Wittgensteins Philosophische Untersuchungen: Zur Textgenese von PU §§1-4

Abstract

Pichler's investigation of the textual genesis of the first four sections of the Philosophische Untersuchungen consists of two parts. The first (pp. 9-35) describes the various versions of the work as a whole («early version», «intermediate version» etc.) in the context of the Nachlaß. It presents the accompanying forewords and distinguishes five phases in the genesis of the Untersuchungen (1929-44; revisions in hand up to 1950). The second part (pp. 36-99) discusses the versions of the four sections as they developed in Wittgenstein's manuscripts, typescripts and dictations (1931-50: von Wright's catalogue numbers 111, 114, 115, 140, 141, 142, 152; 211, 212, 213, 220, 239, 226, 227; 310, 311). The development is presented graphically in two appendices; in a further appendix Pichler attempts a critical reading of the four sections. German. 135 pages.

Wittgensteins Philosophische Untersuchungen: Zur Textgenese von PU §§1-4

Table of contents

    Einleitung

    In der Wittgenstein-Literatur wird des öfteren geklagt, daß man keine oder nur unzureichende Informationen über die Textgenese der einzelnen Bemerkungen der Philosophischen Untersuchungen (und hier vor allem: des ersten Teils der Untersuchungen) habe, bzw., es werden das Schließen dieser Lücke und Forschungen zu den Quellen der Untersuchungen als positiv und wünschenswert hingestellt.1 Zwar ist in dieser Richtung schon sehr viel von u.a. Hallett2, Baker und Hacker3 und nicht zuletzt von Wright und seinem Team4 geleistet worden - eine vollständige Darstellung der Entstehung der einzelnen Bemerkungen (und sei es auch nur in der Form von Listen) fehlt bisher. Dies liegt zum einen daran, daß nur sehr wenige Wittgenstein-Forscher direkt mit dem Wittgenstein-Nachlaß arbeiten; zum anderen erfordert das Ausmachen der Quellen eine gute Kenntnis des Nachlasses. Die Arbeit wird zudem von der intertextuellen Struktur des Nachlasses selbst erschwert, wenn es zum Beispiel darum geht, zu entscheiden, ob eine bestimmte Bemerkung denn nun ein Vorläufer zu PU §# ist oder nicht.

    Es gibt aber auch jene, die ein Studium der Textgenese der Untersuchungen als für die Interpretation der Untersuchungen zumindest irrelevant ausweisen wollen5, womit sie in einem Sinne natürlich recht haben: Denn man kann ja jeden Text (co-textuell, rein textimmanent) interpretieren, ohne auch nur ein bißchen über dessen Geschichte (Kontext) zu wissen.6 Nur, was man dann in unserem Falle interpretieren würde, wären weniger Wittgensteins "Philosophische Untersuchungen", als einfach ein Text mit dem Titel Philosophische Untersuchungen. Konsequenterweise müßte man dann auch versuchen, jegliches Wissen um den Tractatus aus der Interpretation herauszuhalten. Was gewinnt man durch eine derartige methodische Einschränkung?

    Die folgende Arbeit antwortet auf das Bedürfnis der ersteren. Ob damit auch tatsächlich nichts für die Interpretation der Untersuchungen im Sinne der zweiteren herausschaut, kann ich nicht entscheiden. Meine Arbeit versucht weder, die Relevanz eines textgenetischen Studiums für die Interpretation der Untersuchungen aufzuzeigen, noch versucht sie, gar eine solche zu beweisen. Es geht lediglich darum, die Textgenese einiger der Paragraphen der Untersuchungen, nämlich PU §§1-4, einigermaßen detailliert darzustellen. Eine inhaltliche Diskussion dieser Geschichte und ihre Auswertung für die Interpretation des Endproduktes sollen, so plant der Verfasser, an anderer Stelle nachgeliefert werden. Der "autarke" Interpret kann sich - wie gesagt, in einem Sinne voll zu Recht - schließlich auch durch die beste kontextorientierte (im Gegensatz zu einer ausschließlich Co-Text-orientierten) Interpretation von seiner Weigerung, den durch das Studium der Textgenese erweiterten Verstehenskontext als für die Interpretation relevant anzusehen, nicht abbringen lassen wollen. Er begeht dabei höchstens den Fehler, sein Forschungsinteresse unnötig einzuengen.

    Im ersten Teil dieser Arbeit skizziere ich die Entstehungsgeschichte der Untersuchungen, ausgehend von von Wrights Aufsatz Die Entstehung und Gestaltung der Philosophischen Untersuchungen7. Das erste Kapitel ist z.T. sehr technisch und informationsbeladen, was den Leser von der weiteren Lektüre nicht abschrecken soll. Im zweiten Teil beschreibe ich die Genese von PU §§1-4; dabei wird sich herausstellen, daß die Geschichte von PU §§1-4 mit der Geschichte der Philosophischen Untersuchungen in einem Sinn nur wenig zu tun hat, nämlich in dem folgenden: Wenn man die letztere (wie im ersten Teil dargestellt) einigermaßen kennt, so kennt man die erstere noch lange nicht.

    An die Beschreibung der Textgenese sind vier Appendizes angehängt. Um die Möglichkeit eines präziseren Textbezuges zu schaffen, unterteilt Appendix A den veröffentlichten Text von PU §§1-4 in Unterabschnitte, z.B. PU §1 für Philosophische Untersuchungen, Nummer 1 - PU §1a für PU §1, erster Absatz - PU §1a.1 für PU §1, erster Absatz, Text, wie im Appendix definiert. Appendix B enthält eine graphische Darstellung der Textgenese von PU §§1-4. Sie zeigt, welche Textpassagen in welchen Manuskripten vorkommen, und eignet sich sehr dafür, einen ersten Überblick über die Genese zu gewinnen. Appendix C enthält eine weitere graphische Darstellung der Textgenese, diesmal unter dem Aspekt der Textabhängigkeit. Appendix D ist ein draft, in dem es mir darum ging, die ersten vier Paragraphen der Untersuchungen möglichst frisch und unvoreingenommen neu zu lesen. Er entstand, bevor ich die textgenetische Untersuchung zu PU §§1-4 (die mich, mit größeren Pausen, seit 1990 beschäftigte) abschloß. Natürlich paßt er nicht in eine textgenetische Arbeit, er trifft aber vielleicht dennoch beim einen oder anderen Leser der Textgenese auf Interesse. Es kann der Eindruck entstehen, mir ginge es darin um eine Kritik Wittgensteins. Ja; aber viel mehr geht es mir um ein unbefangenes und textnahes Verständnis Wittgensteins.

    Ich danke den Nachlaßverwaltern G.E.M. Anscombe, Georg Henrik von Wright und Anthony Kenny für die Erlaubnis, aus dem Nachlaß zu zitieren. Ein großer Dank geht an Dinda L. Gorlée, Claus Huitfeldt, Kjell S. Johannessen, Vladimir Richter und Georg Henrik von Wright, die diese Untersuchungen von Anfang an kommentiert, unterstützt und gefördert haben. Besonders danke ich H. Wilhelm Krüger und Peter K. Westergaard: die Gespräche mit ihnen haben diese Arbeit besser gemacht; zumindest aber haben sie den Boden bereitet für eine bessere Arbeit.

    1 Zur Entstehung der Philosophischen Untersuchungen8

    Die Philosophischen Untersuchungen sind die erste Veröffentlichung aus Wittgensteins Nachlaß, herausgegeben von zweien der Nachlaßverwalter, G.E.M. Anscombe und Rush Rhees.9 Wittgenstein selbst hat die Philosophischen Untersuchungen also nie gesehen; allerdings hat er sich - mit Unterbrechungen - seit 1938 um die Veröffentlichung eines Buches bemüht, das als Vorstufe von Philosophische Untersuchungen, Teil I, angesehen werden kann. Das Typoskript, das die Druckvorlage der Veröffentlichung von Teil I ausmachte, ist wahrscheinlich verlorengegangen.10

    Seit seiner Rückkehr nach Cambridge im Jahre 1929 schrieb Wittgenstein an einem - nach dem Tractatus - zweiten Buch. In Ms109: S.204ff (6.11.1930) findet sich dazu bereits der Entwurf eines Vorworts.11 Wittgenstein machte sich von seinem Buch "zu verschiedenen Zeiten verschiedene Vorstellungen"12. Eine Zeitlang, in den frühen 30er Jahren, arbeitete er hierin mit Friedrich Waismann zusammen, der unter Verwendung von Wittgensteins Manuskripten dessen Bemerkungen in kohärente Buchform bringen sollte. Das gemeinsame Projekt wurde aber (mehr von Wittgensteins als von Waismanns Seite) spätestens 1936 fallengelassen.13 Später arbeitete Wittgenstein allein an dem Buch; lediglich vom Herbst 1938 bis zum Frühjahr 1939, als Rush Rhees eine englische Parallelübersetzung vorbereitete und Wittgenstein diese gemeinsam mit Yorick Smythies durcharbeitete und korrigierte, waren bis zu einem gewissen Grad noch einmal andere involviert.14

    Es ist nicht ganz richtig, die Entstehung (des ersten Teils) der "Philosophischen Untersuchungen" mit dem Jahr 1936 beginnen zu lassen.15 Wittgenstein selbst weist in den verschiedenen Entwürfen zum Vorwort, so auch im Vorwort der veröffentlichten Untersuchungen, darauf hin, daß es sich hier um Ergebnisse der philosophischen Arbeit seit 1929 handelt. Zwar sind Titel und Formgebung der Untersuchungen hauptsächlich auf das Jahr 1936 zurückzuführen; doch das ist nicht genug, um sagen zu können, daß sie 1936 oder ab 1936 geschrieben wurden. Geschrieben wurden sie tatsächlich seit 1929, und viele der vor 1936 entstandenen Bemerkungen sind unverändert (oder nicht mehr verändert als die ab 1936 entstandenen) in die veröffentlichten Untersuchungen eingegangen.16 Im folgenden stelle ich die Entstehung der Philosophischen Untersuchungen kurz unter drei Aspekten dar: erstens unter dem Aspekt der verschiedenen Versionen der "Untersuchungen", wie sie G.H. von Wright herausgearbeitet hat17; zweitens - z.T. weniger detailliert - unter dem Aspekt von Phasen, in die ich die Entstehung der Untersuchungen einteile; drittens unter dem Aspekt der Geschichte der Vorworte, die Wittgenstein zu den "Untersuchungen" geschrieben hat. Zum Teil muß ich mich an einzelnen Stellen wiederholen, was aber nicht weiter stören sollte.

    1.1 Frühversion, Zwischenversion, Endversion und Veröffentlichungspläne

    1.1.1 1938: Frühversion

    1938 dachte Wittgenstein an die Veröffentlichung eines Buches "Philosophische Bemerkungen", das mit englischer Parallelübersetzung bei Cambridge University Press herauskommen sollte. Das geplante Buch existiert im Nachlaß als Tss220-221 (1937-1938)18 und wird von Georg Henrik von Wright als "Frühversion" der Philosophischen Untersuchungen bezeichnet.19

    Das erhaltene Ts220 beginnt mit drei ("i", "ii" und "iii" paginierten) Seiten, darauf folgt eine mit "2." paginierte Seite, die mitten im Einkaufsbeispiel (PU §1e) einsetzt. Die ursprüngliche erste Seite ist im Nachlaß nicht erhalten. Auf den Seiten i-iii stehen der Titel und eine Vorstufe von dem, was in den veröffentlichten Untersuchungen §1 und einen Teil von §2 ausmacht; diese Seiten sind später entstanden als die Seite "2". Der Titel ist allerdings nicht "Philosophische Bemerkungen", sondern "Philosophische Untersuchungen"; es kann sein, daß das ursprüngliche Ts220 mit dem Titel "Philosophische Bemerkungen" versehen war, dieser Titel aber beim Ersatz der Seite verändert wurde. Als "Philosophische Untersuchungen" waren bereits der zweite Teil von Ms115 (1936)20 und Ms142 (1936) bezeichnet worden.21 Ts220 und Ts221 sind einheitlich paginiert (Ts220: S.1-137, Ts221: S.138-271) und enthalten zusammen 271 Seiten. Der Text von Ts220 entspricht ungefähr PU §§1-188. Ts221 wurde von Wittgenstein später aus dem geplanten Buch ausgesondert und zu Ts222 verzettelt; die Zettelsammlung wurde 1956 als Teil I der Bemerkungen zu den Grundlagen der Mathematik veröffentlicht.

    Die für die Veröffentlichung geplante englische Parallelübersetzung (Rush Rhees) blieb ein Fragment; dieses liegt im Nachlaß als Ts226 vor und umfaßt die ersten 75 Seiten von Ts220 (PU §§1-107).22 Am 1. Februar 1939 war - nach einem Brief Wittgensteins an Keynes - "etwa die Hälfte des ersten Bandes"23 übersetzt. Am 2. Februar 1939 begann Wittgenstein, zusammen mit Yorick Smythies, die Übersetzung zu korrigieren24; die handschriftlichen Korrekturen sind in Ts226 erhalten. Rhees' Übersetzungsarbeit wurde also wahrscheinlich spätestens im Februar 1939 abgebrochen; denn das erhaltene Ts226 ist eine Übersetzung von "etwa der Hälfte" von Ts220.25 Wittgenstein war mit der Übersetzung unzufrieden26; dies kann ein Grund gewesen sein, warum er den Plan der Veröffentlichung vorerst beiseite legte. Ein anderer Grund mag darin gelegen haben, daß er mit dem "zweiten Band" (Ts221) noch nicht zufrieden war und an ihm weiter arbeiten wollte.27

    1.1.2 1943-Version

    Spätestens im September 1943 hatte Wittgenstein wieder das Vorhaben, sein Buch bei der Cambridge University Press zu veröffentlichen, diesmal als "Philosophical Investigations", und zusammen mit dem Tractatus. Von Wright vermutet, daß es die Gespräche mit Nicholas Bachtin waren, mit dem er zu jener Zeit den Tractatus las, die ihn dazu veranlaßten.28

    Das dem Verlag angebotene Werk ist nicht erhalten und kann auch nicht eindeutig rekonstruiert werden.29 Wahrscheinlich bestand es aus einer überarbeiteten Fassung von Ts220 und einer überarbeiteten Fassung von Ts221. Von beiden Typoskripten finden sich Überarbeitungen im Nachlaß, Ts239 (1942-1943)30 und Ts222 (ab 1938). Die 134 maschinegeschriebenen Seiten von Ts239 bestehen - abgesehen von den folgenden Ausnahmen - aus Seiten aus Ts220: die ersten 3 Seiten und 11 Seiten zwischen S.77 und S.94 gehen nicht auf Ts220 zurück, sondern wurden neu diktiert.31 Der maschinegeschriebene Text von Ts220 wurde in Ts239 handschriftlich korrigiert, zusätzlich wurden handgeschriebene Zettel eingefügt. Ts222 besteht hauptsächlich aus handschriftlich korrigierten ganzen Seiten aus Ts221; weiters wurde der Text aus Ts221 nach Verzettelung einzelner Seiten teilweise neu geordnet.

    Die erste Seite von Ts222 wurde von Wittgenstein - nachdem sie aus Ts221 entnommen worden war - "138" paginiert, die zweite "139" etc. Dies zeigt, daß Ts239, dessen letzte Seite "137" paginiert ist, und Ts222 (wie Ts220 und Ts221) von Wittgenstein noch 1942/43 als Einheit konzipiert wurden; es liegt daher die Annahme nahe, daß das 1943 geplante Buch den Text von Ts239 und Ts222 enthalten sollte, und daß es sich beim Buch wahrscheinlich direkt um Ts239 und Ts222 gehandelt hat. Der Entschluß, "die Schriften über die Philosophie der Mathematik von den Untersuchungen zu trennen"32, wurde demnach erst nach dem September 1943 gefaßt und mag dafür verantwortlich sein, daß auch dieser Veröffentlichungsplan vorläufig beiseite gelegt wurde.

    1.1.3 1944: Zwischenversion

    Die Seiten 1-236 von Ts227 - dem spätesten erhaltenen Typoskript von Teil I der Philosophischen Untersuchungen - bestehen zu einem Großteil aus Blättern aus einem Typoskript, das als eigenes Typoskript nicht mehr vollständig erhalten ist. Dieses Typoskript, das die sogenannte Zwischenversion ausmachte, lag Anfang 1945 wahrscheinlich bereits vor.33 Die Zwischenversion bestand ursprünglich aus 300 Bemerkungen auf 195 Seiten und enthielt die meisten der Bemerkungen von PU §§1-421. §§1-188 der Zwischenversion wurden hauptsächlich aus Ts239 diktiert, §§189-197 aus Ts221 und §§198-300 aus Ts241. Anfang 1945 hatte Wittgenstein die Philosophie der Mathematik, den geplanten "zweiten Band", also bereits ausgegliedert.34

    Ein authentischer Teil der Zwischenversion sind Ts242 und die Seiten 1-144 von Ts227 (darauf folgen Zwischenversion- und neu diktierte Ts227-Seiten vermischt). Die 23 Blätter von Ts242 (paginiert "150", "153" ...) hatten ursprünglich zur Zwischenversion gehört; in der Endversion wurden sie durch neu diktierte Seiten ersetzt.35 Teile der Zwischenversion sind auch die in Ts227 mit Maschine "145", "146", "147", "148", "149", "193", "194" paginierten und mit Hand zu "147", "148", "149", "150", "151", "235", "236" umpaginierten Blätter (die beiden letzten zwischen den Seiten 234 und 237 von Ts227). Diese Blätter können weder aus Ts220 noch aus Ts239 stammen und wurden auch nicht erst für die Endversion diktiert, sie gehören vielmehr zur Zwischenversion; ihr Text, die Paginierung und die Numerierung wurden erst durch handschriftliche Korrekturen in den übrigen Teil von Ts227 eingegliedert. Wenn also das Typoskript der Zwischenversion auch nicht mehr existiert, so kann es doch aus Ts227, Ts242 und verschiedenen Manuskriptquellen (weitgehend) rekonstruiert werden.36

    1.1.4 1945-1950: Endversion

    Die Endversion von Teil I der Philosophischen Untersuchungen ist in Ts227 (324 Seiten, 693 Nummern) erhalten. Ts227 besteht zu einem Großteil aus Seiten aus der Zwischenversion (vor allem S.1-144), war also - was das Maschinegeschriebene angeht - Anfang 1945 z.T. schon fertig. Zusätzlich zu den Bemerkungen auf diesen Seiten wurden im Zeitraum Herbst 1945 bis Frühjahr 1946 rund 400 Bemerkungen aus Ts228 als Ts227: S.237-324 diktiert bzw. als Zettel oder handschriftliche Verweise in die Zwischenversion eingefügt. Im Nachlaß existiert eine handgeschriebene Liste der Bemerkungen, die aus Ts228 ausgewählt wurden (Ms182). Ts228 war im Sommer 1945 entstanden und enthält 698 Bemerkungen, deren Entstehung bis in die frühen 30er Jahre zurückreicht.37 Wittgenstein revidierte das Typoskript von Teil I der Endversion (Ts227) (handschriftlich) noch bis 1949 oder 1950.38

    Unklar ist, ob die endgültige Druckvorlage der Philosophischen Untersuchungen ein von Ts227 verschiedenes Typoskript war, das verlorenging39, oder ob es ein Exemplar von Ts227 war und daher im maschinegeschriebenen Text mit dem erhaltenen Ts227 übereinstimmt. Von Ts227 existieren im Nachlaß zwei Durchschläge (der zweite wurde erst 1993 entdeckt), die sich lediglich durch handschriftliche Zusätze unterscheiden.40 Keiner dieser Durchschläge kann die Druckvorlage für Teil I der Philosophischen Untersuchungen gewesen sein: weder der maschinegeschriebene Text allein noch der Text, den man erhält, wenn man die handschriftlichen Zusätze mit berücksichtigt, sind mit dem veröffentlichten Text identisch. Das Original von Ts227 ist meines Wissens nicht erhalten; dieses nun kann jene handschriftlichen Korrekturen, Ergänzungen und Anweisungen enthalten haben, die zusammen mit dem maschinegeschriebenen Text zum veröffentlichten Text führten. Die Druckvorlage der Philosophischen Untersuchungen wäre also tatsächlich verloren - textmäßig fehlte sie uns aber auch nur insofern, als diese handschriftlichen Zusätze nicht mehr erhalten sind; im Maschinegeschriebenen war sie mit den erhaltenen Durchschlägen von Ts227 ja identisch.

    Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, scheint aber unwahrscheinlich, daß Wittgenstein das handschriftlich korrigierte Ts227 (zumindest zum Teil) tatsächlich neu diktierte, und daß als Druckvorlage für Teil I der Philosophischen Untersuchungen das aus diesem Diktat resultierende Typoskript (evtl. zusammen mit Ts227) gedient hat. In diesem Fall könnten wir nicht mehr sagen, daß uns zumindest das Maschinegeschriebene der Druckvorlage erhalten ist.

    1.2 Phasen in der Entstehung der Philosophischen Untersuchungen

    Die Entstehung der "Philosophischen Untersuchungen" kann grob in fünf Phasen (1929-1933, 1933-1936, 1936-1938, 1938-1946, 1946-1950) unterteilt werden.

    1929-1933: Die erste Phase reicht von 1929-1933 und gipfelt in der Erstellung des sogenannten Big Typescript, des "Großen Typoskripts"41. Wenn Wittgensteins Arbeitsweise überhaupt als Notizbuch-Band-Typoskript-Folge beschrieben werden kann, dann mit Bezug auf diese Periode. Hier pflegte er, seine Gedanken und Entwürfe zuerst in kleinere Notizbücher einzutragen und diese nachher in festen Bänden reinzuschreiben. Er ging dann die Bemerkungen in den Bänden durch, z.T. korrigierte er sie und bewertete sie mit Arbeitssiglen für die Weiterverarbeitung.42 Ausgewählte Bemerkungen diktierte er einem Maschinenschreiber43; ein Durchschlag des Typoskripts wurde eventuell in Zettel geschnitten, neu zusammengestellt und wieder, z.T. mit anderen Bemerkungen ergänzt, diktiert. Sowohl während des Diktats als auch am entstandenen Typoskript wurde weiter revidiert. Einige der Typoskripte aus dieser Periode überarbeitete Wittgenstein handschriftlich in den Typoskripten selbst, dann auch in den Manuskripten (in Notizbüchern und Bänden) und als Zettel in einem weiteren Typoskript.44 Das Big Typescript ist der Nachlaßtext, in dem Wittgenstein, an der Ordnung in Teile und Kapitel und der bis zu einem gewissen Grad linearen Folge des Textes gemessen, dem traditionellen Buch am nächsten gekommen ist. Doch er war damit keineswegs zufrieden und bearbeitete es nicht nur mit allerlei Korrekturen im Typoskript selbst, sondern begann bald nach dessen "Fertigstellung" damit, es in verschiedenen Manuskripten völlig umzuarbeiten, veränderte dabei Anordnung und Umfang und unterzog auch die einzelnen Bemerkungen einer eingehenden Revision. Damit beginnt die zweite Phase, die bis zum Herbst 1936 reicht.

    1933-1936: Die Umarbeitung des Big Typescript und der damit verbundene Neubeginn geschah zum einen im Typoskript selbst, wo nicht nur der maschinegeschriebene Text stark überarbeitet, sondern auch auf den Rückseiten viele handschriftliche Bemerkungen hinzugefügt wurden; zum anderen passierte sie in Manuskripten45. Zwar lassen sich auch in dieser Phase einzelne Notizbuchtexte Reinschriften in den sogenannten festen Bänden zuordnen, doch spielt eine solche Arbeitsweise hier eine verhältnismäßig geringe Rolle; vielmehr verlaufen hier sowohl die Textentstehung als auch der Text kreuz und quer durch die einzelnen Teile. Es ist im übrigen schwer auszumachen, was in der Überarbeitung vom ursprünglichen Typoskript eigentlich übrigblieb, und welchen Stellenwert Wittgenstein dem Typoskript zu diesem Zeitpunkt noch gab. Als die einzigen relativ umfangreichen und geschlossenen Texte aus dieser Phase sind uns zwei maschinegeschriebene Diktate (zusammen rund 300 Seiten) und ein handgeschriebener Text von rund 180 Seiten erhalten. Die Diktate, das sogenannte Blaue Buch (1933-1934) und das sogenannte Braune Buch (1934-1935)46, wurden im Rahmen von Wittgensteins Vorlesungen in Cambridge Studenten auf Englisch diktiert; bei dem handgeschriebenen Text, den man als Höhepunkt dieser zweiten Phase ansehen kann, handelt es sich um eine - vorzeitig abgebrochene - Übersetzung und Umarbeitung des Braunen Buches, aus der allerdings das Big Typescript, sowohl was dessen inhaltliche Spannbreite als auch dessen Anordnung betrifft, fast völlig verschwunden ist.47

    1936-1938: Nachdem dieser Versuch, das geplante Buch aus dem Braunen Buch her zu entwickeln, gescheitert war, ging Wittgenstein im selben Jahr noch einmal direkt auf das Big Typescript zurück und schrieb ab Spätherbst 1936 den Manuskriptband "Philosophische Untersuchungen".48 Dieser wurde im Sommer 1937 in die Maschine diktiert; das daraus entstandene Typoskript macht, zusammen mit einem weiteren Typoskript, die sogenannte Frühversion der "Philosophischen Untersuchungen", den Höhepunkt der dritten Phase, aus.49

    1938-1946: 1938 dachte Wittgenstein bereits an eine Publikation seines Buches mit englischer Parallelübersetzung, laut Protokoll einer Sitzung in der Cambridge University Press unter dem Titel "Philosophical Remarks - Philosophische Bemerkungen"50. Die geplante Veröffentlichung wurde aber verschoben, wohl hauptsächlich wegen Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeit; ebenso wurde 1943 ein zweites Veröffentlichungsvorhaben ("Philosophical Investigations", zusammen mit dem Tractatus) vorläufig beiseitegelegt.51 Wittgenstein schrieb und arbeitete weiter. Die in dieser vierten Phase entstehenden Manuskripte und Typoskripte können nur zu einem geringeren Teil dem Endergebnis zugeordnet werden; denn sie beschäftigen sich vor allem mit der Philosophie der Mathematik, die schließlich aus den "Untersuchungen" ausgeklammert wurde. Auch der zweite Teil der "Frühversion" fiel dieser Entscheidung, die zwischen 1943 und 1945 gefallen sein muß, zu einem Großteil zum Opfer. Somit verblieben die Bemerkungen aus dem ersten Teil der "Frühversion", die ungefähr §§1-188 der heutigen Untersuchungen entsprechen; diese waren in einem 1942-1943 aus dem Typoskript des ersten Teils kompilierten Typoskript weitertradiert worden.52 An dieses bestehende Korpus hängte Wittgenstein 1945 Bemerkungen aus weiteren Typoskripten an.53 1945-1946 erfolgte dann durch Diktat, Zettel und handschriftliche Einfügungen eine nochmalige Erweiterung um rund 400 Bemerkungen.54 Das nunmehr entstandene Typoskript (inkl. der eingelegten Zettel, schon vorhandenen und neu hinzukommenden handschriftlichen Nachträge und Korrekturen)55 wird als die "Endversion" der "Philosophischen Untersuchungen" bezeichnet. Es ist der Höhepunkt der vierten Phase. 1946-1950: Nach von Wright arbeitete Wittgenstein an den "Philosophischen Untersuchungen" noch bis 1950.56 Sein Hauptaugenmerk lag da aber bereits auf anderen Texten, die heute als Wittgensteins "Philosophie der Psychologie" bekannt sind. Der Höhepunkt dieser fünften Phase liegt, wenn man so sagen darf, bereits außerhalb ihrer: in der postumen Veröffentlichung der "Endversion" im Jahre 1953.

    Bevor ich mich der Genese der Untersuchungen detailliert unter dem Aspekt der Genese einzelner Bemerkungen, der Entwicklung von PU §§1-4, zuwende, soll noch kurz die Geschichte der PU-Vorworte dargestellt werden. Damit wird die Geschichte der Untersuchungen im allgemeinen und jener Paragraphen im besonderen mit Wittgensteins eigenen Worten weiter eingeordnet. Dabei gehe ich auf den Inhalt der Vorworte insofern ein, als er für ihre Datierung relevant ist (eine Diskussion der Entwicklung der Buch/Album-Thematik z.B. ist hier ausgespart) oder in engem Zusammenhang mit dem zweiten Teil dieser Arbeit steht.

    1.3 Vorworte

    Zum Vorwort der Philosophischen Untersuchungen gibt es im Nachlaß eine Reihe von Fassungen und Teilentwürfen; diese lassen sich den verschiedenen Versionen folgendermaßen zuordnen:

    Frühversion:
    Ms152: S.1357Skjolden, 1936 ab Ende August
    Ms118: S.190Skjolden 16.9.1937
    Ms159: S.34rffCambridge, 1938 vor dem 27. Juni
    Ms117: S.110ffCambridge, 27. Juni bis August 1938
    Ts225Cambridge August 1938
    Ms160: S.32vff58Cambridge Herbst 1938
    Zwischenversion:
    Ms128: S.40ffCambridge Jänner 1945
    Ms129: lose BlätterCambridge Jänner 1945
    Ts243Cambridge Jänner 1945
    Ts227: S.1-4Cambridge Jänner 1945
    Endversion:
    Ts227: S.1-459Cambridge Jänner 1945
    Ms130: S.22Cambridge, Jänner 1945 bis 26. Mai 1946

    In den Vorworten finden sich zeitliche Hinweise, die für das Studium der Genese der Untersuchungen wichtig sind. Diese Zeitangaben bedürfen z.T. einer Erklärung und werden im folgenden kommentiert.

