die Beschreibung von Sinnesdaten eintritt.

508
     
     Denn, kann ein Anderer meine Zahnschmerzen nicht haben, so kann
ich sie – in diesem Sinne – auch nicht haben.
     

     In dem Sinne, in welchem es nicht erlaubt ist zu sagen, der Andere
habe diese Schmerzen, ist es auch nicht erlaubt zu sagen, ich habe // hät-
te// sie.
     

     Was wesentlich privat ist, oder scheint, hat keinen Besitzer.
     

     Was soll es heissen: er hat diese Schmerzen? ausser, er hat
solche Schmerzen: d.h., von solcher Stärke, Art, etc.. Aber nur in
dem eine Sinn kann auch ich “diese Schmerzen” haben.
     

     Das heisst, die Subjekt-Objekt Form ist darauf nicht anwendbar.
     Die Subjekt-Objekt Form bezieht sich auf den Leib und die Dinge um ihn,
die auf ihn wirken.
     

     In der nicht-hypothetischen Beschreibung des Gesehenen, Gehörten –
diese Wörter bezeichnen hier grammatische Formen – tritt das Ich nicht
auf, es ist hier von Subjekt und Objekt nicht die Rede.
     

     Der Solipsismus könnte durch die Tatsache widerlegt werden, dass das
Wort “ich” in der Grammatik keine zentrale Stellung hat, sondern ein Wort
ist, wie jedes andre Wort.
     

     Wie im Gesichtsraum, so gibt es in der Sprache kein metaphysisches
Subjekt.
     

/     Die Schwierigkeit, die uns das Sprechen über den Gesichtsraum ohne
509
Subjekt macht und ü[h|b]er “meine und seine Zahnschmerzen”, ist
die, die Sprache einzurenken, dass sie richtig in den Tatsachen sitzt. /
     

     Behaviourism. “Mir scheint, ich bin traurig, ich lasse den Kopf so
hängen”.
     Warum hat man kein Mitl[i|e]id, wenn eine Tür ungeölt ist und beim Auf- und Zumachen schreit? Haben wir mit dem Andern, der sich benimmt wie
wir, wenn wir Schmerzen haben, Mitleid – auf philosophische Erwägungen
hin, die zu dem Ergebnis geführt haben, dass er leidet, wie wir? Ebenso-
gut können uns die Physiker damit Furcht einflössen, dass sie uns ver-
sichern, der Fussboden sei gar nicht kompakt, wie er scheine, sondern
bestehe aus losen Partikeln, die regellos herumschwirren. “Aber wir hät-
ten doch mit dem Andern nicht Mitleid, wenn wir wüssten, dass er nur
eine Puppe ist, oder seine Schmerzen bloss heuchelt.” Freilich, – aber
wir haben auch ganz bestimmte Kriterien dafür, dass etwas eine Puppe
ist, oder dass Einer seine Schmerzen heuchelt und diese Kriterien stehen
eben im Gegensatz zu denen, die wir Kriterien dafür nennen, dass etwas
keine Puppe (sondern etwa ein Mensch) ist und seine Schmerzen nicht
heuchelt (sondern wirklich Schmerzen hat).
     

     Hat es Sinn zu sagen, zwei Menschen hätten denselben Körper? Welches
wären die Erfahrungen, die wir mit diesem Satz beschrieben? Dass ich
darauf käme, dass das, was ich meine Hand nenne, und bewege, an dem
Körper eines Andern sitzt, ist natürlich denkbar, denn ich sehe, während
ich jetzt schreibe, die Verbindung meiner Hand mit meinem übrigen Kör-
per nicht. Und ich könnte wohl darauf kommen, dass sich die frühere
Verbindung gelöst hat und also auch, dass meine Hand jetzt an dem Arm
eines Andern sitzt.

510
     
     Von Sinnesdaten in dem Sinne dieses Worts, in dem es undenkbar ist,
dass der Andere sie hat, kann man eben aus diesem Grunde auch nicht sa-
gen, dass der Andere sie nicht hat. Und eben darum ist es auch sinnlos
zu sagen, dass ich, im Gegensatz zum Andern, sie habe. – Wenn
man sagt “seine Zahnschmerzen kann ich nicht fühlen”, meint man damit,
dass man die Zahnschmerzen des Andern bis jetzt nie gefühlt hat? Wie
unterscheiden sich seine Zahnschmerzen von den meinen?
Wenn das Wort “Schmerzen” in den Sätzen “ich habe Schmerzen” und “er hat
Schmerzen” die gleiche Bedeutung hat, – was heisst es dann zu sagen,
dass er nicht dieselben Schmerzen haben kann, wie ich? Wie können sich
denn verschiedene Schmerzen voneinander unterscheiden? Durch Stärke,
durch den Charakter des Schmerzes (stechend, bohrend, etc.) und durch
die Lokalisation im Körper. Wenn nun aber diese Charakteristika bei bei-
den dieselben sind? – Wenn man aber einwendet, ihr Unterschied, //, der
Unterschied der Schmerzen// sei eben der, dass in einem Falle ich sie
habe, im andern Fall er! – dann ist also die besitzende Person eine
Charakteristik der Schmerzen selbst. Aber was ist dann mit dem Satz “ich
habe Schmerzen” oder “er hat Schmerzen” ausgesagt? – Wenn das Wort
“Schmerzen” in beiden Fällen die gleiche Bedeutung hat, dann muss man
die Schmerzen der Beiden miteinander vergleichen können: und wenn sie
in Stärke etc., etc. miteinander übereinstimmen, so sind sie die glei-
chen; wie zwei Anzüge die gleiche Farbe besitzen, wenn sie in
Bezug auf Helligkeit, Sättigung, etc. miteinander übereinstimmen.
     Wenn man fragt “ist es denkbar, dass ein Mensch die Schmerzen des
Andern fühlt?” so schweben einem dabei die Schmerzen (etwa Zahnschmer-
zen) des Andern gleichsam als ein Körper, ein Volumen, vor im Mund des
Andern und die Frage scheint zu fragen, ob wir an diesem Schmerzvolumen
511
teilhaben können. Etwa dadurch, dass sich unser beider Wangen durch-
drängen. Aber auch das scheint dann nicht zu genügen und wir müssten
ganz mit ihm zusammenfallen // und wir müssten uns ganz mit ihm decken//.
     

                  1.) “Ich habe Schmerzen”
“N hat Schmerzen”
dagegen
2.) “Ich habe graue Haare”
“N hat graue Haare
Die verschiedenen philosophischen Schwierigkeiten und Konfusionen in
Verbindung mit dem ersten Beispiel lassen sich zum grössten Teil auf die
Verwechslung der Grammatik der Fälle 1) und 2) zurückführen.
     Es hat Sinn zu sagen: “ich sehe seine Haare, aber nicht die meinen”,
oder “ich sehe meine Hände täglich, aber nicht die seinen” und dieser
Satz ist analog dem: “ich sehe meine Wohnung täglich, aber nicht die
seine”. – Dagegen ist es Unsinn: “ich fühle meine Schmerzen, aber nicht
die seinen”.
     Die Ausdrucksweise unserer Sprache in den beiden Fällen 1) und 2)
ist natürlich nicht ‘falsch’, aber sie ist irreführend. “Eine herren-
766
512
lose Wohnung”, “herrenlose Zahnschmerzen”. Es gibt Menschen, die Untersu-
chungen darüber anstellen, “ob es ungesehene Gesichtsbilder gibt” und sie
glauben, dass das eine Art [W|w]issenschaftlicher Untersuchung (über diese
Phänomene
) ist.
         “Wie ein Satz verifiziert wird, – dass sagt er”: und nun sieh Dir
daraufhin die Sätze: an: “Ich habe Schmerzen”, “N hat Schmerzen”.
         Wenn nun aber ich der N bin? – Dann haben dennoch die beiden Sät-
ze verschiedenen Sinn.
         “Die Sache ist doch ganz einfach: ich spüre freilich seine Schmer-
zen nicht, aber er spürt sie oben (und so sind alle Verhältnisse doch?
symmetrisch)”. Aber dieser Satz ist eben Unsinn. – Um nun die Asymmetrie
der Erfahrung mit Bezug auf mich und den Andern deutlich zum Ausdruck zu
bringen, könnte ich eine asymmetrische Ausdrucksweise vorschlagen:
Alte Ausdrucksweise:
W. hat Schmerzen.
W. hat Schmerzen in seiner
linken Hand.
N. hat Schmerzen.

N. heuchelt Schmerzen in seiner
Hand.
Ich bedauere N., weil er
Schmerzen hat.
Neue Ausdrucksweise:
Es sind Schmerzen vorhanden.
Es sind Schmerzen in der linken Hand
des W..
N. benimmt sich wie W., wenn Schmerzen
vorhanden sind.
N. heuchelt das Benehmen des W., wenn
Schmerzen in seiner Hand sind.
Ich bedauere N., weil er sich benimmt,
wie etc..

          Da wir für jeden sinnvollen Ausdruck der alten Ausdrucksweise
einen der neuen setzen und für verschiedene alte, verschied
verschiedene neue, so muss, was Eindeutigkeit und Verständlich-
keit anlangt, die neue Ausdrucksweise der alten gleichwertig sein. – Aber
könnte man denn nicht eine solche asymmetrische Ausdrucksweise ebensogut
für Sätze der Art “ich habe graue Haare”, “N. hat graue Haare” konstruie-
ren? Nein. Man muss nämlich verstehen, dass der Name “W.” in den Sätzen
der rechten Seite sinnvoll durch andere Namen ersetzt werden können muss.
767
513
Und ist das nicht der Fall, dann braucht weder “W.” noch ein anderer Name
in diesen Sätzen vorzukommen //vorkommen//. Ersetzt man nämlich “W.” durch
den Namen eines andern Menschen, so wird etwa gesagt, dass ich in der Hand
eines anderen Körpers als des meinigen Schmerzen empfinde. Es wäre z.B.
denkbar, dass ich mit einem Andern Körper wechsle //Andern den Körper
wechsle//; etwa aufwache, meinen alten Körper mir gegenüber auf einem Ses-
sel sitzen sehe, und mich im Spiegel sehend fände, dass ich das Gesicht
und den Körper meines Freundes angenommen habe. Ich betrachte nun den Per-
sonennamen als Name eines Körpers. Und es hat nun Sinn zu sagen: “ich ha-
be im Körper des N (oder im Körper N) Zahnschmerzen; (in der asymmetrischen
Ausdrucksweise: “in einem Zahn des N sind Schmerzen”); aber es hat keinen
Sinn, zu sagen “ich habe auf dem Kopf des N graue Haare”, ausser, das
soll heissen: “N hat graue Haare”.
           Aber ist (denn) die vorgeschlagene asymmetrische Ausdrucksweise
richtig? Warum sage ich “N benimmt sich wie W, wenn er …”? Wodurch ist
denn W charakterisiert? Doch durch die Formen etc. seines Körpers und durch
dessen kontinuierliche Existenz im Raum. Sind aber diese Dinge für die Er-
fahrung der Schmerzen wesentlich? Könnte ich mir nicht folgende Erfahrung
denken: ich wache mit Schmerzen in der linken Hand auf und finde, dass sie
ihre Gestalt geändert hat und jetzt so aussieht, wie die Hand meines Freun-
des, während er meine Hand erhalten hat. Und worin besteht die Kontinuität
meiner Existenz im Raum? Wenn mir jemand [V|v]erlässlicher erzählte, er sei,
während ich geschlafen habe, bei mir gesessen, plötzlich sei mein Körper
verschwunden und sei plötzlich wieder erschienen – ist es unmöglich das zu
glauben? – Und worin besteht etwa die Kontinuität meines Gedächtnisses?
In welcher Zeit ist es kontinuierlich? Oder besteht die Kontinuität darin,
dass im Gedächtnis keine Lücke ist? Wie im Gesichtsfeld keine ist. (Denn
überlege nur, wie wir den blinden Fleck merken!) Und was hätte diese Kon-
tinuität mit der zu tun, die für den Gebrauch des Personennamens W. wesent-
768
514
lich ist // von Bedeutung ist//? Die Erfahrung der Schmerzen lässt sich in
ganz anderer Umgebung als der von uns gewohnten denken. (?–Denken wir doch
nur, dass man tatsächlich Schmerzen in der Hand haben kann, obwohl es diese
im physikalischen Sinn gar nicht mehr gibt, weil sie einem amputiert worden
ist–?.) In diesem Sinne könnte man Zahnschmerzen ohne Zahn, Kopfschmerzen oh-
ne Kopf etc. haben. Wir machen eben hier einfach eine Unterscheidung, wie
die zwischen Gesichtsraum und physikalischem Raum, oder Gedächtniszeit und
physikalischer Zeit. – Danach nun ist es unrichtig, die Ausdrucksweise ein-
zuführen “N benimmt sich wie W, wenn …”. Man könnte vielleicht sagen
“N benimmt sich, wie der Mensch in dessen Hand Schmerzen sind”. Warum soll-
te man aber überhaupt die Erfahrung der Schmerzen zur Beschreibung des be-
wussten Benehmens heranziehen? – Wir wollen doch einfach zwei verschiedene
Erfahrungsgebiete trennen; wie wenn wir Tasterfahrung und Gesichtserfahrung
an einem Körper trennen. Und verschiedener kann nichtss sein, als die Schmerz-
erfahrung und die Erfahrung, einen menschlichen Körper sich winden sehen
//zu sehen//, Laute ausstossen zu hören, etc.. Und zwar besteht hier kein
Unterschied zwischen meinem Körper und dem des Andern, denn es gibt auch
die Erfahrung, die Bewegungen des eigenen Körpers zu sehen und die von ihm
ausgestossenen Laute zu hören.
           Denken wir uns, unser Körper würde aus unserem Gesichtsfeld
entfernt, etwa, indem man ihn gänzlich durchsichtig machte; er behielte
aber die Fähigkeit, in einem geeigneten Spiegel in der uns gewohnten Wei-
se zu erscheinen, so dass wir etwa die sichtbaren Aeusserungen unserer
Zahnschmerzen wesentlich wie die eines fremden Körpers wahrnähmen. Dies er-
gäbe auch eine ganz andere Koordination zwischen sehendem Auge und Ge-
sichtsraum, als die uns selbstverständlich erschein[d|e]nde alltägliche. (Den-
ke an das Zeichen eines Vierecks mit seinen Diagonalen im Spiegel.) Wenn
wir uns aber so die Möglichkeit denken können, dass wir unsern sichtbaren
Körper nur als Bild in einem Spiegel kennten, so ist es nun auch denkbar,
769
515
dass dieser Spiegel wegfiele und wir ihn nicht anders sähen, als irgend
einen andern menschlichen Körper. – Wodurch wäre er dann aber als mein
Körper charakterisiert? Nun, nur dadurch, dass ich z.B. die Berührung die-
ses Körpers fühlen würde, nicht aber die eines andern, etc.. So ist es
auch nicht mehr wesentlich, dass der Mund unterhalb des sehenden Auges
meine Worte spricht. (Und das ist von grosser Wichtigkeit.) Auch wenn
ich meinen Körper sehe, wie ich ihn jetzt sehe, d.h. von seinen
Augen aus, ist es denkbar, dass ich mich mit Andern den Körper tausche.
Die Erfahrung bestünde einfach in dem, was man als eine sprunghafte Aende-
rung meines Körpers und seiner Umgebung beschreiben würde. Ich würde ein-
mal
 
 
die Körper A, B, C, D von E aus, und E von den Au-
gen dieses Körpers sehen, und plötzlich etwa C, D, E, A
von B aus und aus B aus dessen Augen; etc.. Noch einfa-
cher aber wird die Sache, wenn ich alle Körper – meinen,
sowie die fremden – überhaupt nicht aus Augen sehe, und sie also, was ihre
visuelle Erscheinung betrifft, alle auf gleicher Stufe stehen. Dann ist es
klar, was es heisst, dass ich im Zahn des Andern Schmerzen haben kann; –
wenn ich dann überhaupt noch bei der Bezeichnung bleiben will, die einen
Körper “meinen” nennt und also einen anderen den “eines Andern”. Denn
es ist nun vielleicht praktischer, die Körper einfach // nur// mit Eigen-
namen zu bezeichnen. – Es gibt also jetzt eine Erfahrung, <:> die, der Schmer-
zen in einem Zahn eines der existierenden menschlichen Körpers; das ist
nicht die, die ich in der gewöhnlichen Ausdrucksweise mit den Worten “A hat
Zahnschmerzen” beschriebe, sondern mit den Worten “ich habe in einem Zahn
des A Schmerzen”. Und es gibt die andere Erfahrung: einen Körper, sei es
meiner oder ein andrer, sich winden zu sehen. Denn, vergessen wir nicht:
Die Schmerzen haben zwar einen Ort im Raum, sofern man z.B. sagen kann, sie
wandern, oder seien an zwei Orten zugleich, etc.: aber ihr Raum ist nicht
der visuelle oder physikalische. – Und nun haben wir zwar eine neue Aus-
516
drucksweise, sie ist aber nicht mehr asymmetrisch. Sie bevorzugt nicht
einen Körper, einen Menschen zum Nachteil des andern, ist also
nicht solipsistich. – So ist alles //alle Erfahrung// ohne Ansehen
der Person verteilt. Aber wir teilen anders. Es wer-
den die Dinge in unsrer Betrachtungsweise anders zusammengefasst. Wie
wenn man einmal die Zeit zum Raum rechnet und einmal nicht, oder wie wenn
man einen Wald als Holzblock mit Löchern ansähe. Oder die Bahn des Mondes
in die Sonne einmal als Kreisbahn um die Erde, die sich verschiebt, – ein
andermal als Wellenlinie, die um die Sonne läuft. (Wäre die Erde etwa
nicht sichtbar, so könnte es eine merkwürdige neue Betrachtungsweise/sein,
die Wellenbewegung des Mondes um die Sonne als Kreisbahn um einen krei-
senden Körper //um ein kreisendes Zentrum// aufzufassen.) Man könnte
auf diese Weise gewisse Vorurteile zerstören, die auf die besondere uns
geläufige Betrachtungsart aufgebaut wären. – Sehr klar wird der Charakter
der anderen Betrachtungsweise, wenn man an die analoge Verschiebung //Ver-
änderung// der Grenzen durch die Einführung des Begriffs der Gedächtnis-
zeit denkt. Es ist ganz ähnlich der veränderten Betrachtung der Mondbewe-
gung. Eine Grenze, die früher mit anderen in der Zeichnung zusammenlief,
wird plötzlich stark ausgezogen und hervorgehoben. ‒ ‒ ‒
517
     




105
Gedächtniszeit.
     






  “Ist die Zeit, in der die Erlebnisse des Gesichtsraums vor sich gehen,
ohne Tonerlebnisse denkbar? Es scheint, ja. Und doch, wie seltsam, dass et-
was eine Form sollte haben können, die auch ohne eben diesen Inhalt
denkbar wäre. Oder lernt der, dem das Gehör geschenkt würde, damit auch
eine neue Zeit kennen?”
     Die hergebrachten Fragen taugen zur logischen Untersuchung der Phänomene
nicht. Diese schaffen sich ihre eigenen Fragen, oder vielmehr, geben ihre
eigenen Antworten.
     Die Zeit ist ja nicht ein Zeitraum, son-
dern eine Ordnung
.
     

     Denn “die Zeit” hat eine andere Bedeutung, wenn wir das Gedächtnis als
die Quelle der Zeit auffassen und wenn wir es als ein aufbewahrtes Bild des
vergangenen Ereignisses auffassen.
     Wenn wir das Gedächtnis als ein Bild auffassen, dann ist es ein Bild ei-
nes physikalischen Ereignisses. Das Bild verblasst und ich merke sein Ver-
518
blassen wenn ich es mit andern Zeugnissen des Vergangenen vergleiche.
Hier ist das Gedächtnis nicht die Quelle dern Zeit, sondern mehr oder we-
niger gute Aufbewahrerin dessen, was “wirklich” gewesen ist, und dieses
war eben etwas, wovon wir auch andere Kunde haben können, ein physikali-
sches Ereignis. – Ganz anders ist es, wenn wir nun das Gedächtnis als
Quelle der Zeit betrachten. Es ist hier kein Bild und kann auch nicht
verblassen – in dem Sinne, wie ein Bild verblasst, sodass es seinen Gegen-
stand immer weniger [t|g]etreu darstellt. Beide Ausdrucksweisen sind in Ord-
nung und gleichberechtigt, aber nicht miteinander vermischbar. Es ist ja
klar, dass die Ausdrucksweise vom Gedächtnis als einem Bild, nur ein Bild
ist; genau so, wie die Ausdrucksweise, die die Vorstellungen “Bilder der
Gegenstände in unserem Geiste” (oder dergleichen) nennt. Was ein Bild ist,
das wissen wir, aber die Vorstellungen sind doch gar keine Bilder, denn
sonst kann ich das Bild sehen und den Gegenstand, dessen Bild es ist, aber
hier ist es offenbar ganz anders. Wir haben eben ein Gleichnis gebraucht
und nun tyrannisiert uns das Gleichnis. In der Sprache dieses Gleichnis-
ses kann ich mich nicht ausserhalb des Gleichnisses bewegen. Es muss zu
Unsinn führen, wenn man mit der Sprache dieses Gleichnis über das Gedächt-
nis als Quelle unserer Erkenntnis, als Verifikation unserer Sätze, nreden
will. Man kann ˇvon gegenwärtigen, vergangenen und zukünftigen Ereignissen in
der physikalischen Welt reden, aber nicht von gegenwärtigen, vergangenen
und zukünftigen Ereignissen in Vorstellungen, wenn man als Vorstellung
nicht doch wieder eine Art physikalischen Gegenstand (etwa jetzt ein <…>
physikalisches Bild, statt des Körpers) bezeichnet; sondern gerade eben
das gegenwärtige. Man kann also den Zeitbegriff, d.h. die Regeln der
Syntax, wie sie von den physikalischen Substantiven gelten, nicht in der
Welt der Vorstellung anwenden, d.h. nicht dort, wo man sich einer radikal
anderen Ausdrucksweise bedient.

519
     
     Kann ich sagen, das Drama hat seine eigene Zeit, die nicht ein Ab-
schnitt der historischen Zeit ist. D.h., ich kann in ihm von früher und
später reden, aber die Frage hat keinen Sinn, ob die Ereig-
nisse, etwa, vor oder nach Cäsars Tod geschehen sind.
     

     Das Gleichnis vom Fluss // Fliessen// der Zeit ist natürlich irre-
führend und muss uns, wenn wir daran festhalten, in Verlegenheiten füh-
ren
// landen//.
     

     Was Edington über ‘die Richtung der Zeit’ und den Enthropiesatz sagt,
läuft darauf hinaus, dass die Zeit ihre Richtung umkehren würde, wenn
die Menschen eines Tages anfingen rückwärts zu gehen. Wenn man will,
kann man das freilich so nennen: man muss dann nur darüber klar sein,
dass man damit nichts anderes sagt, als dass die Menschen ihre Gehrich-
tung geändert haben.
     

     Die meisten Rätsel, die uns das Wesen der Zeit aufzugeben scheint, kann
man durch die Betrachtung einer Analogie verstehen, die in einer oder der
andern Form den verschiedenen falschen Auffassungen zu Grunde liegt: Es
ist der Vorgang, im Projektionsapparat, durch welchen der Film läuft ei-
nerseits, und auf der Leinwand anderseits.
     Wenn man sagt, die Zukunft sei bereits präformiert, so heisst das of-
fenbar: die Bilder des Filmstreifens, welche den zukünftigen Vorgängen
auf der Leinwand entsprechen, sind bereits vorhanden. Aber für das, was
ich in einer Stunde tun werde, gibt es ja keine solchen Bilder, und wenn
es sie gibt, so dürfen wir wieder nicht die Bilder auf dem Zukunftsteil
des Filmstreifens mit den zukünftigen Ereignissen auf der Leinwand ver-
wechseln. Nur von jenen können wir sagen, dass sie präformiert sind, d.h.
jetzt schon existieren. Und bedenken wir, dass sie präformiert sind, der
520
Zusammenhang der Ereignisse auf der Leinwand mit dem, was die Filmbilder
zeigen ein empirischer ist; wir können aus ihnen kein Ereignis auf der
Leinwand prophezeien, sondern nur hypothetisch vorhersagen. Auch – und
hier liegt eine andere Quelle des Missverständnisses – können wir nicht
sagen “es ist jetzt der Fall, dass dieses Ereignis in einer Stunde ein-
treten wird” oder “es ist um 5 Uhr der Fall, dass ich um 7 Uhr spazieren-
gehen werde.”
     

     ““Wenn die Erinnerung kein Sehen in die Vergangenheit ist, wie wissen
wir denn überhaupt, dass sie mit Beziehung auf die Vergangenheit zu deu-
ten ist? Wir könnten uns dann einer Begebenheit erinnern und zweifeln, ob
wir in unsern Erinnerungsbild ein Bild der Vergangenheit oder der Zukunft
haben.
     Ich kann natürlich sagen: ich sehe nicht die Vergangenheit, sondern
nur ein Bild der Vergangenheit. Aber woher weiss ich, dass es ein
Bild der Vergangenheit ist, wenn dies nicht im Wesen des
Erinnerungsbildes liegt. Haben wir etwa durch die Erfahrung gelernt, die-
se Bilder als Bilder der Vergangenheit zu deuten? Aber was hiesse hier
überhaupt “Vergangenheit”?””
     Die Daten unseres Gedächtnisses sind geordnet; diese Ordnung nennen
wir Gedächtniszeit, im Gegensatz zur physikalischen Zeit, der Ordnung der
Ereignisse in der physikalischen Welt. Gegen den Ausdruck “Sehen in die
Vergangenheit” sträubt sich unser Gefühl mit Recht; denn es ?–gibt uns ein
Bild davon–? //denn es ruft das Bild hervor//, dass Einer einen Vorgang
in der physikalischen Welt sieht, der jetzt gar nicht geschieht, sondern
schon vorüber ist. Und die Vorgänge, welche wir “Vorgänge in der physika-
lischen Welt”, und die, welche wir “Vorgänge in unserer Erinnerung” nen-
nen, sind einander wirklich nur zugeordnet. Denn wir reden von einem Fehl-
erinnern und das Gedächtnis ist nur eines von den Kriterien dafür,
521
dass etwas in der physikalischen Welt geschehen ist.
     

     Die Erinnerungszeit unterscheidet sich unter anderen dadurch von der
physikalischen, dass sie ein Halbstrahl ist, dessen Endpunkt //Anfangs-
punkt// die Gegenwart ist. Der Unterschied zwischen Erinnerungszeit und
physikalischer Zeit ist natürlich ein logischer. D.h., : die beiden Ord-
nungen könnten sehr wohl mit ganz verschiedenen Namen bezeichnet werden
und man nennt sie nur beide “Zeit”, weil eine gewisse grammatische Ver-
wandtschaft besteht, ganz wie zwischen Kardinal- und Rationalzahlen; Ge-
sichtsraum, Tastraum und physikalischen Raum; Farbtönen und Klangfarben,
etc., etc..
     

     Gedächtniszeit. Sie ist (wie der Gesichtsraum) nicht ein Teil der
grossen Zeit, sondern die spez[p|i]fische Ordnung der Ereignisse oder Situa-
tionen im Gedächtnis //in der Erinnerung//. In dieser Zeit gibt es z.B.
keine Zukunft, Gesichtsraum und physikalischer Raum, Gedächtniszeit und
physikalische Zeit, verhalten sich zueinander nicht wie ein Stück der
Kardinalzahlenreihe zum Gesetz dieser Reihe (“der //zur// ganzen Zah-
lenreihe”), sondern, wie das System der Kardinalzahlen zu dem, der ratio-
nalen Zahlen. Und dieses Verhältnis erklärt auch den Sinn der Meinung,
dass der eine Raum den andern einschliesst, enthält.
     

     Messung des Raumes und des räumlichen Gegenstandes. Das Seltsame am
leeren Raum und an der leeren Zeit. Die Zeit (und der Raum) ein ätheri-
scher Stoff. Von Substantiven verleitet, glauben wir an eine Substanz
//…verleitet, nehmen wir eine Substanz an//. ?Ja, wenn wir der Sprache
die Zügel überlassen und nicht dem Leben, dann entstehen die philosophi-
schen Probleme.
     “Was ist die Zeit?” – schon in der Frage liegt der Irrtum: als wäre
522
die Frage: woraus, aus welchem Stoff, ist die Zeit gemacht. Wie man etwa
sagt, woraus ist dieses feine Kleid gemacht.
     

     Die alles gleichmachende Gewalt der Sprache, die sich am krasse-
sten im Wörterbuch zeigt, und die es möglich macht, dass die Zeit per-
sonifiziert werden konnte; was nicht weniger merkwürdig ist, als es wäre,
wenn wir Gottheiten der logischen Konstanten hätten.
523
     




106
“Hier” und “Jetzt”.
     






     In gewissem Sinne ist die Bedeutung der Wörter “hier”, “jetzt” (etc.)
die einzige, die ich nicht von vornherein festlegen kann. Aber das ist
natürlich irreführend ausgedrückt: Die Bedeutung ist festzulegen und
festgelegt, wenn die Regeln bezüglich dieser Worte festgelegt sind, und
das kann geschehen, ehe die sie in einem bestimmten Fall angewandt werden;
denn wozu auch sonst ein Wort in verschiedenen Fällen gebrauchen.
     

     Die Wörter “hier”, “jetzt”, etc. bezeichnen den Ursprung // Anfangs-
punkt// eines Koordinatensystems: Wie der Buchstabe “O”, aber sie be-
schreiben nicht seine Lage gegenüber den? Gegenständen im Raum. //…sie
stehen nicht für Beschreibungen der Lage des Punktes O im Verhältnis zu
räumlichen Gegenständen. Sie stehen nicht f[o|ü]r die Beschreibung einer räum-
lichen Situation.//
     

     Unterschied zwischen Sage und Märchen, Märchen (und andere Dichtungen)
vom Jetzt und Hier abgeschnitten.

524
     

     Es ist aber ein wichtiger Satz in der Grammatik des Wortes “hier”,
dass es keinen Sinn hat, “hier” zu schreiben, wo eine Ortsangabe stehen
soll; dass ich also auf einen Gegenstand kein Täfelchen befestigen soll,
mit der Aufschrift “Dieser Gegenstand ist immer nur hier zu benützen”.
     

     Ich kann natürlich in Bezug auf die Wörter “jetzt” und “hier” etc. nur
tun, was ich sonst tue, nämlich ihren Gebrauch beschreiben. Und //Aber//
diese Beschreibung muss allgemein sein, d.h. im Vorhinein, vor jedem
Gebrauch.
     

     Hier und Jetzt sind geometrische Begriffe, wie etwa der Mittelpunkt
meines Gesichtsfeldes.
     

     Hier und Jetzt haben nicht eine grössere Multiplizität, als sie zu ha-
ben scheinen. Das anzunehmen ist die grosse Gefahr. Ersetze sie, durch
welchen Ausdruck Du willst, immer ist es nur ein Wort – und daher eins
so gut wie das andere.
     

     Das, was “particular” ist, ist das Ereignis. Das Ereignis, das durch
die Worte beschrieben wird, “heute hat es geregnet” und am nächsten Tag
durch “gestern hat es geregnet”.
     

     Was ist denn die “gegenwärtige Situation”? Nun, dass das und das der
Fall ist. Nicht: “dassd das und das jetzt der Fall ist”.
     

     “Jetzt” ist ein Wort. Wozu brauche ich dieses Wort? ‘Jetzt’ – im Gegen-
satz wozu? – Im Gegensatz zu ‘in einer Stunde’, ‘vor 5 Minuten’, etc. etc.
     “Jetzt” bezeichnet kein System, sondern gehört zu einem System. Es
wirkt nicht magisch; wie auch sonst kein Wort.
525
     
     Wenn die Sprache sich mit dem Gelde vergleichen lässt, an dem an und
für sich nichts liegt, sondern das nur indirekt von Bedeutung ist, weil
man damit // mit ihm// Gegenstände kaufen kann, die für uns Bedeutung
haben; so kann man sagen //so möchte man vielleicht sagen//, dass hier
beim Gebrauch der Wörter “ich”, “hier”, “jetzt” etc. der Tauschhan-
del in den Geldhandel eintritt. (?)
     

     Wenn ich sage “ich gehe jetzt dorthin”, so kommt in dem Symbol manches
vor, was in dem Zeichen allein nicht liegt. Der Satz, wenn ich ihn etwa
von unbekannter Hand geschrieben, irgendwo vorfinde, sagt gar nichts; das
Wort “ich”, das Wort “jetzt” und “dorthin” sind allein ohne die Gegenwart
der sprechenden Person, der gegenwärtigen Situation und der im Raumg ge-
zeigten Richtung bedeutungslos.
     

     “Jetzt”, “früher”, “hier”, “dort”, “ich”, “Du”, “dieses”, sind solche
Wörter zur Anknüpfung an die Wirklichkeit.
     “Aber die Wirklichkeit, die solcherart zum Symbol gehört, fällt unter
die Herrschaft der Grammatik”.
     

     Nun könnte man fragen: Gehört die Windrose noch zum Plan? Oder viel-
mehr; gehört die Regel, nach der die Windrose angewandt wird, noch zum
Plan? Und es ist klar, dass ich diese Regel durch eine andere Orientie-
rungsregel ersetzen kann, in der von der Windrose nicht die Rede ist, son-
dern statt dessen etwa von einem Weg auf dem Plan und was ihm k in der Ge-
gend entspricht.
     

     Wenn (in einem Satz “ich will, dass Du dorthin gehst”) der Sprechende,
der Angesprochene und der Pfeil der die Richtung weist, zum Symbolismus
gehören, so spielen sie in ihm jedenfalls eine ganz andere Rolle, als die
526
Wörter.
     

     Wenn aber die Grammatik den ganzen Symbolismus umfassen soll, wie zeigt
sich in ihr die Ergänzungsbedürftigkeit der Wörter “ich”, “Du”, “dieses”,
etc. durch Gegenstände der Realität?
     

     Denn, dass jener Satz ohne eine solche Ergänzung nichts sagt, muss die
Grammatik sagen. Wenn sie das vollständige Geschäftsbuch der
Sprache sein soll (wie ich es meine).
     

     Ich will immer zeigen, dass alles was in // an// der Logik “business”
ist, in der Grammatik gesagt werden muss.
     Wie etwa der Fortgang eines Geschäftes aus den Geschäftsbüchern ?–muss
vollständig herausgelesen werden können–?. Sodass man, auf die Geschäftsbü-
cher deutend, muss sagen können: Hier! hier muss sich alles zeigen; und
was sich hier nicht zeigt, gilt nicht. Denn am Ende muss sich hier alles
Wesentliche abspielen.
     Alles wirklich Geschäftliche – heisst das – muss sich in der Grammatik
abwickeln.
     

     Wie erklärt die Grammatik das Wort “jetzt”? Doch wohl durch die Regeln,
die sie für seinen Gebr[q|a]uch angibt. Das Gleiche gi für das Wort “ich”.
     

     Ich könnte mir denken, dass Einer, um das Wort “jetzt” zu erklären, auf
den gegenwärtigen Stand der Zeiger einer Uhr zeigt //gegenwärtigen Zei-
gerstand einer Uhr zeigt//. Sowie er zur Erklärung des Ausdrucks “in fünf
Minuten” auf die Ziffern der Uhr zeigen kann, wo der Zeiger sich in fünf
Minuten befinden wird.
     Es ist klar, dass dadurch nur die Uhr in unsere Zeichensprache einbezo-
gen wird.
527
     
     Das Wort “jetzt” wirkt gleichsam als Schlag eines Zeitmessers. Es gibt
durch sein Ertönen eine Zeit an. Man kann es ja auch wirklich durch ein
anderes Zeitzeichen ersetzen. Wenn man z.B. sagt: tu das, wenn ich in die
Hände klatsche. Das Klatschen ist dann ein Zeitzeichen, wie der Pfeil ein
Richtungszeichen ist, wenn ich sage “gehe dorthin”.
     

     Wenn mir z.B. die Rede, die ein Anderer gestern gesprochen hat, mitge-
teilt wird: “es geschieht heute das und das”, so muss ich verstehen, dass
der Satz, wenn ich ihn höre, nicht so verifiziert werden kann, wie er zu
verifizieren war, als er ursprünglich ausgesprochen wurde. Die Grammatik
sagt mir: wenn ich gestern sagte “heute geschieht es”, so heisst das so-
viel, wie wenn ich heute sage “gestern ist es geschehen”.
     

     Wenn man nun sagt “dieser Mensch heisst N”, so muss uns die Grammatik
sagen, dass diese Wortfolge keinen Sinn hat, wenn sie nicht durch ein
Hinweisen ergänzt wird.

























528
     





107
Farbe, Erfahrung, etc. als formale Begriffe.
     






     Man überlege: welchen Grund hat man, ein neues Phänomen Farbe
zu nennen, wenn es sich nicht in unser bisheriges Farbenschema einfügt.
     

     Erfahrung ist nicht etwas, das man durch Bestimmungen von einem An-
dren abgrenzen kann, was nicht Erfahrung ist; sondern eine logische
Form.
     

     Die Erfahrung (Der Begriff der Erfahrung) scheint (uns?) von völli-
gen Dunkel begrenzt.
     Aber auch Schwarz ist //wäre// eine Farbe, und wenn eine Farbe ge-
gen Schwarz abgegrenzt ist, so durch eine Farbgrenze, wie jede andre.
     

     Unmittelbare Erfahrung (Sinnes-Datum) ist entweder ein Begriff von
trivialer Abgrenzung oder eine Form.





529
     




Grundlagen der Mathematik.








































530
     




108
Die Mathematik mit einem Spiel verglichen.
     






     Was spricht man der Mathematik ab wenn man sagt, sie sei nur ein Spiel
(oder: sie sei ein Spiel)?
     

     Ein Spiel, im Gegensatz wozu? – Was spricht man ihr zu, wenn man sagt,
ihre Sätze hatten Sinn? //Was spricht man ihr zu, wenn man sagt (sie sei
kein Spiel), ihre Sätze hätten Sinn? //
     

     Der Sinn ausserhalb des Satzes.
     Und was geht uns der an? Wo zeigt er sich und was können wir mit ihm
anfangen? (Auf die Frage “was ist der Sinn dieses Satzes?” antwortet ein
Satz. // kommt ein Satz zur Antwort. //
     (“Aber der mathematische Satz drückt doch? einen Gedanken aus” –
Wel-
chen Gedanken? –)
     

     Kann er durch einen anderen Satz ausgedrückt werden? oder nur durch
diesen Satz? – Oder überhaupt nicht? In diesem Falle geht er uns
nichts an.
531

     Will man durch die mathematischen Sätze von andern Gebilden, den Hypo-
thesen, etc. etwa unterscheiden? Daran tut man Recht, und dass dieser
Un-
terschied besteht, unterliegt ja keinem Zweifel.
     

     Will man sagen, die Mathematik werden gespielt, wie das Schach, oder
eine Patience und es gebe dabei ein Gewinnen oder Ausgehen // und es laufe
dabei auf ein Gewinnen oder Ausgehen hinaus,// so ist das offenbar unrichtig.
     

     Sagt man, dass die seelischen Vorgänge, die den Gebrauch der mathema-
tischen Symbole begleiten, andere sind, als die, die das Schachspielen be-
gleiten //Schachspiel begleiten//, so weiss ich darüber nichts zu sagen.
     

     Es gibt auch beim Schach einige Konfigurationen, die unmöglich sind, ob-
wohl jeder Stein in einer ihm erlaubten Stellung steht. (Z.B. wenn (Wenn z.B. die Anfangsstellung der Bauern intakt ist und ein Läufer schon auf dem Feld.)
Aber man könnte sich ein Spiel denken, in welchem worin die Anzahl der Züge vom
Anfang der Partie notiert würde, und dann gäbe es den Fall, dass nach n Zü-
gen diese Konfiguration nicht eintreten könnte und man es der Konfiguration
doch nicht ohneweiters ansehen kann, ob sie als n-te möglich ist, oder nicht.
     

     Die Handlungen im Spiel müssen den Handlungen im Rechnen entsprechen.
(Ich meine: darin muss die Entsprechung bestehen, oder, so müssen die bei-
den einander zugeordnet sein.)
     

     Handelt die Mathematik von Zeichen // Schriftzeichen//? Ebensowenig,
wie das Schachspiel von Holzfiguren handelt.
     Wenn wir von dem Sinn mathematischer Sätze reden, oder; wovon sie han-
deln, so gebrauchen wir ein falsches Bild. Es ist nämlich hier auch so, als
ob unwesentliche, willkürliche, Zeichen das Wesentliche – eben den Sinn –
miteinander gemein hätten //gemeinsam haben//.
532

     Weil die Grammatik ein Kalkül ist und daher wesentlich von nichts han-
delt, gibt es keine Metamathematik.
     

     Wie verhält sich die Schachaufgabe (das Schachproblem) zur Schachpar-
tie? – Denn, dass die Schachaufgabe der Rechenaufgabe entspricht, eine
Rechenaufgabe ist, ist klar.
     

     Ein arithmetisches Spiel wäre z.B. folgendes: Wir schreiben auf gut
Glück eine vierstellige Zahl hin, etwa 7368; dieser Zahl soll man sich
dadurch nähern, dass man die Zahlen 7, 3, 6 und 8 in irgendeiner Reihen-
folge miteinander multipliziert. Die Spielteilnehmer rechnen mit Bleistift
auf Papier, und wer in der geringsten Anzahl von Operationen der Zahl
7368 am nächsten kommt, hat gewonnen. (Uebrigens lassen sich eine Menge
der mathematischen Rätselfragen zu solchen Spielen umformen.)
     

     Angenommen, einem Menschen wäre Arithmetik nur zum Gebrauch in einem
ar[ti|it]hmetischen Spiel gelehrt worden. Hätte er etwas Anderes gelernt als
der, welcher Arithmetik zum normalen //gewöhnlichen// Gebrauch lernt?
Und wenn er nun im Spiel 21 mit 8 multipliziert und 168 erhält, tut er
etwas Andres, als der, welcher herausfinden wollte, wieviel 21 × 8 ist?
     

Man wird sagen: Der Eine wollte doch eine Wahrheit finden, während der
Andre nichts dergleichen wollte.
     

     Nun könnte man diesen Fall etwa mit dem des Tennisspiel vergleichen
wollen, in welchem der Spieler eine bestimmte Bewegung
424
533
macht, der Ball darauf in bestimmter Weise fliegt und man diesen Schlag nun
als Experiment auffassen kann, durch welches man eine bestimmte Wahrheit er-
fahren hat, oder aber auch als eine Spielhandlung, mit dem alleinigen Zweck,
das Spiel zu gewinnen.
           Dieser Vergleich würde aber nicht stimmen, denn wir sehen im
Schachzug kein Experiment (was wir übrigens auch könnten), sondern ei-
ne Handlung einer Rechnung.
     

                     Es könnte Einer vielleicht sagen: In dem arithmetischen
Spiel werden wir zwar multiplizieren
                                      , aber die Gleichung
21 × 8 = 168 wird nicht im Spiel vorkommen. Aber ist das nicht ein äusserli-
cher Unterschied? und warum sollen wir nicht auch so multiplizieren (und
gewiss dividieren), dass die Gleichung als solche angeschrieben wird?
     

                     Also kann man nur einwenden, dass in dem Spiel die
Gleichung kein Satz ist. Aber was heisst das? Wodurch wird sie dann zu ei-
nem Satz? Was muss noch dazu kommen, damit sie ein Satz wird? – Handelt es
sich nicht um die Anwendung // Verwendung// der Gleichung (oder der Multi-
plikation)? – Und Mathematik ist es wohl dann, wenn es zum Uebergang von
einem Satz zu einem andern verwendet wird. Und so wäre das unterscheidende
Merkmal zwischen Mathematik und Spiel mit dem Begriff des Satzes (nicht
‘mathematischen Satzes’) gekuppelt, und verliert damit für uns seine Aktuali-
tät.
     

                     Man könnte aber sagen, dass der eigentliche Unterschied
darin bestehe, dass für Bejahung und Verneinung im Spiel kein Platz sei. Es
425
534
wird da z.B. multipliziert und 21 × 8 = 148 wäre ein falscher Zug, aber
“ non(21 × 8 = 148)”, welches ein richtiger arithmetischer Satz ist, hätte
in unserm Spiel nichts zu suchen.
     

                     (Da mag man sich daran erinnern, dass in der Volks-
schule mit nie mit Ungleichungen gearbeitet wird, vom Kind nur die rich-
tige Ausführung der Multiplikation verlangt wird und nie – oder höchst
selten – die Konstatierung einer Ungleichung.)
     

                     Wenn ich in unserm Spiel 21 × 8 ausrechne, und wenn
ich es tue, um damit eine praktische Aufgabe zu lösen, so ist jedenfalls
die Handlung der Rechnung in beiden Fällen die Gleiche (und auch für Un-
gleichungen könnte in einem Spiele Platz geschaffen werden). Dagegen ist
mein übriges Verhalten zu der Rechnung jedenfalls in den zwei Fällen
verschieden.
          Die Frage ist nun: kann man von dem Menschen, der im Spiel die
Stellung “21 × 8 = 168” erhalten hat, sagen, er habe herausgefunden, dass
21 × 8 168 sei? Und was fehlt ihm dazu? Ich glaube, es fehlt nichts, es
sei denn eine Anwendung der Rechnung.
     

                     Die Arithmetik, ein Spiel zu nennen, ist ebenso
falsch, wie das Schieben von Schachfiguren (den Schachregeln gemäss)
ein Spiel zu nennen; denn es kann auch eine Rechnung sein.
     

                     Man müsste also sagen: Nein, das Wort “Arithmetik”
ist nicht der Name eines Spiels. (Das ist natürlich wieder eine Triviali-
tät.) – Aber die Bedeutung des Wortes “Arithmetik” kann erklärt werden
426
535
durch die Beziehung der Arithmetik zu einem arithmetischen Spiel, oder
auch durch die Beziehung der Schachaufgabe zum Schachspiel.
           Dabei aber ist es wesentlich, zu erkennen, dass die-
ses Verhältnis nicht das ist, einer Tennisaufgabe zum Tennisspiel.
           Mit “Tennisaufgabe” meine ich etwa die Aufgabe, einen Ball unter
gegebenen Umständen in bestimmter Richtung zurückzuwerfen. (Klarer wäre
der Fall, vielleicht?, einer Billardaufgabe.) Die Billardaufgabe ist keine
mathematische Aufgabe (obwohl zu ihrer Lösung Mathematik angewendet werden
kann[.|)]. Die Billardaufgabe ist eine physikalische Aufgabe und daher “Aufga-
be” im Sinne der Physik; die Schachaufgabe ist eine mathematische Aufgabe
und daher “Aufgabe” in einem andern (im mathematischen) Sinn.
     

                     In dem Kampf zwischen dem “Formalismus” und der “Iin-
haltlichen Mathematik”, – was behauptet denn jeder Teil? Dieser Streit ist
so ähnlich dem, zwischen Realismus und Idealismus! Darin z.B. Auch darin, dass er
bald obsolet (geworden?) sein wird und dass beide Parteien, entgegen ihrer
täglichen? Praxis, Ungerechtigkeiten? behaupten?.
     

                     Die Arithmetik ist kein Spiel, niemandem wäre es
eingefallen, unter den Spielen der Menschen die Arithmetik zu nennen.
     

                     Worin besteht denn das Gewinnen und Verlieren in einem
Spiel (oder das Ausgehen der Patience)? Natürlich nicht in der Konfigura-
tion // Situation // des Spiel//, die das Gewinnen – z.B. – hervor-
bringt. Wer gewinnt, muss durch eine eigene // besondere// Regel festge-
stellt werden. (<>Dame<> und <>Schlagdame<> sind nur durch diese Regel unterschie-
den.)

427
536
     
                     Konstatiert nun die Regel etwas, die sagt, “wer zuerst
seine Steine im Feld des Andern hat, hat</>gewonnen”? Wie liesse sich das
verifizieren? Wie weiss ich ob Einer gewonnen hat? Etwa daraus, dass er
sich freut?
           Diese Regel sagt doch wohl: Du musst versuchen, Deine Steine so
rasch als möglich etc..
           Die Regel in dieser Form bringt das Spiel schon mit dem Leben in
Zusammenhang. Und man könnte sich denken, dass in einer Volksschule, in
der das Schachspielen ein obligater Gegenstand // ein Lehrgegenstand//
wäre, die Reaktion des Lehrers auf das schlechte Spiel eines Schülers
dieselbe // genau dieselbe// wäre, wie die, auf eine falsch gerechnete
Rechenaufgabe.
     

                     Ich möchte beinahe sagen: Im Spiel gibt es (zwar) kein
“wahr” und “falsch”, dafür gibt es aber in der Arithmetik kein “Gewinnen”
und “Verlieren”.
     

                     Ich sagte einmal, es wäre denkbar, dass Kriege auf ei-
ner Art grossem Schachbrett nach den Regeln des Schachspiels ausgefochten
würden. Aber: Wenn es wirklich bloss nach den Regeln des Schachspiels
ginge, dann brauchte man eben kein Schlachtfeld für diesen Krieg, sondern
er könnte auf einem gewöhnlichen Brett gespielt werden. Und dann wäre es
(eben?) im gewöhnlichen //normalen // Sinne kein Krieg. Aber man könnte
sich ja auch eine Schlacht von den Regeln des Schachspiels geleitet den-
ken. Etwa so, dass der “Läufer” mit der “Dame” nur kämpfen dürfte, wenn
seine Stellung zu ihr es ihm im Schachspiel erlaubte, sie zu “nehmen”.
     

                     Könnte man sich eine Schachpartie gespielt denken, d.h.,
537
sämtliche Spielhandlungen ausgeführt denken, aber in einer an-
dern Umgebung
, so dass dieser Vorgang uns nicht die Partie
eines Spiels genannt würde //genannt werden könnte//?
     Gewiss, es könnte sich ja um eine Aufgabe handeln, die die
Beiden miteinander lösen. (Und einen Fall für die Nützlichkeit einer sol-
chen Aufgabe kann man sich ja nach dem Oberen leicht konstruieren.)
     

     Die Regel über das Gewinnen und Verlieren unterscheidet eigentlich nur
zwei Pole. Welche Bewandtnis es (dann?) mit dem hat, der gewinnt (oder
verliert), geht sie eigentlich nichts an. Ob z.B. der Verlierende dann et-
was zu zahlen hat.
     (Und ähnlich, kommt es uns ja vor, verhält es sich mit dem “richtig”
und “falsch” im Rechnen.)
     

     In der Logik geschieht immer wieder, was in dem Streit über das Wesen
der Definition geschehen ist. Wenn man sagt, die Definition habe es nur
mit Zeichen zu tun und ersetze bloss ein kompliziertes Zeichen durch ein
einfacheres //ein Zeichen durch ein anderes//, so wehren sich die Men-
schen dagegen und sagen, die Definition leiste nicht nur das, oder es
gebe eben verschiedene Arten von Definitionen //der Definition// und
die interessante und wichtige sei nicht die (reine) “Verbaldefinition”.
     Sie glaube nämlich, man nehme der Definition ihre Bedeutung, Wichtig-
keit, wenn man sie als blosse Ersetzungsregel, die von Zeichen handelt,
hinstellt. Während die Bedeutung der Definition in ihrer Anwen-
dung liegt, quasi in ihrer Lebenswichtigkeit. Und eben das geht (heute)
in dem Streit zwischen Formalismus, Intuitionismus, etc. vor sich. Es ist
den Leuten? unmöglich, die Wichtigkeit einer Sache //HandlungTatsache//, ihre
Konsequenzen, ihre Anwendung, von ihr selbst zu unterscheiden; die Be-
schreibung einer Sache von der Beschreibung ihrer Wichtigkeit.
538

     Immer wieder hören wir (so?), dass der Mathematiker mit dem Instinkt ar-
beitet (oder etwa, dass er nicht mechanisch nach der Art eines Schachspie-
lers vorgehe), aber wir erfahren nicht, was das mit dem Wesen der Mathema-
tik zu tun haben soll. Und wenn ein solches psychisches Phänomen in der
Mathematik eine Rolle spielt, wie weit wir überhaupt exakt über die Mathe-
matik reden können, und wie weit nur mit der Art der Unbestimmtheit, mit
der wir über Instinkte, etc. reden müssen.
     

     Immer wieder möchte ich sagen: Ich kontrolliere die Geschäfts-
bücher
der Mathematiker; die seelischen Vorgänge in den Inhabern?, so
wichtig sie sind, kümmern mich nicht. //… die seelischen Vorgänge, Freu-
den, Depressionen, Instinkte, der Geschäftsleute?, so wichtig sie in andrer
Beziehung sind, kümmern mich nicht.//
539
     



109

                         Es gibt keine Metamathematik.
     







     Kein Kalkül kann ein philosophisches Problem entscheiden.
     Der Kalkül kann uns nicht prinzipielle Aufschlüsse über die Mathematik
geben.
     

     Es kann daher //darum// auch keine “führenden Probleme” der mathe-
matischen Logik geben, denn das wären solche, deren Lösung uns endlich
berechtigen würde //das Recht geben würde// Arithmetik zu treiben, wie
wir es tun.
     

     Und dazu können wir nicht auf dem Glücksfall der Lösung eines mathema-
tischen Problems warten.
     

     Ich sagte oben “Kalkül ist kein mathematischer Begriff”ö; das heisst,
das Wort ‘Kalkül’ ist kein Schachstein der Mathematik.
     Es brauchte in der Mathematik nicht vorzukommen. – Und wenn es doch
in einem Kalkül gebraucht wird, so ist dieser nun kein Metakalkül. Viel-
mehr ist dann dieses Wort wieder nur ein Schachstein wie alle andern.
540

     Auch die Logik ist keine Metamathematik, d.h. auch Operationen des lo-
gischen Kalküls // das Arbeiten mit dem logischen Kalkül // können //kann//
keine wesentlichen Wahrheiten über die Mathematik zu Tage fördern.
Siehe hierzu das “Entscheidungsproblem” und ähnliches in der modernen ma-
thematischen Logik.
     

/     Durch Russell, aber besonders durch Whitehead, ist in die Philosophie
eine Pseudoexaktheit gekommen, die die schlimmste Feindin wirklicher Exakt-
heit ist. Am Grunde liegt hier der Irrtum, ein Kalkül könne die metamathe-
matische Grundlage der Mathematik sein. /
     

     Die Zahl ist durchaus kein “grundlegender mathematischer Begriff”. Es
gibt so viele Kalküle // Rechnungen//, in denen von Zahlen nicht die Rede
ist.
     Und was die Arithmetik betrifft, so ist es mehr oder weniger willkür-
lich, was wir noch Zahlen nennen wollen. Und im Uebrigen ist der Kalkül –
t.B. – der Kardinalzahlen zu beschreiben, d.h. seine Regeln sind anzuge-
ben, und damit sind die Grundlagen der Arithmetik gegeben. //und damit ist die der Arithmetik begründet. der Grund gelegt.//
     

     Lehre sie uns, dann hast Du sie begründet.
     

/     Hilbert stellt Regeln eines bestimmten Kalküls als Regeln einer //der//
Metamathematik auf. /
     

     Es ist ein Unterschied, ob ein System auf ersten Prinzipien ruht,
oder ob es bloss von ihnen ausgehend entwickelt wird. Es ist ein Unter-
schied, ob es, wie ein Haus, auf seinen untersten Mauern ruht oder ob es,
wie etwa ein Himmelskörper, im Raum frei schwebt und wir bloss unten zu
541
bauen angefangen haben, obwohl wir es auch es auch irgendwo anders hätten tun kön-
nen.
     

     Die Logik und die Mathematik ruht nicht auf Axiomen; so wenig ei-
ne Gruppe auf den sie definierenden Elementen und Operationen ruht. Hierin
liegt der Fehler
, das Einleuchten, die Evidenz, der Grundgesetze als Kri-
terium der Richtigkeit in der Logik zu betrachten.
     Ein Fundament, das auf nichts steht, ist ein schlechtes Fundament.
     

      (p & q) V (p & non-q) V (non-p & q) V (non-p & non-q): Das wird meine Tau-
tologie, und ich würde dann nur sagen, dass sich jeder “Satz jedes Gesetz der Logik”
nach bestimmten Regeln auf diese Form bringen lässt. Das heisst aber das-
selbe, wie als: sich von ihr ableiten lässt; und hier wären wir bei der
Russell'schen Art der Demonstration angelangt und alles, was wir dazuset-
zen ist nur, dass diese Ausgangsform selber kein selbständiger Satz ist
und dass dieses und alle anderen “Gesetze der Logik” die Eigenschaft ha-
ben p & Log = p, p V Log = Log.
     

