Ethik als irreduzibles Supervenienzphänomen
Ethik als irreduzibles Supervenienzphänomen

Abstract

In der neueren Reduktionismus-Diskussion wird immer wieder der Frage nachgegangen, ob Theorien der Ethik nicht im Grunde auf andere Theorien zurückgeführt werden können. Wäre dies der Fall, hätte die Ethik ihren Stand als eigenständige philosophische Disziplin verloren und wäre vielmehr fortan nur eine besondere Art der Beschreibung eigentlich nicht-ethischer Sachverhalte. Will man eine Antwort auf die Frage nach der Möglichkeit einer solchen Reduktion finden, muss man zunächst klären, was die Rede von Ethik überhaupt meint, also was man unter diesem Begriff verstehen will. Versteht man darunter das sprachliche Korrelat einer menschlichen Praxis, zeigt sich, dass Ethik ihrem Wesen nach supervenient zu dieser Praxis und außerdem hyperkomplex ist. Eine Reduktion der Ethik insgesamt ist deshalb allein aus wissenschaftstheoretischen Gründen nicht möglich. Das heißt in der Konsequenz, dass selbst eventuell erfolgreiche Bemühungen, bestimmte „ethische Zustände“ beispielsweise auf neuronale zurückzuführen, die Ethik als vom einzelnen unabhängige Klasse von Sätzen nicht berühren.

Table of contents

    1. Der Ursprung der Ethik

    Die Frage nach der Irreduzibilität der Ethik setzt allererst die Klärung der Frage voraus, in welchem Sinne hier von Ethik die Rede ist. Erst danach kann anhand einer anzugebenden Definition von Supervenienz die eventuelle Nichtreduzierbarkeit von Ethik diskutiert werden.

    Wittgenstein, dessen Einlassungen zur Ethik recht marginal sind, bestimmt deren Ursprung dennoch: “[Ethik] ist ein Zeugnis eines Drangs im menschlichen Bewußtsein” [VüE: 19]. Dieser Drang erscheint als ein Antrieb, der den Menschen werten lässt: Ich habe die Welt zu beurteilen, die Dinge zu messen.” [Tb: 2.9.1916] Zwar bleibt, was dieses wertende Ich genau ausmacht, unklar: “Das Ich, das Ich ist das tief Geheimnisvolle.“ [Tb: 5.8.16] Allerdings ist an dieser Stelle auch keine diesbezügliche Erörterung erforderlich. Genau so wenig wie eine Erklärung des Ursprungs dieses Dranges möglich ist. Es bleibt lediglich zu konstatieren, dass dieser Drang im Menschen vorhanden ist. Somit bleibt als Ursprung der Ethik ein nicht weiter erklärbarer Drang im Menschen, die Welt zu beurteilen oder zu werten. So wertet der Mensch seine Umwelt, zu der auch die Handlungen und das Verhalten der anderen gehören. Vorsprachlich wird sich dies Verhalten etwa in einer ablehnenden oder zustimmenden Reaktion ausdrücken, sprachlich als Äußerung, was selber bereits eine Handlung darstellt. Ethik ist folglich nichts, was eigenständig in der Welt existiert, ein Sachverhalt etwa (So in VüE: 13 f: “Das gleiche gilt für das absolut Gute; wäre es ein beschreibbarer Sachverhalt, müßte ihn jeder – unabhängig von seinen eigenen Vorlieben und Neigungen – notwendig herbeiführen oder sich schuldig fühlen, weil er ihn nicht herbeiführt. Ein solcher Sachverhalt, möchte ich behaupten, ist ein Hirngespinst.”), sondern sie ist an wertende Handlungen gebunden (vgl.: “Die Bedeutung des Wortes »gut« ist an die Handlung, die es qualifiziert, gefesselt“ [V: 191]). Diese werden von Subjekten vollzogen und also gilt: “gut und böse [sind] Prädikate des Subjekts, nicht Eigenschaften in der Welt.” [Tb: 2.8.16] Grundlage der Ethik sind also die wertenden Tätigkeiten der Sprachspielenden.

    2. Ethik ist sprachvermittelt und entsteht erst durch Sprache

    Der im Menschen angelegte Drang zu werten hat verschiedene Möglichkeiten der Äußerung: nichtsprachlich als bloß tätliche Reaktion, sprachlich als Äußerung.