    1.3.1 Vorworte zur Frühversion (1936-1938)

    In V152 heißt es:60

    Dieses Buch stellt meine Anschauungen über die Philosophie dar, - wie sie sich in den letzten acht Jahren entwickelt haben.

    Wenn man die acht Jahre ab 1929 - als Wittgenstein nach Cambridge zurückkehrte und die "Bände"61 begann - rechnet, so ergibt sich als Datierung für V152 1937. Dagegen spricht aber, daß Ms152: S.1-38 Vorarbeiten zum zweiten Teil von Ms115 enthält, der Ende August 1936 begonnen und wahrscheinlich spätestens im November desselben Jahres abgeschlossen wurde.62 Man muß also die acht Jahre entweder ab 1928 rechnen oder annehmen, daß S.13 von Ms152 erst 1937 geschrieben wurde. Für das letztere gibt es - abgesehen von der Angabe "in den letzten acht Jahren" - keinerlei Hinweise: V152 steht auf einem Blatt, das in das Manuskriptbuch eingebunden ist, und ist wie der Rest von Ms152 in Bleistift geschrieben. Schrift und Schreibduktus unterscheiden sich nicht signifikant von den nachfolgenden Seiten. Anderseits ist es nicht unplausibel, anzunehmen, daß Wittgenstein die acht Jahre wirklich ab 1928 rechnete. Ms105, das im Februar 1929 begonnen wurde, basiert wahrscheinlich auf Notizbüchern, die in die Zeit vor 1929 zurückreichen und wohl nicht mehr erhalten sind.63 V152 scheint also für den zweiten Teil von Ms115, die "Philosophischen Untersuchungen" (Ms115: S.118)64, geschrieben worden zu sein, die letztendlich als "nichts wert" (Ms115: S.292) verworfen wurden.

    Der nächste Entwurf eines Vorwortes findet sich in Ms118: S.190 (datiert 16. September 1937), wieder in Skjolden entstanden, zu einer Zeit, als Wittgenstein direkt - wenn auch mühsam - an seinem Buch arbeitete.65 V118 enthält die Bemerkung

    Dieses Buch besteht aus Bemerkungen die ich im Lauf von 8 Jahren über den Gegenstand der Philosophie geschrieben niedergeschrieben habe.

    Hier rechnet Wittgenstein ab 1929; der Grund mag in dem "geschrieben" bzw. "niedergeschrieben" liegen - in Abhebung von dem "entwickelt" in V152. Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Vorworts war "das Buch" in Ms142, der Manuskriptfassung des Ts220-Teils der Frühversion, bereits radikal überarbeitet und erweitert worden; zumindest Teile von Ms142 lagen damals schon in maschinegeschriebener Form (Ts220) vor.66 V118 wurde also wahrscheinlich für Ts220 geschrieben.

    1938 dachte Wittgenstein an eine Veröffentlichung seines Buches bei Cambridge University Press unter dem Titel "Philosophische Bemerkungen"; dieses Buch sollte aus Ts220 und Ts221 bestehen. Zum Vorwort dieses Buches finden sich nun ein Entwurf in Ms159, drei Entwürfe in Ms117, die maschinegeschriebene Fassung des letzten Manuskriptentwurfs Ts225 und ein Entwurf zu einem Teil der englischen Übersetzung des Vorwortes in Ms160.

    V159 geht den Vorworten in V117 voraus67, wurde also spätestens am 27. Juni 1938 geschrieben. Dies trifft sich mit der Datierung von Ms159 durch Rush Rhees.68 Auf S.33r finden sich Notizen Wittgensteins, die offenbar mit Wittgensteins Gesprächen mit Sraffa über die politische Situation in Österreich und dem Plan, um die britische Staatsbürgerschaft anzusuchen (März 1938), in Zusammenhang stehen.69 Die Datierung von V159 kann also weiter auf März 1938 bis 27. Juni 1938 eingeengt werden.

    In V159 spricht Wittgenstein von "Gedanken", die

    ich i[n|m] dem Laufe der letzten 9 Jahre niedergeschrieben habe.

    In den Entwürfen V117 (27. Juni bis August 1938) heißt es

    Bemerkungen (...) die ich im Laufe der letzten 10 Jahre niedergeschrieben habe.70

    Bemerkungen (...) die ich im Laufe der letzten vergangenen 10 Jahre niedergeschrieben habe.71

    Bemerkungen (...) die ich im Laufe der letzten 1[0|9] Jahre niedergeschrieben habe.72

    Im letzten Entwurf, der "Cambridge im August 1938" datiert ist, ist die Zeitangabe also wieder von "10 Jahre" auf "9 Jahre" zurückkorrigiert, und damit in Einklang gebracht mit den Zeitangaben in den früheren Entwürfen. In V225, der maschinegeschriebenen Fassung des letzten Entwurfes von V117, heißt es dementsprechend:

    In dem Folgenden will ich eine Auswahl der philosophischen Bemerkungen veröffentlichen, die ich im Laufe der letzten neun Jahre niedergeschrieben habe.

    V159, V117 und V225 bestätigen zudem die bei V152 vorgebrachte Interpretation, daß Wittgenstein bei der Zeitangabe zwischen der neuerlichen Beschäftigung mit Philosophie (seit 1928) und dem Niederschreiben der philosophischen Gedanken (seit dem Beginn der "Bände", 1929) unterscheidet:

    Ich habe seit ich mich vor etwa 10 Jahren wieder mit Philosophie zu beschäftigen anfing schwere Irrtümer in meinen Auffassungen Ansichten wie ich sie in der log. Phil Abh niedergelegt habe einsehen müssen.73

    V159, V117 und V225 sprechen von einem ersten Versuch; es ist unklar, was genau damit gemeint ist: vielleicht Ms141 (1933-1934), Ts309, das "Blaue Buch" (akademisches Jahr 1933/34) oder Ts310, das "Braune Buch" (akademisches Jahr 1934/35).74 In V159 heißt es:

    Vor ca 4 Jahren machte ich den ersten Versuch so einer Zusammenfassung & nachdem ich zwei Jahre lang Versuche in dieser Richtung gemacht hatte gelangte ich zu der Überzeugung daß es vergebens sei & ich sie aufzugeben habe (...) Der letzte Versuch der Zusammenfassg. ist derjenige mit welchem ich diese Veröffentlichung meiner Gedanken hier beginne.

    Beim letzten aufgegebenen Versuch handelt es sich um den zweiten Teil von Ms115 aus dem Jahre 1936, die Umarbeitung von Ts310. Der "letzte Versuch der Zusammenfassung", mit dem die Veröffentlichung beginnen soll, ist Ms142 bzw. dessen Typoskriptfassung Ts220.

    V160 enthält keinerlei Zeitangaben, sondern lediglich folgenden Übersetzungsentwurf:

    My intention was that some day all this should be one book.
    to make a book (out) of this.

    My intention was some day to make a book out of all these thoughts this
    to make a book out of them all
    to make out of all of them a book

    1.3.2 Vorworte zur Zwischenversion (1945)

    Die ersten erhaltenen Vorwort-Entwürfe zur Zwischenversion stehen in V128; sie stellen offenbar eine Überarbeitung von V225 dar. In V128 spricht Wittgenstein vier Mal von 16 Jahren:

    In diesem Buche veröffentliche ich einen Teil der philosophische Bemerkungen, die ich im Laufe der letzten 16 Jahre niedergeschrieben habe.

    (...)

    In dem Folgenden will ich einen Teil der philosophischen Bemerkungen veröffentlichen, die ich im Lauf der letzten 16 Jahre niedergeschrieben habe.

    (...)

    In dem Folgenden will ich Gedanken mitteilen, die welche die Ergebnisse die Früchte meiner Philosophischen Untersuchungen der letzten 16 Jahre darstellen. sind.

    (...)

    In dem Folgenden teile ich Gedanken mit, die die Früchte von philos. Unters. der vergangenen 16 Jahre sind.

    Auf Grund der beiden ersten Formulierungen würde man diese Entwürfe 1945 datieren. Die beiden anderen lassen auch 1944 zu, welches tatsächlich die gängige Datierung von Ms128 zu sein scheint.75 Zwei weitere Zeitangaben in V128 legen aber dennoch nahe, daß die Entwürfe aus dem Jahre 1945 stammen:

    Vor etwa 10 Jahren ....... weitere Versuche Bis ich endlich zur Überzeugung gelangte einsah sah ich ein daß ich ein befriedigendes Ergebnis nicht erwarten durfte.

    (...)

    Vor etwa 2 Jahren aber kam nun hatte ich Veranlassung einen Teil meines ersten Buches, der "L.P.A.", zu lesen. Da

    "Vor etwa 10 Jahren" hatte Wittgenstein den ersten Versuch einer Zusammenfassung gemacht: Wenn wir die zehn Jahre ab Ts310 (akademisches Jahr 1934/35) zählen, so ergibt sich als Datierung für V128 1944-1945. "Vor etwa 2 Jahren (...)" bezieht sich auf das Jahr 1943: Aus von Wright 1986: S.126 wissen wir, daß Wittgenstein und Nicholas Bachtin 1943 zusammen den Tractatus lasen.76 Es ist also wahrscheinlich, daß V128 aus dem Jahre 1945 stammt.

    V129 steht auf losen Blättern, die in den Band eingelegt wurden, und enthält vier Entwürfe zum Vorwort, die ihren Ausgangspunkt von V128 nehmen. Das einzige Datum im Manuskript steht bei der ersten Bemerkung auf S.1, "17.8.44". Nedo 1993: S.43 datiert den Abschluß von Ms129 mit September 1944, Swansea. Auch wenn dies zutrifft, so kann V129 dennoch späteren Datums, also 1945, sein, da die Blätter in das Manuskript ja erst nachträglich eingefügt wurden.

    In V129 spricht Wittgenstein von "philosophischen Untersuchungen der vergangenen 16 Jahre", von Untersuchungen, "die mich in den letzten 16 Jahren beschäftigt haben", von "Untersuchungen der letzten 16 Jahre", daß er "vor zwei Jahren" Veranlassung hatte, Teile des Tractatus wieder zu lesen, und, im anscheinend frühesten Entwurf, davon, daß er "vor etwa 10 Jahren" den ersten Versuch einer Zusammenfassung ("Zusammenschweißung") gemacht habe. Den Neuanfang seines Philosophierens datiert er nunmehr mit 1929; eine Unterscheidung zwischen der Beschäftigung mit der Philosophie und ihrer Niederschrift kommt nicht mehr vor:

    In dem Folgenden teile ich Gedanken mit, die die Früchte von philosophischen Untersuchungen der vergangenen 16 Jahre sind. die Ergebnisse philosophischer Untersuchungen sind, die mich in den letzten 16 Jahren beschäftigt haben.

    (...)

    In dem Folgenden teile ich Gedanken mit, die die Ergebnisse philosophischer Untersuchungen der letzten 16 Jahre sind.

    (...)

    Seit ich nämlich vor 16 Jahren mich wieder mit Philosophie zu beschäftigen anfing

    (...)

    Als Seit ich nämlich, vor 16 Jahren, mich wieder mit Philosophie zu beschäftigen anfing, mußte ich schwere Irrtümer (...)

    Der späteste Entwurf77 bildete zusammen mit den letzten vier Abschnitten des frühesten Entwurfs78 die Grundlage für die maschinegeschriebene Fassung Ts243. V243, wie dann auch V227, behält alle Zeitangaben - außer dem schon im letzten Entwurf von V129 nicht mehr vorhandenen Bezug auf den ersten Versuch vor zehn Jahren - bei.

    Aus einem Vergleich der Vorworte V243 und V227 ergibt sich, daß V243 vor V227 entstanden ist. V243 ist am Ende handschriftlich "Cambridge im Januar 1945" datiert. Die Datierung von Ts243 auf Jänner 1945 ergibt sich aber nicht daraus - denn "Cambridge im Januar 1945" hätte ja auch 1944 geschrieben worden sein können, als Zusatz, der beim nächsten Diktat berücksichtigt werden sollte (ebenso wie die übrigen handschriftlichen Korrekturen und Zusätze in V243, die bei der Verfassung von V227 berücksichtigt wurden) - sondern aus den oben besprochenen Zeitangaben, und gilt mit derselben Wahrscheinlichkeit wie für V128 und V129.

    1.3.3 Vorworte zur Endversion (1945-1950)

    Die Seiten von Ts227, welche das Vorwort enthalten (S.1-4), wurden für die Zwischenversion von 1944 geschrieben, dann aber in die Endversion (deren maschinegeschriebener Text spätestens im Frühjahr 1946 vorlag) eingegliedert. V227 enthält mehrere handschriftliche Korrekturen, die zur Endversion gehören, davon nicht alle in Wittgensteins Hand. Eine davon betrifft den Satz

    Vor zwei Jahren aber hatte ich Veranlassung, mein erstes Buch (die "Logisch-Philosophische Abhandlung") wieder zu lesen und seine Gedanken zu erklären.

    Das maschinegeschriebene "zwei" ist mit fremder Hand zu "vier" korrigiert; erst von Wright hat auf diese fehlerhafte Korrektur aufmerksam gemacht und damit das im veröffentlichten Vorwort gedruckte Datum wieder zurückkorrigiert.79

    Von Ts227 sind zwei Durchschläge erhalten, so auch von V227. Beide enthalten handschriftliche Zusätze und Korrekturen in Wittgensteins und in fremder Hand. Auf dem 1993 entdeckten Durchschlag finden sich handschriftliche Nachträge in der Hand Wittgensteins, die im schon vorher bekannten Durchschlag fehlen. Ein Zusatz, den beide enthalten, ist "So ist also dieses Buch eigentlich nur ein Album.":

    (...) daß sie dem Betrachter ein Bild der Landschaft geben konnten. So ist (also) dieses Buch eigentlich nur ein Album.80

    (...) daß sie dem Betrachter ein Bild der Landschaft geben konnten. So ist also dieses Buch eigentlich nur ein Album.81

    Die handschriftlichen Nachträge im 1993 entdeckten Exemplar scheinen also - aufgrund des Vergleichs dieser beiden und anderer Nachträge - älter zu sein. Der hier zitierte Nachtrag stammt ursprünglich aus Ms130 und steht dort auf S.22 (erstes Datum in Ms130 auf S.147, 26. Mai 1946):

    So ist also dieses Buch eigentlich nur ein Album. [Ins Vorwort]

    Diese Bemerkung aus Ms130 gehört der Arbeit an der Endversion an. V130 entstand, nachdem V227 schon maschinegeschrieben war; es wurde also zwischen dem Jänner 1945 und dem 26. Mai 1946 geschrieben.82

    2 Zur Textgenese von PU §§1-4

    Zur Genese von PU §§1-4 gehören die folgenden Texte, die man in drei Gruppen ordnen kann:

    Ms111: S.15-1983Skjolden 15.7.1931
    Ts211: S.10-1284Österreich spätestens September 1931
    Ts212: Zettel85Österreich spätestens Sommer 1932
    Ts213: S.25-2786Hochreith Sommer 1932, erste handschriftliche Revision bis Herbst 1933
    Ms114: S.35-37, 179Cambridge Herbst 1933
    YB 1982: §3 (Ts311)Cambridge Oktober 1933
    Ms115: S.79-80Cambridge Dezember 1933
    Ms141: S.1Spätherbst 1933-Oktober 1934
    Ts310: S.1Cambridge Mitte Oktober 1934
    [Ts310: S.146][Cambridge Mitte Oktober 1934]
    Ms115: S.118Skjolden Ende August 1936
    Ms152: S.38-40Skjolden Anfang November 1936
    Ms140: loses, nicht paginiertes BlattSkjolden Anfang November 1936
    Ms142: S.1-487Skjolden Anfang November 1936
    Ms152: S.87-88Skjolden Spätherbst 1936
    Ms142: Titelblatt RückseiteSkjolden Spätherbst 1936
    Ts220: S.1-388Cambridge Sommer 1937
    Ms142: S.77-78Cambridge Sommer 1937
    Ts239: §§1-5Cambridge spätestens Herbst 1938
    Ts220: erste drei Blätter i-iiiCambridge Sommer 1937
    Ts226: §§1-7Cambridge Herbst 1938
    Ts227-α: §§1-4Cambridge 1944, handschr. Rev. bis 1950
    Ts227-β: §§1-4Cambridge 1944, handschr. Rev. bis 1950

    Das Hauptaugenmerk der folgenden Darstellung liegt nicht auf der inhaltlichen Entwicklung der Texte, sondern auf der Textgenese in einem engen, äußeren Sinn: Es interessieren in erster Linie Datierungsfragen und Fragen zu den Beziehungen zwischen den einzelnen Textträgern. Dennoch sollen die Inhalte nicht gänzlich ausgeklammert werden; von Zeit zu Zeit diskutiere ich für einzelne Texte oder Textgruppen charakteristische Gedanken.

    2.1 Von den Anfängen bis zum Big Typescript

    2.1.1 Die erste Manuskriptversion: ¤111 (1931)89

    Die früheste erhaltene Diskussion von Augustinus' Beschreibung des Lernens der Sprache findet sich in Ms111 aus dem Jahre 1931. Sie steht zwischen eher fragmentarischen Bemerkungen, u.a. dazu, worin die Beziehung des Darstellens bestehe - die Verbindung zwischen Wort und Sache, zwischen Vorstellung und Vorgestelltem, zwischen Bild und Abgebildetem. Die Diskussion geht aus von Platons Kratylos und Theaitetos.90 Am 14. Juli 1931 beendet Wittgenstein den ersten Teil dieser Bemerkungen mit den Worten

    Augustinus über das Lernen der Sprache.91

    Dieser Satz sieht wie eine Überschrift aus, die ein neues Thema einleitet, oder wie eine Erinnerungsmarke; die darauf folgende Diskussion von Augustinus' Beschreibung wirkt innerhalb der sie umgebenden Bemerkungen ja auch tatsächlich ein wenig wie ein Fremdkörper. Auf der anderen Seite fällt es nicht allzu schwer, zwischen dieser Diskussion und den sie umgebenden Bemerkungen inhaltliche Beziehungen herzustellen und ¤111 damit auch thematisch in den Co-Text einzubetten. Bevor Wittgenstein am 15. Juli dann aber tatsächlich mit dem Thema "Augustinus über das Lernen der Sprache" beginnt, schiebt er noch eine Bemerkung über Platon nach, bei der ebenfalls gefragt werden kann, wie eng sie mit dem Thema verknüpft ist:

    Plato nennt die Hoffnung eine Rede. (Philebos)92

    Unmittelbar darauf startet die Auseinandersetzung mit Augustinus:

    Augustinus, wenn er vom Lernen der Sprache redet, redet ausschließlich davon wie wir den Dingen Namen beilegen, oder die Namen der Dinge verstehen. Hier scheint also das Benennen Fundament & Um-und-Auf der Sprache zu sein.93

    Wittgenstein schwankt zwischen zwei Interpretationen von Augustinus' Beschreibung, einer stärkeren und einer schwächeren:

    Von einem Unterschied der Wörter redet Augustinus nicht, meint also mit ’Namen’ offenbar Wörter wie "Baum", "Tisch", "Brot" & gewiß die Eigennamen der Personen, dann aber wohl auch "essen", "gehen", "hier", "dort"; kurz, alle Wörter. Gewiß aber denkt er zunächst an Hauptwörter & an die übrigen als etwas, was sich finden wird.94

    Die erste Interpretation schreibt Augustinus die Auffassung zu, daß alle Wörter Namen seien, da er unter dem Anspruch des Lernens der Sprache das Lernen von Namen beschreibt, und nichts darauf deutet, daß er nur das Erlernen einer bestimmten Wortart, der Namen, beschreiben will. Zwar redet Augustinus an keiner Stelle der später von Wittgenstein zitierten Passage von "Namen"; diese Interpretation wird aber in Wittgensteins Augen von der Art der Beschreibung suggeriert. Die zweite Interpretation ist vorsichtiger und versteht die Beschreibung als eine Beschreibung des Erlernens von Substantiven: Augustinus beschreibt vorerst einmal das Erlernen der Substantive, im guten Glauben, für die anderen (weniger wichtigen) Wortarten werde sich schon noch später eine angemessene Beschreibung finden lassen.

    Auf Augustinus' Beschreibung des Lernens der Sprache wird in ¤111 nur Bezug genommen, sie wird nicht zitiert. Augustinus, so Wittgenstein, redet in seiner Beschreibung des Lernens der Sprache nur vom Lernen von Namen; es scheint, daß er das Lernen der Sprache tatsächlich als ein Lernen von Namen verstand und das Fundament und Wesen der Sprache im Benennen sah. Diese Sicht der Sprache entspricht einer (vor allem in der modernen Philosophie) hoffähigen Auffassung, nämlich der, daß die hinweisende Erklärung "Das ist ..." für das Lernen der Sprache und für die Sprache überhaupt grundlegend ist.95

    (Und was Augustinus sagt ist für uns wichtig weil es die Auffassung eines natürlich-klar denkenden Mannes ist, der von uns zeitlich weit entfernt gewiß nicht zu unserem besonderen Gedankenkreis gehört.)96

    Augustinus' Beschreibung muß ernst genommen werden; er hat den Status einer Autorität, eines Garanten.97 Nicht nur war Augustinus ein Mensch mit hoher Verstandeskraft, der sich schon zu seiner Zeit hervortat; er dachte auch "natürlich-klar" und war noch nicht von der Zivilisation und akademischen Tradition dermaßen geprägt, wie wir es sind. Zudem gehört Augustinus einem fremden Kulturkreis an. Wenn daher eine Auffassung, die aus einer anderen Zeit und Kultur stammt als Augustinus, auch von Augustinus vertreten wurde - dann ist diese Auffassung ernst zu nehmen. Augustinus erfüllt hier die Aufgabe, als unabhängige Autorität einer durchaus modernen Auffassung an Stärke zu verleihen. Zudem ist Augustinus dabei behilflich, den Herkunftsort der betreffenden Auffassung auszumachen:

    Ich wollte eigentlich ursprünglich sagen: Wie Augustinus das Lernen der Sprache beschreibt, kann uns zeigen, woher sich diese Auffassung überhaupt schreibt. (Von welcherm primitiven Anschauung Bild, Weltbild.)98

    Die Auffassung, daß am Anfang des Sprachelernens die hinweisende Erklärung steht, und daß diese "das Fundament" der Sprache ausmache (so wollen wir "diese Auffassung" interpretieren), geht auf die Anschauung zurück, daß das Lernen der Sprache ein Lernen von Namen ist, und daß das Wesen der Sprache im Benennen, im Namenvergeben, liegt. Augustinus' Beschreibung des Lernens der Sprache als eines Lernens von Namen gibt also eine gute Beschreibung von dem Nährboden, auf dem die Auffassung von der Fundamentalität der hinweisenden Erklärung gedeiht. Es handelt sich um eine primitive Beschreibung, da sie das Lernen der Sprache, und die Sprache überhaupt, nur verkürzt darstellt. Man kann aber auch sagen, daß sie eine primitivere Sprache beschreibt99, und daß sie als solche völlig in Ordnung ist.

    Eine derartige primitivere Sprache - eine Sprache, die nur aus Namen besteht, und in der das Benennen das Um-und-Auf ist - ist die von Wittgenstein vorgeführte Bauarbeitersprache. Die Bauarbeitersprache ist in ¤111 noch nicht vollständig definiert; sie enthält die Wörter "Säule", "Platte", "Würfel" usw.100. Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß von demjenigen, der (später) auf die Rufe hin die entsprechenden Bausteine bringen soll, gar nicht direkt die Rede ist. Zur Anwendung der Sprache gehört lediglich das Ausrufen der Wörter; der Baugehilfe, der die verlangten Steine bringen soll, ist ausgespart.

    2.1.2 Fair copy: ¤211 (1931)

    Ms111 wurde spätestens im September 1931 von einem Maschinenschreiber (in Auszügen) abgeschrieben oder von Wittgenstein selbst direkt in die Maschine diktiert. Denn am 21. September 1931 zeigte Wittgenstein Waismann die ersten 90 Blätter eines Typoskripts, Ts211101; dieses Typoskript enthält auf den Seiten 10-13 eine Reinschrift von ¤111. ¤211 ist also nur um ein geringeres später als das ihm zugrundeliegende ¤111 (15. Juli 1931), spätestens aber vom September 1931.102 Da ¤211 lediglich eine Reinschrift von ¤111 ist, sind die Unterschiede zwischen den beiden äußerst gering; sie stimmen auch in der Reihenfolge der Bemerkungen und im Co-Text überein.

    ¤111 und ¤211 enthalten das Meiste von PU §§1-4, zum Teil sind die sprachlichen Unterschiede zu ¤PU geradezu minimal. Auch die beiden Vergleiche, welche die Unzulänglichkeit der Augustinschen Beschreibung veranschaulichen sollen (PU §§3-4), finden sich bereits hier: der Vergleich mit einer Definition von "Spiel", die nur auf die Brettspiele zutrifft, und der Vergleich mit dem unzulänglichen Verständnis einer Schrift, wenn diese Schrift - die sowohl Laute als auch Interpunktion und Betonung bezeichnet - nur als Bezeichnung von Lauten verstanden wird. Die Texte in ¤111 und ¤211 enthalten keine andere Gliederung, als die für die Manuskripte Wittgensteins im allgemeinen typische: kurze, voneinander durch eine oder mehrere Leerzeilen getrennte, Bemerkungen. Es findet sich hier auch keine Numerierung. Zudem sind sie auf keinerlei Weise durch ihre Position im Co-Text - wie PU §§1-4 als Anfang der Philosophischen Untersuchungen - irgendwie hervorgehoben; sie stehen unmarkiert zwischen anderen Bemerkungen, deren Abfolge (in ¤111) einzig durch Datierungen unterbrochen ist.

    Die markantesten Unterschiede zwischen ¤111/¤211 und ¤PU sind die folgenden: In den ersteren fehlen das Zitat aus den Confessiones und dessen Übersetzung (PU §1a.2, 1b), die ausdrückliche Interpretation der Augustinschen Beschreibung in einem bedeutungstheoretischen Sinn (PU §1c.2) und das Einkaufsbeispiel (PU §1e). Die Unterschiede beschränken sich also vor allem auf das, was heute in PU §1 steht; PU §§2-4 sind - so kann man sagen, ohne den Texten gegenüber allzu ungerecht zu werden - in ¤111 und ¤211 schon da.103

    Während in ¤PU der Ausdruck "Spiel" im Sinne von "Sprachspiel" erst in §7 auftritt, steht er hier schon an früherer, in den Untersuchungen §2 entsprechender, Stelle. In einer Replik auf Platon und Augustinus werden sowohl die Sprache als ganze als auch eine primitivere Form oder nur ein Teil derselben als "Spiel" bezeichnet:

    Sie beschreiben eben das Spiel einfacher, als es ist.

    Dieses Spiel kommt aber wohl in der Wirklichkeit vor.104

    In PU §7 werden folgende Verwendungen von "Sprachspiel" eingeführt:

    Wir können uns auch denken, daß der ganze Vorgang des Gebrauchs der Worte in (2) eines jener Spiele ist, mittels welcher Kinder ihre Muttersprache erlernen. Ich will diese Spiele "Sprachspiele" nennen, und von einer primitiven Sprache manchmal als einem Sprachspiel reden. <Sprachspiel im Sinne (a)>
        Und man könnte die Vorgänge des Benennens der Steine und des Nachsprechens des vorgesagten Wortes auch Sprachspiele nennen. <Sprachspiel im Sinne (b)> (...) Ich werde auch das Ganze: der Sprache und der Tätigkeiten, mit denen sie verwoben ist, das "Sprachspiel" nennen. <Sprachspiel im Sinne (c)>

    Die Bedeutung des in ¤111 und ¤211 an zweiter Stelle vorkommenden "Spiels" ("Dieses Spiel (...)") entspricht in PU §7 den beiden ersten (nicht leicht voneinander zu trennenden) Bedeutungen: erstens das Bauarbeiterspiel als ein Spiel unter anderen Spielen, mit dem man die Muttersprache (hier Wörter wie "Platte", "Würfel", "Säule") lernen kann105; zweitens das Benennen als tatsächlich vorkommende Form des Sprachgebrauchs, als ein Teil unter den vielen Teilen, aus denen sich die Sprache zusammensetzt106. Das erste "Spiel" ("Sie beschreiben eben das Spiel (...)") bezeichnet die Sprache als ganze als ein Spiel; mit diesem "Spiel" ist aber noch nicht "das Ganze: der Sprache und der Tätigkeiten, mit denen sie verwoben ist" (meine Hervorhebung, A.P.) gemeint, sondern die Sprache als ein System von sprachlichen Regeln, als ein Kalkül, bei dem dessen Praxisbezogenheit nicht mitgedacht ist: die Sprache als ein "festgesetztes System von Wörtern und grammatischen Regeln"107. Dieses hätten Platon und Augustinus zu einfach wiedergegeben.

    2.1.3 Zettel: ¤212 (1932)

    Wittgenstein schnitt, wahrscheinlich im Sommer 1932, einen Durchschlag von Ts211 in Zettel und stellte diese, vermischt mit Zetteln aus Ts208 und Ts210, neu zusammen, sodaß sich nun die Bemerkungen aus den ursprünglichen Typoskripten z.T. in anderer Reihenfolge und in neuen Zusammenhängen präsentierten. Blätter und Zettel mit handgeschriebenen Überschriften ordneten die Zettelsammlung weiter in Teile und Kapitel; diese Einteilung und die Überschriften selbst wurden dann als Anordnung für das Big Typescript (Ts213) übernommen.108 In dem uns betreffenden ersten Drittel von Ts211 finden sich keine Spuren einer weiteren Bearbeitung; es scheint also, daß das Typoskript (zumindest in seinem ersten Teil) lediglich die Funktion einer konservierenden Reinschrift oder teilweisen Publikmachung der Manuskriptbemerkungen hatte, vielleicht auch damit einhergehend eine gewisse Ordnung der Bemerkungen anzielte, letztlich aber nichts anderes als eine selbst wenig wichtige Zwischenstation war.