     Das Wesen des “logischen Gesetzes” ist es ja, dass es im Produkt mit
irgendeinem Satz diesen Satz ergibt. Und man könnte den Kalkül Russells
auch mit Erklärungen beginnen von der Art:
pCp . & . q = q
p . & . p V q = p etc.

542
     

110
Beweis der Relevanz
     

     Wenn man die Lösbarkeit beweist, so muss in diesem Beweis irgendiwe der
Begriff ‘Lösung’ vorhanden sein. (In dem Mechanismus des Beweises muss ir-
gend etwas diesem Begriff entsprechen.) Aber dieser Begriff ist nicht durch
eine äussere Beschreibung zu repräsentieren, sondern nun wirklich darzu-
stellen.
     

     Der Beweis der Beweisbarkeit eines Satzes wäre der Beweis des Satzes
selbst. Dagegen gibt es etwas, was wir den Beweis der Relevanz nennen könn-
ten. Das wäre z.B. der Beweis, der mich davon überzeugt, dass ich die Glei-
chung 17 × 38 = 456 nachprüfen kann, noch ehe ich es getan habe.
Woran erkenne ich nun, dass ich 17 × 38 = 456 überprüfen kann, während
ich das beim Anblick eines Integralausdrucks vielleicht nicht weiss? Ich
erkenne offenbar, dass er nach einer be[w|s]timmten Regel gebaut ist und auch,
wie die Regel //Vorschrift// zur Lösung der Aufgabe an dieser Bauart des
Satzes haftet. Der Beweis der Relevanz ist dann etwa eine Darstellung der
allgemeinen Form der Lösungsmethode, etwa der Multiplikationsaufgaben,
die die allgemeine Form der Sätze erkennen lässt, deren Kontrolle sie mög-
lich macht. Ich kann dann sagen, ich erkenne, dass diese Methode auch die-
se Gleichung nachprüft, obwohl ich die Nachprüfung noch nicht vollzogen
habe.
     

     Wenn von Beweisen der Relevanz (und ähnlichen Dingen der Mathematik)
geredet wird, so geschieht es immer, als hätten wir, abge-
674
543
sehen von den einzelnen Operationsreihen, die wir Beweise der Relevanz nen-
nen, noch einen ganz scharfen umfassenden Begriff so eines Beweises oder
überhaupt eines mathematischen Beweises. Während in Wirklichkeit dieses Wort
wieder in vielen, mehr oder weniger verwandten, Bedeutungen angewandt wird.
(Wie etwa die Wörter “Volk”, “König”, “Religion”, etc.; siehe Spengler.)
Denken wir nur an die Rolle, die in //bei // der Erklärung so eines Wortes
ein Beispiel spielt. Denn, wenn ich erklären will, was ich unter “Beweis”
verstehe, werde ich auf Beispiele von Beweisen zeigen müssen, wie ich bei
der Erklärung des Wortes “Apfel” auf Aepfel zeigen werde. Mit der Erklärung
des Wortes “Beweis” verhält es sich nun wie mit der des Wortes “Zahl”: ich
kann das Wort “Kardinalza[n|h]l” erklären, indem ich auf Beispiele von Kardinal-
zahlen weise, ja, ich kann geradezu für dieses Wort das Zeichen “1, 2, 3,
u.s.w. ad inf.” gebrauchen; ich kann anderseits das Wort “Zahl” erklären,
indem ich auf verschiedene Zahlenarten hinweise; aber dadurch werde ich den
Begriff “Zahl” nun nicht so scharf fassen, wie früher den der Kardinalzahl,
es sein denn, dass ich sagen will, dass nur diejenigen Gebilde, die wir heu-
te als Zahlen Bezeichnen, den Begriff “Zahl” konstituieren. Dann aber kann
man von keiner neuen Konstruktion sagen, sie sie die Konstruktion einer
Zahlenart. Das Wort “Beweis” aber wollen wir ja so [v|g]ebrauchen, dass es nicht
einfach durch eine Disjunktion gerade heute üblicher Beweise definiert wird,
sondern in Fällen //sondern wir wollen es in Fällen // gebrauchen, von de-
nen wir uns heute “noch gar keine Vorstellung machen können”. Soweit der
Begriff des Beweises scharf scharf gefasst ist, ist er es durch ein-
zelne Beweise, oder durch Reihen von Beweisen (den Zahlenreihen analog) und
das müssen wir bedenken, wenn wir uns anschicken, mit voller Exaktheit wir mit voller Exaktheit über
Beweise der Relevanz, der Widerspruchsfreiheit, etc. etc. zu reden. reden wollen.
     

                     Man kann sagen: Ein Beweis der Relevanz wird den
Kalkül des Satzes, auf den er sich bezieht, ändern. Einen Kalkül
675
544
mit diesem Satz rechtfertigen kann er nicht; in dem Sinn, in
welchem die Ausführung der Multiplikation 17 × 23 das Anschreiben der
Gleichung 17 × 23 = 391 rechtfertigt. Wir müssten nur dem Wort “rechtfer-
tigen” ausdrücklich jene Bedeutung geben. Dann darf man aber nicht glauben,
dass die Mathematik, ohne diese Rechtfertigung, in irgend einem allgemeine-
ren und allgemein feststehenden Sinne unerlaubt, oder mit einem Dolus be-
haftet sei. (Das wäre ähnlich, als wollte Einer sagen: “der Gebrauch des Wor-
tes ‘Steinhaufen’ ist im Grunde unerlaubt, ehe wir nicht offiziell festge-
legt haben, wieviel Steine einen Haufen machen”. Durch so eine Festlegung
würde der Gebrauch des Wortes “Haufen” modifiziert, aber nicht in irgend ei-
nem allgemein anerkannten Sinne ‘gerechtfertigt’. Und wenn eine solche offi-
zielle Definition gegeben würde // wäre//, so wäre dadurch nicht der Ge-
brauch, den man früher von dem Wort gemacht hat, als unrichtig //etwas Un-
richtiges
// gekennzeichnet.)
     

                     Der Beweis der Kontrollierbarkeit von 17 × 23 = 391
ist ‘Beweis’ in einem andern Sinne dieses Worts, als der, der Gleichung
selbst. (Der Müller mahlt, der Maler malt: beide …) Die Kontrollierbar-
keit der Gleichung ersehen // entnehmen// wir aus ihrem Beweis in analoger
Weise, wie die Kontrollierbarkeit des Satzes “die Punkte A und B sind nicht
durch eine Windung der Spirale getrennt” aus der Figur.
Und
man sieht auch schon, dass der Satz, der die Kontrollierbar-
keit aussagt, ‘Satz’ in einem andern Sinne ist, als der, des-
sen Kontrollierbarkeit behauptet wird. Und hier kann man wie-
der nur sagen: Sieh Dir den Beweis an, d dann wirst Du sehen, was hier
bewiesen wird, was “der bewiesene Satz” genannt wird.
     

                     Kann man sagen, dass wir zu jedem Schritt eines Be-
weises eine frische Intuition brauchen? (Individualität der Zahlen.) Es wäre
545
etwa so: Ist mir eine allgemeine (variable) Regel gegeben, so muss ich
immer von neuem erkennen, dass diese Regel auch hier angewendet wer-
den kann (dass sie auch für diesen Fall gilt). Kein Art der Voraus-
sicht kann mir diesen Akt der Einsicht ersparen. Denn tatsäch-
lich ist die Form, auf die die Regel angewandt wird, bei jedem neuen
Schritte eine neue. – Es handelt sich aber hier nicht um einen Akt der
Einsicht, sondern um einen Akt der Entscheidung.
     

     Der sogenannte Beweis der Relevanz steigt die Leiter zu seinem Satz
nicht hinaus, denn dazu muss man jede Stufe nehmen, sondern zeigt
nur, dass die Leiter in der Richtung zu jenem Satze führt. (In der Logik
gibt es kein Surrogat.) Es ist auch der Pfeil, der die Richtung weist,
kein Surrogat für das Durchschreiten aller Stufen bis zum bestimmten Ziel.
546
     




111
Beweis der Widerspruchsfreiheit
     






     Irgendetwas sagt mir: eigentlich dürfte ein Widerspruch in den Axiomen
eines Systems nicht schaden, als bis er offenbar wird. Man denkt sich
einen versteckten Widerspruch wie eine versteckte Krankheit, die schadet,
obwohl (und vielleicht [d|g]erade deshalb weil) sie sich uns nicht deutlich
zeigt. Zwei Spielregeln aber, die einander für einen bestimmten Fall wi-
dersprechen, sind vollkommen in Ordnung, bis dieser Fall eintritt und
dann ˇerst wird es nötig, durch eine weitere Regel zwischen ihnen zu entscheiden.
     

     Der Beweis der Widerspruchsfreiheit der Axiome, von dem die Mathemati-
ker heute soviel Aufhebens machen. Ich habe das Gefühl: wenn in den Axio-
men eines Systems ein Widerspruch wäre, so wäre das gar nicht so ein gros-
ses Unglück. Nichts leichter, als ihn zu beseitigen.
     

     “Man darf ein System von Axiomen nicht benützen, ehe seine Wider-
spruchsfreiheit nachgewiesen ist.”
     ”In den Spielregeln dürfen keine Widersprüche vorkommen”.
547
vorkommen”.
     Warum nicht? “Weil man dann nicht wüsste, wie man zu spielen hat”?
Aber wie kommt es, dass man auf den Widerspruch mit Zweifel rea-
giert?
     Auf den Widerspruch reagiert man überhaupt nicht. Man könnte nur sa-
gen: Wenn das wirklich so gemeint ist (wenn der Widerspruch hier stehen
soll, so versteh' ich es nicht. Oder: ich hab' es nicht gelernt. Ich
verstehe die Zeichen nicht. Ich habe nicht gelernt, was ich daraufhin tun
soll, ob es ü[v|b]erhaupt ein Befehl ist; etc..
     

     Wie wäre es etwa, wenn man in der Arithmetik zu den üblichen Axiomen
die Gleichung 2 × 2 = 5 hinzunehmen wollte? Das hiesse natürlich, dass
das Gleichheitszeichen nun seine Bedeutung geändert // gewechselt// hät-
te, d.h., dass nun andere Regeln für das Gleichheitszei[f|c]hen gälte.
     

     Wenn ich nun sagte: “also kann ich es nicht als Ersetzungszeichen ge-
brauchen; so hiesse das, dass seine Grammatik nun nicht mehr mit der des
Wortes “ersetzen”(“Ersetzungszeichen”, etc.) übereinstimmt. Denn das Wort
“kann” in diesem Satz deutet nicht auf eine physische (physiologische)
psychologische) Möglichkeit.
     

     Die Regeln dürfen einander nicht widersprechen”, das ist wie: “die
Negation darf nicht verdoppelt eine Negation ergeben”. Es liegt nämlich
in der Grammatik des Wortes “Regel”, dass “p & non-p” (wenn “p” eine Regel
ist) keine Regel ist. // …dass “p V non-p” keine Regel ist (wenn “p” eine
Regel ist).//
     

     Das heisst, man könnte also auch sagen: die Regeln können //dürfen //
einander widersprechen, wenn andre Regeln für das Wort //für den Gebrauch
548
des Wortes// “Regel” gelten – wenn das Wort “Regel” eine andere Bedeutung
hat.
     

     Wir können eben auch hier nicht begründen (ausser (etwa) biologisch
oder historisch) und <(>können) sondern nur beschreiben, wie das Wort “Regel” ge-
braucht wird. //…sondern nur die Uebereinstimmung oder? den Gegensatz
der Regeln für gewisse Wörter konstatieren, also sagen, dass diese Worte
mit? diesen Regeln gebraucht werden.//
     

     Es lässt sich nicht zeigen, beweisen, dass man gewisse //diese // Re-
geln als Regeln dieser Handlung gebrauchen kann.
     Ausser, indem man zeigt, dass die Grammatik der Bezeichnung // Beschrei-
bung
// der Handlung mit der jener Regeln übereinstimmt.
     

     “In den Regeln darf kein Widerspruch sein”, das klingt so, wie
eine Vorschrift: “in einer Uhr darf der Zeiger nicht locker auf seiner
Welle sitzen”. Man erwartet sich dann eine Begründung: weil sonst …
Im ersten Falle könnte diese Begründung aber nur lauten: weil es sonst kein Regelverzeichnis ist. Es ist eben wieder ein Fall der grammatischen
Struktur, die sich logisch nicht begründen lässt.
     

     Zum indirekten Beweis, dass eine Gerade über einen Punkt hinaus nur
eine Fortsetzung hat: Wir nahmen an, es könnte eine Gerade zwei Fort-
setzungen haben. – Wenn wir das annehmen, so muss diese Annahme einen
Sinn haben –. Was heisst es aber: das annehmen? Es heisst nicht, eine
naturgeschichtlich falsche Annahme machen machen, wie etwa die, dass
431
549
ein Löwe zwei Schwänze hätte. – Es heisst nicht, etwas annehmen, was
gegen die Konstatierung einer Tatsache spricht // verstösst//. Es
heisst vielmehr, eine Regel annehmen; und gegen die ist weiter nichts zu
sagen, ausser dass sie etwa einer anderen widerspricht und ich sie da-
rum fallen lasse.
           Wenn im Beweis nun eine Gerade gezeichnet wird, die sich ga-
belt, so darf das an und für sich nicht absurd sein, und ich kann nur
sagen: so etwas //das// nenne ich keine Gerade. //Wenn im Beweis nun
gezeichnet wird
 
 
, und das eine Gerade darstellen soll, die
sich gabelt, so ist darin nichts Absurdes (Widersprechendes), es sei
denn, dass wir eine Festsetzung getroffen haben, der es widerspricht.//
     

                     Wenn nachträglich ein Widerspruch gefunden wird,
so waren vorher die Regeln noch nicht klar und eindeutig. Der Wider-
spruch macht also nichts, denn er ist dann durch das Aussprechen einer
Regel zu entfernen.
     

                     In einem völlig geklärten System // mit klarer
Grammatik //In einem grammatisch geklärten System // gibt es keinen
versteckten Widerspruch, ?–denn da muss die Regel gegeben sein–?, nach wel-
cher ein Widerspruch zu finden ist. Versteckt kann der Widerspruch nur
in dem Sinn sein, dass er gleichsam im “Kraut-und-Rüben” in der Unordnung der Regeln, in
dem g ungeordneten Teil der Grammatik versteckt ist; ?–das aber macht
nichts–? // ?–dort aber macht er nichts–?//, da er durch ein Ordnen der Gram-
matik zu entfernen ist.
     

                     Warum dürfen sich Regeln nicht widersprechen? Weil
es sonst keine Regeln wären. /
550
     



112
Die Begründung der Arithmetik, in der diese auf ihre Anwendungen vor-
bereitet wird. (Russell, Ramsey.)
     





     Man empfindet immer eine Scheu, die Arithmetik zu begründen, indem man
etwas über ihre Anwendung ausspricht. Sie scheint fest genug in sich
selbst begründet zu sein. Und das kommt natürlich daher, dass die Arith-
metik ihre eigene Anwendung ist.
     

     Man könnte sagen: Wozu die Anwendung der Arithmetik einschränken, sie
sorgt für sich selbst. (Ich kann ein Messer herstellen ohne Rücksicht da-
rauf, welche Klasse von Stoffen ich damit werde schneiden lassen; das
wird sich dann schon zeigen.)
     Gegen die Abgrenzung des Anwendungsgebiets sprich[g|t] nämlich das Gefühl,
dass wir die Arithmetik verstehen können, ohne eine solches Gebiet im
Auge zu haben. Oder sagen wir so: Der Instinkt sträubt sich gegen alles,
was nicht bloss eine Analyse der schon vorhandenen Gedanken ist.
     

     Man könnte sagen: Die Arithmetik ist eine Art Geometrie; d.h., was in
der Geometrie die Konstruktionen auf dem Papier sind, sind in der Arith-
metik die Rechnungen (auf dem Papier). – Man könnte sagen, sie ist eine
551
allgemeinere Geometrie.
     

     Es handelt sich immer darum, ob und wie es möglich ist, die allgemein-
ste Form der Anwendung der Arithmetik darzustellen. Und hier ist eben das
Seltsame, dass das in gewissem Sinne nicht nötig zu sein scheint. Und
wenn es wirklich nicht nötig ist, dann ist es auch unmöglich.
     

     Es scheint nämlich die allgemeine Form ihrer Anwendung dadurch darge-
stellt zu sein, dass nichts über sie ausgesagt wird. (Und ist das
eine mögliche Darstellung, so ist es auch die einzig richtige.)
     

     Der Sinn der Bemerkung, dass die Arithmetik eine Art Geometrie sei, ist
eben, dass die arithmetischen Konstruktionen autonom sind, wie die geome-
trischen, und daher sozusagen ihre Anwendbarkeit selbst garantieren.
     Denn auch von der Geometrie muss man sagen können, sie sei ihre eigene
Anwendung.
     

     (In dem Sinne von möglichen und wirklich gezogenen Geraden könnten
//können// wir auch von möglichen und wirklich dargestellten Zahlen re-
den.)
     


     
 
 
Das ist eine arithmetische Konstruktion und in
etwas erweitertem Sinn auch eine geometrische.
     

     Angenommen, mit dieser Rechnung wollte ich folgende Aufgabe lösen: Wenn
ich 11 Aepfel habe und Leute mit je 3 Aepfeln beteilen will, wieviele Leu-
te kann ich beteilen? Die Rechnung liefert mir die Lösung e 3. Angenommen
nun, ich vollzöge alle Handlungen des Beteils un Beteilens und am Ende
hätten 4 Personen je 3 Aepfel in der Hand. Würde ich nun sagen, die Aus-
552
rechnung hat ein falsches Resultat ergeben? Natürlich nicht. Und das
heisst ja nur, dass die Ausrechnung kein Experiment war.
     Es könnte scheinen, als berechtigte uns die mathematische Ausrechnung
zu einer Vorhersagung, etwa, dass ich 3 Personen werde beteilen können
und 2 Aepfel übrigbleiben werden. So ist es aber nicht. Zu dieser Vorher-
sagung berechtigt uns eine physikalische Hypothese, die ausserhalb der
Rechnung steht. Die Rechnung ist nur eine Betrachtung der logischen For-
men, der Strukturen, und kann an sich nichts Neues liefern.
     

     Wenn 3 Striche auf dem Papier das Zeichen für die 3 sind, dann kann man
sagen, die 3 ist in unserer Sprache so anzuwenden, wie sich 3 Striche an-
wenden lassen.
     

     Ich sagte: “Eine Schwierigkeit der Frege'schen Theorie ist die Allge-
meinheit der Worte ‘Begriff’ und ‘Gegenstand’. Denn, da man Tische, Töne,
Schwingungen und Gedanken zählen kann, so ist es schwer, sie alle unter
einen Hut zu bringen”. – Aber was heisst es: “man kann sie zählen”?
Doch, dass es Sinn hat, sie zu zählen //, auf sie die Kardinalzah-
len anzuwenden//. Wenn wir aber das wissen, diese grammatische Re-
gel wissen, was brauchen wir uns da den Kopf über die andern grammatischen
Regeln zu zerbrechen, wenn es sich uns nur um eine Rechtfertigung der An-
wendung der Kardinalarithmetik handelt? Es ist nicht schwer “sie alle un-
ter einen Hut zu bringen”, sondern sie sind, soweit das für diesen Zweck
//Fall// nötig ist, unter einen Hut gebracht.
     

     Die Arithmetik aber kümmert sich (wie wir alle sehr wohl wissen) über-
haupt nicht um diese Anwendung. Ihre Anwendbarkeit sorgt für sich selbst.
553
     
     Daher ist alles ängstliche Suchen nach den Unterschieden zwischen Sub-
jekt-Prädikat-Formen, aber auch die Konstruktion von Funktionen ‘in exten-
sion’ (Ramsey), zur Begründung der Arithmetik Zeitverschwendung.
     

     Die Gleichung 4 Aepfel + 4 Aepfel = 8 Aepfel ist eine Ersetzungsregel,
die ich verwende, wenn ich nicht das Zeichen “4 + 4” durch “8”, sondern das
Zeichen 4 Aepfel + 4 Aepfel” durch “8 Aepfel” ersetze.
     Man muss sich aber davor hüten zu glauben “4 Aepfel + 4 Aepfel = 8 Aep-
fel” ist die konkrete Gleichung, dagegen 4 + 4 = 8 der abstrakte Satz, wo-
von die erste Gleichung nur eine spezielle Anwendung ist // sei//. So
dass zwar die Arithmetik der Aepfel viel weniger allgemein ist // wäre//,
als die eigentliche allgemeine, aber eben in ihrem beschränkten Bereich
(für Aepfel) gälte. – Es gibt aber keine “Arithmetik der Aepfel”, denn
die Gleichung mit den benannten Zahlen // 4 Aepfel + 4 Aepfel = 8 Aepfel//
ist nicht ein Satz, der von Aepfeln handelt. Man kann sagen, dass in die-
ser Gleichung das Wort “Aepfel” keine Bedeutung hat. (Wie man es überhaupt
von dem Zeichen in einer Zeichenregel sagen kann, die seine Bedeutung
bestimmen hilft.)
     



     Wie kann man Vorbereitungen zum Empfang von etwas eventuell Existieren-
dem treffen, – in dem Sinn, in welchem Russell und Ramsey das (immer) tun
wollten? Man bereitet etwa die Logik für die Existenz von vielstelligen Relationen vor, oder für die Existenz einer unendlichen Zahl von Gegen-
ständen. –
     

     Nun kann man doch für die Existenz eines Dinges vorsorgen: Ich mache
554
z.B. ein Kästchen, um den Schmuck hineinzulegen, der vielleicht einmal
gemacht werden wird. – Aber hier kann ich doch sagen, was der D Fall sein
muss, – welcher Fall es ist, für den ich vorsorge. Ich kann diesen Fall
jetzt so gut beschreiben, // Dieser Fall lässt sich jetzt so gut beschrei-
ben,// wie, nachdem er schon eingetreten ist; und auch dann, wenn er
nie eintritt. (Lösung mathematischer Probleme.) Dagegen sorgen Russell und
Ramsey für eine eventuelle Grammatik vor.
     

     Man denkt einerseits, dass es die Mathematik mit der Art der Funktio-
nen zu tun hat und ihren Gegenständen //Argumenten//, von deren Anzah-
len sie handelt. Aber man will sich nicht durch die uns jetzt bekannten
Funktionen binden lassen und man weiss nicht, ob jemals eine gefunden
werden wird, die 100 Argumentstellen hat; also muss man vorsorgen und eine
GFunktion konstruieren, die alles für die 100-stellige Relation vorbereitet,
wenn sich eine finden sollte. – Was heisst es aber überhaupt: “es findet sich
(oder: es gibt) eine 100-stellige Relation”? Welchen Begriff haben wir von
ihr? oder auch von einer 2-stelligen? – Als Beispiel einer 2-stelligen Rela-
tion
613
555
gibt man etwa die zwischen Vater und Sohn. Aber welche Bedeutung hat dieses
Beispiel für die weitere logische Behandlung der 2-stelligen Relationen?
Sollen wir uns jetzt statt jedes “aRb” vorstellen “a ist der Vater des b”? –
Wenn aber nicht, ist dann das Beispiel, oder irgend eines überhaupt, essen-
tiell? Spielt dieses Beispiel nicht die gleiche Rolle, wie eines in der
Arithmetik, wenn ich jemandem 3 × 6 = 18 an 3 Reihen zu je 6 Aepfeln er-
kläre?
           Hier handelt es sich um unsern Begriff der Anwendung. –
Man hat etwa die Vorstellung von einem Motor, der erst leer geht, und dann
eine Arbeitsmaschine treibt.
     

                     Aber was gibt die Anwendung der Rechnung? // Aber
was erhält die Rechnung von ihrer Anwendung? Fügt sie ihr einen neuen
Kalkül zu bei? dann ist sie ja jetzt eine andere Rechnung. Oder gibt sie
ihr in irgend einem, der Mathematik (Logik) wesentlichem, Sinne Substanz?
Wie kann man dann überhaupt, auch nur zeitweise, von der Anwendung absehen?
     

                     Nein, die Rechnung mit Aepfeln ist wesentlich die-
selbe, wie die mit Strichen oder Ziffern. Die Arbeitsmaschine setzt den Mo-
tor fort, aber die Anwendung (in diesem Sinne) nicht die Rechnung.
     

                     Wenn ich nun sage: “die Liebe ist ein Beispiel ei-
ner 2-stelligen Relation”, – // Wenn ich nun, um ein Beispiel zu geben, sa-
ge: “die Liebe ist eine 2-stellige Relation”, – // sage ich hier etwas über
die Liebe aus? Natürlich nicht. Ich gebe eine Regel für den Gebrauch des
Wortes “Liebe” und will etwa sagen, dass wir dieses Wort z.B. so ge-
brauchen.

614
556
     
                     Nun hat man aber doch das Gefühl, dass mit dem Hinweis
auf die 2-stellige Relation ‘Liebe’ in die Hülse des Relationskalküls Sinn
gesteckt wurde. – Denken wir uns eine geometrische Demonstration statt an
einer Zeichnung oder an analytischen Symbolen an einem Lampenzylinder vorge-
nommen // durchgeführt//. In wiefern ist hier von der Geometrie eine Anwen-
dung gemacht? Tritt denn der Gebrauch des Glaszylinders als Lampenglas in
die geometrische Ueberlegung ein? Und tritt der Gebrauch des Wortes “Liebe”
in einer Liebeserklärung in meine Ueberlegungˇen über die 2-stelligen Relatio-
nen ein?
     

                     Wir haben es mit verschiedenen Verwendungen, Bedeutun-
gen, des Wortes “Anwendung” zu tun. “Die Multiplikation wird in der Division
angewandt”; “der Glaszylinder wird in der Lampe angewandt”; “die Rechnung
ist auf diese Aepfel angewandt”. Hier
     

                     Hier kann man nun sagen: Die Arithmetik ist ihre eige-
ne Anwendung. Der Kalkül ist seine eigene Anwendung.
         Wir können nicht in der Arithmetik für eine grammatische Anwendung
vorsorgen. Denn, ist die Arithmetik nur ein Spiel, so ist für sie auch ihre
Anwendung nur ein Spiel, und entweder das gleiche Spiel (dann führt es uns
nicht weiter), oder ein anderes – und dann konnten wir das schon in der
reinen Arithmetik betreiben.
     

                     Wenn also der Logiker sagt, er habe für eventuell
existierende 6-stellige Relationen in der Arithmetik vorgesorgt, so können
wir fragen: Was wird denn nun zu dem, was Du vorbereitet hast, hinzukommen
//hinzutreten//, wenn es seine Anwendung findet //finden wird//? Ein
neuer Kalkül? – aber den hast Du ja eben nicht vorbereitet. Oder etwas, was
615
557
den Kalkül nicht tangiert? – dann interessiert uns das nicht, und der Kalkül,
den Du uns gezeigt hast, ist uns Anwendung genug.
     

                     Die unrichtige Idee ist, dass die Anwendung eines Kal-
küls in der Grammatik der wirklichen Sprache, ihm eine Realität zuordnet,
eine Wirklichkeit gibt, die er früher nicht hatte. //Die unrichtige Idee
ist: die Anwendung eines Kalküls auf die wirkliche Sprache verleihe ihm eine
Realität, die er früher //vorher// nicht hatte.//
     

                     Aber, wie gewöhnlich in unserem Gebiet, liegt hier
der Fehler nicht darin, dass man etwas Falsches glaubt, sondern darin, dass
man auf eine irreführende Analogie hinsieht.
     

                     Was geschieht denn, wenn die 6-stellige Relation ge-
funden wird? Wird quasi ein Metall gefunden, das nun die gewünschten (vorher
beschriebenen) Eigenschaften (das richtige spezifische Gewicht, die Festig-
keit etc.) hat? Nein; ein Wort wird gefunden, das wir tatsächlich in
unsrer Sprache so verwenden, wie wir etwa den Buchstaben R verwendet haben.
“Ja, aber dieses Wort hat doch Bedeutung und “R” hatte keine! Wir sehen also
jetzt, dass dem “R” etwas entsprechen kann”. Aber die Bedeutung des Wortes
besteht ja nicht darin, dass ihm etwas entspricht. Ausser etwa, wo es sich um
Namen und benannten Gegenstand handelt, aber da setzt der Träger des Namens
nur den Kalkül fort, also die Sprache. Und es ist nicht so, wie wenn
man sagt: “diese Geschichte hat sich tatsächlich zugetragen, sie war nicht
blosse Fiktion // Erfindung//”.
     

                     Das alles hängt auch mit dem falschen Begriff der logi-
schen Analyse Zusammen, den Russell, Ramsey und ich hatten. So dass man auf
558
eine endliche logische Analyse der Tatsachen wartet, wie auf eine chemi-
sche von Verbindungen. Eine Analyse, durch die man dann etwa eine 7-stel-
lige Relation wirklich findet, wie ein Element, das tatsächlich das</>spezi-
fische Gewicht 7 hat.
     

     Die Grammatik ist für uns ein reiner Kalkül. (Nicht die Anwendung ei-
nes auf die Realität.)
     

     ““Wie kann man Vorbereitungen für etwas eventuell Existierendes
treffen” heisst: Wie kann man die Arithmetik auf eine Logik aufbauen,
in der man im Speziellen noch Resultate einer Analyse der //unserer//
620
559
rer // Sätze erwartet, und dabei für alle eventuellen Resultate durch eine
Konstruktion a priori aufkommen wollen? – Man will sagen: “Wir wissen nicht
ob es sich nicht herausstellen wird, dass es keine Funktionen mit 4 Argu-
mentstellen gibt, oder, dass es nur 100 Argumente gibt, die in Funktionen
einer Variablen sinnvoll eingesetzt werden können. Gibt es z.B. (die
Annahme scheint immerhin möglich) nur eine solche Funktion F und 4 Ar-
gumente a, b, c, d, und hat es in diesem Falle Sinn, zu sagen ‘2 + 2 = 4[|], da
es keine Funktionen gibt, um die Teilung in 2 und 2 zu bewerkstelligen?”
Und nun, sagt man sich, werden wir für alle eventuellen Fälle vorbauen.
Aber das heisst natürlich nichts: Denn einerseits baut der Kalkül nicht für
eine eventuelle Existenz vor, sondern er konstruiert sich die Existenz, die
er überhaupt braucht. Anderseits sind die scheinbaren hypothetischen Annah-
men über die logischen Elemente (den logischen Aufbau) der Welt nichts an-
dres, als Angaben der Elemente eines Kalküls; und die können freilich auch
so getroffen //gemacht // werden, dass es darin ein 2 + 2 nicht gibt.
     Treffen wir etwa Vorbereitungen für die Existenz von 100 Gegenstän-
den, indem wir 100 Namen einführen und einen Kalkül mit ihnen. Und nehmen
wir jetzt an, es werden wirklich 100 Gegenstände gefunden. Aber wie ist
das, wenn jetzt den Namen Gegenstände zugeordnet werden, die ihnen früher
nicht zugeordnet waren? ändert sich jetzt der Kalkül? – was hat diese Zu-
ordnung überhaupt mit ihm zu tun? Erhält er durch sie mehr Wirklichkeit?
Oder gehörte er früher bloss zur Mathematik, jetzt aber zur Logik? – Was
ist das für eine Frage: “gibt es 3-stellige Relationen”, “gibt es 1000 Ge-
genstände”? Wie ist das zu entscheiden? – Aber es ist doch Tatsache, dass
wir eine 2-stellige Relation angeben können, etwa die Liebe, und eine
3-stellige, etwa die Eifersucht, aber, vielleicht, nicht eine 27-stellige! –
Aber was heisst es “eine 2-stellige Relation angeben”? Das klingt (ja?) so,
als würden wir auf ein Ding hinweisen und sagen “siehst Du, das ist so ein
Ding” (wie wir es nämlich vorher beschrieben haben). Aber so etwas findet
ja gar nicht statt (der Vergleich von dem Hinweisen ist gänzlich falsch).
621
560
“Die Beziehung der Eifersucht kann nicht in 2-stellige Beziehungen aufge-
löst werden”: das klingt ähnlich wie: “Alkohol kann nicht in Wasser und ei-
ne feste Substanz zerlegt werden”. Liegt das nun in der Natur der Eifer-
sucht? (Vergessen wir nicht: der Satz “A ist wegen B auf C eifersüchtig”
kann ebenso wenig zerlegt werden wie der: “A ist wegen B auf C nicht ei-
fersüchtig”.) Das, worauf man hinweist, ist etwa die Gruppe der Leute A, B
und C. – “Aber wenn nun Lebewesen plötzlich den 3-dimensionalen Raum ken-
nen lernten, nachdem sie bisher nur die Ebene kannten, aber in ihr doch
eine 3-dimensionale Geometrie entwickelt hätten?!” Würde diese Geometrie
nun // damit// geändert, würde sie inhaltsreicher? – “Ja, aber ist es denn
nicht so, als hätte ich mir z.B. einmal beliebige Regeln gesetzt, die es
mir verböten in meinem Zimmer bestimmte Wege zu gehen, die ich, was die
physikalischen Hindernisse betrifft, ohne weiteres gehen könnte, – und als
würden dann die physikalische Bedingungen eintreten, etwa Möbel in das Zimmer
gestellt, die mich nun zwängen, mich nach den Regeln zu bewegen, die ich
mir erst willkürlich gegeben hätte? Wie also, der 3-dimensionale Kalkül
noch ein Spiel war, da gab es eigentlich noch keine 3 Dimensionen; denn das
x, y, z gehorchten nur den Regel, weil ich es so wollte; jetzt, wo wir
sie mit den wirklichen 3 Dimensionen gekuppelt haben, können sie
sich nicht mehr anders bewegen”. Aber das ist eine blosse Fiktion. Denn
hier handelt es sich nicht um eine Verbindung mit der Wirklichkeit, die
nun die Grammatik in ihrer Bahn hält! Die “Verbindung der Sprache mit der
Wirklichkeit”, etwa durch die hinweisenden Definitionen, macht die Gramma-
tik nicht zwangsläufig (rechtfertigt die Grammatik nicht). Denn diese
bleibt immer nur ein frei im Raume schwebender Kalkül, der nur //zwar//
erweitert, aber nicht gestützt werden kann. Die “Verbindung mit der Wirk-
lichkeit” erweitert nur die Sprache, aber zwingt sie zu nichts. Wir reden
von der Auffindung einer 27-stelligen Relation: aber einerseits kann mich
keine Entdeckung zwingen, (das Zeichen und) den Kalkül der 27-stelligen
Relation zu gebrauchen; andrerseits kann ich diesen Kalkül // die Handlun-
561
gen dieses Kalküls// selbst mittels dieser Notation beschreiben.
     

     Wenn man in der Logik scheinbar mehrere verschiedene Universen betrach-
tet (wie Ramsey), so betrachtet man in Wirklichkeit verschiedene Spiele.
Die Erklärung eines “Universums” würde z.B. in Ramsey's Fall einfach die
//eine// Definition (∃x).fx ≝ fa ⌵ fb ⌵ fc ⌵ fd sein.
562
     


113
Ramsey<'>s Theorie der Identität.
     



     Die Theorie der Identität bei Ramsey macht den Fehler, den man machen
würde, wenn man sagte, ein gemaltes Bild könne man auch als Spiegel be-
nutzen, wenn auch nur für eine einzige Stellung, wo dann übersehen wird,
dass das Wesentliche am Spiegel gerade das ist, dass man aus ihm die
Stellung des Körpers vor dem Spiegel schliessen kann, während man im Fall
des gemalten Bildes erst wissen muss, dass die Stellungen übereinstim-
men, ehe man das Bild als Spiegelbild auffassen kann.
     

     Wenn die Dirichlet'sche Auffassung der Funktion einen strengen Sinn
hat, so muss sie sich in einer Definition ausdrücken, die das
Funktionszeichen mit der Tabelle als gleichbedeutend erklärt.
     

     Ramsey definiert x = y als
             (Fe).Fex ≡ Fe.
Aber nach den Erklärungen, die er über seine Funktionszeichen “Fe” gibt,
ist (Fe).Fex ≡ Fex die Aussage: “jeder Satz ist sich selbst äquivalent”
      (Fe).Fex ≡ Fey die Aussage: “jeder Satz ist jedem Satz äquivalent”.
//Ramsey erklärt “x = x” auf einem Umweg als die Aussage … und “x = y”
als …….//
Er hat also mit seiner Erklärung nichts andres erreicht, als wa[w|s] die zwei
546
563
Definitionen        bestimmen. (Das Wort “Tautologie”
kann hier durch jede beliebige Tautologie ersetzt werden und das gleiche
gilt für “Kontradiktion”.)
           Soweit ist nichts geschehn, als Erklärungen der zwei verschiede-
nen Zeichenformen x = x und x = y zu geben. Diese Erklärungen können
natürlich durch zwei Klassen von Erklärungen ersetzt werden: <,> z.B.:
Nun aber schreibt Ramsey:
“(E x,y). x ≠ y”, d.h. “(E x,y). non(x = y)”, –
dazu hat er aber gar kein Recht: denn, was bedeutet in diesem Zeichen das
“x = y”? [e|E]s ist ja weder das Zeichen “x = y”, welches ich in der Defini-
tion oben gebraucht habe, noch natürlich das “x = x” in der vorhergehen-
den Definition. Also ist es ein noch ein noch unerklärtes Zeichen. Um übrigens die
Müssigkeit jener // dieser// Definitionen einzusehen, lese man sie (wie
sie der Unvoreingenommene lesen würde) so: Ich erlaube, statt des Zeichens
“Taut.”, dessen Gebrauch wir kennen, das Zeichen “a = a” oder “b = b”,
etc. zu setzen; und statt des Zeichens “Cont.” (“non-Taut.”) die Zeichen
“a = b”, “a = c”, etc.. Woraus übrigens hervorgeht, dass
(a = b) = (c = d) = (a ≠ a) = etc.!
Es braucht wohl nicht gesagt zu werden, dass ein so definiertes Gleich-
heitszeichen nichts mit demjenigen zu tun hat, welches wir zum Ausdruck ei-
ner Ersetzungsregel brauchen.
     Ich kann nun “(E x,y). x ≠ y” natürlich wieder erklären; etwa
als a ≠ a . V . a ≠ b . V . b ≠ c . V . a ≠ c; diese Erklärung aber ist ei-
gentlich Humbug und ich sollte unmittelbar schreiben
                 . (D.h. das Zeichen auf der linken
Seite würde mir als ein neues – unnötiges – Zeichen für “Taut.” gegeben.)
547
564
Denn wir dürfen nicht vergessen, dass nach der Erklärung “a = a”, “a = b”,
etc. unabhängige Zeichen sind und nur insofern zusammenhängen, als eben
die Zeichen “Taut.” und “Cont.”.
           Die Frage ist hier die nach der Nützlichkeit der “extensiven”
Funktionen, dann die Ramsey'schen Erklärung des Gleichheitszeichens ist ja
so eine Bestimmung durch die Extension. Welcher Art ist //Worin besteht //
nun die extensive Bestimmung einer Funktion? Sie ist offenbar eine Gruppe
von Definitionen, z.B. die:
fa = p
fb = q
fc = r
Def
Def
Def
Diese Definitionen erteilen uns die Erlaubnis, statt der uns bekannten
Sätze “p”, “q”, “r” die Zeichen “fa”, “fb”, “fc” zu setzen. Zu sagen,
durch diese drei Definitionen werde sei die Funktion f(x) bestimmt, sagt gar
nichts, oder dasselbe, was die drei Definitionen sagen.
           Denn die Zeichen “fa”, “fb”, “fc” sind Funktionen und Argument
nur, sofern es auch die Wörter “Ko(rb)”, “Ko(pf)” und “Ko(hl)” sind. (Es
macht dabei keinen Unterschied, ob die “Argumente” “rb”, “pf”, “hl” sonst
noch als Wörter gebraucht werden, oder nicht.)
           (Welchen Zweck also die Definitionen haben können, ausser den,
uns irrezuführen, ist schwer einzusehen.)
           Das Zeichen “(E x). fx” heisst zunächst gar nichts; denn die
Regeln für Funktionen im alten Sinn des Wortes gelten ja hier nicht. Für
diese wäre eine Definition fa = … Unsinn. Das Zeichen “(E x). fx” ist,
wenn keine ausdrückliche Erklärung dafür gegeben wird, nur wie ein Rebus
zu verstehen, in welchem auch die Zeichen eine Art uneigentliche Bedeutung
haben.
           Jedes der Zeichen “a = a”, “a = c”, etc. in den Definitionen
, etc. ist ein Wort.
           Der Endzweck der Einführung der extensiven Funktionen war übri-
gens, die Analyse von Sätzen über unendliche Extensionen und dieser Zweck
565
ist verfehlt, da eine extensive Funktion durch eine Liste von Definitionen
eingeführt wird.
     

     Es besteht eine Versuchung, die Form der Gleichung für die Form von Tau-
tologien und Kontradiktionen zu halten, und zwar darum, weil es scheint,
als könne man sagen: <,> x = x ist selbstverständlich wahr (und) x = y selbstver-
ständlich falsch. Eher noch kann man natürlich ?–sagen, dass x = x die Rolle
einer Tautologie spielt, als x = y die der Kontradiktion–? //kann man natür-
lich x = x mit einer Tautologie vergleichen, als x = y mit einer Kontradik-
tion//, da ja alle richtigen (und “sinnvollen” Gleichungen der Mathematik
von der Form x = y sind. Man könnte x = x eine degenerierte Gleichung nennen
(Ramsey nannte sehr richtig Tautologien und Kontradiktionen degenerierte
Sätze) und zwar eine richtige degenerierte Gleichung (den Grenzfall einer
Gleichung). Denn wir gebrauchen Ausdrücke der Form x = x wie richtige Glei-
chungen, wobei wir uns vollkommen bewusst sind, dass es sich um degenerier-
te Gleichungen handelt. Im gleichen Fall sind Sätze in geometrischen Be-
weisen, wie etwa: “der Winkel
 
 
ist gleich dem Winkel
 
 
, der Winkel
ist sich selbst gleich …”.
     Man könnte nun einwenden, dass richtige Gleichungen der Form x = y auch
Tautologien, dagegen falsche, Kontradiktionen sein müssten, weil man ja die
richtige Gleichung muss beweisen können und das, indem man die beiden Sei-
ten der Gleichung transformiert, bis eine Identität x = x herauskäme. Aber
obwohl durch diesen Prozess die erste Gleichung als richtig erwiesen ist
und insofern die Identität x = x das Endziel der Transformationen war, so
ist sie nichtn das Endziel in dem Sinne, als hätte man durch die Transforma-
tionen der Gleichung ihre richtige Form geben wollen, wie man einen krummen
Gegenstand zurechtbiegt, und als habe sie nun in der Identität diese voll-
kommene Form (endlich) erreicht. Man kann also nicht sagen: die richtige
Gleichung ist ja eigentlich eine Identität. Sie ist eben
keine Identität.
566
     




114
Der Begriff der Anwendung der Arithmetik (Mathematik).
     






     Wenn man sagt: “es muss der Mathematik wesentlich sein, dass sie ange-
wandt werden kann”, so hei meint man, dass diese Anwendbarkeit // Anwendbarkeit// nicht die eines Stückes Holz ist, von dem ich
sage “das werde ich zu dem und dem anwenden können”.
     

     Die Geometrie ist nicht die Wissenschaft (Naturwissenschaft) von den
geometrischen Ebenen, geometrischen Geraden und geometrischen Punkten, im
Gegensatz etwa zu einer anderen Wissenschaft, die von den groben, physi-
schen Geraden, Strichen, Flächen etc. handelt und deren Eigenschaf-
ten angibt. Der Zusammenhang der Geometrie mit Sätzen des praktischen Le-
bens, die von Strichen, Farbgrenzen, Kanten und Ecken etc. handeln, ist
nicht der, dass sie über ähnliche Dinge spr[j|i]cht, wie diese Sätze, wenn
auch über ideale Kanten, Ecken, etc.; sondern der, zwischen diesen
Sätzen und ihrer Grammatik. Die angewandte Geometrie ist die Grammatik der
Aussagen über die räumlichen Gegenstände. Die sogenannte geometrische Ge-
567
rade verhält sich zu einer Farbgrenze nicht wie etwas Feines zu etwas Gro-
bem, sondern wie Möglichkeit zur Wirklichkeit. (Denke an die Auffassung
der Möglichkeit als Schatten der Wirklichkeit.)
     

     Man kann eine Kreisfläche beschreiben, die durch Durchmesser in 8 kon-
gruente Teile geteilt ist, aber es ist sinnlos, das von einer eliptischen
Fläche zu sagen. Und darin liegt, was die Geometrie in dieser Beziehung
von der Kreis- und Elipsenfläche aussagt.
     

     Ein Satz, der auf einer fals[f|c]hen Rechnung beruht (wie etwa “er teilte
das 3 m lange Brett in 4 Teile zu je 1 m”) hat keinen Sinn //ist unsinnig//
und das wirft ein Licht auf den Sinn der Ausdrücke “Sinn haben” und “etwas
mit dem Satz meinen”. //… und das beleuchtet, was es heisst “Sinn zu ha-
ben” und “etwas mit dem Satz meinen”.// /
     

     Wie ist es mit dem Satz “die Winkelsumme im Dreieck ist 180 Grad”? Dem
sieht man es jedenfalls nicht an, dass er ein Satz der Synta[d|x] ist.
     Der Satz “Gegenwinkel sind gleich” heisst, ich werde, wenn sie sich bei
der Messung nicht als gleich erweisen, die Messung für falsch erklären
und “die Winkelsumme im Dreieck ist 180 Grad” heisst, ich werde, wenn sie
sich bei einer Messung nicht als 180 Grad erweist, einen Messungsfehler
annehmen. Der Satz ist also ein Postulat über die Art und Weise der Be-
schreibung der Tatsachen. Also ein Satz der Syntax.
568
     




Ueber Kardinalzahlen.








































569
     




115
Kardinalzahlenarten.
     






     Was die Zahlen sind? – Die Bedeutungen der Zahlzeichen; und die Unter-
suchung dieser Bedeutung ist die Untersuchung der Grammatik der Zahlzeichen.
     

     Wir suchen nicht nach einer Definition des Zahl-Begriffs, sondern nach
einer Klärung der Grammatik des Wortes “Zahl” und der Zahlwörter. //, son-
dern versuchen eine Darlegung der Grammatik des Wortes “Zahl” und der
Zahlwörter.//
     

     Es gibt unendlich viele Kardinalzahlen, weil wir dieses unendliche
System konstruieren und es das der Kardinalzahlen nennen. Es gibt auch ein
Zahlensystem “1, 2, 3, 4, 5, viele” und auch eines: “1, 2, 3, 4, 5,”. Und
W warum sollte ich das nicht auch ein System von Kardinalzahlen nennen?
(und also ein endliches).
     

     Dass das axiom of infinity nicht ist, wofür Russell es gehalten hat, dass
es weder ein Satz der Logik, noch auch – wie es da steht, – ein Satz der
Physik ist, ist klar. Ob der Kalkül damit, in eine ganz andre Umgebung ge-
570
bracht (in ganz anderer “Interpretation”), irgendwo eine praktische Anwen-
dung finden könnte, weiss ich nicht.
     Von den logischen Begriffen, z.B. von dem (oder: einem) der Unendlich-
keit, könnte man sagen: ihre Essenz beweise ihre Existenz.
     

     (Frege hätte noch gesagt: “es gibt vielleicht Völker // Menschen//, die
in der Kenntnis der Kardinalzahlenreihe nicht über die 5 hinausgekommen
sind (und etwa das Uebrige der Reihe nur in unbestimmter Form sehen), aber
diese Reihe existiert unabhängig von uns”. Existiert das Schachspiel unab-
hängig von uns, oder nicht?–)
     

     Eine sehr interessante Erwägung über die Stellung des Zahlbegriffs in
der Logik ist die: Wie steht //ist // es mit dem Zahlbegriff, wenn ein
Volk keine Zahlwörter besitzt, sondern sich statt dieser immer eines
Abacus bedient, etwa einer Russischen Rechenmaschine? //…sondern sich
zum Zählen, Rechnen, etc. ausschliesslich eines Abacus be-
dient, etwa der Russischen Rechenmaschine?//
     (Nichts wäre interessanter, als die Arithmetik dieser Menschen zu unter-
suchen und man verstünde wirklich, dass es hier keinen Unterschied zwischen
20 und 21 gibt //dass hier kein Unterschied zwischen 20 und 21 existiert besteht//.)
     
     Könnte man auch eine Zahlenart den Kardinalzahlen entgegensetzen, deren
Reihe der der Kardinalzahlen ohne der 5 entspräche? Oh ja: nur wäre diese
Zahlenart zu nichts zu brauchen, wozu die Kardinalzahlen es sind.
Und die 5 fehlt diesen Zahlen nicht, wie ein Apfel, den man aus einer Ki-
ste voller Aepfel herausgenommen // genommen// hat und wieder hineinlegen
kann, sondern die 5 fehlt dem Wesen dieser Zahlen; sie kennen die 5
nicht (wie die Kardinalzahlen die Zahl ½ nicht kennen). Angewendet würden
also diese Zahlen (wenn man sie so nennen will) in einem Fall, in dem die
571
Kardinalzahlen (mit der 5) nicht mit Sinn angewendet werden könnten.
     (Zeigt sich hier nicht die Unsinnigkeit des Geredes von der “Grundin-
tuit<i>on”?)
     

     Wenn die Intuitionisten von der “Grundintuition” sprechen, – ist diese
ein psychologischer Prozess? Und wie kommt er dann in die Mathematik?
Oder ist, was sie meinen, nicht doch nur ein Urzeichen (im Sinne Freges);
ein Bestandteil eines Kalküls?
     

     So seltsam es klingt, so ist es möglich, die Primzahl bis – sagen wir –
zur 7 zu kennen und daher ein endliches System von Primzahlen zu besit-
zen. Und was wir die Erkenntnis nennen, dass es unendlich viele Primzah-
len gibt, ist in Wahrheit die Erkenntnis eines neuen, und mit dem andern
gleichberechtigten, System.
     

     Wenn man bei geschlossenen Augen ein Flimmern sieht, unzählige Licht-
pünktchen, die kommen und verschwinden – wie man es etwa beschreiben
würde – so hat es keinen Sinn, hier von einer ‘Anzahl’ der zugleich ge-
sehenen Pünktchen zu reden. Und man kann nicht sagen “es sind immer eine
bestimmte Anzahl von Lichtpünktchen da, wir wissen sie bloss nicht”; dies
entspräche einer Regel, die dort angewandt wird, ?–wo bon ein2 einer Kon-
trolle dieser Anzahl gesprochen werden kann–?.
     

/     Es hat Sinn zu sagen: Ich verteile viele unter viele. Aber der Satz
“ich konnte die vielen Nüsse nicht unter die vielen Menschen verteilen”
kann nicht heissen, dass es logisch unmöglich war. Man kann auch nicht
sagen: “in manchen Fällen ist es möglich, viele unter viele zu verteilen
572
und in manchen nicht”: denn darauf frage ich: in welch[w|e]n
Fällen ist dies möglich und in welchen unmöglich? und darauf könnte nicht mehr
im Viele-System geantwortet werden. /
     



     Von einem Teil meines Gesichtsfeldes zu sagen, er habe keine Farbe,
ist Unsinn; ebenso – natürlich auch – zu sagen, er habe Farbe (oder, ei-
ne Farbe). Wohl aber //Anderseits// hat es Sinn zu sagen, er habe nur
eine [G|F]arbe (sei einfärbig, oder gleichfärbig), er habe
mindestens zwei Farben, nur zwei Farben, u.s.w..
     Ich kann also in dem Satz “dieses Viereck in meinem Gesichtsfeld
hat mindestens zwei Farben” statt “zwei” nicht “eine” substituieren. Oder
auch: “das Viereck hat nur eine Farbe” heisst nicht – analog (Ex).fx &
non(E x,y)·fx & fy – “das Viereck hat eine Farbe, aber nicht zwei Farben”.

555
573
     
         Ich rede hier von dem Fall, in dem //welchem // es sinnlos ist zu
sagen: , “der Teil des Raumes habe //hat // keine Farbe”. Wenn ich die
gleichfärbigen (einfärbigen) Flecke in dem Viereck zähle, so hat es übri-
gens Sinn zu sagen, es seien keine solchen vorhanden, wenn die Farbe des
Vierecks sich kontinuierlich ändert. Es hat dann natürlich auch Sinn zu
sagen, in dem Viereck sei “ein gleichfärbiger Fleck oder mehrere” und auch,
das Viereck habe eine Farbe aber nicht zwei Farben. – Von diesem Gebrauch
aber des Satzes “das Viereck hat keine Farbe” sehe ich jetzt ab und spre-
che von einem System, in welchem, dass eine Fläche ein Flächenstück//ein Viereckeine Figur // eine
Farbe hat, selbstverständlich ist // genannt wird// also, richtig ausge-
drückt, in welchem dieser Satz Unsinn ist. // in welchem es diesen Satz
nicht gibt.// Wenn man den Satz selbstverständlich nennt, so meint man
eigentlich das, was eine grammatische Regel ausdrückt //dasjenige, was
eine grammatische Regel ausdrückt//, die die Form der Sätze über den Ge-
sichtsraum, z.B., beschreibt. Wenn man nun die Zahlangabe der Farben im
Viereck mit dem Satz “in dem Viereck ist eine Farbe” beginnt, dann darf
das natürlich nicht der Satz der Grammatik über die “Färbigkeit” des Rau-
mes sein.
         Was meint man, wenn man sagt “der Raum ist färbig”? (Und, eine sehr
interessante Frage: welcher Art ist diese Frage?) Nun, man sieht etwa zur
Bestätigung herum und blickt auf die verschiedenen Farben um sich her und
möchte etwa sagen: wohin ich schaue, ist eine Farbe. Oder: ?–Es ist doch al-
les färbig, alles sozusagen angestrichen–?. Man denkt sich hier die Farben
im Gegensatz zu einer Art (von?) Farblosigkeit, die aber bei näheren Zuse-
hen wieder zur Farbe wird. Wenn man übrigens zur Bestätigung sich umsieht,
so schaut man vor allem auf ruhige und einfärbige Teile des Raumes und
lieber nicht auf bewegte //unruhige//, unklar gefärbte (fliessendes Was-
ser, Schatten, etc.). Muss man sich dann gestehen, dass man eben alles
Farbe nennt, was man sieht, so will man es nun als eine Eigenschaft des
556
574
Raumes an und für sich (nicht mehr der Raumteile) aussagen, dass er färbig
sei. Das heisst aber, vom Schachspiel zu sagen, dass es das Schachspiel sei
und es kann nun nur auf eine Beschreibung des Spiels hinauslaufen. Und nun
kommen wir zu einer Beschreibung der räumlichen Sätze; aber ohne (eine?) Be-
gründung, und als müsste man sie mit einer andern Wirklichkeit und in Ueber-
einstimmung bringen.
         Zur Bestätigung des Satzes “der Gesichtsraum ist färbig” sieht man
sich (etwa) um und sagt: das hier ist schwarz, und schwarz ist eine Farbe;
das ist weiss, und weiss ist eine Farbe; u.s.w.. “Schwarz ist eine Farbe”
aber fasst man so auf, wie “Eisen ist ein Metall”[.| (]oder vielleicht besser
“Gips ist eine Schwefelverbindung”[|)].
         Mache ich es sinnlos zu sagen, ein</>Teil des Gesichtsraumes habe
keine Farbe, so wird die (Frage nach der) Analyse der Angabe der Zahl der
Farben in einem Teil des Gesichtsraumes ganz ähnlich der, der Angabe der
Zahl der Teile eines Vierecks, etwa, das ich durch Striche in begrenzte
Flächenteile teile.
         Auch hier kann ich es als sinnlos ansehen, zu sagen, das Viereck
“bestehe aus 0 Teilen”. Man kann daher nicht sagen, es bestehe “aus einem
oder mehreren Teilen”, oder es “habe mindestens einen Teil”. Denken
wir uns den speziellen Fall eines Vierecks, das durch parallele Striche
geteilt ist. Dass dieser Fall sehr speziell ist, macht (uns) nichts, denn
wir halten ein Spiel nicht für weniger bemerkenswert, weil es nur eine
sehr beschränkte Anwendung hat. Ich kann hier die Teile entweder so
 
 
zählen, wie es gewöhnlich geschieht, und dann heisst es
nichts, zu sagen, es seien 0 Teile vorhanden. Ich könnte
aber auch eine Zählung denken, die den ersten Teil sozu-
sagen als selbstverständlich ansieht und ihn nicht zählt oder als 0, und
die nur die Teile hinzuzählt, die hinzugeteilt wurden. Anderseits könnte
man sich ein Herkommen denken, nach dem, etwa?, Soldaten in Reih und Glied
575
immer mit der Anzahl von Soldaten gezählt werden, welche über einen
Soldaten angetreten sind (etwa, indem die Anzahl der möglichen Kombinatio-
nen des Flügelmanns und eines andern Soldaten der Reihe angegeben werden
soll). Aber auch ein Herkommen könnte existieren, wonach die Anzahl der
Soldaten immer um 1 grösser als die wirkliche angegeben wird. Das wäre
etwa ursprünglich geschehen, um einen bestimmten Vorgesetzten über die
wirkliche Zahl zu täuschen, dann aber habe es sich als Zählweise für
Soldaten eingebürgert. (Akademisches Viertel.) Die Anzahl der verschiede-
nen Farben in einer Fläche könne <…> auch durch die Anzahl der möglichen Kom-
binationen zu zwei Gliedern angegeben werden. Und dann kämen für diese
Anzahl nur die Zahlen in Betracht und es wäre dann sinnlos, von
2 oder 4 Farben in einer Fläche zu reden, wie jetzt von √2 oder i Far-
ben. Ich will sagen, dass nicht die Kardinalzahlen wesentlich primär und
die – nennen wir's – Kombinationszahlen 1, 3, 6, 10, etc[|.] sekundär sind.
Man könnte auch eine Arithmetik der Kombinationszahlen konstruieren und
diese wäre in sich so geschlossen, wie die Arithmetik der Kardinalzahlen.
Aber ebenso natürlich kann es eine Arithmetik der geraden Zahlen oder der
Zahlen 1, 3, 4, 5, 6, 7 … geben. W Es ist natürlich das Dezimalsystem
zur Schreibung dieser Zahlenarten ungeeignet.
     

