115 Band XI Philosophische Bemerkungen, Philosophische Untersuchungen


NORM Item 115 Title: Band XI Philosophische Bemerkungen, Philosophische Untersuchungen Transcriber(s): Alois Pichler 1992 Proofreader(s): Peter Cripps 1994; Alois Pichler 1994, 1995, 1996 Corrections: Alois Pichler 2007 Hands: H1, H2 Comments: Grundtext in schwarzer Tinte H2; Nachträge in schwarzer Tinte H2 und Bleistift H1.

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Item 115 Recto Page TPr Philosophische Bemerkungen <3>1 XI. Fortsetzung von Band X.

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Item 115 Verso Page 1 1 14.12.33. Das Bild sagt mir also sich selbst. Und daß es mir etwa sagt wird etwa darin bestehen, daß ich in ihm Gegenstände in irgend einer charakteristischen Gruppierung wierdererkenne. (Wenn ich sage: ”ich sehe in diesem Bild einen Tisch”, so charakterisiert das, wie gesagt, das Bild in einer Weise, die nichts mit der Existenz eines ’wirklichen’ Tisches zu tun hat. ”Das Bild zeigt mir einen Würfel”, kann z.B. heißen: es enthält die Form Graphic.)

NORM 2[ Wir sind geneigt zu denken, es gäbe ein bestimmtes Phänomen des Wiedererkennens, das Ding als das zu erkennen. Aber als was? Als das, welches diesen Namen hat? oder so gebraucht wird? Denn ’das Ding als sich selbst erkennen’ heißt nichts. Die Idee, die uns da vorschwebt, ist die des Vergleichs zweier Bilder; es ist als trügen wir ein Bild des Gegenstandes mit uns herum, & wenn wir ihn wiedersehen & wir erkennen einen Gegenstand als den, welchen das Bild darstellt zeigt. Es ist uns so, als ob unser Gedächtnis so einen Vergleich vermittelte; indem es uns ein Bild des früher gesehenen aufbewahrt oder uns erlaubt in die Vergangenheit zu sehen schauen, (so)—daß wir jedes Bild, oder das in der Vergangenheit [g|G]eschaute, das was uns das Gedächtnis zeigt, mit dem gegenwärtig [g|G]esehenen vergleichen können. «Aber» Wwenn wir die Gegenstände die uns umgeben & die wir unzählige Male gesehen


Item 115 Recto Page 2 2 haben nicht als fremde sondern als wohlvertraute behandeln, ja sogar wenn wir auf eine Frage etwa antworten ”ja, diesen Tisch kenne ich gut wohl, ich bin immer ich sehe ihn täglich”, so geht hier kein Vergleich zweier Eindrücke (eines Erinnerungsbildes & der Wirklichkeit) vor sich. Ja, nicht einmal dann, wenn wir sagen ”ich erinnere mich, daß diese Farbe gestern etwas heller war”, es sind auch da in den meisten Fällen nicht zwei Eindrücke. ]2

NORM 2[ Ich leugne natürlich nicht, daß es Phänomene des Wiedererkennens gibt[.| (]Wenn wir, z.B., sagen: ”das ist dasselbe Kästchen, das ich vor Jahren dort gesehen habe”) auch nicht, daß unter den Phänomenen des Wie, die wir ”Wiedererkennen” nennen, das dasjenige ist, ein Vorstellungsbild mit der Wirklichkeit «zu» vergleichen.| ]2 Wenn aber jemand auf meinen Schreibtisch zeigt & «man» mich fragt: ”hast Du ihn Deinen Schreibtisch wiedererkannt, wie als Du ihn heute früh früh wieder nach dem Aufstehen gesehen hast wie Du heute morgens in Dein Zimmer getreten bist?” so werde würde ich zwar wohl sagen ”gewiß!” und doch ist es irreführend, das was sich da abgespielt hat ein ”Wiedererkennen” zu nennen. Gewiß, der Schreibtisch war mir nicht fremd, ich war nicht überrascht ihn zu sehn, wie ich es gewesen wäre wenn ein andrer dagestanden hätte oder gar ein «fremdartiger» Gegenstand. desgleichen ich noch nie gesehen hätte.