    In einem der Teile von Ts212, der mit Hand "Bedeutung" betitelt ist, findet sich eine Folge von Zetteln, die auf einem separaten Blatt mit Hand folgendermaßen überschrieben ist:

    Der Begriff der Bedeutung stammt aus einer primitiven Auffassung der Sprache her.

    Das Kapitel "Der Begriff der Bedeutung stammt aus einer primitiven Auffassung der Sprache her" besteht zu einem Drittel aus Zetteln aus Ts211: S.10-13 und enthält jene Bemerkungen, die Augustinus' Beschreibung des Lernens der Sprache diskutieren. Der Text der Zettel ist, was das Maschinegeschriebene angeht, mit dem Text in Ts211 natürlich identisch; das Maschinegeschriebene wurde aber - irgendwann zwischen der Verzettelung und dem Neudiktat in Ts213 - handschriftlich überarbeitet, sodaß der Text, der sich aus Maschinschrift plus Handschrift ergibt, vom Text des Quellentyposkripts abweicht. Eine Änderung nahm Wittgenstein bereits beim Prozeß der Verzettelung vor: beim Seitenumbruch Ts211: S.10 zu S.11 wurde der Großteil von

    (Und was Augustinus sagt (...) gewiss nicht zu unserem besonderen Gedankenkreis gehört.)

    weggeschnitten; der verbleibende Rest auf S.10, "(Und was Augustinus sagt, ist für uns", wurde dann in Ts212 mit Hand gestrichen. Vielleicht schien ihm diese Bemerkung, mit Blick auf das Endprodukt Buch, zu sehr der Versuch einer Rechtfertigung vor sich selbst, oder einer Begründung, die leicht angreifbar ist und überdies inhaltlich zur Diskussion nichts beitrage.

    In ¤211 hat es geheißen:

    Ich wollte eigentlich ursprünglich sagen: Wie Augustinus das Lernen der Sprache beschreibt, kann uns zeigen, woher sich diese Auffassung überhaupt schreibt. (Von welcher primitiven Anschauung . //Von welchem primitiven Bild Weltbild //)109

    ¤111 und ¤211 machten nicht ganz klar, was unter "diese Auffassung" zu verstehen ist. Hier in ¤212 ist es der Begriff der Bedeutung, von dem gesagt wird, daß er von einer primitiven Auffassung der Sprache herstammt. Die primitive Auffassung der Sprache wird an Augustinus exemplifiziert; was Wittgenstein also durch den handschriftlichen Zusatz zu verstehen gibt, ist, daß der Begriff der Bedeutung von einer zu einfachen Auffassung der Sprache herkommt, nämlich von der Auffassung, daß "das Benennen Fundament und Um- und Auf der Sprache" sei, und daß die Erklärungsform "das ist ..." für die Sprache fundamental sei.110

    Stellen wir die drei folgenden, nacheinander entstandenen, Varianten dieser Bemerkung in eine Reihe:

    Der Begriff der Bedeutung stammt aus einer primitiven Auffassung der Sprache her111

    Der Begriff der Bedeutung stammt aus einer primitiven philosophischen Auffassung der Sprache her.112

    Der Begriff d. Bedeutung stammt aus einer primitiven Philosophie der Sprache her.113

    Der Begriff der Bedeutung, wie ich ihn in meine philosophischen Erörterungen übernommen habe, stammt aus einer primitiven Philosophie der Sprache her.114

    Diese Sätze, klare Vorfahren von PU §2a, verbinden den Begriff der Bedeutung mit einer bestimmten Auffassung der Sprache; in den späteren Fassungen ist nicht mehr nur von einer Auffassung, sondern von einer Philosophie der Sprache die Rede. Die Variante in Ms114 ist derart formuliert, daß klar wird: Es handelt sich bei dem aus einer primitiven Philosophie stammenden Begriff der Bedeutung nicht um irgendeinen Begriff der Bedeutung, dem gegenüber Wittgenstein gleichgültig wäre, sondern um einen Begriff, dem er selbst erlegen ist.

    In ¤111 und ¤211 war Augustinus' Beschreibung an keiner Stelle mit einer kritikwürdigen Auffassung von Bedeutung in Verbindung gebracht worden; die Frage der Bedeutung der Wörter wurde dort gar nicht behandelt. Der Text beschränkte sich vielmehr auf den Hinweis, daß die Namen und die hinweisende Erklärung eine viel geringere Rolle spielen und das Lernen und Funktionieren der Sprache komplizierter sind, als man aufgrund von Augustinus' Beschreibung meinen möchte. Das Fehlen der Verbindung zwischen der gegenstandstheoretischen Auffassung der Bedeutung (PU §1c.2) und Augustinus stellte Augustinus in ein weit besseres Licht, als es in ¤PU der Fall ist.

    Der bedeutendste Schritt in der Entwicklung von ¤211 zu ¤212 ist daher die ausdrückliche Einordnung des Textes in das Thema "Bedeutung", und damit der Brückenschlag zwischen den Punkten Bedeutung, hinweisende Erklärung und Augustinus. Augustinus' Erzählung vermittelt, so die Interpretation, ein primitives Bild von dem Funktionieren der Sprache; wer an die Frage der Bedeutung eines Wortes mit diesem Bild herangeht, läuft Gefahr, die Bedeutung in festen Gegenständen suchen zu wollen.

    Das primitive Bild verträgt sich (zumindest im Deutschen) gut mit etymologischen Assoziationen:

    "Bedeutung" kommt von "deuten". [gemeint ist "hindeuten"]115

    Das Wort "Bedeutung" kommt nach diesem Gedankengang von "deuten", und "deuten" heißt hier soviel wie "hinzeigen". Diese volksetymologische Erklärung, gepaart mit der Auffassung, daß die Etymologie eines Wortes für dessen Bedeutung etwas Wesentliches beitrage, verführt schnell dazu, unter der Bedeutung einen Gegenstand, oder das, worauf man hinzeigen kann, zu verstehen (bzw. sie dient der gegenstandstheoretischen Auffassung als nachträgliche Stütze). Sie verführt auch umgekehrt dazu, das, worauf man in der hinweisenden Erklärung zeigt, gleich als die Bedeutung anzusehen. Im Glauben, die Bedeutung müsse wesentlich mit dem Hindeuten zu tun haben, will man jedes Wort, das eine Bedeutung hat, mit etwas in der Welt, auf das man zeigen könnte, "kollationieren". Die Sprachen, in welcher der so gefaßte Begriff funktioniert, sind im Vergleich mit unserer tatsächlichen Sprache primitiv; dieser Begriff der Bedeutung paßt nicht mehr, wenn es um kompliziertere Fälle geht:

    Nun ist aber dieses Kollationieren, wie auch der Begriff der Bedeutung ein Ueberbleibsel einer primitiven Anschauung.

    Wenn ich etwa die wirkliche Sitzordnung an einer Tafel nach einer Aufschreibung kollationiere, so hat es einen guten Sinn beim Lesen jedes Namens auf einen bestimmten Menschen zu zeigen. Sollte ich aber etwa die Beschreibung eines Bildes mit dem Bild vergleichen und ausser dem Personenverzeichnis sagte die Beschreibung auch dass N den M küsst, so wüsste ich nicht, worauf ich als Korrelat des Wortes ’küssen’ zeigen sollte.116

    2.1.4 Das Big Typescript: ¤213 (1932-1933)

    Nur kurze Zeit, nachdem die Zettelsammlung Ts212 entstanden und handschriftlich überarbeitet worden war, machte sich Wittgenstein - wahrscheinlich im Sommer 1932 - daran, sie in die Maschine zu diktieren. Dieses Diktat, zusammen mit Blättern, die direkt aus Ts211 übernommen wurden, macht das sogenannte Big Typescript, Ts213, aus.117 Mit Ts213 wollte Wittgenstein ein Buch herstellen, das veröffentlicht werden sollte; dennoch bleibt der dem Typoskript gegebene Buchrahmen eher äußerlich. Er besteht darin, daß die Bemerkungen in mit Überschriften bezeichneten Kapiteln gruppiert, und diese wieder in Teile gefaßt sind. Die Kapitel sind von 1 bis 140 durchnumeriert, sodaß sich eine doppelte Ordnung ergibt: Die stetige Abfolge der Kapitel einerseits und die darin eingreifende Zusammenfassung der Kapitel in Teile anderseits; die letztere Ordnung ist nicht immer einsichtig und scheint an manchen Stellen willkürlich. Auch könnte man die eine oder andere Bemerkung ohne weiteres in ein anderes Kapitel einordnen.118 An der inneren Struktur des Textes hat sich wenig verändert; er besteht z.T. weiterhin aus sprachlich "lediglich" nur lose miteinander zusammenhängenden und voneinander durch Leerzeilen getrennten Bemerkungen. Dem Ganzen ist ein Inhaltsverzeichnis beigegeben, das die Teile und einzelnen Kapitel angibt.119 Zu den ersten zwei Teilen, "VERSTEHEN." und "BEDEUTUNG." (auf die der Teil "SATZ. SINN DES SATZES." folgt), heißt es im Inhaltsverzeichnis:

    VERSTEHEN.
    1) Das Verstehen, die Meinung, fällt aus unserer Betrachtung heraus. (S.1)

    2) "Verstehen<"> amorph gebraucht. "Verstehen" mehrdeutig. (S.5)

    3) Das Verstehen als Korrelat einer E r k l ä r u n g . (S.11)

    4) Das Verstehen des Befehls, die Bedingung dafür, dass wir ihn befolgen. Das Verstehen des Satzes, die Bedingung dafür, dass wir uns nach ihm richten. (S.15)

    5) D e u t e n . Deuten wir jedes Zeichen? (S.20)

    6) Man sagt: ein Wort verstehen heisst, wissen, wie es gebraucht wird. Was heisst es, das zu wissen? Dieses Wissen haben wir sozusagen im Vorrat. (S.22)
    BEDEUTUNG.
    7) Der Begriff der Bedeutung stammt aus einer primitiven Auffassung der Sprache her. (S.25)

    8) Bedeutung, der Ort des Wortes im grammatischen Raum. (S.30)

    9) Die Bedeutung eines Wortes ist das, was die (grammatische) Erklärung der Bedeutung erklärt. (S.34)

    10) "Die Bedeutung eines Zeichens ist durch seine Wirkung (die Assoziationen, die es auslöst, etc.) gegeben." (S.38)

    11) Bedeutung als Gefühl, hinter dem Wort stehend; durch eine Geste ausgedrückt. (S.42)

    12) Man tritt mit der hinweisenden Erklärung der Zeichen nicht aus der Sprachlehre heraus. (S.43)

    13) "Primäre und sekundäre Zeichen". Wort und Muster. Hinweisende Definition. (S.46)

    14) Das, was u n s am Zeichen interessiert: die Bedeutung, die für u n s massgebend ist, ist das, was in der Grammatik des Zeichens niedergelegt ist. (S.30)120

    Unabhängig davon, wie sehr nun die Gliederung von Ts213 dessen inhaltlicher Struktur gerecht wird: Es ist wichtig, festzuhalten, daß die Überlegungen zu Augustinus' Erzählung vom Lernen der Sprache und die damit verbundene Kritik an einer bestimmten Auffassung von der Sprache, wie schon durch die handschriftlichen Überarbeitungen in ¤212, ausdrücklich mit dem Thema der Bedeutung eines Wortes in Zusammenhang gebracht, und zudem in einen umfangreichen Teil, der den Titel "BEDEUTUNG" trägt, eingeordnet sind.121 In diesem Teil stehen sie an allererster Stelle, am Anfang des Kapitels

    Der Begriff der Bedeutung stammt aus einer primitiven philosophischen Auffassung der Sprache her.122

    Spätestens im Herbst 1933123 begann Wittgenstein damit, ¤213 handschriftlich im Typoskript zu überarbeiten; einige der handschriftlichen Änderungen können aber auch erst nach dem Beginn der Überarbeitung von Ts213 in Ms114 (Oktober bis Dezember 1933), oder noch viel später, entstanden sein. Es sind in erster Linie die in ¤213 handschriftlich vorgenommenen Änderungen, durch die sich ¤213 von seinem Vorgänger ¤212 unterscheidet. Wittgenstein zeigt in ¤213 zum einen eine größere Vorsicht im Umgang mit Augustinus: so wurde das bisherige "offenbar" in "Diese Auffassung des Fundaments der Sprache ist offenbar aequivalent mit der (...)" zu "wohl" modifiziert:

    Diese Auffassung des Fundaments der Sprache Diese Betrachtungsweise der Sprache ist offenbar aequivalent mit der, die ist wohl die, welche die Erklärungsform "das ist ..." als fundamental auffasst. - Von einem Unterschied der Worte redet Augustinus nicht, meint also mit "Namen ?" offenbar (...)124

    Da bei Augustinus der Ausdruck "Name" gar nicht vorkommt, dieser vielmehr bereits der Interpretation Wittgensteins angehört, wird - so könnte man Wittgensteins Revision deuten - das "Namen" mit einer Wellenlinie und einem darüber eingefügten Fragezeichen angezweifelt. Die ausdrückliche Identifizierung der Augustinschen Auffassung mit der Auffassung von der Fundamentalität der hinweisenden Erklärung fehlt dann ab der nächsten Überarbeitung, ¤114; das "Namen" bleibt aber stehen. Der Begriff der Bedeutung rückt in ¤213 weiter in den Mittelpunkt:

    Wie Augustinus das Lernen der Sprache beschreibt, das kann uns zeigen, woher sich diese Auffassung der Bedeutung überhaupt eigentlich schreibt (...)125

    Die "Auffassung" wird ausdrücklich mit einer Auffassung von der Bedeutung identifiziert; es ist aber nicht klar, welche Rolle in diesem Zusammenhang gerade Augustinus zukommt, zumal vom Begriff der Bedeutung gesagt wird, daß er aus einer philosophischen Auffassung oder sogar Philosophie der Sprache126 herkommt. Man kann Augustinus, wie er in ¤PU zitiert ist, eine solche schwerlich unterstellen. Wir müssen also entweder annehmen, daß Augustinus nur eine natürliche Anschauung repräsentiert, die sich dafür anbietet, philosophisch einseitig verwertet zu werden; oder aber Wittgenstein hat hier (wie wohl auch in den Untersuchungen) tatsächlich den allzu schnellen Schluß von Augustinus' Erzählung auf eine Auffassung der Bedeutung gezogen.127 Auf jeden Fall soll deutlich werden, daß der Begriff der Bedeutung einer Philosophie angehört, und damit die Philosophie der Urheberschaft von damit verbundenen irrigen Vorstellungen bezichtigt wird. Um welchen Begriff der Bedeutung es sich genau handelt, ist aber auch in dieser Passage nicht klar gesagt.

    2.1.5 Umarbeitung: ¤114 (1933)

    Ts213 wurde schließlich doch nicht als Buch veröffentlicht. Wittgenstein begnügte sich nicht damit, es handschriftlich zu korrigieren, sondern unterzog es einer großen und eingreifenden Umarbeitung, die in verschiedenen Manuskripten und im Typoskript selbst vor sich ging und nicht nur einzelne Bemerkungen veränderte, sondern auch die Struktur des ursprünglichen Typoskripts wieder auflöste. Ein Teil dieser Umarbeitung findet sich in Ms114, darunter auch eine weitere Revision der Bemerkungen zu Augustinus' Beschreibung des Lernens der Sprache.

    Zwischen ¤114 (Herbst 1933) und der Variante aus dem Manuskript des ersten Teils der sogenannten Frühversion der Untersuchungen (Ms142, angefangen November 1936) liegt eine Reihe weiterer Vorläufer. Aber keiner dieser Texte ist, gemessen an den Varianten ab Ms142, derart umfassend und vollständig wie ¤114. ¤114 ist als Teil der Umarbeitung von Ts213 ein komplizierter Text mit zahlreichen Korrekturen und Querverweisen; er steht im Manuskript auf den Seiten 35-39, mit zwei Nachträgen auf Seite 179. Im einzelnen fällt es schwer, die genaue Folge und das Datum der Korrekturen und Revisionen festzustellen; an manchen Stellen läßt sich sogar berechtigt fragen, ob die Revisionen in ¤114 bestimmten handschriftlichen Revisionen in ¤213 nicht etwa vorausgehen. Die Beantwortung dieser Fragen kann sehr wichtig sein. Hier soll aber versucht werden, das Problem der zeitlichen Abfolge möglichst zu umgehen, um jene Unterschiede, durch die sich ¤114 (so wie es sich heute im Manuskript präsentiert) von ¤213 abhebt, ins Auge zu fassen.

    Daß mit den Bemerkungen zu Augustinus' Erzählung ein neues Kapitel aufgeschlagen wird, ist auch in Ms114 hervorgehoben: Die Bemerkungen sind von den vorhergehenden durch eine größere Anzahl von Leerzeilen getrennt128; ebenso ist das Ende des zugrundeliegenden Ts-Kapitels ("Der Begriff der Bedeutung stammt aus einer primitiven Auffassung der Sprache her.") markiert, wieder durch eine größere Anzahl von Leerzeilen129. Die Überarbeitung hielt sich in diesem Fall sowohl in der Struktur als auch in der Auswahl der Bemerkungen im großen und ganzen an das zugrundeliegende Typoskript. Sie beginnt mit Wittgensteins bereits oben zitierter Feststellung, daß der Begriff der Bedeutung, wie er ihn in seine philosophischen Erörterungen übernommen habe, aus einer primitiven Philosophie der Sprache herstamme. Der Begriff der Bedeutung "scheint mit der primitiven Gebärdensprache (Zeigesprache) zusammenzuhängen"130; diese Formulierung wird später gestrichen und durch das kurze und prägnante volksetymologische

    "Bedeutung" kommt von "deuten".131

    ersetzt. Nach dieser Einführung im Schatten des überkommenen Begriffes der Bedeutung, den - so muß man sich dazudenken, Wittgenstein überwinden möchte - wird auf den Kommentar zu Augustinus' Erzählung vom Lernen der Sprache übergegangen. Hier wird der Bezug zwischen Augustinus' "Betrachtungsweise" und der Auffassung von der Fundamentalität der hinweisenden Erklärung zwar zuerst erneut hergestellt, später wird die Formulierung

    Diese Betrachtungsweise ist wohl die, welcher Es ist die Auffassung, der die Erklärungsform "das ist..." im Fundament der Sprache zu liegen scheint.132

    aber wieder gestrichen. Dies bringt mit sich, daß ¤114 - wenn man das Gestrichene ausklammert - zwar noch vom "Benennen" spricht, aber an keiner Stelle mehr den Ausdruck "die Erklärungsform ’das ist ...’" verwendet. Bei der Bauarbeitersprache tauchen lediglich die konkreten Einführungen "das ist eine Säule" etc. auf. Vom Spiel, welches Augustinus tatsächlich beschreibt, wird - wieder das Produkt einer späteren Revision - in ¤114 nicht gesagt, daß es wohl in der Wirklichkeit vorkomme, sondern, daß es "allerdings ein Teil der Sprache"133 sei.134 Von besonderem Interesse ist folgende Bemerkung:

    Wie Augustinus das Lernen der Sprache beschreibt, das kann uns zeigen, von welcher Auffassung der Sprache der Begriff von der Bedeutung der Wörter sich herleitet.135

    Sie soll, nach Wittgensteins Anweisung, die frühere Bemerkung

    Ich wollte sagen: Wie Augustinus das Lernen der Sprache beschreibt, das kann uns zeigen, woher diese Auffassung eigentlich kommt.136

    ersetzen. Nach der später geschriebenen Bemerkung geht es um eine primitive Auffassung der Sprache (wie sie z.B. in Augustinus' Beschreibung zutage tritt), die eine bestimmte Auffassung der Bedeutung fördert. Es ist gut möglich, daß Wittgenstein von hier aus wieder zum Typoskript ging und dort "der Bedeutung" nachtrug.137 Ein weiterer Fall von Präzisierung und Bedeutungsveränderung im Laufe der Textgenese liegt bei der folgenden Bemerkung vor:

    Man könnte den Fall unserer Sprache mit dem einer Schrift vergleichen, in der Buchstaben (...)138

    Der "Fall" ist - so wird durch die Einfügung geklärt - nicht "der Fall Augustinus", so wie man bisher gemeint haben mag, sondern der "Fall unserer Sprache". Anstatt "Fall unserer Sprache" könnte hier auch "die Sache der Sprache" stehen.139 Die Sprache wird mit einer Schrift verglichen, in der Buchstaben vielartige Funktionen ausüben, so wie nachher zum Vergleich die verschiedenen Funktionen der Handgriffe im Stellwerk der Lokomotive, die verschiedenartigen Linien einer Landkarte und der Unterschied der Spielfiguren im Schach140 herangezogen werden. Der Sinn dieser Bemerkung trifft sich gut mit dem Tenor der nachfolgenden Bemerkungen, denen es weniger darum zu tun ist, zu zeigen, wie Augustinus' Auffassung einseitig ist, sondern positiv darum, wie die Sprache vielseitig ist. So fällt auch der folgende kritische Ts213-Satz weg, d.h. er wurde aus dem Typoskript gar nicht in die Überarbeitung herübergenommen:

    Und so einer - zu einfachen - Beschreibung der Schrift gleicht Augustinus' Beschreibung der Sprache völlig.141

    Der Satz taucht später aber dennoch wieder auf, in ¤142.142 Ähnliches gilt für "Und ganz ähnlich ist ja das Übereinkommen (...)"143 und "Wer das Schachspiel einfacher beschreibt (...)"144: Beide Bemerkungen kommen in Ms114 gar nicht vor, die zweite findet sich aber in Ms142 unvermittelt wieder145, während die erste als ein Vorfahre des in Ms142 erstmals in den Text eingegliederten Einkaufsbeispiels angesehen werden kann. Ebenfalls wurde zuerst die Bemerkung

    Man könnte also sagen, Augustinus stelle das Lernen der Sprache zu einfach dar (...)146

    ausgelassen; später hat sie Wittgenstein in ¤114 aber dennoch - unter Entscheidung für die in ¤213 noch gleichrangige Alternative "die Sache" - inkludiert:

    Man könnte also sagen, Augustinus stelle die Sache zu einfach dar; aber auch: er stelle eine einfachere Sache dar.147

    Auch in diesem Fall ist die entsprechende Stelle in Ms142148 eine Abschrift der entsprechenden ¤213-Passage, so als ob es die ¤114-Variante nie gegeben hätte. Es sieht also tatsächlich so aus, als ob Ms114, zumindest was den Text der ersten Paragraphen der Untersuchungen betrifft, für die Erstellung der Frühversion keine bedeutende Rolle gespielt hat. Wittgenstein griff 1936 vielmehr direkt auf das Big Typescript, Ts213, zurück. Die Überarbeitung von ¤213 in ¤114, die anfänglich wohl als neuer Anfang gedacht war149, wurde also letztendlich nicht in dem Maße weiterentwickelt oder verwendet, wie es mit der ursprünglich zu überarbeitenden Typoskriptversion geschah, soweit ¤114 überhaupt in irgendeinem Maße direkt Pate stand.

    In den zwischen ¤114 und ¤152i liegenden Varianten ist das Augenmerk von dem gerade gewonnenen und in ¤114 bekräftigten Bezug zum Thema der Bedeutung fast völlig abgewendet und die Vielschichtigkeit des Textes vereinfacht. Erst 1936, und eben unter dem Einfluß von Ts213, wird das Thema Bedeutung erneut zur Sprache gebracht.

    2.2 "Versuche" und Zwischenspiele150

    2.2.1 Das Gelbe Buch: ¤YB (1933)151

    Im akademischen Jahr 1933/34, vom 8. November 1933 bis zur ersten Juniwoche 1934152, diktierte Wittgenstein in Cambridge sieben Studenten das sogenannte Blaue Buch, Ts309. Aus derselben Zeit stammt auch das sogenannte Gelbe Buch, Ts311, an dessen Anfang sich eine weitere Beschäftigung mit Augustinus' Beschreibung des Lernens der Sprache findet. Ts311 besteht aus Vorlesungsmitschriften und Diskussionsnotizen, die von Alice Ambrose, Margaret Masterman und Francis Skinner in den Pausen des Diktats des Blauen Buchs gemacht wurden. Das Gelbe Buch geht also nicht direkt auf die Hand Wittgensteins zurück; auch wurde der Text für die - dieser Untersuchung zugrundeliegende - Veröffentlichung in den Lectures von Ambrose redigiert.153 Die Bemerkungen zu Augustinus, die uns hier interessieren, stammen aus derselben Zeit wie ¤114, oder sind nur um weniges jünger; jedenfalls wurden sie noch vor dem Diktat des Blauen Buches in einer Vorlesung gemacht.154

    ¤YB gehen Überlegungen zur Thematik der Bedeutung voran. Hier setzt sich Wittgenstein kritisch mit Freges Bedeutungsbegriff auseinander und schlägt vor, anstatt über die Bedeutung der Wörter von ihrem Gebrauch zu reden. Denn der Begriff der Bedeutung ist problematisch; so kann man die Bedeutung eines Wortes nicht in jedem Fall durch eine hinweisende Definition erklären - obwohl die Bedeutung ein Gegenstand sein soll, auf den man, um die Bedeutung eines Wortes zu erklären, zeigen könne. Es besteht auch eine Unstimmigkeit zwischen diesem fachsprachlichen, philosophischen, Begriff der Bedeutung und dem normalsprachlichen Verständnis von "Bedeutung": Denn die Bedeutung und der Träger eines Namens, z.B., sind nach dem letzteren durchaus nicht dasselbe. In einigen Fällen ist es sinnvoll, unter der Bedeutung einen Gegenstand zu verstehen; diese Fälle machen aber nur einen kleinen Teil unserer Sprache aus. Um einer ungerechten Verallgemeinerung zu entgehen, soll man daher von Anfang an das Verständnis von Bedeutung als Gegenstand hinter sich lassen; wenn man stattdessen als die Bedeutung des Wortes den Gebrauch des Wortes ansieht, kann man Einseitigkeiten sicher vermeiden. So wie man die Bedeutung nicht allgemein als Gegenstand auffassen kann, so ist es auch falsch, die hinweisende Erklärung als für die Sprache fundamental und als hinreichende Erklärung der Bedeutung zu sehen. Zum einen muß, damit die hinweisende Erklärung einen Nutzen hat, schon bekannt sein, für was für eine Art von Ding das Wort steht, das erklärt werden soll; zu was für einer Art das zu erklärende Wort gehört, wird aber durch ein bereits bestehendes, anderes, Wort festgelegt; ganz am Anfang des Sprachelernens kann also nicht die hinweisende Erklärung stehen. Zum anderen ist auch klar, daß das, was man durch die hinweisende Erklärung über die Bedeutung eines Wortes lernt, nur einen sehr geringen Teil dessen ausmacht, was man von der Bedeutung des Wortes weiß, wenn man das Wort später beherrscht; es läßt sich also fragen, ob man durch die hinweisende Erklärung bereits die Bedeutung des Wortes lernt.

    Diese Bemerkungen, die vor der Augustinus-Passage stehen155 - und auch die Augustinus-Passage selbst - stehen unter dem Gesichtspunkt, daß wir versucht sind, die Sprache als viel einfacher

    zu betrachten, als sie tatsächlich ist. So passiert es bei der Auffassung der Bedeutung als einem Gegenstand; so liegt der Fall beim Versuch, die Bedeutung durch die hinweisende Definition zu erklären; und so passiert es auch bei der klassischen Ansicht, die Bedeutung der Wörter werde durch die Angabe von Genus proximum und Differentia specifica gegeben. Es gibt z.B. nichts, was allen Spielen gemeinsam wäre, sodaß das Schachspiel durch die Angabe eines Wesens des Spiels plus die Angabe der Spezifizität des Schachspiels hinreichend definiert werden könnte. Der Ausfall der klassischen Definitionsform kann durch die hinweisende Definition nicht wettgemacht werden; denn auch diese setzt voraus, daß die Art, zu der das vom zu erklärenden Wort Bedeutete gehört, durch ein Gemeinsames ausgezeichnet wäre.