     Denken wir uns eine Rechenmaschine, die, anstatt mit Kugeln, mit Far-
ben in einem Streifen rechnet. Und während wir jetzt auf unserm Abacuus
mit Kugeln, oder den Fingern, die Farben in einem Streifen zählen, so wür-
den wir dann die Kugeln auf einer Stange, oder die Finger an unserer Hand,
mit Farben in einem Streifen zählen. Wie aber müsste diese Farbenrechen-
maschine konstruiert sein, um funktionieren zu können? Wir brauchten ein
Zeichen dafür, dass keine Kugeln an der Stange sitzen. Man muss sich den
Abacus als ein Gebrauchsinstrument denken und als Mittel der Sprache. Und,
so wie man etwa 5 durch die fünf Finger einer Hand darstellen kann (man
denke an einer Gebärdensprache), so würde man es durch den Streifen mit
576
mit 5 Farben darstellen. Aber für die 0 brauche ich ein Zeichen, sonst
habe ich die nötige Multiplizität nicht. Nun, da kann ich entweder die Be-
stimmung treffen, dass die Farbe //Fläche // schwarz die 0 bezeichnen
soll (dies ist natürlich willkürlich und die einfärbige rote Fläche täte
es ebensogut); oder aber did die einfärbige Fläche soll 0 bezeichnen, die
zweifärbige 1, etc.. Es ist ganz gleichgültig, welche Bezeichnungsweise
ich wähle. Und man sieht hier, wie sich die Mannigfaltigkeit der Kugeln
auf die Mannigfaltigkeit der Farben in einer Fläche projiziert.
     

     Es hat keinen Sinn, von einem schwarzen Zweieck in weissen Kreis zu
reden; und dieser Fall ist analog dem; <:> es ist sinnlos zu sagen, das Vier-
eck bestehe aus 0 Teilen [)|(]keinem Teil).
     Hier haben wir etwas, wie eine untere Grenze des Zählens, noch ehe wir
die Eins erreichen.
     

     
 
 
Ist Teile Zählen in I das Gleiche, wie Punkte Zählen
in IV? Und worin besteht der Unterschied? Man kann
das Zählen der Teile in I auffassen als ein Zählen
58
577
von Vierecken. Dann kann man aber auch sagen “in dieser Zeile ist kein
Viereck”; und dann zählt man nicht Teile. Es beunruhigt uns die Ana-
logie zwischen dem Zählen der Punkte und der Teile, und das Auslassen Versagen dieser
Analogie.
         Darin, die ungeteilte Fläche als “Eins” zu zählen, ist etwas Seltsa-
mes; dagegen finden wir keine Schwierigkeit darin, die einmal geteilte als
Bild der 2 zu sehen. Man möchte hier viel lieber zählen “0, 2, 3, etc.”. Und
dies entspricht der Zahlenreihe Satzreihe: “das Viereck ist ungeteilt”, “das
Viereck ist in 2 Teile geteilt”, etc.
     

                        Das Natürlichste ist, die Reihe der Schemata
 
 
aufzufassen als
etc.. Und hier kann man nun die
das erste Schema mit ‘0’ bezeichnen, das zweite mit ‘1’, das dritte aber et-
wa mit ‘3’, wenn man an alle möglichen Unterschiede denkt, und das vierte
mit ‘6’. Oder man nennt das dritte Schema ‘2’ (wenn man sich bloss um ei-
ne
Anordnung kümmert) und das vierte ‘3’.
     

                        Man kann die Teiligkeit des Vierecks
 
 

beschreiben, indem man sagt: es ist in fünf 5 Teile geteilt,
oder: es sind 4 Teile davon abgetrennt worden, oder: es hat
das Teilungsschema ABCDE, oder: man kommt durch alle Teile, indem man 4
Grenzen passiert, oder: das Viereck ist geteilt (d.h. in 2 Teile), der eine
Teil wieder geteilt und beide Teile dieser Teilung geteilt, – etc..
         Ich will zeigen, dass nicht nur eine Methode besteht, die Tei-
ligkeit
zu beschreiben.

578
     
     Man wird sich aber vielleicht auch enthalten, den Unterschied überhaupt
mit einer Zahl zu bezeichnen, sondern sich ganz an die Schemata A, AB, ABC,
etc. halten. Oder es auch so beschreiben:
1, 12, 123, etc., oder, was auf das Gleiche hinauskommt: 0, 01, 012, etc..
     Diese kann man sehr wohl auch Zahlzeichen nennen.
     

     Die Schemata: A, AB, ABC, etc.: 1, 12, 123, etc.; !, !!, !!!, etc.;
!.!, !..!, !...!, etc.; 0, 1, 2, 3, etc.; 1, 2, 3, etc.;
1, 12, 121323, etc.; etc. – sind alle gleich fundamental.
     

     Man wundert sich nun darüber, dass das Zahlenschema, mit welchem man Sol-
daten in einer Kaserne zählt, nicht auch für die Teile eines Vierecks gel-
ten soll. Aber das Schema der Soldaten in der Kaserne ist
 
 
,
das der Teile des Vierecks
 
 
. Keines ist im Vergleich zum
andern primär.
     

     Ich kann die Reihe der Teilungsschemata sowohl mit der Reihe 1, 2, 3, etc.
als auch mit der Reihe 0, 1, 2, 3, etc. vergleichen.
     Zähle ich die Teile, so gibt es in meiner Zahlenreihe keine 0, denn
die Reihe
etc. fängt mit einem Buchstaben an, während die Reihe
! !, !.!, !..!, etc. nicht mit einem Punkt anfängt. Ich kann dage-
gen auch mit dieser Reihe alle Tatsachen der Teilung darstellen, nur
“zähle ich dann nicht die Teile”.
     

     Unrichtig ausgedrückt, aber so, wie man es zunächst ausdrücken würde,
lautet das Problem: “warum kann man sagen ‘es gibt 2 Farben auf dieser
Fläche’ und nicht ‘es gibt eine Farbe auf dieser Fläche’?” Oder:
579 ˃
wie muss ich die grammatische Regel ausdrücken, dass ich nicht mehr ver-
sucht bin Unsinniges zu sagen, und dass sie mir selbstverständlich ist?
Wo liegt der falsche Gedanke, die falsche Analogie, durch die ich ver-
führt werde, die Sprache unrichtig zu gebrauchen? Wie muss ich die Gram-
matik darstellen, dass diese Versuchung wegfällt? Ich glaube, dass die
Darstellung durch die Reihen
u.s.w. und
u.s.w. die Unklar-
heit hebt.
     Es kommt alles darauf an, ob ich mit einer Zahlenreihe zähle, die mit
0 anfängt, oder mit einer, die mit 1 anfängt.
     So ist es auch, wenn ich die Längen von Stäben, oder die Grössen von
Hüten zähle.
     Wenn ich mit Zählstrichen zähle, so könnte ich sie dann so schreiben:
 
 
, um zu zeigen, dass es auf den Richtungs-
unterschied ankommt und der einfache Strich der 0 entspricht
(d.h. der Anfang ist).
     



     Es hat hier übrigens mit den Zahlzeichen (1), ((1) + 1), etc. eine
gewisse Schwierigkeit: Nämlich die, dass wir sie nach einer gewissen Län-
ge nicht mehr unterscheiden können, ohne die Striche zu zählen, also ohne
die Zeichen in andere zu übersetzen. “!!!!!!!!!!” und “!!!!!!!!!!!”
kann man nicht in dem Sinne unterscheiden – sie sind also nicht in dem-
selben Sinn verschiedene Zeichen – wie “10” und “11”. Uebrigens würde
dasselbe natürlich auch im Dezimalsystem geschehen (denken wir an die
Zahlen 1111111111 und 11111111111), aber das ist nicht ohne Bedeutung. –
     

     Denken wir uns den Fall, es gäbe uns Einer eine Rechenaufgabe in der
580
Strichnotation, etwa: !!!!!!!!!!! + !!!!!!!!!! und während wir rechne-
ten machte er sich den Spass, Striche, ohne dass wir es bemerkten, wegzu-
wischen und dazuzugeben. Er würde uns dann immer sagen “die Rechnung
stimmt ja nicht” und wir würden sie immer von Neuem durchlaufen, stets
zum Narren gehalten. – Ja, streng genommen, ohne den Begriff eines Krite-
riums der Richtigkeit der Rechnung. –
     Hier könnte man nun Fragen aufwerfen, wie die: Ist es nun nur sehr
wahrscheinlich
, dass 464 + 272 = 736 ist? Und ist also
nicht auch 2 + 3 = 5 nur sehr wahrscheinlich? Und was //wo// ist denn
die objektive Wahrheit, der sich diese Wahrscheinlichkeit nähert? D.h.,
wie bekommen wir denn einen Begriff davon, dass 2 + 3 eine gewisse Zahl
wirklich ist, abgesehen von dem, was sie? uns zu sein scheint? –
     

     Wenn man nämlich fragen würde: was ist das Kriterium in der Strichnota-
tion, dass wir zweimal das gleiche Zahlzeichen vor uns haben? – Die Ant-
wort könnte sein: “wenn es beidemale gleich aussieht”, oder “wenn es bei-
demale die gleiche Anzahl von Strichen enthält.” Oder soll es heissen:
wenn eine eins-zu-eins Zuordnung etc. möglich ist?
     

     Wie kann ich wissen, dass !!!!!!!! und !!!!!!!! dasselbe
Zeichen sind? Es genügt doch nicht, dass sie ähnlich ausschauen.
Denn es ist nicht die ungefähre Gleichheit der Gestalt, was die Identität
der Zeichen ausmachen darf, sondern gerade eben die Zahlengleichheit.
     

/     Das Problem der Unterscheidung von 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 und 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1
ist viel wichtiger //fundamentaler//, als es auf den ersten Blick
scheint. Es handelt sich um den Unterschied zwischen physikalischer und
visueller Zahl. /
581
     




116
2 + 2 = 4.
     






     Die Kardinalzahl ist eine interne Eigenschaft einer Liste.
     

     Hat die Anzahl wesentlich etwas mit einem Begriff zu tun? Ich glaube,
das kommt darauf hinaus, zu fragen, ob es einen Sinn hat, von einer Anzahl
von Gegenständen zu reden, die nicht unter einen Begriff gebracht sind.
Hat es z.B. Sinn zu sagen “a, b und c sind drei Gegenstände”? – Es ist
allerdings ein Gefühl vorhanden, das uns sagt: Wozu von Begriffen reden,
die Zahl hängt ja nur vom Umfang des Begriffes ab, und wenn der
einmal bestimmt ist, so kann der Begriff sozusagen abtreten. Der Begriff
ist nur eine Methode // ein nur ein Hilfsmittel//, um einen Umfang zu
bestimmen, der Umfang aber ist selbständig und in seinem Wesen unabhän-
gig vom Begriff; denn es kommt ja auch nicht daruaf an, durch welchen
Begriff wir den Umfang bestimmt haben. Das ist das Argument für die exten-
sive Auffassung. Dagegen kann man zuerst sagen: Wenn der Begriff wirklich
582
nur ein Hilfsmittel ist, um zum Umfang zu gelangen, dann hat der Begriff
in der Arithmetik nichts zu suchen; dann muss man eben die Klasse gänz-
lich von dem zufällig mit ihr verknüpften Begriff scheiden. Im g entgegen-
gesetzten Fall aber ist der vom Begriff unabhängige Umfang nur eine Chi-
maire und dann ist es besser, von ihm überhaupt nicht zu reden, sondern
nur vom Begriff.
     Das Zeichen für den Umfang eines Begriffes ist eine Liste. Man könnte –
beiläufig – sagen: die Zahl // Anzahl// ist die externe Eigenschaft ei-
nes Begriffs und die interne seines Umfangs (der Liste der Gegenstände,
die unter ihn fallen). Die Anzahl ist das Schema eines Begriffsumfangs.
D.h.: die Zahlangabe ist, wie Frege sagte, die Aussage über einen Begriff
(ein Prädikat). Sie bezieht sich nicht auf einen Begriffsumfang, d.i. auf
eine Liste, die etwa der Umfang eines Begriffes sein kann. Aber die Zahl-
angabe über einen Begriff ist ähnlich dem Satz, welcher aussagt, dass ei-
ne bestimmte Liste der Umfang dieses Begriffs sei. Von so einer Liste
wird Gebrauch gemacht, wenn ich sage: “a, b, c, d fallen unter den Begriff
F(x)”. “a, b, c, d” ist die Liste. Natürlich sagt der Satz nichts anderes,
als Fa & Fb & Fc & Fd; aber er zeigt, mit Hilfe der Liste geschrieben,
seine Verwandtschaft mit “(E x,y,z,u). Fx & Fy & Fz & Fu”, welches wir
kurz “(E !!!!x).F(x)” schreiben können.
     Die Arithmetik hat es mit dem Schema !!!! zu tun. – Aber redet denn
die Arithmetik von Strichen, die ich mit Bleistift auf Papier mache? –
Die Arithmetik redet nicht von den Strichen, sie operiert mit
ihnen.
     

     Die Zahlangabe enthält nicht immer eine Verallgemeinerung oder Unbe-
stimmtheit: “Die Strecke A B ist in zwei (3, 4, et.) gleiche Teile ge-
teilt”.

583
     
     Wenn man wissen will, was “2 + 2 = 4” heisst, muss man fragen, wie wir
es (erhalten), es? ausrechnen. Wir betrachten dann den Vorgang der Berech-
nung als das Wesentliche, und diese Betrachtungsweise ist die des gewöhn-
lichen Lebens, wenigstens, was die Zahlen anbelangt, für die wir eine
Ausrechnung bedürfen. Wir dürfen uns ja nicht schämen, die Zahlen // Zif-
fern// und Rechnungen so aufzufassen, wie sie die alltägliche Arithmetik
jedes Kaufmanns auffasst. Wir rechnen dann 2 + 2 = 4 und überhaupt die
Regeln des kleinen Einmaleins gar nicht aus, sondern nehmen sie – sozusa-
gen als Axiome – an und rechnen nur mit ihrer Hilfe. Wir
könnten aber natürlich auch 2 + 2 = 4 ausrechnen und die Kinder tun es
auch durch Abzählen. Gegeben die Ziffernfolge 1 2 3 4 5 6, ist die Aus-
rechnung:
1
1
2
2
1
3
2
4
.
     

Definitionen zur Abkürzung:

u.s.w.

      
             u.s.w..
550
584
Man kann zeigen dass
eine Tauto-
logie ist.
         Hat man damit den arithmetischen Satz 2 + 3 = 5 demonstriert? Na-
türlich nicht. Man hat auch nicht gezeigt, dass
(é!!x)fx & (é!!!x)Fx & Ind. :C: (é !! + !!!x) fx & Fx tautologisch ist,
denn von einer Summe “!! + !!!” war in unseren Definitionen noch ja gar keine
Rede. (Ich werde die Tautologie zur Abkürzung in der Form “é!! & é!!! C
C é!!!!!” schreiben.) Wenn nun die Frage ist, welche Anzahl von Strichen
rechts von “C” bei gegebener linker Seite das Ganze zu einer Tautologie
machen, so kann man diese Zahl finden, man kann auch finden, dass sie im
vorigen Fall !! + !!! ist, aber genau so gut, dass sie ! + !!!! oder
! + !!! + ! ist, denn sie ist dies alles. Man kann aber auch eine Induktion
finden, die zeigt, dass – algebraisch ausgedrückt –
én & ém.C.é(n + m) tautologisch wird. Dann habe ich z.B. ein Recht
é17 & é28 .C. é(17 + 28) als Tautologie anzusehen. Aber ist nun dadurch die
Gleichung 17 + 28 = 45 gegeben? Keineswegs! Durchaus nicht! Dies muss ich mir vielmehr
nun erst ausrechnen. Es hat nun auch Sinn, nach dieser allgemeinen Regel
é2 & é3 C é5 als Tautologie hinzuschreiben; wenn ich, (sozusagen), noch
nicht weiss, was 2 + 3 ergeben wird; denn 2 + 3 hat nur sofern Sinn, als es
noch ausgerechnet werden muss.
         Daher hat die Gleichung !! + !!! = !!!!! nur dann einen Witz, wenn
das Zeichen “!!!!!” so wiedererkannt wird, wie das Zeichen “5”; näm-
lich unabhängig von der Gleichung.
     

                       Mein Standpunkt unterscheidet sich dadurch von dem
der Leute, die heute über die Grundlagen der Arithmetik schreiben, dass
585
ich es nicht nötig habe, einen bestimmten Kalkül, z.B. den des Dezimal-
systems, zu verachten. Einer ist für mich so gut wie der andere. Einen be-
sondern Kalkül gering zu achten ist so, als wollte man Schach spielen ohne
wirkliche Figuren, weil das zu wenig abstrakt, zu speziell sei. Soweit es
auf die Figuren nicht ankommt, sind eben die einen so gut wie die
andern. Und soweit ein Spiel sich von dem andern doch unterscheidet, ist
eben ein Spiel so gut, d.h. so interessant, wie das andere. Keines aber
ist sublimer als das andre. //Und soweit die Spiele sich doch voneinan-
der unterscheiden, ist eben ……//
     

     Welches ist der Beweis von é!! & é!!! C é!!!!!, der der Ausdruck un-
seres Wissens ist, dass dies ein richtiger logischer Satz ist ?
     Er macht offenbar davon Gebrauch, dass man (Ex) … als logische Summe
behandeln kann. Wir übersetzen etwa von dem Symbolismus (“wenn in jedem
Quadrat ein Stern ist, so sind zwei im ganzen? Rechteck”)
 
 

in den Russell'schen. Und es ist nicht, als gäben wir mit
der Tautologie in dieser Schreibweise einer Meinung Ausdruck, die uns plau-
sibel erscheint und (die?) der Beweis dann bestätigt; sondern, was uns plau-
sibel erscheint ist, dass dieser Ausdruck eine Tautologie (ein Gesetz der
Logik) ist.
     

     
Die Reihe von Sätzen

       (Ex):aRx & xRb
      (Ex,y):aRx & xRy & yRb
      (x,y,z):aRx & xRy & yRz & zRb u.s.f.
kann man sehr wohl so ausdrücken: “es gibt ein Glied zwischen a und b”
      “es gibt zwei Glieder zwischen a und b”
u.s.w.
586
und kann das etwa Schreiben (E1x).aRxRb, (E2x).aRxRb, etc..
Es ist aber klar, dass zum Verständnis dieser Ausdrücke die obere Erklä-
rung nötig ist, weil man sonst nach Analogie von (E2x).fx = (E x,y)fx & fy
glauben könnte (E2x).aRxRb sei gleichbedeutend einem Ausdruck
(E x,y).aRxRb & aRyRb.
     Ich könnte natürlich auch statt “(Ex,y).F(x,y)” schreiben
“(E 2x,y).F(x,y)”. Aber die Frage wäre nun: was habe ich dann unter
“(E 3x,y).F(x,y)” zu verstehen? Aber hier lässt sich eine Regel geben; und
zwar brauchen wir eine, die uns in der Zahlenreihe beliebig weiterführt. Z.B.
die (E 3 x,y).F(x,y) = (E x,y,z): F(x,y) & F(x,z) & F(y,z)

     (E 4 x,y).F(x,y) = (E x,y,z,u): F(x,y) & F(x,z) & … es folgen
die Kombinationen zu zwei Elementen. U.s.f.. Es könnte aber auch definiert
werden: (E 3 x,y).F(x,y) = (E x,y,z).F(x,y) & F(y,x) & F(x,z) & F(z,x) &
F(y,z) & F(z,y) u.s.f..
     “(E 3x).F(x,y)” entspräche etwa dem Satz der Wortsprache “F(x,y) wird
von 3 Dingen befriedigt” und auch dieser Satz bedürfte einer Erklärung um
eindeutig zu werden.
     Soll ich sagen, dass in den //in diesen// verschiedenen Fällen
das Zeichen “3” eine andere //verschiedene // Bedeutung hat? Drückt nicht
vielmehr das Zeichen “3” das aus, was den verschiedenen Interpretationen ge-
meinsam ist? Warum hätte ich es sonst gewählt. Es gelten ja auch die glei-
chen Regeln von dem Zeichen “3” in dieser wie //und // in jener Verwendung
//in di jedem dieser Zusammenhänge//. Es ist nach wie vor durch 2 + 1 zu
ersetzen; etc.. Allerdings aber ist ein Satz nach dem Vorbild von
é!! & é!!! C é!!!!! nun keine Tautologie. Zwei Menschen, die miteinander
in Frieden leben und drei weitere Menschen, die miteinander in Frieden le-
ben geben nicht fünf Menschen, die miteinander in Frieden leben. Aber das
heisst nicht, dass nun 2 + 3 nicht 4 5 ist. Vielmehr lässt sich die Addi-
587
tion nur nicht so anwenden. Denn man könnte sagen: 2 Menschen, die …
und 3 Menschen, die … und von denen jeder mit jedem der ersten Gruppe in
Frieden lebt = 5 Menschen die …
     Mit andern Worten die Zeichen von der Form (E 1 x,y).F(x,y),
(E 2 x,y).F(x,y), etc. haben die Multiplizität der Kardinalzahlen, wie die
Zeichen (E lx).fx, (E 2x).fx, etc. und wie auch die Zeichen (é1x).fx,
(é2x).fx, etc..
     

     “Es gibt nur 4 rote Dinge, aber die bestehen nicht aus 2 und 2, weil es
keine Funktion gibt, die sie zu je zweien unter einen Hut bringt”. Das
hiesse, den Satz 2 + 2 = 4 so auffassen: Wenn auf einer Fläche 4 Kreise zu
sehen sind, so haben je 2 von ihnen immer eine bestimmte
 
 

Eigentümlichkeit miteinander gemein; sagen wir etwa ein
Zeichen innerhalb des Kreises. (Dann sollen natürlich auch
je 3 Krei der Kreise ein Zeichen gemeinˇsam haben, etc..) Denn, wenn ich über-
haupt etwas über die Wirklichkeit annehme, warum nicht das? Das “axiom
of reducibility” ist wesentlich von keiner andern Art. In diesem Sinne könn-
te man sagen, dass zwar 2 und 2 immer 4 ergeben, aber 4 nicht immer aus
2 und 2 besteht. (Nur durch die gänzliche Vagueheit und Allgemeinheit des
Reduktionsaxioms werden wir zu dem Glauben verleitet, als handle es sich
hier //es handle sich hier// – wenn überhaupt um einen sinnvollen Satz –
um mehr, als eine willkürliche Annahme, zu der kein Grund vorhanden ist.
Drum ist es hier und in allen ähnlichen Fällen äusserst klärend, diese All-
gemeinheit, die die Sache ja doch nicht mathematischer macht, ganz fallen
zu lassen und statt ihrer ganz spezialisierte Annahmen zu machen).
     

     Man möchte sagen: 4 muss nicht immer aus 2 und 2 bestehen, aber es
kann, wenn es wirklich aus Gruppen besteht, aus 2 und 2
617
588
wie aus 3 und 1, etc., bestehen; aber nicht aus 2 und 1, oder 3 und 2, etc.;
und so bereiten wir eben alles für den Fall vor, dass 4 in Gruppen zerleg-
bar ist. Aber dann hat es eben die Arithmetik gar nicht mit der wirklichen
Zerlegung zu tun, sondern nur mit jener Möglichkeit der Zerlegung. Die Be-
hauptung könnte ja auch die sein, dass von einer Gruppe von 4 Punkten auf
dem Papier immer je 2 durch einen Strich verbunden sind. // Die Behauptung
könnte ja auch die sein, dass, wenn immer ich eine Gruppe von 4 Punkten
auf einem Papier sehe, je 2 von ihnen durch eine Klammer verbunden sind.//
     Denke: wir gar an die Annahme, Oder: um je 2 solche Gruppen von 2 Punk-
ten sei in der Welt immer ein Kreis gezogen.
     

                       Dazu kommt nun, dass, z.B., die Aussage, dass in ei-
nem weissen Viereck 2 schwarze Kreise zu sehen sind, nicht die Form
“(E x,y). etc.” hat. Denn, gebe ich den Kreisen Namen, dann beziehen sich
diese Namen gerade auf die Orte der Kreise und ich kann nicht von ihnen sa-
gen, sie seien entweder in dem einen oder dem andern Viereck. Ich kann wohl
sagen: “in beiden Vierecken zusammen sind 4 Kreise”, aber das heisst nicht,
dass ich von jedem einzeln sagen kann, dass er im einen oder andern Vier-
eck sei. Denn der Satz “dieser Kreis ist i[j|n] diesem Viereck”, ist im angenom-
menen Fall sinnlos.
     

                       Was bedeutet nun der Satz “in den 2 Vierecken zu-
sammen
sind 4 Kreise”? Wie konstatiere ich das? Indem ich die Zahlen
in beiden addiere? Die Zahl der Kreise in beiden Vierecken zusammen be-
deutet
also dann das Resultate der Addition der beiden Zahlen. – Oder
ist es etwa das Resultat einer besondern // eigenen// Zählung, die durch
beide Vierecke geht; oder die Zahl von Strichen, die ich erhalte, wenn ich
einen Strich einem Kreis zuordne, ob er nun in einem oder im andern
618
589
Viereck ist. Man kann nämlich sagen: “jeder Strich ist entweder einem Kreis
 
 
zugeordnet, der in dem einen, oder einem Kreis, der in dem an-
dern Viereck steht”; aber nicht: “dieser Kreis steht entweder
in diesem oder im andern Viereck”, wenn “dieser Kreis” eben
durch seine Lagen charakterisiert ist. Dies kann nur dann
hier sein, wenn “dies” und “hier” nicht dasselbe bedeuten. Dagegen kann
dieser Strich einem Kreis in diesem Viereck zugeordnet sein, denn er
bleibt dieser Strich, auch wenn er einem Kreis im andern Viereck zugeordnet
ist.
     


                       
 
 
Sind in diesen beiden Kreisen zusammen 9 Punkte
     oder 7? Wie man es gewöhnlich versteht, 7. Aber muss ich es so
verstehen? Warum soll ich nicht die Punkte, die beiden Kreisen
gemeinsam angehören, doppelt zählen:
 
 
     

Anders ist es, wenn man fragt: “wieviel Punkte sind innerhalb der stark
ausgezogenen Grenze?” Denn hier kann ich sagen: es sind 7, in dem Sinne, in
welchem in den Kreisen 5 und 4 sind.
     

                       Man könnte nun sagen: die Summe von 4 und 5 nenne
ich die Zahl, welche die unter den Begriff fx V Fx fallenden Gegenstände
haben, wenn (En4x).fx & (En5x).Fx & Ind. der Fall ist. Und zwar heisst
das (nun?) nicht, dass die Summe von 4 und 5 nur in der Verbindung mit Sät-
zen von der Art (E 4x).fx etc. verwendet werden darf, sondern es heisst:
Wenn Du die Summe von n und m bilden willst, setze die Zahlen links von
“.C.” in die Form (E nx).fx & (E mx).Fx etc. ein, und die Zahl, die rechts
stehen muss, um aus dem ganzen Satz //Ausdruck// eine Tautologie zu ma-
590
chen, ist die Summe von m und n. Dies ist also eine Additionsmethode, und
zwar eine äusserst umständliche:.
     

     Vergleiche: “Wasserstoff und Sauerstoff geben zusammen Wasser” – “2 Punk-
te und 3 Punkte geben zusammen 5 Punkte”.
     

     Bestehen denn z.B. 4 Punkte in meinem Gesichtsfeld, die ich “als 4”,
nicht “als 2 und 2 sehe”, aus 2 und 2? Ja, was heisst das? Soll es heis-
sen, ob sie in irgendeinem Sinne in Gruppen von je 2 Punkten geteilt wa-
ren? Gewiss nicht. (Denn dann müssten sie ja wohl auch in allen andern
denkbaren Weisen geteilt sein.) Heisst es, dass sie sich in Gruppen von 2
und 2 teilen lassen? also, dass es Sinn hat, von solchen
Gruppen in den vieren zu reden? – Jedenfalls entspricht doch das dem Satz
“2 + 2 = 4”, dass ich nicht sagen kann, die Gruppe der 4 Punkte, die ich ge-
sehen habe, habe aus getrennten Gruppen von 2 und 3 Punkten bestanden.
Jeder wird sagen: das ist unmöglich, denn 3 + 2 = 5. (Und “unmöglich”
heisst hier “unsinnig”.)
     

     “Bestehen 4 Punkte aus 2 und 2” kann eine Frage nach einer physikali-
schen oder optischen // visuellen// Tatsache sein; dann ist es nicht die
Frage der Arithmetik. Die arithmetische Frage könnte aber allerdings in
der Form gestellt werden: “Kann eine Gruppe von 4 Punkten aus getrenn-
ten Gruppen von je 2 Punkten bestehen”.
     

     “Angenommen, ich glaubte, es gäbe überhaupt nur eine Funktion und die
4 Gegenstände, die sie befriedigen. Später komme ich darauf, dass sie noch
von einem fünften Ding befriedigt wird; ist jetzt das Zeichen ‘4’ sinnlos
geworden?” – Ja, wenn im Kalkül die 4 nicht existiert, dann ist
‘4’ sinnlos. //Ja, wenn es im Kalkül die 4 nicht gibt, dann ist
591
‘4’ // sie?// sinnlos.//
     

     Wenn man sagt, es wäre möglich, mit Hilfe der Tautologie
(En2x) .fx & (En3x).Fx & Ind. .C. (En5x).fx V Fx. … A) zu addieren,
so wäre das folgendermassen zu verstehen: Zuerst ist e[w|s] möglich, nach ge-
wissen Regeln herauszufinden, dass
         (Enx).fx & (Enx).Fx & Ind. .C. (Enx,y):fx V Fx . & . fy V Fy
tautologisch ist. (Enx).fx ist eine Abkürzung für
             (E x).fx & non(E x,y). fx & fy. Ich werde ferner Tautolo-
gien der Art A zur Abkürzung so schreiben: (E') & (E') C (E')
     So geht also aus den Regeln hervor, dass (E'x) & (E'x) C (E'x,y),
(E'x,y) & (E'x) C (E'x,y,z) und andere Tautologien. Ich schreibe “und an-
[r|d]ere” und nicht “u.s.w. ad inf.), weil man mit diesem Begriff noch
     


     Als die Zahlen im Dezimalsystem hingeschrieben waren, gab es Regeln,
nämlich die der Addition für je zwei Zahlen von 0 bis 9, und die reich-
ten mir, entsprechend angewandt, für Additionen aller Zahlen aus. Welche
Regel entspricht nun diesen Elementarregeln? Es ist offenbar, dass wir
uns in einer Rechnung wie t weniger Regeln merken brauchen als in 17 + 28.
Ja, wohl nur eine allgemeine und gar keine der Art 3 + 2 = 5. Im
Gegenteil, wie[i|v]iel 3 + 2 ist, scheinen wir jetzt ableiten, aus-
rechnen zu können.
     

     Die Aufgabe ist 2 + 3 = ? und man schreibt

        1,2,3,4,5,6,7
        1,2;1,2,3
So rechnen Kinder tatsächlich, wenn sie “abzählen”. (Und dieser Kalkül
muss so gut sein wie ein anderer.)

592
     
     Es ist übrigens klar, dass das Problem, ob 5 + (4 + 3) = (5 + 4) + 3 ist,
sich so lösen lässt:
denn diese Konstruktion hat genau die Multiplizität jedes andern Bewei-
ses dieses Satzes.
     

     
Wenn ich die Zahl nach ihrem
letzten Buchstaben nenne, so
beweist das, dass
(E + D) + C = E + (D + C) = L..
Diese Form des Beweises ist gut,
weil sie deutlich zeigt, dass das Ergebnis wirklich errechnet ist und
weil man aus ihr a doch auch wieder den allgemeinen Beweis herauslesen
kann.
     

     Es ist hier eine gute Mahnung – so seltsam sie klingt –: treibe
hier? nicht Philosophie, sondern Mathematik.



















623
593
     
Unser Kalkül braucht überhaupt noch nichts von der Bildun[b|g] einer Reihe
‘(E'x)’, ‘(E'x,y)’, ‘(E'x,y,z)’, etc. zu wissen, sondern kann einfach ei-
nige, etwa 3, dieser Zeichen einführen, ohne das “u.s.w.”. Wir können nun
einen Kalkül mit einer endlichen Reihe von Zeichen einführen, indem wir
eine Reihenfolge gewisser Zeichen festsetzen, etwan die der Buchstaben des
Alphabets, und schreiben: (E'a) & (E'a) C (E'a,b)
(E'a,b) & (E'a) C (E'a,b,c)
(E'a,b) & (E'a,b) C (E'a,b,c,d)
u.s.w. bis zum z.
Die rechte Seite (rechts vom “C”) kann man dann aus der linken durch einen
Kalkül der Art finden:
Dieser Kalkül ergäbe sich aus den Regeln zur Bildung der Tautologien als
eine Vereinfachung. – Dieses Gesetz der Bildung eines Reihenstückes aus
zwei andern vorausgesetzt, kann ich für das erste nun die Bezeichnung “Sum-
me der beiden andern” einführen und also definieren: a + a≝ab
a + ab≝abc
u.s.w. bis z.
Hätte man an einigen Beispielen die Regel des Kalküls B erklärt, so könnte
man auch diese Definitionen als Spezialfälle einer allgemeinen Regel be-
trachten und nun Aufgaben stellen von der Art: “abc + ab = ?”.
Es liegt nun nahe, die Tautologie
                            s) (E'a,b) & (E'a,b) C (E'a,b,c,d) mit der
Gleichung t) ab + ab = abcd zu verwech-
seln. – Aber diese ist eine Ersetzungsregel, jene ist keine Regel, sondern
eben eine Tautologie. Das Zeichen “C” in s entspricht in keiner Weise
dem “ = ” in t.
        Man vergisst, dass das Zeichen “C” in s ja nicht sagt, dass die
624
594
beiden Zeichen rechts und links von ihm eine Tautologie ergeben.
         Dagegen könnte man einen Kalkül konstruieren, in welchem die Glei-
chung x + y = z als eine Transformation erhalten wird (aus?) der Gleichung:
       u) (E'x) & (E'y) C (E'z) = Taut..
So, dass ich also sozusagen z = x + y erhalte, wenn ich z aus der Glei-
chung u herausrechne.
     

                         Wie tritt der Begriff der Summe in diese Ueberle-
gungen ein? – Im ursprünglichen Kalkül, der (etwa) feststellt, dass die
Form (E'x) & (E'y) C (E'z)
v)
( z.B.?) tautologisch wird für x = ij, y = i und z = ijk, ist von Summie-
rung nicht die Rede. – Dann bringen wir ein Zahlensystem in den Kalkül
(etwa das System a b c d … z). Und endlich definieren wir die Summe
zweier Zahlen als diejenige Zahl z, welche die Gleichung u löst.
     

     (Wenn wir statt “(E'x) & (E'x) C (E'x,y)” schrieben:
“(E'x) & (E'x) C (E' x + x)”, so hätte das keinen Sinn; es sei denn, dass
die Notation von vornherein nicht I) “(E'x) etc.”, “(E'x,y) etc.”, (E'x,y
            “(E'x,y,z) etc.” lautet, sondern:
<K)> “(E'x) etc.”, “(E x + x) etc.”, “(E x + x + x) etc.”.
      Denn warum sollten wir plötzlich statt
                         “(E'x,y) & (E'x) C (E'x,y,z)” schreiben:
                          “(E'x,y) & (E'x) C (E'xy + x)”? das wäre nur eine
Verwirrung der Notation. – Nun sagt man: Es vereinfacht doch das Hinschrei-
ben der Tautologie sehr, wenn man in der rechten Klammer gleich die Ausdrücke
der beiden linken hinschreiben kann. Aber diese Schreibweise ist ja noch
gar nicht erklärt; ich weiss ja nicht, was (E' xy + z) bedeutet, dass näm-
lich (E'xy + x) = (E'x,y,z) ist.
      Wenn man aber von vornherein die Notation “(E'x)”, “(E' x + x)”,
625
595
“(E' x + x + x)”, so hätte vorerst nur der Ausdruck “(E' x + x + x + x)”
Sinn, aber nicht “(E'(x + x) + (x + x))”.
         Die Notation K ist auf [E|e]iner Stufe mit //im gleichen Fall wie //
I. Dass // ob// sich in der Form v eine Tautologie ergibt, kann man etwa
kurz durch das Ziehen von Verbindungslinien kalkulieren, also


(E' x,y) & (E' x,y) C (E' x,y,z,u) und analog


(E' x + x) & (E' x + x) C (E' x + x + x + x).
Die Bögen //Verbindungslinien// entsprechen nur der Regel, die in jedem
Fall für die Kontrolle der Tautologie gegeben sein muss. Von einer Addition
ist hier noch keine Rede. Die tritt erst ein, wenn ich mich entschliesse
– z.B. – statt “x,y,z,u” “xy + xy” zu schreiben, und zwar in Verbindung mit
einem Kalkül, der nach Regeln die Ableitung einer Ersetzungsregel
“xy + xy = xyzu” erlaubt. Addition liegt auch dann nicht vor, wenn ich in
der Notation K schreibe “(E'x) & (E'x) C (E' x + x)”, sondern erst, wenn ich
zwischen “x + x” und “(x) + (x)” unterscheide und schreibe:
     (x) + (x) = (x + x).
     

                          Ich kann “die Summe von x und y” (“x + y”) als die
Zahl z definieren (oder: “den Ausdruck” – wenn wir uns scheuen, das Wort
Zahl zu gebrauchen) – ich kann “x + y” als die Zahl z definieren, die den
Ausdruck v tautologisch macht; – man kann aber auch “x + y”, z.B., durch
den Kalkül B definieren (unabhängig von dem der Tautologien) und nun die
Gleichung (E'x) & (E'y) C (E' x + y) = Taut. beweisen
// ab-
leiten
//.
     

                          Eine Frage, die sich leicht einstellt, ist die:
müssen wir die Kardinalzahlen in Verbindung mit der Notation
596
(E x,y, …). fx & fy & … einführen? Ist der Kalkül der Kardinalzah-
len irgendwie an den mit den Zeichen “(E x,y …). fx & fy …” gebun-
den? Ist etwa der letztere die einzige, und vielleicht wesentlich einzige,
Anwendung der Kardinalzahlen //des ersten ersteren//? Was die “Anwendung der Kar-
dinalarithmetik auf die // in der// Grammatik” betrifft, so kann man auf
das verweisen, was wir über den Begriff der Anwendung eines Kalküls ge-
sagt haben. – Man könnte nun unsere Frage auch so stellen: Kommen die Kar-
dinalzahlen in den Sätzen unserer Sprache immer hinter dem Zeichen “E” vor:
wenn wir uns nämlich die Sprache in die Russell'sche Notation übersetzt
denken? Diese Frage hängt unmittelbar mit der zusammen: Wird das Zahlzei-
chen in der Sprache immer als Charakterisierung eines Begriffes – einer
Funktion – gebraucht? Die Antwort darauf ist, dass unsere Sprache die Zahl-
zeichen immer in Verbindung mit // als Attribute von// Begriffswörtern
gebraucht – dass aber diese Begriffswörter unter sich gänzlich verschiede-
nen grammatischen Systemen angehören (was man daraus <…> sieht, dass das
eine in Verbindungen Bedeutung hat, in denen das andre sinnlos ist), so
dass die Norm, die sie zu Begriffswörtern macht, für uns uninteressant
wird. Eine ebensolche Norm aber ist die Schreibweise “(E x,y, …) etc.”;
sie ist die direkte Uebersetzung einer Norm unserer Wortsprachen, nämlich
des Ausdruckes “es gibt …”, eines Sprachschemas //Ausdrucksschemas//,
in das unzählige logische //grammatische // Formen gepr[r|e]sst sind.
     

     Uebrigens ist das Zahlzeichen, jetzt in einem andern Sinne, nicht mit
“E” verbunden: insofern nämlich “(E 3x) …” nicht in “(E 2 + 3 x) …” ent-
halten ist. // insofern da nämlich “(E3)x …” nicht in “(E 2 + 3)x …” enthalten ist.//
     

     Wenn wir von den, mittels “ = ” konstruierten Funktionen
(x = a V x = b etc.) absehen, so wird nach Russells Theorie
628
597
5 = 1, wenn es keine Funktion gibt, die nur von einem Argument, oder
nur von 5 Argumenten befriedigt wird. Dieser Satz scheint natürlich auf
den ersten Blick unsinnig; denn, wie kann man dann sinnvoll sagen, dass es
keine solchen Funktionen gibt. Russell müsste sagen, dass man die beiden
Aussagen, dass es Fünfer- und Einserfunktionen gibt, nur dann getrennt ma-
chen kann, wenn wir in unserem Symbolismus eine Fünfer- und eine Einserklas-
se haben. Er könnte etwa sagen, dass seine Auffassung richtig sei, weil ich,
ohne das Paradigma der Klasse 5 im Symbolismus, gar nicht sagen könne, eine
Funktionen werde von 5 Argumenten befriedigt. – D.h., dass aus der Existenz
des Satzes “(Ef): (E'1x).fx” seine Wahrheit schon hervorgeht. – Man scheint
also sagen zu können: schau' auf diesen Satz, dann wirst Du sehen, dass er
wahr ist. Und in einem, für uns irrelevanten, Sinn ist das auch möglich: Den-
ken wir uns etwa auf die Wand eines Zimmers mit roter Farbe geschrieben:
“in diesem Zimmer befindet sich etwas Rotes”.
         Dieses Problem hängt damit zusammen, dass ich in der hinweisenden
Definition von dem Paradigma (Muster) nichts aussage, sondern nur mit seiner
Hilfe Aussagen mache; dass es zum Symbolismus gehört und nicht einer der
Gegenstände ist, auf den ich ihn auf anwende //auf den ich den Symbolismus
anwende//.
         Ist z.B. “1 Fuss” definiert als die Länge eines bestimmten Stabes
in meinem Zimmer, und ich würde etwa statt “diese Tür ist 6 Fuss hoch” sa-
gen: “diese Tür hat sechsmal diese Länge (wobei ich auf den Einheits-
stab zeige)”, – dann könnte man nicht (etwa) sagen: “der Satz ‘es gibt einen
Gegenstand von 1 Fuss Länge’ beweist sich selbst, denn ich könnte diesen
Satz gar nicht aussprechen, wenn es keinen Gegenstand von dieser Länge gäbe”;
denn vom Einheitsstab kann ich nicht aussagen, dass er 1 Fuss lang sei.
(Wenn ich nämlich statt “1 Fuss” das Zeichen “diese Länge” einführe,
so hiesse die Aussage, dass der Einheitsstab die Länge 1 Fuss hat: “dieser
Stab hat diese Länge (wobei ich beide Male auf den gleiche Stab zeige).)
So kann man von der Gruppe der Striche, welche etwa als Paradigma der 3
629
598
steht nicht sagen, es bestehe aus 3 Strichen.
         “Wenn jener Satz nicht wahr ist, so gibt es diesen Satz gar nicht” –
das heisst: “wenn es diesen Satz nicht gibt, so gibt es ihn nicht”. Und ein
Satz kann das Paradigma im andern niemals beschreiben, sonst ist es eben
nicht Paradigma. Wenn die Länge des Einheitsstabes durch die Längenangabe
1 Fuss” beschrieben werden kann, dann ist er nicht das Paradigma der Län-
geneinheit, denn sonst müsste jede Längenangabe mit seiner Hilfe gemacht
werden.
     

                         Ein Satz, “non(Ef):(E'x).fx” muss, wenn wir ihm
überhaupt einen Sinn/geben, von der Art dessen //des Satzes // sein: “es gibt
keinen Kreis auf dieser Fläche, der nur einen schwarzen Fleck enthält”.
(Ich meine: er muss einen ähnlich [/|b]estimmten Sinn haben; und nicht
vague bleiben, wie er in der Russell'schen Logik [i|u]nd in meiner der Abhand-
lung wäre.)
         Wenn nun aus den Sätzen “non(Ef):(E'x).fx” und …R)
und “non(Ef) :(E'x, y). fx & fy … S)
folgt, dass 1 = 2 ist, so ist hier mit “1” und “2” nicht das gemeint, was
wir sonst damit meinen, dann die Sätze R und S würden in der Wortsprache
lauten: “es gibt keine Funktion, die nur von einem Ding befriedigt wird”
und “es gibt keine Funktion, die nur von 2 Dingen befriedigt wird”. Und
dies sind nach den Regeln unserer Sprache Sätze mit verschiedenem Sinn.
     

                         Man ist versucht zu sagen: “Um ‘(E x,y).fx & fy’ aus-
drücken zu können // auszudrücken//, brauchen wir 2 Zeichen ‘x’ und ‘y’.”
Aber das heisst nichts. Was wir dazu brauchen, ist vielleicht Pa-
pier und Feder; und der Satz so wenig, wie: “um ‘p’ auszudrücken,
brauchen wir ‘p’”. // Was wir dazu brauchen, sind, etwa, die
599
Schreibutensilien, nicht die Bestandteile des Satzes. Ebensowenig hiesse
es, zu sagen: “Um ‘(E x,y). fx & fy’ auszudrücken, brauchen wir das Zei-
chen ‘(E x,y). fx & fy’.”//
     

     Wenn man s fragt: “was heisst denn dann ‘5 + 7 = 12’ – was für ein Sinn
oder Zweck bleibt denn noch für diesen Ausdruck, nachdem man die Tautolo-
gien etc. aus dem arithmetischen Kalkül ausges[h|c]haltet // ausgeschlossen//
hat, – so ist die Antwort: Diese Gleichung ist eine Ersetzungsregel, die
sich auf bestimmte allgemeine Ersetzungsregeln, die Regeln der Addition,
stützt. Der Inhalt von 5 + 7 = 12 ist (wenn einer es nicht wüsste) genau
das, was den Kindern Schwierigkeiten macht, wenn sie diesen Satz im Re-
chenunterricht lernen.
     

     Keine Untersuchung der Begriffe, nur die Einsicht in den Zahlenkalkül
kann vermitteln, dass 3 + 2 = 5 ist. Das ist es, was sich in uns auflehnt
gegen den Gedanken, dass
     (E'3x).fx & (E'2x).gx & Ind. .C. (E'5x).fx V gx”
der Satz 3 + 2 = 5 sein könnte. Denn das //dasjenige//, wodurch wir die-
sen //jenen// Ausdruck als Tautologie erkennen, kann ich selbst nicht
aus einer Betrachtung von Begriffen ergeben, sondern muss aus dem Kalkül
zu ersehen sein. Denn die Grammatik ist ein Kalkül. D.h., was im Tautolo-
gien[.|-]Kalkül noch ausser dem Zahlenkalkül da ist, rechtfertigt diesen nicht
und ist, wenn wir uns für ihn interessieren, nur Beiwerk.
     

     Die Kinder lernen in der Schule wohl 2 × 2 = 4, aber nicht 2 = 2.
600
     




117
Zahlangaben innerhalb der Mathematik.
     






     Worin liegt der Unterschied zwischen der Zahlangabe über einen Begriff
//Zahlangabe, die sich auf einen Begriff // und der Zahlangabe, die sich
auf eine Variable bezieht? Die Erste ist ein Satz, der von dem Begriff
handelt, die zweite eine grammatische Regel die Variable betreffend.
     Kann ich aber nicht eine Variable dadurch bestimmen, dass ich sage, ih-
re Werte sollen alle Gegenstände sein, die eine bestimmte Funktion befrie-
digen? – Dadurch bestimme ich ja die Variable nicht, ausser wenn
ich weiss, welche Gegenstände die Funktion befriedigen, d.h. wenn
mir diese Gegenstände auch auf andre Weise (etwa durch eine Liste) gegeben
sind; und dann wird die Angabe der Funktion überflüssig. Wissen wir nicht,
ob ein Gegenstand die Funktion befriedigt, so wissen wir nicht, ob er ein
Wert der Variablen sein soll und die Grammatik der [F|V]ariablen ist dann in
dieser Beziehung einfach nicht bestimmt //ausgesprochen//.
     

     Zahlangaben in der Mathematik (z.B. “die Gleichung x² = 1 hat 2 Wur-
zeln”) sind daher von ganz anderer Art, als Zahlangaben ausserhalb der
601
Mathematik (“auf dem Tisch liegen 2 Aepfel”.)
     

     Wenn man sagt, A B lasse 2 Permutationen zu, so klingt das, als mache
man eine allgemeine Aussage, analog der “in dem Zimmer sind 2
Menschen”, wobei über die Menschen noch nichts weiter gesagt ist und be-
kannt sein braucht. Das ist aber im Falle A B nicht so. Ich kann A B, B A
nicht allgemeiner beschreiben und daher kann der Satz, es seien 2 Permu-
tationen möglich, nicht weniger sagen, als, es sind die Permutationen A B
und B A möglich. Zu sagen, es sind 6 Permutationen von 3 Elementen möglich
kann nicht weniger, d.h. etwas allgemeineres sagen, als das Schema zeigt:
ABC
ACB
BAC
BCA
CAB
CBA
Denn es ist unmöglich, die Zahl der möglichen Per-
mutationen zu kennen, ohne diese selbst zu kennen. Und wäre
das nicht so, so könnte die Kombinatorik nicht zu ihren all-
gemeinen Formeln kommen. Das Gesetz, welches wir in der Bil-
dung der Permutationen erkennen, ist durch die Gleichung p = n! darge-
stellt. Ich glaube, in demselben Sinn, wie der Kreis durch die Kreisglei-
chung. – Ich kann freilich die Zahl 2 den Permutationen A B, B A zuord-
nen, sowie die 6 den ausgeführten Permutationen von A, B, C, aber das
gibt mir nicht den Satz der Kombinationslehre. – Das was ich in A B, B A
sehe, ist eine interne Relation, die sich daher nicht beschreiben lässt.
D.h. das lässt sich nicht beschreiben, was diese Klasse von Permutatio-
nen komplett macht. – Zählen kann ich nur, was tatsächlich da ist, nicht
die Möglichkeiten. Ich kann aber z.B. berechnen, wieviele Zeilen ein
Mensch schreiben muss, wenn er in jede Zeile eine Permutation von 3 Ele-
menten setzt und solange permutiert, bis er ohne Wiederholung nicht wei-
ter kann. Und das heisst, er braucht 6 Zeilen, um auf diese Weise die
Permutationen A B C, A C B etc. hinzuschreiben, denn dies sind eben
die Permutationen von A, B, C”. Es hat aber keinen Sinn zu sagen,
602
dies seien alle Permutationen von A B C.
     

     Eine Kombinationsrechenmaschine ist denkbar ganz analog der Russischen.
     

     Es ist klar, dass es eine mathematische Frage gibt: “wieviele Permuta-
tionen von – z.B. – 4 Elementen gibt es”, eine Frage von genau derselben
Art, wie die “wieviel ist 25 × 18”. Denn es gibt eine allgemeine Methode
zur Lösung beider.
     Aber die Frage gibt es auch nur mit Bezug auf diese Methode.
     

     Der Satz, es gibt 6 Permutationen von 3 Elementen, ist identisch mit
dem Permutationsschema und darum gibt es hier keinen Satz “es gibt 7 Per-
mutationen von 3 Elementen”, denn dem entspricht kein solches Schema.
     

     Man könnte die Zahl 6 in diesem Falle auch als eine andere Art von An-
zahl, die Permutationszahl von A, B, C auffassen. Das Permutieren als ei-
ne andere Art des Zählens.
     

     Wenn man wissen will, was ein Satz bedeutet, so kann man immer fragen
“wie weiss ich das”. Weiss ich, dass es 6 Permutationen von 3 Elementen
gibt, auf die gleiche Weise wie, dass 6 Personen im Zimmer sind? Nein. Da-
rum ist jener Satz von anderer Art als dieser.
     

     Man kann auch sagen, der Satz “es gibt 6 Permutationen von 3 Elementen”
verhält sich genau so zum Satz “es sind 6 Leute im Zimmer”, wie der Satz
3 + 3 = 6, den man auch in der Form “es gibt 6 Einheiten in 3 + 3” aus-
sprechen könnte. Und wie ich in dem einen Fall die Reihen im Permutations-
schema zähle, so kann ich im andern die Striche in
!
!
!
!
!
!
zählen.

603
     
     Wie ich 4 × 3 = 12 durch das Schema beweisen kann:
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
, so kann
ich 3! = 6 durch das Permutationsschema beweisen.
     

     Der Satz “die Relation R verbindet zwei Gegenstände miteinaˇnder”, wenn
das soviel heissen soll, wie “R ist eine zweistellige Relation” ist ein
Satz der Grammatik.
604
     




118
Zahlengleichheit.
Längengleichheit.
     







     Wie soll man nun den Satz auffassen “diese Hüte haben die gleiche
Grösse”, oder “diese Stäbe haben die gleiche Länge”, oder “diese Flecken
haben die gleiche Farbe”? Soll man sie in der Form schreiben:
     “(E L).La & Lb”? Aber wenn das in der gewöhnlichen Weise gemeint
wird, also mit den gewöhnlichen Regeln gebraucht wird, so müsste es ja
dann Sinn haben zu schreiben “(E L).La” also “der Fleck a hat eine Far-
be”, “der Stab hat eine Länge”. Ich kann freilich “(E L).La & Lb” für “a
und b sind gleichlang” schreiben, wenn ich nur weiss und berücksichtig[d|e], dass
“(E L).La” sinnlos ist; aber dann wird die Notation irreführend und verwir-
rend. (<>eine Länge haben”, “einen Vater haben”.) – Wir haben hier den Fall,
den wir in der gewöhnlichen Sprache so oft so ausdrücken: “Wenn a die Län-
[f|g]e L hat, so hat b auch L”; aber hier hätte der Satz “a hat die Länge L”
gar keinen Sinn, oder doch nicht als Aussage über a; und der Satz lautet
richtiger “nennen wir die Länge von a ‘L’, so ist die Länge von b auch L”
605
und ‘L’ ist eben hier wesentlich eine Variable. Der Satz hat übrigens
die Form eines Beispiels, eines Satzes, der als Beispiel zum allgemei-
nen Satz dienen kann und man würde etwa auch fortfahren //fortsetzen//:
“wenn z.B. a 5 m lang ist //die Länge 5 m hat//, so hat b auch 5 m,
u.s.w.”. – Zu sagen “die Stäbe a und b haben die gleiche Länge” sagt
nämlich gar nichts über die Länge jedes Stabes; denn es sagt auch nicht,
“dass jeder der beiden eine Länge hat”. Der Fall hat also gar keine
Aehnlichkeit mit dem: “A und B haben den gleichen Vater” und “der Name
des Vaters von A und B ist ‘N’”, wo ich einfach für die allgemeine
Bezeichnung den Eigennamen einsetze. ‘5 m’ ist aber d nicht der Name der
betreffenden Länge, von der zuerst nur gesagt wurde, dass a und b sie
beide besässen. Wenn es sich um Längen im Gesichtsfeld handelt, können
wir zwar sagen, die beiden Längen seien gleich, aber wir können sie im
allgemeinen nicht mit einer Zahl “benennen”. – Der Satz “ist L die Länge
von a, so hat auch b die Länge L” schreibt seine Form nur als eine von
der Form // eines // des // Beispiels // von der eines Beispiels // deri-
vierte (Form) hin. Und man könnte den allgemeinen Satz auch wirklich
durch eine Anführung //Aufzählung // von Beispielen mit einem “u.s.w.”
ausdrücken. Und es ist eine Wiederholung desselben Satzes, wenn ich
sage: “a und b sind gleichlang; ist die Länge von a L, so ist die Länge
von b auch L; ist a 5 m lang, so ist auch b 5 m lang, ist a 7 m, so ist
b 7 m, u.s.w.”. Die dritte Fassung zeigt schon, dass in dem Satz nicht
das “und” zwischen zwei Formen steht, wie in “(Ex). fx & Fx”, so dass
man auch (Ex). fx” und (Ex). Fx” schreiben dürfte.
     Nehmen wir als Beispiel auch den [D|S]atz “in den beiden Kisten sind
gleichviel Aepfel”. Wenn man diesen Satz in der Form schreibt” es gibt
606
eine Zahl, die die Aep Zahl der Aepfel in beiden Kisten ist”, so kann
man auch hier nicht die Form bilden: “es gibt eine Zahl, die die Zahl
der Aepfel in dieser Kiste ist”, oder “die Aepfel in dieser Kiste haben
eine Zahl”. Schreibe ich:
(Ex). fx. & . non(Ex,y). fx & fy . = . (En1x).fx . = . f1 etc.,
so könnte man den Satz “die Anzahl der Aepfel in den beiden Kisten ist
die gleiche” schreiben:
“(E n). fn & Fn”. “(En). fn” aber wäre kein Satz.
     