NORM Der Anblick meines Zimmers, einer Straße


Item 115 Verso Page 3 3 2[ voll Menschen, einer Landschaft mit Häusern & Bäumen ist mir wohlvertraut. ]2

NORM ¥ S. 5 A ”Was heißt es: ’dieser Gegenstand ist mir wohlbekannt?” - ”Nun, ich weiß daß er ein Tisch ist.” Das kann u.a. «aber alles mögliche» heißen, «u.a.»: ”ich weiß, wie er gebraucht wird”, ”ich weiß daß, «er sieht wie ein Tisch aus» wenn man ihn aufklappt.”, er wie ein Tisch aussieht”, etc. ”ich weiß, daß man das einen ’Tisch’ nennt”.

NORM Was ist das Wesens des ’wohlbekannt Sseins’? Worin besteht es, daß ein Anblick mir wohlbekannt ist? (Schon diese Frage ist eigentümlich; sie klingt nicht wie eine grammatische Frage.) Ich möchte sagen: ”Ich sehe was ich sehe. Und die Wohlbekanntheit kann nur darin liegen, daß ich in dem Anblick ruhe.

NORM ”Ich sehe, was ich sehe”, das sage ich darum, weil ich nicht benennen will, was ich sehe. Ich will nicht sagen, ”ich sehe eine Blume”, denn das setzt ein Sprachübereinkommen voraus & meine Ausdrucksweise will sich nicht auf die Geschichte des Eindrucks beziehen.

NORM 2[ Ja, wenn ich sage das Wohlbekanntsein bestehe darin, daß ich erkenne, was ich


Item 115 Recto Page 4 4 sehe //daß ich erkenne, was das ist was ich sehe//. ich sehe eine Blume, so wende ich die Sache nun so sehe … so an,: das Aussprechen das Aussprechen der Worte des Erkennens ”das ist eine Blume” ist eine Reaktion auf den Anblick; man kann aber nicht sagen, es sei das Kriterium des Erkennens, daß ich den Gegenstand richtig benenne; vielmehr muß es nun heißen, das Erkennen ist dadurch charakterisiert, daß ich bei dem Anblick des Gegenstandes eine Lautverbindung ausspreche, etwa mit gewissen Empfindungen, ausspreche. Denn daß diese Lautverbindung das richtige deutsche Wort ist, ja überhaupt ein Wort einer bestehenden existierenden Sprache, liegt nicht in der Erfahrung beim Aussprechen.]2

NORM Das Wohlbekanntsein bestehe darin, daß ich erkenne,: was ich sehe sei eine Blume. Ich sehe sage nun die Sache so an: Das Aussprechen der Worte des Erkennens ”das ist eine Blume” ist eine die Reaktion «des Erkennens» auf den Anblick (des Gegenstandes); ich sage aber nicht, das Kriterium des Erkennens sei ist nicht, daß ich den Gegenstand richtig benenne, sondern daß ich bei seinem Anblick eine Lautverbindung mit bestimmtem Erlebnis ausspreche. Denn daß die Lautverbindung das richtige deutsche Wort ist, oder überhaupt ein Wort einer bestehenden Sprache liegt nicht in dem Erlebnis beim Aussprechen.

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Item 115 Verso Page 5 5 «[Zu S. 3]» A Prüfe: ”Wohlbekannt ist das, wovon ich weiß, was es ist”.

NORM Ich will alles ’Geschichtliche’ aus meiner Betrachtungsweise des Bekanntseins ausschalten. Es bleiben dann Eindrücke (Erlebnisse, Reaktionen), & auch wo die Sprache in unsere Erfahrungen eintritt betrachten wir sie nicht als bestehende Einrichtung.

NORM Die Multiplizität des Wohlbekanntseins, wie ich es verstehe, ist also die des Ruhens in einem Anblick. Es könnte darin bestehen daß mein Blick auf dem Gegenstand nicht unruhig (suchend) umherschweift, daß ich den Aspekt des Gesehenen nicht wechsle sondern mich in einem Aspekt niederlasse & bleibe. sogleich einen Aspekt ergreife & festhalte.