    Von der Bedeutung oder der hinweisenden Erklärung ist, in den Bemerkungen direkt zu Augustinus, dann nicht mehr die Rede; Augustinus' Beschreibung ist zuerst einmal nur ein weiteres Beispiel dafür, wie man die Sprache zu einfach sehen kann:

    I have remarked that we are inclined to view our language as much simpler that it is. Cf. Augustine, who said that he learned Latin by learning the names of things. Surely he learned also such words as "not", "or", etc.156

    Augustinus wird, wie bisher, zweifach geantwortet, negativ und positiv; interessant ist für Wittgenstein aber vor allem der positive Weg. Von Augustinus' Beschreibung kann ganz einfach gesagt werden, daß sie falsch, da unvollständig, sei; man kann Augustinus aber auch positiv unter der Sprachspiel-Sicht verwerten und sagen, daß er eine einfachere Sprache beschreibe, um dann diese einfachere Sprache zu einem Vergleich mit der tatsächlichen Sprache zu nutzen und so etwas über die Komplexität der Sprache zu lernen. Es scheint, daß Wittgenstein hier die Sprachspiele vor allem als Teile des Ganzen der Sprache ansieht, mit denen dieses Ganze stufenweise beleuchtet und rekonstruiert werden kann; ein Teil dieses Ganzen ist die Sprache, die auf Augustinus' Beschreibung paßt.157

    Augustinus gibt also eine gute Gelegenheit, um durch ein Sprachspiel etwas von der Komplexität der Sprache zu erkennen; ein solches Sprachspiel ist die Bauarbeitersprache. Die Einführung und Behandlung der Bauarbeitersprache in ¤YB zeichnet sich vor allem durch folgende zwei Punkte aus: Erstens wird die Bauarbeitersprache nicht durch den Hinweis darauf angeführt, daß es tatsächlich eine Sprache gibt, für die Augustinus' Beschreibung gilt, sondern im Rahmen eines Gedankenexperiments; zweitens wird sie als vollständige Sprache definiert. Das Zweite mag sonderbar scheinen; der Gedankengang ist aber einfach der schon früher verwertete: Ein Spiel kann unvollständig beschrieben werden; die Beschreibung kann aber auch als Beschreibung eines einfacheren, jedoch durchaus vollständigen, Spiels verstanden werden.

    Die positive Verwertung von Augustinus als Startpunkt von Sprachspielen, aus denen die Strukturen der Sprache schrittweise nachgebildet und beleuchtet werden, ist für die Texte zwischen ¤114 und ¤142 charakteristisch; demgemäß sind die Themen, unter denen Augustinus' Beschreibung bisher beanstandet wurde, die Fragen der hinweisenden Erklärung und der Bedeutung, aus der unmittelbar mit Augustinus befaßten Diskussion mittelfristig ausgeblendet.

    2.2.2 Ein frühes Braunes Buch: ¤141 (1933-1934)

    Zum Anfang des Braunen Buchs (Ts310) findet sich im Nachlaß eine frühere deutsche Variante, Ms141; dieses Manuskript, das nur aus vier großen Blättern besteht, beginnt mit einer weiteren Diskussion von Augustinus' Erzählung. Zwar datiert von Wright das Manuskript auf "1935 oder 1936"158; Textvergleiche legen es aber nahe, den Zeitpunkt der Entstehung von Ms141 vor Ts310 (begonnen im Oktober 1934) anzusiedeln159. ¤141 scheint, wenn nicht damit gleichzeitig, so doch jedenfalls nicht älter als ¤YB zu sein. ¤141 wäre also zwischen dem Spätherbst 1933 und dem Beginn des Braunen Buches im Oktober 1934 zu datieren.160

    Wenn wir voraussetzen, daß ¤141 vor ¤310 entstanden ist, dann haben wir hier die erste Fassung vor uns, an der die Beschäftigung mit Augustinus ganz am Anfang eines "fortgeschritteneren"161 Manukripts steht; das Manuskript beginnt nämlich:

    Augustinus' Beschreibung des Lernens der Sprache.
    Diese Auffassung ist einem großen Teil der Menschen die natürliche.162

    Es scheint, daß Wittgenstein hier wieder bewußt auf sein zweites Buch hinarbeitet, dies allerdings z.T. nur überschriftenmäßig und stichwortartig. So wäre der erste Satz "Augustinus' Beschreibung des Lernens der Sprache" später, vielleicht endlich durch das bisher ausgebliebene Zitat, auszufüllen. Ms141 könnte auch als direkte Vorlage für das Diktat von Ts310 gedacht gewesen und z.T. daher überschriftenmäßig gehalten sein. Eine Neuerung in Ms141, die eine - vielleicht ebenfalls mit dem Gedanken auf eine Veröffentlichung verbundene - Systematisierung anstrebt, ist die Numerierung: Der Text wird zum erstenmal durch eine Numerierung gegliedert, beginnend mit 1 für das Bauarbeitersprachspiel. Allerdings unterscheidet sich die Numerierung in Ms141 und den nachfolgenden Ts310 und Ms115 von der Numerierung, wie sie uns aus den Philosophischen Untersuchungen bekannt ist; denn hier geht es nicht um eine Numerierung von nebeneinanderstehenden Paragraphen, sondern vielmehr um eine Numerierung der Sprachspiele: Diese stehen im Zentrum der Betrachtung; aus ihnen soll stufenweise, vom Einfachen zum immer Komplizierteren fortschreitend, das Ganze der Sprache nach und nach beleuchtet werden. Die Nummern sollen aber nicht nur eine gewisse Abfolge anzeigen, deren Anfang eben das Augustinus' Beschreibung gemäße und gleichsam primitivste Sprachspiel der Bauarbeitersprache macht, sondern sie dienen auch als Referenzsystem. Von der ersteren Funktion ist in den späteren Untersuchungen, wenn schon, dann nur noch am Anfang etwas zu spüren; den Versuch, das Buch (beinahe schulbuchdidaktisch) als eine linear fortschreitende Folge von Sprachspielen - und diese sollten das Gerüst des Ganzen sein - und damit zusammenhängenden Kommentaren und Belehrungen zu gliedern, hatte Wittgenstein in den "Philosophischen Untersuchungen" von Ms115 (Herbst 1936) aufgegeben, wohl weil er ihm nicht konsequent durchführbar schien. Die Nummern werden aber auch noch in den Untersuchungen als Referenzpunkte genutzt. Wie bereits die kontinuierliche Numerierung, so steht auch das Faktum, daß in ¤141 die Bemerkungen nicht durch Leerzeilen voneinander getrennt sind (sondern - wie Absätze - zusammenhängend aufeinander folgen), für den Versuch, hier einen ruhig und linear verlaufenden Text zu verfassen. An keiner Stelle in ¤141 macht Wittgenstein klar, um welche Auffassung ("Diese Auffassung (...)") es eigentlich geht; wenn es sich um eine Auffassung des Augustinus handeln soll, so muß sie in dessen Beschreibung vom Lernen der Sprache zutage treten. Vielleicht handelt es sich also direkt um eine Auffassung vom Lernen der Sprache: die, daß man die Sprache durch hinweisende Erklärungen lernt, wie es bei den Personennamen und gegenständlichen Substantiven, Konkreta, wie "Mann", "Sessel", "Zucker", denkbar ist. Wittgenstein selbst spricht nicht von hinweisenden "Erklärungen" oder "Definitionen", denn das Kind kann ja noch nicht nach einer Bezeichnung fragen, sodaß man ihm etwas erklärte; er spricht vielmehr vom "Abrichten" und "hinweisenden Wortelehren":

    Das Kind lernt diese Sprache von den Erwachsenen, es wird zum Gebrauch der Sprache abgerichtet. Dabei wird auf einen Baustein hingewiesen, die Aufmerksamkeit des Kindes auf ihn gelenkt, & ein Wort ausgesprochen. Dies kann man "hinweisendes Wortelehren" nennen.163

    Dies ist aber bereits eine Korrektur und positive Interpretation des Augustinus; denn Augustinus selbst - aus der Perspektive von PU §32 - beschreibt das Lernen der Sprache so, als könne das Kind bereits eine Sprache, und also, als könnte man ihm tatsächlich etwas erklären. Diese letztere, negative, Interpretation kommt aber in ¤141 noch nicht vor;164 der Kritikpunkt ist weiterhin ganz einfach der, daß Augustinus vor allem an das Lernen von Namen zu denken scheint und dabei andere Wortarten vernachlässigt. Die Konzentration auf die Substantive und Namen ist allerdings nicht nur Augustinus zu eigen, sondern sogar "einem großen Teil der Menschen die natürliche"165:

    Diese Auffassung ist einem großen Teil der Menschen die natürliche. Man denkt daran, wie das Kind die Namen von Personen & Worte wie "Mann", "Sessel", "Zucker", lernt.166

    Das "man" ist hier tatsächlich nicht das "man" des Betrachters der Augustinschen Beschreibung167, sondern das "man" der natürlichen Auffassung des Menschen: Wenn man das Lernen der Sprache denkt, so denkt man an das Lernen der Personennamen und Konkreta. Es ist also wichtig, festzuhalten, daß nicht erst die Philosophen, sondern bereits der alltägliche Mensch - wie ja auch Augustinus als ein "natürlich-klar denkender Mann"168 bezeichnet wurde - in der Auffassung vom Lernen der Sprache Einseitigkeiten zeigt. Es ist hier allerdings nicht gesagt, daß auch der Begriff der Bedeutung einem großen Teil der Menschen der natürliche ist.169

    "Diese Auffassung" ist nicht gänzlich falsch, sondern nur "unvollständig", "lückenhaft"170:

    Als sähe jemand auf einen Wald aus von Laubbäumen, Nadelbäumen, Sträuchern, Farnen & anderem, & sagte, der Wald bestehet aus Kiefern.171

    Der Vergleich von Augustinus' Auffassung vom Lernen der Sprache (nicht: der Sprache) mit einer Auffassung, die sich kundtut, wenn man von einem Mischwald sagt, er bestehe aus Kiefern, ist in der Geschichte von PU §§1-4 einzigartig. Von einem Mischwald, der Kiefern enthält, kann man wohl sagen, er bestehe aus Kiefern; dies ist aber nicht genug. Richtig wäre, zu sagen, der Wald bestehe aus Kiefern und ..., oder, daß er nur z.T. aus Kiefern bestehe. Dieser Vergleich hat hier dieselbe Funktion wie anderorts die Vergleiche mit der unvollständigen Definition des Begriffes "Spiel" oder mit der unvollständigen Beschreibung der in PU §4 konstruierten Schrift. Nur: Was hier verglichen wird, ist Augustinus' Auffassung vom Lernen der Sprache, nicht eine Auffassung von der Sprache. In den beiden nächsten Fassungen, ¤310 und ¤115ii, wird das Comparans erneut aus der Welt der Spiele genommen; zum Vergleich dient dort eine Beschreibung des Schachspiels, die auf die Bauern vergißt.

    Wie schon in ¤YB, so wird die Bauarbeitersprache auch in ¤141 unter dem Aspekt eingeführt, daß wir uns eine zu Augustinus' Beschreibung passende Sprache denken können, nicht, wie noch in ¤114, daß das von Augustinus beschriebene Spiel wohl in der Wirklichkeit vorkomme oder ein Teil der Sprache sei. Die Wörter "Sprache" und "System der Verständigung" werden synonym gebraucht; Sprachen, Systeme der Verständigung, wie sie uns mit der Bauarbeitersprache vorliegen, sind als vollständig und in sich abgeschlossen anzusehen:

    Die Sprachspiele wollen wir nicht als unfertige Teile, als Bruchstücke eines Ganzen, der Sprache, betrachten, sondern als in sich abgeschlossene Sprachen, Systeme menschlicher Verständigung. Und hiezu ist es nützlich sich vorzustellen, ein primitiver Volksstamm besitze so eine Sprache, die, z.B., nur bloß aus einem System von Befehlen zum Gebrauch im Kriege besteht. - Eine solche primitive Sprache ist dann unmittelbar verwandt einer primitiven Arithmetik.172

    Das System der Verständigung "Bauarbeitersprache" wird in ¤141 zum ersten Mal vollständig definiert: das Vokabular besteht aus den Wörtern "Quader", "Säule", "Platte", "Balken", und dies ist die ganze Sprache der Bauarbeiter. Zum ersten Mal ist hier auch von einer Reaktion des B die Rede, sodaß nun der Rahmen dieser Sprache vollständig abgesteckt ist: A ruft eines der vier Wörter, und auf den Ruf bringt B von den vier Bausteinen den von A geforderten.

    2.2.3 Das Braune Buch: ¤310 (1934)

    Das Braune Buch, Ts310, wurde Francis Skinner und Alice Ambrose im akademischen Jahr 1934-1935 diktiert. Ursprünglich existierten davon nur drei Exemplare, denn Wittgenstein wollte nicht, daß es einem weiteren Kreis zugänglich wäre. Doch schon bald kursierten mehrere Kopien, sodaß das Braune Buch nach dem Blauen Buch (diktiert im akademischen Jahr 1933-34) der zweite Text ist, durch den Teile der "Spätphilosophie" schon zu Wittgensteins Lebzeiten einem größeren Publikum bekannt wurden.173 Wittgenstein war mit dessen Verbreitung aber nicht einverstanden; dies nicht nur deswegen, weil er befürchten mußte, nicht richtig verstanden zu werden, sondern vielleicht auch deswegen, weil er sein Urheberrecht an den darin vertretenen Ideen schützen wollte: Das Braune Buch enthielt ja viele der Gedanken, die in seine Veröffentlichung eingehen sollten, und am Ende auch eingingen. Nach der Veröffentlichung der Philosophischen Untersuchungen konnten sich viele daran erinnern, Ähnliches bereits früher, in eben z.B. dem Braunen Buch, gelesen zu haben; so wurden das Braune Buch und das Blaue Buch schließlich als preliminary studies for the "Philosophical Investigations" bezeichnet174. Diese Bezeichnung ist natürlich in Ordnung, solange man nicht annimmt, daß die Geschichte der Untersuchungen erst mit diesen Diktaten oder noch später, z.B. 1936, beginnt. Zwar spielen das Blaue und das Braune Buch (und hier besonders das letztere) auf dem Weg zu den Untersuchungen eine Rolle, auch zeichnen sie sich dadurch aus, daß es sich bei ihnen um relativ große und geschlossene Textcorpi handelt, die durch das Diktat einen gewissen Öffentlichkeitsstatus und Autorität gewinnen - man darf jedoch nicht übersehen, daß diese Diktate, wenn es zur Gestaltung einzelner Bemerkungen kommt, von Wittgenstein oft völlig ignoriert wurden, und er für die Untersuchungen stattdessen z.B. auf frühere Varianten zurückgriff. Die Geschichte der Untersuchungen ergibt sich eben nicht so sehr aus der Abfolge von einzelnen Werkstufen als aus der voneinander unabhängigen Entwicklung einzelner Bemerkungen und ihrer nachfolgenden Auswahl und Zusammenstellung. In dieser Auswahl und Zusammenstellung hat das Jahr 1936 eine wichtige Rolle gespielt; zu schreiben begonnen hat Wittgenstein die Untersuchungen aber schon 1929, wie ja auch Wittgenstein selbst im Vorwort zu den Untersuchungen ausdrücklich betont, daß sie das Ergebnis 16jähriger Arbeit seien.

    Die Auseinandersetzung mit Augustinus kommt in Ts310 gleich am Anfang vor, d.h., sie leitet das Ganze überhaupt ein; ¤310 dürfte also noch im Oktober 1934 entstanden sein. Die nächste Variante, ¤115ii, entsteht erst zwei Jahre später, im August 1936; es handelt sich dabei um eine deutsche Übersetzung und zugleich Umarbeitung von ¤310.

    In Gliederung und Inhalt bringt ¤310 gegenüber ¤141 wenig Neues; die Ordnung durch numerierte Sprachspiele ist beibehalten. Die Beschäftigung mit Augustinus ist hier insofern ausgezeichnet, als sie - wie schon in ¤141 - der einzige Text ist, der außerhalb der Nummern steht. Sie wird vor der ersten Nummer abgeschlossen, fungiert also als Einleitung. Diese Funktion kann man ihr auch noch in den Untersuchungen zusprechen; allerdings ist die Auseinandersetzung dort bereits in die erste Nummer hereingenommen, und sie begleitet dort die weiteren Paragraphen bis §4, wodurch ein erster Rahmen gebildet wird. In ¤310 hingegen läßt Wittgenstein Augustinus ab dem Moment, wo die Bauarbeitersprache als das erste Sprachspiel eingeführt ist, aus der Diskussion sozusagen aussteigen.

    2.2.4 Eine weitere Umarbeitung: ¤115ii (1936)

    Ende August 1936 begann Wittgenstein auf seiner Hütte in Skjolden, das Braune Buch ins Deutsche zu übersetzen und es gleichzeitig zu überarbeiten. Das Resultat dieser Arbeit steht im zweiten Teil von Ms115, auf dessen Seiten 118-292, und wurde von Wittgenstein "Philosophische Untersuchungen. Versuch einer Umarbeitung."175 genannt. Es handelt sich dabei um den direkten Versuch, das anvisierte Buch zu schreiben; umgearbeitet werden sollte nicht nur das Braune Buch, sondern sein Buch überhaupt. Im parallel geführten Notizbuch Ms152 findet sich der Entwurf eines Vorworts, der wohl direkt für die Überarbeitung in Ms115 geschrieben war.176 Allerdings war Wittgenstein mit dem Ergebnis seiner Umarbeitung dann doch nicht zufrieden; auf Seite 292, nachdem von Ts310 ungefähr die Seiten 1-117 (insg. enthält Ts310 168 Seiten) umgearbeitet waren, bricht er die Arbeit ab - als Erklärung steht folgender Satz:

    Dieser ganze ’Versuch einer Umarbeitung’ von Seite 118 bis hierher ist nichts wert.177

    Diese harte Kritik bezieht sich zum einen sicher auf den mißlungenen Versuch, den Text durchgehend linear und durch Einrückung und Numerierung zu strukturieren. Das Gerüst des Textes sollten ganz bestimmte und immer komplizierter werdende Sprachspiele sein; diese bildeten eigene Absätze und waren gänzlich eingerückt. Die Sprachspiele wechseln mit allgemeineren Kommentaren und Überleitungen; doch nach kaum 90 Seiten geht Wittgenstein von diesem Strukturierungsprinzip ab: Der Wechsel zwischen allgemeiner Überlegung und konkretem Fall passiert oft mitten im Satz178, die Nummern sind teilweise nachgetragen und fallen schließlich ab S.273 gänzlich aus. Am Ende besteht die Gliederung einzig in Absätzen, deren erste Zeile eingerückt ist. Neben diesem Scheitern in der Form, das ja nicht ein bloßes Scheitern der Form, sondern ein Scheitern des Versuchs überhaupt war, die Sprache gleichsam stetig aus einzelnen Sprachspielen zu rekonstruieren, und auch ein Scheitern des Versuchs, die einzelnen konstruierten Sprachspiele einerseits und die allgemeinen Übergänge und Belehrungen anderseits auseinanderzuhalten, ist es vor allem das im Vorwort zu den Untersuchungen ausgesprochene ursprüngliche Ansinnen, die Gedanken "von einem Gegenstand zum andern in einer natürlichen und lückenlosen Folge fortschreiten" zu lassen, dem Wittgenstein in Ms115 nicht nachkommen kann, und das er schließlich aufgibt. So haben wir mit dem zweiten Teil von Ms115 zum einen den gelungensten Versuch, das Ideal des kontinuierlichen Buches zu verwirklichen; zum anderen aber ist dieser Teil zugleich der Wendepunkt, an dem Wittgenstein einsehen muß, daß eine solche Struktur weder seinem Denk- und Schreibstil noch der Art des von ihm untersuchten Gegenstandes gemäß ist. Die von ihm angestrebte Ordnung bleibt fragmentarisch; Ms142, in das er diese Ordnung noch einigermaßen - in aber bereits modifizierter Form - hinüberretten konnte, nennt er in V225 ein "Fragment":

    Ich beginne diese Veröffentlichung mit dem Fragment meines letzten Versuchs, meine philosophischen Gedanken in eine Reihe zu ordnen. Dies Fragment hat vielleicht den Vorzug, verhältnismäßig leicht einen Begriff von meiner Methode vermitteln zu können. Diesem Fragment will ich eine Masse von Bemerkungen in mehr oder weniger loser Anordnung folgen lassen. Die Zusammenhänge der Bemerkungen aber, dort, wo ihre Anordnung sie nicht erkennen lässt, will ich durch eine Numerierung erklären. Jede Bemerkung soll eine laufende Nummer und ausserdem die Nummern solcher Bemerkungen tragen, die zu ihr in wichtigen Beziehungen stehen.179

    Zwar bietet das Numerierungssystem vielfältig Gelegenheit, die Vernetzung der Thematik ausdrücklich zu machen180; an manchen Stellen ist dies aber nicht genug, und es wird allzuschwierig, die Gedanken gegen ihre "natürliche Neigung, in einer Richtung weiterzuzwingen"181, und es fällt auch nicht leicht, sie auf später zu verschieben.182 Auch mit dem Numerierungssystem der Untersuchungen muß eine Wahl darüber getroffen werden, was hier, und was an anderer Stelle gesagt werden soll; doch die Nummern der Untersuchungen stehen gleichwertig nebeneinander, sodaß sich daraus mehrere Anordnungen herauslesen lassen - während in Ms115 noch so etwas wie die richtige Anordnung und Abfolge der Bemerkungen angezielt wurde.

    In ¤115ii wird Augustinus endlich zitiert:183

    Das Lernen der menschlichen Sprache beschreibt Augustinus so: Augustinus beschreibt das Lernen ..... so: (Confessiones I.8) ".... cum ... appellabant rem aliquam et cum secundum eam vocem corpus ad aliquid movebant, videbam et tenebam hoc ab eis vocari rem illam, quod sonabant, cum eam vellent ostendere".

    Das Zitat in ¤115ii macht nur einen Teil des später Zitierten aus; die hier zitierte Beschreibung ist nicht so sehr eine Beschreibung des Lernens der Sprache, als vielmehr und konkret eine Beschreibung dessen, wie der kleine Augustinus anfing, das Verhalten anderer in bestimmter Weise zu interpretieren. Nämlich: Daß sie, wenn sie etwas sagten, sich (in bestimmten Fällen) mit ihrem Körper einer Sache zuwendeten, interpretiert der kleine Augustinus so, daß sie mit dem, was sie sagten, sich auf die Sache, der sie sich zuwendeten, beziehen wollten. Alles, was der kleine Augustinus macht, ist, einen Zusammenhang herzustellen zwischen Lauten, Gebärden und Gegenständen; man kann - aufgrund dieses Zitates - aber nicht sagen, daß hier ein hinweisendes Lehren oder gar hinweisendes Definieren stattfände, und schon gar nicht, daß es hier um das Lernen der Sprache gehe. Augustinus' Beschreibung paßt tatsächlich nicht auf das Verstehen von Wörtern wie "heute", "nicht" etc.; dies wird von Augustinus aber weder unterstellt, noch muß man es voraussetzen.

    Augustinus kehrt in Ms115 an anderer Stelle unvermutet wieder. An einem Ort, der ein gutes Beispiel dafür abgibt, daß der "Versuch einer Umarbeitung" auch tatsächlich nicht eine bloße Übersetzung, sondern eine Überarbeitung darstellt, zitiert Wittgenstein aus Confessiones I.6:

    Es liegt hier nun ein Mißverständnis sehr nahe: die Mittel (Gebärden, etc) die welche der Lehrer gebraucht, um das Kind zum Fortsetzen der Aufzählung zu bewegen, anzusehen, als indirekte Mittel, sich dem Kind verständlich zu machen Andeutungen, mit denen er sich dem Kinde verständlich zu machen will sucht. So [A|a]ls hätte das Kind bereits eine Sprache, in welcher es denkt, zu sich selbst spricht, & der Lehrer solle es nun dazu durch allerlei unvollkommene Andeutungen (seine Gebärden etc.) dazu bringen, daß es errät, was er meint. So also, als fragte das Kind sich in seiner eigenen Sprache: "Will er nun, daß ich fortsetze, oder wiederhole, was er gesagt hat, oder etwas anderes?" - Es wird also so dargestellt, als lernte das Kind nie die Sprache, also als lernte es nie denken, sondern nur, von einer Sprache, von einer Sprache die es schon kann, in eine andre übersetzen. (Augustinus: et ecce paulatim sentiebam, ubi essem, et voluntates meas volebam ostendere eis, per quos implerentur, et non poteram, quia illae intus erant, ..... Itaque iactabam et membra et voces, signa similia voluntatibus meis, .....) (...) "Aber ist das Denken nicht ein geistiger Vorgang?" - Von der Geistigkeit des Denkens, später.184

    Ich zitiere diese Stelle so ausführlich, nicht nur deswegen, weil sie etwas Wesentliches über die Herkunft von PU §32 sagt, das ja ausdrücklich eine Brücke zu PU §1 schlägt, sondern vor allem deswegen, weil sie eine ausgezeichnete und der Wittgensteinschen Interpretation von Augustinus willkommene Ergänzung zum Zitat in PU §1 darstellt - das Zitat aus den Confessiones I.6 ("et ecce paulatim (...)") aber an keiner anderen Nachlaßstelle und auch in den Untersuchungen nicht vorkommt. Es stellt sich damit folgende Frage: Bezieht sich PU §32b auf das Zitat in PU §1, oder auf das hier Zitierte? Die Frage kann so oder so entschieden werden. In den Untersuchungen bezieht sich §32 offiziell auf §1; seinen Ursprung hat §32 aber in der Reflexion auf ein anderes Augustinus-Zitat, und obwohl die Gesamtrichtung der Bemerkung in §32 gedreht wurde, ist von diesem Ursprung noch einiges erhalten.

    Das Ms115: S.166-Zitat aus den Confessiones I.6 hat textgenetisch vielleicht eine bedeutende Rolle gespielt: Wittgenstein kann einen Zusammenhang mit dem bereits in Ms115: S.118 Zitierten entdeckt haben und dadurch dazu gekommen sein, in ¤140 das Zitat aus Confessiones I.8 mit eben jenen Sätzen aus Confessiones I.8 zu ergänzen, die einen ähnlichen Inhalt haben wie das Zitat aus Confessiones I.6: "Ita verba in varia ... per haec enuntiabam."

    2.3 Von der Frühversion bis zur Endversion

    2.3.1 Zum textgenetischen Umfeld von ¤142 (1936-1937)185

    Nachdem Wittgenstein den Versuch der "Umarbeitung" des Buches in Ms115 aufgegeben hatte (im Manuskript blieben noch ein paar Seiten leer), startete er Anfang November in Norwegen einen neuen Versuch in Ms142.186 Dieser Versuch glückt, oder zumindest: Wittgenstein verwirft ihn nicht mehr und übernimmt ihn als "Fragment"187. Das Manuskript wird ein halbes Jahr später in die Maschine diktiert, woraus der erste Teil der sogenannten Frühversion der Untersuchungen resultiert (Ts220). Aus England hatte Wittgenstein nach Norwegen ein kleines Notizbuch mitgebracht, Ms152. In dieses hatte er den Entwurf eines Vorworts188 und Entwürfe für den nunmehr fallengelassenen Versuch der Umarbeitung in Ms115 geschrieben; diese Entwürfe gehen bis Ms152: S.38189. Auf Seite 38 setzt Wittgenstein überraschend wieder mit Entwürfen zur Einleitung des Augustinus-Zitats ein; diese Entwürfe sind für Ms142 bestimmt.

    Die Entwürfe in Ms152: S.38-40 sind einerseits unter einem stilistischen Gesichtspunkt interessant: Sie geben ein beeindruckendes Zeugnis davon, wie sehr Wittgenstein an guten Formulierungen gelegen ist, wie er sich im Formulieren übt, und wie ernsthaft er um diese Formulierungen ringen muß. Uns interessiert hier aber ihr textgenetischer Ort: Die Entwürfe orientieren sich nämlich weder an der Umarbeitung in Ms115 noch am Diktat Ts310; sie greifen vielmehr auf einen viel früheren Text, das Big Typescript, zurück. Damit rückt der Begriff der Bedeutung wieder in das Zentrum der Betrachtung. Besonders klar ist die Anbindung an Ts213 bei der dritten Bemerkung auf Seite 38 ("Das Lernen der Sprache (...)") und den beiden ersten Bemerkungen auf Seite 40. In diesen Bemerkungen wird Augustinus' Beschreibung erstens als die Beschreibung des Lernens von Namen interpretiert, und zweitens wird sie als ein gutes Bild für die Auffassung gesehen, daß die Namen und ihre Bedeutung das Fundament der Sprache und den Mittelpunkt der philosophischen Betrachtung ausmachen würden. Die beiden Entwürfe aus Seite 40 lassen sich unter Zuhilfenahme von ¤213 gut ergänzen:

    Der Begriff der "Bedeutung der Wörter" die den Mittelpunkt der Philosophie bilden soll, ist ---190 <in einer primitiven Philosophie der Sprache zu Hause>

    Der philosophische Begriff der Bedeutung der Wörter - als des Fundaments aller Sprache -191 <kommt aus einer primitiven Philosophie der Sprache her>

    Auf den Seiten 38-39 probt Wittgenstein neunmal die Einleitung in das Augustinus-Zitat; mit dem letzten Anlauf gelangt er zu einer Formulierung, die ihn zu befriedigen scheint. Er markiert sie am linken Rand mit einem geraden, senkrechten Strich:

    Augustinus beschreibt, wie der Mensch die Sprache lernt, so:192

    Diese Einleitung wird nun noch nicht direkt in das Ms142 geschrieben, sondern zuerst auf einem großen losen, nicht paginierten, Blatt des sogenannten Großen Formats, Ms140, wiederholt und dort weitergeführt. Dieses Blatt aus Ms140 stellt einen der kompliziertesten Texte im Nachlaß überhaupt dar; das Schwierige daran ist nicht so sehr, ihn zu entziffern (was auf Grund der Schreibmaterialien und des entwurfsmäßigen Charakters z.T. ebenfalls schwerfällt) und eine inhaltliche Ordnung in ihn zu bringen, sondern vielmehr textgenetischer Art. Es fällt nämlich äußerst schwer, die verschiedenen Stufen seiner Entstehung auseinanderzuhalten und seine Entstehung mit den Texten in Ms152 und Ms142 zu koordinieren. Auf der anderen Seite wäre es falsch, die Entstehung der Entwürfe in Ms152 und Ms140 und die verschiedenen Niederschriften in Ms142 gänzlich auseinanderdividieren zu wollen. Bei der Arbeit sprang Wittgenstein zwischen diesen Manuskripten sicherlich hin und her; man kann sich gut ausmalen, wie er die beiden ersteren neben dem Band liegen hatte und in ihnen immer wieder probte.