     Will man den Satz “unter f und F fallen gleichviele Gegenstände” in
übersichtlicher Notation schreiben, so ist man vor allem versucht, ihn
in der Form “fn & Fn” zu schreiben. Und [c|f]erner empfindet man das nicht
562
607
als logisches Produkt von fn und Fn, so dass es also auch Sinn hätte zu
schreiben fn & F5 – sondern es ist wesentlich, dass nach ‘f’ und ‘F’ der
gleiche Buchstabe folgt und fn & Fn ist eine Abstraktion aus logischen
Produkten f4 & F4, f5 & F5 etc., nicht selbst ein logisches Produkt.
        (Es würde also auch nicht aus fn & Fn fn folgen. ‘fn & Fn’ ver-
hält sich vielmehr zu einem logischen Produkt ähnlich wie der Differenzial-
quot[t|i]ent zu einem Quotienten.) Es ist so wenig ein Logisches Produkt, wie
die Photographie einer Familiengruppe eine Gruppe von Photographien ist. Da-
rum kann uns also die Form “fn & Fn” irreführen und es wäre vielleicht eine
Schreibweise der Art “” vorzuziehen; aber auch “(En). fn & Fn”,
wenn die Grammatik dieses Zeichens festgelegt ist. Man kann dann festlegen:
(En). fn = Taut., was soviel heisst wie (En). fn & p = p. Also
(E n). fn V Fn = Taut., (En). fn C Fn = Taut., (En). fn ! Fn = Cont., etc..
               f1 & F1 & (En). fn & Fn = f1 & (En). fn & Fn
               f2 & F2 & (En). fn & Fn = f2 & (En) . fn & Fn
                etc. ad inf..
Und überhaupt sind die Rechnungsregeln für (En). fn & Fn daraus abzuleiten,
dass man schreiben kann: (En). fn & Fn = fo & Fo . V . f1 & F1 . V . f2 & F2
u.s.w. ad inf.. Es ist klar, dass dies keine logische Summe ist, da “u.s.w.
ad inf.” kein Satz ist. Die Notation (En) fn & Fn ist aber auch nicht un-
missverständlich; denn man könnte sich wundern, warum man hier statt
fn & Fn nicht Gn sollte setzen können und dann sollte ja “(En). Gn”
nichtssagend werden. Das klärt sich natürlich auf, wenn man ˇauf die Notation
non(Ex). fx für fo, (E x). fx & non(E x,y). fx & fy für f1, etc. zurück-
geht, beziehungsweise auf (En0x). fx für fo (En1x). fx für f1, etc..
Denn dann ist zu unterscheiden zwischen (En1x). fx & (En1x). Fx und
(En1x). fx & Fx. Und geht man auf (En (En). fn & Fn über, so bedeutet
das (En):(Ennx). fx & (Ennx). Fx (welches nicht nichtssagend ist) und nicht
(En) :(Ennx). fx & Fx, welches nichtssagend ist.
563
608
     
                        Die Worte “gleichzahlig”, “längen<g>leich”, “gleich-
färbig”, etc. haben ähnliche aber verschiedene Grammatik. //aber nicht
die gleiche Grammatik.// – In allen Fällen liegt die Auffassung des Sat-
zes als eine endlose logische Summe nahe, deren Glieder die Form fn & Fn
haben. Ausserdem hat jedes dieser Worte mehrere verschiedene Bedeutungen, d.
h., könnte selbst wieder durch mehrere Wörter mit verschiedener Grammatik
ersetzt werden. Denn “gleichzahlig” heisst etwas anderes, wenn es auf Stri-
che angewandt wird, die gleichzeitig im Gesichtsraum sind, als wenn es sich
auf die Aepfel in zwei Kisten bezieht; und “gleichlang” auf den // im//
Gesichtsraum angewandt ist verschieden von “gleichlang” im euklidischen
Raum; und die Bedeutung von “gleichfärbig” hängt von dem Kriterium ab, das
wir für die Gleichfärbigkeit annehmen.
     

                        Wenn es sich um Flecke im Gesichtsraum handelt, die
wir zu gleicher Zeit sehen, so hat das Wort “gleichlang” verschiedene Be-
deutung, je nachdem die Strecken unmittelbar angrenzend oder von einander
entfernt sind. In der Wortsprache hilft man sich da oft //häufig // mit
dem W[r|o]rt “es scheint”.
     

                        Die Gleichzahligkeit, wenn es sich um eine Anzahl
von Strichen handelt, “die man übersehen kann”, ist eine andere, als die,
welche nur durch Zählen der Striche festgestellt werden kann.
     
 
 
Verschiedene Kriterien der Gleichzahligkeit: I und II die
Zahl, die man unmittelbar erkennt; III das Kriterium der
Zuordnung; IV hier muss man beide Klassen zählen; V man
erkennt das gleiche Muster. (Das sind natürlich nicht die
einzigen Fälle.)

564
609
     
                       Im Fall der Längengleichheit im euklidischen Raum
mag man sagen, sie bestehe darin, dass beide Strecken die gleiche Zahl von
cm messen, beide 5 cm, beide 10 cm, etc.. Wenn es sich aber um die Längen-
gleichheit zweier Strecken im Gesichtsraum handelt, so gibt es hier nicht
eine Länge L die beide haben.
     

                       Man möchte sagen: zwei Stäbe müssen immer entweder
gleichlang oder verschieden lang sein. Aber was heisst das? Es ist natürlich
eine Regel der Ausdrucksweise. “In den zwei Kisten müssen entweder gleich-
viel Aepfel oder verschiedene Anzahlen sein”. Das Anlegen zweier Masstäbe
an je eine Strecke soll die Methode sein, wie ich herausfinde, ob die beiden
Strecken gleichlang sind: sind sie aber gleich lang, wenn die beiden Masstä-
be gerade ˇnicht angelegt sind? Wir würden in diesem Fall sagen, wir [|wi]ssen nicht,
ob die beiden während dieser Zeit gleich oder verschieden lang sind. Aber
man könnte auch sagen, sie haben während dieser Zeit keine Längen, oder et-
wa keine numerischen Längen.
     

                       Aehnliches, wenn auch nicht das Gleiche, gilt von der
Zahlengleichheit.
     

                       Es gibt hier die Erfahrung, dass wir eine Anzahl Punk-
te sehen, deren Anzahl wir nicht unmittelbar sehen können, die wir aber wäh-
rend des Zählens überblicken können, so dass es Sinn hat zu sagen, sie haben
sich während des Zählens nicht verändert. Anderseits aber gibt es auch den
Fall einer Gruppe von Körpern // Gegenständen// oder Flecken, die wir nicht
übersehen können, während wir sie zählen, so dass es hier das frühere Kri-
terium, ˇ dafür, dass die Gruppe sich während des Zählens nicht verändert, nicht gibt.

610
     
     Russells Erklärung der Gleichzahligkeit ist aus verschiedenen Gründen
ungenügend. Aber die Wahrheit ist, dass man in der Mathematik keine sol-
che Erklärung der Gleichzahligkeit braucht. Hier ist überhaupt alles
falsch aufgezäumt.
     Was uns verführt die Russell'sche, oder Frege'sche, Erklärung anzuneh-
men, ist der Gedanke, zwei Klassen von Gegenständen (Aepfeln in zwei
Kisten) seien gleichzahlig, wenn man sie einander 1 zu 1 zuordnen kön-
ne
. Man denkt sich die Zuordnung als eine Kontrolle der Gleichzahlig-
keit. Und hier macht man in Gedanken wohl noch eine Unterscheidung zwi-
schen Zuordnung und Verbindung durch eine Relation; und zwar wird die
Zuordnung zur Verbindung, was die “geometrische Gerade” zu einer wirkli-
chen ist, eine Art idealer Verbindung; einer Verbindung, die quasi von
der Logik vorgezeichnet ist und durch die Wirklichkeit nun nachgezogen
werden kann. Es ist die Möglichkeit, aufgefasst als eine schattenhafte
Wirklichkeit. Dies hängt dann wieder mit der Auffassung von “(Ex). fx”
als Ausdruck der Möglichkeit von fx zusammen.
     “f und F sind gleichzahlig” (ich werde dies schreiben “S(f,F)”, oder
auch einfach “S”) soll ja aus “f5 & F5” folgen; aber aus f5 & F5 folgt
nicht, dass f und F durch eine 1–1 Relation R verbunden sind (dies
werde ich “P(f,F)” oder “P” schreiben). Man hilft sich, indem man
sagt, es bestehe dann eine Relation der Art
566
611

       “x = a & y = b . V . x = c & y = d . V . u.s.w.”.
Aber, erstens, warum definiert man dann nicht gleich S als das Bestehen
einer solchen Relation. Und wenn man darauf an[f|t]wortet, diese Defi-
nition //Erklärung// würde die Gleichzahligkeit bei unendlichen Anzahlen
nicht einschliessen, so ist zu sagen, dass dies nur auf eine Frage der
“Eleganz” hinausläuft, da ich letzten Endes für endliche Zahlen meine Zu-
flucht doch zu den “extensiven“Beziehungen nehmen müsste. Aber diese füh-
ren uns auch zu nichts; denn, zu sagen, zwischen f und F bestehe eine Be-
ziehung – z.B. – der Form x = a & y = b . V . x = c & y = d sagt nichts andres, als
        (E x,y). fx & fy . & . non(E x,y,z). fx & fy & fz : & :
     : & : (E x,y). Fx & Fy . & . non(E x,y,z). Fx & Fy & Fz   .
(Was ich in der Form schreibe
(En2x). fx & (En2x). Fx
   .
Und, zu sagen, zwischen f und F bestehe eine der Beziehungen
x = a & y = b ; x = a & y = [b|d] . V . x = c & y = d ; etc. etc., heisst nichts andres als,
es bestehe eine der Tatsachen f1 & F1 ; f2 & F2; etc. etc. Nun hilft man
sich mit der grösseren Allgemeinheit, indem man sagt, zwischen f und F be-
stehe irgend eine 1–1 Relation und vergisst, dass man dann doch für die
Beziehung Bezeichnung dieser Allgemeinheit die Regel festlegen muss, nach welcher “ir-
gend eine Relation” auch die Relationen der Form x = a & y = b etc. ein-
schliesst. Dadurch, dass man mehr sagt, kommt man nicht darum herum, das
Engere zu sagen, das in dem Mehr vorhanden sein soll. (Die Logik lässt
sich nicht betrügen.)
         In dem Sinne von S also, in welchem S aus f5 & F5 folgt, wird
es durch die Russell'sche Erklärung nicht erklärt. Vielmehr braucht man da
eine Reihe von Erklärungen
fo & S = fo & Fo = Fo & S
f1 & S = f1 & F1 = F1 & S …A
etc. ad inf.
Dagegen wird P als Kriterium der Gleichzahligkeit gebraucht und kann na-
türlich in einem andern Sinne von S auch S gleichge-
612
setzt werden. (Und man kann dann nur sagen: Wenn in Deiner // einer// No-
tation S = P ist, dann bedeutet S nichts andres als P.)
     Es folgt zwar nicht P aus f5 & F5, wohl aber f5 & F5 aus P & f5.
P & f5 = P & f5 & F5 = P & F5
u.s.w..
Also kann man schreiben:
P & fo = P & fo & Fo = P & fo & S
P & f1 = P & f1 & F1 = P & f1 & S …B
P & f2 = P & f2 & F2 = P & f2 & S
      u.s.w. ad inf..
Und dies kann man dadurch ausdrücken, dass man sagt, die Gleichzahligkeit
folge aus P. Und man kann auch die Regel geben P & S = P, die mit
den Regeln, oder der Regel, B und der Regel A übereinstimmt.
     

     Die Regel “aus P folgt S” also P & S = P könnte man auch ganz gut
weglassen: die Regel B tut denselben Dienst.
     Schreibt man S in der Form fo & Fo . V . f1 & F1 . V . f2 & F2 . V .
. V . … ad inf., so kann man mit grammatischen Regeln, die der gewohnten
Sprache entsprechen, leicht P & S = P ableiten. Denn
      (fo & Fo . V . f1 & F1 etc. ad inf.) & P = fo & Fo & P . V . f1 & F1 & P . V .

. V . etc. ad inf. = fo & P . V . f1 & P . V . f2 & P . V . etc. ad inf. =
= P & (fo V f1 V f2 V etc. ad inf.) = P   . Der Satz
“fo V f1 V f2 V etc. ad inf.” muss als Tautologie behandelt werden.
     

     
 
 
Man kann den Begriff der Gleichzahligkeit so auffas-
sen, dass es keinen Sinn hat, von zwei Gruppen von
Punkten Gleichzahligkeit oder das Gegenteil auszusa-
gen, wenn es sich nicht um zwei Reihen handelt, deren
eine zum mindesten einem Teil der andern 1–1 zugeord-
613
net ist. Zwischen solchen Reihen kann m dann nur von einseitiger oder
gegenseitiger Iklusion Inklusion //Einschliessung // die Rede sein.
Und diese hat eigentlich mit besondern Zahlen so wenig zu tun, wie die
Längengleichheit oder Ungleichheit im Gesichtsraum mit Masszahlen. Die
Verbindung mit den Zahlen kann gemacht werden, muss aber nicht ge-
macht werden. Wird die Verbindung mit der Zahlenreihe gemacht, so wird
die Beziehung der gegenseitigen Inklusion oder Längengleichheit der Rei-
hen zur Beziehung der Z[ä|a]hlengleichheit. Aber nun folgt nicht nur
F5 aus P & f5 sondern auch P aus f5 & F5. Das heisst, hier ist S = P.
614
     





Mathematischer Beweis.








































615
     



119
Wenn ich sonst etwas suche, so kann ich das Finden beschreiben, auch
wenn es nicht eingetreten ist; anders, wenn ich die Lösung eines
mathematischen Problems suche.
Mathematische Expedition und Polarexpedition.
     





     Wie kann es in der Mathematik Vermutungen geben? Oder vielmehr: Wel-
cher Natur ist das, was in der Mathematik wie eine Vermutung aussieht?
Wenn icha also etwa Vermutungen über die Verteilung der Primzahlen an-
stelle.
     Ich könnte mir z.B. denken, dass jemand in meiner Gegenwart Primzah-
len der Reihe nach hinschriebe, ich wüsste nicht, dass es die Primzahlen
sind – ich könnte etwa glauben, es seien Zahlen, wie sie ihm eben ein-
fielen – und nun versuchte ich irgendein Gesetz in ihnen zu finden.
Ich könnte nun geradezu eine Hypothese über diese Zahlenfolge aufstellen,
wie über jede andere, die ein physikalisches Experiment ergibt.
     In welchem Sinne habe ich nun hiedurch eine Hypothese über die Vertei-
lung der Primzahlen aufgestellt?

616
     
     Man könnte sagen, eine Hypothese in der Mathematik hat den Wert, dass
sie die Gedanken an einen bestimmten Gegenstand – ich meine ein bestimm-
tes Gebiet – heftet und man könnte sagen “wir werden gewiss etwas Interes-
santes über diese Dinge herausfinden”.
     

     Das Unglück ist, dass unsere Sprache so grundverschiedene Dinge mit h
jedem der Worte “Frage”, “Problem”, “Untersuchung”, “Entdeckung” bezeich-
net. Ebenso h mit den Worten “Schluss”, “Satz”, “Beweis”.
     

     Es frägt sich wieder, welche Art der Verifikation lasse ich für meine
Hypothese gelten? Oder kann ich vorläufig – faute de mieux – die empiri-
sche gelten lassen, solange ich noch keinen “strengen Beweis” habe?
Nein. Solange ein solcher Beweis nicht besteht, besteht gar keine Verbin-
dung zwischen meiner Hypothese und dem “Begriff” der Primzahl.
     

     Erst der sogenannte Beweis verbindet die Hypothese überhaupt mit den
Primzahlen als solchen. Und das zeigt sich daran, dass – wie
gesagt – bis dahin die Hypothese als eine rein physikalische aufgefasst
werden kann. – Ist andererseits der Beweis geliefert, so beweist er gar
nicht, was vermutet worden war, denn in die Unendlichkeit hinein kann
ich nicht vermuten. Ich kann nur vermuten, was bestätigt werden kann, aber
durch die Erfahrung kann nur eine endliche Zahl von Vermutungen bestätigt
werden, und den Beweis kann man nicht vermuten, solange man ihn nicht
hat, und ˇdann auch nicht.
     

     Angenommen, es hätte Einer den pythagoräischen Lehrsatz zwar nicht be-
wiesen, wäre aber durch Messungen der Katheten und Hypothenusen zur “Ver-
mutung” dieses Satzes geführt worden. Und nun fände er den Beweis und
sagt, er habe nun bewiesen, was er früher vermutet hatte: so ist doch we-
617
nigstens das eine merkwürdige Frage: An welchem Punkt des Beweises kommt
denn nun das heraus, was er früher durch die einzelnen Versuche bestätigt
fand? denn der Beweis ist doch wesensverschieden von der früheren Metho-
de. – Wo berühren sich diese Methoden, da sie angeblich in irgendeinem
Sinne das Gleiche ergeben? D.h.: Wenn der Beweis und die Versuche nur
verschiedene Ansichten Desselben (derselben Allgemeinheit) sind.
     (Ich sagte “aus der gleichen Quelle fliesst nur Eines” und man könnte
sagen, es wäre doch zu sonderbar, wenn aus so verschiedenen Quellen
dasselbe fliessen sollte. Der Gedanke, dass aus verschiedenen Quellen
dasselbe fliessen kann ist und von der Physik, d.h. von den Hypothesen so
geläufig // vertraut//. Dort schliessen wir immer von Symptomen auf die
Krankheiten und wissen, dass die verschiedensten Symptome, Symptome Des-
selben sein können.)
     

     Wie konnte man nach der Statistik das vermuten, was dann der Be-
weis zeigte?
     

     Wo soll aus dem Beweis dieselbe Allgemeinheit hervorspringen, die die
früheren Versuche wahrscheinlich machten?
     

     Ich hatte die Allgemeinheit vermutet, ohne den Beweis zu vermuten (neh-
me ich an) und nun beweist der Beweis gerade die Allgemeinheit, die ich
vermutete!?
     

     Angenommen, jemand untersuchte gerade [G|Z]ahlen auf das Stimmen des
Goldbach'schen Satzes hin. Er würde nun die Vermutung aussprechen – und
die lässt sich aussprechen – dass, wenn er mit dieser Untersuchung fort-
fährt, er solange er lebt keinen widersprechenden Fall antreffen werde.
618
Angenommen, es werde nun ein Beweis des Satzes gefunden, – beweist der
dann auch die Vermutung des Mannes? Wie ist das möglich?
     

     Nichts ist verhängnisvoller für das philosophische Verständnis, als
die Auffassung von Beweis und Erfahrung als zweier verschiedener, also
doch vergleichbarer Verifikationsmethoden.
     



     Welcher Art war Scheffers Entdeckung, dass p . V . q und non-p sich
durch p/q ausdrücken lassen? – Man hatte keine Methode, nach p/q zu su-
chen und wenn man heute eine fände, so könnte das keinen Unterschied ma-
chen.
     Was war es, was wir vor der Entdeckung nicht wussten? (Es war nichts,
was wir nicht wussten, sondern etwas, was wir nicht kannten.)
     Das sieht man sehr deutlich, wenn man sich den Einspruch erhoben denkt,
p/p sei gar nicht das, was non-p sagt. Die Antwort ist natürlich, dass es
sich nur darum handelt, dass das System p/q etc. die nötige Multiplizität
hat. Scheffers hat also ein symbolisches System gefunden, das die nötige
Multiplizität hat.
     Ist es ein Suchen, wenn ich das System Scheffers nicht kenne und sage,
ich möchte ein System mit nur einer logischen Konstanten konstruie-
ren. Nein!
     Die Systeme sind ja nicht in einem Raum, so dass ich sagen könnte:
Es gibt Systeme mit 3 und 2 logischen Konstanten und nun suche ich die
Zahl der Konstanten in der selben Weise zu vermindern. Es
gibt hier keine selbe Weise.
     

/      Wenn auf die Lösung – etwa – des Fermat'schen Problems Preise ausge-
619
setzt sind, so könnte man mir vorhalten: Wie kannst Du behaupten // sagen//,
dass es dieses Problem nicht gebe; wenn Preise auf die Lösung ausgesetzt
sind, so muss es das Problem wohl geben. Ich müsste sagen: Gewiss, nur
missverstehen die, die darüber reden, die Grammatik des Wortes “mathema-
tisches Problem” und des Wortes “Lösung”. Der Preis ist eigentlich auf
die Lösung einer naturwissenschaftlichen Aufgabe gesetzt; (gleichsam)
[q|a]uf das Aeussere der Lösung (darum spricht man z.B. auch von ei-
ner Riemann'schen Hypothese). Die Bedingungen der Aufgabe sind
äusserliche; und wenn die Aufgabe gelöst ist, so entspricht, was gesche-
hen ist, der gestellten Aufgabe //der Stellung der Aufgabe//, wie die
Lösung einer physikalischen Aufgabe dieser Aufgabe.
     

     Wäre die Aufgabe, eine Konstruktion des regelmässigen Fünfecks zu
finden, so ist die Konstruktion in dieser Aufgabestellung durch das physi-
kalische Merkmal charakterisiert, dass sie tatsächlich ein durch
Messung definiertes
regelmässiges Fünfeck liefern</>soll.
Denn den Begriff der konstruktiven Fünfteilung
(oder des konstruktiven Fünfecks) haben wir ja
noch gar nicht. //erhalten wir ja erst durch die Konstruktion.//
     

     Ebenso im Fermat'schen Satz haben wir ein empirisches Gebilde, das wir
als Hypothese deuten, also – natürlich – nicht als Ende einer
Konstruktion. Die Aufgabe fragt also, in gewissem Sinne, nach etwas Ande-
rem, als was die Lösung gibt./
     

/      Natürlich steht auch der Beweis des Gegenteils des [G|F]ermat'schen
Satzes, z.B.,– im gleichen Verhältnis zur Aufgabe, wie der Beweis des
Satzes. (Beweis der Unmöglichkeit einer Konstruktion.)/

620
     
     Sofern man die Unmöglichkeit der 3-Teilung als eine physische Unmög-
lichkeit darstellen kann, indem man z.B. sagt: “versuch' nicht, den Winkel
in 3 gleiche Teile zu teilen, es ist hoffnungslos!”, insofern beweist
der “Beweis der Unmöglichkeit” diese nicht. Dass es hoffnungs-
los
ist, die Teilung zu versuchen, das hängt mit physikalischen Tatsa-
chen zusammen.
     

     Denken wir uns, jemand stellte sich folgendes // dieses// Problem:
Es ist ein Spiel zu erfinden: das Spiel soll auf einem Schachbrett ge-
spielt werden; jeder Spieler soll 8 Steine haben; von den weissen Stei-
nen sollen 2 (die “Konsulen”), die an den Enden der Anfangsposition
stehen, durch die Regeln irgendwie ausgezeichnet sein; sie sollen eine
grössere Bewegungsfreiheit haben als die andern; von den schwarzen
Steinen soll einer (der “Feldherr” ein ausgezeichneter sein; ein weis-
ser Stein nimmt einen schwarzen (und umgekehrt), indem er sich an des-
sen Stelle setzt; das ganze Spiel soll eine gewisse Analogie mit den
Punischen Kriegen haben. Das sind die Bedingungen, denen das Spiel zu ge-
nügen hat. – Das ist gewiss eine Aufgabe, und eine Aufgabe ganz andrer
Art, als die, herauszufinden, wie Weiss im Schachspiel unter gewissen Bedingungen gewinnen könne. – Denken wir uns nun aber die Frage //das
Problem//: “Wie kann Weiss in unserm //dem // Kriegsspiel, dessen Re-
geln wir noch nicht genau kennen, in 20 Zügen gewinnen?” – Dieses Pro-
blem wäre ganz analog den Problemen der Mathematik (nicht ihren Rechen-
aufgaben).
     



     Was versteckt ist, muss gefunden werden können. (Versteckter Wider-
spruch.)
621
     
     Was versteckt ist, muss sich auch, ehe es gefunden wurde, ganz be-
schreiben lassen, als wäre es (schon?) gefunden.
     

     Wenn man sagt, der Gegenstand ist so versteckt, dass es unmöglich ist,
ihn zu finden, so hat das guten Sinn und die Unmöglichkeit ist hier na-
türlich keine logische; d.h., es hat Sinn, von dem Finden des Ge-
genstandes zu reden und auch, es zu beschreiben; und wir leugnen nur,
dass das //es // geschehen wird.
     

     Man könnte so sagen: Wenn ich etwas suche – ich meine, den Nordpol, oder ein Haus in London – so kann ich das, was ich suche, voll-
ständig
beschreiben, ehe ich es gefunden habe (oder gefunden habe,
dass es nicht da ist) und diese Beschreibung wird in jedem Fall logisch
einwandfrei sein. Während ich im Falle des “Suchens” in der Mathematik,
wo es nicht in einem System geschieht, das was ich suche, nicht be-
schreiben kann, oder nur scheinbar; denn, könnte ich es in allen Einzel-
heiten beschreiben, so hätte ich es eben schon, und ehe es voll-
ständig
beschrieben ist, kann ich nicht sicher sein, ob das
was ich suche, logisch einwandfrei ist, sich also überhaupt beschreiben
lässt; d.h. diese unvollkommene Beschreibung lässt gerade das aus, was
notwendig wäre, damit etwas gesucht werden könnte. Sie ist also nur eine
Scheinbeschreibung des “Gesuchten”.

     Irregeführt wird man hier leicht durch die Rechtmässigkeit einer un-
vollkommenen Beschreibung im Falle des Suchens eines wirklichen Gegen-
standes, und hier spielt wieder eine Unklarheit über die Begriffe ‘Be-
schreibung’ und ‘Gegenstand’ hinein. Wenn man sagt, ich gehe auf den Nord-
pol und erwarte mir dort eine Flagge zu finden, so hiesse das in der
Russell'schen Auffassung: ich erwarte mir Etwas (ein X) zu finden, das
eine Flagge – etwa von dieser und die[w|s]er Farbe und Grösse – ist. Und es
622
scheint dann, als bezöge sich die Erwartung (das Suchen[a|)] auch hier nur
auf eine Beschreibung //indirekte Kenntnis // und nicht auf den Gegen-
stand selbst, den ich erst dann direkt //eigentlich// kenne (knowledge
by acquaintance), wenn ich ihn vor mir habe (während ich früher //vor-
her // nur indirekt mit ihm bekannt bin). Aber das ist Unsinn. Was immer
ich dort wahrnehmen kann – soweit es eine Bestätigung meiner Erwartung ist –
kann ich auch schon vorher beschreiben. Und “beschreiben” heisst hier
nicht, etwas darüber aussagen, sondern es aussprechen, d.h.: Was ich su-
che, muss ich vollständig beschreiben können.
     

     Die Frage ist: Kann man sagen, dass die Mathematik heute gleichsam
ausgezackt – oder ausgefranst – ist und dass man sie deshalb wird abrunden
können. Ich glaube, man kann das erstere nicht sagen, ebensowenig wie man
sagen kann, die Realität sei struppig, weil es 4 primäre Farben, sieben
Töne in einer Oktav, drei Dimensionen im Sehraum etc. gäbe.
     

     Die Mathematik <>abrunden<> kann man so wenig, wie man sagen kann “runden
wir die vier primären Farben auf fünf oder zehn ab”, oder “runden wir die
acht Töne einer Oktav auf zehn ab”.
     



     Vergleich zwischen einer mathematischen Expedition und einer Polarex-
pedition. Diesen Vergleich anzustellen hat Sinn und ist sehr nützlich.
     

     Wie seltsam wäre es, wenn eine geographische Expedition nicht sicher
wüsste, ob sie ein Ziel, also auch ob sie überhaupt einen Weg hat. Das
können wir uns nicht denken, es gibt Unsinn. Aber in der mathematischen
623
Expedition verhält es sich geradeso. Also wird es vielleicht am besten
sein, den Vergleich ganz fallen zu lassen.
     Es wäre wie eine Expedition, die des Raumes nicht ganz sicher
wäre!
     

     Könnte man sagen, dass die arithmetischen oder geometrischen Probleme
immer so ausschauen, oder fälschlich so aufgefasst werden können, als be-
zögen sie sich auf Gegenstände im Raum, während sie sich auf den Raum
selbst beziehen?
     

     Raum nenne ich das, dessen man beim Suchen gewiss sein kann.
624
     



120
Beweis, und Wahrheit und Falschheit eines mathematischen Satzes.
     




     Der bewiesene mathematische Satz hat in seiner Grammatik zur Wahrheit
hin ein Uebergewicht. Ich kann, um den Satz von 25 × 25 = 625 zu ver-
stehen, fragen: wie wird dieser Satz bewiesen. Aber ich kann nicht fra-
gen: wie wird – oder würde – sein Gegenteil bewiesen; denn es hat keinen
Sinn, vom Beweis des Gegenteils von 25 × 25 = 625 zu reden. Will ich
also eine Frage stellen, die von der Wahrheit des Satzes unabhängig i[d|s]t,
so muss ich von der Kontrolle seiner Wahrheit, nicht von ihrem
Beweis, oder Gegenbeweis, reden. Die Methode der Kontrolle entspricht
dem, was man den Sinn des mathematischen Satzes nennen kann. Die Be-
schreibung dieser Methode ist allgemein und bezieht sich auf ein System
von Sätzen, etwa den Sätzen der Form a × b = c.
     

     Man kann nicht sagen: “ich werde ausrechnen, dass es so ist”,
sondern “ob es so ist”. Also, ob so, oder anders.
     

     Die Methode der Kontrolle der Wahrheit entspricht dem Sinn des mathe-
625
matischen Satzes. Kann von so einer Kontrolle nicht die Rede sein, dann
bricht die Analogie der “mathematischen Sätze” mit dem, was wir sonst
Satz nennen, zusammen. So gibt es eine Kontrolle für die Sätze der Form
“(E k)
n
m


n
m
…” und “non(E k)
n
m


n
m
…”, die sich auf Intervalle beziehen.
     

     Denken wir <…> nun an die Frage: “hat die Gleichung x² + ax + b = 0
eine reelle Lösung”. Hier gibt es wieder eine Kontrolle und die Kontrolle
scheidet zwischen den Fällen (E …) etc. und non(E …) etc.. Kann ich
aber in demselben Sinne auch fragen und kontrollieren “ob die Gleichung
eine Lösung hat”? es sei denn, dass ich diesen Fall wieder mit andern in
ein System bringe.
     

     (In Wirklichkeit konstruiert der “Beweis des Hauptsatzes der Algebra”
eine neue Art von Zahlen.)
     

     Gleichungen sind eine Art von Zahlen. (D.h. sie können den Zahlen ähn-
lich behandelt werden.)
     

     Der “Satz der Mathematik”, welcher durch eine Induktion bewiesen ist –,
so aber, dass man nach dieser Induktion nicht in einem System von Kon-
trollen suchen // fragen// kann, – ist nicht ‘Satz’ in dem Sinne, in
welchem es die Antwort auf eine mathematische Frage ist.
     “Jede Gleichung G hat eine Wurzel”. Und wie, wenn sie keine hat? kön-
nen wir diesen Fall beschreiben, wie den, dass sie keine rationale Lö-
sung di hat? Was ist das Kriterium dafür, dass eine Gleichung keine Lö-
sung hat? Denn dieses Kriterium muss gegeben sein // werden//, wenn die
mathematische Frage einen Sinn haben soll und wenn das, was die
Form eines Existenzsatzes hat, “Satz” im Sinne der Antwort auf eine Frage
626
sein soll. //und wenn der Existenzssatz Antwort auf eine Frage sein
soll.//
     (Worin besteht die Beschreibung des Gegenteils; worauf stützt sie
sich; auf welche Beispiele, und wie sind diese Beispiele mit einem be-
sonderen Fall des bewiesenen Gegenteils verwandt? Diese Fragen [i|s]ind
nicht etwa nebensächlich, sondern absolut wesentlich.)
     (Die Philosophie der Mathematik besteht in einer genauen Untersuchung
der mathematischen Beweise – nicht darin, dass man die Mathematik mit
einem Dunst umgibt.)
     

     Wenn in den Diskussionen über die Beweisbarkeit der mathematischen
Sätze gesagt wird, es gäbe wesentlich Sätze der Mathematik, deren Wahr-
heit oder Falschheit unentschieden bleiben müsse, so bedenken //wis-
sen//, die es sagen, nicht, dass solche Sätze, wenn wir sie gebrau-
chen können und “Sätze” nennen wollen, ganz andere Gebilde sind, als
was sonst “Satz” genannt wird: denn der Beweis ändert die Grammatik des
Satzes. Man kann wohl ein und dasselbe Brett einmal als Windfahne, ein
andermal als Wegweiser verwenden; aber das feststehende nicht als Wind-
fahne und das bewegliche nicht als Wegweiser. Wollte jemand sagen “es
gibt auch bewegliche Wegweiser”, so würde ich ihm antworten: “Du willst
wohl sagen, ‘es gibt auch bewegliche Bretter’; und ich sage
nicht, dass das bewegliche Brett unmöglich irgendwie verwendet werden
kann, – nur nicht als Wegweiser”.
     Das Wort “Satz”, wenn es hier überhaupt Bedeutung haben soll, ist
äquivalent einem Kalkül und zwar jedenfalls den, in welchem p. V . non-p =
Taut. ist (das “Gesetz des ausgeschlossenen Dritten” gilt). Soll es
nicht gelten, so haben wir den Begriff des Satzes geändert. Aber wir
627
haben damit keine Entdeckung gemacht (etwas gefunden, das ein Satz ist,
und dem und dem Gesetz nicht gehorcht); sondern eine neue Festsetzung ge-
troffen, ein neues Spiel angegeben.
628
     



121

      Wenn Du wissen willst, was bewiesen wurde, schau den Beweis an.
     





     Die Mathematiker verirren sich nur dann, wenn sie über Kalküle im
Allgemeinen reden wollen; und zwar darum, weil sie dann die besondern
Bestimmungen vergessen, die jedem besonderen Kalkül als Grundelage die-
nen //zu Grunde liegen//.
     

     Der Grund, warum alle Philosophen der Mathematik fehlgehen, ist der,
dass man in der Logik nicht allgemeine Dicta durch Beispiele begründen
kann, wie in der Naturgeschichte. Sondern jeder besondere Fall hat die
grösstmögliche? // volle?// Bedeutung, und anderseits wieder ist mit ihm alles
erschöpft, und man kann keinen allgemeinen Schluss aus ihm ziehen (also
keinen Schluss). …Bedeutung, aber alles ist mit ihm erschöpft.
……//
     

     Eine logische Fiktion gibt es nicht und darum kann man nicht mit lo-
[t|g]ischen Fiktionen arbeiten; und muss jedes Beispiel ganz ausführen.

629
     
     In der Mathematik kann es nur mathematische Schwierigkeiten // troub[k|l]es//
geben, nicht philosophische.
     

     Der Philosoph notiert eigentlich nur das, was der Mathematiker so? ge-
legentlich über seine Tätigkeit hinwirft.
     

     Der Philosoph kommt leicht in die Lage eines ungeschickten Direktors,
der, statt seine Arbeit zu tun und nur darauf zu schauen, dass sei-
ne Angestellten ihre Arbeit richtig machen, ihnen ihre Arbeit abnimmt und
sich so eines Tages mit fremder Arbeit überladen sieht, während die Ange-
stellten zuschaun und ihn kritisieren.
     Besonders ist er geneigt, sich die Arbeit des Mathematikers aufzuhal-
sen.
     



     Wenn Du wissen willst, was der Ausdruck “Stetigkeit einer Funktion”
bedeutet, schau' den Beweis der Stetigkeit an; der wird ja zeigen, was er
beweist. Aber sieh nicht das Resultat an, wie es in Prosa hingeschrieben
// ausgedrückt// ist und auch nicht, wie es in der Russell'schen Not[q|a]-
tion lautet, die ja bloss eine Uebersetzung des Prosaausdrucks ist; son-
dern richte Deinen Blick dorthin, wo im Beweis noch gerechnet wird. Denn
der Wortausdruck des angeblich bewiesenen Satzes ist meist irreführend,
denn er verschleiert das eigentliche Ziel des Beweises, das in diesem mit
voller Klarheit zu sehen ist.
     

     “Wird die Gleichung von irgend welchen Zahlen befriedigt?”; “sie wird
von Zahlen befriedigt”; “sie wird von allen Zahlen (von keiner Zahl) be-
630
friedigt”. Hat Dein Kalkül Beweise? und welche? daraus erst wird man den
Sinn dieser Sätze und Fragen entnehmen können.
     

     Sage mir wie Du suchst und ich werde Dir sagen was Du suchst.
     

     Wir werden uns zuerst fragen müssen: Ist der mathematische Satz
bewiesen? und wie? Denn der Beweis gehört zur Grammatik des Satzes! –
Dass das so oft nicht eingesehen wird, kommt daher, dass wir hier wieder
auf der Bahn einer uns irreführenden Analogie denken. Es ist, wie gewöhn-
lich in diesen Fällen, eine Analogie aus unserm naturwissenschaftlichen
Denken. Wir sagen z.B. “dieser Mann ist vor 2 Stunden gestorben”, und
wenn man uns fragt “wie lässt sich das feststellen”, so können wir eine
Reihe von Anzeigen [|(]Symptomen) dafür angeben. Wir lassen aber auch die
Möglichkeit dafür offen, dass etwa die Medizin bis jetzt unbekannte Metho-
den entdeckt, die Zeit des Todes festzustellen und das heisst: Wir können
solche mögliche Methoden auch jetzt schon beschreiben, denn nicht ihre
Beschreibung wird entdeckt, sondern, es wird nur experimentell festge-
stellt, ob die Beschreibung den Tatsachen entspricht. So kann ich z.B.
sagen: eine Methode besteht darin, die Quantität des Hämoglobins im Blut
zu finden, denn diese nehme mit der Zeit nach dem Tode, nach dem und dem
Gesetz, ab. Das [d|s]timmt natürlich nicht, aber, wenn es stimmte, so würde
sich dadurch an der von mir erdichteten Beschreibungs nichts ändern.
Nennt man nun die medizinische Entdeckung “die Entdeckung eines Beweises
dafür, dass der Mann vor 2 Stunden gestorben ist”, so muss man sagen, dass
diese Entdeckung an der Grammatik des Satzes “der Mann ist vor 2 Stunden
gestorben”, nichts ändert. Die Entdeckung ist die Entdeckung, dass eine
bestimmte Hypothese wahr ist (oder: mit den Tatsachen übereinstimmt).
Diese Denkweise sind wir nun so gewöhnt, dass wir den Fall der Entdeckung
eines Beweises in der Mathematik unbesehen für den gleichen oder einen
631
ähnlichen halten. Mit Unrecht: denn, kurz gesagt, den mathematischen Be-
weis konnte man nicht beschreiben, ehe er gefunden war.
     Der ‘medizinische Beweis’ hat die Hypothese, die er bewiesen hat, nicht
in einen neuen Kalkül eingegliedert und ihm also keinen neuen Sinn gege-
ben; der mathematische Beweis gliedert den mathematischen Satz in einen
neuen Kalkül ein, er verändert seine Stellung in der Mathematik. Der Satz
mit seinem Beweis gehört einer andern Kategorie an, als der Satz ohne den
Beweis. (Der unbewiesene mathematische Satz – Wegweiser der mathematischen
Forschung, Anregung zu mathematischen Konstruktionen.)
     

     Sind die Variablen von derselben Art in den Gleichungen:
                      x² + y² + 2xy = (x + y)²
                      x² + 3x + 2 = 0
                      x² + ax + b = 0
                      x² + xy + z = 0     ?
Das kommt auf die Verwendung dieser Gleichungen an. – Aber der Unterschied
zwischen No Nr.1 und No Nr.2 (wie sie gewöhnlich gebraucht werden) ist nicht einer
der Extension der Worte, die sich sie befriedigen. Wie beweist Du den Satz
“No1 gilt für alle Werte von x und y” und wie den Satz “es gibt Werte von
x, die No2 befriedigen”? So viel Analogie in diesen Beweisen ist, soviel
Analogie ist im Sinn der beiden Sätze.
     

     Aber kann ich nicht von einer Gleichung sagen: “Ich weiss, sie stimmt
für einige Substitutionen nicht – ich erinnere mich nicht, für wel-
che
–; ob sie aber allgemein nicht stimmt, das weiss ich nicht”? –
Aber was meinst Du damit, wenn Du sagst, Du weisst das? Wie weisst Du es?
Hinter den Worten “ich weiss …” ist ja nicht ein bestimmter Geisteszu-
stand, der der Sinn dieser Worte wäre. Was kannst Du mit diesem Wissen
632
anfangen? denn das wird zeigen, worin dieses Wissen besteht. Kennst Du
eine Methode, um festzustellen, dass die Gleichung allgemein ungiltig
ist? Erinnerst Du Dich daran, dass die Gleichung für einige Werte von x
zwischen 0 und 1000 nicht stimmt? Hat Dir jemand bloss die Gleichung ge-
zeigt und gesagt, er habe Werte für x gefunden, die die Gleichung nicht
befriedigen, und weisst Du vielleicht selbst nicht, wie man dies für ei-
nen gegebenen Wert konstatiert? etc. etc.
     



     “Ich habe ausgerechnet, dass es keine Zahl gibt, welche …”. – In
welchem Rechnungssystem kommt diese Rechnung vor? – Dies wird uns zei-
gen, in welchem Satzsystem der errechnete Satz ist. (Man fragt auch:
“wie rechnet man so etwas aus?”)
     

     “Ich habe gefunden, dass es so eine // eine solche// Zahl gibt”.
     “Ich habe ausgerechnet, dass es keine solche Zahl gibt”.
     Im ersten Satz darf ich nicht “keine” statt “eine” einsetzen. – Und
wie, wenn ich im zweiten statt “keine” “eine” setze? Nehmen wir an, die
//eine// Rechnung ergibt nicht den Satz“ non(En) etc.”, sondern
“ (En) etc.”. Hat es dann etwa Sinn zu sagen: “nur Mut! jetzt musst Du
einmal auf eine solche Zahl kommen, wenn Du nur lang genug pro-
bierst”? Das hat nur Sinn, wenn der Beweis nicht “(En) etc.” ergeben,
sondern dem Probieren Grenzen gesteckt hat, also etwas ganz anderes ge-
leistet hat. D.h., das, was wir den Existenzsatz nennen, der uns eine
Zahl suchen lehrt, hat zum Gegenteil nicht den Satz “(n). etc.”, son-
dern einen Satz, der sagt, dass in dem und dem Intervall keine Zahl ist,
die …. Was ist das Gegenteil des Bewiesenen? – Dazu muss man auf den
Beweis schauen. Man kann sagen: das Gegenteil des bewiesenen Satzes ist
633
das, was statt seiner durch einen bestimmten Rechnungsfehler im Beweis
bewiesen worden wäre. Wenn nun z.B. der Beweis, dass non(En). etc. der
Fall ist, eine Induktion ist die zeigt, dass, soweit ich auch gehe, ei-
ne solche Zahl nicht vorkommen kann, so ist das Gegenteil dieses Bewei-
ses (ich will einmal diesen Ausdruck gebrauchen) nicht der Existenzbe-
weis in unserem Sinne. – Es ist hier nicht, wie im Fall des Beweises,
dass keine oder eine der Zahlen a, b, c, d die Eigenschaft P hat; und
diesen Fall hat man immer als Vorbild vor Augen. Hier könnte ein Irrtum
darin bestehen, dass ich glaube c hätte die Eigenschaft und, nachdem
ich den Irrtum eingesehen hätte, wüsste ich, dass keine der Zahlen
die Eigenschaft hat. Die Analogie bricht eben hier zusammen.
     (Das hängt damit zusammen, dass ich nicht in jedem Kalkül, in dem ich
Gleichungen gebrauchen, eo ipso auch die Verneinungen von Gleichungen
gebrauchen darf. Denn 2 × 3 [/| = ] 7 heisst nicht, dass die Gleichung
“2 × 3 = 7” nicht vorkommen soll, wie etwa die Gleichung “2 × 3 = sinus”,
sondern die Verneinung ist eine Ausschliessung innerhalb eines von vorn-
herein bestimmten Systems. Eine Definition kann ich nicht verneinen, wie
eine nach Regeln abgeleitete Gleichung.)
     Sagt man, das Intervall im Existenzbeweis sei nicht wesentlich, da ein
andres Intervall es auch getan hätte, so heisst das natürlich nicht, dass
das Fehlen einer Intervallangabe es auch getan hätte. – Der Beweis der
Nichtexistenz hat zum Beweis der Existenz nicht das Verhältnis eines
Beweises von p zum Beweis des Gegenteils.
     Man sollte glauben, in dem Beweis des Gegenteils von “(En). etc.”
müsste sich eine Negation einschleichen // verirren// können, durch
die irrtümlicherweise “non(En) etc.” bewiesen wird.
     Gehen wir doch einmal, umgekehrt, von den Beweisen aus und nehmen wir
an, sie wären uns ursprünglich gezeigt worden und man hätte uns dann ge-
fragt: was beweisen diese Rechnungen? Sieh auf die Beweise und entschei-
634
de dann, was sie beweisen.
     

     Ich brauche nicht zu behaupten, man müsse die n Wurzeln der
Gleichung n-ten Grades konstruieren können, sondern ich sage nur, dass
der Satz “diese Gleichung hat n Wurzeln” etwas anderes heisst,
wenn ich ihn durch Abzählen der konstruierten Wurzeln, und wenn ich ihn
anderswie bewiesen habe. Finde ich aber eine Formel für die Wurzeln ei-
ner Gleichung, so habe ich einen neuen Kalkül konstruiert und keine
Lücke eines alten ausgefüllt.
     

     Es ist daher Unsinn zu sagen, der Satz ist erst bewiesen, wenn man ei-
ne solche Konstruktion aufzeigt. Denn dann haben wir eben etwas Neues
konstruiert, und was wir jetzt unter dem Hauptsatz der Algebra verste-
hen, ist eben, was der gegenwärtige ‘Beweis’ uns zeigt.
     

     “Jeder Existenzbeweis muss eine Konstruktion dessen enthalten, dessen
Existenz er beweist”. Man kann nur sagen “ich nenne ‘Existenzbeweis’
nur einen, der eine solche Konstruktion enthält”. Der Fehler ist //liegt
darin//, dass man glaubt //vorgibt // einen klaren Begriff des
Existenzbeweises //der Existenz// zu besitzen.
     Man glaubt, ein Etwas, die Existenz, beweisen zu können, sodass man
nun unabhängig vom Beweis von ihr überzeugt ist.
(Die Idee der, voneinander – und daher wohl auch vom Bewiesenen – unab-
hängigen Beweise!) In Wirklichkeit ist Existenz das, was man mit dem
beweist, was man “Existenzbeweis” nennt. Wenn die Intuitionisten und
Andere darüber reden, so sagen sie: “Dieser Sachverhalt, die Existenz,
kann man nur so, und nicht so, beweisen”. Und sehen nicht, dass sie da-
mit einfach das definiert haben, was sie Existenz nennen. Denn die
635
Sache verhält sich eben nicht so, wie wenn man sagt: “dass ein Mann in
dem Zimmer ist, kann man nur dadurch beweisen, dass man hineinschaut, aber
nicht, indem man an der Türe horcht”.
     

     Wir haben keinen Begriff der Existenz unabhängig von unserm Begriff des
Existenzbeweises.
     

     Warum ich sage, dass wir einen Satz, wie den Hauptsatz der Algebra,
nicht finden, sondern konstruieren? – Weil wir ihm beim Beweis einen neuen
Sinn geben, den er früher gar nicht gehabt hat. Für diesen Sinn gab es
vor dem sogenannten Beweis nur eine beiläufige Vorlage in der Wortsprache.
     

     Denken wir, Einer würde sagen: das Schachspiel musste nur ent-
deckt
werden, es war immer da! Oder das reine Schachspiel war
immer da, nur das materielle, von Materie verunreinigte, haben wir ge-
macht.
     

     Wenn durch Entdeckungen ein Kalkül der Mathematik geändert wird, – kön-
nen wir den alten Kalkül nicht behalten (aufheben)? (D.h., müssen wir ihn
wegwerfen?) Das ist ein sehr interessanter Aspekt. Wir haben nach der Ent-
deckung des Nordpols nicht zwei Erden: eine mit, und eine ohne den Nordpol.
Aber nach der Entdeckung des Gesetzes der Verteilung der Primzahlen, zwei
Arten von Primzahlen.
     



     Die mathematische Frage muss so exakt sein, wie der mathematische Satz.
Wie irreführend die Ausdrucksweise der Wortsprache den Sinn der mathemati-
schen Sätze darstellt, sieht man, wenn man sich die Multiplizität eines
636
mathematischen Beweises vor Augen stellt //führt// und bedenkt, dass der
Beweis zum Sinn des bewiesenen Satzes gehört, d.h. den Sinn bestimmt.
Also nicht etwas ist, was bewirkt, dass wir einen bestimm[g|t]en Satz glauben,
sondern etwas, was uns zeigt, was wir glauben, – wenn hier von glauben
eine Rede sein kann. Begriffswörter in der Mathematik: Primzahl, Kardinal-
zahl, etc.. Es scheint darum unmittelbar Sinn zu haben, wenn gefragt wird:
“Wieviel Primzahlen gibt es?” (“Es glaubt der Mensch, wenn er nur Worte
hört, …”.) In Wirklichkeit ist diese Wortzusammenstellung einstweilen Un-
sinn; bis für sie eine besondere Syntax gegeben wurde. Sieh' den Beweis
dafür an, “dass es unendlich viele Primzahlen gibt” und dann die Frage, die
er zu beantworten scheint. Das Resultat eines intrikaten Beweises kann nur
insofern einen einfachen Wortausdruck haben, als das System von Ausdrücken,
dem dieser Ausdruck angehört, in seiner Multiplizität einem System solcher
Beweise entspricht. – Die Konfusionen in diesen Dingen sind ganz darauf
zurückzuführen, dass man die Mathematik als eine Art Naturwissenschaft be-
handelt. Und das wieder hängt damit zusammen, dass sich die Mathematik von
der Naturwissenschaft abgelöst hat. Denn, solange sie in unmittelbarer
Verbindung mit der Physik betrieben wird, ist es klar, dass sie keine
Naturwissenschaft ist. (Etwa, wie man einen Besen nicht für eine Einrich-
tungsstück des Zimmers halten kann, solange man ihn dazu benützt, die Ein-
richtungsgegenstände zu säubern.)
     

     Ist nicht die Hauptgefahr die, dass uns der Prosa-Ausdruck des Ergeb-
nisses einer mathematischen Operation einen Kalkül vortäuscht, der gar
nicht vorhanden ist. Indem er seiner äussern Form nach einem System anzu-
gehören scheint, das es hier gar nicht gibt.
     

     Ein Beweis ist Beweis eines (bestimmten?) Satzes, wenn er es nach einer
Regel ist, nach der dieser Satz diesem Beweis zugeordnet ist. D.h., der
637
Satz muss einem System von Sätzen angehören und der Beweis einem System
von Beweisen. Und jeder Satz der Mathematik muss einem Kalkül der Mathe-
matik angeh[i|ö]ren. (Und kann nicht in Einsamkeit tronen und sich sozusagen
nicht unter andere Sätze mischen.)
     Also ist auch der Satz “jede Gleichung n-ten Grades hat n Lösungen”
nur ein Satz der Mathematik, sofern er einem System von Sätzen, und sein
Beweis einem korrespondierenden System von Beweisen, entspricht. Denn
welchen guten Grund habe ich, dieser Kette von Gleichungen etc. (dem so-
genannten Beweis) diesen Prosasatz zuzuordnen. Es muss doch aus dem
Beweis – nach einer Regel – hervorgehen, von welchem Satz er der Beweis
ist.
     

     Nun liegt es aber im Wesen dessen, was wir als Satz be-
zeichnen
, dass es sich verneinen lassen muss. Und auch die Ver-
neinung des bewiesenen Satzes muss mit dem Beweis zusammenhängen; so näm-
lich, dass sich zeigen lässt, unter welchen andern, entgegengesetzten,
Bedingungen sie herausgekommen wäre.
638
     



122
Das mathematische Problem.
Arten der Probleme.
Suchen.
“Aufgaben” in der Mathematik.
     






     Wo man fragen kann, kann man auch suchen, und wo man nicht suchen kann,
kann man auch nicht fragen. Und auch nicht antworten.
     

     Wo es keine Methode des Suchens gibt, da kann auch die Frage keinen
Sinn haben. – Nur wo eine Methode der Lösung ist, ist eine Frage (d.h. na-
türlich nicht: “nur wo die Lösung ge[u|f]unden ist, ist eine Frage”). – D.h.:
dort wo die Lösung des Problems nur von einer Art Offenbarung erwartet
werden kann, ist auch keine Frage. Einer Offenbarung entspricht keine
Frage. –
     

     Die Annahme der Unentscheidbarkeit setzt voraus, dass zwischen den bei-
den Seiten einer Gleichung, sozusagen, eine unterirdische Verbindung be-
steht; dass die Brücke nicht in Symbolen geschlagen werden kann. Aber den-
639
noch besteht; denn sonst wäre die Gleichung sinnlos. – Aber die Verbin-
dung besteht nur, wenn wir sie durch Symbole //einen Kalkül // ge-
macht haben. Der Uebergang ist nicht durch eine dunkle Spekulation herge-
stellt, von andrer Art als das was er verbindet. (Wie ein dunkler Gang
zwischen zwei lichten Orten.)
     

     Ich kann den Ausdruck “die Gleichung G ergibt die Lösung L” nicht ein-
deutig
anwenden, solange ich keine Methode der Lösung besitze; weil “er-
gibt” eine Struktur bedeutet, die ich, ohne sie zu kennen, nicht bezeich-
nen kann. Denn das heisst das Wort “ergibt” zu verwenden, ohne seine Gram-
matik zu kennen. Ich könnte aber auch sagen: Das Wort “ergibt” hat ande-
re Bedeutung, wenn ich es so verwende, dass es sich auf eine Methode der
Lösung bezieht, und eine andere, wenn dies nicht der Fall ist. Es verhält sich hier mit “ergibt” ähnlich, wie mit dem Wort “gewinnen” (oder “verlie-
ren”), wenn das Kriterium des “Gewinnens” einmal ein bestimmter Verlauf der
Partie ist (hier muss ich die Spielregeln kennen, um sagen zu können, ob
Einer gewonnen hat), oder ob ich mit “gewinnen” etwas meine, was sich et-
wa // beiläufig// durch “zahlen müssen” ausdrücken liesse.
     Wenn wir “ergibt” im ersten Sinne // in der ersten Bedeutung// anwenden,
so heisst “die Gleichung ergibt L”; wenn ich die Gleichung nach gewissen
Regeln transformiere, so erhalte ich L. So wie die Gleichung 25 × 25 = 620
besagt, dass ich 620 erhalte, wenn ich auf 25 × 25 die Multiplikations-
regeln anwende. Aber diese Regeln müssen mir nun // hier// schon gegeben
sein, ehe das Wort “ergibt” Bedeutung hat, und ehe die Frage einen Sinn
hat, ob die Gleichung L ergibt.
     