NORM Ich sehe das Bild eines dicken Rockes & habe ein Gefühl der Wärme & Behaglichkeit, ich sehe das Bild einer winterlichen Landschaft & friere. Diese Reaktionen, könnte man sagen, sind durch frühere Erfahrung gerechtfertigt. Aber wir bekümmern uns jetzt nicht um die Geschichte unserer Erfahrungen & also auch nicht um eine solche Rechtfertigung.

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Item 115 Recto Page 6 6 //3 Niemand wird sagen, daß jedesmal wenn ich in mein Zimmer komme, in die altgewohnte Umgebung, sich ein Wiedererkennen alles dessen was ich sehe, & hundertemale gesehen habe, abspielt.

NORM Wenn wir an unser Verstehen eines Bildes etwa eines Genrebildes denken, so sind wir vielleicht geneigt anzunehmen, daß es da ein bestimmtes Phänomen des Wiedererkennens gibt & wie die gemalten Menschen als Menschen, die gemalten Bäume als Bäume erkennen, etc. Aber vergleiche ich den beim Anblick eines Genrebildes die gemalten Menschen mit wirklichen, etc.? Soll ich also sagen ich erkenne die gemalten Menschen als gemalte Menschen? & Und also auch die wirklichen Menschen als wirkliche?

NORM Freilich gibt es ein das Phänomen des Erkennens, wenn wir, etwa nach einem Vorgang des Suchens, eine Zeichnung als die Darstellung eines Menschen erkennen; aber was sich hier abspielt geschieht eben nicht, wenn ich die Zeichnung sogleich als die Darstellung eines Menschen sehe.

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Item 115 Verso Page 7 7 Der Anblick Das Bild der einer menschlichen Gestalt sowie die menschliche Gestalt selbst sind uns wohlvertraute Gegenstände. Von einem Wiedererkennen aber ist hier keine Rede.

NORM //3 Von den Vorgängen, die man ”Wiedererkennen” nennt haben wir leicht einen falschen Begriff; als bestünden sie das Wiedererkennen immer darin daß wir zwei Bilder Eindrücke mit einander vergleichen. Es ist als trügen wir ich ein Bild des eines Gegenstandes mit uns bei mir & agnoszierte danach einen Gegenstand als den, welchen das Bild darstellt. Unser Gedächtnis scheint uns so einen Vergleich zu vermitteln, indem es uns ein Bild des früher Gesehenen aufbewahrt oder uns erlaubt (wie durch ein Rohr) in die Vergangenheit zu blicken.

NORM In den meisten Fällen des Wiedererkennens findet kein solcher Vergleich statt. Jemand kommt mir auf der Gasse entgegen dessen Gesicht meinen Blick auf sich zieht; vielleicht frage ich mich ”wer ist das?”; plötzlich ändert sich der Aspekt des Gesichtes in bestimmter Weise, ”es wird mir bekannt”; ich lächle gehe auf ihn zu & begrüße ihn beim Namen; jetzt reden wir von «der» vergangenen Zeit & dabei schwebt mir vielleicht auch ein Erinnerungsbild «von ihm» vor, & ich


Item 115 Recto Page 8 8 sehe ihn ich sehe ihn in einer bestimmten Situation.

NORM Man sagt vielleicht: hätte ich nicht sein Bild in der Erinnerung bewahrt, so könnte ich ihn nicht erkennen. Aber hier gebraucht man eine Metapher, oder «man» spricht eine Hypothese aus.

NORM Man könnte sagen: ”sein Gesichtder Anblick war erinnerungsbetont”.

