Media Philosophy—A Reasonable Programme?
Abstract
Über die wachsende Bedeutsamkeit von Medien in unserer Medienkulturgesellschaft gibt es weder im Wissenschafts- noch im Alltagsdiskurs ernsthaft Dissens. Wie in einer solchen Situation üblich, werden Medien und ihre Bedeutsamkeit zunehmend einer Selbst- wie einer Fremdbeobachtung unterzogen. Die Selbstbebachtung der Medien führt zu einer zunehmenden Selbstreferenz, aus der ganz praktisch Programm gemacht werden kann. Die Fremdbeobachtung haben einerseits empirisch orientierte Medien- und Kommunikationswissenschaftler, andererseits Philosophen übernommen. Während Medien- und Kommunikationswissenschaften seit langem disziplinär organisiert sind, kann bis heute von einer Medienphilosophie weder im Sinne eines festen Theoriegebäudes noch im Sinne einer etablierten Teildisziplin der Philosophie gesprochen werden. Das Nachdenken über Medienphilosophie verfügt also noch über erfreuliche Freiräume sowohl hinsichtlich der thematischen Orientierung als auch hinsichtlich wünschenswerter Organisationsstrukturen. Ein medienphilosophischer Ansatz konzentriert sich darauf, traditionelle philosophische Themen im Lichte der Wirksamkeit von Medien zu reformulieren. Die Liste der behandelten Themen ist sehr lang, sie reicht von Wirklichkeit, Wahrheit, Kultur, Gesellschaft, Erziehung und Politik bis zu Raum, Zeit, Gefühl, Subjekt und Unterhaltung. Das philosophische rethinking konzentriert sich hier darauf, wie sich in der Coevolution von Medien(systemen) und Gesellschaft sowohl die theoretischen Konzepte als auch die alltäglichen Erfahrungen unter dem Einfluss der Medien in der Entwicklung von der Schrift bis zum Internet gewandelt haben. Als Beispiele seien hier nur die tief greifenden Veränderungen der Konzepte wie der Erfahrungen von Raum und Zeit durch das Internet, die Entstehung der Medienpädagogik, das Heraufkommen der Medienkultur oder die Problematisierung aller Wirklichkeitskonzepte und –erfahrungen durch mediale Möglichkeiten der Simulation und Virtualität genannt. Zapping und Infotainment sind heute ebenso ernsthaft zu diskutierende philosophische Themen wie der Wandel der Politik zur medialen Performance. Ein zweiter medienphilosophischer Ansatz konzentriert sich auf medienspezifische Themen wie Netzkultur, neue Sozialformen im Internet, Globalisierung, Wandel der Körperrelevanz, Wahrnehmungswandel, Spielkulturen oder Digitalisierung der Demokratie, wobei Überschneidungen mit den oben genannten traditionellen Themen unvermeidbar sind. Diese Kurzcharakterisierung der thematischen Ebene impliziert m. E. auch eine Empfehlung für die Lösung der Organisationsfrage einer Medienphilosophie. Wenn sich die Themen aus argumentierbaren Gründen nicht randscharf voneinander trennen lassen, empfiehlt es sich, Medienphilosophie als notwendig interdisziplinär angelegtes Forschungsprogramm und nicht als traditionelle akademische Disziplin zu organisieren. Die mögliche Themenliste für Projekte in solchen Forschungsprogrammen ist schon heute sehr lang, und sie wird angesichts der rasanten Medienentwicklung von Jahr zu Jahr länger. Dieses Tempo kann keine akademische Disziplin mithalten, sondern, wenn überhaupt, dann nur ein flexibles Forschungsprogramm, in dem von sich aus und nicht von Amts wegen am Thema interessierte Kolleginnen und Kollegen interdisziplinär und aus eigener Medienerfahrung mitarbeiten. Heute dürfte klar sein, dass eine intensive Fremdbeobachtung der Medien zu den vordringlichsten Aufgaben des Wissenschaftssystems insgesamt gehört; disziplinäre Revieransprüche sind hier atavistisch. Medienpädagogik gilt heute als unumgänglich, will man die Jugend nicht einer Medienlegasthenie ausliefern. Medienethik und Medienkritik aber sind nicht weniger wichtig, will man nicht in der Zapping-Zone verkümmern. Die Globalisierung, die sich bis heute vor allem im ökonomischen Bereich sowie im IT-Bereich vollzieht, wird in dem Augenblick gefährlich, wo wir es versäumen, Kompetenzen als Beobachter 2. Ordnung zu entwickeln. Und dafür braucht es Medienphilosophie, die sich darüber klar ist, dass sie sich nur – in den Medien vollziehen kann, und zwar unter dem klaren Motto „Konstruktion und Kontingenz“.
Keywords
20th century philosophy; media philosophy; philosophy; Wittgenstein Ludwig; concept of language; media and reality; media culture society; media philosophical approach; media research programme; mediality; non dualistic process orientation; observation; s
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