Wittgenstein September 1914 edited by The Wittgenstein September 1914 group Using XML to generate research tools for Wittgenstein scholars by collaborative groupwork. recto_12r (...) Wir müssen in einem gewissen Sinne uns nicht in der Logik irren können. Dies ist schon teil - recto_13r 13 weise darin ausgedrückt: Die Logik muß für sich selbst sorgen. Dies ist eine ungemein tiefe & wich - tige Erkenntnis. Frege sagt: jeder rechtmäßig gebil - dete Satz muß einen Sinn haben und ich sage: jeder mögliche Satz ist rechtmäßig gebildet & wenn er keinen Sinn hat so kann das nur daran liegen daß wir einigen seiner Bestandteile keine Bedeutung gegeben haben. Wenn wir auch glauben es getan zu haben. 3.9.14. Gestern nicht ganz erfolglos gearbeitet. In Tolstoi gelesen mit großem Gewinn. Wie ist es mit der Aufgabe der Philosophie vereinbar daß die Logik für sich selbst sorgen soll? Wenn wir z.B. fragen: ist die & die Tatsache von der recto_14r 14 Subjekt-Prädikat-Form dann müssen wir doch wissen was wir unter der "S.P.form" verstehen. Wir müssen wissen ob es so eine Form überhaupt gi bt. Wie können wir dies wissen? "Aus den Zeichen!" Aber wie? Es Wir haben ja gar keine Zeichen von dieser Form. Wir können zwar sagen: wir haben Zeichen die sich so benehmen wie solche von der S.P. form, aber beweist das daß es wirklich Tatsachen dieser Form geben muß? Nämlich: wenn diese voll - ständig analysiert sind. Und hier frägt es sich wieder: Gi bt es so eine vollständige Analyse. Und wenn nicht: Was ist denn dann die Aufga - be der Philosophie?!!? Also können wir uns fragen: Gi bt es die Subjekt-Prädikat-Form? Gi bt es die Relationsform? Gi bt es über - recto_15r 15 haupt irgend eine der Formen von denen Russell und ich immer gesprochen haben? (Russell würde sagen: "ja! denn das ist einleuchtend." Jaha !) Also: wenn alles was gezeigt werden braucht durch die Existenz der Subjekt-Pädikat-Sätze etc gezeigt wird dann ist die Aufgabe der Philo - sophie eine andere als ich ursprünglich annahm. Wenn dem aber nicht so ist so müßte das Fehlende durch eine Art Erfahrung gezeigt werden und das halte ich für ausgeschlossen. Die Unklarheit [ befindet sich | liegt ] offenbar in der Frage wie worin eigentlich die logische Identität von Zeichen und Bezeichnetem besteht! Und diese Frage ist ( wieder ) eine Haupt - ansicht des ganzen philosophischen Problems. recto_16r 16 Es sei eine□ Frage der Philosophie gege - ben: etwa die ob "A ist gut" ein Subjekt-Prädikat-Satz sei; oder die ob "A ist heller als B" ein Relationssatz sei! Wie läßt sich so eine Frage überhaupt entscheiden?! Was für eine Evidenz kann mich überhaupt darüber beruhigen daß — zum Beispiel — die erste Frage bejaht werden muß? [—|(]Dies ist eine ungemein wichtige Frage). Ist die einzige Evidenz hier wieder jenes zw höchst zweifelhafte "Einleuchten"?? Nehmen wir eine ganz ähnliche Frage die aber einfacher & grundlegender ist; nämlich diese: ist ein Punkt in unserem Gesichts - bild ein "einfacher Gegenstand", ein Ding? Solche Fragen habe ich doch bisher immer als die eigentlichen philosophischen angesehen — und sie sind es auch gewiß in einem Sinne — aber recto_17r 17 nochmals: welche Evidenz könnte so eine Frage überhaupt entscheiden? Ist hier nicht ein Fehler in der Fragestellung denn es scheint als leuchtete mir über diese Frage gar nichts ein; als es scheint als könnte ich mit Bestimmtheit sagen, daß diese Fragen überhaupt nie entschieden werden könnten. 4.9.14 Wenn nicht die Existenz des Subjekt-Prädikat-Satzes alles Nötige zeigt dann könnte es doch nur die Existenz irgend einer beson - deren Tatsache jener Form zeigen. Und die Kenntnis einer solchen kann nicht für die Logik wesentlich sein. Gesetzt den Fall wir hätten ein Zeichen das wirklich von der S.P. Form wäre, wäre dieses für den Ausdruck von S.P. Sätzen irgendwie geeigneter als unsere " S.P. Sätze? Es scheint nein! recto_18r 18 Liegt das an der bezeichnenden Relation? / Wenn sich die Logik ohne die Beantwortung gewisser Fragen abschließen läßt [ s|d]ann muß sie ohne sie abgeschlossen werden. Die logische Identität [d|v]on Zeichen & Bezeichnetem besteht darin daß man im Zeichen nicht mehr & nicht weniger w[r|i]edererkennen darf als im Bezeich - neten. Wären Zeichen & Bezeichnetes nicht ihrem vollen logischen Inhalte nach identisch dann müßte es noch etwas Fundamentaleres geben als die Logik. 