    Für die Ethik und die Verständigung gelten jedoch dieselben Muster, die Wittgenstein in der Spätphilosophie aufzeigt. Zur Verständigung bedarf es für die Verwendung von Wörtern gemeinsamer Regeln, denen auch gefolgt wird. Diese Regeln entstehen in Sprachspielen, wie am Beginn der Philosophischen Untersuchungen vorgeführt wird. Das besondere des Sprachspiels ist es, dass in ihm die Sprache und die “Tätigkeiten mit denen sie verwoben sind” [PU: §7] als zusammengehörig aufgefasst werden. So kann aus nichtsprachlichem Verhalten durch regelhafte Korrelation mit Lauten (sprachliches) Handeln entstehen. Durch die Tätigkeiten der Menschen und die je spezifische Art, mit der sie diese durchführen, bekommen die Wörter durch ihren mit den Tätigkeiten verbundenen Gebrauch in der Sprache ihre spezifische Bedeutung [PU: §43]. Wichtig sind in diesem Zusammenhang zwei Aspekte der Sprachspielkonzeption: Die Sprachspielenden bringen sich erstens gegenseitig durch Bestätigung oder Sanktion einzelner Tätigkeiten die geltenden Regeln bei (sie richten sich darauf ab [Z: Nr. 419]). Das entzieht ihnen jedoch zweitens zugleich den alleinigen Zugriff auf die geltenden Regeln. Es entsteht ein Wechselverhältnis zwischen dem Unterworfensein des einzelnen Sprachspielenden unter die Regeln auf der einen und andererseits seiner Möglichkeit zu deren Veränderung und Beeinflussung auf der anderen Seite.

    An dieser Stelle ist die strukturelle Ähnlichkeit des Funktionierens von Sprache mit dem Funktionieren von Ethik nicht zu übersehen. Genau wie bei jeder anderen sprachlichen Regel betont Wittgenstein, dass es immer eine Sprachspielgemeinschaft geben müsse, damit – in diesem Falle ethische – Regeln ihre bindende Kraft erhalten: “Ein Soll hat also nur Sinn, wenn hinter dem Soll etwas steht, das ihm Nachdruck gibt – eine Macht, die straft und belohnt. Ein Soll an sich ist unsinnig” [WWK: 118]. Diese Macht ist zweigestalt: einerseits besteht sie zweifelsohne aus den Mitgliedern der Sprachspielgemeinschaft, die die Einhaltung der (sprachlichen) Regeln überwachen. Andererseits ist damit aber auch das eigene Gewissen gemeint: “Wenn mein Gewissen mich aus dem Gleichgewicht bringt, so bin ich nicht in Übereinstimmung mit Etwas. Aber was ist dies? Ist es die Welt? [...] Zum Beispiel: es macht mich unglücklich zu denken, daß ich den und den beleidigt habe. Ist das mein Gewissen?“ [Tb: 8.7.1916] Die Motivation, sich gemäß bestimmter ethischer Regeln zu verhalten, hat so einmal einen äußeren, einmal einen inneren Grund. In beiden Fällen ist gleichwohl schon vorausgesetzt, dass es bereits in einer Sprachspielgemeinschaft entstandene Regeln geben muss, deren Nichtbefolgung überhaupt als ethisch schlecht – und damit sanktionsfähig – empfunden werden kann.

    Es bleibt, dass sich Ethik nur in einer Gemeinschaft von Sprachspielenden entfalten kann, wo und indem sie durch ihre sprachliche Form den Sprachspielenden erst bewusst werden kann. Denn analog zum Privatsprachenargument kann es keine privaten, sondern bloß öffentliche ethische Begriffe geben. Folglich gibt es nur eine öffentliche Ethik. Dies folgt außerdem aus den Überlegungen zum privaten Regelfolgen, wonach einer allein die Richtigkeit seiner eigenen Regelbefolgung nicht garantieren kann. Jeder hat ja bloß seine Erinnerung an ein vormaliges Regelfolgen, die er nun als Vorbild für ein erneutes Folgen verwendet. Eine Erinnerung ist jedoch immer für Täuschungen anfällig [vgl.: PU: § 265, Wachtendorf 2008: 220 f].