     Es genügt also nicht zu sagen “p ist beweisbar”, sondern es muss heis-
sen: beweisbar nach einem bestimmten System.
     Und zwar behauptet der Satz nicht, p sei beweisbar nach dem System S,
640
sondern nach seinem System, dem System von p. Dass p dem System S
angehört, das lässt sich nicht behaupten (das muss sich zeigen). – Man
kann nicht sagen, p gehört zum System S; man kann nicht fragen, zu welchem
System p gehört; man kann nicht das System von p suchen. “p verstehen”
heisst, sein System kennen. Tritt p scheinbar von einem System in das an-
dere über, so hat in Wirklichkeit p seinen Sinn gewechselt.
     

     Es ist unmöglich, Entdeckungen neuartiger Regeln zu machen, die von ei-
ner uns bekannten Form (etwa dem sinus eines Winkels) gelten. Sind es neue
Regeln, so ist es nicht die alte Form.
     

     Kenne ich die Regeln der elementaren Trigonometrie, so kann ich den
Satz sin 2x = 2 sin x.cos x kontrollieren, aber nicht den Satz
sin x = x ‒ x³/3! + x⁵/5! ‒ …. Das heisst aber, dass der sinus der
elementaren Trigonometrie und der sinus der höheren Trigonometrie ver-
schiedene Begriffe sind.
     Die beiden Sätze stehen gleichsam auf zwei verschiedenen Ebenen. In der
ersten kann ich mich bewegen, soweit ich will, ich werde nie zu dem Satz
auf der höheren Ebene kommen.
     Der Schüler, dem das Rüstzeug der elementaren Trigonometrie zur Verfü-
gung stünde und von dem die Ueberprüfung der Gleichung sin x = x ‒ x³/3! …
verlangt würde, fände das, was er zur Bewältigung dieser Aufgabe braucht,
eben nicht vor. Er kann die Frage nicht nur nicht beantworten, sondern
er kann sie auch nicht verstehen. (Sie wäre wie die Aufgabe, die der Fürst
im Märchen dem Schmied stellt: ihm einen “Klamank” zu bringen. Busch,
Volksmärchen.)
     



     Man nennt es eine Aufgabe, wenn gefragt wird “wieviel ist 25 × 16”, aber
641
auch eine Aufgabe: was ist das S sin²x dx? Die erste hält man zwar für
viel leichter als die zweite, sieht aber nicht, dass sie ˇin verschiedenem
Sinn ‘Aufgaben’ sind. Der Unterschied ist natürlich kein psy-
chologischer; und //denn// es handelt sich nicht drum, ob der Schüler
die Aufgabe lösen kann, sondern ob der Kalkül sie lösen kann, oder, wel-
cher Kalkül sie lösen kann.
     

     Die Unterschiede, auf die ich aufmerksam machen kann, sind solche,
wie sie jeder Bub in der Schule wohl kennt. Aber man verachtet diese Un-
terschiede später, wie die Russische Rechenmaschine (und den zeichneri-
[w|s]chen Beweis in der Geometrie) und sieht sie als unwesentlich an, statt
als wesentlich und fundamental.
     

     Es ist uninteressant, ob man // der Schüler // eine Regel
weiss
, nach der man // er // S sin²x.dx gewiss lösen kann, aber
nicht, ob der Kalkül, den wir vor uns haben (und den er zufälli-
gerweise benützt) eine solche Regel enthält.
     Nicht, ob der Schüler es kann, sondern ob der Kalkül es kann und
wie er es tut, interessiert uns.
     

     Im Falle 25 × 16 = 370 nun, schreibt der Kalkül, den wir benützen, je-
den Schritt zur Prüfung dieser Gleichung vor.
     

     Ein merkwürdiges Wort: “Es ist mir gelungen, das zu bewei-
sen”.
     (Das ist es, was im Falle 25 × 16 = 400 niemand sagen würde.)
     

     Man könnte erklären // festlegen//: “Was man anfassen kann, ist ein
Problem. – Nur wo ein Problem sein kann, kann etwas behauptet werden.”
642

     Würde denn aus dem Allen nicht das Paradox folgen: dass es in der
Mathematik keine schweren Probleme gibt; weil, was schwer ist, kein Pro-
blem ist? Was folgt, ist, dass das “schwere mathematische Problem”, d.h.
das Problem der mathematischen Forschung, zur Aufgabe “25 × 25 = ?” nicht
in dem Verhältnis steht, wie etwa ein akrobatisches Kunststück zu einem
einfachen Purzelbaum (also einfach in dem Verhältnis: sehr leicht zu
sehr schwer), sondern dass es ‘Probleme’ in verschiedenen Bedeutungen des
Wortes sind.
     

     “Du sagst ‘wo eine Frage ist, da ist auch ein Weg zu ihrer Beantwor-
tung’, aber in der Mathematik gibt es doch Fragen, zu deren Beantwortung
wir keinen Weg sehen”. – Ganz richtig, und daraus folgt nur, dass wir in
diesem Fall das Wort ‘Frage’ in anderem Sinn gebrauchen, als im oberen
Fall. Und ich hätte vielleicht sagen sollen “es sind hier zwei verschiede-
ne Formen und nur für die erste möchte ich das Wort ‘Frage’ gebrauchen”.
Aber dieses Letztere ist nebensächlich. Wichtig ist, dass wir es hier mit
zwei verschiedenen Formen zu tun haben. (Und dass Du Dich in der Gramma-
tik des Wortes ‘Art’ nicht auskennst, wenn Du nun sagen willst, es seien
eben nur <…> zwei verschiedene Arten von Fragen.)
     

     “Ich weiss, dass es für diese Aufgabe eine Lösung gibt, obwohl ich die
Lösung // Art der Lösung// noch nicht habe”. – In welchem Symbolismus
weiss ich es? //weisst Du es? //
     

     “Ich weiss, dass es da ein Gesetz geben muss”. Ist dieses Wissen ein
 
 
amorphes, das Aussprechen des Satzes begleitendes Ge-
fühl? Dann interessiert es uns nicht. Und ist es ein
symbolischer Prozess – nun, dann ist die Aufgabe, ihn
in einem klaren // offenbaren// Symbolismus auszudrücken // darzustellen//.
643
     
     Was heisst es: den Goldbach'schen Satz glauben? Worin besteht
dieser Glaube? In einem Gefühl der Sicherheit, wenn wir den Satz ausspre-
chen, oder hören? Das interessiert uns nicht. Ich weiss ja auch nicht, wie
w[i|e]it dieses Gefühl durch den Satz selbst hervorgerufen sein mag. Wie
greift der Glaube in diesen Satz ein? Sehen wir nach, welche Konsequenzen
er hat, wozu er uns bringt. “Er bringt mich zum Suchen nach einem Beweis
dieses Satzes”. – Gut, jetzt sehen wir noch nach, worin Dein Suchen ei-
gentlich besteht; dann werden wir wissen, ?–wie es sich mit Deinem Glauben
an den Satz verhält. // …was es mit dem Glauben an den Satz auf sich
hat.–?//
     

     Man darf nicht an einem Unterschied der Formen vorbeigehen – wie man
wohl an einem Unterschied zwischen Anzügen vorbeigehen kann, wenn er etwa
sehr gering ist.
     In gewissem Sinne gibt es für uns – nämlich in der Grammati[g|k] – nicht
‘geringe Unterschiede’. Und überhaupt bedeutet ja das Wort Unterschied et-
was ganz anderes, als dort wo es sich um einen Unterschied zweier Dinge
// Sachen// handelt.
     

     Der Philosoph spürt Wechsel im Stil seiner Ableitung, an denen der
Mathematiker von heute, mit seinem stumpfen Gesicht ruhig vorübergeht. –
Eine höhere Sensitivität ist es eigentlich, was den Mathematikern der Zu-
kunft von dem heutigen unterscheiden wird; und die wird die Mathema-
tik – gleichsam – stutzen; weil man dann mehr auf die absolute Klarheit,
als auf ein // das// Erfinden neuer Spiele bedacht sein wird.
     

     Die philosophische Klarheit wird auf das Wachstum der Mathematik den
gleichen Einfluss haben, wie das Sonnenlicht auf das Wachsen der Kartof-
feltriebe. (Im dunklen //dunkeln// Keller wachsen sie meterlang.)
644
     
     Den Mathematiker muss es bei meinen mathematischen Ausführungen grau-
sen, denn seine Schulung hat ihn immer davon abgelenkt, sich Gedanken
und Zweifeln, wie ich sie aufrolle, hinzugeben. Er hat sie als etwas Ver-
ächtliches ansehen lernen und hat, um eine Analogie aus der Psychoanalyse
([f|d]ieser A[v|b]satz erinnert an Freud) zu gebrauchen, einen Ekel vor diesen
Dingen erhalten, wie vor etwas Infantilem. D.h., ich rolle alle jene
Probleme auf, die etwae ein Knabe //Kind// beim Lernen der Arithmetik,
etc. als Schwierigkeiten empfindet und die der Unterricht unterdrückt, oh-
ne sie zu lösen. Ich sage also zu diesen unterdrückten Zweifeln: ihr
habt ganz recht, fragt nur, und verlangt nach Aufklärung!
645
     




123
Eulerscher Beweis.
     









     Kann man aus der Ungleichung:
       1 + ½ + ⅓ + ¼ + … ≠ (1 + ½ + 1/2² + 1/2³ + …) × (1 + ⅓ + 1/3² + …)
eine Zahl n ableiten // konstruieren//, die jedenfalls in den Kombina-
tionen der rechten Seite noch fehlt? Der Euler'sche Beweis dafür, dass
es “unendlich viele Primzahlen gibt” soll ja ein Existenzbeweis sein,
und wie ist der ohne Konstruktion möglich?
     

     non1 + ½ + ⅓ + … = (1 + ½ + 1/2² + …) × (1 + ⅓ + 1/3² + …)
das Argument läuft so: Das rechte Produkt ist eine Reihe von Brüchen
43
646
1/n , in deren Nenner alle Kombinationen 2ⁿ3m vorkommen; wären das alle
Zahlen, so müsste diese Reihe die gleiche sein, wie die 1 + ½ + ⅓ …
und dann müssten auch die Summen gleich sein. Die linke ist aber unend-
lich und die rechte nur eine endliche Zahl 2/1 [y| × ] 3/2 = 3, also fehlen
in der rechten Reihe unendlich viele Brüche, d.h. es gibt in
der rechten Reihe Brüche, die in der linken nicht vorkommen. Und nun han-
delt es sich darum: ist dieses Argument richtig? Wenn es sich hier um
endliche Reihen handelte, so wäre alles klar // durchsichtig//.
Denn dann könnte man aus der Methode der Summation eben herausfinden,
welche Glieder der linken Reihe auf die rechte Reihe fehlen. Man könnte
nu[r|n] fragen: wie kommt es, dass die rechte Reihe unendlich gib[r|t], was muss
sie ausser den Gliedern der linken enthalten, dass es so wird? Ja es
frägt sich: hat eine Gleichung, wie die obere 1 + ½ + ⅓ + … = 3
überhaupt einen S[k|i]nn? Ich kann ja aus ihr nicht herausfinden, wel-
che
Glieder links zuviel sind. Wie wissen wir, dass alle Glieder
der [R|r]echten auch in der linken Seite vorkommen? Im Fall endlicher Reihen
kann ich es erst sagen, wenn ich mich Glied für Glied davon überzeugt
habe;– und dann sehe ich zugleich, welche übrigbleiben. – Es fehlt uns hier die Verbindung zwischen dem Rˇesultat derb Summe und den Gliedern,
die einzige, die den B[w|e]weis erbringen könnte. – Am klarsten wird alles,
wenn man sich die Sache mit einer endlichen Gleichung ausgeführt denkt:
1 + ½ + + ⅓ + ¼ + 1[1|/]5 + 1/6 (1 + ½) × (1 + ⅓) =
1 + ½ + ⅓ + 1/6. Wir haben hier wieder das Merkwürdige, was man
etwa einen Indizienbeweis in der Mathematik nennen könnte – der ewig
unerlaubt ist. Oder, einen Beweis durch Symptome. Das Ergebnis
der Summation ist eine Symptom dessen (oder wird als eines aufgefasst),
dass rechts Glieder sind, die links fehlen. Die Verbindung des Symptoms,
mit dem, was man beweisen //bewiesen haben// möchte, ist lose. D.h.
es ist eine Brücke nicht geschlagen, aber man gibt sich damit zufrieden,
44
647
dass man das andere Ufer sieht.
     Alle Glieder der rechten Seite kommen in der linken Seite vor, aber
die Summe links gibt unendlich und die rechte nur einen endlichen Wert –
also müssen … aber in der Mathematik muss garnichts, ausser was ist.
     Die Brücke muss geschlagen werden.
     In der Mathematik gibt es kein Symptom, das kann es nur im psycholo-
gischen Sinne für den Mathematiker geben.
     Man könnte auch so sagen: Es kann sich in der Mathematik nicht auf
etwas schliessen lassen, was sich nicht sehen lässt.
     

     Das ganze lose Wesen jener Beweisführung beruht wohl auf der Verwechs-
lung der Summe und des Grenzwerts der Summe.
     Das sieht man klar,: wie weit immer man die rechte Reihe
fortsetzt, immer kann man die linke auch so weit bringen, dass sie
alle Glieder der rechten einschliesst. (Dabei bleibt noch offen,
ob die? dann auch noch andere Glieder enthält.)
     

     Man könnte auch so fragen: Wenn du // man // nur diesen Beweis hättest // hätte //, was
könntest du // könnte man // nun daraufhin wagen? Wenn wir etwa die Primzahlen bis N
gefunden hätten, könnten wir nun daraufhin ins Unendliche auf die Suche
nach einer weiteren Primzahl gehen – da uns der Beweis verbürgt, dass
wir eine finden werden? Das ist doch Unsinn. – Denn das “wenn wir nur
lange genug suchen” heisst ganrnichts. (Bezieht sich auf Existenzbeweise
im Allgemeinen.)
     

     Könnte ich auf diesen Beweis hin weitere Primzahlen links hinzufügen?
Gewiss nicht, denn ich weiss ja garnicht, wie ich welche finden kann und
das heisst:
648
das heisst: ich habe g ja gar keinen Begriff der Primzahl, der Beweis
hat mir keinen gegeben. Ich könnte nur beliebige Zahlen (bezw. Reihen)
hinzufügen.
     

     (Die Mathematik ist angezogen mit falschen Deutungen.)
     

     (“Es muss noch eine Primzahl //solche Zahl// kommen” heisst in
der Mathematik nichts. Das hängt unmittelbar damit zusammen, dass es “in
der Logik nichts Allgemeineres und Spezielleres gibt”.)
     

     Wenn die Zahlen alle Kombinationen von 2 und 3 wären, so müsste
(lim(n = inf)Summe(r = 0 bis r = n)1/2r × (lim(n = inf)Summe(0 bis n)1/3r)
den lim(m = inf)Summe(n = 1 bis n = m)1/n ergeben, – sie ergibt ihn aber
nicht … Was folgt daraus? (Satz des ausgeschlossenen Dritten.) Daraus
folgt nichts, als dass die Grenzwerte der Summen verschieden sind; also
nichts (Neues). Nun könnte man aber untersuchen, woran das liegt. Dabei
wird man vielleicht auf Zahlen stossen, die durch 2r × 3s nicht dar-
stellbar sind, also auf grössere Primzahlen, nie aber wird man sehen,
dass keine Anzahl solcher ursprünglicher Zahlen zur Darstellung
aller Zahlen genügt.
     

     1 + ½ + ⅓ + … ≠ 1 + ½ + 1/2² + 1/2³ + …
     Wieviel Glieder der Form 1/2r ich auch zusammennehmen mag, nie er-
gibt es mehr als 2, während die ersten vier Glieder der linken Reihe
schon mehr als 2 ergeben. (Hierin muss also schon der Beweis
liegen.) Und hierin liegt er auch und zugleich die Konstruktion einer
Zahl, die keine Potenz von 2 ist, denn die Regel heisst nun: finde den
Abschnitt der Reihe, der jedenfalls 2 übertrifft, dieser muss ei-
ne Zahl enthalten, die keine Potenz von 2 ist.
649
(1 + ½ + 1/2² …) × (1 + ⅓ + 1/3² …) … (1 + 1/n + 1/n² + …) = n.
     Wenn ich nun die Summe 1 + ½ + ⅓ + … so weit ausdehne, bis
sie n überschreitet, dann muss dieser Teil ein Glied enthalten, das in
der rechten Reihe nicht gefunden werden kann, denn enthielte die rechte
Reihe alle diese Glieder, dann müsste sie eine grössere und keine klei-
nere Summe ergeben.
     

     Die Bedingung, unter der ein Teil der Reihe 1 + ½ + ⅓ + …,
etwa 1/n + 1/(n + 1) + 1/(n + 2) + … 1/(n + r), gleich oder grösser als 1
wird, ist folgende:
Es soll werden:
1/n + 1/(n + 1) + 1/(n + 2) + … 1/(n + r) gleich oder grösser 1.
Formen wir die linke Seite um in:
1 + n/(n + 1) + n/(n + 2) + … n/(n + r))/n =
(1 + (1 ‒ 1/(n + 1)) + (1 ‒ 2/(n + 2)) + … (1 ‒ (n ‒ 1)/(n + (n ‒ 1))) + n/2n + n/(2n + 1) +
n/(2n + 2) + … + n/(n + r))/n (n ‒ ½n(n ‒ 1).1/(n + 1) + (r ‒ n + 1).n/(n + r))/n =
1 ‒ (n ‒ 1)/(2n + 2) + (r ‒ n + 1)/(n + r) gleich oder grösser 1
Daher: 2nr + 2r ‒ 2n² ‒ 2n + 2n + 2 ‒ n² ‒ nr + n + r = oder grösser 0
nr + 3r ‒ 3n² + 2 + n = oder grösser 0
r = oder grösser (3n² ‒ (n + 2))/(n + 3) kleiner als 3n ‒ 1.
650
     



124
Dreiteilung des Winkels.
etc.
     






     Man könnte sagen: In der Geometrie der euklidischen Ebene kann man
nach der 3-Teilung des Winkels nicht suchen, weil es sie nicht gibt – und
nach der 2-Teilung nicht, weil es sie gibt.
     

     In der Welt der Euklidischen Elemente kann ich ebensowenig nach der
3-Teilung des Winkels fragen, wie ich nach ihr suchen kann. Es ist von
ihr einfach nicht die Rede.
     

     (Ich kann der Aufgabe der 3-Teilung des Winkels in einem grössern Sy-
stem ihren Platz bestimmen, aber nicht im System der Euklidischen Geome-
trie nach der Möglichkeit der 3-Teilung fragen //nach ihrer Lösbarkeit
fragen//danach fragen, ob sie lösbar ist//. In welcher Sprache
sollte ich denn danach fragen? in der euklidischen? – Und ebensowenig
kann ich in der euklidischen Sprache nach der Möglichkeit der 2-Teilung
651
des Winkels im euklidischen System fragen. Denn das würde in dieser Spra-
che auf eine Frage nach der Möglichkeit schlechthin hinauslaufen, welche
immer Unsinn ist.)
     

     Wir müssen übrigens hier eine Unterscheidung zwischen gewissen Arten
von Fragen machen, eine Unterscheidung, die wieder zeigt, dass, was wir
in der Mathematik “Frage” nennen, von dem verschieden ist, was wir im
[)|a]lltäglichen Leben so nennen. Wir müssen unterscheiden zwischen einer
Frage “wie teilt man den Winkel in 2 gleiche Teile” und der Frage “ist
diese Konstruktion die Halbierung des Winkels”. Die Frage hat nur
Sinn in einem Kalkül, der uns eine Methode zu ihrer Lösung gibt; nun kann
uns ein Kalkül sehr wohl eine Methode zur Beantwortung der einen Frage
geben, aber nicht zur Beantwortung der andern. Euklid z[l|.]B. lehrt uns
nicht nach der Lösung seiner Probleme suchen, sondern gibt sie uns und
beweist, dass es die Lösungen sind. Das ist aber keine psychologische
oder pädagogische Angelegenheit, sondern eine mathematische. D.h. der
Kalkül (den er uns gibt) ermöglicht es uns nicht, nach der Konstruk-
tion zu suchen. Und ein Kalkül, der es ermöglicht, ist eben ein ande-
rer
. (Vergleiche auch Methoden des Integrierens mit denen des Diffe-
renzierens; etc..)
     

     Es gibt eben in der Mathematik sehr Verschiedenes, was alles Beweis
genannt wird und diese Verschiedenheiten sind logische. Was also
‘Beweis’ genannt wird, hat nicht mehr miteinander zu tun, als was ‘Zah
Zahl’ genannt wird.
     

     Welcher Art ist der Satz “die 3-Teilung des Winkels mit Zirkel
und Lineal ist unmöglich”? Doch wohl von derselben, wie: “in der Reihe
652
der Winkelteilungen F(n) kommt keine F(3) vor, wie in der Reihe der Kom-
binationszahlen literal½.n.(n ‒ 1) keine 4”. Aber welcher Art ist dieser
Satz? Von der des Satzes: “in der Reihe der Kardinalzahlen kommt ½ nicht
vor”. Das ist offenbar eine (überflüssige) Spielregel, etwa wie die: im
Damespiel kommt keine Figur vor, die “König” genannt wird. Und die Frage,
ob eine 3-Teilung möglich ist, ist dann die, ob es eine 3-Teilung im
Spiel gibt, ob es eine Figur im Damespiel gibt, die “König” genannt wird,
und etwa eine ähnliche Rolle spielt, wie der Schachkönig. Diese Frage
wäre natürlich einfach durch eine Bestimmung zu beantworten, aber sie wür-
de kein Problem, keine Rechenaufgabe stellen. Hätte also einen andern
Sinn, als eine, deren Antwort lautete: ich werde ausrechnen, ob es so et-
was gibt. (Etwa: “ich werde ausrechnen, ob es unter den Zahlen 5, 7, 18,
25, eine gibt, die durch 3 teilbar ist”.) Ist nun die Frage nach der
Möglichkeit der 3-Teilung des Winkels von dieser Art? Ja, – wenn man im
Kalkül ein allgemeines System hat, um, etwa, die Möglichkeit der n-Tei-
lung zu berechnen.
     Warum nennt man diesen Beweis den Beweis dieses Satzes?
Der Satz ist ja kein Name, sondern gehört (als Satz) einem Sprachsystem
an: Wenn ich sagen kann “es gibt keine 3-Teilung”, so hat es Sinn zu sa-
gen “es gibt keine 4-Teilung” etc. etc.. Und ist dies ein Beweis des
ersten Satzes (ein Teil seiner Syntax), so muss es also entsprechende
Beweise (oder Gegenbeweise) für die andern Sätze des Satzsystems geben,
denn sonst gehören sie nicht zu demselben System.
     

     Ich kann nicht fragen, ob die 4 unter den Kombinationszahlen vorkommt,
wenn dieses //das// mein Zahlensystem ist. Und nicht, ob ½ unter den
Kardinalzahlen vorkommt, oder zeigen, dass es nicht eine von ihnen ist,
653
ausser, wenn ich “Kardinalzahlen” einen Teil eines Systems nenne, welches
auch ½ enthält. (Ebensowenig kann ich aber auch sagen oder beweisen,
dass 3 eine der Kardinalzahlen ist.) Die Frage heisst vielmehr etwa so:
“Geht die Division 1:2 in ganzen Zahlen aus”, und das lässt sich nur
fragen in einem System, worin das Ausgehen und das Nichtausgehen vor-
kommt //bekannt ist//. (Die Ausrechnung muss Sinn haben.)
     Bezeichnen wir mit “Kardinalzahlen” nicht einen Teil der rationalen
Zahlen, so können wir nicht ausrechnen, ob 81:3 eine Kardinalzahl ist,
sondern, ob die Division 81:3 ausgeht oder nicht.
     

     Statt des Problems der 3-Teilung des Winkels mit Lineal und Zirkel
können wir nun ein ganz entsprechendes, aber viel übersichtlicheres,
untersuchen. Es steht uns ja frei, die Möglichkeiten der Konstruktion
mit Lineal und Zirkel weiter einzuschränken. So können wir z.B. die Be-
dingung setzen, dass sich die Oeffnung des Zirkels nicht verändern lässt.
Und wir können festsetzen, dass die einzige Konstruktion, die wir ken-
nen – oder besser: die unser Kalkül kennt – diejenige ist, die man zur
Halbierung einer Strecke AB benützt, nämlich:
 
 


692
654
     
                        (Das könnte z.B. tatsächlich die primitive Geometrie
eines Volkes sein. Und für sie gälte das, was ich über die Gleichberechti-
gung der Zahlenreihe “1, 2, 3, 4, 5, viele” mit der Reihe der Kardinalzah-
len gesagt habe. Ueberhaupt ist es für unsere Untersuchungen ein guter
Trick, sich die Arithmetik oder Geometrie eines primitiven Volks auszumalen
// vorzustellen//.)
           Ich will diese Geometrie das System T nennen und fragen: “ist die
3-Teilung der Strecke im System T möglich?”
           Welche 3-Teilung ist in dieser Frage gemeint? – denn davon hängt
offenbar der Sinn der Frage ab. Ist z.B. die physikalische 3-Teilung ge-
meint? D.h. die 3-Teilung durch Probieren und Nachmessen. In diesem Falle
ist die Frage vielleicht zu bejahen. Oder die optische 3-Teilung? d.h. die
Teilung, deren Resultat drei gleichlang aussehende Teile sind? Wenn wir z.B.
durch ein verzerrendes Medium sehen, so ist es ganz leicht vorstellbar, dass
uns die Teile a, b, und c gleichlang erscheinen.
 
 

           Nun könnte man die Resultate der Teilun-
gen im System T nach der Zahl der erzeugten Teile
durch die Zahlen 2, 2², 2³, u.s.w. darstellen; und
die Frage, ob die 3-Teilung möglich ist, könnte be-
deuten: ist eine der Zahlen in dieser Reihe = 3. Die-
se Frage kann freilich nur gestellt werden, wenn die
2, 2², 2³, etc. in einem andern System (etwa den Kardinalzahlen) eingebet-
tet sind; nicht, wenn sie selbst unser Zahlensystem sind; denn dann kennen
wir – oder unser System – eben die 3 nicht. – Aber wenn unsere Frage lau-
tet: ist eine der Zahlen 2, 2², etc. gleich 3, so ist hier eigentlich von
einer 3-Teilung der Strecke nicht die Rede. Immerhin kann //könnte// die
Frage nach der Möglichkeit der 3-Teilung so aufgefasst werden. – Eine ande-
re Auffassung erhalten wir, nun, wenn wir dem System T ein System V hinzu-
fügen, worin es die Streckenteilung nach Art dieser Figur
 
 

gibt. Es kann nun gefragt werden: ist die Teilung V in
693
655
108 Teile eine Teilung der Art T? Und diese Frage könnte wieder auf die
hinauslaufen: ist 108 eine Potenz von 2? aber sie könnte auch auf eine an-
dere Entscheidungsart hinweisen (einen andern Sinn haben), wenn wir die
Systeme T und V zu einem geometrischen Konstruktionssystem [g|v]erbinden; so
zwar, dass es sich nun in diesem System beweisen lässt, dass die beiden Kon-
struktionen die gleichen Teilungspunkte B, C, D “liefern müssen”.
           Denken wir nun, es hätte Einer im
 
 

System T eine Strecke AB in 8 Teile geteilt,
nehme diese nun zu den Strecken a, b, c zu-
sammen und fragte: ist das eine 3-Teilung
//eine Teilung in 3 gleiche Teile//.
     
 
 
(Wir könnten uns den Fall übrigens leichter mit einer
grösseren Anzahl ursprünglicher Teile vorstellen, die
es möglich macht, 3 gleichlang aussehende Gruppen von
Teilen zu bilden.) Die Antwort auf diese Frage wäre der Beweis,
dass 2³ nicht durch 3 teilbar ist; oder der Hinweis darauf, dass sich die
Teile a, b, c wie 1:3:4 verhalten. Und nun könnte man fragen: habe ich
also im System T nicht doch einen Begriff von der 3-Teilung, nämlich der
Teilung, die die Teile a, b, c im Verhältnis 1:1:1 hervorbringt? Gewiss,
ich habe nun einen neuen Begriff ‘3-Teilung einer Strecke’ eingeführt; wir
könnten ja sehr wohl sagen, dass wir durch die 8-Teilung der Strecke AB die
Strecke CB in 3 gleiche Teile geteilt haben, wenn das eben
 
 

heissen soll: wir haben eine Strecke erzeugt, die
aus 3 gleichen Teilen besteht.
           Die Perplexität, in der wir uns bezüglich des Problems der 3-Tei-
lung befanden, war etwa die: Wenn die 3-Teilung des Winkels unmöglich ist –
logisch unmöglich – wie kann man dann überhaupt nach ihr fragen? Wie kann
man das logisch Unmögliche beschreiben und nach seiner Möglichkeit sinnvoll
fragen? D.h., wie kann man logisch nicht zusammenpassende Begriffe
zusammenstellen (gegen die Grammatik, also unsinnig) und sinnvoll nach der
656
Möglichkeit dieser Zusammenstellung fragen? – Aber dieses Paradox fände
sich ja wieder, wenn man fragt: “ist 25 × 25 = 620?” – da es doch
logisch unmöglich ist, dass diese Gleichung stimmt; ich kann ja
nicht beschreiben, wie es wäre, wenn –. Ja, der Zweifel ob 25 × 25 = 620
(oder der, ob es = 625 ist) hat eben den Sinn, den die Methode der Prü-
fung ihm gibt. Und die Frage nach der Möglichkeit der 3-Teilung hat den
Sinn, den die Methode der Prüfung ihr gibt. Es ist ganz richtig: wir
stellen uns hier nicht vor, oder beschreiben, wie es ist, wenn
25 × 25 = 620 ist, und das heisst eben, dass wir es hier mit einer an-
dern (logischen) Art von Frage zu tun haben, als etwa der: “ist diese
Strasse 620 oder 625 m lang?”
     

     (Wir sprechen von einer “Teilung des Kreises in 7
Teile” und von einer Teilung des Kuchens in 7 Teile.)
657
     



125
Suchen und Versuchen.
     






     Wenn man jemanden, der es noch nicht versucht hat, sagt “versuche die
Ohren zu bewegen”, so wird er zuerst etwas in der Nähe der Ohren bewegen,
was er schon früher bewegt hat, und dann werden sich entweder auf einmal
seine Ohren bewegen oder nicht. Man könnte nun von diesem Vorgang sagen:
er versucht die Ohren zu bewegen. Aber wenn das ein Versuch genannt wer-
den kann, so ist es einer in einem ganz anderen Sinn als der, die Ohren
(oder die Hände) zu bewegen, wenn wir zwar “wohl wissen, wie es zu machen
ist”, aber sie jemand hält, sodass wir [w|s]ie schwer oder nicht bewegen kön-
nen. Der Versuch im ersten Sinne entspricht einem Versuch “ein mathemati-
sches Problem zu lösen”, zu dessen Lösung es eine Methode gibt. Man kann
sich immer um das scheinbare Problem bemühen. Wenn man mir sagt “versuche
durch den blossen Willen den Krug dort am anderen Ende des Zimmers zu be-
wegen” so werde ich ihn anschauen und vielleicht irgendwelche seltsame Be-
wegungen mit meinem Gesichtsmuskeln machen; also selbst in diesem Falle
scheint es einen Versuch zu geben.

658
     
     Denken wir daran, was e[w|s] heisst, etwas im Gedächtnis zu suchen.
     Hier liegt gewiss etwas wie ein Suchen im eigentlichen Sinn
vor.
     

     Versuchen, eine Erscheinung hervorzurufen, aber heisst nicht, sie
suchen.
     Angenommen, ich taste meine Hand nach einer schmerzhaften Stelle ab, so
suche ich wohl im Tastraum, aber nicht im Schmerzraum. D.h. was ich even-
tuell finde, ist eigentlich eine Stelle und nicht der Schmerz. D.h., wenn
die Erfahrung auch ergeben hat, dass drücken einen Schmerz hervorruft, so
ist doch das Drücken kein Suchen nach einem Schmerz. So wenig, wie das
Drehen einer Elektrisiermaschine das Suchen nach einem Funken ist.
     

/     Kann man versuchen, zu einer Mel[d|o]die den falschen Takt zu schlagen?
Oder: Wie verhält sich die[w|s]es Versuchen // dieser Versuch// zu dem, ein
Gewicht zu heben, das uns zu schwer ist? /
     

/     Es ist nicht nur höchst bedeutsam, dass man die Gruppe !!!!! auf vie-
lerlei Arten sehen kann (in vielerlei Gruppierungen), sondern (noch?) viel
mehr bemerkenswerter, dass man es willkürlich tun kann. D.h., dass es ei-
nen ganz bestimmten Vorgang gibt, eine bestimmte “Auffassung” auf Befehl
zu bekommen; und dass es – dem entsprechend – auch einen ganz bestimmten
Vorgang des vergeblichen Versuchens gibt. So kann man auf Befehl die Fi-
gur
 
 
so sehen, dass der eine oder der andere Vertikal-
strich die Nase, dieser oder jener Strich der Mund wird,
und kann unter Umständen dase eine oder das andere ver-
geblich versuchen. /



659
     
/     Das Wesentliche ist hier, dass dieser Versuch den Charakter desjenigen
hat, ein Gewicht mit der Hand zu heben; nicht den Charakter des Versuchs,
in welchem man Verschiedenes tut, verschiedene Mittel ausprobiert, um (z.B.)
ein Gewicht zu heben. In den zwei Fällen hat das Wort “Versuch” ganz ver-
schiedene Bedeutungen. (Eine ausserordentlich folgenreiche grammatische
Tatsache.) /
660
     




Induktionsb<e>weis.
Periodizität.








































661
     

126

      Inwiefern beweist der Induktionsbeweis einen Satz?
     




     Ist der Induktionsbeweis ein Beweis von a + (b + c) = (a + b) + c, so muss
man sagen können: die Rechnung liefert, dass a + (b + c) =
(a + b) + c ist (und kein anderes Resultat).
     Denn dann muss erst die Methode der Berechnung (allgemein) bekannt
sein und, wie wir darauf 25 × 16 ausrechnen können, so auch a + (b + c).
Es wird also erst eine allgemeine Regel zur Ausrechnung aller solcher
Aufgaben gelehrt und danach die besondere gerechnet. – Welches ist aber
hier die allgemeine Methode der Ausrechnung? Sie muss auf allgemeinen
Zeichenregeln beruhen (– etwa, wie? dem associativen Gesetz –).
     

     Wenn ich a + (b + c) = (a + b) + c negiere, so hat das nur Sinn, wenn ich
etwa sagen will: es ist nicht a + (b + c) = (a + b) + c, sondern = (a + 2b) + c.
Denn es fragt sich: was ist der Raum, in welchem ich den Satz negiere?
wenn ich ihn abgrenze, ausschliesse, – wovon?
     Die Kontrolle von 25 × 25 = 625 ist die Ausrechnung von 25 × 25,
die Berechnung der rechten Seite; – kann ich nun a + (b + c) = (a + b) + c er-
662
rechnen, das, Resultat (a + b) + c ausrechnen? Je nachdem man es als bere-
chenbar oder unberechenbar betrachtet, ist es beweisbar oder nicht. Denn
ist der Satz eine Regel, der jede Ausrechnung folgen muss, ein Paradig-
ma, dann hat es keinen Sinn, von einer Ausrechnung der Gleichung zu re-
den; sowenig, wie von der einer Definition.
     

     Das, was die Ausrechnung möglich macht, ist das System, dem der Satz
angehört und das auch die Rechenfehler bestimmt, ?– die sich bei der Aus-
rechnung machen lassen–?. Z.B. ist (a + b)² = a² + 2ab + b² und nicht
= a² + ab + b²; aber (a + b)² = ‒ 4 ist kein möglicher Rechenfehler in die-
sem System.
     

     Ich könnte ja auch ganz beiläufig (siehe andere Bemerungen) sagen:
“25 × 64 = 160, 64 × 25 = 160 das beweist, dass a × b = b × a ist”
(und diese Redeweise ist nicht vielleicht lächerlich und falsch; son-
dern man muss sie nur recht deuten). Und man kann richtig daraus schlies-
sen; also lässt sich “a.b = b.a” in einem Sinne berechnen // be-
weisen//.
     Und ich will sagen: Nur in dem Sinne, in welchem die Ausrechnung
so eines Beispiels Beweis des algebraischen Satzes genannt werden kann,
ist der Induktionsbeweis ein Beweis dieses Satzes. Nur insofern kontrol-
liert er den algebraischen Satz. (Er kontrolliert seine Struktur // sei-
nen Bau
//, nicht seine Allgemeinheit.)
     

     (Die Philosophie prüft nicht die Kalküle der Mathematik, sondern nur,
was die Mathematiker über diese Kalkülse sagen.)
663
     



127
Der rekursive Beweis und der Begriff des Satzes. Hat der Beweis einen
Satz als wahr erwiesen und einen andern // sein Gegenteil// als falsch?
     













     Hat der rekursive Beweis von a + (b + c) = (a + b) + c …A) eine Frage be-
antwortet? und welche? Hat er eine Behauptung als wahr erwiesen und also
ihr Gegenteil als falsch?











699
664
     
           Das, was Skolem man den rekursiven Beweis von A nennt, kann man so
schreiben:
a + (b + 1) = (a + b) + 1
a + (b + (c + 1)) = a + ((b + c) + 1) = (a + (b + c)) + 1       B
(a + b) + (c + 1) = ((a + b) + c) + 1
           In diesem Beweis kommt offenbar der bewiesene Satz gar nicht vor. – Man
müsste nur eine allgemeine Bestimmung machen //treffen//, die den Uebergang
zu ihm erlaubt. Diese Bestimmung könnte man so ausdrücken:

u         f(1) = g(1)                   D
v          f(c + 1) = F(f(c))           f(c) = g(c)
w         g(c + 1) = F(g(c))
Wenn 3 Gleichungen von der Form u, v, w bewiesen sind, so sagen wir, es
sei “die Gleichung D für alle Kardinalzahlen bewiesen”. Das ist eine Erklä-
rung dieser Ausdrucksform durch die erste. Sie zeigt, dass wir das Wort
“beweisen” im zweiten Fall anders gebrauchen als im ersten. Es ist jedenfalls
irreführend zu sagen, wir hätten die Gleichung D oder A bewiesen, und viel-
leicht besser zu sagen, wir hätten ihre [a|A]llgemeingültigkeit bewiesen, ob-
wohl das wieder in anderer Hinsicht irreführend ist.
           Hat nun der Beweis B eine Frage beantwortet, eine Behauptung als wahr
erwiesen? Ja, welches ist denn der Beweis B: Iist es die Gruppe der 3
Gleichungen von der Form u, v, w, oder die Klasse der Beweise dieser Glei-
chungen? Diese Gleichungen behaupten ja etwas (und beweisen nichts
in dem Sinne, in dem sie bewiesen werden). Die Beweise von u, v, w aber
beantworten [w|d]ie Frage, ob diese 3 Gleichungen stimmen, und erweisen die
Behauptung als wahr, dass sie stimmen. Ich kann nun erklären: die Frage, ob
A für alle Kardinalzahlen gilt, solle bedeuten: “gelten für die Funktionen
f(x) = a + (b + x), g(x) = (a + b) + x
Gleichungen u, v und w?” Und dann ist diese Frage durch den rekursiven
Beweis von A beantwortet, wenn hierunter die Beweise von u, v, w verstan-
665
den werden (bezw. die Festsetzung von u und die Beweise von v und w
mittels u).
     Ich kann also sagen, dass der rekursive Beweis ausrechnet, dass die
Gleichung A einer gewissen Bedingung genügt; aber es ist nicht eine Bedin-
gung der Art, wie sie etwa die Gleichung (a + b)² = a² + 2ab + b² erfüllen
muss, um “richtig” genannt we zu werden. Nenne ich A “richtig”, weil sich
Gleichungen von der Form u, v, w dafür beweisen lassen, so verwende ich
jetzt das Wort “richtig” anders, als im Falle der Gleichungen u, v, w,
oder (a + b)² = a² + 2ab + b².
     

     Was heisst “1:3 = 0,3”? heisst es dasselbe wie “”? –
Oder ist diese Division der Beweis des ersten Satzes? D.h.: steht sie zu
ihm im Verhältnis der Ausrechnung zum Bewiesenen?
     “1 : 3 = 0,3” ist nicht von der Art, wie
“1 : 2 = 0,5”; vielmehr entspricht
” dem “” (aber nicht
dem “”.)
Ich will einmal statt der Schreibweise “1 : 4 = 0,25” die gebrauchen // annehmen//:
” also z.B. “
dann kann ich sagen, diesem Satz entspricht nicht der: 1 : 3 = 0,3, son-
dern z.B. der: “”. 0,3 ist nicht in dem Sinne Re-
666
sultat (Quotient) der Division, wie 0,375. Denn die Zahl 0,375 // die
Ziffer “0,375” // war uns vor der Division 3:8 bekannt; was aber bedeu-
tet “0,3” losgelöst von der periodischen Division? – Die Behauptung,
dass die Division a:b als Quotienten 0,c ergibt, ist dieselbe wie die:
die erste Stelle des Quotienten sei c und der erste Rest gleich dem Divi-
denden.
     Nun steht B zur Behauptung, A gelte für alle Kardinalzahlen, im selben
Verhältnis, wie zu 1 : 3 = 0,3
     

     Der Gegensatz zu der Behauptung “A gilt für alle Kardinalzahlen” ist
nun: eine der Gleichungen u, v, w sei falsch. Und die entsprechende Fra-
ge sucht keine Entscheidung zwischen einem (x).fx und einem (Ex).non-fx.
     

     Die Konstruktion der Induktion ist nicht ein Beweis, sondern eine
bestimmte Zusammenstellung (ein Muster im Sinne von Ornament) von Bewei-
sen. Man kann ja auch nicht sagen: ich beweise eine Gleichung, wenn ich
drei beweise. Wie die Sätze einer Suite nicht einen Satz ergeben.
     

     Man kann auch so sagen: Sofern man die Regel, in irgendeinem Spiel De-
zimalbrüche zu bilden, die nur aus der Ziffer 3 bestehen, sofern man
diese Regel als eine Art Zahl auffasst, kann eine Division sie
nicht zum Resultat haben, sondern nur das, was man periodische Division
nennen kann und was die Form hat.
667
     


128
Induktion, (x)·Fx und (Ex)·Fx. Inwiefern erweist die Induktion den
allgemeinen Satz als wahr und einen Existentialsatz als falsch?
     






     
3 × 2 = 5 + 1
3 × (a + 1) = 3 + (3 × a) = (5 + b) + 3 = 5 + (b + 3)
Warum nennst Du denn diese Induktion den Beweis dafür, dass (n): n 2 ·C·
·C· 3 × n ≠ 5?! – Nun, siehst Du denn nicht, dass der Satz, wenn er für
n = 2 gilt, auch für n = 3 gilt, und dann auch für n = 4, und dass es
immer so weiter geht? (Was erkläre ich denn, wenn ich das Funktionieren
des induktiven Beweises erkläre?) Du nennst ihn also einen Beweis für
“f(2) & f(3) & f(4) & u.s.w.”, ist er aber nicht vielmehr die Form der
Beweise für “f(2)” und “f(3)” und “f(4)” u.s.w.? Oder kommt das auf
eins hinaus? Nun, wenn ich die Induktion den Beweis eines Satzes
nenne, dann darf ich es nur, wenn das nichts anderes heissen soll, als
dass sie jeden Satz einer gewissen Form beweist. (Und mein Ausdruck bedient
si[f|c]h der Analogie vom Verhältnis der Sätze “alle Säuren färben Lakmuspa-
pier rot”, “Schwefelsäure färbt Lakmuspapier rot”.)
     Denken wir nun, jemand sagte “prüfen wir nach, ob f(n) für alle n gilt” und nun fängt er an, die Reihe zu schreiben:
3 × 2 = 5 + 1

     3 × (2 + 1) = (3 × 2) + 3 = (5 + 1) + 3 = 5 + (1 + 3)
     3 × (2 + 2) = (3 × (2 + 1)) + 3 = (5 + (1 + 3)) + 3 = 5 + (1 + 3 + 3)
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668
und nun bricht er ab und sagt: “ich sehe schon, dass es für alle n gilt”. –
So hat er also eine Induktion gesehen! Aber hatte er denn nach
einer Induktion gesucht? Er hatte ja gar keine Methode, um nach ihr
//einer // zu suchen. Und hätte er nun keine entdeckt, hätte er damit eine
Zahl gefunden, die der Bedingung nicht entspricht? – Die Regel der Kontrol-
le kann ja nicht alauten: sehen wir nach, ob sich eine Induktion findet,
oder ein Fall, für den das Gesetz nicht gilt. – Wenn das Gesetz vom ausge-
schlossenen Dritten nicht gilt, so heisst das nur, dass unser Ausdruck nicht
mit einem Satz zu vergleichen ist.
          Wenn wir sagen, die Induktion beweise den allgemeinen Satz, so denken
wir: sie beweist, dass dieser Satz und nicht sein Gegenteil wahr ist
//so wollen wir natürlich zur Ausdrucksform übergehen, sie beweise, dass
dies, und nicht sein Gegenteil der Fall ist//. Welches wäre aber das Ge-
genteil des Bewiesenen? Nun, dass (En) nonfn der Fall ist. Damit verbinden
wir zwei Begriffe: den einen, den ich aus meinem gegenwärtigen Begriff des
Beweises von (n)·f(n) herleite, und einen andern, der von der Analogie mit
(Ex).fx hergenommen ist. (Wir müssen ja bedenken, dass “(n).fn” kein Satz
ist, solange ich kein Kriterium seiner Wahrheit habe; und dann nur den Sinn
hat, den ihm dieses Kriterium gibt. Ich konnte freilich, schon ehe ich das
Kriterium hatte // besass//, etwa nach einer Analogie zu (x).fx ausschau-
en.) Was ist nun das Gegenteil von dem, was die Induktion beweist? Der Be-
weis von (a + b)² = a² + 2ab + b² rechnet diese Gleichung aus im Gegensatz
etwa zu (a + b)² = a² + 3ab + b². Was rechnet der Induktionsbeweis aus?
     

                         Die Gleichungen: 3 + 2 = 5 + 1, 3 × (a + 1) = (3 × a) + 3,
(5 + b) + 3 = 5 + (b + 3) im Gegensatz also etwa zu 3 + 2 = 5 + 6, 3 × (a + 1) =
(4 × a) + 2, etc.. Aber dieses Gegenteil entspricht ja nicht dem Satz
(Ex)· fx. – Ferner ist nun nicht mit jener Induktion im Gegensatz jeder Satz
von der Form non- f(n), nämlich d.h.// der Satz “non-f(2)”, “non-f(3)”,
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u.s.w.; d.h. die Induktion ist das Gemeinsame in der Ausrech-
nung // den Ausrechnungen// von f(2), f(3), u.s.w.; aber sie ist nicht die
Ausrechnung “aller Sätze der Form f(n)”, da ja nicht eine Klasse von Sätzen
in dem Beweis vorkommt, die ich “alle Sätze der Form f(n)” nenne. Jede ein-
zelne nun von diesen Ausrechnungen ist die Kontrolle eines Satzes von der
Form f(n). Ich konnte nach der Richtigkeit dieses Satzes fragen und eine
Methode zu ihrer Kontrolle anwenden, die durch die Induktion nur auf eine
einfache Form gebracht war. Nenne ich aber die Induktion “den Beweis eines
allgemeinen Satzes”, so kann ich nach der Richtigkeit dieses Satzes nicht fra-
gen (sowenig, wie nach der Richtigkeit der Form der Kardinalzahlen). Denn,
was ich Induktionsbeweis nenne, gibt mir keine Methode zur Prüfung,
ob der allgemeine Satz richtig oder falsch ist; diese Methode müsste mich
vielmehr lehren, auszurechnen (zu prüfen), ob sich für einen bestimmten Fall
eines Systems von Sätzen eine Induktion bilden lässt, oder nicht. (Was so
geprüft wird, ist, ob alle n die oder jene Eigenschaft haben, wenn ich so sa-
gen darf; aber nicht, ob alle sie haben, oder ob es einige gibt, die sie
nicht haben. Wir rechnen z.B. aus, dass die Gleichung x² + 3x + 1 = 0
keine rationalen Lösungen hat (dass es keine rationale Zahl gibt, die …)
und nicht die Gleichung x² + 2x + ½ –, dagegen die Gleichung x² + 2x + 1 = 0,
etc..)
     

                        Daher wir es seltsam empfinden, wenn uns gesagt wird,
die Induktion beweise den allgemeinen Satz; da wir das richtige Gefühl haben,
dass wir ja in der Sprache der Induktion die allgemeine Frage gar nicht hät-
ten stellen können. Da uns ja nicht zuerst eine Alternativee gestellt war
(sondern nur zu sein schien, solange uns ein Kalkül mit endlichen Klassen vor-
schwebte).
          Die Frage nach der Allgemeinheit häatte vor dem Beweis noch gar kei-
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nen Sinn, also ist sie auch keine Frage, denn die Frage hätte nur Sinn ge-
habt, wenn eine allgemeine Methode zur Entscheidung bekannt war, ehe
der besondere Beweis bekannt war. // Die Frage nach der Allgemeinheit hat-
te vor dem Beweis noch gar keinen Sinn, also war sie auch keine Frage, denn
die hätte nur Sinn gehabt, wenn eine allgemeine Methode der Entscheidung
bekannt war, ehe der besondere Beweis bekannt war.//
     Denn der Induktionsbeweis entscheidet nichts. // …entscheidet keine
Streitfrage.//// …entscheidet nicht in einer Streitfrage.//
     

     Wenn gesagt wird: “der Satz ‘(n).fn’ folgt aus der Induktion” heisse
nur: jeder Satz der Form f(n) folge aus der Induktion; – “der Satz
‘(En). non-f(n)’ widerspreche //widerspricht// der Induktion” heisse
nur: jeder Satz der Form non-f(n) werde durch die Induktion widerlegt, –
so kann man sich damit zufrieden geben //so kann man damit einverstanden
sein//, aber wirdn jetzt fragen: Wie gebrauchen wir den Ausdruck “der Satz (n).f(n)” richtig? Was ist seine Grammatik. (Denn daraus, dass ich ihn
in gewissen Verbindungen gebrauche, folgt nicht, dass ich ihn überall dem
Ausdruck “der Satz (x).fx” analog gebrauche.)
     

     Denken wir, es stritten sich Leute darüber, ob in der Division 1:3 lau-
ter Dreier im Quotienten herauskommen müssten; sie hätten aber keine Metho-
de, wie dies zu entscheiden sei // um dies zu entscheiden//. Nun bemerkt
Einer von ihnen die induktive Eigenschaft von und sagt:
jetzt weiss ich's, es müssen lauter 3 im Quotienten stehen. Die Andern hat-
ten an diese Art der Entscheidung nicht gedacht. Ich nehme an, es
habe ihnen unklar etwas von einer Entscheidung durch stufenweise Kontrolle
vorgeschwebt, und dass sie diese Entscheidung freilich nicht herbeiführen
könnten. Halten sie nun an ihrer extensiven Auffassung fest, so ist aller-
671
dings durch die Induktion eine Entscheidung herbeigeführt, denn die In-
duktion zeigt für jede Extension des Quotienten, dass sie aus lauter 3
besteht. Lassen sie aber die extensive Auffassung fallen, so entscheidet
die Induktion nichts. Oder nur das, was die Ausrechnung von
entscheidet: nämlich, dass ein Rest bleibt, der g[,|l]eich dem Dividenden ist.
Aber mehr nicht. Und nun kann es allerdings eine richtige Frage geben, näm-
lich: ist der Rest, der bei dieser Division bleibt, gleich dem Dividenden?
und diese Frage ist jetzt an die Stelle der alten extensiven getreten und
ich kann natürlich den alten Wortlaut beibehalten, aber er ist jetzt aus-
serordentlich irreleitend, denn sie //er// lässt es immer so erscheinen,
als wäre die Erkenntnis der Induktion nur ein Vehikel, das uns in die Un-
endlichkeit tragen kann. (Das hängt auch damit zusammen, dass das Zeichen
“u.s.w.” sich auf eine interne Eigenschaft des Reihenstückes, das ihm vor-
hergeht, bezieht und nicht auf seine Extension.)
     Die Frage “gibt es eine rationale Zahl, die die Wurzel von
x² + 3x + 1 = 0 ist” ist freilich durch eine Induktion entschieden, : – aber
hier habe ich eben eine Methode konstruiert, um Induktionen zu bilden; und
die Frage hat ihren Wortlaut nur, weil es sich um eine Konstruktion von
Induktionen handelt. D.h. die Frage wird durch eine Induktion entschieden,
wenn ich nach dieser Induktion fragen konnte. Wenn mir also ihr Zeichen
von vornherein auf ja und nein bestimmt war, so dass ich rechnerisch zwi-
schen ihnen entscheiden konnte, wie z.B., ob der Rest in 5 : 7 gleich
oder ungleich dem Dividenden sein wird. (Die Verwendung der Ausdrücke
“alle …” und “es gibt …” für diese Fälle hat eine gewisse Aehnlich-
keit mit der Verwendung des Wortes “unendlich” im Satz “heute habe ich
ein Lineal mit unendlichem Krümmungsradius gekauft”.)
     

      entscheidet durch ihre Periodizität nichts, was früher of-
672
fen gelassen war. Wenn vor der Entdeckung der Periodizität Einer vergebens
nach einer 4 in der Entwicklung von 1:3 gesucht hätte, so hätte er do[h|c]h
die Frage “gibt es eine 4 in der Entwicklung von 1:3” nicht sinnvoll
stellen können, d.h., abgesehen davon, dass er tatsächlich
zu keiner 4 gekommen war, können wir ihn davon überzeugen, dass er keine
Methode besitzt, seine Frage zu entscheiden. Oder wir könnten auch sagen:
abgesehen von dem Resultat seiner Tätigkeit könnten wir ihn über die Gram-
matik seiner Frage und die Natur seines Suchens aufklären (wie einen heu-
tigen Mathematiker über analoge Probleme). “Aber als Folge der Entdeckung
der Periodizität hört er nun doch gewiss auf, nach einer 4 zu suchen! Sie
überzeugt ihn also, dass er nie eine finden wird”. – Nein. Die Entdeckung
der Periodizität bringt ihn vom Suchen ab, wenn er sich nun neu ein-
stellt. Man könnte ihn fragen: “Wie ist es nun, willst Du noch immer nach
einer 4 suchen?” (Oder hat Dich, sozusagen, die Periodizität auf andere
Gedanken gebracht.)
     Und die Entdeckung der Periodizität ist in Wirklichkeit die Konstruk-
tion eines neuen Zeichens und Kalküls. Denn es ist irreführend ausgedrückt,
wenn wir sagen, sie bestehe darin, dass es uns aufgefallen sei,
dass der erste Rest gleich dem Dividenden ist. Denn hätte man Einen, der
die periodische Division nicht kannte, gefragt, : ist in dieser Division der
erste Rest gleich dem Dividenden, so hätte er natürlich “ja” gesagt; es
wäre ihm also aufgefallen. Aber damit hätte ihm nicht die Periodizität auf-
fallen brauchen //müssen//; d.h.: er hätte damit nicht den Kalkül mit
den Zeichen gefunden.
     Ist nicht, was ich hier sage, immer dasselbe, //sage, das,// was Kant
damit g meinte, dass 5 + 7 = 12 nicht analytisch, sondern synthetisch
a priori sei?
673
     




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Wird aus der Anschreibung des Rekursionsbeweises noch ein wei-
terer Schluss
auf die Allgemeinheit gezogen, sagt das Rekur-
sionsschema nicht schon alles was zu sagen war?
     