5.9.14. ϕ(a) . ϕ(b) . aRb [def]ϕ[aRb] Erinnere dich daß die Worte "Funktion" "Argument" "Satz" etc in der Logik nicht recto_19r 19 vorkommen dürfen! ϕ(x)(y)ψ= (x)ϕψ(y) = (x)R(y) = xRy Φ[ẐψZ].[def].ϕx ≡xψx .⊃.ϕΦϕ Von zwei Klassen zu sagen sie seien identisch sagt etwas. Von zwei Dingen dies sz zu sagen sagt nichts dies schon zeigt die Unzulässig - keit der Russellschen Definition 6.9.14. Φ(□) ∴[def]∴Φ[Ẑ{Z≠Z}]∴[def]∴ϕ(x) .≡x. x≠x ∶⊃∶Φ(ϕ) Der letzte Satz ist eigentlich nichts anderes als der uralte Einwand gegen die Identität in der Mathematik. Näm - lich der daß wenn 2 × 2 wirklich gleich 4 wäre daß dieser Satz dann nicht mehr sagen würde als a = a. Könnte man sagen: Die Logik kümmert die Analysierbarkeit der Funktionen mit denen sie arbeitet nicht. recto_20r 20 a ∈Ẑ(ψZ) .[def].ϕ(x) ≡xψ(x) .⊃. a ∈ϕ 7.9.14 Bedenke daß auch ein unana - lysierter S.P. Satz etwas ganz Bestimmtes klar aussagt. Kann man nicht sagen: Es kommt nicht darauf an daß wir es mit nicht analysierbaren S.P. Sätzen zu tun haben sondern darauf daß unsere S.P. Sätze sich in jeder Bezie - hung so ↲ benehmen ↰wie solche wie solche benehmen d.h. also daß die Logik unserer S.P. Sätze dieselbe ist wie die Logik jener anderen. Es kommt uns ja nur darauf an die Logik abzuschlie - ßen und unser Haupteinwand gegen die nicht-analysierten S.P. Sätze war der, daß wir ihre Syntax nicht aufstellen können solange wir ihre Analyse nicht kennen. Muß aber nicht die Logik eines recto_21r 21 scheinbaren S.P. Satzes dieselbe sein wie die Logik eines wirklichen? Wenn eine Definition überhaupt möglich ist, die dem Satz die S.P. Form gi bt …? 8.9.14 Das "Einleuchten" von dem Russell so viel sprach kann nur dadurch in der Logik entbehrlich werden daß die Sprache selbst jeden logischen Fehler verhindert. Und es ist klar daß jenes "Einleuchten" immer gänzlich trügerisch ist & war. 19.9.14. aRb . bRc . cRd . dRe =ϕ(a,e) (∃Rs) aRs e Ein Satz wie "dieser Sessel ist braun" scheint etwas enorm Kom - pliziertes zu sagen, denn wollten wir ganz diesen Satz so aussprechen daß uns niemand gegen ihn Ein - wendungen die aus seiner Vieldeutigkeit entspringen machen könnte so würde er endlos lang werden müssen. recto_22r 22 20.9.14. Daß der Satz ein logisches Abbild seiner Bedeutung ist leuchtet dem unbefangenen Auge ein. Gi bt es Funktionen von Tatsachen? Z.B."Es ist besser wenn dies der Fall ist als wenn jenes der Fall ist." Worin besteht denn die Verbindung zwischen dem Zeichen p und den übrigen Zeichen des Satzes: "Es ist gut daß p der Fall ist."? Worin besteht diese Verbindung?? Der Unbefangene wird sagen: offenbar in der räumlichen Beziehung des Buchstaben p zu den zwei Nach - barzeichen. Wenn aber die Tatsache "p" eine solche wäre in welcher keine Dinge vorkommen?? "Es ist gut daß p" kann wohl analysiert recto_23r 23 werden in "p . es ist gut wenn p". Wir setzen voraus: p sei nicht der Fall: Was heißt es dann zu sagen, "es ist gut daß p?" Wir können ganz offenbar sagen, der Sachverhalt p sei gut ohne zu wissen ob "p" wahr oder falsch ist. Der Ausdruck der Grammatik: "Ein Wort bezieht sich auf ein anderes" wird hier beleuchtet. Es handelt sich in den obigen Fällen darum anzugeben wie Sätze in sich zusammenhängen. Wie der Satz-Verband zustande kommt. (αβγ) ϕ(α…) Wie kann sich eine Funktion auf einen Satz beziehen???? Immer die uralten Fragen! recto_24r 24 Nur sich nicht von Fragen überhäufen lassen; nur es sich bequem machen! "ϕ(ψx)": Nehmen wir an uns sei eine Funktion eines S.P. Satzes gegeben und wir wollen die □□ Art der Beziehung der Funktion zum Satz dadurch erklären daß wir sagen: Die Fun - ktion bezieht sich unmittelbar nur auf das Subjekt des S.P. Satzes und was bezeichnet ist das logische Produkt aus dieser Beziehung und dem S.P.