    Der zeitliche Hergang muß ungefähr der folgende gewesen sein: Bei der Niederschrift von Seite 1 von Ms142 muß das, was wir heute auf dem losen Blatt von Ms140 lesen können, bereits mehr oder weniger vorgelegen haben. Denn eine Reinschrift der Ms140-Seite ergibt einen Text, der mit der ersten Niederschrift im Band, also mit dem Text vor seiner Revision, weitgehend übereinstimmt. Die Arbeit in Ms142 geht Wittgenstein einigermaßen gut von der Hand; sie wird immer wieder in Ms152 vorbereitet.193 Die Revisionen im Band sind großteils Spätkorrekturen, sodaß man sich die Niederschrift ziemlich flüssig vorstellen darf. Die Revision der ersten Paragraphen war aber bereits spätestens zu jenem Zeitpunkt, als Wittgenstein im Band zur Seite 77 kam, abgeschlossen. Denn Ms152: Seite 86 und die erste Bemerkung von Seite 87 enthalten noch Vorarbeiten zu Ms142: S.76. Unmittelbar auf die erste Bemerkung von Ms152: S.87 folgen aber bereits neue Proben des Anfangs (= ¤152ii); diese Proben stammen offensichtlich aus der Zeit nach den Korrekturen des ersten Paragraphen von Ms142. Die beiden letzten Anläufe in Ms152: S.87 lauten folgendermaßen:

    Augustinus sagt (Conf. ...), das Kind der Mensch lerne seine die Muttersprache so:

    Augustinus sagt uns ein Mensch lerne seine ...194

    Damit gibt sich Wittgenstein nun wieder zufrieden; von hier geht er in den Band und schreibt dort auf der der Seite 1 gegenüberliegenden Rückseite des Titelblatts eine neue Einleitung (= ¤142 ii):

    Augustinus sagt ( uns ), der Mensch lerne seine Muttersprache so:195

    Man muß sich nun denken, daß (um die Jahreswende 1936/37) in Wien oder Cambridge aus den bisher in Ms142 vom Anfang der Untersuchungen bestehenden Versionen - im Rahmen der Erstellung eines ersten Teils von Ts220 - eine Fassung, wohl ¤142ii, in die Maschine diktiert wurde (= ¤220 i).196 Von dieser Fassung ist im Typoskript nur noch ein Teil erhalten, nämlich Ts220: S.2f. Wenn wir Ms142: S.2-4 mit Ts220: S.2-3 vergleichen, so können wir eindeutig feststellen, daß das letztere auf dem ersteren beruht. Der Anfang aus Ms142 muß im Typoskript auf der nicht mehr erhaltenen ersten Seite gestanden haben; das, was im erhaltenen Typoskript auf eineinhalb Seiten ausgedehnt ist197, fand zuerst also auf einer einzigen Seite Platz, was sich leicht aus der kürzeren Fassung des Augustinus-Zitats198 und der größeren Zeilenzahl auf der ursprünglichen Seite199 erklären läßt.

    Das, was in Ts220, so wie es heute erhalten ist, auf den ersten drei Seiten steht, ist aber ein Diktat, das durch eine weitere Revision zustandegekommen ist, deren Ergebnis sich in Ms142 auf den Seiten 77 und 78 (= ¤142iii) findet. Die Reinschrift in Ms142, welche z.T. die aus der vorigen Fassung beizubehaltenden Teile ausläßt, muß auf einer eigenen Vorlage beruhen, die nicht mehr erhalten ist; diese läßt sich jedenfalls nicht aus anderen Teilen des Manuskripts oder aus Ms152 und Ms140 herauskristallisieren. Es ist gut möglich, daß die Revision direkt auf der ursprünglichen Seite 1 von Ts220 vorgenommen wurde, dieses Blatt aber nach der Reinschrift in Ms142: S.77-78 oder nach dem erneuten Diktat in Ts220: S.i-iii weggeworfen wurde. Zwischen ¤142iii und ¤220ii steht aber noch eine weitere Version, ¤239; denn ¤142iii wurde zuerst nicht als ¤220ii, sondern als ¤239 reingeschrieben. Wann ¤220ii entstand, ist unklar; es muß aber vor 1942 gewesen sein.200

    Die Textgenese, die zum Anfang des heutigen Ts220 geführt hat, ist also beiläufig die folgende:

    (1) Anfang November 1936: Ms152: S.38-40 (= ¤152i) und Ms140: loses Blatt (= ¤140)

    (2) Anfang November 1936: Ms142: S.1-4 und dessen Überarbeitung (= ¤142i)

    (3) November-Dezember 1936: Ms152: S.87 (= ¤152ii)

    (4) November-Dezember 1936: Ms142: Titelblatt Rückseite (bildet mit dem bestehenbleibenden Teil von ¤142i (§§2-5) ¤142ii)

    (5) Jahreswende 1936/37: Diktat von ¤142ii in Ts220 (= ¤220i)

    (6) Überarbeitung von ¤220i und Reinschrift in Ms142: S.77-78 (bildet zusammen mit den bestehenbleibenden Teilen aus ¤142ii ¤142iii)

    (7) Sommer 1937: Diktat von ¤142iii als ¤239 und evtl. Ts220: S.i-iii (bildet zusammen mit Ts220: S.2-3 ¤220ii)201

    Wenn es aber tatsächlich der Fall ist, daß ¤220i um die Jahreswende 1936/37 entstand und ¤142iii jünger ist als ¤220i (was außer Zweifel stehen dürfte), dann wurde Ms142 zu einem Großteil, nämlich ab Seite 77, erst 1937 geschrieben. Es spricht nichts dagegen, daß Wittgenstein die Niederschrift in Ms142 im Frühjahr 1937 in Skjolden fortsetzte; daß er dieses Manuskript seiner Schwester "einmal zu Weihnachten"202 schenkte, muß ja nicht bedeuten, daß es sich dabei um Weihnachten 1936 handelte - schließlich brauchte er das Manuskript ja auch, um daraus im Sommer 1937 Ts220 zu diktieren.

    Im folgenden gehe ich auf einige der eben textgenetisch eingeordneten Texte noch einmal etwas genauer ein.

    2.3.2 Entwürfe: ¤140 (1936)203

    Bevor Wittgenstein - nach den Entwürfen in ¤152i - es wagte, seine neuen "Philosophischen Untersuchungen" im Band Ms142 zu starten, versuchte er noch einmal deren Anfang auf einem losen Blatt, das (heute) zum "Großen Format", Ms140, gehört. In Ms140 hatte Wittgenstein bereits 1933-1934 Teile der Ms114-Revision des Big Typescript noch einmal umgearbeitet; die betreffenden Seiten waren 1-39 paginiert worden204. Es ist gut möglich, daß Wittgenstein das Große Format - zusammen mit dem Big Typescript und den anderen Teilen seiner Überarbeitung, Ms114 und Ms115 - bei sich in Norwegen hatte.

    Der Versuch zum Anfang der "Untersuchungen" beginnt mit der letzten der Einleitungs-Proben aus ¤152i; sie wurde dort mit einem Strich markiert:

    Augustinus beschreibt, wie der Mensch die Sprache lernt, so:

    Daran schließt sich das Zitat an, diesmal auch mit dem in ¤115ii noch fehlenden und oben (in Kapitel 2.2.4) angesprochenen letzten Teil:

    Pensabam memoria: cum ipsi appellabant rem aliquam et cum secundum eam vocem corpus ad aliquid movebant, videbam et tenebam hoc ab eis vocari rem illam, quod sonabant, cum eam vellent ostendere. ---- ita verba in variis sententiis locis suis posita et crebro audita quarum rerum signa essent paulatim colligebam measque iam voluntates edomito in eis signis ore per haec enuntiabam.205

    Das erstemal in der Geschichte von PU §§1-4 folgt darauf eine Interpretation des Zitats im Sinne von PU §1c: Augustinus' Beschreibung vermittelt ein bestimmtes Bild von der Sprache - Nämlich das Bild, daß die Wörter Gegenstände benennen und daß die Sätze Verbindungen solcher Benennungen (Namen) sind - Dieses Bild ist für die Auffassung verantwortlich, daß jedes Wort eine Bedeutung hat206, daß Wörter Bedeutung haben und daß die Bedeutung eines Wortes der Gegenstand ist, für den das Wort steht. Gegen die Einfachheit des durch Augustinus vermittelten Bildes setzt Wittgenstein, wenn auch noch nicht ausformuliert, das Einkaufsbeispiel; es ist hier das erste Mal als Teil der Diskussion von Augustinus' Beschreibung des Lernens eingeplant:

    §2
    Denken wir uns diese Stelle Dir aber diese Verwendung der Sprache: vor:207

    In Ms152: S.41 gehört das Einkaufsbeispiel dann bereits zum akzeptierten Text:

    Außer den vier Wörtern Platte Würfel etc. enthält enthalte die Sprache sie nun eine Reihe Wörterreihe die gebraucht verwendet wird wie der Kaufmann in (2) die Zahlwörter gebraucht verwendet.208

    2.3.3 Der Rückgriff auf das Big Typescript: Von ¤142i zu ¤142ii (1936)

    Mit Ms142 kommen wir zu Fassungen, die ¤PU unvergleichlich näher sind als alle bisherigen. Zugleich passiert in Ms142 aber auch ein Schritt zurück: Denn hier werden Richtungen weiterverfolgt, die zuletzt in ¤213 gesetzt worden waren; andere Richtungen aber, die inzwischen erarbeitet worden waren, werden wieder vernachlässigt.

    Gemeinsam mit dem Endprodukt hat ¤142 einmal die Numerierung. Allerdings umfaßt das, was in ¤PU §§1-4 ausmacht, hier fünf Paragraphen; denn PU §1e steht hier als eigener Paragraph 2. Im übrigen ist die Paragrapheneinteilung dieselbe. Wie die Numerierung, so wurden auch die Einleitung zum Augustinus-Zitat und das Zitat selber aus ¤140 übernommen. Die drei auf das Zitat folgenden Absätze (entsprechen PU §1c-1d) basieren ebenfalls auf ¤140. Anders ist es mit dem Einkaufsbeispiel: Dieses stammt vom Dezember 1933, aus Ms115: S.79-80 (= ¤115i)209 und wurde hier aus der Ms115-Version reingeschrieben. Lediglich dessen Einleitung wurde wieder aus ¤140210 übernommen.

    Besonders im Darauffolgenden zeigt ¤142i große Nähe zu ¤213. Die Vorführung der Bauarbeitersprache orientiert sich weder an ¤115ii noch an ¤310 noch an irgendeiner anderen Fassung seit 1933, sondern greift auf ¤213, vielleicht auch auf ¤114, zurück. Allerdings fehlt hier nicht der in ¤YB ausgearbeitete Gedanke, es handle sich bei der Bauarbeitersprache um eine vollständige Sprache; dieser Gedanke wird hier das erste Mal in imperativische Form gesetzt:

    Fasse dies als vollständige primitive Sprache auf!211

    Die Paragraphen 4 und 5 waren seit ¤114 "verloren"; hier tauchen sie wieder auf, und zwar als eine Revision der ¤213-Version.

    Starke Hinweise darauf, daß als Vorlage für ¤142 ¤213 diente, sind die Verbindung von Augustinus' Beschreibung mit dem Begriff der Bedeutung, die Verknüpfung des Begriffes der Bedeutung mit einer primitiven Auffassung vom Funktionieren der Sprache und die Wahl der Beispiele pro Augustinus' Beschreibung (Hauptwörter und Namen, "Tisch", "Baum", "Brot"212).

    Die erste Niederschrift von ¤142i wurde bald revidiert: in Ms142: S.1-4 finden sich viele Streichungen und Ergänzungen. Eine bringt folgenden Zusatz zu §4:

    Theorien der Nationalökonomiker213

    Die "Theorien der Nationalökonomen" - als ein weiteres Beispiel für das Problem des Gültigkeitsbereiches einer Darstellung - finden sich noch in ¤227, werden dann aber dort mit Hand gestrichen und kommen demgemäß auch nicht in ¤PU vor. Man darf annehmen, daß die Revisionen auf den Seiten 1 bis 4 spätestens mit ¤142ii schon da waren; beim Diktat von ¤142ii in die Maschine - wovon in ¤220i noch Reste erhalten sind, die Seiten 2 und 3 - wurden sie jedenfalls berücksichtigt.

    2.3.4 Die Frühversion: Von ¤142iii zu ¤220ii (1937-1942)214

    Die bedeutendste Veränderung von ¤142ii zu ¤142iii liegt in der neuerlichen (zweiten) Erweiterung des Augustinus-Zitats:215

    cum [majores homines] appellabant rem aliquam, & cum secundum eam vocem corpus ad aliquid movebant, videbam, et tenebam hoc ab eis vocari rem illam, quod sonabant, cum eam vellent ostendere. Hoc autem eos velle ex motu corporis aperiebatur: tamquam verbis naturalibus omnium gentium, quae fiunt vultu et nutu oculorum, ceterorumque membrorum actu, & sonitu vocis indicante affectionem animi in petendis, habendis, rejiciendis, faciendisve rebus. Ita verba in variis sententiis locis suis posita, & crebro audita, quarum rerum signa essent, paulatim colligebam, measque jam voluntates, edomito in eis signis ore, per haec enuntiabam.216

    Mit diesem Zitat geht Wittgenstein über das Problem der Bedeutung hinaus; er macht Augustinus zum Ausgangspunkt für eine ganze Reihe von Themen, die im Zentrum der "Philosophischen Untersuchungen" stehen: die hinweisende Definition - die Bedeutung der Wörter, im besonderen die gegenstandstheoretische Auffassung der Bedeutung - die Frage nach der Existenz eines universalen Verständigungmittels, das Thema der Körpersprache - das Verhältnis zwischen Empfindung und Ausdruck - die Frage danach, wie man eine Sprache lernt - das Verhältnis zwischen Denken und Sprechen.

    Es ist gut möglich, daß Wittgenstein durch die seit Anfang November 1936 geleistete Arbeit (Ms142 bis Seite 76) größere Einsicht in den Umfang und Kontext seiner Untersuchungen gewonnen hatte und von da aus die Stelle in den Confessiones mit neuen Augen sah, sodaß Augustinus nicht mehr "nur" als Einleitung zum Thema Lernen der Sprache und Bedeutung fungieren sollte, sondern auch z.B. dazu, wie sich Denken und Sprechen und "Innen" und "Außen" zueinander verhalten, oder z.B. zu der Frage der "gemeinsamen menschlichen Handlungsweise"217, und Wittgenstein das Zitat dementsprechend erweiterte.

    Die Tatsache, daß Wittgenstein zum Paragraphen mit dem Augustinus-Zitat in Ms142 zuerst zwei größere Versuche (¤142i und ¤142ii) anstellte, darauf den jüngsten in die Maschine diktierte (¤220i) und diesen dann wieder in Ms142 revidierte (¤142 iii), zeigt, wie sehr ihm an einem guten Anfang, und gerade an einem Anfang mit der Diskussion der Augustinschen Beschreibung, gelegen war.218 Auf Seite 77 von Ms142 begann Wittgenstein also erneut damit, den Anfang zu seinem Buch zu proben (¤142iii); dieser Neuansatz führte dazu, daß die damals bereits vorliegende erste Seite von Ts220 schließlich wieder ausgetauscht wurde. Den genaueren Hergang muß man sich folgendermaßen denken:

    Nach der Niederschrift und teilweisen Revision von Ms142: S.1-76 (§§1-85) diktierte Wittgenstein höchstwahrscheinlich - noch bevor er im Manuskriptband fortsetzte - erst einmal diese Seiten in die Maschine (¤220i); wann und warum er dies tat, ist nicht ganz klar - es kann z.B. anläßlich seines Aufenthalts in Österreich/England um die Jahreswende 1936/37 passiert sein. Diktiert wurde bis zum Ende von Ms142: §85 (S.76); mit dieser Bemerkung schließt Ts220: S.65. Ts220: S.66 fährt mit der Behandlung der Frage fort, inwiefern die Logik etwas Sublimes sei (§86); die entsprechende Bemerkung beginnt im Manuskript zwar unmittelbar nach §85 (noch auf Seite 76), sie überspringt aber die nächste und den Großteil der übernächsten Seite und geht erst auf Seite 78 weiter. Denn diese eineinhalb Seiten enthielten bereits eine "[Verbesserung der ersten Seiten:]"219 (¤142iii), sodaß §86 erst auf Seite 78 unten fortgesetzt werden konnte. Die neueste Version, ¤142iii, wurde, wohl spätestens im Sommer 1937, wieder maschinegeschrieben: im Nachlaß findet sich ein Typoskript, das eine maschinegeschriebene Reinschrift genau dieser neuesten Version enthält: Ts239.

    Ts239, das erst 1977 wieder entdeckt wurde,220 besteht fast vollständig

    aus Kopieseiten des TS 220 mit zahlreichen handschriftlichen Änderungen und Zusätzen von Wittgensteins Hand. Ausnahmen sind nur die drei ersten Seiten (1, 2, und 2a des TS 239) und elf Seiten ohne laufende Nummer zwischen <den> Seiten 77 und 94 des TS 239.221

    Die gängige Auffassung ist, daß Ts220 Ende 1942 oder Anfang 1943 zu Ts239 überarbeitet worden war.222 Das ist sehr gut möglich; die ersten drei Blätter aber, die Seiten "1", "2" und "2a" (¤239), müssen vor Ts226, also spätestens im Herbst 1938, entstanden sein. Denn Rhees' Übersetzung der ersten 4 Paragraphen beruht eindeutig auf der Ts239-Fassung. Eine genauere Datierung der ersten drei Blätter wird weiters durch die Beobachtung ermöglicht, daß diese drei Blätter eine maschinegeschriebene Reinschrift von ¤142iii darstellen und ¤142iii viel näher sind, als es ¤220ii ist. ¤239 dürfte also noch 1937 entstanden sein; es war offensichtlich gedacht als Ersatz für die Seiten vor der "3." paginierten Seite von Ts220; daher wurde in ¤239 eine Paginierung "1, 2, 2a" notwendig.

    Dafür, ¤239 vor ¤220ii anzusiedeln, sprechen vor allem zwei Punkte. Ts239: S.2 enthält, wie Ms142: S.78, folgende Textalternative (der erste Teil der alternativen Passage und die Endmarkierung der Alternativität sind mit Hand gestrichen):

    und an die Namen von Personen, und an die übrigen Wortarten wie an etwas, das sich finden wird. // und die Namen von Personen, erst in zweiter Linie an die Namen gewisser Tätigkeiten und Eigenschaften, und an die übrigen Wortarten als an etwas, was sich finden wird.//223

    ¤220ii enthält lediglich die zweite Formulierung:

    und die Namen von Personen; erst in zweiter Linie an die Namen gewisser Tätigkeiten und Eigenschaften, und an die übrigen Wortarten als an etwas, was sich finden wird.224

    Eine zweite Alternative lautet folgendermaßen (hier wurde die zweite Formulierung mit Hand gestrichen):

    Jener philosophische Begriff der Bedeutung ist in einer primitiven Vorstellung, von der Art und Weise wie die Sprache funktioniert, zu Hause. // Jener philosophische Begriff der Bedeutung ist in einer primitiven Auffassung von der Art und Weise, wie unsre Sprache funktioniert, zu Hause. //225

    Auch hier enthält ¤220ii von der Alternative in ¤142iii lediglich das, was in ¤239, nach der Streichung übrigbleibt:

    Jener philosophische Begriff der Bedeutung ist in einer primitiven Vorstellung, von der Art und Weise, wie die Sprache funktioniert, zu Hause.226

    Es sieht also so aus, als ob ¤142iii zuerst als ¤239 diktiert, und dieses anstatt ¤220i an den Anfang von Ts220 gesetzt wurde. Später gab ¤239 dann eine Grundlage für ¤220ii ab. ¤220 ii steht auf fünf Blättern: Die ersten drei (Ts220: S.i-iii) enthalten die Neufassung von §§1-2 und des ersten Teils von §3 (entspricht PU §§1, 2a und 2b.1); auf den letzten zwei (Ts220: S.2-3) steht der erhalten gebliebene (und durch die Seiten i bis iii teilweise ersetzte) Rest von ¤220i: ein Teil von §2 und §§3-5.

    Warum aber - und wann - wurde der Text von ¤239 noch einmal neu diktiert, als ¤220ii? Diese Frage ist schwer zu beantworten; man darf annehmen, daß ¤239i spätestens 1942-1943227 aus Ts220 wieder ausgegliedert und dort von ¤220ii ersetzt worden war. Das würde bedeuten, daß die ersten drei Blätter des heutigen Ts220 vielleicht auch erst um die Jahreswende 1942/43 entstanden; es kann aber auch sein, daß beide Versionen - ¤239 und ¤220ii - gleich am Anfang oder im Zuge der Erstellung von Ts220 im Sommer 1937 entstanden sind.228

    Sowohl auf ¤239 als auch auf ¤220ii - hier allerdings nur im von ¤220i stehengebliebenen Rest - finden sich handschriftliche Revisionen. In ¤220ii gibt es davon eine große Zahl; in ¤239, das ab Seite "3." ja ein Durchschlag von Ts220 ist, viel weniger. Das Merkwürdige ist, daß von den handschriftlichen Revisionen in Ts220: S.2ff kaum eine in die Endversion Ts227 eingegangen ist - außer jenen, die schon in Ts220: S.i-iii (Teil von ¤220ii) übernommen worden waren und auch mit ¤239 übereinstimmen. Der weiteren Textgenese bis zu ¤227 lag also nicht Ts220 - mit seinen zahlreichen handschriflichen Korrekturen - zugrunde, sondern ¤239. Dies gilt auch für die ersten drei Paragraphen (PU §§1-2), sodaß ¤239 nicht nur, was die handschriftliche Revision betrifft, den Vorrang hatte, sondern auch, was das Maschinegeschriebene angeht - obwohl das Maschinenskript ¤239 ja eigentlich älter war als das Maschinenskript ¤220ii und von dem letzteren überholt sein sollte.229

    Auch für die englische Übersetzung, Ts226, wurde schließlich ¤239 verwendet, und nicht ¤220ii. Denn nicht nur basiert die Übersetzung textmäßig auf ¤239, sondern die ganze erste Seite von Ts226, welche das Augustinus-Zitat enthält, stammt von ¤239 und nicht von ¤220ii.230 Ein Beispiel, das ¤226's textmäßige Abhängigkeit von ¤239 zeigt, ist das folgende. Die Bemerkung

    Augustine however does not speak of a distinction between parts of speech (...) and of the other parts of speech as something that will come out all right. eventually.231

    ist eine Übersetzung der ersten Formulierung der alternativen Stelle aus ¤239, nicht jener Stelle aus ¤220ii.

    ¤226, enthält, wie der Rest von Ts226, keine maschinegeschriebenen Paragraphennummern, abgesehen von der "1" auf der Seite mit dem Augustinus-Zitat, das ja aus ¤239 stammt. Die Einteilung in Nummern wurde im Zuge der handschriftlichen Überarbeitung der Übersetzung von Wittgenstein selbst durchgeführt und fällt hier viel differenzierter aus als in Ts220 und Ts239, d.h. der Text wird hier in eine größere Anzahl von Paragraphen aufgeteilt; so entsprechen PU §§1-4 hier sieben Paragraphen, während es in ¤239 und ¤220ii fünf sind.

    ¤220ii scheint für die weitere Entwicklung tatsächlich keine Rolle gespielt zu haben. Es hat also seinen guten Grund, wenn uns zusammen mit Ts239, dem Träger der Textgenese ab 1942-1943, das erste Diktat von ¤142iii, und nicht das spätere ¤220ii, überliefert ist.

    Welches sind die Unterschiede zwischen der in ¤239 und ¤220ii überlieferten Frühversion und der Endversion ¤227? Abgesehen von einigen orthographischen Unterschieden, Unterschieden in der Zeichensetzung und der Ersetzung des "&"-Zeichens im Zitat durch "et" in ¤227 ist hier vor allem die unterschiedliche Gliederung in Absätze und Paragraphen zu nennen: Das Einkaufsbeispiel macht in der Frühversion einen eigenen Paragraphen (§2) aus, was die Numerierung der weiteren Paragraphen um 1 verschiebt. Darüber hinaus sind die Bemerkungen in der Frühversion viel stärker in Absätze gegliedert; an die Stelle dieser Art von Gliederung treten in der Spätversion teilweise Gedankenstriche.232 Zweitens fehlt der Frühversion völlig die Übersetzung des Augustinus-Zitats. Drittens gibt es einige kleinere inhaltliche Unterschiede; so heißt es z.B. in der Frühversion "färbiges Täfelchen" und "Farbe des Täfelchens"233, während in der Endversion "Farbmuster" und "Farbe des Musters"234 steht - ohne daß diese Änderung durch eine handschrifliche Revision in der Frühversion vorbereitet worden wäre.

    2.3.5 Die Endversion: ¤227 (1944-1950)

    Das Originaltyposkript Ts227, das die Druckgrundlage für den ersten Teil der Untersuchungen abgab, ist verloren. Es gibt davon aber zwei Durchschläge, die beide an der Trinity College Library in Cambridge aufbewahrt werden. Diese beiden Durchschläge nenne ich hier Ts227-α und Ts227-β; der letztere wurde erst 1993 entdeckt.235 Die Durchschläge stimmen naturgemäß im Maschinegeschriebenen völlig überein; beide Durchschläge enthalten aber zusätzlich Korrekturen in Wittgensteins Hand. Was den Text der ersten vier Paragraphen betrifft, so führen diese Korrekturen in beiden Fällen zu demselben Endtext, d.h. die Texte von Ts227-α und Ts227-β unterscheiden sich nicht. Es sieht so aus, als ob die Korrekturen zuerst in Ts227-β vorgenommen und dann von da in Ts227-α übertragen worden wären.

    Mit ¤227 - dessen Maschinegeschriebenes zur Zwischenversion gehört, also schon 1944 entstanden ist - sind wir zu der in ¤PU vorfindbaren Gestalt gekommen: Der Text ist in vier Paragraphen gegliedert (das Einkaufsbeispiel wurde in den ersten Paragraphen hereingenommen), und zum Augustinus-Zitat gibt es eine Übersetzung. Allerdings: Der Text, wie ihn Ts227-α und Ts227-β enthalten, ist nicht identisch mit dem Text von PU §§1-4, auch nicht, wenn man die handschriftlichen Nachträge berücksichtigt. Dies bedeutet entweder, daß die Herausgeber den Text nicht originalgetreu wiedergegeben haben, oder aber, daß die Unterschiede in der Druckfassung darauf beruhen, daß es außer den handschriftlichen Revisionen in Ts227-α und Ts227-β noch andere handschriftliche Revisionen gab (z.B. in der verlorengegangenen Druckvorlage), die nun für die Druckfassung verwendet wurden. Ob die Unterschiede zwischen veröffentlichtem Text und erhaltenem Nachlaßtext von Wittgenstein stammen oder nicht - sie sind nicht so groß, daß wir um die Authentizität der Veröffentlichung fürchten müßten.236 Es handelt sich um folgende Unterschiede:237

    In Ts227-α und Ts227-β heißt es "indicante affectionen<falsch> animi" und "measque jam voluntates"238, in der Veröffentlichung "indicante affectionem animi" und "measque iam voluntates". Am Ende des Augustinus-Zitats steht in Ts227-α und Ts227-β ein hochgesetztes Pluszeichen:

    (...) edomito in eis signis ore, per haec enuntiabam.+239

    Das Pluszeichen ist am unteren Rand der Seite wiederholt: Hier folgt, nach dem in den Untersuchungen §1c.2 entsprechenden Text, die deutsche Übersetzung des Zitats (welche mehrere Korrekturen in Wittgensteins Hand enthält):

    + Nannten die Erwachsenen irgend einen Gegenstand und wandten sie sich dabei ihm zu, so nahm ich es das wahr und ich begriff, daß der Gegenstand durch die Laute, die sie aussprachen, bezeichnet wurde, da sie auf i h n hinweisen wollten. (...)240

    In PU §1 ist die Übersetzung in den Haupttext genommen, markiert durch Kleindruck und eckige Klammern.241

    PU §1c steht in ¤227 als zwei Absätze242, in der Veröffentlichung jedoch als einer. Nach

    (...) Sätze sind Verbindungen von solchen Benennungen.

    lassen sich in Ts227-β zwei schwache Gedankenstriche erkennen. Am linken Rand von

    In diesem Bild von der Sprache finden wir die Wurzeln der Idee (...)

    findet sich ein unklares Zeichen, wahrscheinlich ein Absatz-Korrekturzeichen. Beides, die Gedankenstriche und das Zeichen - das, so darf man annehmen, wahrscheinlich den Zusammenzug der Absätze anzeigen soll - sind in Hand, aber wohl nicht in Wittgensteins Hand.

    Weitere Unterschiede: In Ts227-α und Ts227-β heißt es:

    (...) der die Farbe des Musters hat.-- So, und ähnlich, operiert man mit Worten.-- (...) -- Nun, ich nehme an (...)243

    (...) es sei die Vorstellung einer primitiveren Sprache, als der unsern.244

    (...) den er gelernt hat, auf diesen Ruf zu bringen.-- Fasse dies als (...)245

    (...) nicht für das Ganze, das Du darzustellen vorgabst.246

    Denke Dir nun, daß Einer jene Schrift (...)247

    Die entsprechenden Stellen in den Philosophischen Untersuchungen lauten dagegen:

    (...) der die Farbe des Musters hat. - So, und ähnlich, operiert man mit Worten. - (...) - Nun, ich nehme an (...)