NORM Man sagt auch: ”wir könnten Worte gar nicht gebrauchen, wenn wir nicht sie & die Gegenstände die sie bezeichnen wiedererkennten”. Wenn wir die Farbe Grün nicht als solche wiedererkennten (wohl wegen Mangels an Gedächtnis), so könnten wir also das Wort ”Grün” nicht anwenden. Aber haben wir den irgend eine Kontrolle dieses Wiedererkennens, so daß wir wissen daß es auch wirklich ein Wiedererkennen ist? Wenn wir von einem Wiedererkennen reden, so meinen wir, daß wir etwas als das erkennen, was es, nach andern Kriterien, wirklich ist. ”Erkennen” heißt: erkennen, was ist.

NORM Die Wohlbekanntheit bestätigt den Aspekt Anblick ohne ihn aber mit etwas [a|A]nderem zu vergleichen. Sie stempelt ihn gleichsam ab. 3

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Item 115 Verso Page 9 9 Anderseits möchte ich sagen: ”was ich hier vor mir sehe, ist doch nicht irgend eine Form, die ich auf bestimmte Weise sehe, sondern es sind eben meine Schuhe, die ich kenne. Aber hier bekämpfen sich eben zwei Ausdrucksweisen.

NORM //3 Diese Form, die ich sehe - möchte ich sagen - ist nicht einfach eine Form, sondern sie ist eine von den mir bekannten Formen; sie ist eine im vorhinein ausgezeichnete Form. Sie ist eine von den Formen deren Bild schon früher in mir war & nur weil sie so einem Bild entspricht, ist sie die wohlbekannte Form. (Ich trage gleichsam einen Katalog solcher Formen mit mir herum & die Gegenstände die dort abgebildet sind, sind dann die wohlbekannten.)

NORM /3 Aber daß ich das Bild schon früher mit mir herumgetragen habe wäre nur eine kausale Erklärung des gegenwärtigen Eindrucks. Es ist, als sagte man: diese Bewegung geht so leicht, als wäre sie eingeübt worden. Und es ist ja nicht so sehr als [V|v]ergliche ich den Gegenstand mit einem neben ihm stehenden Bild sondern als deckte er sich mit dem Bild. Ich sehe also nur Eines & nicht zwei.

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Item 115 Recto Page 10 10 //3 Man sagt: ”[D|d]ieses Gesicht hat einen ganz bestimmten Ausdruck”, & sucht etwa nach Worten, die ihn charakterisieren.

NORM //3 Hier ist es leicht in jene Sackgasse des Philosophierens zu geraten, wo man glaubt die Schwierigkeit der Aufgabe liege Er4 darin, daß schwer Erhaschbares erhaschbare Erscheinungen, die schnell entschlüpfende gegenwärtige Erfahrung, oder dergleichen, von uns beschrieben werden sollten. Wo die gewöhnliche Sprache uns zu roh erscheint; & «es scheint als haben» wir es nicht mit den Phänomenen «zu tun», von denen der Alltag redet, zu tun zu haben scheinen, sondern ”mit den leicht entschwindenden, die mit ihrem Auftauchen & Vergehen jene ersteren annähernd erzeugen.”.

NORM Und da muß man sich daran erinnern, daß alle die Phänomene, die uns nun so merkwürdig vorkommen, die ganz gewöhnlichen sind, die, wenn sie geschehen, uns nicht im geringsten auffallen. Sie kommen uns erst in der seltsamen Beleuchtung, die die merkwürdig vor, die wir «nun» auf sie werfen, wenn wir philosophieren.

NORM ”Das Bild sagt mir sich selbst”, möchte ich sagen. D.h., daß es mir etwas sagt, liegt besteht in seiner eigenen


Item 115 Verso Page 11 11 Struktur in seinen Formen & Farben. So ein Fall wäre es z.B., wenn der Satz ”es sagt mir etwas” oder ”es ist ein Bild” hieße: es zeigt irgend eine Kombination von Würfeln & Zyllindern.

NORM ”Es sagt mir etwas” kann heißen: es erzählt mir etwas, es ist eine Erzählung

NORM Es sagt mir sich selbst, wie ein Satz, eine Erzählung mir sich selbst sagt.

NORM Ist denn der Begriff des erzählenden Bildes nicht ähnlich dem des Genrebildes (oder Schlachtenbildes). Und wenn ich beschreiben wollte, was ein Schlachtenbild ist, so brauchte ich mich nicht auf eine Realität außerhalb des Bildes zu beziehen sondern nur von gemalten Menschen, gemalten Pferden, «gemalten Kanonen» etc zu reden.