    Genau wie die übrigen Regeln des Sprachspiels sind auch die ethischen Regeln als ein Produkt der Sprachspielgemeinschaft durch den Prozess des gemeinsamen Sprechens und Tätigseins – also beim gemeinsamen Lebensvollzug – entstanden. Genau wie auf die übrigen Regeln richten sich die Sprecher gegenseitig auf die ethischen Regeln ab. Jemand handelt und aus der billigenden oder ablehnenden Reaktion der anderen ergibt sich die notwendige Rückkoppelung, die den einzelnen jeweils in seinem Tun bestärkt oder nicht. So steht hinter dem Soll die erforderliche strafende Macht und so ist gleichzeitig die Objektivität der ethischen Regeln innerhalb der jeweiligen Sprachspielgemeinschaft sicher gestellt.

    Ist also der Drang zu werten zwar im Menschen angelegt, kann er sich über das Maß eines bloß reaktiven Verhaltens hinaus erst entfalten, wenn der Mensch über eine Sprache verfügt – es entsteht die Ethik. Wenn man von Ethik in diesem Sinne spricht und damit also nicht bloß den immanenten Drang zur Wertung sondern etwas wie eine ethische Theorie meint, spricht man deshalb immer über ein Phänomen, das erst durch eine Sprache möglich wird.

    Wittgensteins Spätphilosophie stellt ein sehr gutes Konzept zur Erläuterung der Funktionsweise von Ethik dar, weil sie lediglich von der Faktizität bestimmter menschlicher Eigenschaften ausgeht (sie setzt beispielsweise bloß die Sprachfähigkeit voraus) und in diesem Rahmen die Möglichkeit bietet, Ethik zu analysieren, ohne (hypostasierende) Annahmen wie etwa diejenige eines eigenständigen ethischen Reichs oder die Existenz ethischer Tatsachen machen zu müssen. Da man zudem zeigen kann [Wachtendorf: 163 ff], dass Wittgensteins frühe Vorstellung von Ethik auch noch in seiner Spätphilosophie besteht und deshalb mit dieser kompatibel ist, bietet sich die Spätphilosophie für ethische Betrachtungen auch in Wittgensteins Sinne geradezu an.

    3. Ethische Sätze

    Ethik findet ihren Ausdruck in Sätzen, denen die Sprachspielgemeinschaft zustimmt oder die sie ablehnt. So entsteht eine Klasse von ethischen Sätzen. Ethische Sätze sind beispielsweise: “[...] ’Du sollst das tun!’ oder ’Das ist gut!’ aber nicht ’Diese Menschen sagen das sei gut’. Ein ethischer Satz ist aber eine persönliche Handlung. Keine Konstatierung einer Tatsache. Wie ein Ausruf der Bewunderung. Bedenke doch daß die Begründung des ’ethischen Satzes’ nur versucht den Satz auf andere zurückzuführen die Dir einen Eindruck machen. Hast Du am Schluß keinen Abscheu vor diesem keine Bewunderung für jenes so gibt es keine Begründung die diesen Namen verdiente.” [DB: 43 f ] Hier ist sehr schön die Eigentümlichkeit von Ethik, die sich auch in den ethischen Sätzen niederschlägt, zusammengefasst: Es geht immer um Wertungen und darum, Abscheu oder Bewunderung zu erzeugen. Da das Äußern eines ethischen Satzes eine Handlung ist, ist die Ethik selbst eine Praxis, bestehend aus Wertungen und dem Äußern von Werturteilen.

    Den ethischen Sätzen eignet eine Besonderheit: sie gehören ähnlich wie die grammatischen Sätze zu den selbstverständlichen und unhinterfragten Grundlagen aller Tätigkeiten [Wachtendorf 2008: 184 ff]. Da man im Allgemeinen Regeln blind folgt, folgt man auch ethischen Sätzen blind. Das heißt, dass man auch solchen Regeln folgt, die in dem jeweiligen Sprachspiel in Kraft sind, obwohl man ihnen nicht explizit, sondern nur durch Teilhabe zugestimmt hat. Das eigene Verhalten ist also immer auch von ethischen Regeln geleitet, die im jeweiligen Sprachspiel Geltung haben. Es ist aus sprachlogischen Gründen gar nicht möglich, auf alle basalen Regeln zu reflektieren. Demgegenüber ist dies jedoch oftmals ein Kriterium von ethischem Verhalten: “Nur solches Verhalten unterliegt einer moralischen Billigung oder Missbilligung, das der jeweilige Akteur hätte vermeiden können und das er deshalb verantworten muss.” [Birnbacher 2007: 15] Ein Kriterium für das Vermeiden-Können ist laut Birnbacher “größere Vorsicht” [Birnbacher 2007: 15]. Kann man aber überhaupt vorsichtig genug sein? Zweifelsohne gilt das für dezidiert ethische Fragen, die man in einer konkreten Situation bewusst zu lösen versucht. Hier kann man etwas anders machen, weil man die anderen Möglichkeiten kennt. Die bereits unbewusst in die ethische Überlegung eingehenden, grundlegenden Regeln sind jedoch ihrerseits einer Reflexion entzogen (oder nur sehr schwer zugänglich). So verstanden bekommt die Klasse der ethischen Sätze eine die Tätigkeiten der einzelnen unbewusst beeinflussende Funktion, wobei sie gleichzeitig dem aktiven direkten Zugriff eines einzelnen entzogen ist.