    (...) es sei die Vorstellung einer primitiveren Sprache als der unsern.

    (...) den er gelernt hat, auf diesen Ruf zu bringen. - Fasse dies als (...)

    (...) nicht für das Ganze, das du darzustellen vorgabst.

    Denke dir nun, daß Einer jene Schrift (...)248

    Appendix A: Der Text von PU §§1-4249

    1a.1=Augustinus, in den Confessiones I/8:
    1a.2=cum ipsi (majores homines) appellabant rem aliquam, et cum secundum eam vocem corpus ad aliquid movebant, videbam, et tenebam hoc ab eis vocari rem illam, quod sonabant, cum eam vellent ostendere. Hoc autem eos velle ex motu corporis aperiebatur: tamquam verbis naturalibus omnium gentium, quae fiunt vultu et nutu oculorum, ceterorumque membrorum actu, et sonitu vocis indicante affectionem animi in petendis, habendis, rejiciendis, fugiendisve rebus. Ita verba in variis sententiis locis suis posita, et crebro audita, quarum rerum signa essent, paulatim colligebam, measque iam voluntates, edomito in eis signis ore, per haec enuntiabam.
    1b=[Nannten die Erwachsenen irgend einen Gegenstand und wandten sie sich dabei ihm zu, so nahm ich das wahr und ich begriff, daß der Gegenstand durch die Laute, die sie aussprachen, bezeichnet wurde, da sie auf ihn hinweisen wollten. Dies aber entnahm ich aus ihren Gebärden, der natürlichen Sprache aller Völker, der Sprache, die durch Mienen- und Augenspiel, durch die Bewegungen der Glieder und den Klang der Stimme die Empfindungen der Seele anzeigt, wenn diese irgend etwas begehrt, oder festhält, oder zurückweist, oder flieht. So lernte ich nach und nach verstehen, welche Dinge die Wörter bezeichneten, die ich wieder und wieder, an ihren bestimmten Stellen in verschiedenen Sätzen, aussprechen hörte. Und ich brachte, als nun mein Mund sich an diese Zeichen gewöhnt hatte, durch sie meine Wünsche zum Ausdruck.]
    1c.1=In diesen Worten erhalten wir, so scheint es mir, ein bestimmtes Bild von dem Wesen der menschlichen Sprache. Nämlich dieses: Die Wörter der Sprache benennen Gegenstände - Sätze sind Verbindungen von solchen Benennungen. -
    1c.2=In diesem Bild von der Sprache finden wir die Wurzeln der Idee: Jedes Wort hat eine Bedeutung. Diese Bedeutung ist dem Wort zugeordnet. Sie ist der Gegenstand, für welchen das Wort steht.
    1d=Von einem Unterschied der Wortarten spricht Augustinus nicht. Wer das Lernen der Sprache so beschreibt, denkt, so möchte ich glauben, zunächst an Hauptwörter, wie "Tisch", "Stuhl", "Brot", und die Namen von Personen, erst in zweiter Linie an die Namen gewisser Tätigkeiten und Eigenschaften, und an die übrigen Wortarten als etwas, was sich finden wird.
    1e=Denke nun an diese Verwendung der Sprache: Ich schicke jemand einkaufen. Ich gebe ihm einen Zettel, auf diesem stehen die Zeichen: "fünf rote Äpfel". Er trägt den Zettel zum Kaufmann; der öffnet die Lade, auf welcher das Zeichen "Äpfel" steht; dann sucht er in einer Tabelle das Wort "rot" auf und findet ihm gegenüber ein Farbmuster; nun sagt er die Reihe der Grundzahlwörter - ich nehme an, er weiß sie auswendig - bis zum Worte "fünf" und bei jedem Zahlwort nimmt er einen Apfel aus der Lade, der die Farbe des Musters hat. - So, und ähnlich, operiert man mit Worten. - "Wie weiß er aber, wo und wie er das Wort ’rot’ nachschlagen soll und was er mit dem Wort ’fünf’ anzufangen hat?" - Nun, ich nehme an, er handelt, wie ich es beschrieben habe. Die Erklärungen haben irgendwo ein Ende. - Was ist aber die Bedeutung des Wortes "fünf"? - Von einer solchen war hier garnicht die Rede; nur davon, wie das Wort "fünf" gebraucht wird.
    2a.1=Jener philosophische Begriff der Bedeutung ist in einer primitiven Vorstellung von der Art und Weise, wie die Sprache funktioniert, zu Hause.
    2a.2=Man kann aber auch sagen, es sei die Vorstellung einer primitiveren Sprache als der unsern.
    2b.1=Denken wir uns eine Sprache, für die die Beschreibung, wie Augustinus sie gegeben hat, stimmt: Die Sprache soll der Verständigung eines Bauenden A mit einem Gehilfen B dienen. A führt einen Bau auf aus Bausteinen; es sind Würfel, Säulen, Platten und Balken vorhanden. B hat ihm die Bausteine zuzureichen, und zwar nach der Reihe, wie A sie braucht. Zu dem Zweck bedienen sie sich einer Sprache, bestehend aus den Wörtern: "Würfel", "Säule", "Platte", "Balken". A ruft sie aus; - B bringt den Stein, den er gelernt hat, auf diesen Ruf zu bringen. -
    2b.2=Fasse dies als vollständige primitive Sprache auf.
    3a.1=Augustinus beschreibt, könnten wir sagen, ein System der Verständigung; nur ist nicht alles, was wir Sprache nennen, dieses System.
    3a.2=Und das muß man in so manchen Fällen sagen, wo sich die Frage erhebt: "Ist diese Darstellung brauchbar, oder unbrauchbar?" Die Antwort ist dann: "Ja, brauchbar; aber nur für dieses eng umschriebene Gebiet, nicht für das Ganze, das du darzustellen vorgabst."
    3b=Es ist, als erklärte jemand: "Spielen besteht darin, daß man Dinge, gewissen Regeln gemäß, auf einer Fläche verschiebt ..." - und wir ihm antworten: Du scheinst an die Brettspiele zu denken; aber das sind nicht alle Spiele. Du kannst deine Erklärung richtigstellen, indem du sie ausdrücklich auf diese Spiele einschränkst.
    4=Denk dir eine Schrift, in welcher Buchstaben zur Bezeichnung von Lauten benützt würden, aber auch zur Bezeichnung der Betonung und als Interpunktionszeichen. (Eine Schrift kann man auffassen als eine Sprache zur Beschreibung von Lautbildern.) Denk dir nun, daß Einer jene Schrift so verstünde, als entspräche einfach jedem Buchstaben ein Laut und als hätten die Buchstaben nicht auch ganz andere Funktionen. So einer, zu einfachen, Auffassung der Schrift gleicht Augustinus' Auffassung der Sprache.

    Appendix B: Graphische Darstellung I der Textgenese

    Die ersten 11 Spalten der beiden Graphiken sind den relevanten Texten in den einzelnen Manuskripten und Typoskripten zugeordnet (¤111 bis ¤227). Die zwölfte Spalte enthält die in Appendix A definierten Abschnittsbezeichnungen für PU §§1-4. Markierung durch waagrechte Linien zeigt an, daß der betreffende Textteil aus PU §§1-4 in dem Nachlaßteil, dessen Spalte markiert ist, präsent ist: in der Form einer früheren Version, völlig ausgearbeitet, oder auch nur als eingeplant oder teilweise geübt. Aus der Darstellung kann man z.B. ablesen, daß PU §1a.2, das Augustinus-Zitat, zum erstenmal in ¤115ii (Ms 115: S.118, geschrieben 1936) auftaucht (wenn auch noch nicht in der vollen Form von PU §1a.2). Markierung durch diagonale Linien zeigt an, daß die Textpassage in den betreffenden Nachlaßteilen schwach präsent ist. Zur Markierung von §2b.1 unter ¤141 ist anzumerken, daß in diesem Manuskript zwar nicht die Diskussion der unzulänglichen Definition der Spiele vorkommt, diese Funkion aber von einem anderen Text erfüllt wird. Die Schattierung von §1e unter ¤152i und ¤140 steht nicht für eine volle Ausarbeitung von §1e; dieser Text ist in den beiden Manuskripten explizit eingeplant, aber nicht ausgeführt.

    Appendix C: Graphische Darstellung II der Textgenese

    Appendix D: Fragment einer Interpretation

    Was für eine Situation beschreibt Augustinus in dem von Wittgenstein zitierten Teil aus Confessiones I/8? - Offenbar geht es um das Lernen der (oder einer) Sprache: Ein Zuschauer und Zuhörer nimmt wahr, wie die Erwachsenen in bestimmten Kontexten, in denen Gegenstände eine besondere Rolle spielen, bestimmte Wörter verwenden, und lernt nach und nach, diese Wörter selbst richtig zu verwenden.

    Die Erwachsenen beziehen sich in dem hier beschriebenen Fall mit ihren Wörtern auf Gegenstände; daß dem so ist, und welche Gegenstände es sind, auf die sie sich beziehen, wird klar aus "der natürlichen Sprache aller Völker", der Parasprache, wie man sagen könnte. Die Parasprache spielt also eine ungemein wichtige Rolle, wenn es darauf ankommt, die von einem Sprecher geäußerten Laute mit den - sowohl dem Sprecher als auch dem Hörer zugänglichen - Gegenständen zu korrelieren. Sie ist das universale Medium, anhand dessen der Sprachenunkundige sich eine ihm unbekannte Sprache in eine ihm bekannte übersetzen kann. Ist Augustinus' Beschreibung also die Beschreibung des Lernens einer Zweitsprache? Sie kann durchaus so gelesen werden: Jemand kommt in ein fremdes Land. Es muß sich bei diesem Jemand nicht um ein Kind handeln; daß die Sprecher im Zitat Erwachsene sind (was eine Konstellation Erwachsener - Kind suggeriert), kann auch von daher verstanden werden, daß man sich in einem fremden Land, dessen Sprache man erlernen will, primär am Sprechen der Erwachsenen orientiert. Denn die sieht man in dieser Hinsicht für kompetenter an als die Kinder. Sobald der Ausländer dann - mit Hilfe der "natürlichen Sprache aller Völker" (der Parasprache) als Übersetzungsmittel - genügend Kenntnisse darüber erlangt hat, welche Gegenstände mit welchen Wörtern bezeichnet werden, und sobald er diese Wörter auch phonetisch beherrscht ("als nun mein Mund sich an diese Zeichen gewöhnt hatte"), kann er in der Fremdsprache nach diesen Gegenständen fragen oder sogar um sie bitten. Augustinus' Beschreibung scheint eine gute Beschreibung dessen zu sein, wie man in einem fremden Land die Sprache dieses fremden Landes lernt.

    Wollte Augustinus mit dem Zitierten das (sein) Lernen seiner Muttersprache beschreiben, oder tatsächlich, wie er eine zweite Sprache gelernt hat, z.B. Latein (falls dies nicht seine Muttersprache sein sollte)? - Weder habe ich genügend biographische Informationen, um diese Frage zu beantworten, noch spielt sie für die Interpretation von §§1-4 eine besondere Rolle, außer in dem Fall, wenn man sich speziell dafür interessieren würde, wie redlich Wittgenstein mit Zitaten umgeht. Jedenfalls interpretiert Wittgenstein das Augustinus-Zitat im Sinne einer Beschreibung des Lernens der ersten Sprache und macht dann Augustinus folgenden Vorwurf: Er möchte eigentlich das Lernen der Muttersprache beschreiben, beschreibt aber tatsächlich das Lernen einer zweiten Sprache (§ 32). Handelt es sich bei Augustinus' Vergehen nur um eine Nachlässigkeit? Oder ist Augustinus - immer vorausgesetzt, er will das Lernen der Muttersprache beschreiben - tatsächlich der Auffassung, diese beiden Vorgänge könne man über einen Kamm scheren?

    In §1c meint Wittgenstein, das eben Zitierte vermittle folgendes Bild von der menschlichen Sprache: "Die Wörter der Sprache benennen Gegenstände - Sätze sind Verbindungen von solchen Benennungen." Nur sehr wenige (der nicht bereits von Wittgenstein eingenommenen) Leser würden auf die Frage, welches Bild von der Sprache das Augustinus-Zitat vermittle, mit Wittgensteins Antwort aufwarten. Die von Wittgenstein vorgeschlagene Interpretation ist eben nur unter besonderen Prämissen in dem Zitierten enthalten. Denn erstens sagt Augustinus (in diesem Zitat) an keiner Stelle, daß alle Wörter - was Wittgensteins Formulierung "Die Wörter der Sprache" doch zumindest nahelegt - Gegenstände bezeichnen; Augustinus erzählt ganz einfach von Fällen, wo die Erwachsenen mit Hilfe von Wörtern auf Gegenstände referieren. In diesem Zusammenhang betont er die Rolle der Parasprache beim Verstehen des Referierens. Zweitens steht bei Augustinus nichts davon (nicht einmal in Wittgensteins eigener Übersetzung in §1b), daß "Sätze Verbindungen von Benennungen" sind; sondern es heißt lediglich, daß der Sprache-Lernende durch die wiederholte Beobachtung der Position der Wörter in den Sätzen und durch ihr häufiges Hören mit Hilfe der Parasprache nach und nach verstanden hat, wofür sie stehen. Nur wenn man zugibt, daß Augustinus oben ("cum ipsi (...) vellent ostendere.") von allen Wörtern spricht und hier ("Ita verba (...) et crebro audita") wieder alle Wörter eines Satzes meint, kann man daraus eventuell - und man muß Augustinus dazu mindestens noch die Auffassung zuschreiben, daß Wörter Namen sind - herauslesen, daß in Augustinus' Augen Sätze "Verbindungen von Benennungen" sind. Bedenkenswert ist, daß das lateinische "res" nicht unbedingt, und nicht überall, wo es im lateinischen Original vorkommt, im Sinne von "konkreter Gegenstand" gemeint sein muß. Das "quarum rerum signa essent" kann doch auch neutral mit "wofür sie [die Wörter] Zeichen sind" oder "für welche Sachen sie [die Wörter] Zeichen sind" übersetzt werden. Ist Wittgensteins Interpretation tendenziös? Und wenn Augustinus' Beschreibung tatsächlich die Beschreibung des Lernens der Muttersprache ist - stimmt es denn nicht, daß das Kind zuerst Namen (oder zumindest: Sprechen als Benennen) lernt?

    Es wird erstens behauptet, daß Augustinus' Beschreibung ein gewisses Bild vermittle, und zweitens, daß dieses Bild schuld ist an einer bestimmten Idee; oder aber, schwächer: daß eine bestimmte Idee auf dieses Bild zurückgeht, auch wenn dies dem Bild selber nicht angelastet werden darf. Warum ist "Die Wörter der Sprache benennen Gegenstände - Sätze sind Verbindungen von solchen Benennungen" ein Bild vom Wesen der Sprache? Ist hier mit "Bild" einfach "vereinfachte Auffassung" gemeint? Oder ein idolum im Baconschen Sinne (alle vier Typen von idola würden passen)? Warum sagt Wittgenstein nicht, daß Augustinus vom Beobachten des Fremdsprachenlernens ein bestimmtes Bild vom Wesen der Sprache erhalten und dieses Bild dann auf das Lernen der Muttersprache übertragen hat, also von einem bestimmten Bild "verführt" wurde?

    Bei der "Idee" handelt es sich, kurz gesagt, um die sogenannte gegenstandstheoretische Auffassung von der Bedeutung eines Wortes: "Jedes Wort hat eine Bedeutung. Diese Bedeutung ist dem Wort zugeordnet. Sie ist der Gegenstand, für welchen das Wort steht."

    Gehen wir ein paar Schritte zurück: Augustinus beschreibt das Lernen der Sprache so, als ob es sich dabei um dasselbe Phänomen wie das Lernen einer zweiten Sprache handelte. Er hat unachtsamerweise die Vorstellung, die er vom Lernen einer Fremdsprache hat, auf das Lernen der Muttersprache übertragen. (Daß Augustinus' Auffassung vom Lernen einer Fremdsprache in Wittgensteins Augen auch nicht uneingeschränkt richtig ist, wird später aus jenen Stellen deutlich, wo Wittgenstein die traditionelle Auffassung von der ostensiven Definition einer kritischen Revision unterzieht.) Durch dieses verborgene Mißverhältnis zwischen Beschreibung und zu Beschreibendem - das von der Beschreibung konstituierte Objekt entspricht nicht dem zu beschreibenden Objekt - erhält der Leser von Augustinus (der glaubt, hier würde das Lernen der Sprache beschrieben) ein bestimmtes (verstanden: falsches) Bild von der menschlichen Sprache - außer er entdeckt eben, daß die Beschreibung nicht zutreffend ist. Das Augustinus-Zitat soll also nicht nur den Strohmann für eine kritikwürdige Auffassung abgeben; daran soll auch gezeigt werden, daß kritikwürdige philosophische Auffassungen vielfach auf Beschreibungssünden zurückgehen. Der Leser erhält durch die Augustinus-Beschreibung vom Lernen der Sprache ein falsches Bild von dem Wesen der menschlichen Sprache: unter "Wesen" kann man einerseits, klassisch, das verstehen, was die Sprache zur Sprache macht, oder anderseits das, was man je als "das Wichtigste", "das Relevante" an der Sprache ausgeben mag. Je nachdem, welche Interpretation man adoptiert, wird Wittgensteins Kritik an Augustinus (soweit wir bereits an dieser Stelle §1c als Kritik und als Wittgensteins Kritik lesen) als stärker oder schwächer angesehen werden können. Die Frage, ob diese Kritik tätsächlich für Augustinus gilt, sei hier noch einmal berührt: Zumindest kann zur Verteidigung Augustinus' angeführt werden, daß das Augustinus-Zitat eher dem autobiographischen als dem philosophischen Genre angehört, daß aber Wittgenstein es in einem philosophisch-fachsprachlichen Sinne interpretiert. Niemand braucht ihm das zu verwehren; allerdings darf man auch nicht verkennen, daß dann u.a. die Wörter "res" ("Gegenstand"), "vocare" ("bezeichnen"), "ostendere" ("hinweisen") in den beiden Texten, den Confessiones I/8 von Augustinus und dem Zitat in §1b, verschiedene Rollen innehaben (einmal abgesehen davon, daß schon Wittgensteins Übersetzung eine besondere Interpretation darstellt). Insbesondere ist zu sagen, daß in §1c das Augustinsche Vokabular mit einem philosophischen Fachterminus ("Bedeutung") in Zusammenhang gebracht wird, der im Zitat selber gar nicht vorkommt.

    Wenn hier (wie auch an anderen Stellen in den Untersuchungen) das Wort "Bedeutung" im Sinne des Tractatus verwendet wird, also im Sinne von "der Gegenstand, auf den durch das Wort referiert wird", kurz "Referent", dann ist die in PU §1c zitierte Idee schwer widerlegbar, bzw. sie ist, z.B. unter Zuhilfenahme der Metaphysik und Semantik des Tractatus, gut verteidigbar. "Jedes Wort hat eine Bedeutung. Diese Bedeutung ist dem Wort zugeordnet. Sie ist der Gegenstand, für welchen das Wort steht." Handelt es sich bei Wittgensteins Kritik des Bedeutungsbegriffs weniger um eine echte Kritik, um die Korrektur einer falschen Beschreibung dessen, was Bedeutung ist, als vielmehr um einen Fall von neuer Begriffsbildung? Sodaß, rückwirkend, Augustinus, Frege und der Wittgenstein des Tractatus besser von "Referent" reden sollten, wo sie von "Bedeutung" reden? Wenn das zweite der Fall ist, eine Änderung der Betrachtungsweise also und nicht eine Berichtigung innerhalb derselben Betrachtung, dann stellt sich die Frage, inwieweit die Untersuchungen den Tractatus korrigieren ("schwere Irrtümer", PU: Vorwort). Anders gefragt: Reden der Wittgenstein der Untersuchungen und der Wittgenstein des Tractatus über dasselbe, sodaß ein vernünftiger Streit darüber, was die Bedeutung eines Wortes ist, möglich ist? Die Untersuchungen können dem Tractatus vorhalten: "Du kannst schon eine gegenstandstheoretische Auffassung von der Bedeutung der Wörter vertreten, nur kostet es dich einen erheblicheren theoretischen Aufwand, bei bestimmten Wörtern noch von ’Bedeutung’ reden zu können (oder von ’Wörtern’)." Prinzipiell aber scheint der Tractatus gegenüber den Angriffen aus den Untersuchungen immun; hier hilft auch das Nothung-Argument (PU §§39-40) nicht weiter. Denn "Nothung" hat nach der Zerstörung seines Trägers ja tatsächlich keine Bedeutung im gegenstandstheoretischen Sinn, wenn man nicht die einfachen Gegenstände des Tractatus bemüht oder das Gelingen der Referenz davon unabhängig macht, daß der Referent zeitgleich existieren muß; wenn aber auf der anderen Seite der Kritiker des Tractatus meint, "Nothung" hätte doch Bedeutung, auch wenn sein Träger nicht mehr existiere, nämlich in dem Sinne, in welchem wir sagen würden, daß "Nothung hat eine scharfe Schneide" oder "Herr N.N. ist gestorben" doch Sinn haben, so ist ja gerade dieses vom Tractatus per Definition ausgeschlossen.

    "Von einem Unterschied der Wortarten spricht Augustinus nicht." Das kann heißen: Er spricht nur von einer Art von Wörtern, die anderen Arten kommen in der Beschreibung nicht vor; ihre Existenz und Andersartigkeit werden aber nicht verneint - oder aber: er redet von allen Wörtern, dies aber in einer Weise, wie es nur für eine bestimmte Art von Wörtern, nämlich für die Substantive, paßt (und hier bereits mit Einschränkungen). §1d schreibt Augustinus in dieser Frage ein leichtes "sowohl - als auch" zu: "Zunächst" hat Augustinus mit dieser Beschreibung wohl das Lernen bestimmter Substantive (Konkreta) vor Augen; wenn er diesem gerecht wird, dann ist das Wichtigste, das Wesentliche geleistet - das Übrige kann dann entweder auf dem Hintergrund des schon Geleisteten nachgeholt werden, oder wird schon sonst irgendwie, soweit es überhaupt wichtig ist, erhellt werden können. Augustinus kann man also - nach §1d - eine gewisse methodische Nachlässigkeit vorwerfen: Zwar nicht unbedingt, daß er explizit beanspruchen würde, mit seiner Beschreibung dem Ganzen gerecht zu werden, aber doch, daß er dem Teil, den er beschreibt, erstens einen vorrangigen und vielleicht zweitens sogar repräsentativen Stellenwert zubilligt, was Wittgenstein beides anficht.

    Welche Funktion hat §1e? Ist es ein Gegenbeispiel zu Augustinus' Auffassung vom Wesen und Funktionieren der Sprache - soweit eine solche in dessen Beschreibung zum Vorschein kommt? Warum wählt Wittgenstein eine "Verwendung der Sprache", die sehr exotisch anmutet? (Welcher Obsthändler sucht in einer Tabelle das Wort "rot" auf, um rote Äpfel verkaufen zu können? - Etwas anderes wäre es, wenn indischrote Tapeten gekauft werden sollten.) Spricht der Kaufmann dieselbe Sprache wie der Käufer? - Im Gegensatz zu Augustinus' Beschreibung (in Wittgensteins Interpretation) geht es in §1e um das Spracheverwenden, nicht um das Verstehen- und Sprechenlernen. Im Gegensatz zu Augustinus' Beschreibung, die sich auf bestimmte Substantive konzentriert, geht es in der Einkaufsgeschichte um "fünf rote Äpfel": ein Zahlwort, ein Adjektiv, ein Substantiv, also mehrere Wortarten.

    Man kann das Einkaufsbeispiel gut so verstehen, daß die Zeichen "Äpfel" und "rot" als Namen funktionieren: das eine bezeichnet den Inhalt einer Lade, das andere eine bestimmte Stelle in einer Farbtabelle. Handelt es sich also um ein Beispiel im Sinne der Beschreibung von Augustinus? Hier stört die "fünf": sie kann nicht so einfach wie "rot" und "Apfel" (d.h., nur unter größerem theoretischen Aufwand: z.B. wenn wir die Fünf tatsächlich platonisch als Gegenstand sehen) als Name eines Gegenstandes identifiziert werden, höchstens als Name für eine Handlung, das Fünfmal-Aus-Der-Lade-Nehmen. Die Frage nach der Bedeutung von "fünf" ist es schließlich auch, welche die Gesprächspartner entzweit. Aber wer stellt die Frage nach der Bedeutung von "fünf"? Diese Frage kann auf zweierlei Hintergrund gesehen werden. Einmal als kritische Frage an Augustinus (soweit man Augustinus' Beschreibung eine Theorie der Bedeutung unterstellen kann): Was nennst du dann die Bedeutung von "fünf"? Zum anderen aber - und der Co-Text legt diese Deutung näher - ist sie eine Frage desjenigen, der an einer Theorie der Bedeutung interessiert ist und dem Begriff der Bedeutung im Nachdenken über die Sprache einen ausgezeichneten Rang zuschreibt. Er bekommt zur Antwort, daß von einer Bedeutung gar nicht die Rede war, und auch nicht sein soll. Was für das Verstehen von Sprache wichtig ist - und auch genug, ist zu sehen, was damit getan wird. (So kommen auch die Wünsche des Inneren, die in Augustinus' Beschreibung eine so große Rolle spielen, in der Einkaufsgeschichte gar nicht vor.) Will Wittgenstein den eben noch von ihm selbst verwendeten Begriff der Bedeutung aus der Philosophie wieder ausmerzen?

    §1e ist ein gutes Beispiel dafür, wie schwierig es sein kann, zu entscheiden, wer in den Philosophischen Untersuchungen jeweils das Wort hat. Wer führt diese "Verwendung der Sprache" ein? Die Seite, auf der Wittgenstein/der Haupterzähler steht? Wer kann von der Suche nach Erklärungen im Mentalen ("Wie weiß er aber (...)") und dem Begriff der Bedeutung ("Was ist aber die Bedeutung (...)") nicht lockerlassen? Der Opponent? Wer gibt die zurückweisenden, störrischen Antworten, welche den Gedanken an eine Berechtigung der Fragen gar nicht aufkommen lassen?

    In §1e passiert, so scheint mir, etwas Ähnliches wie in §1c: Ein scheinbar unschuldiger Text wird philosophisch-kritisch hinterfragt, nur diesmal unter umgekehrtem Vorzeichen. Dort ist es Augustinus, der (von Wittgenstein?) theoretisch ausgelegt und damit anfechtbar wird - hier ist es ein theoretisch interessierter Philosoph, der durch zwei bescheidene kritische Fragen auf die ihm wichtigen Themen kommen will, aber (von Wittgenstein?) auf die Irrelevanz und sogar Ungehörigkeit seines theoretischen Ansinnens hingewiesen wird.

    §2a scheint mit §1e nichts zu tun zu haben, d.h., man könnte, solange es nur um das Verständnis von §2a geht, bei der Lektüre sofort von §1d auf §2a überspringen. "Jener philosophische Begriff der Bedeutung ist in einer primitiven Vorstellung von der Art und Weise, wie die Sprache funktioniert, zu Hause." Welcher philosophische Begriff der Bedeutung ist hier gemeint? - Gehen wir noch einmal zurück auf §1c: Dort ist die Rede von einer "Idee" (wohlgemerkt, nicht "Augustinus' Idee", sondern lediglich über mehrere Stationen auf Augustinus zurückführbar; und "Idee", nicht "philosophischer Begriff"): "Jedes Wort hat eine Bedeutung. Diese Bedeutung ist dem Wort zugeordnet. Sie ist der Gegenstand, für welchen das Wort steht." Ist dies der philosophische Begriff der Bedeutung? Diese "Idee" findet sich wohl irgendwie im semantischen Dreieck von Ogden und Richards. Sie fand sich teilweise auch im Tractatus (vor allem 3.203).

    Wichtig ist wohl in erster Linie, daß es dem Sprecher in §2a um eine gegenstandstheoretische Auffassung von Bedeutung geht. Dabei ist noch nicht ausgemacht, um was für eine Art von Gegenständen es sich handeln soll. Denn unter die Kandidaten für die Gegenstände in einer gegenstandstheoretischen Auffassung von Bedeutung fallen sowohl raum-zeitliche als auch abstrakte, sowohl reale als auch mentale Gegenstände. Im Falle von "Tasse" z.B. kann als die Bedeutung sowohl die reale Tasse als auch ein inneres Vorstellungsbild angesehen werden, das Wort kann für beide stehen.

    Gibt es neben dem "philosophischen Begriff der Bedeutung" (das Wort "philosophisch" kommt an dieser Stelle in den Philosophischen Untersuchungen zum erstenmal vor, und zwar in enger Verknüpfung mit dem Begriff der Bedeutung) noch einen anderen, gegen den der philosophische abgegrenzt werden müßte? Ein "alltäglicher" Begriff der Bedeutung? Oder spielt der Begriff der Bedeutung im Alltag keine Rolle (wie in §1e), außer in Übersetzungs- und Worterklärungssituationen? Ist hier auch gemeint: "jener philosophische Begriff der Bedeutung", also: jener philosophische Begriff der Bedeutung im Unterschied zu einem anderen philosophischen Begriff der Bedeutung?

