Warum McTaggarts Beweis für die Unwirklichkeit der Zeit fehlschlägt
Warum McTaggarts Beweis für die Unwirklichkeit der Zeit fehlschlägt

Abstract

In meinem Beitrag möchte ich zeigen, warum McTaggarts Beweis für die Unwirklichkeit der Zeit („unreality of time“) fehlschlägt. Dazu werde ich (1.), soweit das für mein Ziel erforderlich ist, den Beweis darstellen, (2.) die Falschheit jener Thesen, die ich für die entscheidenden Schwachstellen des Argumentationsganges halte, aufweisen, und (3.) einige Schlüsse aus dem Scheitern des Beweises ziehen. Diese Schlüsse werden in die Richtung gehen, dass McTaggarts Anliegen, nämlich die Annahme der Unwirklichkeit der Zeit, durchaus plausibel ist, auch wenn sein konkreter Argumentationsgang zurückgewiesen werden muss.

Table of contents

    In diesem Beitrag möchte ich zeigen, warum McTaggarts Beweis für die Unwirklichkeit der Zeit fehlschlägt. Dazu werde ich, soweit das für mein Ziel erforderlich ist, den Beweis darstellen (1.), die Falschheit jener Thesen, die ich für die entscheidenden Schwachstellen des Argumentationsganges halte, aufweisen (2.), und einige Schlüsse aus dem Scheitern des Beweises ziehen (3.). Diese Schlüsse werden in die Richtung gehen, dass McTaggarts Anliegen, nämlich die Annahme der Unwirklichkeit der Zeit, durchaus plausibel ist, auch wenn sein konkreter Argumentationsgang zurückgewiesen werden muss.

    1. McTaggarts Argumentation für die Unwirklichkeit der Zeit

    In seinem berühmten Kapitel von The Nature of Existence (McTaggart 1927) zur Unwirklichkeit der Zeit („The Unreality of Time“) nimmt McTaggart zunächst jene Distinktion bezüglich der Zeitordnung vor, welche die aktuelle Diskussion des Themas Zeit in der Philosophie maßgeblich geprägt hat: nämlich zwischen jener Zeitreihe, die er die A-Serie, und jener, welche er die B-Serie nennt.

    Die A-Serie fasst die Zeit auf als dynamisches Geschehen, das von der Zukunft über die Gegenwart hin in die Vergangenheit fortschreitet. Die A-Serie sieht also die Gliederung in die Tempi als wesentlich für die Zeit an. In der Zeit sein bedeutet demnach, sich von der Zukunft über die Gegenwart in die Vergangenheit zu bewegen. Charakteristisches Merkmal der A-Serie ist somit die Dynamik dieser Zeitreihe. Es gibt keine Permanenz, weder von Zeitpunkten noch von Entitäten in der Zeit. Alles fließt von der Zukunft über die Gegenwart in die Vergangenheit. Demgegenüber steht die B-Serie. Es ist allein die Früher-Später-Beziehung, welche die Zeitreihe der B-Serie ausmacht. In der Zeit sein heißt gemäß der B-Serie, zu etwas (anderem) in der Früher-Später-Beziehung zu stehen. Eigentümliches Merkmal der B-Serie ist ihre Permanenz oder ihre Statik. Ist ein Zeitpunkt früher bzw. später als ein anderer, oder kommt eine Entität früher bzw. später vor als eine andere, so ist das immer so. Es kann sich nicht ändern, dass ein Zeitpunkt t früher ist als ein Zeitpunkt t´; und es kann sich nicht ändern, dass ein Ereignis e später als ein Ereignis e´ stattfindet.

    Nach dieser Distinktion folgt in McTaggarts Argumentationsgang eine wichtige Festlegung: Dass nämlich die A-Serie notwendig oder wesentlich sei für die Wirklichkeit der Zeit bzw. für das in der Zeit sein von Entitäten. Diese Festlegung können wir als These formulieren:

    (T1) Ohne A-Serie gibt es keine Zeit.

    Zur Begründung von (T1) führt McTaggart zwei weitere Thesen an. Diese lauten:

    (T2) Änderung ist notwendig für Zeit.

    (T3) Nur in der A-Serie findet Änderung statt.

    (T2) ist derart allgemein anerkannt, dass sich für McTaggart jede Erläuterung erübrigt. (T3) ist nach McTaggarts Ansicht erklärungsbedürftig. Somit geht er daran, (T3) zu begründen, und zwar durch zwei weitere Thesen. Die erste besagt:

    (T4) Änderungen sind stets Änderungen von Ereignissen.