    4. Supervenienz und Reduzierbarkeit

    Es ist nun unschwer zu erkennen, dass die Klasse der ethischen Sätze (fortan E), wie sie bis hierhin dargestellt worden ist, in einem Supervenienzverhältis zu den Sprachspielenden steht. Klassisch wird Supervenienz definiert als: eine Eigenschaftsfamilie A superveniert über einer Eigenschaftsfamilie B, genau dann wenn man A nicht verändern kann, ohne B zu verändern. Es ist offensichtlich, dass diese Definition hier erfüllt ist, weil E keiner Änderung unterliegt, sofern nicht eine Änderung im Handeln der Sprachspielenden eintritt.

    Somit ist die Ethik (selbstverständlich) abhängig von den Sprachspielenden; aber nicht von jedem einzelnen, sondern von allen in ihrer Gesamtheit. Sie ist das Ergebnis der Interaktion der Sprachspielenden untereinander und der Interdependenz zwischen diesen und den Sätzen aus E. Die einzelnen Sätze aus E haben unterschiedliche Wirkung auf die verschiedenen Sprachspielenden. Die Wechselwirkung ist hyperkomplex, das heißt, es gibt keine eindeutige reversible Relation zwischen Sätzen und Handlungen, sondern die Interdependenzen der einzelnen Sätze untereinander und ihre jeweilige Wirkung auf die Sprachspielenden sind derart komplex, dass überhaupt keine Zuordnung möglich ist. Denn jede Handlung kann auf unterschiedliche Weise beschrieben werden und für jeden ethischen Satz gibt es verschiedene Möglichkeiten der Befolgung. Letzteres hängt insbesondere auch von den Sitten und Gebräuchen der jeweiligen Sprachspielgemeinschaft oder von den besonderen Eigenschaften des Einzelnen ab. Außerdem kann ein ethischer Satz Konsequenzen für andere haben, die sich beispielsweise erst in der konkreten Praxis seiner Anwendung zeigen, wodurch er eine praktische Wirkung entfaltet, die wiederum sofort Konsequenzen für die Sätze der Klasse E hat. Wittgenstein deutet dieses Verhältnis in folgenden Bemerkungen an: “Was man eine Änderung in den Begriffen nennt, ist natürlich nicht nur eine Änderung im Reden, sondern auch eine im Tun.” [BPP: I-910] Und “Ich will sagen: eine ganz andere Erziehung, als die unsere, könnte auch die Grundlage ganz anderer Begriffe sein.” [BPP: II-707] Klarer kann man die enge Verwobenheit von Handlungen und Sprache nicht machen. In dieser Konstruktion kommt die Präreflexivität grammatischer und damit auch ethischer Sätze als Mythologie [vgl.: VüE: 38] deutlich zum Ausdruck. Erst auf der Basis einer zumindest rudimentären Klasse E kann anschließend auf einzelne ethische Sätze aus E reflektiert werden.

    Gemäß dieser Darstellung ist zugleich klar, dass die Sprachspielenden nicht als kollektiver Akteur im herkömmlichen Sinne aufgefasst werden sollten. Die Frage ist hier nicht, ob die Gemeinschaft der Sprachspielenden eine eigenständige Entität ist, deren Vollzüge – sofern sie tatsächlich welche hat – zusätzlich und unabhängig von denen ihrer Mitglieder ethisch bewertet werden können, so wie etwa bei einer spontanen Demonstration sowohl das Verhalten der Demonstration insgesamt (etwa friedlich oder gewaltbereit) als auch die Handlungen der einzelnen Demonstranten jeweils eigenständig moralisch bewertet werden können. Die Sprachspielenden handeln nicht kollektiv, sondern lediglich gemeinsam. Demnach geht jeder Sprachspielende seinen eigenen Interessen nach, muss dabei jedoch zwangsläufig den gemeinsamen Regeln folgen und übt dadurch Einfluss auf diese aus. Spieltheoretisch betrachtet bekommt dadurch das Handeln der einzelnen zwar durchaus kollektive Züge. Dies ist für den hier verfolgter Zweck allerdings nicht relevant.