     Man sagt für gewöhnlich, die rekursiven Beweise beweisen // zeigen//,
dass die algebraischen Gleichungen für alle Kardinalzahlen gelten; aber
es kommt hier momentan nicht darauf an, ob dieser Ausdruck glücklich oder
schlecht gewählt ist, sondern nur darauf, ob er in allen Fällen die glei-
che Bedeutung hat. //ob er in allen Fällen die gleiche, klarbestimmte,
Bedeutung hat.//
     

     Und ist es da nicht klar, dass die rekursiven Beweise tatsächlich
dasselbe für alle “bewiesenen” Gleichungen zeigen?
     

     Und das heisst doch, dass zwischen dem rekursiven Beweis und dem von
ihm bewiesenen Satz immer die gleiche (interne) Beziehung besteht?
     

     Es ist ja übrigens ganz klar, dass es so einen rekursiven, oder richti-
674
ger, iterativen “Beweis” geben muss. (Der uns die Einsicht vermittelt,
dass es “mit allen Zahlen so gehen muss”.) /
      D.h. es scheint mir klar, und dass ich einem Anderen die Richtig-
keit dieser Sätze für die Kardinalzahlen durch einen Prozess der Iteration
begreiflich machen könnte. /
     

     Wie aber weiss ich 28 + (45 + 17) = (28 + 45) + 17 ohne es bewiesen zu ha-
ben? Wie kann mir ein allgemeiner Beweis einen besonderen Beweis schenken?
Denn ich könnte doch den besondern Beweis führen, und wie treffen sich da
die beiden Beweise, und wie, wenn sie nicht übereinstimmen?
     

      D.h.: Ich möchte Einem zeigen, dass das distributive Gesetz wirklich im
Wesen der Anzahl liegt und nicht etwa nur in diesem bestimmten Fall zu-
fällig gilt; werde ich da nicht durch einen Prozess der Iteration zu zei-
gen versuchen, dass das Gesetz gilt und immer weiter gelten muss? Ja, –
daraus ersehen wir, was wir hier darunter verstehen, dass ein Gesetz für alle Zahlen gelten muss.
     

     Und inwiefern kann man diesen Vorgang nicht den // einen// Beweis des
(distributiven) Gesetzes nennen?
     

     Und dieser Begriff des ‘begreiflich-Machens’ kann uns hier wirklich
helfen. //…kann uns hier helfen.//…ist hier ein Segen.//
     Denn man könnte sagen: das Kriterium dafür, ob etwas ein Beweis eines
Satzes ist, ist, ob man ihn dadurch begreiflich machen kann. (Natürlich
handelt es sich da wieder nur um eine Erweiterung unserer grammatischen
Betrachtungen über das Wort //des Wortes// “Beweis”; nicht um ein psy-
chologisches Interesse an dem Vorgang des Begreiflich-machens.)

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/     “Dieser Satz ist für alle Zahlen durch das rekursive Verfahren bewie-
sen”. Das ist der Ausdruck, der so ganz irreführend ist. Es klingt so,
als würde hier ein Satz, der konstatiert, dass das und das für alle Kar-
dinalzahlen gilt, auf einem Wege als wahr erwiesen, und als sei dieser
Weg ein Weg in einem Raum denkbarer Wege.
     Während die Rekursion in Wahrheit nur sich selber z[i|e]igt, wie auch die
Periodizität. // …wie auch die Periodizität nur sich selbst zeigt.//
     

     Wir sagen nicht, dass der Satz f(x), wenn f(l) gilt und aus f(c)
f(c + 1) folgt, darum für alle Kardinalzahlen wahr ist; sondern:
“der Satz f(x) gilt für alle Kardinalzahlen” heisst “er gilt für
x = 1 und f(c + 1) folgt aus f(c)”.
     Und hier ist ja der Zusammenhang mit der Allgemeinheit in endlichen Be-
reichen ganz klar, denn eben das wäre in einem endlichen Bereich aller-
dings der Beweis dafür, dass f(x) für alle Werte von x gilt und eben
das
ist der Grund, warum wir auch im arithmetischen Falle sagen, f(x)
gelte für alle Zahlen.
     

     Zum mindesten muss ich sagen, dass, welcher Einwand gegen den Beweis B
gilt, auch z.B. gegen den der Formel (a + b)n = etc. gilt.
     Auch hier, müsste ich dann sagen, nehme ich nur eine algebraische Regel
in Uebereinstimmung mit den Induktionen der Arithmetik an.

               f(n) × (a + b) = f(n + 1)
               f(1) = a + b
              also: f(1) × (a + b) = (a + b)² = f(2)
              also: f(2) × (a + b) = (a + b)3 = f(3) u.s.w.
676
Soweit ist es klar. Aber nun: “also (a + b)n = f(n)”!
     Ist denn hier ein weiterer Schluss gezogen? Ist denn hier noch etwas
zu konstatieren?
     

     Ich würde aber doch fragen, wenn mir Einer die Formel (a + b)n = f(n)
zeigt: wie ist man denn dazugekommen? Und als Antwort käme do[f|c]h die Gruppe
                    f(n) × (a + b) = f(n + 1)
                     f(1) = a + b. Ist sie also nicht ein Beweis
des algebraischen Satzes? – Oder antwortet sie nicht eher auf die Frage
“was bedeutet der algebraische Satz”?
     

     Ich will sagen: hier ist doch mit der Induktion alles erledigt.
     

     Der Satz, dass A für alle Kardinalzahlen gilt, ist eigentlich der Kom-
plex B. Und sein Beweis, der Beweis von v und w. Aber das zeigt auch,
dass dieser Satz in einem andern Sinne Satz ist, als eine Gleichung, und
sein // dieser// Beweis in anderm Sinne Beweis eines Satzes.
     Vergiss hier nicht, dass wir nicht erst den Begriff des Satzes haben,
dann wissen, dass die Gleichungen mathematische Sätze sind, und dann erken-
nen, dass es noch andere Arten von mathematischen Sätzen gibt!
677
     




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Inwiefern verdient der Rekursionsbeweis den Namen eines ‘Beweises’.
Inwiefern ist der Uebergang nach dem Paradigma A durch den Beweis von B
gerechtfertigt?
     







     Man kann nicht eine Rechnung als den Beweis eines Satzes bestimmen.
//zum Beweis eines Satzes ernennen.//
     

     Ich möchte sagen: Muss man diese Rechnung //die Induktionsrech-
nung // den Beweis des Satzes I nennen? D.h., tut's keine andere Bezie-
hung?
     

     (Die unendliche Schwierigkeit ist die “allseitige Betrachtung” des Kal-
küls.)







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                        “Der Uebergang ist gerechtfertigt” heisst in einem
Falle, dass er nach bestimmten gegebenen Formen vollzogen werden kann. Im
andern Fall wäre die Rechtfertigung, dass der Uebergang nach Paradigmen
geschieht, die selbst eine bestimmte Bedingung befriedigen.
     

                        Man denke sich, dass für ein Brettspiel solche Re-
geln gegeben würden, die aus lauter Wörtern ohne “r” bestünden, und dass
ich eine Regel gerechtfertigt nenne, wenn sie kein “r” enthält. Wenn nun
jemand sagte, er habe für das und das Spiel nur eine Regel aufge-
stellt, nämlich, dass die Züge Regeln entsprechen müssten, die kein “r”
enthalten. – Ist denn das eine Spielregel (im ersten Sinn)? Geht das Spiel
nicht doch nach den Regeln //nach der Klasse von Regeln// vor sich, die
nur alle jener ersten Regel entsprechen sollen?
     

                        Es macht mir jemand die Konstruktion von B vor und
sagt nun, A ist bewiesen. Ich frage: “Wieso? – ich sehe nur, dass Du um A
eine Konstruktion mit Hilfe von ρ α gemacht hast”. Nun sagt er: “Ja, aber
wenn das möglich ist, so sage ich eben, A sei bewiesen”. Darauf antworte
ich: “Damit hast Du mir nur gezeigt, welchen neuen Sinn Du mit dem Wort
‘beweisen’ verbindest”.
     

                        In einem Sinne heisst es, dass Du das Paradigma mit-
tels α so und so konstruiert hast, in dem andern, nach wie vor, dass eine
Gleichung dem Paradigma entspricht.
     

                        Wenn wir fragen, “ist das ein Beweis oder nicht?”,
so bewegen wir uns in den Formen der Wortsprache. //…in der Wortsprache.//
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679

            Nun ist natürlich nichts dagegen einzuwenden, wenn Einer sagt:
Wenn die Glieder des Uebergangs in einer Konstruktion der und der Art ste-
hen, so sage ich, die Rechtmässigkeit des Uebergangs ist bewiesen.
     

                        Was wehrt sich in mir gegen die Auffassung von B als
einem Beweis von A? Zuerst entdecke ich, dass ich den Satz von “allen Kar-
dinalzahlen” in meiner Rechnung nirgends brauche. Ich habe den Komplex B
mit Hilfe von r konstruiert und bin dann auf die Gleichung A übergegangen;
von “allen Kardinalzahlen” war dabei keine Rede. (Dieser Satz ist eine
Begleitung der Rechnung in der Wortsprache, die mich ˇhier nur verwirren kann.)
Aber nicht nur fällt dieser allgemeine Satz überhaupt fort, sondern kein
anderer tritt an seine Stelle.
     

                        Der Satz, der die Allgemeinheit behauptet, fällt al-
so weg, “es ist nichts bewiesen”, “es folgt nichts”.
            “Ja, aber die Gleichung A folgt, sie steht nun an Stelle des
allgemeinen Satzes”. – Ja in wiefern folgt sie denn? Offenbar verwende ich
hier “folgt” in einem ganz andern Sinn, als dem normalen, da das, woraus
A folgt, kein Satz ist. Das ist es auch, warum wir fühlen, dass das Wort
“folgen” nicht richtig angewandt ist.
     

                        Wenn man sagt “aus dem Komplex B folgt, dass
a + (b + c) = (a + b) + c”, so schwindelt Eine[,|m]. Man fühlt, dass man da auf irgend
eine Weise einen Unsinn geredet hat, obwohl es äusserlich richtig klingt.
     

                        Dass eine Gleichung folgt, heisst eben schon etwas
(hat seine bestimmte Grammatik).
441
680
     

                    Aber wenn ich höre “aus B folgt A”, so möchte ich fra-
gen: “was folgt?” Dass a + (b + c) gleich (a + b) + c ist, ist ja eine Fest-
setzung, wenn es nicht auf normale Weise aus einer Gleichung folgt.
     

                    Wir können unsern Begriff des Folgens mit A und B nicht
zur Deckung bringen. //Wir können unsern Begriff des Folgens dem A und B
nicht aufpassen. // …nicht aufsetzen, er passt hier nicht.//
     

                    “Ich werde Dir beweisen, dass a + (b + n) = (a + b) + n”. Nie-
mand erwartet sich nun den Komplex B zu sehen. Man erwartet eine andere
Regel über das a, b, und n zu hören, die den Uebergang von der einen auf die
andere Seite vermittelt. Wenn mir statt dessen B und das Schema R gegeben
wird, so kann ich das keinen Beweis nennen, eben weil ich unter Beweis et-
was anderes verstehe.
          Ja ich werde dann etwa sagen: “Ach so, das nennst Du ‘Beweis’, ich
habe mir vorgestellt …”.
     

                    Der Beweis von 17 + (18 + 5) = (17 + 18) + 5 wird allerdings
nach dem Schema B geführt, und dieser Zahlensatz ist von der Form A. Oder
auch: B ist der Beweis des Zahlensatzes; aber eben deshalb nicht von A.
     

                    “Ich werde Dir A1, <…> A2, A3 aus dem einen
//aus einem // Satz ableiten”. – Man denkt dabei natürlich an eine
Ableitung, wie sie mit Hilfe dieser Sätze gemacht wird. – Man
denkt, es wird eine Art von kleineren Kettengliedern gegeben werden, durch
die wir alle diese grossen ersetzen können.
          Und da haben wir doch ein bestimmtes Bild; und es wird uns etwas
ganz Anderes geboten.
442
681

          Die Gleichung wird durch den induktiven Beweis, quasi, der Quere,
statt der Länge nach zusammengesetzt.
     

                      Wenn wir nun die Ableitung ausführen // rechnen//,
so kommen wir endlich zu dem Punkt, wo die Konstruktion von B vollendet
ist. Aber hier heisst es nun “also gilt diese Gleichung”. Aber diese Worte
heissen ja nun? etwas anderes als, wo? wir sonst eine Gleichung aus Glei-
chungen folgern. Die Worte “die Gleichung folgt daraus?” haben ja schon ei-
ne Bedeutung. Und hier wird eine Gleichung allerdings konstruiert, aber
nach einem andern Prinzip.
     

                      Wenn ich sage “aus dem Komplex folgt die Gleichung”,
so ‘folgt’ hier eine Gleichung aus etwas, was gar keine Gleichung ist.
     

                      Man kann nicht sagen: die Gleichung, wenn sie aus B
folgt, folge doch aus einem Satz, nämlich aus & v & w; denn es kommt eben
darauf an, wie ich sie aus diesem Satz A erhalte; ob nach einer Regel
des Folgens. Welches die Verwandtschaft der Gleichung zum Satz u & v & w ist.
(Die Regel, die in diesem Falle zu A führt macht gleichsam einen Quer-
schnitt durch u & v & w, sie fasst den Satz anders auf, als eine Regel des
Folgens.)
     

                      Wenn uns die Ableitung von A aus u versprochen war
und wir sehen nun den Uebergang von B auf A, so möchten wir sagen: “ach,
so war es nicht gemeint”. So, als hätte jemand mir versprochen, er werde
mir etwas schenken und nun sagt er: so, jetzt schenke ich Dir meine Zeit
// mein Vertrauen//.

682
     
     Darin, dass der Uebergang von B auf A kein Folgen ist, liegt auch,
was ich damit meinte, dass nicht das logische Produkt u & v & w die Allge-
meinheit ausdrückt.
     

     Ich sage, (a + b)² = etc. ist mit Hilfe von A1, A2, etc. bewiesen, weil
die Uebergänge von (a + b)² zu a² + 2ab + b² alle von der Form A1, oder A2,
etc. sind. In diesem Sinne ist in III auch der Uebergang von
(b + 1) + a auf (b + a) + 1 nach A1 gemacht, aber nicht der Uebergang von a + n
auf n + a!
     

     Dass man sagt “die Richtigkeit der Gleichung ist bewie-
sen”, zeigt schon, dass Beweis nicht jede Ableitung // Konstruktion//
ist. // …Konstruktion der Gleichung ist.//
     

     Es zeigt mir jemand die Komplexe B und ich sage “das sind keine Be-
weise der Gleichungen A”. Nun sagt er: “Du siehst aber noch nicht das Sy-
stem, nach dem diese Komplexe gebildet sind”, und zeigt es mir // und
macht mich darauf aufmerksam//. Wie konnte das die B zu beweisen machen?
     

     Durch diese Einsicht steige ich in eine andere, sozusagen höhere, Ebe-
ne; während der Beweis auf der tieferen hätte geführt werden müs-
sen //geführt werden müsste//.
     

     Nur ein bestimmter Uebergang von Gleichungen zu einer Gleichung ist
ein Beweis dieser letzteren. ?–Dieser ist hier nicht gemacht // Dieser fin-
det hier nicht statt–?// und alles Andere kann auf die Sprache keinen Ein-
fluss (mehr?) haben. // …und alles Andere kann B nicht mehr zum Beweis
von A machen//.
     

     Aber kann ich eben nicht sagen, dass, wenn ich dies über A bewiesen
683
habe, ich damit A bewiesen habe? Und woher kam dann überhaupt die Täuschung,
dass ich es dadurch bewiesen hätte? denn diese muss doch einen tieferen
Grund haben.
     

     Nun, wenn es eine Täuschung ist, so kam sie jedenfalls von unserer Aus-
drucksweise in der Wortsprache her “dieser Satz gilt für alle Zahlen”;
denn der algebraische Satz war ja nach dieser Auffassung nur eine andere
Schreibweise dieses Satzes (der Wortsprache). Und diese Ausdrucksweise
liess den Fall aller Zahlen mit dem Fall ‘aller Menschen in diesem
Zimmer’ verwechseln. (Während wir, um die Fälle zu unterscheiden, fragen:
Wie verifiziert man den einen und wie den andern.)
     

     Wenn ich mir die Funktionen f1, f2, F exakt definiert // bestimmt//
denke und nun das Schema des Induktionsbeweises schreibe, –

auch dann kann ich nicht sagen, der Uebergang von f1y auf f2y sei auf
Grund von r gemacht worden (wenn der Uebergang in u, v, w nach r gemacht
wurde – in speziellen Fällen r = u). Er bleibt der Gleichung A entsprechend
gemacht und ich könnte nur sagen, er entspreche dem Komplex B, wenn ich
nämlich ?–diesen als ein anderes Zeichen statt der Gleichung A auffasse–?.
     

     Denn das Schema des Uebergangs musste ja u, v und w enthalten.

684
     
     Tatsächlich ist R nicht das Schema des Induktionsbeweises B3; dieses
ist viel komplizierter, da es das Schema B1 enthalten muss.
     

     Es ist nur dann nicht ratsam, etwas ‘Beweis’ zu nennen, wenn die übli-
che Grammatik des Wortes ‘Beweis’ mit der Grammatik des betrachteten Gegen-
standes nicht übereinstimmt.
     

     Die tiefgehende Beunruhigung rührt am Schluss von einem kleinen, aber
offen zu Tage liegendem Zug des überkommenen Ausdrucks her.
     

     Was heisst es, dass R den Uebergang A // Uebergang von der Form A//
rechtfertigt? Es heisst wohl, dass ich mich entschieden habe, nur solche
Uebergänge in meinem Kalkül zuzulassen, denen ein Schema B entspricht,
dessen Sätze u, v, w wieder nach //aus// r ableitbar sein sollen. (Und
das hiesse natürlich nichts anderes, als dass ich nur die Uebergänge
A1, A2, etc. zuliesse und diesen Schemata B entsprächen.) //Richtiger
wäre es, zu schreiben “und diesen Schemata der Form R entsprechen”. Ich
wollte mit dem Nachsatz in der Klammer sagen, der Schein der Allgemein-
heit – ich meine, der Allgemeinheit des Begriffs der Induktionsmethode –
ist un-

456
685
nötig, denn es kommt am Schluss doch nur darauf hinaus, dass die speziel-
len Konstruktionen B1, B2, etc. um die Seiten der Gleichungen A1, A2,
etc. konstruiert wurden. Oder: es ist ein Luxus, dann noch das [g|G]emeinsame
dieser Konstruktionen zu erkennen; alles was massgebend ist, sind die-
se
Konstruktionen (selber). Denn alles, was da steht, sind diese
Beweise. Und der Begriff, unter den die Beweise fallen, ist überflüssig,
denn wir haben nie etwas mit ihm gemacht. Wie der Begriff Sessel über-
flüssig ist, wenn ich nur – auf die Gegenstände weisend – sagen will
“stelle dies und dies und dies in mein Zimmer” (obwohl die drei Gegenstän-
de Sessel sind). (Und eignen sich diese Geräte nicht, um darauf zu sit-
zen, so wird das dadurch nicht anders, dass man auf eine Aehnlichkeit zwi-
schen ihnen aufmerksam macht.) Das heisst aber nichts anderes, als dass
der einzelne Beweis unsere Anerkennung als solchen braucht (wenn ‘Beweis’
bedeuten soll, was es bedeutet); hat er die nicht, so kann keine Entdeckung
einer Analogie mit anderen solchen Gebilden sie ihm geben // ver-
schaffen
//. Und der Schein des Beweises entsteht dadurch, dass u, v, w
und A Gleichungen sind, und dass eine allgemeine Regel gegeben werden
kann, nach der man aus B A bilden (und es in diesem Sinne ableiten) kann.
           Auf diese allgemeine Regel kann man nach-
träglich
aufmerksam werden. (Wird man nun dadurch aber darauf
aufmerksam, dass die B doch in Wirklichkeit Beweis der A sind?) Man wird
da auf eine Regel aufmerksam, mit der man hätte beginnen können und mit-
tels der und u man A1, A2 etc. hätte konstruieren //bauen // können.
Niemand aber würde sie in diesem Spiel einen Beweis genannt haben.
     

                      Woher dieser Konflikt: “Das ist doch kein Beweis!” –
“das ist doch ein Beweis!”?

457
686
     
                       Man könnte sagen: Es ist wohl wahr, ich zeichne im
Beweis von B mittels u die Konturen der Gleichung der A nach, //die Konturen
der Gleichung A mittels u nach,// aber nicht auf die Weise, die ich nenne,
“A mittels u beweisen”.
     

                       Die Schwierigkeit, die in dieser durch diese Betrachtung zu
überwinden ist //überwunden werden soll// ist, den Induktionsbeweis als
etwas Neues, sozusagen, naiv zu betrachten.
     

                       Wenn wir also oben sagten, wir können mit R begin-
nen, so ist dieses Beginnen mit R in gewisser Weise Humbug. Es ist nicht
so, wie wenn ich eine Rechnung mit der Ausrechnung von 526 × 718 beginne.
Denn hier ist diese Problemstellung der Anfangspunkt eines Weges. Während
ich dort das R sofort wieder verlasse und wo anders beginnen muss. Und
wenn es geschehen ist, dass ich einen Komplex von der Form R konstruiert
habe, dann ist es wieder gleichgültig, ob ich mir das früher äusserlich
vorgesetzt habe, weil mir dieser Vorsatz, mathematisch <(>gesprochen[,|)], d.h. im
Kalkül, doch nichts geholfen hat. Es bleibt also bei der Tatsache, dass
ich jetzt einen Komplex von der Form R vor mir habe.
     

                       Wir könnten uns denken, wir kennten nur den Beweis
B1 mit d und würden nun sagen: Alles, was wir haben, ist diese Konstruk-
tion. Von einer Analogie dieser mit anderen Konstruktionen, von einem all-
gemeinen Prinzip bei der Ausführung dieser Konstruktionen, ist gar keine
Rede. – Wenn ich nun so B und A sehe, muss ich fragen: warum nennst Du
das aber einen Beweis gerade von A1? (ich frage noch nicht: warum nennst
Du es einen Beweis von A). Was hat dieser Komplex mit A1 zu tun?
687
Als Antwort muss er? mich auf die Beziehung zwischen A und B aufmerksam ma-
chen, die in V ausgedrückt ist.
     

     Es zeigt uns jemand B1 und erklärt uns den Zusammenhang mit A1, d.i.,
dass die rechte Seite von A so und so erhalten wurde, etc. etc. Wir ver-
stehen ihn; und er fragt uns (nun?): ist nun das ein Beweis von A? Wir wür-
den //werden// antworten: gewiss nicht!
     Hatten wir nun alles verstanden, was über diesen Beweis zu verstehen
war? Ja. Hatten wir auch die allgemeine Form des Zusammenhangs von B und A gesehen? Ja!
     Und wir können auch daraus schliessen, dass man so aus jedem A ein B
konstruieren kann und also auch umgekehrt A aus B.
     

     Dieser Beweis ist nach einem bestimmten Plan gebaut (nach dem noch an-
dere Beweise gebaut sind). Aber dieser Plan kann den Beweis nicht zum Be-
weis machen. Denn wir haben jetzt hier nur die eine Verkörperung dieses
Planes, und können von dem Plan als allgemeinem Begriff (ganz?) abgesehen.
Der Beweis muss für sich sprechen und der Plan ist nur in ihm verkörpert,
aber selbst kein Bestandteil // kein Instrument// des Beweises. (Das
wollte ich immer sagen.) Daher nützt es mich nichts, wenn man mich auf
die Aehnlichkeiten zwischen Beweisen aufmerksam macht, um mich davon zu
überzeugen, dass sie Beweise sind.
     

     Ist nicht unsere Prinzip: keinen Begriff // kein Begriffs-
wort
// zu verwenden, wo keiner // keines// nötig ist? – D.h. die Fäl-
le zu zeigen, in denen das Begriffswort in Wirklichkeit für eine Liste
// Aufzählung// steht. // D.h. in den Fällen, in denen das Begriffswort für
688
eine Liste steht, dies klar zu machen.//// D.h. die Fälle, in denen das
Begriffswort in Wirklichkeit für eine Liste Aufzählung steht, als solche zu erklä-
ren.//
     

     Wenn ich nun früher sagte “das ist doch kein Beweis”, so meinte ich
‘Beweis’ in einem bereits festgelegtem Sinne, in welchem es aus A und B
allein zu ersehen ist. Denn in diesem Sinne kann ich sagen: Ich verstehe
doch ganz genau, was B tut und in welchem Verhältnis es zu A steht. Jede
weitere Belehrung ist überflüssig und das ist kein Beweis. //und das,
was da ist, ist kein Beweis.// In diesem Sinne habe ich es nur mit B und A
allein zu tun; ich sehe ausser ihnen nichts und nichts anderes geht mich
an.
     Dabei sehe ich das Verhältnis nach der Regel V sehr gut // wohl//,
aber es kommt für mich als Konstruktionsbehelf gar
nicht in Frage. Sagte mir jemand, während meiner Be[f|t]rachtung von B und A,
dass man auch hätte B aus A (oder umgekehrt) nach einer Regel konstruieren
können, so könnte ich ihm nur sagen “komm' mir nicht mit unwesentlichen
Sachen”. Denn das ist ja selbstverständlich, und ich sehe sofort, dass es
B nicht zu einem Beweis von A macht. Denn, dass es so eine allgemeine Re-
gel gibt, könnte nur zeigen //Denn diese allgemeine Regel könnte nur zei-
gen//, dass B der Beweis von A und keinem andern
Satz
// der Beweis gerade von A// ist, wenn es überhaupt ein Beweis wäre.
460
689
D.h., dass der Zusammenhang zwischen B und A einer Regel gemäss ist, kann
nicht zeigen, dass B ein Beweis von A ist. Und jeder solche Zusam-
menhang könnte zur Konstruktion von B aus A (und umgekehrt) benützt werden.
     

                     Wenn ich also sagte “R V wird ja gar nicht zur Konstruk-
tion ben[p|ü]tzt, also haben wir mit ihm nichts zu tun”, so hätte es heissen
müssen: Ich habe es doch nur mit A und B allein zu tun. Es genügt doch, wenn
ich A und B mit einander konfrontiere und nun frage “ist B ein Beweis von
A”; und also brauche ich A nicht aus B nach einer vorher festgelegten Regel
zu konstruieren, sondern es genügt, dass ich die einzelnen A – wie viele es
sind – den einzelnen B gegenüberstelle. Ich brauche eine Konstruktionsregel
nicht; und das ist wahr. Ich brauche eine vorher aufgestellte Konstruktions-
regel nicht (aus der ich dann erst die A gewonnen hätte).
     

                     Ich meine: Im Skolem'schen Kalkül brauchen wir
diesen Begriff nicht // brauchen wir keinen solchen Begriff//, es
es genügt die Liste.
           Es geht uns nichts verloren, wenn wir nicht sagen “wir haben die
Grundgesetze A bewiesen” //“wir haben die Grundgesetze A auf diese Weise
bewiesen”//, sondern bloss zeigen, dass sich ihnen – in gewisser Beziehung
analoge – Konstruktionen zuordnen lassen.
     

                     Der Begriff der Allgemeinheit (und der Rekursion), der
in diesen Beweisen gebraucht wird, ist nicht allgemeiner, als er aus diesen
Beweisen unmittelbar herauszulesen ist.
     

                     Die Klammer in R, welche u, v, und w zusammenhält, kann
weiter nichts bedeuten, als dass wir den Uebergang in A (oder einem von der
690
Form A) als berechtigt ansehen, wenn die Glieder (Seiten) des Uebergangs
in einer, durch das Schema B charakterisierten Beziehung, zu einander ste-
hen. Es nimmt dann B den Platz von A. Und wie es früher hiess: der Ueber-
gang ist in meinem Kalkül erlaubt, wenn er einem der A entspricht, es j
so kann es jetzt heissen //so heisst es jetzt//: er ist erlaubt, wenn er
einem der B entspricht.
     Damit aber hätten wir noch keine Vereinfachung, keine Reduktion gewon-
nen.
     

     Der Gleichungskalkül ist gegeben. In diesem Kalkül hat ‘Beweis’ eine
festgelegte //fixe// Bedeutung. Nenne ich nun auch die induktive Rechnung
einen Beweis, so erspart mir dieser Beweis doch nicht die Kontrolle, ob
die Uebergänge der Gleichungskette, nach diesen bestimmten Regeln
(oder Paradigmen) gemacht sind. Ist das der Fall, so sage ich, die letzte
Gleichung der Kette sei bewiesen; oder auch, die Gleichungskette stimme.

463
691
     
                      Denken wir uns, wir kontrollieren die Rechnung
(a + b)3 = … in der ersten //auf die erste // Weise und beim ersten Ueber-
gang sagt er: “ja, dieser Uebergang geschieht (wohl) zwar nach a.(b + c) = ab + ac,
aber stimmt das auch?” Und nun zeigten wir ihm die Ableitung dieser Glei-
chung im induktiven Sinne. –
     

                      In einer Bedeutung heisst die Frage “stimmt die Glei-
chung G”: lässt sie sich nach den Paradigmen herleiten? – Im andern Fall
heisst es: lassen sich die Gleichungen u, v, w nach dem Paradigma (oder den
Paradigmen) herleiten? – Und hier haben wir die beiden Bedeutungen der Fra-
ge (oder des Wortes ‘Beweis’) auf eine Ebene gestellt (in einem
System ausgedrückt) und können sie nun vergleichen (und sehen, dass sie
nicht Eines sind).
     

                      Und zwar leistet dieser neue Beweis nicht, was man an-
nehmen könnte, dass er nämlich den Kalkül auf eine kleinere //engere//
Grundlage setzte – wie es etwa geschieht, wenn wir durch p!q p V q und
non-p ersetzen, oder die Zahl der Axiome vermindern. Denn, wenn man nun
sagt, man habe alle die Grundgleichungen A aus r allein abgeleitet, so
heisst hier das Wort “abgeleitet” etwas (ganz) andres. (Was man sich bei
dieser Versprechung erwartet, ist die Ersetzung der grossen Kettenglieder
durch kleinere, nicht durch zwei halbe Kettenglieder.) Und in einem Sinne
hat man durch diese Ableitungen alles beim alten gelassen. Denn es bleibt
im neuen Kalkül ein Kettenglied des alten wesentlich als ein solches be-
stehn. Die alte Struktur wird nicht aufgelöst. So dass man sagen muss,
der alte Gang des Beweises bleibt bestehen. Und es bleibt im alten
Sinne auch die Unreduzierbarkeit.

692
     
     Man kann daher auch nicht sagen, Skolem habe das algebraische System auf
eine kleinere Grundlage gesetzt, denn er hat es in einem andern Sinne als
dem algebraischen ‘begründet’. // denn er hat es in einem andern Sinne als
dem der Algebra ‘begründet’.//
     

     Wird ein Zusammenhang der A durch die Induktionsbeweise mittels u gezeigt
und ist dies nicht das Zeichen dafür, dass wir es hier doch mit Beweisen zu
tun haben? – Es wird nicht der Zusammenhang gezeigt, den ein Zerlegen
der Uebergänge A in Uebergänge r herstellen würde. Und ein Zusammenhang
der A ist ja schon vor jedem Beweis zu sehen.
     



     Ich kann die Regel R auch so schreiben:

oder auch so:
              a + (b + 1) = (a + b) + 1, wenn ich R oder S als Erklärung oder Er-
satz für diese Form nehme.
     Wenn ich nun sage, in

seien die Uebergänge durch die Regel R gerechtfertigt, – so kann man mir
drauf an[f|t]worten: “Wenn Du das eine Rechtfertigung nennst, so hast Du die
Uebergänge gerechtfertigt. Du hättest uns aber ebensoviel gesagt, wenn Du
736
693
uns nur auf die Regel R und ihre formale Beziehung zu u (oder zu u, v und
w) aufmerksam gemacht hättest.”
           Ich hätte also auch sagen können: Ich nehme die Regel R in der
und der Weise als Paradigma meiner Uebergänge.
           Wenn nun Skolem etwa nach seinem Beweis für das assoziative Ge-
setz übergeht zu:

und sagt, der erste und dritte Uebergang in der dritten Zeile seien nach de[k|m]
bewiesenen assoziativen Gesetz gerechtfertigt, – so sagt er uns damit nicht
mehr, //so erfahren wir damit nicht mehr,// als wenn er sagte, die Ueber-
gänge seien nach dem Paradigma a + (b + c) = (a + b) + c gemacht (d.h., sie ent-
sprechen dem Paradigma) und es sei ein Schema u, v, w mit Uebergängen
nach dem Paradigma u abgeleitet. – “Aber rechtfertigt B nun diese Uebergän-
ge, oder nicht?” – Was meinst Du mit dem Wort “rechtfertigen”? – “Nun, der
Uebergang ist gerechtfertigt, wenn wirklich ein Satz, der für alle Zahlen
gilt, bewiesen ist.” – Aber in welchem Falle wäre das geschehen? Was nennst
Du einen Beweis davon, dass ein Satz für alle Kardinalzahlen gültig ist?
Wie weisst Du, ob der Satz (wirklich) für alle Kardinalzahlen giltig gültig ist, da
Du es nicht ausprobieren kannst. Dein einziges Kriterium ist ja
der Beweis. Du bestimmst also wohl eine Form und nennst sie die,
des Beweises, dass ein Satz für alle Kardinalzahlen gilt. Dann haben wir ei-
gentlich gar nichts davon, dass uns zuerst die allgemeine Form dieser Be-
weise gezeigt wird; da ja dadurch nicht gezeigt wird, dass nur der besonde-
re Beweis wirklich das leistet, was wir von ihm verlangen; ich meine: da
hiedurch der besondere Beweis nicht als einer gerechtfertigt, erwiesen ist,
der einen Satz für alle Kardinalzahlen beweist. Der rekursive Beweis muss
vielmehr seine eigene Rechtfertigung sein. Wenn wir unsern Beweisvorgang
737
694
wirklich als den Beweis einer solchen Allgemeinheit rechtfertigen wollen,
tun wir vielmehr etwas anderes: wir gehen Beispiele einer Reihe durch, und
diese Beispiele und das Gesetz, was wir in ihnen erkennen, befriedigt uns
nun, und wir sagen: ?–ja, unser Beweis leistet wirklich, was wir wollten–?. Aber
wir müssen nun bedenken, dass wir mit der Angabe dieser Beispielreihe die
Schreibweise B und C nur in eine andere (Schreibweise) übersetzt haben. (Denn
die Beispielreihe ist nicht die unvollständige Anwendung der allgemeinen
Form, sondern ein anderer Ausdruck dieser Form // des Gesetzes//.) Und weil
die Wortsprache, wenn sie den Beweis erklärt, erklärt was er beweist, den
Beweis nur in eine andere Ausdrucksform übersetzt, so können wir diese Er-
klärung auch ganz weglassen. Und wenn wir das tun, so werden die mathemati-
schen Verhältnisse viel klarer, nicht verwischt, durch die mehrdeutigen
// [v|V]ieles bedeutenden// Ausdrücke der Wortsprache. Wenn ich z.B. B unmit-
telbar neben A setze, ohne Dazwischenkunft des Wortes “alle” //ohne Vermitt-
lung durch den Ausdruck der Wortsprache “für alle Kardinalzahlen etc.”//,
so kann kein falscher Schein eines Beweises von A durch B entstehen. Wir se-
hen dann ganz nüchtern, wie weit die Beziehungen von B zu A und zu a + b = b + a
reichen und wo sie aufhören. //Wir sehen dann die nüchternen, (nackten) Be-
ziehungen zwischen A und B, und wie weit sie reichen.// Man lernt so erst,
unbeirrt von der alles gleichmachenden Form der Wortsprache, die eigentliche
Struktur dieser Beziehung kennen, und was es mit ihr auf sich hat.
          Man sieht hier vor allem, dass wir in an dem Baum der Strukturen B, C,
etc. interessiert sind, und dass an ihm zwar allenthalben die Form
f(1) = g(1)
f(n + 1) = F(fn)
g(n + 1) = F(gn)
zu sehen ist, gleichsam eine bestimmte Astgabelung, – dass aber diese Gebil-
de in verschiedenen Anordnungen, und Verbindungen untereinander, auftreten,
und dass sie nicht in dem Sinne Konstruktionselemente bilden //sind//, wie
die Paradigmen im Beweis von a + (b + (c + 1)) = (a + (b + c)) + 1 oder (a + b)² =
738
695
a² + 2ab + b². Der Zweck der “rekursiven Beweise” ist ja, den algebrai-
schen Kalkül mit dem der Zahlen in Verbindung zu setzen. Und der Baum der
rekursiven Beweise “rechtfertigt” den algebraischen Kalkül nur, wenn das
heissen soll, dass er ihn mit dem arithmetischen in Verbindung bringt. Nicht
aber in dem Sinn, in welchem die Liste der Paradigmen den algebraischen Kal-
kül, d.h. die Uebergänge in ihm, rechtfertigt.
           Wenn man also die Paradigmen der Uebergänge tabuliert, so hat das
dort Sinn, wo das Interesse darin liegt, zu zeigen, dass die und die Trans-
formationen alle bloss mit Hilfe jener – im übrigen willkürlich gewählten –
Uebergangsformen zustande gebracht sind. Nicht aber dort, wo sich die Rech-
nung in einem andern Sinne rechtfertigen soll, wo also das Anschauen der
Rechnung – ganz abgesehen von dem Vergleich mit einer Tabelle vorher fest-
gelegter Normen – uns lehren muss, ob wir sie zulassen sollen oder nicht.
Skolem hätte uns also keinen Beweis des assoziativen und kommutativen Geset-
zes versprechen brauchen //sollen//, sondern einfach sagen können, er
werde uns einen Zusammenhang der Paradigmen der Algebra mit den Rechnungs-
regeln der Arithmetik zeigen. Aber ist das nicht Wortklauberei? hat er
denn nicht die Zahl der Paradigmen reduziert und uns z.B. statt jener bei-
den Gesetze eines, nämlich a + (b + 1) = (a + b) + 1 gegeben? Nein. Wenn wir z.B.
(a + b)4 = etc. (r) beweisen, som könnten wir dabei von dem vorher bewiesenen
Satz (a + b)² = etc. (s) [g|G]ebrauch machen. Aber in diesem Fall lassen sich
die Uebergänge in r, die durch s gerechtfertigt wurden, auch durch jene
Regeln rechtfertigen, mit denen s bewiesen wurde. Und es verhält sich dann
s zu jenen ersten Regeln, wie ein durch Definition eingeführtes Zeichen zu
dem primären Zeichen, mit deren Hilfe es definiert wurde. Man kann die De-
finition immer auch elliminieren und auf die primären Zeichen übergehen.
Wenn wir aber in C einen Uebergang machen, der durch B gerechtfertigt ist,
so können wir diesen Uebergang nun nicht auch mit u allein machen. Wir ha-
ben eben mit dem, was hier Beweis genannt wird, nicht einen Schritt //Ueber-
gang // in Stufen zerlegt, sondern etwas ganz andres getan.
696
     




131
Der rekursive Beweis reduziert die Anzahl der Grundgesetze nicht.
     






     Wir haben also hier nicht den Fall, in welchem eine Gruppe von Grund-
gesetzen durch eine mit weniger Gliedern bewiesen wird, aber nun weiter
in den Beweisen alles im Gleichen bleibt. (Wie auch in einem System von
Grundbegriffen an der späteren Entwicklung dadurch nichts geändert wird,
dass man die Anzahl der Grundbegriffe durch Definitionen reduziert.)
     (Uebrigens, welche verdächtige Analogie, zwischen “Grundgesetzen” und
“Grundbegriffen”!)
     

     Es ist gleichsam //etwa// so: der Beweis eines alten Grundgesetzes
setzt sonst das System der Beweise (einfach) nach rückwärts fort. Die
Rekursionsbeweise aber setzen das System von algebraischen Beweisen (mit
den alten Grundgesetzen) nicht nach rückwärts fort, sondern sind ein neu-
es System, das mit dem ersten nur parallel zu laufen scheint.
     

     Das ist eine seltsame Bemerkung, dass in den Induktionsbeweisen der
Grundregeln nach wie vor ihre Unreduzierbarkeit (Unabhängigkeit) sich
697
zeigen muss // ?–zu Tage treten muss–?//. Was, wenn man das für den Fall von
gewöhnlichen Beweisen (oder Definition) sagte, also für den Fall, wo
die Grundregeln eben weiter reduziert werden, eine neue Verwandtschaft
zwischen ihnen gefunden (oder konstruiert) wird.
     

     Wenn ich darin Recht habe, dass durch die Rekursionsbeweise die Unre-
duzierbarkeit // Unabhängigkeit// intakt bleibt, dann ist damit (wohl?)
alles gesagt, was sich gegen den Begriff vom Rekursions-“Beweis” sagen
//vorbringen// wollte // kann//.
     

     Der induktive Beweis zerlegt den Uebergang in A nicht. Ist es nicht
das, was macht, dass ich mich dagegen sträube, ihn Beweis zu nennen? Wa-
rum ich versucht bin zu sagen, er kann auf keinen Fall – nämlich auch,
wenn man A durch R und u konstruiert – mehr tun, als etwas über den
Uebergang zu zeigen.
     

     Wenn man sich einen Mechanismus aus Zahnrädern und diese aus lauter
gleichen keilförmigen Stücken und je einem Ring, der sie zue einem Rad
zusammenhält, zusammengesetzt denkt, so blieben in einem gewissen Sinne
die Einheiten des Mechanismus doch die Zahnräder.
     

     Es ist so: Wenn ein Fass aus Dauben und Böden besteht, so halten doch
nur alle diese in dieser (bestimmten) Verbindung (als Komplex) die Flüs-
sigkeit und bilden als Behälter neue Einheiten.
     

     Denken wir uns eine Kette, sie besteht aus Gliedern und es ist möglich,
(je) ein solches Glied durch zwei kleinere zu ersetzen. Die Verbindung,
die die Kette macht, kann dann, statt durch die grossen, ganz durch die
698
kleineren //kleinen // Glieder gemacht werden. Man könnte sich aber
auch denken, dass jedes Glied der Kette aus – etwa – zwei halbringförmi-
gen Teilen bestünde, die zusammen das Glied bildeten, einzeln aber nicht
als Glieder verwendet werden könnten.
     Es hätte nun ganz verschiedenen Sinn, einerseits, zu sagen: die Verbin-
dung, die die grossen Glieder machen, kann durch lauter kleine Glieder
gemacht werden; – und anderseits: diese Verbindung kann durch lauter halbe
grosse Glieder gemacht werden. Was ist der Unterschied?
     

     Der eine Beweis ersetzt eine grossgliedrige Kette durch eine klein-
gliedrige, der andere zeigt, wie man die (alten) grossen Glieder aus meh-
reren Bestandteilen zusammensetzen kann.
     

     Aehnlichkeit, sowie //und // Verschiedenheit der beiden Fälle sind
augenfällig //klar zu Tage liegend//.
     

     Der Vergleich des Beweises mit der Kette ist natürlich ein logi-
scher
Vergleich und also einv vollkommen exakter Ausdruck dessen, was
er illustriert.
699
     



132
Periodizität
1 : 3 = 0.3.
     






     Man fasst die Periodizität eines Bruches, z.B. ⅓, so auf, als be-
stünde
//bestehe // sie darin, dass etwas, was [,|m]an die Ex[f|t]ension
des unendlichen Dezimalbruchs nennt, nur aus //aus lauter // Dreien be-
steht, und dass die Gleichheit des Restes dieser Division mit dem Dividen-
den nur das Anzeichen für diese Eigenschaft der unendlichen Ex-
tension sei. Oder aber man korrigiert diese Meinung dahin, dass nicht eine
unendliche Extension diese Eigenschaft habe, sondern eine unendliche Rei-
he endlicher Extensionen; und hierfür sei wieder die Eigenschaft der Divi-
sion ein Anzeigen. Man kann nun sagen: die Extension mit einem
Glied sei 0,3, die mit 2 Gliedern 0,33, die mit dreien 0,333, u.s.w..
Das ist eine Regel und das “u.s.w.” bezieht sich auf die Regelmäs-
sigkeit, und die Regel könnte auch geschrieben werden “/0,3, 0x, 0x3/”.
Das, was aber durch die Division bewiesen ist, ist diese
Regelmässigkeit im Gegensatz zu einer andern, nicht die Regelmässigkeit im
700
Gegensatz zur Unregelmässigkeit. Die periodische Division, also
(im Gegensatz zu beweist eine Periodizi-
tät der Quotienten, d.h. sie bestimmt die Regel (die Periode),
legt sie fest, aber ist nicht ein Anzeichen dafür, dass eine Regelmässig-
keit “vorhanden ist”. Wo ist sie denn vorhanden? Etwa in den bestimm-
ten Entwicklungen, die ich auf diesem Papier gebildet habe. Aber das sind
doch nicht “die Entwicklungen”. (Hier werden wir irregeführt von der Idee
der nicht aufgeschriebenen, idealen Extensionen, die ein ähnliches Unding
sind, wie die idealen, nicht gezogenen geometrischen Geraden, die/wir
gleichsam nur in der Wirklichkeit nachziehen, wenn wir sie zeichnen.) Wenn
ich sagte “das ‘u.s.w.’ bezieht sich auf die Regelmässigkeit”, so unter-
schied ich es von dem ‘u.s.w.’ in “er las alle Buchstaben: a, b, c, u.s.w.”.
Wenn ich sage: “die Extensionen von 1:3 sind 0,3, 0,33, 0,333, u.s.w.”,
so gebe ich drei Extensionen und – eine Regel. Unendlich ist nur die-
se, und zwar in keiner andern Weise, als die Division .
     

     Von dem Zeichen “0,3” kann man sagen: es ist keine Ab-
kürzung
.
     

     Und das Zeichen “/0,3, 0x, 0x3/” ist kein Ersatz für eine Exten-
sion, sondern das vollwertige Zeichen selbst; und ebensogut ist “0,3”.
Es sollte uns doch zu denken geben, dass ein Zeichen der Art “0,3ge-
nügt
, um damit zu machen, was wir brauchen. Es ist kein Ersatz, und
im Kalkül gibt es keinen Ersatz.
     Wenn man meint, die besondere Eigenschaft der Division
sei ein Anzeichen für die Periodizität des unendlichen Dezimalbruchs, oder
701
der Dezimalbrüche der Entwicklung, so heisst das, //so ist das ein
Anzeichen dafür,// das etwas regelmässig ist; aber was? Die Exten-
sionen, die ich gebildet habe? Aber andere gibt es ja nicht. Am absurde-
sten würde die Redeweise, wenn man sagte: die Eigenschaft der Division
sei ein Anzeichen dafür, dass das Resultat die Form /0,a, 0x, 0xa/
habe; das wäre so, als wollte man sagen; eine Division ist das Anzeichen
dafür, dass eine Zahl herauskommt. Das Zeichen “0,3” drückt seine Bedeu-
tung nicht von einer grösseren Entfernung aus, als “0,333 …”, denn
dieses Zeichen gibt eine Extension von drei Gliedern und eine Regel; die
Extension 0,333 ist für unsere Zwecke nebensächlich und so bleibt nur
die Regel, die “/0,3, 0x, 0x3/” ebensogut gibt. Der Satz “die Divi-
sion wird nach der ersten Stelle periodisch” heisst soviel
wie: “der erste Rest ist gleich dem Dividenden”. Oder auch: der Satz “die
Division wird von der ersten Stelle an ins Unendliche die gleiche Ziffer
erzeugen” heisst “der erste Rest ist gleich dem Dividenden”; so
wie der Satz “dieses Lineal hat einen unendlichen Radius” heisst, es sei
gerade.
     

     Man könnte nun sagen: die Stellen des //eines // Quotienten von 1:3
sind notwendig alle 3, und das würde wieder nur heissen,
dass der erste Rest gleich dem Dividenden ist und die erste Stelle des
Quotienten 3. Die Verneinung des ersten Satzes ist daher gleich der Ver-
neinung des zweiten. Es ist also dem “notwendig alle” nichts entgegenge-
setzt, was man “zufällig alle” nennen könnte; “notwendig alle” ist sozu-
sagen ein Wort. Ich brauche nur fragen: Was ist das Kriterium der
notwendigen Allgemeinheit, und was wäre das, der zufälligen (das Kriterium
dafür also, dass zufällig alle Zahlen die Eigenschaft P haben)?
702
     



133
Der rekursive Beweis als Reihe von Beweisen.
     






     Der “rekursive Beweis” ist das allgemeine Glied einer Reihe von Bewei-
sen. Er ist also ein Gesetz, nach dem man Beweise konstruieren kann. Wenn
gefragt wird, wie es möglich ist, dass mir diese allgemeine Form den Be-
weis eines speziellen Satzes, z.B. 7 + (8 + 9) = (7 + 8) + 9 ersparen kann, so
ist die Antwort, dass sie nur alles zum Beweis dieses Satzes vorbereitet
hat, ihn aber nicht beweist (er kommt ja in ihr nicht vor). Der Beweis be-
steht vielmehr aus der allgemeinen Form zusammen mit dem Satz.
     

     Unsere gewöhnliche Ausdrucksweise trägt den Keim der Verwirrung in ih-
re Fundamente, indem sie das Wort “Reihe” einerseits im Sinne von ‘Exten-
sion’, anderseits im Sinne von ‘Gesetz’ gebraucht. Das Verhältnis der bei-
den kann man sich an der Maschine klarmachen, die Schraubenfedern erzeugt.
Hier wird durch einen schraubenförmig gewun-
denen
 
 
Gang ein Draht geschoben, der nun so viele Schrauben-
windungen erzeugt, als man erzeugen will. Das, was man die
unendliche Schraube nennt, ist nicht vielleicht etwas von der Art der end-
703
lichen Drahtstücke, oder etwas, dem sich diese nähern je länger sie werden,
sondern das Gesetz der Schraube, wie es in dem kurzen Gangstück verkörpert
ist. Der Ausdruck “unendliche Schraube” oder “unendliche Reihe” ist daher
irreführend.
     

     Wir können also den rekurierenden Beweis immer auch als Reihenstück
mit dem “u.s.w.” anschreiben und er verliert dadurch nicht seine Strenge.
Und zugleich zeigt diese Schreibweise klarer sein Verhältnis zur Glei-
chung A. Denn nun verliert der rekursive Beweis jeden Schein einer Recht-
fertigung von A im Sinne eines algebraischen Beweises – etwa von
(a + b)² = a² + 2ab + b². Dieser Beweis mit Hilfe der algebraischen Rech-
nungsregeln ist vielmehr ganz analog einer Ziffernrechnung.
     

     5 + (4 + 3) = 5 + (4 + (2 + 1)) = 5 + (4 + 2) + 1) = (5 + (4 + 2)) + 1 = (5 + (4 + (1 + 1))) + 1 =
((5 + 4) + 2) + 1 = (5 + 4) + 3 … (L)
     Das ist einerseits der Beweis von 5 + (4 + 3) = (5 + 4) + 3, anderseits kann
man es als Beweis von 5 + (4 + 4) = (5 + 4) + 4 etc. etc. gelten lassen, d.h.
benützen.
     Wenn ich nun sage: L ist der Beweis des Satzes a + (b + c) = (a + b) + c, so
würde das Eigentümliche am am Uebergang vom Beweis zum Satz viel auffälli-
ger.
     

     Definitionen führen nur praktische Abkürzungen ein, aber wir könnten
auch ohne sie auskommen. Aber wie ist es mit den rekursiven Definitionen?
     

     Anwendung der Regel a + (b + 1) = (a + b) + 1 kann man zweierlei nennen:
4 + (2 + 1) = (4 + 2) + 1 ist eine Anwendung in einem Sinne, im andern:
4 + (2 + 1) = ((4 + 1) + 1) + 1 = (4 + 2) + 1.

704
     
     Die rek[j|u]rsive Definition ist eine Regel zur Bildung v[l|o]n Ersetzungsre-
geln. Oder auch das allgemeine Glied einer Reihe von Definit<i>onsreihen.
Sie ist ein Wegweiser, der alle Ausdrücke einer bestimmten Form einem
Wege heimweist.
     

     Man könnte – wie gesagt – den Induktionsbeweis ganz ohne die Benützung
von Buchstaben (mit voller Strenge) anschreiben. Die rekursive Definition
a + (b + 1) = (a + b) + 1 müsste dann als Definitionsreihe geschrieben werden.
Diese Reihe verbirgt sich nämlich in der Erklärung ihres Gebrauchs. Man
kann natürlich auch der Bequemlichkeit halber die Buchstaben in der Defi-
nition beibehalten, [,|m]uss sich aber dann in der Erklärung auf ein Zeichen
der Art “ 1, (1) + 1, ((1) + 1) + 1, u.s.w.” beziehen; oder, was auf dasselbe
hinausläuft, “/1, x, x + 1/”. Hier darf man aber nicht etwa glauben, dass
dieses Zeichen eigentlich lauten sollte “ (x)./ 1, x, x + 1/”! –
     Der Witz unserer Darstellung ist ja, dass der Begriff “alle Zahlen” nur
durch eine Struktur der Art “/1, x, x + 1/” gegeben ist. Die Allgemeinheit
ist durch diese Struktur im Symbolismus dargestellt und kann
nicht durch ein (x).fx beschrieben werden.
     Natürlich ist die sogenannte “rekursive Definition” keine Definition im
hergebrachten Sinne des Worts, weil keine Gleichung. Denn die Gleichung
“a + (b + 1) = (a + b) + 1” ist nur ein Bestandteil von ihr. Noch ist sie das
logische Produkt von Gleichungen. Sie ist vielmehr ein Gesetz, wonach
Gleichungen gebildet werden; wie /1, x, x + 1/ keine Zahl ist, sondern ein
Gesetz etc.. (Das Ueberraschende // Verblüffende// am Beweis von
a + (b + c) = (a + b) + c ist ja, dass er aus einer Definition allein hervorge-
hen soll. Aber u ist keine Definition, sondern eine allgemeine Additions-
regel.)
     Anderseits ist die Allgemeinheit dieser Regel keine andere, als die der
periodischen Division . D.h. es ist in der Regel nichts offen
705
gelassen, ergänzungsbedürftig oder dergleichen.
     Und vergessen wir nicht: Das Zeichen “/1, x, x + 1/” …N interessiert
uns nicht als ein suggestiver Ausdruck des allgemeinen Gliedes der Kar-
dinalzahlenreihe, sondern nur, sofern es mit analog gebauten Zeichen in
Gegensatz tritt: N im Gegensatz zu, etwa, /2, x, x + 3/;
kurz als Zeichen, als Instrument, in einem Kalkül. Und das Gleiche gilt
natürlich von . (Offen gelassen wird in der Regel nur ihre
Anwendung.)
     

     1 + (1 + 1) = (1 + 1) + 1, 2 + (1 + 1) = (2 + 1) + 1, 3 + (1 + 1) = (3 + 1) + 1 … u.s.w.
     1 + (2 + 1) = (1 + 2) + 1, 2 + (2 + 1) = (2 + 2) + 1, 3 + (2 + 1) = (3 + 2) + 1 … u.s.w.
     1 + (3 + 1) = (1 + 3) + 1, 2 + (3 + 1) = (2 + 3) + 1, 3 + (3 + 1)m = (3 + 3) + 1 … u.s.w.
      u.s.w..
So könnte man die Regel “a + (b + 1) = (a + b) + 1” anschreiben.


     In der Anwendung der Regel R, deren Beschreibung ja zu der Regel selbst
als ein Teil ihres Zeichens gehört, läuft a der Reihe /1, x, x + 1/ entlang
und das könnte natürlich durch ein beigefügtes Zeichen, etwa “a N” ange-
geben werden. (Die zweite und d[ir|ri]tte Zeile der Regel R könnte man zusammen
die Operation</>nennen, wie das zweite und dritte Glied des Zeichens N.) So
ist auch die Erläuterung zum Gebrauch der rekursiven Definition u ein Teil
dieser Regel selber; oder auch eine Wiederholung ebenderselben //der//
Regel in andrer Form: sowie “1, 1 + 1, 1 + 1 + 1, u.s.w.” das gleiche
bedeutet, wie (d.h. übersetzbar ist in) “/1, x, x + 1/”. Die Uebersetzung
in die Wortsprache erklärt den Kalkül mit den neuen Zeichen, da
706
wir den Kalkül mit den Zeichen der Wortsprache schon beherrschen.
     Das Zeichen einer Regel ist ein Zeichen eines Kalküls wie jedes ande-
re; seine Aufgabe ist nicht, suggestiv (?–auf eine Anwendung hin–?[_|)] zu wir-
ken, sondern, im Kalkül nach einem System //nach Gesetzen// gebraucht
zu werden. Daher ist die äuss[d|e]re Form, wie die eines Pfeiles nebensächlich,
wesentlich aber das System, worin das Regelzeichen verwendet wird. Das Sy-
stem von Gegensätzen – sozusagen – wovon //von denen// worin// das Zei-
chen sich unterscheidet, etc..
     Das, was ich hier die Beschreibung der Anwendung nenne, enthält ja selbst
ein “u.s.w.”, kann also nur eine Ergänzung oder ein Ersatz des Regelzei-
chens selbst sein.
     