    Was sich also in der Welt ändert, sind Ereignisse und nur Ereignisse, nicht etwa Dinge, Sachverhalte o.ä. Die zweite These zur Begründung von (T3) lautet:

    (T5) Ereignisse können sich nur insofern ändern, als sie sich in der A-Serie von Zukunft über die Gegenwart in Richtung Vergangenheit bewegen.

    Die A-Serie aber, und damit kommt man zu jener These - nennen wir sie (T6) -, die nach McTaggart für die Wirklichkeit der Zeit verhängnisvoll ist, muss als widersprüchlich gelten. Kurzum:

    (T6) Die A-Serie ist widersprüchlich.

    Von jedem Zeitpunkt bzw. von jedem Ereignis in der Zeit muss man, nach der Voraussetzung der A-Serie, sagen, dass es sowohl zukünftig als auch gegenwärtig als auch vergangen ist. Zukünftig, gegenwärtig und vergangen zu sein, sind aber widersprüchliche Bestimmungen. Also führt die Voraussetzung der A-Serie zu einem Widerspruch, was den Schluss legitimiert, diese aus der Wirklichkeit zu verbannen, welche bekanntlich widerspruchsfrei zu sein hat.

    Ist aber die A-Serie unwirklich (aufgrund von T6), gleichermaßen aber notwendige Voraussetzung für die Wirklichkeit der Zeit (nach T1), folgt dass die Zeit selbst unwirklich sein muss.

    2. Die entscheidenden Schwachstellen in McTaggarts Argumentationsgang

    Es wäre durchaus lohnend, (T6) zu rekonstruieren und einer genauen Analyse zu unterziehen. Ich möchte hier jedoch an jenen anderen Stellen ansetzen, die ich für die entscheidenden Schwachstellen in McTaggarts Argumentationsgang halte: Das ist zunächst (T4), die These, dass Änderungen stets Änderungen von Ereignissen sind, und in Folge (T5), dass sich Ereignisse nur insofern ändern, als sie sich in der A-Serie bewegen. „In Folge“ meint hier, dass im Kontext von McTaggarts Ausführungen die Falschheit von (T5) auf jene von (T4) zurückzuführen ist. Da (T3) und in Konsequenz (T1), welche zusammen mit (T6) das Ziel von McTaggarts Beweisgang ausmacht, in ihrer Geltung von den Zentralthesen (T4) und (T5) abhängen, können wir uns in unserer Widerlegung von McTaggart den letzteren zuwenden und daraus alles andere ableiten.

    Warum können (T4) und (T5) gemeinsam nicht aufrechterhalten werden? – Meine Antwort ist, dass die Behauptung beider Thesen ein höchst problematisches Verständnis von „Änderung“ impliziert. Es gibt gängige (und plausible) Bestimmungen des Änderungsbegriffs, nach denen (T4) und zugleich (T5) nicht bestehen können. Um dies zu zeigen, führe ich drei mögliche Verständnisweisen von „Änderung“ an, und führe aus, dass McTaggarts Zentralthesen durch die Akzeptanz irgendeiner dieser gängigen Bestimmungen widerlegt sind. Wenn dem so ist, ergibt sich daraus ein m.E. entscheidender Einwand gegen McTaggarts Beweisgang zur Unwirklichkeit der Zeit.

    Ich beginne mit jenem Verständnis von „Änderung“, welches als der klassische Änderungsbegriff (hier: KÄ) in die Literatur eingegangen ist. (Als Quellen sei Plato, Parmenides, 138c, sowie Aristoteles, Physik, Buch 1, Kap. 5, angeführt.) Nach diesem Begriff geschieht eine Änderung genau dann, wenn (i) es eine Eigenschaft P gibt, (ii) ein Objekt x, (iii) wenn es verschiedene Zeitpunkte, t und t´, gibt und (iv), wenn es der Fall ist, dass x zu t P hat und x zu t´ P nicht hat (oder umgekehrt). Inwiefern dieser Begriff einer Änderung eine realistische Deutung von Eigenschaften und Zeitpunkten voraussetzt, sei dahingestellt. Klar ist jedoch, dass KÄ die Annahme ganz bestimmter Objekte impliziert, und zwar von Dingen, die zu mindestens zwei verschiedenen Zeitpunkten, t und t´, existieren müssen. Eine Änderung nach KÄ setzt voraus, dass es etwas, x, gibt, das die Änderung überlebt. Änderungsobjekte oder Träger von Änderungen müssen persistieren. Objekte dürfen, um als Träger von Änderungen in diesem Sinn in Frage zu kommen, nicht in einem beliebigen Sinn persistieren. Es genügt nicht, dass sie, etwa in einem Lewis’schen Sinn, perdurer sind: dass sie aus numerisch verschiedenen raum-zeitlichen Teilen oder Phasen bestehen, die durch bestimmte Kontinuitätsbeziehungen verbunden sind. Es braucht, um den Fachterminus für in einem strikten Sinn durch die Zeit identische Dinge zu gebrauchen, endurer.