    Von "jenem" philosophischen Begriff der Bedeutung (von dem wir annehmen, daß damit die "Idee" in §1c gemeint ist) wird gesagt, daß er in einer primitiven Vorstellung vom Funktionieren der Sprache zu Hause ist. Damit kann gemeint sein:
    (a) Eine zu einfache Vorstellung vom Funktionieren der Sprache, die z.B. durch die These, daß nicht jedes Wort eine Bedeutung hat, kritisiert werden kann.
    (b) Eine ontogenetisch und phylogenetisch ursprüngliche, aber zurückliegende Vorstellung von der Sprache, die u.a. in einer gegenstandstheoretischen Auffassung von Bedeutung besteht. - Aber stehen am Anfang der Sprache (sowohl ontogenetisch als auch phylogenetisch) nicht tatsächlich Substantive? Steht der primitive Zeichengebrauch nicht in engem Zusammenhang mit dem Zeigegestus? Können Hieroglyphen, Wandmalereien (und auch Teile der chinesischen Schrift) nicht als Verbindungen von Namen angesehen werden, als Sätze, die dadurch Geschichten erzählen, daß sie einzelne Elemente, die für Gegenstände stehen, miteinander verbinden? (Meint der Höhlenmensch, wenn ein Bär vorbeiläuft, mit dem Ruf "Bär!" "Bär!" oder "Ein Bär läuft vorbei!"? (Mit dieser letzten Frage beschäftigt sich Wittgenstein z.B. in §19.))

    Der Sprecher in §2a schlägt noch einen zweiten und überraschenden Weg vor, sich mit dem Primitiven in jener Vorstellung zu beschäftigen: Man kann hier von einer primitiven Vorstellung vom Funktionieren der Sprache reden, genausogut aber auch von der Vorstellung einer primitiveren Sprache. Eine eventuelle Kritik an jener primitiven Vorstellung von der Sprache kann also an zwei Seiten ansetzen: An der Vorstellung selber, die dem vorgestellten Phänomen nicht gerecht wird, oder aber an der Wahl des Vorstellungsobjektes, die hinterfragbar ist. Jedoch mit der Wendung, die mit der Veränderung der Betrachtungsweise von der in einem Sinne zu einfachen Vorstellung von der Sprache zur Vorstellung einer einfacheren Sprache vollzogen wird, wird die Kritik an dem in §1c explizierten "Bild" und der damit in Zusammenhang gebrachten "Idee" vorerst abgeschwächt. Wenn man sich x zu einfach vorstellt, dann macht man einen Fehler; man könnte aber auch sagen, daß man sich dann gar nicht mehr x, sondern x' (ein einfacheres x) vorstellt, und dann ist gar nicht mehr so klar, ob und wo man einen Fehler macht.

    Eine Linie in den Philosophischen Untersuchungen scheint es, traditionelle philosophische Auffassungen (wie hier den Begriff der Bedeutung) nicht durch direkte Kritik an der Auffassung zu kritisieren, sondern indirekt: Erstens wird gezeigt, daß die Auffassung auf einen bestimmten Gegenstand oder Bereich zutrifft; zweitens werden neue relevante Gegenstände eingebracht, auf welche die Auffassung nicht mehr zutrifft, und dadurch die Auffassung erweitert. Wittgenstein (soweit wir von Wittgenstein reden können) versucht also oft, die philosophische Betrachtungsweise dadurch zu ändern, daß er die Gegenstände der Betrachtung ändert und damit "das Primitive" an der ursprünglichen Betrachtungsweise hervorkehrt.

    Die primitivere Sprache, "für die die Beschreibung, wie Augustinus sie gegeben hat, stimmt", besteht aus den vier Wörtern "Würfel", "Säule", "Platte", "Balken". Fragen wir uns zuerst, warum Augustinus' Beschreibung des Sprachelernens (die paßt, wenn es darin um das Lernen einer primitiveren Sprache als der unseren geht) auf die in §2b vorgestellte Sprache zutrifft. (1) In der Sprache in §2b gibt es nur Substantive (rein syntaktisch gesehen; in der tatsächlichen Verwendung mögen sie wohl auch die Funktion von z.B. Verben übernehmen) - ebenso geht es in der Augustinschen Beschreibung des Lernens der Sprache, zumindest unterstelltermaßen und zumindest zuallererst, um Substantive. (2) In §2b und in Augustinus' Beschreibung spielt das Lernen eine wesentliche Rolle: B lernt, auf einen bestimmten Ruf einen bestimmten Stein zu bringen, dies wahrscheinlich unter Mithilfe der Gebärdensprache (darunter wieder der hinweisenden Geste) und durch Wiederholung - auch der Lernende in dem Zitat aus Augustinus lernt mit Hilfe der Gebärden, die zur "natürlichen Sprache aller Völker" gehört, und erst nach gebührender und wiederholter Erfahrung: "So lernte ich nach und nach verstehen, welche Dinge die Wörter bezeichneten (...)". (3) Im Lernen beider Sprachen wird so etwas wie das Begehren und die (universal mögliche) Verständigung darüber als ein Grundzug des menschlichen Wesens vorausgesetzt. Der kleine Augustinus wundert sich nicht darüber, ob und warum die Erwachsenen etwas begehren; es geht allein darum, zuerst mit Hilfe ihrer Gebärden, und später aus ihren Worten, herauszufinden, was sie begehren, um dann schließlich mit der erlernten Sprache das (bereits vor der Sprachkompetenz gegebene) eigene Begehren für andere verständlich ausdrücken zu können. - Die Sprache in §2b steht vor dem Hintergrund, daß A von B etwas will; B muß lernen, das zu tun, was A von ihm verlangt.

    Seit dem Bestehen menschlicher Gemeinschaft ist die Verständigung über innere Regungen, Strebungen und die höchsten, edelsten Vorgänge eine ihrer wichtigsten Grundlagen. Die Ausdrucksbewegungen, die wir gebrauchen, um unsere Gedanken und Gefühle zu zeigen und zu verbergen, sind die uns verbindende Sprache, die wir im individuellen Leben durch Beobachtung, Nachahmung, Belehrung und Überlieferung erlernt haben. Diese Sprache umfaßt nicht nur unsere artikulierten, nach komplizierten Gesetzen aufgebaute, mit den Sprachmuskeln geleisteten Bewegungen, sondern alle jenen unmittelbaren Äußerungen, durch die der leidende oder handelnde Mensch unmittelbar bemerkt werden kann. (De Crinis 1942: S.9)

    Kann man die Sprache in §2b überhaupt "Sprache" nennen? Gibt es in dieser Sprache denn einen Satz? Besteht sie nicht nur aus Substantiven? Spricht hier nicht nur einer? Kann man etwas eine Sprache nennen, wenn nur einer spricht? Folgt A hier allein einer Regel? Oder folgt A gar nicht einer Regel? Diese einwendenden Fragen werden durch den letzten Satz von §2b zu irrelevanten Fragen deklariert. Es geht nicht darum, ob die obige Sprache überhaupt als Sprache angesehen werden kann, sondern vielmehr gerade darum, daß man sie als Sprache ansehen soll; wenn auch nur als primitive Sprache, so doch als vollständige primitive Sprache: "Fasse dies als vollständige primitive Sprache auf."

    Welches ist also der Fehler, den Augustinus gemacht hat? Geben wir zu, daß seine Erzählung das in §1c vorgestellte "Bild von dem Wesen der menschlichen Sprache" suggeriert. Es heißt nun, Augustinus beschreibe tatsächlich ein System der Verständigung, "nur ist nicht alles, was wir Sprache nennen, dieses System".

    Vergleichen wir Augustinus' Beschreibung (des Lernens) der Sprache mit folgender Beschreibung des Eßverhaltens der Skandinavier: "Die Skandinavier essen gern Lutefisk". Darauf werden mir viele sagen: "Das kannst du gut sagen, aber schränke es vorerst mal lieber auf die Bergenser ein." Noch sicherer wäre es natürlich zu sagen: "Einige der Norweger essen gern Lutefisk".

    Welcher Fehler liegt der (doch allgemein als falsch angesehenen) Aussage "Die Skandinavier essen gern Lutefisk" zugrunde? (a) Ich kann einen Teil der Skandinavier für alle Skandinavier genommen haben, habe also z.B. fünf Norweger mit Genuß Lutefisk essen sehen und gedacht, diese fünf Norweger seien alle Skandinavier, und daher gesagt: "Die Skandinavier essen gern Lutefisk". (b) Ich habe die fünf Norweger mit Genuß Lutefisk essen sehen und gedacht, diese fünf Norweger sind repräsentativ für die Skandinavier, jetzt sage ich einmal mit gutem Gewissen: "Die Skandinavier essen gern Lutefisk". (c) Ich habe die fünf Norweger mit Genuß Lutefisk essen sehen und dann gedacht: "Jetzt weiß ich es: Die Skandinavier essen gern Lutefisk! Diese fünf Norweger sind die wichtigsten Skandinavier, was den Rest angeht, wird sich die Antwort schon finden lassen."

    Welchem von diesen drei Fehlern kann der Fehler Augustinus' zugeordnet werden? Nach §1d dem letzten, (c): Der Augustinus des Zitats muß nicht unbedingt gedacht haben, alle Wörter seien Substantive, sondern: Jetzt werden wir erst einmal mit den Substantiven fertig, für die übrigen Wortarten wird sich schon etwas finden lassen. Wird aber nicht gerade diese Deutung in §3 wieder in Frage gestellt? "Ja, brauchbar; aber nur für dieses eng umschriebene Gebiet, nicht für das Ganze, das du darzustellen vorgabst."

    Es ist richtig, daß §3a.1 auf alle Fälle zutrifft, wo eine unberechtigte Verallgemeinerung vorliegt, also auch auf einen Fall wie in §3a.2. Wenn aber §3a.2 direkt auf Augustinus gemünzt ist, dann ist Augustinus' Fehler nicht gemäß Fehler (c), sondern gemäß Fehler (a) zu interpretieren: Augustinus gäbe vor, das Ganze der Sprache zu beschreiben ("das Ganze, das du darzustellen vorgabst" - wie die Person in (a) eine Aussage über alle Skandinavier, nicht nur die fünf beobachteten, machen will), in der falschen Annahme, die Sprache bestehe nur aus Substantiven (Namen). Die Frage ist also: Gibt Augustinus (und das kann hier nur heißen: das Augustinus-Zitat in Wittgensteins Übersetzung) tatsächlich vor, die ganze Sprache zu beschreiben, und wenn ja, ist diese Beschreibung falsch? Wenn er aber nicht vorgibt, die ganze Sprache zu beschreiben, sondern ein bißchen nachlässig zuerst einmal nur über das ihm am wichtigsten Erscheinende reden will (§1d): Trifft seine Beschreibung zumindest auf das zu, auf das seine Beschreibung tatsächlich zielt?

    Die Vergleiche in §3b und §4 legen nahe, daß der Vorwurf tatsächlich im Sinne der ersten Frage zu verstehen ist: So wie man nicht richtig erklärt, was "Spielen" ist, wenn man nur von den Brettspielen redet, und wie man auch die Funktion einer Sprache, in der die Buchstaben nicht nur Laute, sondern auch Betonung und Interpunktion bezeichnen, nicht richtig einfängt, wenn man sagt, die Buchstaben dieser Sprache bezeichnen Laute - genau so verhält es sich mit "Augustinus' Auffassung der Sprache", wie sie Wittgenstein aus dem Zitat herausliest. Die Frage aber, welchen Fehler Augustinus nun eigentlich begangen hat, ist an der Stelle, wo mit dem zurückweisenden Satz "So einer, zu einfachen, Auffassung der Schrift gleicht Augustinus' Auffassung der Sprache" der erste Rundgang abgeschlossen wird, nicht klar beantwortet.

    Bibliographie

    Primärliteratur250

    Wittgensteins veröffentlichte Schriften werden, wenn nicht anders angeführt, und soweit in der Werkausgabe erschienen, nach der Werkausgabe von 1984 zitiert: Aufzeichnungen, die G.E.Moore in Norwegen nach Diktat niedergeschrieben hat (AM 1984), Aufzeichnungen über Logik (NL 1984), Tagebücher (TB 1984), Tractatus logico-philosophicus (TLP 1984; abgekürzt TLP), Philosophische Bemerkungen (PB 1984), Ludwig Wittgenstein und der Wiener Kreis (WWK 1984), Philosophische Grammatik (PG 1984), Das Blaue Buch (BB 1984), Eine Philosophische Betrachtung (EPB 1984), Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik (RFM 1984), Philosophische Untersuchungen (PU 1984; abgekürzt PU), Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie (RPP 1984a und RPP 1984b), Zettel (Z 1984), Vermischte Bemerkungen (VB 1984), Über Gewißheit (OC 1984), Bemerkungen über die Farben (ROC 1984), Letzte Schriften über die Philosophie der Psychologie (LW 1984a).

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    6. W6 1984 Werkausgabe Band 6 Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
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    Namenregister

    Ambrose, A. 61, 70, 124, 125
    Ammereller, E. 5, 126
    Anscombe, G.E.M. 8, 9, 124
    Augustinus 12, 38-41, 43, 45-48, 5269, 71, 72, 75-79, 81, 82, 84-89, 93-97, 100-103, 107-115, 117-121
    Bachtin, N. 14, 31
    Baker, G.P. 5, 10, 126, 129
    Baker/Hacker 5
    De Crinis, M. 118, 126
    Drury, M.O'.C. 40
    EDS 6, 126
    Frege, G. 61, 111
    Gorlée, D.L. 8
    Hacker, P.M.S. 5, 10, 126, 127
    Hark, M.T. 5, 10, 126
    Huitfeldt, C. 8, 126
    Johannessen, K.S. 8
    Keller, H. 68
    Kenny, A. 8, 50, 127
    Keynes, J.M. 13
    Koder, J. 78, 127
    Krüger, H.W. 8, 19, 42, 43, 45, 50, 127
    Luckhardt, C.G. 7, 126, 127, 129
    Malcolm, N. 40, 124
    Masterman, M. 61
    Maury, A. 5, 127
    McGuinness, B. 10, 124, 127, 129
    Monk, R. 26, 27, 36, 50, 127
    Moore, G.E. 13, 14, 122
    Nedo, M. 19, 26, 30, 31, 36, 37, 78, 123, 128
    Nyman, H. 9, 16, 123, 125
    Ogden, C.K. 115, 124
    Pattisson, G. 36
    Pichler, A. 13, 19, 20, 25, 26, 38, 83, 122, 125-128, 134
    Platon 38, 39, 43, 45
    Redpath, T. 24, 29, 128
    Respinger, M. 36
    Rhees, R. 9, 10, 13, 27, 90, 124, 125, 127
    Richards, I.A. 115
    Richter, V. 8
    Rothhaupt, J.G.F. 5, 127, 128
    Russell, B. 13, 40, 128
    Savigny, E. von 6, 128
    Schulte, J. 19, 124, 125, 127-129
    Segre, C. 6
    Skinner, F. 61, 70
    Smythies, Y. 10, 13
    Sraffa, P. 27
    Stern, D.G. 5, 17, 95, 128, 129
    Waismann, F. 10, 19, 42, 126, 129
    Westergaard, P.K. 8, 14, 84, 129
    Wright, G.H. von 5, 7-17, 22, 23, 25-27, 30, 31, 34, 35, 61, 65, 70, 83, 90, 92, 96, 123-125, 129, 134

    Nachlaßregister

    CornellXerokopie 32
    Wiener Ausgabe (Wi1, Wi2, Wi3, Wi4, Wi5) 19, 36, 38, 123, 128

    Manuskripte:

    C-Reihe 20
    Ms105 25
    Ms109 9
    Ms111 36, 38-43, 46, 58, 68, 134
    Ms112 86
    Ms113 43, 64
    Ms114 20, 21, 36, 47, 48, 53, 55-60, 84
    Ms115 12, 20, 21, 24-26, 29, 36, 44, 66, 72-79, 84, 86, 134
    Ms117 24, 27, 28
    Ms118 24, 26
    Ms119 19
    Ms128 24, 30, 31
    Ms129 24, 31, 32
    Ms130 24, 34, 35
    Ms140 20, 21, 37, 65, 80, 82-85
    Ms141 28, 36, 44, 65-69
    Ms142 12, 21, 26, 29, 37, 55, 59, 67, 73, 78, 80-92
    Ms152 24, 25, 37, 72, 78-83, 85
    Ms159 24, 27, 134
    Ms160 24, 27
    Ms162a 12
    Ms182 17
    Ms183 81

    Typoskripte:

    Ts208 45
    Ts209 12, 13
    Ts210 45
    Ts211 19, 36, 42, 45-47, 50
    Ts212 36, 4550
    Ts213 (Big Typescript)
    3, 19-21, 36, 38, 45-47, 50, 52-56, 58-60, 79, 84, 86, 127
    Ts220 9, 12-16, 21, 22, 26, 27, 29, 37, 78, 81-83, 89-95, 135
    Ts221 9, 12-16, 22, 27
    Ts222 13, 15
    Ts225 24, 27, 74
    Ts226 13, 14, 37, 90, 93, 94
    Ts227 15-18, 22, 24, 33, 34, 37, 93, 95-98
    Ts227α 37, 95-98
    Ts227β 37, 95-98
    Ts228 17, 22
    Ts239 14-16, 22, 26, 37, 90-95
    Ts241 16, 22
    Ts242 16
    Ts243 24, 32, 33

    Diktate:

    Ts309 (Blaues Buch) 20, 21, 28, 29, 61, 70, 71, 122
    Ts310 (Braunes Buch) 3, 12, 21, 26, 28, 29, 31, 36, 44, 65, 66, 70-72, 79, 122
    Ts311 (Gelbes Buch) 3, 36, 61, 12596, 123, 125

    PU-Versionen:

    Helsinki-Edition (227 1981, 239 1979, PUF 1979, PUZ 1979)
    5, 9, 11, 12, 15, 16, 90,
    Frühversion 3, 12, 21, 22, 24-26, 29, 55, 59, 78, 88, 94, 95, 125
    Zwischenversion (Mittelversion) 3, 12, 1517, 24, 30, 33, 35, 96, 125
    Endversion 3, 12, 16, 17, 22-24, 33, 35, 78, 93-96

    Versionen zu PU: Vorwort

    V117 27, 28
    V118 26
    V128 30, 31, 33
    V129 31-33
    V130 35
    V152 25, 26, 28, 72, 78
    V159 27-29
    V160 29
    V225 28, 30, 61, 74, 78
    V227 32-35
    V243 32, 33

    Versionen zu PU §§1-4:

    ¤111 3, 38, 40, 42-44, 46, 48, 58, 85, 103, 134
    ¤114 3, 53, 55, 57, 59-61, 64, 69, 86, 87
    ¤115i 86, 134
    ¤115ii 3, 69, 71, 72, 75, 84, 86-88, 103, 134
    ¤140 3, 77, 78, 83, 84, 86, 88, 103
    ¤141 3, 65-67, 69-71, 103
    ¤142i 3, 78, 83, 86-89
    ¤142ii 3, 78, 81, 83, 86-89
    ¤142iii 3, 78, 82, 83, 88-90, 92, 94
    ¤152i 60, 78, 83, 84, 103
    ¤152ii 78, 81, 83
    ¤211 3, 38, 42-44, 46, 48
    ¤212 3, 40, 45, 46, 48, 52, 53
    ¤213 3, 50, 53-55, 59, 60, 79, 86, 87
    ¤220i 78, 81, 83, 87, 89, 92, 93
    ¤220ii 3, 78, 82, 83, 88, 90-94
    ¤227 3, 87, 93-97, 103
    ¤239 78, 82, 83, 88, 90-94
    ¤310 3, 65, 69-72, 86
    ¤YB 3, 61, 64, 65, 69, 86

    Legende

    <xxx>"xxx" meine Ergänzung.
    <xxx>"xxx" mein Kommentar.
    (...)meine Auslassung.
    yyy xxx zzz"xxx" in, über, unter, außerhalb der Zeile eingefügt (mit oder ohne Einfügungszeichen).
    xxx"xxx" gestrichen.
    [xxx|yyy]"xxx" mit "yyy" überschrieben.
    xxx"xxx" unterlegt mit gewellter Linie (im Manuskript) oder gestrichelter Linie (im Typoskript).
    xxx"xxx" einmal unterstrichen.
    xxx"xxx" zweimal unterstrichen.
    x x x"xxx" gesperrt (im Typoskript).
    xxx yyy zzz"yyy" mit Hand im Typoskript "xxx zzz" eingefügt.

    Nachlaßstellen werden nach der Katalognummer - gemäß dem Nachlaßkatalog in von Wright 1986: S. 52-59 und weiter identifiziert durch "Ms" (Manuskript) bzw. "Ts" (Typoskript) - und der Seite, auf der die Bemerkung beginnt, zitiert. Bei der Zählung von Folios erfolgen Seitenangaben als "#v" (Verso) und "#r" (Rekto), bei identischer Paginierung zweier aufeinanderfolgender Seiten als "#a" und "#b". Beispiel: Eine Quellenangabe "Ms159: S.34r" bezieht sich auf die Rektoseite von Folio 34 in dem Manuskript, das die Katalognummer 159 trägt. Mit Bezug auf Datierungen der Zitate muß bedacht werden, daß Textrevisionen wesentlich später als am angegebenen Datum entstanden sein können. Für genauere Information zur Unterteilung einzelner Nachlaßstücke (z.B. "der erste Teil von Ms115") siehe Pichler 1994: S.106ff.

    Auf die einzelnen für die Textgenese von Philosophische Untersuchungen §§1-4 relevanten Texte referiere ich durch "¤" und Angabe des Manuskriptes/Typoskriptes, in welchem die betreffende Fassung (wie oben angeführt) zu finden ist; "¤111" z.B. bezieht sich auf die Fassung in Ms111: S.15-19. Enthält ein Manuskript/Typoskript mehrere für die Genese von PU §§1-4 relevante Texte, so sind diese durch Exponenten voneinander unterschieden; "¤115i" z.B. bedeutet den ersten für die Textgenese relevanten Text in Ms115; "¤115ii" bedeutet den zweiten für die Textgenese relevanten Text in Ms115.

    Zum Editionsmodus bei Zitaten aus dem Nachlaß:

    Es sind nur jene Textteile wiedergegeben, die dem Wort- oder Satzzeichenniveau angehören (d.h. die, alleine oder zusammen mit dem Co-Text, ein Wort oder Satzzeichen ausmachen) und textkohärent sind. Beispiel: Die Streichung des "h" in "Vatehr" ist nicht wortkonstitutiv, sondern eine orthographische Revision; sie würde demgemäß hier nicht angezeigt. Die Streichung des "i" in "Lieben" hingegen ist eine wort- und textkonstitutive Revision, unter der Voraussetzung, daß sowohl "Leben" als auch "Lieben" im Co-Text semantisch und syntaktisch sinnvoll, also textkohärent, sind. "Vatehr" würde hier also "Vater" ediert, "Lieben ist schön" dagegen "Lieben ist schön". "wenn" in "Ich wenn komme mit" ist nicht textkohärent und würde demgemäß hier nicht angezeigt.

    Dieser Editionsmodus stützt sich auf die am Wittgenstein-Archiv der Universität Bergen ausgearbeiteten Richtlinien für die Transkription des Wittgenstein-Nachlasses, im besonderen auf den Begriff des "wellformed text" (siehe MECS-WIT: 2.7).

    Orthographische Fehler und der Gebrauch von "ss" ("hh") für "ß" in der Geheimschrift sind gemäß dem oben erklärten Prinzip der Edition auf Wort- und Textniveau stillschweigend korrigiert, z.B. "art" zu "Art" in dem Zitat aus Ts220: S.ii (Kapitel 2.3.4).

    Wittgenstein hat die einzelnen Absätze seiner Bemerkungen (z.T. verschieden weit) eingerückt; die Einrückungen sind nicht angezeigt, lediglich die Absätze. Auch Klammern, die eine ganze Bemerkung einklammern, sind in der Edition nicht angezeigt: Eine Wiedergabe der Einrückungen und letztgenannten Klammern würde nur Sinn machen, wenn der weitere Co-Text mitediert ist.