-Satzzeichen. Wenn wir das nun sagen so könnte man fragen: wenn du den Satz so erklä - ren kannst warum erklärst du dann nicht auch seine Bedeutung auf die analoge Art & Weise. Nämlich "sie sei keine Funktion einer S.P. Tatsache sondern das logische Produkt einer solchen & einer Funktion ihres Subjektes"? Muß nicht der Einwand der gegen diese □□□ recto_25r 25 Erklärung gilt auch gegen jene gelten? 21.9.14. Es scheint mir jetzt plötzlich in irgend einem Sinne klar daß eine Eigenschaft eines Sachverhalts immer intern sein muß. ϕa, ψb aRb man könnte sagen der Sachverhalt aRb habe immer eine gewisse Eigenschaft, wenn die beiden ersten Sätze wahr sind. Wenn ich sage: Es ist gut daß p der Fall ist dann muß dies eben in sich gut sein. Es scheint mir jetzt klar daß es keine Funktio - nen von Sachverhalten geben kann. 23.9.14. ϕ(a), ψ(b), aRb; (∃x [)|y]): ϕx . ψy . xRy aRb .ϕa . ψb [def] (ϕ,ψ) (aRb) =Ω(x) recto_26r Man könnte fragen: wie kann der Sachverhalt p eine Eigenschaft haben, wenn es sich am Ende gar nicht so verhält? 24.9.14. Die Frage, wie ist eine Zuordnung von Relationen möglich, ist identisch mit dem Wahrheits-Problem. [31|25].9.14. Denn dies ist identisch mit der Frage wie ist die Zuordnung von Sach - verhalten möglich (einem bezeich - nenden & einem bezeichneten). Sie ist nur durch die Zuordnung der Bestandteile möglich; ein Beispiel bietet die Zuordnung von Namen & Benanntem. (Und es ist klar daß auch eine Zuordnung der Relationen auf irgend eine Weise stattfindet.) |aRb|; |a b|; p=aRb [def] [ Hier wird ein einfaches Zeichen einem Sachverhalt zugeordnet. ] recto_27r 27 26.9.14 Worauf gründet sich unsere -- sicher wohl begründete -- Zu - versicht daß wir jeden beliebigen Sinn in unserer zweidimensionalen Schrift werden ausdrücken kön - nen?! 27.9.14 Ein Satz kann seinen Sinn ja nur dadurch ausdrücken daß er dessen logisches Abbild ist! Auffallend ist die Ähnlichkeit zwischen den Zeichen "aRb" und "aσR . Rσb" . 29.9.14. Der allgemeine Begriff des Satzes führt auch einen ganz allgemeinen Begriff der Zuordnung von Satz und Sach - verhalt mit sich: Die Lösung aller meiner Fragen muß höchst einfach sein! recto_28r 28 Im Satz wird eine Welt probeweise zusammengestellt. (Wie wenn im Pariser Gerichtssaal ein Automobil - unglück mit Puppen etz [ demonstriert |dargestellt] wird. Daraus muß sich (wenn ich nicht blind wäre) sofort das Wesen der Wahrheit ergeben. Denken wir an hieroglyphische Schriften bei denen jedes Wort seine Bedeutung darstellt! Denken wir daran daß auch wirkliche Bilder von Sachverhalten stimmen und nicht stimmen können. " ": Wenn in diesem Bild der rechte Mann den Menschen A vorstellt und bezeichnet der linke den Menschen B so könnte etwa das Ganze aussagen "A ficht mit B". Der recto_29r 29 Satz in Bilderschrift kann wahr und falsch sein. Er hat Si einen Sinn unabhängig von seiner Wahr- oder Falschheit. An ihm muß sich alles Wesentliche de - monstrieren lassen. Man kann sagen wir haben zwar nicht die Gewißheit daß wir alle Sachverhalte in Bildern aufs Papier bringen können wohl aber die Gewißheit daß wir alle logischen Eigenschaften der Sachverhalte in einer zweidimensionalen Schrift abbilden können. Wir sind hier noch immer sehr an der Oberfläche aber wohl auf einer guten Ader. 30.9.14 Man kann sagen in unserem Bilde stellt der Rechte etwas dar und auch der Linke, aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre so könnte recto_30r 30 ihre gegenseitige Stellung etwas darstellen. (Nämlich eine Beziehung) Ein Bild kann Beziehungen dar - stellen die es nicht gi bt!!! Wie ist dies möglich? Jetzt scheint es wieder als müßten alle Beziehungen logisch sein damit ihre Existenz durch die des Zeichens verbürgt sei. (...) |