    Ereignisse aber sind, was auch immer sie sind, keine endurer. Ereignisse sind räumlich und zeitlich ausgedehnt, und bestehen somit aus numerisch verschiedenen räumlichen und zeitlichen Teilen, was ihre „endurance“ ausschließt. Wenn dem so ist, können sie nach KÄ keinesfalls als Träger einer Änderung in Frage kommen. McTaggarts Begriff einer Änderung als Änderung von Ereignissen ist jedenfalls vor dem klassischen Verständnis von Änderungen verfehlt; damit aber auch (T4) und in Konsequenz (T3) und (T1).

    Zugegebenermaßen ist das klassische Verständnis von Änderungen nicht das einzig mögliche. Und tatsächlich wird gerade von Philosophen, die gegen den klassischen Begriff einer Änderung und der damit zusammenhängen „endurer“- oder „Substanzontologie“ auftreten, eine begriffliche Alternative ins Treffen geführt.

    Freunde einer perdurer-Ontologie sind berechtigt zu behaupten, dass auch vor dem Hintergrund ihrer Annahmen der Begriff „Änderung“ eingeführt werden kann. Ich nenne diese Änderungen hier perdurer-Änderungen (PÄ). PÄ wären demnach nichts anderes als die Abfolgen raum-zeitlicher Teile oder Phasen. Möglicherweise könnte man unter Voraussetzung dieses Änderungsbegriffs (T4) verteidigen. Ereignisse sind, darin besteht auch in der Literatur ein breiter Konsens, Abfolgen raum-zeitlicher Teile oder Phasen. Wenn wir wie eben vorgeschlagen den Änderungsbegriff einführen, spricht nichts mehr dagegen, Änderungen als Änderungen von Ereignissen aufzufassen. Deuteten wir z.B. die Aufführung einzelner Sätze als Phasen eines Symphoniekonzerts, wäre der Übergang von einem Satz zu einem anderen nach PÄ jeweils als Änderung des Konzerts zu verstehen.

    Diese Strategie hat jedoch auch ihre Schwierigkeiten. Die eine ist, dass nach (T4) nicht nur verlangt wird, dass sich Ereignisse ändern, sondern noch mehr: dass sich nur Ereignisse ändern. Man müsste also nur Ereignisse als Objekte solcher PÄ annehmen. Selbst wenn dieser (für perdurer-Ontologien sehr gewagte) Kunstgriff gelänge, wäre es aus einem anderen Grund auch bei Akzeptanz dieses Änderungsbegriffs um McTaggarts Beweis geschehen. Und zwar deshalb, weil bei Akzeptanz von PÄ (T5) falsch wird. Ereignisse können sich, so sie sich im Sinne der perdurer-Änderungen ändern, nämlich auf ganz verschiedene Weise ändern, wie es eben der Abfolge ihrer Phasen entspricht. Ereignisse wären somit in ihrem Änderungsvermögen nicht auf die Bewegung in der A-Serie angewiesen, wie (T5) das behauptet. Ist (T5) falsch, fällt aber (T3) ebenso, und in Konsequenz (T1).

    Eine dritte Möglichkeit, „Änderung“ zu bestimmen, wird für gewöhnlich in Ergänzung zum klassischen Änderungsbegriff vorgeschlagen, um doch auch mit KÄ Ereignisse als änderungsfähig zu erweisen. Es ist dies der Begriff einer „Änderung im relationalen Sinn“. Relationale Änderungen (RÄ) eines x bestehen im Wechsel von Eigenschaften von x, deren Zukommen zu seinem Träger von dem Träger äußerlichen Umständen abhängt: Wenn ein Fußballspiel in der ersten Halbzeit langweilig, in der zweiten aber spannend, in der Nachspielzeit schließlich dramatisch wird, kann man durchaus sagen, dass sich das Fußballspiel, wunderschönes Beispiel für ein Ereignis, ändert. Diese Änderung aber, und darin erweist sie sich als relational in eben eingeführtem Sinne, ist von dem Ereignis äußeren Umständen abhängig: Dass es nämlich von Beobachtern auf verschiedene Weise betrachtet wird. Es gibt Autoren, die meinen, dass sich Ereignisse, wenn überhaupt, dann nur auf diese relationale Art ändern können.