     Was ist nun der Gegensatz eines allgemeinen Satzes, wie
a + (b + (1 + 1)) = a + ((b + 1) + 1)? Welches ist das System von Sätzen, innerhalb des-
ˇsen diese Regel //dieser Satz// verneint wird? Oder auch: wie, in welcher
Form, kann dieser Satz mit andern in Widerspruch ge[t|r]aten? Oder: welche
Frage kann er beantworten, zwischen welchen Alternativen entscheiden? –
Nicht zwischen einer “(n).fn” und einer “(En). non fn”; denn die Allge-
meinheit ist dem Satz von der Regel R zugebracht. Sie kann ebensowenig
729
707
in Frage gestellt //gezogen// werden, wie das System der Kardinalzahlen.
//Oder: Welche Frage beantwortet er? Nicht // Gewiss nicht// die, ob
(n).fn oder (En). non fn der Fall ist, etc..// Die Allgemeinheit einer
Regel kann eo ipso nicht in Frage gestellt werden.
           Denken wir uns nun den allgemeinen Satz als Reihe geschrieben
     p11, p12, p13, …
     p21, p22, p23, …
     p31, p32, p33, …
      …
und verneint. Wenn wir ihn als (x).f(x) auffassen, so ist er ein logi-
sches Produkt //so betrachten wir ihn als logisches Produkt// und sein Ge-
genteil ist die logische Summe der Verneinungen von p11, p12, etc.. Diese
Disjunktion (nun?) ist mit jedem beliebigen Produkt p11 & p21 & p22 &
p12 … pmn vereinbar. (Gewiss, wenn man den Satz mit einem logischen Pro-
dukt vergleicht, so wird er unendlich vielsagend und sein Gegenteil nichts-
sagend.) (Bedenke aber: das “u.s.w.” steht im Satz nach einem Beistrich,
nicht nach einem “und” (“&”). Das “u.s.w.” ist kein Zeichen ihrer Unvoll-
ständigkeit
.)
           Ist denn die Regel R unendlich vielsagend? wie ein ungeheuer</>langes
logisches Produkt?
           Dass man die Zahlenreihe durch die Regel laufen lässt, ist eine
gegebene Form; darüber wird nichts behauptet und kann nichts verneint wer-
den.
           Das Durchleiten des Zahlenstromes ist ja nichts, wovon ich sagen
kann, ich könne es beweisen. Beweisen kann ich nur etwas über die Form, den
Model, durch den ich den Zahlenstrom leite.
           Kann man nun nicht sagen, dass die allgemeine Zahlenregel
a + (b + c) = (a + b) + c …A) eben die Allgemeinheit hat wie a + (1 + 1) = (a + 1) + 1
(indem diese ˇfür jede Kardinalzahl, jene für jedes Kardinalzahlentrippel gilt);
730
708
und dass der rekursive Beweis // Induktionsbeweis// von A die Regel A
rechtfertigt? Dass wir also die Regel A geben dürfen, weil der
Beweis zeigt, dass sie immer stimmt?
           Rechtfertigt die Regel
           A ist eine vollkommen verständliche Regel; so wie die Ersetzungs-
regel P. Eine solche Regel kann ich aber darum nicht geben, weil ich die
einzelnen Fälle von A schon durch eine andere Regel berechnen kann, wie ich
P nicht als Regel geben kann, wenn ich eine Regel gegeben habe, mit der ich , etc. berechnen kann.
     

                        Wie wäre es, wenn man ausser den Multiplikationsre-
geln noch” 25 × 25 = 625” als Regel festsetzen wollte? (Ich sage nicht
”25 × 25 = 624”!) – 25 × 25 = 625 hat nur Sinn, wenn die Art der Rech-
nung // Ausrechnung// bekannt ist, die zu dieser Gleichung gehört, und hat
nur Sinn in Bezug auf diese Rechnung. A hat nur Sinn mit Bezug auf die Art
der Ausrechnung von A. Denn ?–die erste Frage wäre hier eben–?: ist das eine
Bestimmung // Festsetzung//, oder ein errechneter Satz? Denn ist 25 × 25 =
= 625 eine Festsetzung (Grundregel), dann bedeutet das Multiplikationszei-
chen etwas anderes, als es z.B. in Wirklichkeit bedeutet. (D.h. wir haben
es mit einer anderen Rechnungsart zu tun.) Und ist A eine Festsetzung, dann
definiert das die Addition anders, als wenn es ein errechneter Satz ist.
Denn die Festsetzung ist ja dann eine Erklärung des Additionszeichens und
die Rechenregeln Rechenregel, die A auszurechnen erlauben, eine andere Erklärung des-
selben Zeichens. Ich darf hier nicht vergessen, dass u, v, w nicht der Be-
weis von A ist, sondern nur die Form des Beweises, oder des Bewiesenen, ist;
u, v, w definiert also A.
           Darum kann ich nur sagen “25 × 25 = 625 wird bewiesen”, wenn
die Beweismethode fixiert ist, unabhängig von dem speziellen Beweis. Denn
709
diese Methode bestimmt erst die Bedeutung von “x,y”, also, was be-
wiesen wird. Insofern gehört also die Form zur Beweismethode,
die den Sinn von c erklärt. Etwas anderes ist dann die Frage, ob ich
richtig gerechnet habe. – Und so gehört u, v, w zur Beweismethode, die
den Sinn des Satzes A erklärt.
     Die Arithmetik ist ohne eine Regel A vollständig, es fehlt ihr nichts.
Der Satz A wird (nun?) mit Entdeckung einer Periodizität, mit der Konstruk-
tion eines neuen Kalküls, in die Arithmetik eingeführt. Die Frage
nach der Richtigkeit dieses Satzes hätte vor dieser Entdeckung (oder Kon-
struktion) so wenig Sinn, wie die Frage nach der Richtigkeit von
, … ad inf.”.
     Nun ist die Festsetzung P verschieden vom Satz “1:3 = 0,3” und in
diesem Sinne ist “a + (b + c) = (a + b) + c” verschieden von einer Regel
(Festsetzung) A. Die beiden gehören andern Kalkülen an. Der Beweis, die
Rechtfertigung, einer Ersetzungsregel A ist der rekursive Beweis nur
insofern, als er die allgemeine Form der Beweise arithmetischer Sätze von
der Form A ist. // Der Beweis, die Rechtfertigung, einer Regel A ist der
Beweis von u, v, w nu nur insofern, als ……//
     

     Die Periodizität ist nicht das Anzeichen (Symptom) dafür, dass es so
weitergeht, aber der Ausdruck “so geht es immer weiter” ist nur eine Ue[g|b]er-
setzung in eine andere Ausdrucksweise ?–der Periodizität des Zeichens–?
//des periodischen Zeichens//. (Gäbe es ausser dem periodischen Zeichen
noch etwas, wofür die Periodizität nur ein Symptom ist, so müsste dieses
Etwas einen spezifischen Ausdruck haben, der nichts anderes wäre, als der
vollständige Ausdruck dieses Etwas.)
710
     



134

         Ein Zeichen auf bestimmte Weise sehen, auffassen.
Entdecken eines Aspekts eines mathematischen Ausdrucks.
“Den Ausdruck in bestimmter Weise sehen”.
Hervorhebungen.
     






     Ich sprach früher von Verbindungsstrichen, Unterstreichungen, etc. um
die korrespondierenden, homologen, Teile der Gleichungen eines Rekursions-
beweises zu zeigen. Im Beweis
a + (b +
h
1
) = (a + b) +
i
1

a + (b + (c +
k
1
)) = (a + (b + c)) +
m
1

(a + b) + (c +
n
1
) = ((a + b) + c) +
p
1

entspricht z.B. die Eins i nicht der m sondern dem c der nächsten Glei-
chung; m aber entspricht nicht k, sondern dem p; und h nicht dem k son-
dern dem c + k. etc..
     Oder in:

711
entspricht nicht m dem h und n dem i, sondern m dem v und n dem k; und
nicht k dem p, aber p dem u und v dem r und k dem q und q dem s, aber
nicht dem u, u.s.w..
     Wie verhält es sich mit einer Rechnung wie:
(5 + 3)² = (5 + 3)(5 + 3) = 5(5 + 3) + 3(5 + 3) = 5 × 5 + 5 × 3 + 3 × 5 + 3 × 3 = 5² + 2 × 5 × 3 + 3² …R) aus welcher wir auch eine allgemeine Regel des Quadrierens eines Binoms
herauslesen können?
     Wir können diese Rechnung sozusagen arithmetisch und algebraisch auf-
fassen //ansehen//.
     Und dieser Unterschied in der Auffassung träge z.B. zu Tage, wenn das
Beispiel gelautet hätte der algebra-
ischen Auffassung die 2 an den Stellen k einerseits, und an der Stelle i
anderseits unterscheiden mussten, während sie in der arithmetischen
Auffassung nicht zu unterscheiden wären. Wir betreiben eben – glaube ich –
be[k|i]de Male einen andern Kalkül.
     

     Nach der einen Auffassung wäre z.B. die obige //vorige// Rechnung
ein Beweis von (7 + 8)² = 7² + 2 × 7 × 8 + 8², nach der anderen nicht.
     

     Wir könnten ein Beispiel rechnen, um uns zu vergewissern, dass (a + b)²
gleich a² + b² + 2ab und nicht a² + b² + 3ab ist – wenn wir es etwa ver-
gessen hätten; aber wir könnten nicht in diesem Sinn kontrollieren, ob
die Formel allgemein gilt. Auch diese Kontrolle gibt es
natürlich und ich könnte in der Rechnung
(5 + 3)² = … = 5² + 2 × 5 × 3 + 3² nachsehen, ob die 2 im zweiten Glied
ein allgemeiner Zug der Gleichung ist oder einer, der von den speziellen
Zahlen des Beispiels abhängt.

712
     
     Ich mache (5 + 2)² = 5² + 2 × 2 × 5 + 2² zu einem andern Zeichen, indem ich
schreibe:

und dadurch “andeute, welche Züge der rechten Seite von den besonderen
Zahlen der linken herrühren”, etc..
     

     (Ich erkenne jetzt? die Wichtigkeit dieses Prozesses der Zuordnung. Er
ist der Ausdruck einer neuen Betrachtung der Rechnung und daher die //der//
Betrachtung einer neuen Rechnung.)
     



     Ich muss, um ‘A zu beweisen’, erst – wie man sagen würde – die Aufmerk-
samkeit auf etwas ganz Bestimmtes richten //…auf ganz bestimmte Züge
in //von// B lenken//. (Wie in der Division )
     

     (Und von dem, was ich dann sehe, hatte das u sozusagen noch gar keine
Ahnung.)
     

     Es verhält sich hier zwischen Allgemeinheit und Beweis der Allgemein-
heit, wie zwischen Existenz und Existenzbeweis.
     

     Wenn u, v, w bewiesen sind, muss der allgemeine Kalkül erst erfun-
den werden.
     

     Es kommt uns ganz selbstverständlich vor, auf die Induktionsreihe hin
“a + (b + c) = (a + b) + c” zu schreiben; weil wir nicht sehen, dass wir damit
713
einen ganz neuen Kalkül beginnen. (Ein Kind, das gerade rechnen lernt,
würde in dieser Beziehung klarer sehen als wir.)
     



     Die Hervorhebungen geschehen durch das Schema R und könnten so aus-
schauen:

Es hätte aber natürlich auch genügt (d.h. wäre ein Symbol derselben Multi-
plizität gewesen) B anzuschreiben und dazu:
f1x = a + (b + x), f2x = (a + b) + x.
     (Und dabei ist wieder zu bedenken // anzumerken//, dass jedes
Symbol – wie explicit auch immer – missverstanden werden kann.–)
     

     Wer etwa zuerst darauf aufmerksam macht, dass B so gesehen werden kann,
der führt ein neues Zeichen ein; ob er nun die Hervorhebungen mit B ver-
bindet oder auch das Schema R daneben schreibt. Denn dann ist eben R das
neue Zeichen. Oder, wenn man will, auch B zusammen mit R. Die Weise, wie
er darauf aufmerksam gemacht hat, gibt das neue Zeichen.
     

     Man könnte etwa sagen: Hier wurde die untere Gleichung als a + b = b + a
gebraucht; und analog: hier wurde B als A gebraucht, wobei B aber gleich-
sam der Quere nach gelesen wurde. Oder: B wurde als A gebraucht, aber die
714
neue Gleichung // der das neue Satz Zeichen// wird aus u & v& w so zusammengestellt,
dass, indem man nun? A aus B herausliest, man nicht u & v& w in jener Art
von Verkürzung liest, in der man die Prämisse im Folgesatz vor sich hat.
// …im Folgesatz liest.// // …dass, indem man nun A aus B herausliest,
u & v & w nicht in jener Art von Verkürzung erscheint, in der man ……//
     

     Was heisst es nun: “ich mache Dich drauf aufmerksam, dass hier in bei-
den Funktionszeichen das gleiche Argument //Zeichen // steht (vielleicht
hast Du es nicht bemerkt)”? Heisst das, dass er den Satz nicht verstanden
hatte? – Und doch hat er etwas nicht bemerkt, was wesentlich zum Satz ge-
hörte; nicht etwa (so?), als hätte er eine externe Eigenschaft des Satzes
nicht bemerkt. [)|(]Hier sieht man wieder, welcher Art das ist, was man “ver-
stehen eines Satzes” nennt.)
     

      Das Bild vom längs und quer Durchlaufen ist natürlich wieder ein lo-
gisches
Bild und darum ein ganz exakter Ausdruck eines grammatischen
Verhältnisses. Es ist also nicht davon zu sagen: “das ist ein blosses
Gleichnis, wer weiss, wie es sich in der W[8|i]rklichkeit verhält”. // Der
Vergleich von längs und quer Durchlaufen ist wieder? ein logisches
Bild und darum nicht ein unverbi[dn|nd]liches Gleichnis, sondern ein korrekter
Ausdruck eines einer grammatischen Verhältnisses Tatsache. //…und darum nicht als un-
verbindliches Gleichnis über die Achsel anzusehen, sondern ……//
     

     Wenn ich sagte, das neue Zeichen mit den Hervorhebungen müsse ja doch
aus dem alten ohne die Hervorhebungen abgeleitet sein // entstehen//, so
heisst das nicht, weil ich ja das Zeichen mit den Hervorhebungen abgese-
hen von seiner Entstehung betrachten kann. Es stellt sich mir dann (Frege)
dar, als drei Gleichungen, d.h. als die Figur dreier Gleichungen mit ge-
715
wissen Unterstreichungen etc..
     Dass diese Figur ganz analog der der drei Gleichungen l ohne den Unter-
streichungen ist, ist allerdings bedeutsam, wie es ja auch bedeutsam ist,
dass die Kardinalzahlen 1 und die Rationalzahl 1 analogen Regeln unterwor-
fen sind, aber es hindert nicht, dass wir hier ein anderes //neues //
Zeichen haben.
     Ich treibe jetzt etwas ganz Neues mit diesem Zeichen.
     

     Verhält es sich hier nicht so, wie in dem Fall, den ich einmal annahm,
dass der Kalkül der Wahrheitsfunktionen von Frege und Russell mit der
Kombination non-p & non-q der Zeichen “non” und “ & ” betrieben worden wä-
re, ohne dass man das gemerkt hätte, und dass nun Scheffer, statt eine
neue Definition zu geben, nur auf eine Eigentüm[.|l]ichkeit der bereits be-
nützten Zeichen aufmerksam gemacht hätte.
     

     Man hätte immer Dividieren können, ohne je auf die Periodizität auf-
merksam zu werden. Hat man sie gesehen, so hat man etwas Neues gesehn.
     

     Könnte man das aber dann nicht ausdehnen und sagen: ich hätte Zahlen
miteinander multiplizieren können, ohne je auf den Spezi[l|a]lfall aufmerk-
sam zu werden, in dem ich eine Zahl mit sich selbst multipliziere, und
also ist x² nicht einfach x.x”. Die Schaffung des Zeichens “x²” könn-
te, man den Ausdruck dafür nennen, dass man auf diesen Spezialfall aufmerk-
sam geworden ist. Oder, man hätte (immer) a mit b multiplizieren und
durch c dividieren können, ohne darauf aufmerksam zu werden, dass man
“(a∙b)/c” auch “a∙(b/c)” schreiben kann und dassd das analog a.b ist.
Und weiter: das ist doch der Fall des Wilden, der die Analogie zwischen
!!!!! und !!!!!! noch nicht sieht, aber oder die, zwischen !! und !!!!!.
716
/a + (b + 1)
u
=
(a + b) + 1/ & /a + (b + (c + 1))
v
=
(a + (b + c)) + 1/ & /(a + b) + (c + 1)
w
=

((a + b) + c) + 1/ .≝. a + (b + c).I.(a + b) + c …U) und allgemein:
/f1(1)
r
=
f2(1)/ & /f1(c + 1)
v
=
f1(c + 1)/ & /f2(c + 1)
w
=
f2(c + 1)/ .≝.
f1(c).I.f2(c) …V).
     

     Man könnte die Definition U sehen, ohne zu wissen, warum ich so
definiere. // so abkürze.//
     Man könnte die Definition sehen, ohne ihren Witz zu verstehen. – Aber
dieser Witz ist eben etwas Neues, das in ihr als spezielle Ersetzungsregel
noch nicht liegt.
     

     Auch ist ““I”” natürlich kein Gleichheitszeichen, in dem Sinn wie sie in
u, v , und w stehen.
     Aber man kann leicht zeigen, dass I gewisse formale Eigenschaften mit =
gemeinsam hat.
     



     Es wäre – nach den angenommenen Regeln – falsch, das Gleichheitszeichen
so zu gebrauchen:
<D …> /(a + b)² = a.(a + b) + b.(a + b) = … = a² + 2ab + b²/. = ./(a + b)² = a² + 2ab + b²/
wenn damit gemeint sein soll, dass die linke Seite der Beweis der rechten
ist.
     Könnte man sich aber nicht diese Gleichung als Definition aufgefasst
denken? Wenn es z.B. immer Gebrauch gewesen wäre, statt der rechten Seite
die ganze Kette anzuschreiben // hinzuschreiben//, und man nun die Abkür-
717
zung einführte.
     

     Freilich kann kann D als Definition aufgefasst werden! [d|D]enn das
linke Zeichen wird tatsächlich gebraucht, und warum sollte man es nicht
nach dieser Uebereinkunft abkürzen. // …durch das rechte ersetzen.// Nur
gebraucht man dann dieses oder jenes anders, als es jetzt üblich ist.//
//…und warum sollte man es dann nicht nach dieser Uebereinkunft abkür-
zen. Nur gebraucht man dann das rechte oder linke Zeichen anders, als wir
es jetzt gebrauchen. als es jetzt üblich ist.//
     

     Es ist nie genügend hervorgehoben worden, dass ganz ver-
schiedene
Arten von Zeichenregeln in der Form der Gleichung ge-
schrieben werden.
     

     Die ‘Definition’ x.x = x² kann // könnte// so aufgefasst werden,
dass sie nur erlaubt, statt des Zeichens “x.x” das Zeichen “x²” zu set-
zen, also analog der Definition 1 + 1 = 2; aber auch so (und so wird sie
tatsächlich aufgefasst), dass sie erlaubt, a² statt a.a, und (a + b)²
statt (a + b).(a + b) zu setzen; auch so, dass für das x jede beliebige
Zahl eintreten kann.
     



     Wer entdeckt, dass ein Satz p aus einem von der Form qCp & q folgt,
der konstruiert ein neues Zeichen, das Zeichen dieser Regel. (Ich nehme
dabei an, ein Kalkül mit p, q, C, & , sei schon früher gebraucht worden,
und nun träte diese Regel hinzu und schaffe damit einen neuen Kalkül.)



718
     
     In der Notation “x²” verschwindet ja wirklich die Möglichkeit, das eine
der x // den einen der Faktoren x// durch eine andere Zahl zu ersetzen Ja,
es wären zwei Stadien der Entdeckung (oder Konstruktion) von x² denkbar.
Dass man etwa zuerst statt “x²” “x = ” setzt, ehe es Einem nämlich auf-
fällt, dass es das System x.x, x.x.x, etc. gibt, und dass man dann erst
hierauf kommt. Aehnliches ist in der Mathematik unzählige Male vorgekommen.
(Liebig bezeichnete ein Oxyd noch nicht so, dass der Sauerstoff darin in der Notation als
gleichwertes Element mit dem oxydierten //…als Element wie das oxydier-
te// auftrat. Und, so seltsam das klingt, man könnte auch mit allen uns heute bekannten Daten dem Sauerstoff durch eine ungeheur künstliche Inter-
pretation – dh d.h. grammatische Konstruktion – eine solche Ausnahmestel-
lung verschaffen; natürlich nur in der Form der Darstel-
lung
.)
     

     Mit den Definitionen x.x = x², x.x.x = x³ kommen nur die Zeichen
“x²” und “x³” zur Welt (und so weit war es noch nicht nötig, Ziffern als
Exponenten zu schreiben.)
     

/     Der Prozess der Generalisation // Verallgemeinerung// schafft ein neu-
es Zeichensystem. /
     



     Scheffers Entdeckung ist natürlich nicht die der Definition
non-p & non-q = p!q. Diese Definition hätte Russell sehr wohl haben kön-
nen, ohne doch damit das Scheffer'sche System zu besitzen, und anderseits
hätte Scheffer auch ohne diese Definition sein System begründen können.
Sein System ist ganz in dem Zeichen “ non-p & non-p” für “ non-p” und
719
“non(non-p & non-q) & non(non-p & non-q)” für “p V q” enthalten und
“ p!q” gestattet nur eine Abkürzung. Ja, ˇman kann sagen, dass ei-
ner sehr wohl hätte das Zeichen “non(non-p & non-q) & non(non-p &
non-q)” für “p V q” kennen können, ohne das System p!q .!. p!q in ihm
zu erkennen.
     

     Machen wir die Sache noch klarer durch die Annahme der beiden Frege'-
schen Urzeichen “non” und “ & ”, so bleibt hier die Ent[e|d]eckung bestehen,
wenn auch die Definitionen geschrieben werden, non-p & non-p = non-p und
non(non-p & non-p) & non(non-q & non-q) = p & q. Hier hat sich an
den Urzeichen scheinbar gar nichts geändert.
     

     Man könnte sich auch denken, dass jemand die ganze Frege'sche oder
Russell'sche Logik schon in diesem System hingeschrieben hätte und doch,
wie Frege, “ non” und “ & ” seine Urzeichen nennte, weil er das andere Sy-
stem in seinen Sätzen nicht sähe.
     

     Es ist klar, dass die Entdeckung des Scheffer'schen Systems in
non-p & non-p = non-p und non[)|(] non-p & non-p) & non(non-q & non-q) =
= p & q der Entdeckung entspricht, dass x² + ax + ein Spezialfall
von a² + 2ab + b² ist.
     

     Dass etwas so angesehen werden kann, sieht man erst, wenn es so ange-
sehen ist.
     Dass ein Aspekt möglich ist, sieht man erst, wenn er da ist.
     

     Das klingt, als könnte die Scheffer'sche Entdeckung gar nicht in Zei-
chen dargestellt werden. (periodische Division) Aber das liegt daran, dass
720
man die Anwendung // Verwendung// des Zeichens in seiner Ein-
führung nicht voraus nehmen kann (die Regel ist und bleibt ein Zeichen
und von ihrer Anwendung getrennt).
     

     Die allgemeine Regel für den Induktionsbeweis kann ich natürlich nur
dann anwenden, wenn ich die Substitution entdecke, durch die sie anwend-
bar wird. So wäre es möglich, dass einer die Gleichungen
(a + 1) + 1 = (a + 1) + 1
1 + (a + 1) = (1 + a) + 1 sähe, ohne auf die Substitution

zu kommen.
     

     Wenn ich übrigens sage, ich verstehe die Gleichungen als be-
sondern Fall jener Regel, so muss doch das Verständnis das sein, was sich
in der Erklärung der Beziehung zwischen der Regel und den Gleichungen
zeigt, also, was wir durch die Substitutionen ausdrücken. Sehe ich diese
nicht als einen Ausdruck dessen an, was ich verstehe, dann gibt es keinen;
aber dann hat es auch keinen Sinn, von einem Verständnis zu reden, zu
sagen, ich verstehe etwas Bestimmtes. Denn nur dort hat es Sinn, vom Ver-
stehen zu reden, wo wir eines verstehen, im Gegensatz zu etwas an-
derem.
Und dies //diesen Gegensatz// drücken eben Zeichen aus.
     Ja, das Sehen der internen Beziehung kann nur wieder das Sehen von et-
was sein, das sich beschreiben lässt, wovon man sagen kann, “ich sehe,
dass es sich so verhält”, also wirklich etwas von der Natur der Zeichen
der Zuordnung //von der Natur der Zuordnungszeichen// (wie Verbindungs-
striche, Klammern, Substitutionen, etc.). Und alles andere kann nur in
der Anwendung des Zeichens der allgemeinen Regel in einem besonderen Fall
liegen.

721
     
     Es ist, als entdeckten wir an gewissen Körpern, die vor uns liegen,
Flächen, mit denen sie aneinandergereiht werden können. Oder vielmehr,
als entdeckten wir, dass sie mit den und den Flächen, die wir auch schon
früher gekannt // gesehen// hatten, aneinandergereiht werden können. Es
ist das die Art der Lösung vieler Spiele oder Rätselfragen.
     

     Der, welcher //der// die Periodizität entdeckt, erfindet einen neuen
Kalkül,. Die Frage ist, wie unterscheidet sich der Kalkül mit der perio-
dischen Division von dem Kalkül, der die Periodizität nicht kennt?
     

     (Wir hätten einen Kalkül mit Würfeln betreiben können, ohne je auf die
Idee zu kommen, sie zu Prismen aneinanderzureihen.)
722
     



135
Der Induktionsbeweis, Arithmetik und Algebra.
     






     Wozu brauchen wir denn das kommutative Gesetz? Doch nicht, um die
Gleichung, 4 + 6 = 6 + 4 anschreiben zu können, denn diese Gleichung wird durch
ihren besonderen Beweis gerechtfertigt. Und es kann freilich auch der Be-
weis de[r|s] kommutativen Gesetzes als ihr Beweis verwendet werden, aber dann
ist er eben (hier jetzt) ein spezieller (arithmetischer) Beweis. Ich brauche
das Gesetz also, um danach mit Buchstaben zu operieren.
     Und diese Berechtigung kann mir der Induktionsbeweis nicht geben.
     

     Aber eines ist klar: Wenn uns der Rekursionsbeweis das Recht gibt, alge-
braisch zu rechnen, dann auch der arithmetische? Beweis L. //dann gibt
uns auch der arithmetische? Beweis L dieses Recht.//
     

     Auch so: Der Rekursionsbeweis hat es – offenbar // natürlich// – we-
sentlich mit Zahlen zu tun. Aber was gehen mich die an, wenn ich rein al-
gebraisch operieren will. Oder: Der Rekursionsbeweis ist nur dann zu ge-
brauchen? // benützen?//, wenn ich mit ihm den // durch ihn einen// Ueber-
gang in einer Zahlenrechnung rechtfertigen will.
723

     Man könnte nun aber fragen: Also brauchen wir (beide:) sowohl
den Induktionsbeweis als auch das assoziative Gesetz, da ja dieses
Uebergänge der Zahlenrechnung nicht begründen kann, und jener nicht Trans-
formationen in der Algebra?
     

     Ja, hat man (denn?) vor dem Skolem'schen Beweisen das assoziative Gesetz –
z.B. – hingenommen, ohne den entsprechenden Uebergang in einer Zahlenrech-
nung durch Rechnung begründen // ausführen// zu können? D.h.: konnte man
vorher 5 + (4 + 3) = (5 + 4) + 3 nicht ausrechnen, sondern hat es als Axi[k|o]m be-
trachtet
?
     

     Wenn ich sage, die periodische Zahlenrechnung beweist den Satz, der
mich zu jenen Uebergängen berechtigt, wie hätte dieser Satz gelautet, wenn
man ihn als Axiom angenommen und nicht bewiesen hätte?
     Wie hätte der Satz gelautet, nach welchem ich 5 + (7 + 9) = (5 + 7) + 9 ge-
setzt hätte, ohne es beweisen zu können? Es ist doch [l|o]ffenbar, dass es so
einen Satz nie gegeben hat.
     

     Könnte man auch so sagen: In der Arithmetik wird das assoziative Gesetz
überhaupt nicht gebraucht, sondern da arbeiten wir (nur?) mit besonderen
Zahlenrechnungen.
     Und die Algebra, auch wenn sie sich der arithmetischen Notation be-
dient, ist ein ganz anderer Kalkül, und nicht aus dem arithmetischen abzu-
leiten.
     



     Auf die Frage “ist 5 × 4 = 20?” könnte man antworten: “sehen wir nach, ob
es mit den Grundregeln der Arithmetik übereinstimmt”; und entsprechend
724
könnte ich sagen: sehen wir nach, ob A mit den Grundregeln übereinstimmt.
Aber mit welchen? Nun, wohl mit alpha.
     

     Aber zwischen u und A liegt eben die Notwendigkeit einer Festsetzung
darüber, was wir hier “Uebereinstimmung” nennen wollen.
     

      D.h. zwischen u und A liegt die Kluft von // von der // Arithmetik und
// zur // Algebra, und wenn B als Beweis von A gel[f|t]en soll, so muss diese
(Kluft?) durch eine Bestimmung überbrückt werden.
     

     Nun ist ganz klar, dass wir Gebrauch von so einer Idee der Ueberein-
stimmung machen, wenn wir uns nur z.B. rasch ein Zahlenbeispiel ausrech-
nen, um dadurch die Richtigkeit eines algebraischen Satzes zu kontrollie-
ren.
     Und in diesem Skön Sinne könnte ich z.B. rechnen
und sagen: “ja, ja, es stimmt, a × b ist gleich b × a” – wenn ich mir vor-
stelle, dass ich das vergessen hätte.
     

     A, als Regel für das algebraische Rechnen, kann n[x|i]cht rekursiv bewie-
sen werden; das würde man besonders klar sehen, wenn man den “rekursiven
Beweis” als eine Reihe arithmetischer Ausdrücke hinschriebe. Denkt man
sie sich hingeschrieben (d.h. ein Reihenstück mit dem “u.s.w.”), aber oh-
ne die Absicht irgend etwas zu “beweisen”, und nun fragte Einer: “beweist
dies a + (b + c) = (a + b) + c?”, so würden wir erstaunt zurückfragen: “wie kann
es denn so was beweisen? in der Reihe kommen doch nur Ziffern und keine
Buchstaben vor!” – Wohl aber könnte man nun sagen: Wenn ich für das Buch-
725
stabenrechnen die Regel A einführe, so kommt dieser Kalkül dadurch in
einem bestimmten Sinn in Einklang mit dem Kalkül der Kardinalzahlen, wie
ich ihn durch das Gesetz der Additionsregeln (rekursive Definition
a + (b + 1) = (a + b) + 1) festgelegt habe.
726
     





Das Unendliche in der Mathematik
Extensive Auffassung








































727
     




136
Allgemeinheit in der Arithmetik
     






     “Welchen Sinn hat ein Satz der Art ‘(En).3 + n = 7’?” Man ist hier in
einer seltsamen Schwierigkeit: einerseits empfindet man es als Problem,
dass der Satz die Wahl zwischen unendlich vielen Werten von n hat, andrer-
seits scheint uns der Sinn des Satzes in sich gesichert und nur für uns
(etwa) noch zu erforschen, da wir doch “wissen, was ‘(Ex).fx’ be-
deutet”. Wenn Einer sagte, er wisse nicht, was “(En). 3 + n = 7” bedeute,
//welchen Sinn “(En). 3 + n = 7” habe,// so würde man ihm antworten: “aber
Du weisst doch, was dieser Satz sagt: 3 + 0 = 7 . V . 3 + 1 = 7 . V . 3 + 2 = 7
und so weiter!” Aber darauf kann man antworten: “Ganz richtig – der Satz
ist also keine logische Summe, denn die endet nicht mit ‘und so weiter’
und das, worüber ich nicht klar bin, ist eben diese Satzform ‘f(0) V f(1) V
f(2) V u.s.w.’ – und Du hast mir nur statt der ersten unverständlichen
Satzform // Satzart// eine zweite gegeben und zwar mit dem Schein, als gä-
beste Du mir etwas altbekanntes, nämlich eine Disjunktion.”
     Wenn wir nämlich meinen, dass wir doch unbedingt “(En) etc.” verstehen,
so denken wir zur Rechtfertigung an andre Fälle des Gebrauchs der Notation
“(E …) …”, beziehungsweise der Ausdrucksform “es gibt …” unserer
728
Wortsprache. Darauf kann man aber nur sagen: Du vergleichst
also den Satz “(En) …” mit jenem Satz “es gibt ein Haus in dieser Stadt,
welches …”, oder “es gibt zwei Fremdwörter auf dieser Seite”. Aber mit
dem V[l|o]rkommen der Worte “es gibt” in diesen Sätzen ist ja die Grammatik
dieser Allgemeinheit noch nicht bestimmt. Und dieses Vorkommen weist auf
nichts andres hin, als eine gewisse Analogie in ˇden Regeln. Wir werden also
ruhig diese Regeln von vorne untersuchen können, ohne uns von der Bedeut-
ung von “(E …) …” in andern Fällen stören zu lassen. //ohne uns von
der Bedeutung, die “(E …) …” in andern Fällen hat, stören zu lassen.//
// Wir werden also die Grammatik der Allgemeinheit “(En) etc.” ohne vorge-
fasstes Urteil untersuchen können, d.h., ohne uns von der Bedeutung……//
     

     “Alle Zahlen haben vielleicht die Eigenschaft P”. Wieder ist die Frage:
was ist die Grammatik dieses allgemeinen Satzes? Denn damit ist uns nicht
gedient, dass wir die Verwendung des Ausdrucks “alle …” in andern gram-
matischen Systemen kennen. Sagt man: “Du weisst doch, was es heisst! es
heisst: P(0) & P(1) & P(2) u.s.w.”, so ist damit wieder nichts erklärt;
ausser, dass der Satz kein logisches Produkt ist. Und man wird, um
die Grammatik des Satzes verstehen zu lernen, fragen: Wie gebrauchst man
diesen Satz? Was sieht man als Kriterium seiner Wahrheit an? Was ist seine
Verifikation? – Wenn keine Methode vorgesehen ist, um zu entscheiden, ob
der Satz wahr oder falsch ist, ist er ja zwecklos und d.h. sinnlos. Aber
hier kommen wir nun zur Illusion, dass allerdings eine solche Methode der
Verifikation vorgesehen ist, die sich nur einer menschlichen Schwäche we-
gen nicht durchführen lässt. Diese Verifikation besteht darin, dass man al-
le (unendlich vielen) Glieder des Produktes P(O) & P(1) & P(2) … auf
ihre Richtigkeit prüft. Hier wird logische mit physischer Möglichkeit ver-
wechselt. //Hier wird das, was man ‘logische Unmöglichkeit’ nennt, mit
729
physischer Unmöglichkeit verwechselt.// Denn dem Ausdruck “alle Glieder
des unendlichen Produktes auf ihre Richtigkeit prüfen” glaubt man Sinn
gegeben zu haben, weil man das Wort “unendlich v[k|i]ele” für die Bezeichnung
einer riesig grossen Zahl hält. Und bei der “Unmöglichkeit, die unendli-
che Zahl von Sätzen zu prüfen” schwebt uns die Unmöglichkeit vor, eine
sehr grosse Anzahl von Sätzen zu prüfen, wenn wir etwa nicht die nötige
Zeit haben.
     Erinnere Dich daran, dass, in dem [W|S]inn, in welchem es unmöglich ist,
eine unendliche Anzahl von Sätzen zu prüfen, es auch unmöglich ist, das
// es// zu versuchen. – Wenn wir uns mit den Worten “Du weisst doch,
was ‘alle …’ heisst” auf die Fälle berufen, in welchen diese Redeweise
gebraucht wird, so kann es uns doch nicht gleichgültig sein, wenn wir
einen Unterschied zwischen diesen Fällen und dem Fall sehen, für welchen
der Gebrauch der Worte gerechtfertigt // erklärt// werden sollte. –
(Gewiss), wir wissen, was heisst, “eine Anzahl von Sätzen auf ihre Rich-
tigkeit prüfen” und gerade auf dieses Verständnis berufen wir uns ja,
wenn wir verlangen, man solle nun auch den Ausdruck “unendlich viele
Sätze …” verstehen. Aber ist denn der Sinn des ersten Ausdrucks von
der Erfahrung // den Er[a|f]ahrungen //, die mit ihm verknüpft ist // sind//,
unabhängig? //Aber hängt denn der Sinn des ersten A[i|u]sdrucks nicht von
den spezifischen Erfahrungen ab, die ihm entsprechen?// Und gerade diese
Erfahrungen fehlen ja in der Verwendung (dem Kalkül) des zweiten Aus-
drucks; es sei denn, dass ihm solche Erfahrungen zugeordnet werden, die
von den ersten grundverschieden sind.
     
     Ramsey schlug einst vor, den Satz, dass unendlich viele Gegenstände
eine Funktion f(x) befriedigen, durch die Verneinungs sämtlicher Sätze
non(E x).fx
(E x).fx & non(E x,y).fx & fy
(E x,y).fx & fy . & . non(E x,y,z).fx & fy & fz
u.s.w.
730
auszudrücken. – Aber diese Verneinung ergäbe die Reihe
(E x).fx
(E x,y).fx & fy
(E x,y,z) etc. etc..
Aber diese Reihe ist wieder ganz überflüssig: den erstens enthält ja
der zuletzt angeschriebene Satz alle vor[g|h]ergehenden und zweitens nützt
uns dieser auch nichts, da er ja nicht von einer unendlichen Anzahl von
Gegenständen handelt. Die Reihe kommt also in Wirklichkeit auf einen Satz
hinaus:
“(E x,y,z … ad inf.).fx & fz … ad inf.”.
Und mit diesem Zeichen können wir gar nichts anfangen, wenn wir nicht
seine Grammatik kennen. Eines aber ist klar: wir haben es nicht mit einem
Zeichen von der Form “(E x,y,z).fx & fy & fz” zu tun; wohl aber mit einem
Zeichen, dessen Aehnlichkeit mit diesem dazu gemacht scheint, uns
irrezuführen.
     

     “m grösser als n” kann ich allerdings definieren als (Ex) . m ‒ n = x,
aber dadurch habe ich es in keiner Weise analysiert. Man denkt nämlich,
dass durch die Verwendung des Symbolismus “(E …) …” eine Verbindung
hergestellt ist //sei// zwischen “m grösser als n” und andern Sätzen von
der Form “es gibt …”, vergisst aber, dass damit zwar eine gewisse Ana-
logie betont ist, aber nicht mehr; da das Zeichen “(E …) …” in unzählig
vielen verschiedenen ‘Spielen’ gebraucht wird. (Wie es eine ‘Dame’ im
Schach- und im Damespiel gibt.) Wir müssen also erst die Regeln wissen,
wie //nach denen// es hier verwendet wird. Und da wird sofort klar,
dass diese Regeln hier mit den Regeln für die Subtraktion zusammenhängen.
Denn, wenn wir – wie gewöhnlich – fragen: “wie weiss ich – dh d.h. woraus
geht es hervor –, dass es eine Zahl x gibt, die der Bedingung m ‒ n = x
genügt”, so kommen darauf die Regeln für die Subtraktion zur Antwort. Und
731
nun sehen wir, dass wir mit unserer Definition nicht viel gewonnen haben.
Ja, wir hätten gleich als Erklärung von ‘m grösser als n’ die Regeln an-
geben können, nach welchen man so einen Satz – z.B. im Falle ‘32 grösser
als 17’ – überprüft.
     

     Wenn ich sage: “für jedes n gibt es ein d, das die Funktion kleiner
macht als n”, so muss ich mich auf ein allgemeines arithmetisches Krite-
rium beziehen, das anzeigt, wann F(d) kleiner ist als n.
     

     Wenn ich wesentlich keine Zahl hinschreiben kann, ohne ein Zahlen-
system, so muss sich das auch in der allgemeinen Behandlung der Zahl wie-
derspiegeln. Das Zahlensystem ist nicht etwas Minderwertiges – wie eine
Russische Rechenmaschine – das nur für Volksschüler Interesse hat, wäh-
rend die höhere, allgemeine Betrachtung davon absehen kann.
     

     Es geht auch nichts von der Allgemeinheit der Betrachtung verloren,
wenn ich die Regeln, die die Richtigkeit und Falschheit von ‘m grösser
als n’ (also seinen Sinn) bestimmen, etwa im [(|//] für das// Dezimalsystem
gebe. Ein System brauche ich ja doch und die Allgemeinheit ist da-
durch gewahrt, dass man die Regeln gibt, nach denen von einem System in
ein anderes übersetzt wird.
     

     Ein Beweis in? der Mathematik ist allgemein, wenn er allgemein anwend-
bar ist. Eine andere Allgemeinheit kann nicht im Namen der Strenge ge-
fordert werden. Jeder Beweis stützt sich auf bestimmte
Zeichen, auf eine bestimmte Zeichengebung. Es kann nur die eine Art der
Allgemeinheit
eleganter erschienen, als die andere. ((Dazu die Verwendung
des Dezimalsystems in Beweisen über
 
 
und
 
 
.))

732
     
     “Streng” heisst: klar.
     

     “Den mathematischen Satz kann man sich vorstellen, als ein Lebewesen,
das selbst weiss, ob es wahr oder falsch ist. (Zum Unterschied
von den empirischen Sätzen // Sätzen der Empirie//.
     Der mathematische Satz weiss selbst, dass er wahr, oder dass er
falsch ist. Wenn er von allen Zahlen handelt, so muss er auch schon alle
634
733
Zahlen übersehen. Wie der Sinn, so muss auch seine Wahrheit oder Falschheit
in ihm liegen.”
     

                       “Es ist, als wäre die Allgemeinheit eines Satzes
‘(n).P(n)’ nur eine Anweisung auf die eigentliche, wirkliche, mathematische
Allgemeinheit eines Satzes. Gleichsam nur eine Beschreibung der Allgemein-
heit, nicht diese selbst. Als bilde der Satz nur auf rein äusserliche Weise
ein Zeichen, dem erst von innen Sinn gegeben werden muss.”
     

                       “Wir fühlen: Die Allgemeinheit, die die mathematische
Behauptung hat, ist anders als die Allgemeinheit des Satzes, der bewiesen
ist.”
     

                       “Man könnte sagen: ein mathematischer Satz ist der
Hinweis auf einen Beweis.”
     

                       Wie wäre es, wenn ein Satz seinen Sinn selber nicht
ganz erfasste. Wenn er sich quasi selber zu hoch wäre? – Und das nehmen ei-
gentlich die Logiker an.
     

                       Den Satz, der von allen Zahlen handelt, kann man
sich nicht durch ein endloses Schreiten verifiziert denken, denn, wenn das
Schreiten endlos ist, so führt es ja eben nicht zu einem Ziel.
         Denken wir uns eine unendlich lange Baumreihe, und ihr entlang, da-
mit wir sie inspizieren können, einen Weg. Sehr gut, so muss dieser Weg
endlos sein. Aber wenn er endlos ist, so heisst das, dass man ihn nicht zu
Ende gehen kann. D.h., er bringt micht nicht dazu, die Reihe zu über-
635
734
sehen. Der endlose Weg hat nämlich nicht ein “unendlich fernes” Ende, son-
dern kein Ende.
     

                      Man kann auch nicht sagen: “Der Satz kann alle Zahlen
nicht successive erfassen, so muss er sie durch den Begriff fassen”, – als
ob das faute de mieux so wäre: “Weil er es so nicht kann, muss er es auf
andre Weise tun”. Aber ein successives Erfassen ist schon möglich, nur
führt es eben nicht zur Gesamtheit. Diese liegt: nicht auf dem Weg, den
wir schrittweise gehen, – und nicht: am unendlich fernen Ende dieses Weges.
(Das alles heisst nur – “P(0) & P(1) & P(2) & u.s.w.” ist nicht das Zei-
chen eines logischen Produkts.)
     

                     “Alle Zahlen können nicht zufällig eine Eigen-
schaft P besitzen; sondern nur ihrem Wesen (als Zahlen) nach. Wesen nach.” – Der Satz
“die Menschen, welche rote Nasen haben, sind gutmütig” hat auch dann nicht
denselben Sinn wie der Satz “die Menschen, welche Wein trinken, sind gut-
mütig”, wenn die Menschen, welche rote Nasen haben, eben die sind, die
Wein trinken. Dagegen: wenn die Zahlen m, n, o der Umfang eines mathemati-
schen Begriffs sind, so dass also fm & fn & fo der Fall ist, dann hat sagt der
Satz, welcher sagt, dass die Zahlen, die f befriedigen, die Eigenschaft
P haben, den gleichen Sinn wie “P(m) & P(n) & P(o)”. Denn die beiden Sät-
ze “f(m) & f(n) & f(o)” und “P(m) & P(n) & P(o)” lassen sich, ohne dass
wir dabei den Bereich der Grammatik verlassen, in einander umformen.
         Sehen wir uns nun den Satz an: “alle n Zahlen, welche der Beding-
ung F(x) genügen, haben zufälligerweise die Eigenschaft P.” Da kommt es drauf
an, ob die Bedingung F(x) eine mathematische ist. Ist sie das, nun dann
kann ich ja aus F(x) P(x) ableiten, wenn auch über die Disjunktion der
n Werte von F(x). (Denn hier gibt es eben eine Disjunktion.) Hier werde ich
735
also nicht von einem Zufall reden. – Ist die Bedingung eine nicht-mathema-
tische, so wird man dagegen vom Zufall reden können. Z.B. wenn ich sage:
alle Zahlen, die ich heute auf den Omnibussen gelesen habe, waren zufäl-
lig Primzahlen. (Dagegen kann man natürlich nicht sagen: “die Zahlen
17, 3, 5, 31, sind zufällig Primzahlen”, ebensowenig wie: “die Zahl 3 ist
zufällig eine Primzahl”.) “Zufällig” ist wohl der Gegensatz von “allge-
mein ableitbar”; aber man kann sagen: der Satz “17, 3, 5, 31 sind Prim-
zahlen” ist allgemein ableitbar – so sonderbar das klingt –, wie auch
der Satz 2 + 3 = 5.
     Sehen wir nun zu unserm ersten Satz zurück, so [w|f]ragen wir wieder: Wie
soll denn der Satz “alle Zahlen haben die Eigenschaft P” gemeint sein?
wie soll man ihn denn wissen können? denn diese Festsetzung gehört ja zur
Festsetzung seines Sinnes! Das Wort “zufällig” deutet doch auf eine Veri-
fikation durch successive Versuche und dem widerspricht, dass wir nicht
von einer endlichen Zahlenreihe reden.
     

     In der Mathematik sind Beschreibung und Gegenstand äquivalent. “die
fünfte Zahl der Zahlenreihe hat diese Eigenschaften” sagt dasselbe
wie “5 hat diese Eigenschaften”. Die Eigenschaften eines Hauses fol-
gen
nicht aus seiner Stellung in einer Häuserreihe; dagegen sind die
Eigenschaften einer Zahl die Eigenschaften einer Stellung.
     

     Man kann sagen, dass die Eigenschaften einer bestimmten Zahl nicht
vorauszusehen sind. Man sieht sie erst, wenn man zu ihr kommt.
     Das Allgemeine ist die Wiederholung einer Operation. Jedes Stadium die-
ser Wiederholung hat seine Individualität. Nun ist es nicht etwa so, dass
ich durch die Operation von einer Individualität zur andern fortschreite.
So dass die Operation das Mittel wäre, um von einer zur andern zu kommen.
Gleichsam das Vehikel, das bei jeder Zahl anhält, die man nun betrachten
736
kann. Sondern die dreimalige //dreimal iterierte // Operation + 1 er-
zeugt und ist die Zahl drei.
     (Im Kalkül sind Prozess und Resultat einander äquivalent.)
     Ehe ich aber nun von “allen diesen Individualitäten”, oder “der Ge-
samtheit dieser Individualitäten” sprechen wollte, müsste, ich mir gut
überlegen, welche Bestimmungen ich in diesem Falle für den Gebrauch der
Worte “alle” und “Gesamtheit” gelten lassen will.
     

     Es ist schwer, sich von der extensiv[ne|en] Auffassung ganz frei zu machen:
So denkt man: “Ja, aber es muss doch eine innere Beziehung zwischen
x³ + y³ und z³ bestehen, da doch (zum mindesten) die Extensionen dieser
Ausdrücke, wenn ich sie nur kennte, das Resultat einer solchen Beziehung
darstellen müssten”. Etwa: “Es müssen doch entweder wesentlich
alle
Zahlen die Eigenschaft P haben, oder nicht; da doch alle
Zahlen die Eigenschaften haben, oder nicht; wenn ich auch nicht wissen
kann, welches der Fall ist.” //; wenn ich das auch nicht wissen kann.”//
     

     “Wenn ich die Zahlenreihe durchlaufe, so komme ich entweder einmal zu
einer Zahl von der Eigenschaft P, oder niemals.” Der Ausdruck “die Zahlen-
reihe durchlaufen” ist Unsinn; ausser es wird ihm ein Sinn gegeben,
der aber die vermutete Analogiem mit dem “durchlaufen der Zahlen von 1
bis 100” aufhebt.
     

     Wenn Brouwer die Anwendung des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten in
der Mathematik bekämpft, so hat er Recht, soweit er sich gegen ein Vorge-
gehen
richtet, das den Beweisen empirischer Sätze analog ist. Man kann
in der Mathematik nie etwas auf die Art beweisen: Ich habe 2 Aepfel
auf dem Tisch liegen gesehen; jetzt ist nur einer da; also hat A
einen Apfel gegessen. – Man kann nämlich nicht durch Ausschliesslichung ge-
737
wisser Möglichkeiten eine neue beweisen, die nicht, durch die von uns
gegebenen Regeln, schon in jener Ausschliessung liegt. Insofern gibt es
in der Mathematik keine echten Alternativen. Währe Wäre die Mathematik die
Untersuchung von erfahrungsmässig gegebenen Aggregaten, so könnte man
durch die Ausschliessung eines Teils das Nichtausgeschlossene beschrei-
ben, und hier wäre der nicht ausgeschlossene Teil der Ausschliessung
des andern nicht äquivalent.
     

     Die aBetrachtungsweise: dass ein logisches Gesetz, weil es für ein
Gebiet der Mathematik gilt, nicht notwendig auch für ein anderes gelten
müss[,|e], ist in der Mathematik gar nicht am Platz, ihrem Wesen ganz entge-
gen. Obwohl ei manche Autoren gerade das für besonders subtil halten,
und entgegen den Vorurteilen.
     

     Wie es sich nun mit derjenigen Allgemeinheit in der Mathematik ver-
hält, deren Sätze nicht //, die nicht // von “allen Kardinalzahlen”, son-
dern, z.B. von “allen reellen Zahlen” handeln // spricht //, kann man nur
erkennen, wenn //indem // man diese Sätze und ihre Beweise untersucht.
// Wie es sich nun mit derjenigen Allgemeinheit, mit den Sätzen der
Mathematik verhält, die nicht … handeln, ……//
     

     Wie ein Satz verifiziert ist wird, das sagt er. Vergleiche die All-
gemeinheit in der Arithmetik mit der Allgemeinheit von nicht arithmeti-
schen Sätzen. Sie wird anders verifiziert und ist darum eine andere. Die
Verifikation ist nicht bloss ˇein //nicht ein blosses// Anzeichen der Wahr-
heit, sondern sie bestimmt den Sinn des Satzes. (Einstein: wie eine
Grösse gemessen wird, das ist sie.)
738
     



137
Zur Mengenlehre
     






/     “Die rationalen Punkte liegen auf der Zahlengeraden nahe beisammen
//bei einander//”: irreführendes Bild. /
     

     Ist ein Raum denkbar, der nur alle rationalen Punkte, aber nicht die
irrationalen enthä[k|l]t? Wäre etwa diese Struktur für unsern Raum zu ungenau
// grob//? Weil wir zu den irrationalen Punkten dann (immer) nur annähe-
rungsweise gelangen kön[t|n]ten? //Weil wir die irrationalen Punkte dann nur
annäherungsweise erreichen könnten?// Unser Netz wäre also nicht fein ge-
nug? Nein. Die Gesetze gingen uns ab, nicht die Extensionen.
     

     Ist ein Raum denkbar, der nur alle rationalen aber nicht die irrationa-
len Punkte enthält?
     Und das heisst nur: Sind die irrationalen Zahlen nicht in den rationa-
len präjudiziert?
     So wenig, wie das Schachspiel im Damespiel.
     Die irrationalen Zahlen füllen keine Lücke aus, die die rationalen of-
fen lassen.

739
     
     Man wundert sich darüber, dass “zwischen den überall dicht liegenden
rationalen Punkten” noch die irrationalen Platz haben. (Welche Verdummung!)
Was zeigt eine Konstruktion, wie die des Punktes √2? Zeigt sie diesen
Punkt, wie er doch noch zwischen den rationalen Punkten Platz hat? Sie
zeigt, dass der durch die Konstruktion erzeugte Punkt, nä[j|m]lich
als Punkt dieser Konstruktion, nicht rational ist. –
Und was entspricht dieser Konstruktion in der Arithmetik? Etwa eine Zahl,
die sich doch noch zwischen die rationalen Zahlen hineinzwängt? Ein
Ge[w|s]etz, das nicht vom Wesen der rationalen Zahl ist.
     

     Die Erklärung des Dedekind'schen Schnittes gibt vor, sie wäre anschau-
lich //gibt vor, anschaulich zu sein//, wenn sie sagt // gesagt wird//:
Es gibt 3 Fälle: entweder hat die Klasse R ein erstes Glied und L kein
letztes, etc.. In Wahrheit lassen sich 2 dieser 3 Fälle gar nicht vorstel-
len. Ausser, wenn die Wörter “Klasse”, “erstes Glied”, “letztes Glied”
gänzlich ihre anscheinend // vorgeblich// beibehaltenen alltäglichen Be-
deutungen wechseln. Wenn man nämlich – starr darüber, dass Einer von einer
Klasse von Punkten redet, die rechts von einem gegebenen Puntk Punkt liegt
und keinen Anfang hat – sagt: gib uns doch ein Beispiel so einer Klasse, –
so zieht er das von den rationalen Zahlen hervor! Aber hier ist ja gar
keine Klasse von Punkten im alltäglichen //ursprünglichen // Sinn!
     

     Der Schnittpunkt zweier Kurven ist nicht das gemeinsame Glied zweier
Klassen von Punkten, sondern der Durchschnitt zweier Gesetze. Es sei denn,
dass man die erste Ausdrucksweise, sehr irreführend, durch die zweite de-
finiert.
     

     Es mag nach dem Vielen, was ich schon darüber gesagt habe, trivial klin-
gen, wenn ich jetzt sage, dass der Fehler in der mengentheoretischen Be-
740
trachtungsweise immer wieder darin liegt, Gesetze und Aufzählungen (Listen)
als wesentlich Eins zu betrachten und sie aneinander zu reihen; da, wo
das eine nicht ausreicht, das Andere seinen Platz ausfüllt.
     

     Das Symbol für eine Klasse ist eine Liste.
     

     Die Schwierigkeit liegt auch hier wieder in der Bildung mathematischer
Scheinbegriffe. Wenn man z.B. sagt: Man kann die Kardinalzahlen ihrer
Grösse nach in eine Folge ordnen, aber nicht die rationalen Zahlen, so
ist darin unbewusst die Voraussetzung enthalten, als hätte der Begriff
des Ordnens der Grösse nach für die rationalen Zahlen
doch einen Sinn, und als erwiese sich dieses Ordnen nun beim Versuch als
unmöglich (was voraussetzt, das der Versuch denkbar ist). – So
denkt man, ist es möglich zu versuchen die reellen Zahlen
(als wäre es ein Begriff wie etwa ‘Aepfel auf diesem Tisch’) in eine
Reihe zu ordnen, und es erwiese sich nun als undurchführbar.
     

