Spuren Tolstois in Wittgensteins Tagebüchern von 1914-1916

Ilse Somavilla

Abstract



In diesem Referat soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit Tolstois religiöse
Schriften, insbesondere dessen Auseinandersetzung mit dem Evangelium, auf
Wittgenstein gewirkt und seine Einstellung gegenüber Ethik und Religion geprägt haben
könnten. Eine Untersuchung von Wittgensteins Tagebüchern von 1914¬1916 zeigt, daß im
philosophischen Teil – möglicherweise unter dem Einfluß Schopenhauers und Spinozas –
die Tendenz zu einer mystisch-pantheistischen Betrachtung der Welt vorherrscht,
bereits aber eine Annäherung an eine christlich-religiöse Sichtweise im
tolstojanischen Sinne zu beobachten ist, die vor allem den persönlichen, in
Geheimschrift geführten Tagebuchteil bestimmt. Ein Vergleich mit Tolstoi enthüllt
frappierende Ähnlichkeiten: Gott wird in erster Linie mit Vernunft bzw. dem Geist
assoziiert, was zu einem Streben nach Spiritualität und einem Kampf gegen sinnliche
Regungen führt. Die Rechtfertigung eines glücklichen Lebens ist durch ein Leben in
der Erkenntnis gegeben sowie in einer gelassenen Haltung, die sich der Abhängigkeit
von Gott bewußt ist. Gott bedeutet die Liebe, die auch im Zusammenhang mit dem
Einheitsgedanken angesprochen wird, den Tolstoi offensichtlich von Schopenhauers
Ethik übernommen hat.

Keywords


philosophy; 20th century philosophy; Wittgenstein Ludwig; religion; diary; secret code; ethics

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