    Aus der obigen Darstellung der Entstehung der supervenienten Klasse E folgt zugleich eine Antwort auf die Frage nach einer möglichen Reduktion der Ethik. Versteht man als Reduktionismus, dass ein System durch seine Einzelbestandteile vollständig bestimmt ist, kann davon im Zusammenhang mit Ethik keine Rede sein. Eine Reduktion ist letztlich immer entweder die Rückführung einer Theorie auf Beobachtungssätze oder von Begriffen auf Dinge oder von (mentalen) Zuständen und Zusammenhängen auf kausal-deterministische Ereignisse. In allen drei Fällen wird ein wie auch immer gearteter, (quasi-) naturwissenschaftlicher Atomismus unterstellt. Demgemäß gibt es letzte Entitäten, auf die alle von ihnen verschiedene reduziert werden können, weil sie bloß als Konfigurationen oder Beschreibungen dieser Grundentitäten verstanden werden. Im Falle der Ethik kann man entweder versuchen, die Sätze der Klasse E und die Handlungen der Sprachspielenden auf Beobachtungssätze zurückzuführen, oder man betrachtet die ethischen Sätze nur als sprachliche Darstellung mentaler Zustände. Beide Wege sind nicht gangbar. Zwar lässt sich bei der Gemeinschaft der Sprachspielenden bis zu einem gewissen Grad mit Beobachtungssätzen arbeiten. Im Falle von einzelnen Sprachspielenden ist das aufgrund der Hyperkomplexität der Ethik (die ja auch die Intentionalität einschließt) nicht möglich. Ähnlich wie beim berühmten Gavagai-Beispiel von Quine ist niemals klar, ob der im Beobachtungssatz ausgedrückte Sachverhalt wirklich dem beobachteten entspricht.

    Auch der zweite Weg ist nicht zielführend: Vielleicht ist es möglich, bestimmte Werthaltungen eines konkreten Sprachspielenden mit bestimmten seiner Zustände (beispielsweise neurologisch oder psychologisch) zu identifizieren. Aber selbst wenn es gelänge, dies für alle Beteiligten zu tun, entsteht doch aus den ethischen Werthaltungen aller die supervenierende, von den einzelnen unabhängige Klasse E. Da die ethischen Werthaltungen und die Handlungen eines einzelnen von dieser Klasse interdependent abhängen, ist hier wegen der fehlenden Möglichkeit, eine eineindeutigen Zuordnung vornehmen zu können, keine Reduktion möglich. Man müsste eine vollständige Determination unterstellen, um das zu erreichen. Dagegen greifen die einschlägigen Argumente gegen einen solchen holistischen Standpunkt.

    Literatur

    1. Birnbacher, Dieter 22007 Analytische Einführung in die Ethik, Berlin: de Gruyter.
    2. Wachtendorf, Thomas 2008 Ethik als Mythologie. Sprache und Ethik bei Ludwig Wittgenstein, Berlin: Parerga.
    3. Wittgenstein, Ludwig 22000 Vorlesungen 1930-1935 [V], Frankfurt/M.: Suhrkamp.
    4. Wittgenstein, Ludwig 41999 Vortrag über Ethik und andere kleine Schriften [VüE], Frankfurt/M.: Suhrkamp.
    5. Wittgenstein, Ludwig 121999 Werkausgabe: Tractatus logico-philosophicus [PU, TLP, Tb], Band 1, Frankfurt/M.: Suhrkamp.
    6. Wittgenstein, Ludwig 92002 Werkausgabe: Bemerkungen über die Farben, Über Gewißheit, Zettel Vermischte Bemerkungen [Z], Band 8, Frankfurt/M.: Suhrkamp.
    7. Wittgenstein, Ludwig 62001 Werkausgabe: Wittgenstein und der Wiener Kreis [WWK], Band 3, Frankfurt/M.: Suhrkamp.
    8. Wittgenstein, Ludwig 71999 Werkausgabe: Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie [BPP], Band 7, Frankfurt/M.: Suhrkamp.
    Thomas Wachtendorf. Date: XML TEI markup by WAB (Rune J. Falch, Heinz W. Krüger, Alois Pichler, Deirdre C.P. Smith) 2011-13. Last change 18.12.2013.
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