     Wenn der Mengenkalkül sich in seiner Ausdrucksweise soviel als möglich
an die Ausdrucksweise des Kalküls der Kardinalzahlen anlehnt, so ist das
wohl in mancher Hinsicht belehrend, weil es auf gewisse formale Aehnlich-
keiten hinweist, aber auch irreführend, wenn er gleichsam noch etwas ein
Messer nennt, das weder Griff noch Klinge mehr hat. (Lichtenberg.)
     

     (Die Eleganz eines mathematischen Beweises kann nur den einen Sinn ha-
ben, gewisse Analogien besonders stark zu Tage treten zu lassen, wenn das
gerade erwünscht ist, sonst entspringt sie dem Stumpfsinn und hat nur die
eine Wirkung, das zu verhüllen, was klar und offenbar sein sollte. Das
stumpfsinnige Streben nach Eleganz ist eine Hauptursache, warum die Mathe-
matiker ihre eigenen Operationen nicht verstehen, oder es entspringt die
Verständnislosigkeit und jenes Streben einer gemeinsamen Quelle.)
741
     
     Die Menschen sind im Netz der Sprache gefangen // verstrickt// und
wissen es nicht.
     



     “Es gibt einen Punkt, in dem die beiden Kurven einander schneiden.” Wie
weisst Du das? Wenn Du es mir sagst, werde ich wissen, was der Satz “es
gibt …” für einen Sinn hat.
     

     Wenn man wissen will, was der Ausdruck “das Maximum einer Kurve” bedeu-
tet, so frage man sich: wie findet man es? – Was anders gefunden wird, ist
etwas anderes. Man definiert es als den Punkt der Kurve, der höher liegt
als alle andern, und hat dabei wieder die Idee, dass es nur unsere mensch-
liche Schwäche ist, die uns verhindert, alle Punkte der Kurve einzeln
durchzugehen und den höchsten unter ihnen auszuwählen. Und dies führt zu
der Meinung, dass der höchste Punkt unter einer endlichen Anzahl von Punk-
ten wesentlich dasselbe ist, wie der höchste Punkt einer Kurve, und das
man hier eben auf zwei verschiedene Methoden das Gleiche findet, wie man
auf verschiedene Weise feststellt, dass jemand im Nebenzimmer ist: anders
etwa, wenn die Tür geschlossen ist und wir zu schwach sind, sie zu öffnen,
und anders, wenn wir hei hinein können. Aber, wie gesagt, menschliche
Schwäche liegt dort nicht vor, wo die scheinbare Beschreibung der Handlung
“die wir nicht ausführen können” sinnlos ist. Es würde freilich nichts
schaden, ja sehr interessant sein, die Analogie zwischen dem Maximum einer
Kurve und dem Maximum (in anderm Sinne) einer Klasse von Punkten zu sehen,
so lange uns die Analogie nicht das Vorurteil eingibt, es liege im Grunde
beide Male dasselbe vor.



650
742
     
                        Es ist der gleiche Fehler unserˇer Syntax, der den geo-
metrischen Satz “die Strecke lässt sich durch einen Punkt in zwei Teile tei-
len” als die gleiche Form darstellt, wie den Satz: “die Strecke ist unbe-
grenzt teilbar”; so dass man scheinbar in beiden Fällen sagen kann: “nehmen
wir an, die mögliche Teilung sei ausgeführt // vollzogen//”. “In zwei Teile
teilbar” und “unbegrenzt teilbar” haben eine gänzlich verschiedene Grammatik.
Man operiert fälschlich mit dem Worte “unendlich”, wie mit einem Zahlwort;
weil beide in der Umgangssprache auf die Frage “wieviele …” zur Antwort
kommen.
     

                        “Das Maximum ist doch aber höher, als jeder beliebige
andre Punkt der Kurve.” Aber die Kurve besteht ja nicht aus Punkten, sondern
ist ein Gesetz, dem Punkte gehorchen. Oder auch: ein Gesetz, nach dem Punkte
konstruiert werden können. Wenn man nun fragt: “welche Punkte”, – so kann
ich nur sagen: “nun, z.B., die Punkte P, Q, R, etc.”. Und es ist einerseits so,
dass keine Anzahl von Punkten gegeben werden kann, von denen man sagen könn-
te, sie seien alle Punkte, die auf der Kurve liegen, dass man anderseits
auch nicht von einer solchen Gesamtheit von Punkten reden kann, die nur wir
Menschen nicht aufzählen können, die sich aber beschreiben lässt und die
man die Gesamtheit aller Punkte der Kurve nennen könnte, – eine Gesamtheit
die für uns Menschen zu gross wäre. Es gibt ein Gesetz einerseits und Punkte
auf der Kurve anderseits – aber nicht “alle Punkte der Kurve”. Das
Maximum liegt höher als irgend welche Punkte der Kurve, die man etwa konstru-
iert, aber nicht höher als eine Gesamtheit von Punkten; es sei denn, dass
das Kriterium hiervon, und also der Sinn dieser Aussage, wieder nur die Kon-
struktion aus dem Gesetz der Kurve ist.
     

                        Das Gewebe der Irrtümer auf diesem Gebiet ist natür-
lich ein sehr kompliziertes. Es tritt z.B. noch die Verwechslung zweier
651
743
verschiedener Bedeutungen des Wortes “Art” hinzu. Man gibt nämlich zu, dass
die unendlichen Zahlen eine andre Art Zahlen sind, als die endlichen,
aber man missversteht nun, worin hier der Unterschied verschiedener Arten be-
steht. Dass es sich nämlich hier nicht um die Unterscheidung von Gegenständen
nach ihren Eigenschaften handelt, wie wenn man rote Aepfel von gelben unter-
scheitet, sondern um verschiedene logische Formen. – So versucht Dedekind ei-
ne unendliche Klasse zu beschreiben; indem er sagt, es sei eine,
die einer echten Teilklasse ihrer selbst ähnlich ist. Hierdurch hat er
scheinbar eine Eigenschaft angegeben, die die Klasse haben muss, um unter den
Begriff ‘unendliche Klasse’ zu fallen. (Frege.) Denken wir uns nun die An-
wendung dieser //der // Definition. Ich soll also in einem bestimmten Fall
untersuchen, ob eine Klasse endlich ist oder nicht, etwa ob eine bestimmte
Baumreihe endlich oder endlos ist. Ich nehme also, der Definition folgend,
eine Teilklasse dieser Baumreihe und untersuche, ob sie der ganzen Klasse
ähnlich (d.h. 1–1 koordinierbar) ist! (Hier fängt gleichsam schon Alles an
zu lachen.) Das heisst ja gar nichts: denn, nehme ich eine “endliche Klasse”
als Teilklasse, so muss ja der Versuch, sie der ganzen Klasse 1 zu 1 zuzu-
ordnen eo ipso misslingen; und mache ich den Versuch an einer unendlichen
Teilklasse, ‒ ‒ ‒ aber das heisst ja schon erst recht nichts, denn, wenn sie
unendlich ist, kann ich den Versuch dieser Zuordnung gar nicht machen. –
Das, was man im Fall eine[s|r] endlichen Klasse ‘Zuordnung aller ihrer Glieder
mit andern’ nennt, ist etwas ganz anderes, als das, was man z.B. eine Zuord-
nung aller Kardinalzahlen mit allen Rationalzahlen nennt. Die beiden Zuord-
nungen, oder, was man in den zwei Fällen mit diesem Wort bezeichnet, gehören
verschiedenen logischen Kathegorien //Typen // an. Und es ist nicht die
“unendliche Klasse” eine Klasse, die mehr Glieder im gewöhnlichen Sinn des
Wortes “mehr” enthält, als die endlichen. Und wenn man sagt, dass eine un-
endliche Zahl grösser ist, als eine endliche, so macht das die beiden nicht
vergleichbar, weil in dieser Aussage das Wort “grösser” eine andere
Bedeutung hat
, als etwa im Satz “5 grösser als 4”.
744
     
     Die Definition gibt nämlich vor, dass aus dem Gelingen oder Misslingen
des Versuchs, eine wirkliche Teilklasse der ganzen Klasse zuzuordnen, her-
vorgeht, dass sie unendlich bezw. endlich ist. Während es einen solchen
entscheidenden Versuch gar nicht gibt. – ‘Unendliche Klasse’ und ‘endli-
che Klasse’ sind verschiedene logische Kathegorien; was von der einen
Kathegorie sinnvoll ausgesagt werden kann, kann es nicht von der andern.
     

     Der Satz, dass eine Klasse einer ihrer Subklassen nicht ähnlich ist,
ist für endliche Klassen nicht wahr, sondern eine Tautologie. Die gramma-
tischen Regeln über die Allgemeinheit der generellen Implikat<i>on in dem
Satz “k ist eine Subklasse von K” enthalten das, was der Satz, K sei [3|e]ine
un-endliche Klasse, sagt. //Die grammatischen Regeln über die A[o|l]lgemeinheit
der //jener// generellen Implikation im Satz “k ist eine Subklasse von
K” ……//
     

/     Ein Satz (wie?) “es gibt keine letzte Kardinalzahl” verletzt den Na
naiven – und rechten – Sinn. Wenn ich frage “wer war der letzte Mann der
Prozession” und die Antwort lautet “es gibt keinen letzten”? ja, wenn
die Frage geheissen hätte “wer war der Fahnenträger”, so hätte ich die
Antwort verstanden “es gibt keinen Fahnenträger”. Und nach einer solchen
Antwort ist ja jene sinnlose // verwirrende// gebildet. Wir fühlen näm-
lich mit Recht: wo von einem Letzten die Rede sein kann, da kann nicht
‘kein Letzter’ sein. Das heisst aber natürlich: Der Satz “es gibt keine
letzte” müsste richtig lauten: es hat keinen Sinn, von einer “letzten
Kardinalzahl” zu reden, dieser Ausdruck ist unrechtmässig gebildet. /
     

/     “Hat die Prozession ein Ende” könnte auch heissen: ist sie eine in
sich geschlossene Prozession. Und nun könnte man sagen //Und nun höre
745
ich die Mathematiker? sagen// “da siehst Du ja, dass Du Dir sehr wohl
einen solchen Fall vorstellen kannst, dass etwas kein Ende hat; warum
soll es dann nicht auch andere solche Fälle // ?–einen andern solchen
Fall–?// geben können?” – Aber die Antwort ist: Die “Fälle” in diesem
Sinn des Wortes sind grammatische Fälle und sie bestimm[t|e]n erst den Sinn
der Frage. Die Frage “warum soll es nicht auch andere Fälle geben kön-
nen” ist der analog gebildet: “Warum soll es nicht noch andere Fälle
von Mineralien //andere Mineralien// geben können, die im Dunkeln
leuchten”, aber hier handelt es sich um Fälle der Wahrheit einer Aussa-
ge, dort um ?–Fälle, die den Sinn eines Satzes bestimmen–? //dort um Fälle,
die den Sinn bestimmen//. /
     

     Die Ausdrucksweise: m = 2n ordne eine Klasse einer ihrer echten Teil-
klassen //Subklassen // zu, kleidet einen einfachen // trivialen// Sinn
durch Heranziehung einer irreführenden Analogie in eine paradoxe [D|F]orm.
(Und statt sich dieser paradoxen Form als etwas Lächerlichem zu schämen,
brüstet man sich eines Sieges über alle Vorurteile des Verstandes.) Es
ist genau so, als stiesse man die Regeln des Schach um und sagte, es habe
sich gezeigt, dass man Schach auch ganz anders spielen könne. So verwech-
selt man erst das Wort “Zahl” mit einem Begriffswort wie “Aepfel”, spricht
dann von einer “Anzahl der Anzahlen” und sieht nicht, dass man in diesem
Ausdruck nicht beidemal das gleiche Wort “Anzahl” gebrauchen sollte; und
endlich hält man es für eine Entdeckung, dass die Anzahl der geraden Zah-
len die gleiche ist wie d<i>e der geraden und ungeraden.
     

     Weniger irreführend ist es, zu sagen “m = 2n gibt die Möglichkeit der
Zuordnung jeder Zahl mit einer andern”, als “m = 2n ordnet alle Zahlen
anderen zu”. Aber auch hier muss erst die Grammatik die Bedeutung des
Ausdrucks “Möglichkeit der Zuordnung” lehren.
746
     
     (Es ist beinahe unglaublich, wie ein Problem durch die irreführenden
Ausdrucksweisen, die Generation auf Generation rundherum stellt, gänz-
lich, auf Meilen, blockiert wird, so dass es beinahe unmöglich wird, dazu-
zukommen.)
     

     Wenn 2 zwei Pfeile in derselben Richtung zeigen, ist es dann nicht absurd,
diese Richtungen “gleich lang” zu nennen, weil, was in der Richtung des
einen Pfeiles liegt, auch in der des andern liegt? – Die Allgemeinheit
von m = 2n ist ein Pfeil, der der Operationsreihe entlang weist. Und zwar
kann man sagen, der Pfeil weist in's Unendliche; aber heisst das, dass es
ein Etwas, das Unendliche, gibt, auf das er – wie auf ein Ding – hinweist? –
Der Pfeil bezeichnet gleichsam die Möglichkeit der Lage von Dingen in
seiner Richtung. Das Wort “Möglichkeit” ist aber irreführend, denn, was
möglich ist, wird man sagen, soll eben nun wirklich werden. Auch denkt
man dabei immer an zeitliche Prozesse und schliesst daraus dass
die Mathematik nichts mit der Zeit zu tun hat, dass die Möglichkeit in
ihr bereits Wirklichkeit ist.
     Die “unendliche Reihe der Kardinalzahlen” oder “der Begriff der Kardi-
nalzahl” ist nur so eine Möglichkeit, – wie aus dem Symbol “ /0, x, x + 1/”
klar hervorgeht. Dieses Symbol selbst ist ein Pfeil, dessen Feder die “0”,
d[d|e]ssen Spitze “x + 1” ist. Es ist möglich, von Dingen zu reden, die in der
Richtung des Pfeils liegen, aber irreführend oder absurd, von allen mögli-
chen Lagen der Dinge in der Pfeilrichtung als einem Aequivalent dieser
Richtung selbst zu reden. Wenn ein Scheinwerfer nicht Licht in den unendli-
chen Raum wirft, so beleuchtet er allerdings alles, was in der Richtung
seiner Strahlen liegt, aber man soll nicht sagen, er beleuchtet die Unend-
lichkeit.
747
Unendlichkeit.
     



     Es ist immer mit Recht höchst verdächtlich, wenn Beweise in der Mathe-
matik allgemeiner geführt werden, als es der bekannten Anwendung des Be-
weises entspricht. Es liegt hier immer der Fehler vor, der in der Mathema-
tik allgemeine Begriffe und besondere Fälle sieht. In der Mengenlehre
treffen wir auf Schritt und Tritt diese verdächtige Allgemeinheit.
     Man möchte immer sagen: “Kommen wir zur Sache!”
     Jene allgemeinen Betrachtungen haben stets nur Sinn, wenn man einen
bestimmten Anwendungsbereich im Auge hat.
     Es gibt eben in der Mathematik keine Allgemeinheit, deren Anwendung
auf spezielle Fälle sich noch nicht voraussehen liesse.
     Man empfindet darum die allgemeinen Betrachtungen der Mengenlehre (wenn
man sie nicht als Kalkül ansieht) immer als Geschwätz und ist ganz er-
staunt, wenn einem die eine Anwendung dieser Betrachtungen gezeigt wird. Man
empfindet, es geht da etwas nicht ganz mit rechten Dingen zu.
     

     Der Unterschied zwischen etwas Allgemeinem, das man wissen könne und
dem Besonderen, das man aber nicht wisse; oder zwischen der Beschreibung
des Gegenstandes, die man kenne, und dem Gegenstand, den man nicht gese-
hen hat, ist auch ein Stück, das man von der physikalischen Beschreibung
der Welt in die Logik hinüber genommen hat. Dass unsere Vernunft Fragen
erkennen kann, aber deren Antworten nicht, gehört auch hierher.
     

     Die Mengenlehre sucht das Unendliche auf eine allgemeinere Art zu fas-
sen, als es die Untersuchung der Gesetze der reellen Zahlen kann. Sie
sagt, dass das wirklich Unendliche mit dem mathematischen Symbolismus
748
überhaupt nicht zu fassen ist, und dass es also nur beschrieben und nicht
dargestellt werden kann. Die Beschreibung würde es etwa so erfassen, wie
man eine Menge von Dingen, die man nicht alle in der Hand halten kann, in
einer Kiste verpackt trägt. Sie sind dann unsichtbar, und doch wissen
wir, dass wir sie tragen (gleichsam indirekt). Man könnte von dieser Theo-
rie sagen, sie kaufe die Katze im Sack. Soll sich's das Unendliche in
seine Kiste einrichten, wie es will.
     Darauf beruht auch die Idee, dass man logische Formen beschrei-
ben
kann. In so einer Beschreibung werden die Strukturen und etwa zu-
ordnende Relationen in verpacktem Zustand präsentiert gezeigt //…werden uns
die Strukturen in einer Verpackung gezeigt, die ihre Form unkenntlich
macht // und so sieht es aus, als könne man von einer Struktur reden, ohne
sie in der Sprache selber w[k|i]ederzugeben. So verpackte Begriffe dürfen
wir allerdings verwenden, aber unsere Zeichen haben ihre Bedeutung dann
über Definitionen, die eben die Begriffe //Strukturen// so verhüllt ha-
ben; und gehen wir diesen Definitionen nach, so werden die Strukturen
wieder enthüllt. (Vergl. Russells Definition von “Rx”.)
     

     Es geht, sozusagen, die Logik nichts an, wieviele Aepfel vorhanden
sind, wenn von “allen Aepfeln” geredet wird; dagegen ist es anders mit
den Zahlen: für die ist sie einzeln verantwortlich.
     



     Die Mathematik besteht aus Rechnungen. // Die Mathematik besteht ganz
aus Rechnungen.//
     

     In der Mathematik ist alles Algoritmus, nichts Bedeutung;
auch dort, wo es so scheint, als weil wir mit Worten über die
749
mathematischen Dinge zu sprechen scheinen. Vielmehr bilden wir dann eben
mit diesen Worten einen Algorismus.
     

     In der Mengenlehre müsste man das, was Kalkül ist, trennen von dem,
was Lehre sein will (und natürlich nicht sein kann). Man muss also
die Spielregeln von unwesentlichen Aussagen über die Schachfiguren tren-
nen.
     

     Wie Frege in Cantor's angebliche Definition von “grösser”, “kleiner”,
“ + ”, “ ‒ ”, etc. statt dieser Zeichen neue Wörter einsetzte, um zu zeigen,
dass keine wirkliche Definition vorliege, ebenso könnte man in der ganzen
Mathematik statt der geläufigen Wörter, insbesondere statt des Wortes “un-
endlich” und seiner Verwandten ganz neue, bisher bedeutungslose Ausdrücke
setzen, um zu sehen, was der Kalkül mit diesen Zeichen wirklich leistet
und was er nicht leistet. Wenn die Meinung verbreitet wäre, da[w|s]s das
Schachspiel uns einen Aufschluss über Könige und Türme gäbe, so würde ich
vorschlagen, den Figuren neue Formen und andere Namen zu geben, um die
Einsicht zu erleichtern //um zu demonstrieren//, dass alles zum Schach-
spiel Gehörige in seinen //den // Regeln liegen muss.
     

     Was ein geometrischer Satz bedeutet, welche //was für eine Art der//
Allgemeinheit er hat, das muss sich alles zeigen, wenn wir sehen, wie er
angewendet wird. Denn, wenn Einer auch etwas Unfassbares // Unerreichba-
res// mit ihm meinte //meinen könnte//, so hilft ihm das nicht, da
er ihn ja doch nur ganz offenbar // offen//, und jedem verständlich, an-
wenden kann.
     Wenn sich etwa jemand unter dem Schachkönig auch etwas Mystisches vor-
stellt, so kümmert uns das nicht, weil er ja doch mit ihm nur auf den
8 × 8 Feldern des Schachbretts ziehen kann.
750
     
     Es gibt ein Gefühl: “In der Mathematik kann es nicht Wirklichkeit und
Möglichkeit geben. Alles ist auf einer Stufe. Und zwar in gewissem
Sinne wirklich”. – Und das ist richtig. Denn Mathematik ist
ein Kalkül; und der Kalkül sagt von keinem Zeichen, dass es nur mög-
lich
wäre, sondern er hat es nur mit den Zeichen zu tun, mit denen
er wirklich operiert. (Vergleiche die Begründung der Mengenlehre
mit der Annahme eines möglichen Kalküls mit unendlichen Zeichen.)
     

     Die Mengenlehre, wenn sie sich auf die menschliche Unmöglichkeit eines
direkten Symbolismus des Unendlichen beruft, führt dadurch die denkbar
krasseste Missdeutung ihres eigenen Kalküls ein. Es ist freilich eben
diese Missdeutung, die für die Erfindung dieses Kalküls verantwortlich ist.
Aber der Kalkül an sich ist natürlich dadurch nicht als etwas Falsches er-
wiesen (höchstens als etwas Uninteressantes), und es ist sonderbar, zu
glauben, dass dieser Teil der Mathematik durch irgend welche philosophi-
sche (oder mathematische) Untersuchungen gefährdet ist. (Ebenso könnte das
Schachspiel durch die Entdeckung gefährdet werden, dass sich Kriege zwi-
schen zwei Armeen nicht so abspielen, wie der Kampf auf dem Schachbrett.)
Was der Mengenlehre verl[l|o]ren gehen</>muss, ist vielmehr die Atmosphäre von
Gedankennebeln, die den blossen Kalkül umgibt. Also die Hinweise auf ei-
nen, der Mengenlehre zugrunde liegenden, fiktiven Symbolismus, der nicht
zu ihrem Kalkül verwendet wird, und dessen scheinbare Beschreibung in
Wirklichkeit Unsinn ist. (In der Mathematik können //dürfen // wir alles
fingieren, nur nicht einen Teil unseres Kalküls.)
751
     




138
Extensive Auffassung der reellen Zahlen.
     






/     Das Rätselhafte am Kontinuum ist, wie das Rätselhafte der Zeit für
Augustinus, dadurch bedingt, dass wir durch die Sprache verleitet wer-
den, <…> ein Bild auf sie anzuwenden, das nicht passt. Die Mengenlehre
behält das unpassende Bild des Diskontinuierlichen bei, aber sagt die-
sem Bilde Widersprechendes von ihm ausk, mit der Idee, mit Vorurteilen
zu brechen. Während in Wirklichkeit darauf hingewiesen werden sollte,
dass dieses Bild eben nicht passt und dass man es allerdings nicht
strecken kann, ohne es zu zerbrechen // zerreissen//, aber ein neues ˇund in
gewissem Sinne dem alten ähnliches brauchen kann. /
     

/     Der Wirrwarr in der Auffassung des “wirklich Unendlichen” kommt von
dem unklaren Begriff der irrationalen Zahl her. D.h. davon, dass die lo-
gisch verschiedensten Gebilde, ohne klare Begrenzung des Begriffs, “irra-
tionale Zahl” genannt werden. Die Täuschung, als hätte man einen festen
Begriff, rührt daher // beruht darauf//, dass man in Zeichen von der
Art “0, abcd …ad inf.” einen Standard //Begriff// Bild// zu haben
glaubt, dem sie (die Irrationalzahlen) jedenfalls entsprechen müssen. /
752
     
     “Angenommen, ich schneide eine Strecke dort, wo kein rationaler Punkt
(keine rationale Zahl) ist”. Aber kann man denn das? von was für Strecken
sprichst Du? – “Aber, wenn meine Messinstrumente fein genug wären, so
könnte ich mich doch durch fortgesetzte Bisektionen einem gewissen Punkt
unbegrenzt nähern.” – Nein, denn ich könnte ja eben niemals erfahren, ob
mein Punkt ein solcher ist. Meine Erfahrung wird immer nur sein, dass ich
ihn bis jetzt nicht erreicht habe. “Aber wenn ich nun mit einem absolut
genauen Reisszeug die Konstruktion der √2 durchgeführt hätte und mich nun
dem erhaltenen Punkt durch Bisektion nähere, dann weiss ich doch,
dass dieser Prozess den konstruierten Punkt niemals erreichen wird.” –
Aber das wäre doch sonderbar, wenn so die eine Konstruktion der andern
sozusagen etwas vorschreiben könnte! Und so ist es ja auch nicht. Es ist
sehr leicht möglich, dass ich bei der ‘genauen’ Konstruktion der √2 zu
einem Punkt komme, den die Bisektion, sagen wir nach 100 Stufen, erreicht;
– aber dann werden wir sagen: unser Raum ist nicht euklidisch. –
     

     Der “Schnitt in einem irrationalen Punkt” ist ein Bild, und ein irre-
führendes Bild.
     

     Ein Schnitt ist ein Prinzip der Teilung in grösser und kleiner.
     

     Sind durch den Schnitt einer Strecke die Resultate aller Bisektionen,
die sich dem Schnittpunkt nähern sollen, vorausbestimmt? Nein.
     

     In dem vorigen Beispiel, in dem ich mich bei der successiven Einschrän-
kung eines Intervalls durch Bisektionen einer Strecke von den Ergebnissen
des Würfelns leiten liess, hätte ich ebensowohl das Anschreiben eines De-
zimalbruchs von Würfeln leiten lassen können. So bestimmt auch die Be-
schreibung “endloser Vorgang des Wählens zwischen 1 und 0” beim Anschrei-
753
ben eines Dezimalbruches kein Gesetz. Man möchte etwa sagen: Die Vorschrift
des endlosen Wählens zwischen 0 und 1 in diesem Fall könnte durch ein Sym-
bol “0,
000
111
…ad inf.” wiedergegeben werden. Wenn ich aber ein Gesetz so an-
deute: “0,001001001 …ad inf.”, so ist es nicht das endliche Reihenstück als
Specimen der unendlichen Reihe, was ich zeigen will, sondern die aus ihm
entnehmbare Gesetzmässigkeit. Aus “0,
000
111
ad inf. …ad inf.” entnehme ich eben
kein Gesetz, sondern gerade den Mangel eines Gesetzes.
     

     “Welches Kriterium gibt es dafür, dass die irrationalen Zahlen komplett
sind? Sehen wir uns eine irrationale Zahl an: Sie läuft entlang einer Reihe
rationaler Näherungswerte. Wann verlässt sie diese Reihe? Niemals. Aber
sie kommt allerdings auch niemals zu einem Ende.
     Angenommen, wir hätten die Gesamtheit aller irrationalen Zahlen mit Aus-
nahme einer einzigen. Wie würde uns diese abgehen? Und wie würde sie nun –
wenn sie dazukäme, die Lücke füllen? – Angenommen, es wäre II. Wenn die ir-
rationale Zahl durch die Gesamtheit ihrer Näherungswerte gegeben ist, so
gäbe es bis zu jedem beliebigen Punkt eine Reihe, die mit der von II
übereinstimmt. Allerdings kommt für jede solche Reihe ein Punkt der Tren-
nung. Aber dieser Punkt akn kann beliebig weit “draussen” liegen, so dass
ich zu jeder Reihe, die II begleitet, eine finden kann, die es weiter be-
gleitet. Wenn ich also die Gesamtheit der irrationalen Zahlen habe, ausser
II, und nun II einsetze, so kann ich keinen Punkt angeben, an dem II nun
wirklich nötig wird, es hat an jedem Punkt einen Begleiter, der es
vom Anfang an begleitet.
     Auf die Frage “wie würde uns II abgehen”, müsste man antworten: II, wenn
es eine Extension wäre, würde uns niemals abgehen. D.h., wir könnten nie-
mals eine Lücke bemerken, die es füllt. Wenn man uns fragte: “aber hast
Du auch einen unendlichen Dezimalbruch, der die Zimm Ziffer m an der r-ten
Stelle hat und n an der s-ten, etc.?” – wir könnten ihm immer dienen.)
653
754
     
                         “Die gesetzmässig fortschreitenden unendlichen Dezi-
malbrüche sind noch ergänzungsbedürftig durch eine unendliche Menge ungeord-
neter //regelloser // unendlicher Dezimalbrüche, die ‘unter den Tisch fie-
len’, wenn wir uns auf die gesetzmässig erzeugten be-
schränkten
.” Wo ist so ein nicht gesetzmässig erzeugter unendlicher
Dezimalbruch? Und wie können wir ihn vermissen? Wo ist die Lücke, die er
auszufüllen hätte?
     

                         Wie ist es, wenn man die verschiedenen Gesetze der
Bildung von Dualbrüchen durch die Menge der endlichen Kombinationen der Zif-
fern 0 und 1 sozusagen kontrolliert? – Die Resultate eines Gesetzes durch-
laufen die endlichen Kombinationen und die Gesetze sind daher, was ihre Ex-
tensionen anlangt, komplett, wenn alle endlichen Kombinationen durch-
laufen werden.
     

                         Wenn man sagt: Zwei Gesetze sind identisch, wenn sie
auf jeder Stufe das gleiche Resultat ergeben, so erscheint uns das wie eine
ganz allgemeine Regel. In Wirklichkeit aber hat dieser Satz verschiedenen
Sinn, je nachdem was das Kriterium dafür ist, dass sie auf jeder Stufe das
gleiche Resultat liefern. (Denn die supponierte allgemein anwendbare Metho-
de des endlosen Probierens gibt es ja nicht! Wir decken also die verschie-
densten Bedeutungen mit einer, von einer Analogie hergenommenen, Redeweise
und glauben nun, wir hätten die verschiedensten Fälle in einem System
vereinigt.
     

                         (Die Vorschriften //Gesetze//, die den irrationa-
len Zahlen entsprechen, gehören insofern alle der gleichen Type an, als sie
alle schliesslich Vorschriften zur successiven Erzeugung von Dezimalbrüchen
755
sein müssen. Die gemeinsame Dezimalnotation bedingt in gewissem Sinne, ei-
ne gemeinsame Type.)
     Man könnte das auch so sagen: Beim Approximieren durch fortgesetzte
Zweiteilung kann man sich jedem Punkt der Strecke durch ratio-
nale
Zahlen näher[.|n]. Es gibt keinen P[j|u]nkt, dem man sich nur durch ir[a|r]a-
tionale Schritte einer bestimmten Type nähern könnte. Dies ist natürlich
nur, in andere Worte gekleidet, die Erklärung, dass wir unter irrationa-
ler Zahl einen unendlichen Dezimalbruch verstehen. Und diese Erklärung
wieder ist weiter nichts, als eine beiläufige Erklärung der Dezimalnota-
tion, etwa mit einer Andeutung, dass wir Gesetze unterscheiden, die perio-
dische Dezimalbrüche liefern und andere.
     

     Durch die falsche Auffassung des Wortes “unendlich” und der Rolle der
“unendlichen Entwicklung” in der Arithmetik der reellen Zahlen, wird man
zu der Meinung verführt, es gäbe eine einheitliche Notation der irrationa-
len Zahlen (nämlich eben die der unendlichen Extension, z.B. der unendli-
chen Dezimalbrüche).
     Dadurch, dass man bewiesen hat, dass für jedes Paar von Kardinalzahlen
x und y (x/y)² ≠ 2 ist, ist doch nicht √2 einer Zahlenart –
genannt “die irrationalen Zahlen” – eingeordnet. Diese Zahlenart müsste
ich doch erst aufbauen; oder: von der neuen Zahlenart ist mir doch nicht
mehr bekannt, als ich bekannt mache.
756
     



139
Arten irrationaler Zahlen.
(II', P, F)
     




     II' ist eine Regel zur Erzeugung von Dezimalbrüchen, und zwar ist die
Entwicklung von II' dieselbe, wie die von II, ausser wenn in der Entwick-
lung von II eine Gruppe 777 vorkommt; in diesem Falle tritt statt die-
ser Gruppe die Gruppe 000. Unser Kalkül kennt keine Methode, um zu fin-
den, wo wir in der Entwicklung von II auf so eine Gruppe stossen.
     P ist eine Regel zur Erzeugung von Dualbrüchen. In der Entwicklung
steht an der n-ten Stelle eine 1 oder eine 0, je nachdem n prim ist oder
nicht.
     F ist eine Regel zur Erzeugung von Dualbrüchen. An der n-ten Stelle
steht eine 0, ausser dann, wenn ein Zahlentrippel x, y, z aus den ersten
100 Kardinalzahlen die Gleichung xⁿ + yⁿ = zⁿ löst.
     

     Man möchte sagen, die einzelnen Ziffern der Entwicklung (von II z.B.)
sind immer nur die Resultate, die Rinde des fertigen Baumes. Das, worauf
es ankommt, oder woraus noch etwas Neues wachsen kann, ist im Innern des
Stammes, wo die Triebkräfte sind. Eine Aenderung des Aeusseren ändert den
Baum überhaupt nicht. Um ihn zu ändern, muss man in den noch lebenden
Stamm gehen.

719
757
     
                     Ich nenne “IIn” die Entwicklung von II bis zur n-ten
Stelle. Dann kann ich sagen: Welche Zahl II'100 ist, verstehe ich; nicht
aber II', weil II ja gar keine Stellen hat, ich also auch keine durch an-
dere ersetzen kann. // Welche Zahl II'100 ist bedeutet, verstehe ich; nicht aber,
(welche) II', weil ……// Anders wäre es, wenn ich z.B. die Division
als eine Regel zur Erzeugung von Dezimalbrüchen erkläre, durch
Division und Ersetzung jeder 5 im Quotienten durch eine 3. Hier kenne ich
z.B. die Zahl . – Und wenn unser Kalkül eine Methode enthä[k|l]t,
ein Gesetz der Lagen von 777 in der Entwicklung von II zu berechnen,
dann ist nun im Gesetz von II von 777 die Rede, und das Gesetz kann
durch die Substitution von 000 für 777 geändert werden. Dann aber ist
II' etwas anderes, als das, was ich oben definiert habe; es hat eine ande-
re Grammatik, als diev von mir angenommene. In unserm Kalkül gibt es kei-
ne Frage, ob II gleich oder grösser ist als II' // ob II II' ist oder nicht//
und keine solche Gleichung oder Ungleichung. II' ist mit II unvergleich-
bar. Und zwar kann man nun nicht sagen “noch unvergleichbar”, denn,
sollte ich einmal etwas II' Aehnliches konstruieren, das mit II vergleich-
bar ist, dann wird das eben darum nicht mehr II' sein. Denn II' sowie II
sind ja Bezeichnungen für ein Spiel, und ich kann nicht sagen, dass Dame-
spiel werde noch mit weniger Steinen gespielt als das Schach, da
es sich ja einmal zu einem Spiel mit 16 Steinen entwickeln können. Dann
wird es nicht mehr das sein, was wir “Damespiel” nennen. (Es sei denn,
dass ich mit diesem Wort gar nicht ein Spiel bezeichne, sondern etwa eine
Charakteristik mehrerer Spiele; und auch diesen Nachsatz kann man auf II'
und II anwenden.) Da es nun ein Hauptcharakteristikum einer Zahl ist, mit
andern Zahlen vergleichbar zu sein, so ist die Frage, ob man II' eine
Zahl nennen soll und ob eine reelle Zahl; wie immer man es aber nennt,
so ist das Wesentliche, dass II' in einem andern Sinne Zahl ist, als II. –
Ich kann ja auch ein Intervall einen Punkt nennen; ja es kann einmal
758
praktisch sein, das zu tun; aber wird es nun einem Punkt ähnlicher, wenn
ich vergesse, dass ich hier das Wort “Punkt” in doppelter Bedeutung ge-
braucht habe?
     Es zeigt sich hier klar, dass die Möglichkeit der Dezimalentwicklung II'
nicht zu einer Zahl im Sinne von II macht. Die Regel für diese Entwicklung
ist natürlich eindeutig, so eindeutig, wie die für II oder √2, aber das ist
kein Argument dafür, dass II' eine reelle Zahl ist; wenn man die Vergleich-
barkeit mit andern reellen Zahlen //mit rationalen Zahlen// für ein we-
sentliches Merkmal der reellen Zahl nimmt. Man kann ja auch von dem Unter-
schied zwischen den rationalen und den irrationalen Zahlen abstrahieren,
aber der Unterschied verschwindet doch dadurch nicht. Dass II' eine eindeu-
tige Regel zur Entwicklung von Dezimalbrüchen ist, bedeutet //konstituiert //
natürlich eine Aehnlichkeit zwischen II' und II oder √2; aber auch ein In-
terval hat Aehnlichkeit mit einem Punkt, etc.. Allen Irrtümern, die in die-
sem Kapitel der Philosophie der Mathematik gemacht werden, liegt immer
wieder die Verwechslung zu Grunde zwischen internen Eigenschaften einer
Form (der Regel als Bestandteil des Regelverzeichnisses) und dem, was man
im gewöhnlichen Leben “Eigenschaft” nennt (rot als Eigenschaft dieses Bu-
ches). Man könnte auch sagen; die ?–Widersprüche und Unklarheiten–? werden da-
durch hervorgerufen, dass die Mathematiker // Menschen// einmal unter ei-
nem Wort, z.B. “Zahl”, ein bestimmtes Regelverzeichnis verstehen, ein an-
dermal ein variables Regelverzeichnis; so als nennte ich “Schach” einmal
das bestimmte Spiel, wie wir es heute spielen, ein andermal das Substrat
einer bestimmten historischen Entwicklung.
     

     “Wie weit muss ich II entwickeln, um es einigermassen zu erkennen?” –
Das heisst natürlich nichts. Wir kennen es also schon, ohne es überhaupt
zu entwickeln. Und, in diesem Sinne, könnte man sagen, kenne ich II'
gar nicht. Hier zeigt sich nur ganz deutlich, dass II' einem
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759
anderen System angehört als II, und das erkennt man, wenn man, statt “die
Entwicklungen” der beiden zu vergleichen, die Art der Gesetze allein ins
Auge fasst
.
     

                         Zwei mathematische Gebilde, deren eines ich in
meinem Kalkül mit jeder rationalen Zahl vergleichen kann, das andere
nicht, – sind nicht Zahlen im gleichen Sinne des Wortes. Der Vergleich der
Zahl mit einem Punkt auf der Zahlgeraden Zahlengeraden ist nur stichhältig, wenn man für
je zwei Zahlen a und b sagen kann, ob a rechts von b, oder b rechts von a
liegt.
            Es genügt nicht, dass man den Punkt durch Verkleinerung seines
Aufenthaltsortes – angeblich – mehr und mehr bestimmt, sondern man muss
ihn konstruieren. Fortgesetztes Würfeln strengt schränkt zwar den möglichen Auf-
enthalt des Punktes unbeschränkt ein, aber es bestimmt keinen Punkt. Der
Punkt ist nach jedem Wurf (oder jeder Wahl) noch unendlich unbe-
stimmt – oder richtiger: er ist nach jedem Wurf unendlich unbe[w|s]timmt. Ich
glaube, hier werden wir von der absoluten Grösse der Gegenstände
in unserem Gesichtsraum irregeführt; und andrerse[ti|it]s von der Zweideutig-
keit des Ausdrucks “sich einem Punkte //Gegenstand // nähern”. Von einer
Strecke im Gesichtsfeld kann man sagen, sie nähere sich durch Einschrump-
fen immer mehr einem Punkt; d.h. sie werde einem Punkt immer ähnlicher.
Dagegen wird die euklidische Strecke durch Einschrumpfen einem Punkt
nicht ähnlicher, sie bleibt ihm vielmehr immer gleich unähnlich,
weil ihre Länge den Punkt, sozusagen, gar nichts angeht. Wenn man von der
euklidischen Strecke sagt, sie nähere sich durch Einschrumpfen einem Punkt,
so hat das nur Sinn, sofern schon ein Punkt bezeichnet ist, dem sich ihre
Enden nähern, und kann nicht heissen, sie erzeuge durch Einschrump-
fen einen Punkt. Sich einem Punkt nähern hat eben zwei Bedeutungen: es
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760
heisst einmal, ihm räumlich näher kommen, dann muss er schon da sein, denn
ich kann mich in diesem Sinne einem Menschen nicht nähern, der nicht vor-
handen ist. Anderseits heisst es “einem Punkt ähnlicher werden”, wie man
etwa sagt, die Affen haben sich dem Stadium des Menschen in ihrer Entwick-
lung genähert, die Entwicklung habe den Menschen erzeugt.
     

                       Zu sagen: “zwei reelle Zahlen sind identisch, wenn
sie in allen Stellen ihrer Entwicklung übereinstimmen”, hat nur dann
Sinn, wenn ich dem Ausdruck “in allen Stellen übereinstimmen”, durch eine
Methode diese Uebereinstimmung festzustellen, einen Sinn gegeben
habe. Und das Gleiche gilt natürlich für den Satz “sie stimmen nicht über-
ein, wenn sie an irgend einer Stelle nicht übereinstimmen”.
     

                       Könnte man aber nicht auch umgekehrt II' als das
Ursprüngliche, und also als den zuerst angenommenen Punkt, betrachten und
dann über die Berechtigung von II im Zweifel sein? – Was ihre Extensionen
betrifft, sind sie natürlich gleichberechtigt; was uns aber dazu veran-
lasst, II einen Punkt auf der Zahlengeraden zu nennen, ist seine Vergleich-
barkeit mit den Rationalzahlen.
     

                       Wenn ich II, oder sagen wir √2, als Regel zur Er-
zeugung von Dezimalbrüchen auffasse, so kann ich natürlich eine Modifika-
tion dieser Regel erzeugen, indem ich sage, es solle jede 7 in der Entwick-
lung von √2 durch eine 5 ersetzt werden; aber diese Modifikation ist von
ganz andrer Art // Natur// als die, welche, etwa, durch eine Aen-
derung des Radikanten, oder des Wurzelexponenten erzeugt wird. Ich nehme
z.B. in das modifizierte Gesetz eine Beziehung zum Zahlensystem der Entwick-
lung auf, die in dem ursprünglichen Gesetz √2 nicht vorhanden war. Die Aen-
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derung des Gesetzes ist von v[k|i]el fundamentalerer Art, als es zuerst den
Anschein haben könnte. Ja, wenn wir das falsche Bild von der unendlichen
Extension vor uns haben, dann kann es allerdings scheinen, als ob ich
durch die Hinzufügung der Ersetzungsregel 7 5 zur √2 diese viel weniger
verändert hätte, als etwa durch Aenderung der √2 ind √2,1 denn die Ent-
wicklungˇen von lauten denen von √2 sehr ähnlich, während die Entwick-
lung der √2,1 schon nach der zweiten Stelle gänzlich von der der √2 ab-
weicht.
     

     Gebe ich eine Regel R zur Bildung von Extensionen an, aber so, dass mein
Kalkül kein Mittel kennt, vorherzusagen, wie oft höchstens sich eine
scheinbare Periode der Extension wiederholen kann, dann ist R von einer
reellen Zahl insofern verschieden, als ich R ‒ a in gewissen Fällen nicht
mit einer Rationalzahl vergleichen kann, so dass der Ausdruck R ‒ a = b
unsinnig wird. Wäre z.B. die mir bekannte Entwicklung von R bis auf wei-
teres 3,141111 …, so liesse es sich von der Differenz R ‒ 3,141 nicht
sagen, sie sei grösser, oder sie sei kleiner, als 0; sie lässt sich also
in diesem Sinne nicht mit 0 vergleichen, also nicht mit einem Punkt der
Zahlenachse, und sie und R nicht in demselben [W|S]inne Zahl nennen wie einen
dieser Punkte.
     

/     Die Ausdehnung eines Begriffes der Zahl, des Begriffs ‘alle’, etc. er-
scheint uns (ganz) harmlos; aber sie ist es nich[,|t], wenn //sobald// wir
vergessen, dass wir unsern Begriff tatsächlich geändert haben. /
     

/     Was die irrationalen Zahlen betrifft, so sagt meine Untersuchung nur,
dass es falsch (oder irreführend) ist, von Irrationalzahlen zu sprechen,
indem man sie als Zahlenart den Kardinalzahlen und Rationalzahlen gegen-
überstellt, weil man “Irrationalzahlen” in Wirklichkeit verschiedene Zahlen-
762
arten nennt, – voneinander so verschieden, wie die Rationalzahlen von
jeder dieser Arten. /
     

     Es wäre eine gute Frage für die Scholastiker gewesen: “Kann Gott alle
Stellen von II kennen”.
     

     Es tritt uns bei diesen Ueberlegungen immer wieder etwas entgegen, was
man “arithmetisches Experiment” nennen möchte. Was herauskommt ist zwar
durch das Gegebene bestimmt, aber ich kann nicht erkennen, wie es da-
durch bestimmt ist. So geht es mit dem Auftreten der 7 in der Entwicklung
von II; so ergeben sich auch die Primzahlen als Resultate eines Experi-
ments. Ich kann mich davon überzeugen, dass 31 eine Primzahl ist, aber
ich sehe den Zusammenhang nicht zwischen ihr (ihrer Lage in der Reihe der
Kardinalzahlen) und der Bedingung, der sie entspricht. – Aber diese Per-
plexität
ist nur die Folge eines falschen Ausdrucks. Der Zusammenhang,
den ich nicht zu sehen glaube, existiert gar nicht. Ein – sozusagen unre-
gelmässiges – Au[c|f]treten der 7 in der Entwicklung von II gibt es gar
nicht, denn es gibt ja keine Reihe, die “die Entwicklung von II”
hiesse. Es gibt Entwicklungen von II, nämlich die, die man entwickelt hat
(vielleicht 1000) und in diesen kommt die 7 nicht “regellos” vor, denn
ihr Auftreten in ihnen lässt sich beschreiben. – (Dasselbe für die “Ver-
teilung der Primzahlen”. Wer uns ein Gesetz dieser Verteilung gibt, gibt
uns eine neue Zahlenreihe, neue Zahlen.) (Ein Gesetz des Kalküls,
das ich nicht kenne, ist kein Gesetz.) (Nur was ich sehe, ist ein
Gesetz; nicht, was ich beschreibe. Nur das hindert mich, mehr
in meinen Zeichen auszudrücken, als ich verstehen kann.)
     

     Hat es keinen Sinn, – auch dann, wenn der Fermat'sche Satz bewiesen
ist, – zu sagen F = 0,11? (Wenn ich etwa in der Zeitung davon läse.)
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Ja, ich werde dann sagen: “nun können wir also schreiben ‘F = 0,11’”.
D.h. es liegt nahe, das Zeichen “F” aus dem früheren Kalkül, in dem e[w|s]
keine Rationalzahl bezeichnete, in den neuen hinüberzunehmen und nun
0,11 damit zu bezeichnen.
     

     F wäre ja eine Zahl, von der wir nicht wüssten, ob sie rational oder
irrational ist. Denken wir uns eine Zahl, von der wir nicht wüssten, ob
sie eine Kardinalzahl oder eine Rationalzahl ist. – Eine Beschreibung im
Kalkül gilt eben nur als dieser bestimmte Wortlaut und hat nichts mit
einem Gegenstand der Beschreibung zu tun, der vielleicht einmal gefunden
werden wird.
     

     Man könnte was ich meine auch in den Worten ausdrücken: Man kann keine
Verbindung von Teilen der Mathematik oder Logik herausfinden, die schon
vorhanden war, ohne dass man es wusste.
     

     In der Mathematik gibt es kein “noch nicht” und kein “bis auf weite-
res” (ausser in dem Sinne, in welchem man sagen kann, man habe n[i|o]ch nicht
1000-stellige Zahlen miteinander multipliziert[.|)].
     

     “Ergibt die Operation, z.B. eine rationale Zahl?” – wie kann das ge-
fragt werden, wenn man keine Methode zur Entscheidung der Frage hat?
denn die Operation ergibt doch nur im festgesetzten Kalkül. Ich
meine: “ergibt” ist doch wesentlich präsens // zeitlos//. Es heisst
doch nicht: “ergibt mit der Zeit”! – sondern: ergibt nach der gegenwär-
tigen Regel. //…nach der jetzt bekannten, festgesetzten Regel.//
     

     “Die Lage aller Primzahlen muss doch irgendwie vorausbestimmt sein.
Wir rechnen sie nur successive aus, aber sie sind alle schon bestimmt.
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Gott kennt sie sozusagen alle. Und dabei scheint es doch möglich, dass
sie nicht durch ein Gesetz bestimmt sind.–” Immer wieder das Bild von
der Bedeutung eines Wortes, als einer vollen Kiste, deren Inhalt uns mit
ihr und in ihr verpackt gebracht wird, und den wir nur zu untersuchen
haben. – Was wissen wir denn von den Primzahlen? Wie ist uns denn dieser
Begriff überhaupt gegeben? Treffen wir nicht selbst die Bestimmungen
über ihn? Und wie seltsam, dass wir dann annehmen, es müssen Bestimmungen
über ihn getroffen sein, die wir nicht getroffen haben. Aber der Fehler
ist begreiflich. Denn wir gebrauchen das Wort “Primzahlen” und es lautet
ähnlich wie “Kardinalzahlen’, “Quadratzahlen”, “gerade Zahlen”, etc.. So
denken wir, es wird sich ähnlich gebrauchen lassen, vergessen aber, dass
wir ganz andere – andersartige – Regeln für das Wort “Primzahl”
gegeben haben, und kommen nun mit uns selbst in einen seltsamen Konflikt. –
Aber wie ist das möglich? die Primzahlen sind doch die uns wohlbekannten
Kardinalzahlen, – wie kann man dann sagen, der Begriff der Primzahl sei
in anderem Sinne ein Zahlbegriff, als der der Kardinalzahl? Aber hier
spielt uns wieder die Vorstellung einer “unendlichen Extension” als einems
Analogons zu den uns bekannten “endlichen” Extensionen einen Streich. Der
Begriff ‘Primzahl’ ist f[e|r]eilich mit Hilfe des Begriffes ‘Kardinalzahl’
erklärt, aber nicht “die Primzahlen” mit Hilfe der “Kardinalzahlen”; und
den Begriff ‘Primzahl’ haben wir in wesentlich anderer Weise
aus dem Begriff ‘Kardinalzahl’ abgeleitet, als, etwa, den Begriff ‘Qua-
dratzahl’. (Wir können uns also nicht wundern, wenn ers sich anders be-
nimmt.) Man könnte sich sehr wohl eine Arithmetik denken, die – sozusa-
gen – beim Begriff ‘Kardinalzahl’ sich nicht aufhält, sondern gleich zu
dem der Quadratzahl übergeht (diese Arithmetik wäre natürlich nicht so
anzuwenden, wie die unsere). Aber der Begriff ‘Quadratzahl’ hätte dann
nicht den Charakter, den er in unserer Arithmetik hat; dass er nämlich we-
sentlich ein Teilbegriff sei, dass die Quadratzahlen wesentlich ein Teil
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der Kardinalzahlen seien; sondern sie wären eine komplette Reihe mit ei-
ner kompletten Arithmetik. Und nun denken wir uns dasselbe für die Prim-
zahlen gemacht! Da würde es klar, dass diese nun in einem andern Sinne
“Zahlen” seien, als z.B. die Quadratzahlen; und als die Kardinalzahlen.
     

     Könnten die Berechnungen eines Ingenieurs ergeben, dass die Stärke
// dass eine Dimension// eines Maschinenteils bei gleichmässig wachsen-
der Belastung in der Reihe der Primzahlen fortschreiten müsse? //, dass
die Stärken eines Maschinenteils … müssen? //
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Regellose unendliche Dezimalzahl.
     






     “Regellose unendliche Dezimalzahl”. Die Auffassung ist immer die, als
ob wir nur Wörter unserer Umgangssprache zusammenstellen brauchten, und
die Zusammenstellung hätte damit einen Sinn, den wir jetzt eben erfor-
schen müssten – wenn er uns nicht gleich ganz klar sein sollte. Es ist, als wären die Wörter Ingredientien einer chemischen Verbindung, die wir
zusammenschütten, sich miteinander verbinden lassen, und nun müssten wir
eben die Eigenschaften der (betreffenden) Verbindung untersuchen. Wer
sagte, er verstünde den Ausdruck “regellose unendliche Dezimalzahl” nicht,
dem würde geantwortet: “das ist nicht wahr, Du verstehst ihn sehr gut!
weist Du nicht, was die Worte “regellos”, “unendlich” und “Dezimalzahl”
bedeuten?! – Nun, dann verstehst Du auch ihre Verbindung”. Und mit dem
‘Verständnis’ ist hier gemeint, dass er diese Wörter in gewissen Fällen
anzuwenden weiss und etwa eine Vorstellung mit ihnen
verbindet
. In Wirklichkeit tut der, welcher diese Worte zusam-
menstellt und fragt “was bedeutet das” etwas ähnliches, wie die kleinen
Kinder, die ein Papier mit regellosen Strichen bekritzeln, es dem Erwach-
senen zeigen und fragen: “was ist das?”
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     “Unendlich kompliziertes Gesetz”, “unendlich komplizierte Konstruk-
tion”. (“Es glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, es müsse sich da-
bei auch etwas denken lassen”.)
     

     Wie unterscheidet sich ein unendlich kompliziertes Gesetz vom Fehlen
eines Gesetzes?
     

     (Vergessen wir nicht: Die Ueberlegungen der Mathematiker über das Un-
endliche sind doch lauter endliche Ueberlegungen. Womit ich nur meine,
dass sie ein Ende haben.)
     

     “Eine regellose unendliche Dezimalzahl kann man sich z.B. dadurch er-
zeugt denken, dass endlos gewürfelt wird und die Zahl der Augen jedesmal
eine Dezimalstelle ist”. Aber, wenn endlos gewürfelt wird, kommt ja eben
kein endgültiges Resultat heraus.
     

     “Nur der menschliche Intellekt kann das nicht erfassen, ein höherer
könnte es!” Gut, dann beschreibe mir die Grammatik des Ausdrucks “höherer
Intellekt”; was kann ein solcher erfassen und was nicht, und unter wel-
chen Umständen //in welchem Falle (der Erfahrung)// sage ich, dass ein
Intellekt etwas erfasst? Du wirst dann sehen, dass die Beschreibung des
Erfassens das Erfassen selbst ist. (Vergleiche: Lösung eines mathemati-
schen Problems.)
     

     Nehmen wir an, wir würfen mit einer Münze “Kopf und Adler” und teilen
nun eine Strecke AB nach folgender Regel: “Kopf” sagt:
 
 

nimm die linke Hälfte und teile sie, wie der nächste
Wurf vorschreibt. “Adler” sagt: nimm die rechte Hälfte etc.
Durch fortgese[zt|tz]tes Würfeln erzeuge ich dann Schnittpunkte, die sich in
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einem immer kleineren Interval bewegen. Beschreibt es nun die Lage eines
Punktes, wenn ich sage, es solle der sein, dem sich bei fortgesetztem Wür-
feln die Schnitte unendlich nähern? Hier glaubt man etwa einen Punkt be-
stimmt zu haben, der einer regellosen unendlichen Dezimalzahl entspricht.
Aber die Beschreibung bestimmt doch ausdrücklich: keinen
Punkt; es sei denn, dass man sagt, dass die Worte “Punkt auf dieser Strecke”
auch “einen Punkt bestimmen”. Wir verwechseln hier die Vorschrift des
Wür[c|f]elns mit der mathematischen Vorschrift, etwa Dezimalstellen der √2 zu
erzeugen. Diese mathematischen Vorschriften sind die Punkte. D.h., es
lassen sich zwischen diesen Vorschriften Beziehungen finden, die in ihrer
Grammatik den Beziehungen “grösser” und “kleiner” zwischen zwei Strecken
analog sind und daher mit diesen Worten bezeichnet werden. Die Vorschrift,
Stellen der √2 auszurechnen, ist das Zahlzeichen der irrationalen Zahl
selbst; und ich rede hier von einer “Zahl”, weil ich mit diesen Zeichen
<(>gewissen Vorschriften zur Bildung von Rationalzahlen) ähnlich rechnen kann,
wie mit den Rationalzahlen selbst. Will ich also analog sagen, die Vor-
schrift des endlosen Halbierens d nach Kopf und Adler bestimme einen
Punkt, eine Zahl, so müsste das heissen, dass diese Vorschrift als Zahlzei-
chen, d.h. analog andern Zahlzeichen, gebraucht werden kann. Das ist aber
natürlich nicht der Fall. Sollte diese Vorschrift einem Zahlzeichen ent-
sprechen, so höchstens (sehr entfernt) dem unbestimmten Zahlwort “einige”,
denn sie tut nichts, als eine Zahl offen zu lassen. Mit einem Wort, ihr
entspricht nichts anderes, als das ursprüngliche Interval AB.