    Lässt man nun Änderungen in diesem Sinne zu, kann man (T4) u.U. retten, nämlich dann, wenn man zusätzlich behauptet, dass alle Änderungen relationale Änderungen sind, und dass sich nur Ereignisse relational ändern können. Ich will diese Zusatzannahmen hier nicht weiter diskutieren. Im Hinblick auf McTaggarts Beweisgang möchte ich aber darauf hinweisen, dass bei diesem Rettungsversuch von (T4) wiederum (T5) widerlegt wird. Nimmt man RÄ als adäquaten Änderungsbegriff, sind nämlich Ereignisse in ihrer Änderungsfähigkeit nicht mehr auf eine Bewegung in der A-Serie angewiesen.

    Ich komme damit zu meinem Ergebnis: Akzeptiert man (irgendeine) gängige Verständnisweise von „Änderung“, sei es KÄ, PÄ oder RÄ, lassen sich die Zentralthesen von McTaggarts Argument für die Unwirklichkeit der Zeit, nämlich (T4) und (T5), nicht aufrechterhalten. Mit (T4) und/oder (T5) fällt aber wie gesagt auch (T3) und (T1), das ist jene These, die gemeinsam mit (T6) den Gehalt von McTaggarts Beweisgang ausmacht.

    Auszuschließen ist natürlich nicht, dass es eine Rekonstruktion von „Änderung“ geben könnte, welche die Zentralthesen als haltbar erscheinen lassen. Solange eine solche aber nicht in Sicht ist, kann man dabei bleiben, McTaggarts Beweisgang aufgrund der gezeigten Schwächen seines Änderungsbegriffs als widerlegt zu betrachten.

    3. Ist die Zeit somit wirklich?

    Welche Schlüsse kann man aus dem Scheitern von McTaggarts Beweisgang ziehen? Gegner der Wirklichkeit der Zeit werden zu Recht darauf hinweisen, dass allein aus dem Scheitern eines Beweises für die Unwirklichkeit der Zeit nicht deren Wirklichkeit folgt. Natürlich müssen auch die Freunde der Wirklichkeit der Zeit Gründe für ihre Position vorbringen. Im Folgenden möchte ich im Anschluss an die vorangegangenen Überlegungen einige Minimalbedingungen für die Angabe solcher Gründe formulieren. Wenn wir uns weiter im terminologischen Kontext McTaggarts bewegen, worüber eigentlich aus allen Lagern ein gewisses Einverständnis herrscht, lassen sich hier für die Freunde der Wirklichkeit der Zeit (erschöpfend) zwei Alternativen ins Auge fassen: Sie können versuchen, die Wirklichkeit der Zeit in der A-Serie zu verankern, oder sie können auf die B-Serie ausweichen.

    Was wären die Minimalbedingungen für Freunde der Wirklichkeit der Zeit, die ihr Glück in der A-Serie versuchen? Erstens muss (T6) widerlegt werden und, gegen McTaggart, gezeigt werden, dass die A-Serie keinen Widerspruch enthält. Es gibt derartige Ansätze, um nur jenen Jonathan Lowes zu erwähnen (vgl. Lowe 1998, 91). Ob Lowe Recht hat oder nicht, möchte ich hier allerdings nicht entscheiden. Selbst wenn wir aber Lowes Meinung teilen, müssen wir eine zweite Schwierigkeit lösen, nämlich den Begriff „Änderung“ so formulieren, dass bei Beibehaltung von (T2) „Änderung ist notwendig für Zeit“ (T3) „Nur in der A-Serie findet Änderung statt“ gilt, und damit (T1) folgt: Ohne A-Serie gibt es keine Zeit. Die Rettung von (T3) und in Folge von (T1) bei Beibehaltung von (T2) hat aber nicht nur ein terminologisch – konstruktives Problem, sondern auch ein apologetisches. Und damit bin ich bei der dritten Schwierigkeit der Rettung der Wirklichkeit der Zeit über die A-Serie. Gibt es doch auch unter Freunden der Wirklichkeit der Zeit gewichtige Stimmen gegen die Thesen (T1) und (T3); etwa von jenen, welche im Gefolge Russells die A-Serie für durchaus verzichtbar halten, und zwar zugunsten jener Reihe, die McTaggart die B-Serie nennt (vgl. u.a. Tegtmeier 1997). Ob diese drei Schwierigkeiten zu beheben sind, kann ich hier nicht untersuchen.