    Notes
    1.
    So z.B. Ammereller 1995, in einer Buchrezension: "For most of Wittgenstein's remarks, or groups of remarks, the reader is given a detailed specification of the manuscript sources. Unfortunately, however, for Wittgenstein's Philosophical Investigations only the typescript sources are specified. This is an inexplicable shortcoming, since the interest in Wittgenstein's later philosophy, of course, centres mainly on the remarks contained in this book." (S.174), und Stern 1996: "Those with access to a copy of the Nachlass can read these lists as pointers to the contexts from which those remarks are taken, a starting point for exploring the typescript and manuscript sources of Wittgenstein's work on the Investigations." (S.462) Siehe auch Hark 1990: S.2ff. - Eine in vielerlei Hinsicht exemplarische Untersuchung zur Textgenese und Entstehungsgeschichte von Bemerkungen Wittgensteins hat Josef G.F. Rothhaupt für die Bemerkungen über die Farben durchgeführt. (Rothhaupt 1996)
    2.
    Hallett 1977.
    3.
    So z.B. Baker/Hacker 1980; zuletzt Hacker 1996.
    4.
    Z.B. die Helsinki-Edition (PUF 1979, PUZ 239 1979, 227 1981) und Maury 1994.
    5.
    Z.B. von Savigny 1988.
    6.
    "The two terms, co-text and context refer, respectively, to verbal environment and situational environment." (Cesare Segre in EDS 1986: S.151)
    7.
    Von Wright 1986: S.117-143. Zuerst veröffentlicht in Luckhardt 1979: S.138-160.
    8.
    Zu Textauszeichnungen und Siglen siehe die Legende.
    9.
    Bei seinem Tod im Jahre 1951 hinterließ Wittgenstein einen philosophischen Nachlaß von ca. 20 Tausend Seiten. In seinem Testament ernannte Wittgenstein G.E.M. Anscombe, Rush Rhees und Georg Henrik von Wright zu seinen Nachlaßverwaltern und übertrug ihnen die Veröffentlichungsrechte an seinen unpublizierten Schriften. - In der Suhrkamp-Werkausgabe (PU 1984) ist Georg Henrik von Wright fälschlicherweise als Mitherausgeber der Philosophischen Untersuchungen angegeben.
    10.
    Von Wright 1992: S.182.
    11.
    Veröffentlicht in den Philosophischen Bemerkungen (PB 1984) und den Vermischten Bemerkungen (VB 1984: S.458f; VB 1994: S.29f).
    12.
    PU: Vorwort. So waren z.B. 1938 zwei Bände geplant. Diese existieren im Nachlaß als Ts220 (entspricht ungefähr PU 1984: §§1-188) und Ts221 (entspricht grob RFM 1984: Teil I); siehe von Wright 1986: S.126 und von Wright und Heikki Nyman in PUF 1979: Vorwort.
    13.
    Baker und McGuinness in Waismann 1976: S.653f; zur Zusammenarbeit zwischen Waismann und Wittgenstein siehe Baker 1979 und McGuinness in WWK 1984: Vorwort.
    14.
    CB 1980: 248, 249, 250.
    15.
    So z.B. Hacker und McGuinness in Waismann 1976: Nachwort.
    16.
    Auch Hark 1990: S.4ff kritisiert die Auffassung, der Grundstock zu den Untersuchungen wäre plötzlich und schnell, nämlich 1936-1937, gelegt worden (sozusagen aus heiterem Himmel,"brainwave theory" (Hark 1990: S.5)). "A substantial and crucial part of § 1-188 was written much earlier than 1936, either in its present published form or in some kind of draft thereof." (Hark 1990: S.6f) Allerdings geht Hark zu weit, wenn er von Wright vorwirft, Träger oder Verbreiter einer solchen Auffassung zu sein (Hark 1990: S.3-18). Zwar beginnt von Wright seine Darstellung (The Origin and Composition of the Investigations) mit dem Jahr 1936 und präsentiert es damit als einen Startpunkt (was auch richtig ist, wenn man die Entstehung unter einer bestimmten Werkperspektive betrachtet); er geht aber später auf frühere Jahre zurück, und ganz sicher behauptet von Wright an keiner Stelle, daß Wittgenstein nicht schon früher an einzelnen Bemerkungen gearbeitet hat.
    17.
    In von Wright 1986: S.117-143 und der Helsinki-Edition.
    18.
    Die Schlußseiten von Ts221 (S.268-271) wurden nach von Wright 1986: S.19 und S.126 erst 1939 diktiert, da sie auf Manuskriptquellen basieren, "die um die Jahreswende 1938/9 entstanden". Das betreffende Manuskript, Ms162a, enthält als erste Datierung "6.1.39" auf S.20; es ist also wahrscheinlich, daß die Seiten 1-20, auf denen Ts221: S.268-271 beruht, doch noch vor 1939 geschrieben wurden.
    19.
    Von Wright 1986: S.126; PUF 1979: Vorwort.
    20.
    Deutsche Übersetzung und Überarbeitung von Ts310, veröffentlicht als Philosophische Betrachtung (EPB 1984).
    21.
    Im Nachlaß gibt es nur ein Typoskriptblatt mit dem Titel "Philosophische Bemerkungen", gefolgt von einem Zitat aus Augustinus, Confessiones I, 9 (Ts209, 1930, veröffentlicht in PB 1984; vgl. dazu das Zitat in PU §1 aus Confessiones I, 8). - Die Zugehörigkeit dieses Titelblattes ist nicht ganz klar; es könnte sein, daß Wittgenstein dieses Blatt für Ts209 und für Ts220 verwendete, aber auch, daß es eigentlich zum ursprünglichen Ts220 gehörte. Die Zuordnung zu Ts209, bei dem es sich ja um in ein schwarzes Kassenbuch eingeklebte Zettel (von Wright 1986: S.68) handelt, ist nicht sicherer als jene zu Ts220. Russells Bemerkung, Wittgenstein hätte bei ihm ein "bulky typescript, Philosophische Bemerkungen" (Russell 1985: S.439), hinterlassen, ist keine Stütze für die erstere These, da ja gar nicht klar ist, um welches Typoskript es sich bei dem Russell hinterlassenen Typoskript eigentlich handelt (siehe Pichler 1994: S.31ff). Sowohl Ts209 als auch ein Exemplar von Ts220 waren zeitweise im Besitz von G.E. Moore (PB 1984: S.316 und CB 1980: 248); es ist möglich, daß Moore, als er Ts209 an die Nachlaßverwalter übergab, dem Typoskript das Titelblatt von Ts220 beilegte.
    22.
    Ts226 enthält keinen Titel.
    23.
    CB 1980: 248.
    24.
    CB 1980: 249-251.
    25.
    Allerdings kann es auch sein, daß die Übersetzung unvollständig erhalten ist, da Ts226 auf S.72 in der Mitte eines Satzes abbricht. - Wittgenstein wurde am 11. Februar 1939 Nachfolger von George Edward Moore auf dem Lehrstuhl für Philosophie. (Anmerkung der Herausgeber zu CB 1980: 252) Peter K. Westergaard nimmt an, daß das Übersetzungsprojekt völlig im Kontext von Wittgensteins Bewerbung um den Philosophie-Lehrstuhl steht; Wittgenstein ließ es deswegen fallen, weil er sah, daß die Übersetzung nicht würde rechtzeitig beendet und den Bewerbungsunterlagen daher nicht beigelegt werden können. (Westergaard 1996: S.261f)
    26.
    CB 1980: 249-251.
    27.
    Von Wright 1986: S.126. - Zum Teil beruht die Übersetzung in Ts226 gar nicht auf Ts220, sondern auf Ts239; dies bedeutet, daß die Erstellung der entsprechenden Ts239-Seiten bereits 1938-1939 datiert werden muß (siehe Kapitel 2.3.4).
    28.
    Von Wright 1986: S.126.
    29.
    Von Wright 1986: S.127.
    30.
    Von Wright 1986: S.58. Zur Datierung der ersten 3 Seiten von Ts239 siehe Kapitel 2.3.4.
    31.
    239 1979: Vorwort.
    32.
    Von Wright 1986: S.127.
    33.
    Von Wright 1986: S.132.
    34.
    Von Wright 1986: S.19 und S.131f.
    35.
    Vgl. Ts242: S.150 ("zu sagen ist.) (...) sondern der Lebensform.") (Zwischenversion) und Ts227: S.152 ("zu sagen ist.) (...) daß es paßt.") (Endversion).
    36.
    Siehe von Wrights und Nymans Rekonstruktion in PUZ 1979.
    37.
    Siehe dazu von Wright 1986: S.134.
    38.
    Von Wright 1986: S.137.
    39.
    Von Wright 1986: S.20 und von Wright 1992: S.182.
    40.
    Siehe dazu Stern 1995: 789ff.
    41.
    Ts213, 1932-1933; ein titelloses, ca. 780 Seiten umfassendes Typoskript. Wittgenstein selbst nennt es später "meine alte Maschinschrift" (Ms119: S.79r; 23.10.1937). Krüger 1993 gibt eine detaillierte Übersicht zur Entstehung dieses Typoskripts.
    42.
    Ein Teil der in den Manuskripten und Typoskripten vorfindbaren Arbeitssiglen (siehe dazu Schulte 1987: S.12-13, Krüger 1993 und Pichler 1994: S.60-66) kann mit der Zusammenarbeit mit Waismann zu tun haben.
    43.
    Teilweise wurden die Manuskripte auch einem Maschinenschreiber zum Abschreiben gegeben. Ts213 wurde, so Nedo, nicht diktiert, sondern in einem Wiener Schreibbüro hergestellt (Wi3 1995: S.viii); Ts211 wurde nach Nedo diktiert (Wi4 1995: S.viii), aber auch dieses Typoskript scheint zumindest zu einem Teil abgeschrieben.
    44.
    Siehe zu diesen Arbeitsgängen Pichler 1994: S.31-80.
    45.
    Hier sind vor allem die sogenannte C-Reihe (Mss145-152, 1933-1936), der zweite Teil von Ms114 (1933), der erste Teil von Ms115 (1933-1934) und der erste Teil von Ms140 (um 1934) zu nennen. (Zur Aufteilung der Manuskripte in verschiedene Teile siehe Pichler 1994: S.106ff.)
    46.
    Ts309 und Ts310.
    48.
    Ms142. - Neben dem Big Typescript waren bei der Verfassung von Ms142 natürlich auch noch andere Texte involviert (wie die eben angesprochene aufgegebene Umarbeitung des Braunen Buchs). Es scheint aber von unvergleichlich größerer Bedeutung, daß Wittgenstein in dieser Zeit der mißglückten Versuche gerade wieder auf den Text des ursprünglichen Typoskripts - vor dessen Überarbeitung - zurückgreift. Daß dem tatsächlich so ist, läßt sich aus Textvergleichen zwischen dem Big Typescript (1932-1933), dessen Überarbeitung in Ms114, Ms115, Ms140, dem Diktat Ts309 (1933-1934), Ms142 und dem auf Ms142 basierenden Typoskript Ts220 (1936-1937) ersehen. Siehe dazu Kapitel 2.3.3.
    49.
    Es handelt sich dabei um die Typoskripte 220 und 221 (1937-1938).
    50.
    Von Wright 1986: S.126.
    51.
    Von Wright 1986: S.126f; siehe oben, Kapitel 1.1.1 und 1.1.2.
    52.
    Ts239. Siehe Kapitel 1.1.2 und 2.3.4 zum Verhältnis von Ts220 und Ts239.
    53.
    Es handelt sich hier um Ts221 und Ts241.
    54.
    Diese rund 400 Bemerkungen gehen vor allem auf Ts228 zurück, dieses wieder hauptsächlich auf Mss129-130 (1944-1946).
    55.
    Ts227: 1945-1946.
    56.
    Von Wright 1986: S.137.
    57.
    Gleichzeitig mit Ms115: S.118ff.
    58.
    Im Manuskript finden sich nur zwei Datierungen, 14.9.1938 auf S.19v und 15.9.1938 auf S.21r. Der Entwurf am Ende von Ms160 besteht aus mehreren Versuchen, das "Meine Absicht war es, alles dies einmal in einem Buche zusammenzufassen" (Ts225: S.i) passend ins Englische zu übersetzen. Es kann sein, daß das Vorwort von Wittgenstein selbst hat übersetzt werden sollen; diese Formulierungen stellen möglicherweise aber auch Versuche dar, eine bestehende Übersetzung zu verbessern. Im Nachlaß gibt es keine englische Übersetzung des Vorwortes der "Philosophischen Untersuchungen". Anscheinend hat Wittgenstein bei der Übersetzung des Vorworts eine Zeitlang mit Redpath zusammengearbeitet (Redpath 1990: S.73f).
    59.
    Handschriftliche Revisionen bis 1950.
    60.
    Ich referiere auf die Vorworte durch "V" und Indizierung des Manuskriptes/Typoskriptes, in welchem die betreffende Fassung zu finden ist. V152 z.B. bezieht sich auf das Vorwort in Ms152: S.13.
    61.
    Siehe dazu von Wright 1986: S.48f.
    62.
    Pichler 1994: S.126.
    63.
    Pichler 1994: S.67ff, auch Nedo 1993: S.31.
    64.
    Der zweite Teil von Ms115 ist eine deutsche Übersetzung und zugleich Überarbeitung von ca. Ts310: S.1-117 ("Brown Book"). Dieser Text wurde von Wittgenstein "Philosophische Untersuchungen. Versuch einer Umarbeitung" genannt.
    65.
    "Ich schreibe jetzt an meinem Buch, oder versuche zu schreiben, & schreibe tropfenweise & ohne jeden Zug; von der Hand in den Mund (...)" (Ms118: S.90r; Skjolden 12.9.1937).
    66.
    Ts220 wurde wahrscheinlich im Sommer 1937 in Cambridge diktiert; siehe von Wright 1986: S.124 und Monk 1990: S.373. Siehe auch zu Ts239, Kapitel 2.3.4.
    67.
    Dies ergibt sich aus einem Textvergleich; auch von Wright 1986: S.66 datiert V159 vor V117, indem er ihn den "offenbar ersten Entwurf des Vorworts der (Vorkriegsfassung der) Untersuchungen" nennt.
    68.
    Herbst 1937 bis Frühjahr 1938 (UW 1976: S.429).
    69.
    Siehe dazu Monk 1990: S.392ff.
    70.
    Ms117: S.110.
    71.
    Ms117: S.116.
    72.
    Ms117: S.120.
    73.
    V159.
    74.
    Vgl. Redpath 1990: S.74, der glaubt, beim "ersten Versuch" handle es sich um Ts309: "The interim Preface reveals that his first attempt to collect the remarks in that way had been made ’about four years ago’, which suggests some time in 1934, the year when he finished dictating The Blue Book and started dictating The Brown Book, which was completed in 1935. I believe that it is very probable that the ’first attempt’ was The Blue Book." Redpath half anscheinend (im Herbst 1938), das Vorwort zur Frühversion ins Englische zu übersetzen (siehe Redpath 1990: S.72f). Es ist anzunehmen, daß das englische V160 mit diesem gemeinsamen Unternehmen in Zusammenhang steht.
    75.
    Von Wright 1986: S.53; auch Nedo 1993: S.43.
    76.
    Bis zu seinem Tode wünschte Wittgenstein, daß die Philosophischen Untersuchungen zusammen mit dem Tractatus veröffentlicht würden. Siehe auch die Notiz am Ende von Ms128: "Philos. Untersuchungen im Gegensatz der zur Log. Phil. Abh. entgegengestellt."
    77.
    Dritter in der Cornell-Xerokopie von Ms129 (Cornell Bd. 31), beginnend mit "In dem Folgenden teile ich Gedanken mit, die die Ergebnisse philosophischer Untersuchungen der letzten 16 Jahre sind."
    78.
    Dieser beginnt "In dem Folgenden will ich teile ich Gedanken mitteilen (...)"; das Ende dieses Entwurfs steht in der Cornell-Xerokopie auf der allerersten Seite.
    79.
    Von Wright 1986: S.126. Siehe z.B. PI 1967: Preface.
    80.
    Ts227, 1993 entdecktes Exemplar.
    81.
    Ts227, schon vor 1993 bekanntes Exemplar.
    82.
    Damit legt sich für den undatierten Teil von Ms130 nahe, daß er, zumindest ab S.22, nicht vor 1945 entstanden ist (vgl. von Wright 1986: S.64).
    83.
    Wahrscheinlich entstand dieser Text in Skjolden, Norwegen. Siehe dazu Monk 1990: S.318: "Early in the summer <of 1931> he invited Marguerite to Norway (...) For some of his time in Norway, Wittgenstein was joined by Gilbert Pattisson, whose visit overlapped by about a week that of Marguerite (...)". Siehe auch Nedo in Wi4 1995: S.vii: "Mitte Juli fährt Wittgenstein für etwa drei Wochen mit seiner Freundin Marguerite Respinger nach Norwegen. Dort besucht ihn später auch der Freund Gilbert Pattisson. Anfang August ist er wieder in Österreich, wo er bis zum Ende des Monats bleibt und täglich am Band VII weiterschreibt."
    84.
    Siehe WWK 1984: S.166 und Monk 1990: S.318f: (...) three weeks during the late summer of 1931 they saw each other almost every day at the Hochreit, where Wittgenstein stayed, as before, at the woodman's cottage on the edge of the estate, while Marguerite was a guest of Gretl's at the family residence."
    85.
    Nach Nedo 1993: S.32 und 143 begann Wittgenstein mit Ts212 während der Sommerferien 1932, und zwar in Österreich.
    86.
    Siehe Monk 1990: S.325.
    87.
    Nach Nedo 1993: S.36f vermerkt Wittgenstein am 5. November 1936 in seinem Taschenkalender: "Neue Umarbeitung begonnen".
    88.
    Seiten "2.", "3."; die ursprüngliche Seite 1 ist nicht erhalten.
    89.
    ¤111 ist die älteste erhaltene Manuskriptversion unseres Textes; es ist anzunehmen, daß es dafür eine Notizbuchquelle gab (siehe Pichler 1994: S.67ff). Siehe die Veröffentlichung von ¤111 in Wi4 1995: S.9ff. - Mancher Editionsphilologe wird in dieser Arbeit terminologische Präzision vermissen, wenn es zur Anwendung von Wörtern wie "Fassung", "Version", "Variante" etc. kommt. Ich bin mir dieser Schwäche bewußt, glaube aber, daß die Lektüre unter diesem vorwissenschaftlichen Gebrauch an keiner Stelle leidet.
    90.
    Ms111: S.13-20. Ein Teil der Diskussion findet sich in PU §518 wieder.
    91.
    Ms111: S.15. Dieser Satz kommt in ¤211 bereits nicht mehr vor.
    92.
    Ms111: S.15. Diese Bemerkung kann sinnvoll im Co-Text der Diskussion von Augustinus interpretiert werden, wenn man sie z.B. im Lichte von PU §32 liest. - Wittgensteins erste Auseinandersetzung mit Augustinus' Beschreibung des Lernens der Sprache scheint im Umkreis der Lektüre Platons stattgefunden zu haben.
    93.
    Ms111: S.15.
    94.
    Ms111: S.16.
    95.
    Siehe z.B. Russell 1995: S.26, 67.
    96.
    Ms111: S.15f. - Diese Bemerkung kommt ab ¤212 nicht mehr vor.
    97.
    Von Wittgensteins hoher Meinung von Augustinus berichten z.B. auch Drury 1984: S.85, 90 und Malcolm 1984: S.36, 97.
    98.
    Ms111: S.18.
    99.
    Ms111: S.18.
    100.
    Ms111: S.16.
    101.
    Siehe WWK 1984: S.166.
    102.
    Zur Entstehung von Ts211 siehe Krüger 1993: S.305f.
    103.
    Damit stellt sich natürlich die Gretchenfrage dieser Untersuchung: Was genau muß der Fall sein, damit man sagt, daß ein Text noch nicht da sei?
    104.
    Ms111: S.16. - Das Wort "Sprachspiel" selbst kommt das erste Mal in Ms113: S.45r (1.3.1932) vor: "Ein einfaches Sprachspiel ist z.B. dieses: (...)". (Darauf folgt das "Licht"/"Finster"-Spiel.) Diese Information verdanke ich H. Wilhelm Krüger.
    105.
    Also "Sprachspiel" im Sinne von (a).
    106.
    Also "Sprachspiel" im Sinne von (b), wie in PU §23 expliziert. Diese Bedeutung von "Sprachspiel" wird besonders in Ms141, Ts310 und Ms115 (zweiter Teil) ausgearbeitet, wo Wittgenstein zeigen möchte, wie wir die komplizierten Formen der Sprache stufenweise aus einfacheren zusammensetzen können.
    107.
    Ts211: S.173.
    108.
    Siehe dazu Krüger 1993: S.306.
    109.
    Ms111: S.18.
    110.
    Ts211: S.10f.
    111.
    Ts212; handgeschrieben, entstanden im Zuge der handschriftlichen Überarbeitung von Ts212, vor dem Diktat von Ts213: S.25.
    113.
    Ts213; handgeschrieben auf der Rückseite von S.24, gegenüberliegend S.25.
    114.
    Ms114: S.35; entstanden im Zeitraum Oktober bis Dezember 1933.
    115.
    116.
    117.
    Zur Entstehung von Ts213 siehe Krüger 1993 und Monk 1990: S.325.
    118.
    Wie auch von Wittgenstein selbst suggeriert, z.B. auf S.27.
    119.
    Siehe dazu Kenny 1976: S.43.
    120.
    Ts213: S.I (Inhaltsverzeichnis). Die räumliche Gliederung auf den Seiten I-III des Inhaltsverzeichnisses - zwischen den einzelnen Kapiteln eine Leerzeile; Überschriften für die einzelnen Teile ("VERSTEHEN", "BEDEUTUNG" ...) in diesen Leerzeilen, ohne zusätzliche Leerzeilen; vgl. dagegen ab S.IV - legt nahe, daß die ersten sieben Teilüberschriften ("VERSTEHEN" bis "GRAMMATIK") Einfügungen sind; oder aber, daß Wittgenstein die Gliederung in Teile nicht absolut verstanden haben wollte (was übrigens auch durch die fortlaufende Numerierung der einzelnen Kapitel angedeutet ist), d.h. z.B.: Man sollte sich von der Gliederung nicht davon abhalten lassen, eine Bemerkung, die nicht im Teil "BEDEUTUNG" steht, dennoch so zu lesen, als ob sie darunter stünde.
    121.
    Und z.B. nicht im Teil "WESEN DER SPRACHE. 40) "Lernen. Erklärung der Sprache. (...)".
    123.
    Ab Herbst 1933 überarbeitet Wittgenstein Ts213 in verschiedenen Manuskripten, wobei zumindest einige der im Typoskript vorfindlichen handschriftlichen Revisionen bereits vorgelegen haben müssen.
    125.
    Ts213: S.26.
    127.
    Vgl., wie Wittgenstein seine Deutung des Augustinus-Zitats in PU §1 durch "so scheint es mir", "so möchte ich glauben" u.dgl. doch wieder abschwächt.
    131.
    Ms114: S.35. Dieses war in Ts213: S.27 bereits von Hand gestrichen worden, taucht hier aber wieder auf.
    134.
    Also Sprachspiel weniger im Sinne von (a) als im Sinne von (b).
    139.
    So wie in einer Stelle in ¤111: "(Man könnte also sagen Augustinus stelle das Lernen die Sache der Sprache zu einfach dar (...)" (Ms111: S.18)
    142.
    Ms142: S.4.
    145.
    Ms142: S.3.
    148.
    Ms142: S.3.
    149.
    Die in ¤114 wieder hereinkommenden persönlichen Formulierungen scheinen mit diesem Neuansatz zu tun zu haben; z.B. "Der Begriff der Bedeutung, wie ich ihn in meine philosophischen Erörterungen übernommen habe (...)" und "Ich wollte sagen: Wie Augustinus (...)" (Ms114: S.35, 37; meine Hervorhebungen, A.P.).
    150.
    "Ich beginne diese Veröffentlichung mit dem Fragment meines letzten Versuchs, meine philosophischen Gedanken in eine Reihe zu ordnen (...)" (V225). Siehe die Kapitel 1.3.1 und 2.2.4.
    151.
    YB 1982: S.46f. Da ich zum sogenannten Gelben Buch, Ts311, keinen Zugang hatte, weder in Originalform noch als Kopie, basiere ich mich hier auf dessen Veröffentlichung (in Ausschnitten) in Wittgenstein's Lectures. Cambridge 1932-1935, S.43-73 (YB 1982).
    152.
    Von Wright 1986: S.70.
    153.
    AWL 1982: Editor's Preface.
    154.
    YB 1982: S.43. Der Michaelmas Term begann im Oktober.
    155.
    YB 1982: S.43ff.
    156.
    YB 1982: S.46.
    157.
    Diese Deutung scheint plausibel, auch wenn Wittgenstein an früherer Stelle sich gegen eine solche Deutung des Sprachspielbegriffs wendet: "Wenn ich bestimmte einfache Spiele beschreibe, so geschieht es nicht um mit ihnen nach & nach die wirklichen Vorgänge der Sprache - oder des Denkens - aufzubauen, was nur zu Ungerechtigkeiten führt, - sondern ich stelle die Spiele als solche hin, & und lasse sie ihre aufklärende Wirkung auf die besondern Probleme ausstrahlen." (Ms113: S.45v; 1.3.1932)
    158.
    Von Wright 1986: S.54.
    159.
    Vergleiche z.B. Ms141: S.6 und Ts310: S.20ff.
    160.
    Die Schreibunterlage große Blätter und das Schreibmaterial schwarze Tinte, auch der ähnliche Schriftzug, legen es nahe, Ms141 ganz in der Nähe von Ms140, also nicht später als 1934, anzusiedeln.
    161.
    Siehe von Wright 1986: S.48.
    164.
    Den frühesten Vorfahren von PU §32 fand ich in Ms142: S.27 (§30) (1936).
    167.
    Im Sinne von: Bei der Lektüre von Augustinus' Beschreibung denkt man an...
    168.
    Ms111: S.15.
    169.
    Zur natürlichen Auffassung von der fundamentalen Rolle der Namen und des Benennens gibt es eine alte Autorität, die Bibel; siehe z.B. 1. Mose 2, 19-20. Ein gutes literarisches Beispiel dafür gibt Helen Kellers The Story of My Life (1902).
    173.
    Siehe von Wright 1986: S.70.
    174.
    BBB 1958 und folgende.
    175.
    Ms115: S.118. Über dem Titel steht das Datum "Ende August 36"; das Vage der Angabe kann darauf hindeuten, daß sie erst später nachgetragen wurde. Auch die Position des Titels "Philosophische Untersuchungen." läßt darauf schließen, daß es sich dabei um einen Nachtrag handelt, sodaß am Anfang nur "Versuch einer Umarbeitung." gestanden hätte.
    176.
    Ms152: S.13; siehe oben, V152.
    179.
    Ts225: S.ii.
    180.
    Siehe die vielen intertextuellen Verweise im zweiten Teil von Ms115.
    181.
    PU: Vorwort.
    182.
    Siehe die zahlreichen "Vertröstungen" in Ms115: S.176, 210, 213, 219, 226, 236, 247, 249, 255, 272, 278, 284.
    183.
    Dies deutet darauf hin, daß Wittgenstein die Confessiones bei sich in Norwegen hatte.
    185.
    ¤152i - ¤140 - ¤142i - ¤152ii - ¤142ii (alle 1936) - ¤220i (1936-1937) - ¤142iii (1937) - ¤239 (1937) - ¤220ii (1937-1942). Ms142 wurde erst kürzlich wiederaufgefunden, siehe Koder 1993: S.53.
    186.
    Wittgenstein selbst schreibt auf dem Titelblatt von Ms142 "Angefangen anfangs November 1936"; nach Nedo 1993: S.36f ist das genaue Datum der 5. November: "(...) und am 5. November vermerkt er in seinem Taschenkalender: ’Neue Umarbeitung begonnen’ (...)".
    187.
    V225; siehe oben Kapitel 1.3.1.
    188.
    V152; siehe oben Kapitel 1.3.1.
    189.
    Hier findet sich ein Verweis auf Ms115: S.253.
    193.
    So beruht z.B. die erste Bemerkung in Ms142: S.7 auf dem Entwurf in Ms152: S.41f.
    195.
    Ms142: Rückseite Titelblatt. Es kann sein, daß die übrigen Bemerkungen von dieser Seite schon vor der ganz oben stehenden Einleitung geschrieben wurden.
    196.
    Daß Wittgenstein um die Jahreswende 1936/37 in Wien war, ist durch eine Tagebuchaufzeichnung belegt: "Auf der Rückkehr von Wien & England, auf der Reise von Bergen nach Skjolden. Mein Gewissen zeigt (...)" (Ms183: S.148 (27.1.1937), zitiert nach 183 1997a: S.70).
    197.
    Vom Anfang bis "(...) nimmt er einen Apfel aus der Lade,".
    198.
    Vgl Ms142: S.1 "cum eam vellent ostendere ... ita verba" und Ts220: S.i "cum eam vellent ostendere. Hoc autem eos velle (...) faciendisve rebus. Ita verba".
    199.
    Vgl. die Zeilenzahlen auf Ts220: S.ii und Ts220: S.2.
    200.
    Siehe dazu unten, Kapitel 2.3.4.
    201.
    Damit ziehe ich die in Pichler 1994: S.21, 70ff diesbezüglich formulierte Hypothese zur Textgenese zurück.
    202.
    Von Wright 1986: S.121.
    203.
    Zu ¤140 im besonderen (und auch PU §§1-4 allgemein) siehe Westergaard 1994.
    204.
    Zwei Seiten (zwischen Seite 2 und 3 und zwischen Seite 15 und 16) blieben unpaginiert; es kann sich dabei auch um später eingefügte Blätter handeln.
    205.
    Ms140: loses, nicht paginiertes, Blatt.
    206.
    Diese These trifft sich mit der starken Interpretation von Augustinus in ¤111; siehe oben, Kapitel 2.1.1.
    207.
    Ms140: loses, nicht paginiertes, Blatt.
    208.
    Ms152: S.41. Dieser Entwurf stand Pate für die Bemerkung in Ms142: S.7 (§9).
    209.
    Das Einkaufsbeispiel ist ein gutes Beispiel dafür, daß es manchmal schwer sein kann, zu entscheiden, wo ein Text seinen Anfang hat; man könnte es z.B. durchaus auch in Ms112: S.112v-113v beginnen lassen: "Wenn eine rote Blume da war; (...) So handle ich eben (& man kann dafür wohl eine Ursache angeben, aber keinen Grund)."
    210.
    Ms142: S.1: "Stelle Dir nun //aber// diese folgende Verwendung der Sprache vor: //Nun stelle Dir ....//"
    211.
    Ms142: S.3.
    212.
    Vgl. ¤213 vs. ¤115ii.
    213.
    Ms142: S.3.
    214.
    ¤142iii (1937, bis zum Sommer) - ¤239 (Sommer 1937) - ¤220ii (Sommer 1937 bis 1942) - ¤226 (Herbst 1938).
    215.
    Vgl. die Zitate in ¤115ii, ¤140 und ¤142i.
    216.
    Ms142: S.77.
    217.
    PU §206.
    218.
    Keine andere Gruppe von Bemerkungen wurde in Ms142 derart oft variiert wie die PU §§1-4 entsprechenden Bemerkungen.
    219.
    Ms142: S.77.
    220.
    Von Wright 1986: S.127.
    221.
    239 1979: Vorwort.
    222.
    Von Wright 1986: S.127.
    223.
    Ts239: S.2.
    224.
    Ts220: S.ii.
    225.
    Ts239: S.2, 2a. Vgl. dazu die Quelle in Ms142: S.78.
    226.
    Ts220: S.ii.
    227.
    Siehe von Wright 1986: S.127.
    228.
    Ts220: Seiten i, ii, ii und Seiten 66 bis 137 (Ende) stammen von derselben Schreibmaschine; die Seiten 2-45 und 46-65 hingegen von zwei anderen.
    229.
    Beispiele dafür, daß die Textgenese tatsächlich von Ts239, und nicht von Ts220, weiterging, sind z.B. "fugiendisve" (Ts227: S.5, wie Ts239: S.1 (handschriftliche Korrektur); vgl. aber "faciendisve" in Ts220: S.i); der Gebrauch des Kommas in "die Namen von Personen, erst in zweiter Linie" (Ts227: S.6, wie Ts239: S.2; vgl. aber das Semikolon in Ts220: S.ii) und der Gebrauch der einfachen Anführungszeichen in "wie er das Wort ’rot’ nachschlagen soll und was er mit dem Wort ’fünf’ anzufangen hat" (Ts227: S.6, wie Ts239: S.2; vgl. aber die doppelten Anführungszeichen in Ts220: S.ii).
    230.
    Vgl. das Zitat in Ts239 und Ts220 z.B. bei "(majores homines)" und "signis ore" (Ts239: S.1).
    231.
    Ts226: S.1.
    232.
    Vgl. z.B. den Absatz vor Ts239: S.2a und Ts220: S.2 vs. die Gedankenstriche vor Ts227: S.7.
    233.
    Ts239: S.2 und Ts220: S.ii.
    234.
    Ts227: S.6.
    235.
    Zu den beiden Durchschlägen siehe Stern 1995.
    236.
    Vgl. von Wright 1986: S.20, im Zusammenhang mit der Helsinki-Edition der Endversion der "Untersuchungen" (227 1981): "Das redigierte und kommentierte Typoskript, das wir in Helsinki hergestellt haben, geht auf das einzige erhaltene Exemplar von 227 <inzwischen zwei erhaltene Exemplare> zurück. Beim Redigieren sind wir auf einige Probleme gestoßen, die daher rühren, daß viele der Verbesserungen und Zusätze nicht von Wittgensteins Hand stammen, sondern später aus der Druckvorlage übertragen worden sind."
    237.
    Ich vergleiche mit der Veröffentlichung in PU 1984 (W1 1984).
    238.
    Ts227: S.5.
    239.
    Ts227: S.5.
    240.
    Ts227: S.5.
    241.
    Wittgensteins Übersetzung des Zitats wird in den Ausgaben verschieden hantiert; in PI 1967 (1991) z.B. wurde sie in eine Fußnote gesetzt.
    242.
    Ts227: S.5.
    243.
    Ts227: S.6.
    244.
    Ts227: S.6f.
    245.
    Ts227: S.7.
    246.
    Ts227: S.7.
    247.
    Ts227: S.8.
    248.
    Es wäre falsch, die Unterscheidung zwischen der Groß- und Kleinschreibung von "du" oder die Verwendung von einfachem und doppeltem Gedankenstrich als irrelevant anzusehen. In den ersten vier Paragraphen von PU §§1-4 verwendet Wittgenstein beides: großes und kleines "du", einfachen und doppelten Gedankenstrich.
    249.
    Zitiert aus PU 1984: S.237-239 (W1 1984). Ich danke dem Suhrkamp Verlag für die Erlaubnis, den Text aus der Werkausgabe zitieren zu dürfen.
    250.
    Siehe die von Michael Biggs und mir erstellte Wittgenstein-Bibliographie in Biggs/Pichler 1993.
    Alois Pichler. Date: XML TEI markup by WAB (Alois Pichler) 2011-13. Last change 18.12.2013.
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