    Ich möchte vielmehr das Stichwort „Ausweichen in die B-Serie“ aufgreifen und die zweite Alternative für den Erweis der Wirklichkeit der Zeit ins Auge zu fassen. Genannt sei hier lediglich eine Konsequenz eines solchen Ausweichens, allerdings eine zentrale und unverzichtbare. Und diese besteht darin, dass dabei der Früher-Später-Beziehung die gesamte Last der Zeit-Konstitution überantwortet wird. Fragen wir uns also, unter welchen Voraussetzungen diese Beziehung diese Anforderung erfüllen kann.

    Zunächst muss es die Früher-Später-Beziehung geben. Und schon hier stoßen wir auf ernst zu nehmende Schwierigkeiten: Die Früher-Später-Beziehung kann es, das scheint unbestreitbar, nicht an einem einzigen Zeitpunkt bzw. an einem einzigen zeitlichen Ereignisteil geben. Sie muss vielmehr zwischen zwei verschiedenen bestehen. Das aber setzt voraus, dass (mindestens) zwei verschiedene Zeitpunkte bzw. zeitliche Ereignisteile existieren müssen. Das wiederum impliziert ein sehr spezielles Verständnis von Zeit, bzw. vom Verhältnis zwischen Zeit und Existenz, nämlich jenes, das in der Literatur als äternalistisch bezeichnet wird. Existenz darf nicht an Gegenwart hängen. Alle Zeitpunkte bzw. alle Ereignisse, egal wann sie stattgefunden haben, stattfinden oder stattfinden werden, sind gleich real. Der Äternalismus aber steht dem Präsentismus entgegen, nach dem der Gegenwart hinsichtlich Existenz eine bevorzugte Stellung zukommt. Nur Gegenwärtiges existiert, Vergangenes nicht mehr, Zukünftiges noch nicht. Ich kann hier nicht die Brisanz der Festlegung auf Äternalismus bzw. Präsentismus für eine Ontologie ausführen. Ich habe das an anderer Stelle getan (u.a. Kanzian 2004). Für unseren Kontext mag der Hinweis genügen, dass die Annahme der Früher-Später-Beziehung auf äternalistische bzw. anti-präsentistische Voraussetzungen verpflichtet.

    Natürlich könnte man sich auch auf den Standpunkt zurückziehen, dass man die Früher-Später-Beziehung nicht als Relation im eng realistischen Sinn versteht, sondern eher als „dünne“ oder „formale“ oder „epiphänomenale“ Beziehung. Dann aber geht dieser ontologische Sonderstatus auch auf jene Phänomene über, die eigentlich durch die Früher-Später-Beziehung in ihrer Wirklichkeit konstituiert werden sollten. Und hier ist die Zeit nach Annahme von B-Serien-Theoretiker an erster Stelle zu nennen.

    Ich komme also zum Schluss, dass trotz der Widerlegung des Beweisgangs McTaggarts zum Aufweis der Unwirklichkeit der Zeit auch die Annahme des Gegenteils mit schwerwiegenden Problemen konfrontiert ist. McTaggarts Anliegen ist also keinesfalls als erledigt zu betrachten.

    Literatur

    1. Kanzian, Christian 2004 „Warum es die Früher-Später Beziehung nicht gibt“, in: Herbert Hochberg and Kevin Mulligan (eds.), Relations and Predicates, Frankfurt am Main, Lancaster: Ontos-Verlag, 183-201.
    2. Lowe, Jonathan 1998 The Possibility of Metaphysics. Oxford: Clarendon Press.
    3. McTaggart, J. M. E. 1927 The Nature of Existence. Cambridge: Cambridge University Press.
    4. Tegtmeier, Erwin 1997 Zeit und Existenz. Parmenideische Meditationen. Tübingen: Mohr Siebeck.
    Christian Kanzian. Date: XML TEI markup by WAB (Rune J. Falch, Heinz W. Krüger, Alois Pichler, Deirdre C.P. Smith) 2011-13. Last change 18.12.2013.
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