NORM ”Das Bild sagt mir etwas”: es gebraucht, sozusagen, Worte[.|;] Ich vergleiche das Hier hier sind Augen, Mund, Nase, Hände, etc. etc.. Ich vergleiche das Bild mit einer Kombination sprachlicher Formen.

NORM /3 Aber das System der Sprache ist nicht von der Kategorie des eines Erlebnisses. & [e|E]in Erlebnis Das typische Erlebnis beim Gebrauch eines Systems nicht das System.


Item 115 Recto Page 12 12 (Vergleiche: Bedeutung des Wortes ”oder” & Oder-Gef5 Oder-Gefühl.)

NORM ”Jetzt sagt mir diese Zeichenfolge etwas; früher, ehe ich die Sprache lernte, hat sie mir nichts gesagt”. Nehmen wir an wir meinten meinen damit, daß der Satz jetzt einen bestimmten Eindruck auf mich macht. mit einem bestimmten Erlebnis gelesen wird. Gewiß, diese Zeichenfolge hat, ehe ich die Sprache verstehen lernte, nicht diesen Eindruck auf mich hervorgebracht. diesen Eindruck gemacht. Der Eindruck ist natürlich, wenn wir vom Kausalen absehen vom System der Sprache ganz unabhängig. - Und nun wehrt sich etwas in mir dagegen, zu sagen:: daß der Satz etwas sagt, besteht darin, daß er mir diesen Eindruck macht. ”Etwas ist ein Satz nur in einer Sprache”, will ich sagen.

NORM ’Sprache’, das sind doch die Sprachen. Auch solche die ich nach Analogie bestehender erfinde. Die Sprachen sind Systeme.

NORM ”Ein Satz ist ein Satz einer Sprache”, Aber das heißt eben,: ”Sätze” nenne ich Glieder der Sprachen.

NORM Aber achten wir auf den Gebrauch des Wortes ”deutsche Sprache”, sonst fragen wir etwa: ”Was ist die Sprache? alle «ihre» Sätze die je


Item 115 Verso Page 13 13 gesprochen worden sind? «[D|d]ie Klasse» [I|i]hrer Regeln «& Wörter»? etc. etc..” Was ist das System? Wo ist es? Was ist das Schachspiel? alle Partien? Das Regelverzeichnis?

NORM Satz ist das Glied einer Sprache”. ”Es ist doch offenbar die Kombination von Wörtern die auch anders kombiniert werden könnten können, was den Satz ausmacht”. D.h. aber: was ihn für mich ausmacht. So betrachte ich die Sprache

NORM ∫3 Wir wollen eben auf das System der Sprache achten.

NORM //3 Gewiß, ich lese eine Geschichte & kümmere mich den Teufel um ein System der Sprache. Ich lese einfach, habe Eindrücke, sehe Bilder vor mir, etc.. Ich lasse die Geschichte an mir vorüberziehen wie Bilder, wie eine Bildergeschichte. (Damit will ich natürlich nicht sagen, daß jeder Satz in mir ein visuelles Bild oder mehrere hervorruft, & daß das etwa der Zweck eines des Satzes sei.)

NORM //3 Denken wir uns eine Bildergeschichte in S schematischen Bildern, also ähnlicher der Erzählung in einer Sprache als eine Folge realistischer Bilder. Man könnte in so einer Bildersprache etwa insbesondere den Gang von Schlachten festgehalten haben. (Sprachspiel.) Und ein Satz unserer Wortsprache kommt kommt so einem Bild dieser Bildersprache viel näher als man meint.

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Item 115 Recto Page 14 14 Denken wir auch daran, wie daß wir uns solche Bilder [Graphic ] nicht erst in realistische übertragen, um sie zu ’verstehen’, sowenig wir uns je Photographien oder die Bilder des Films in färbige Bilder übertragen obwohl uns schwarz-weiße Menschen oder Pflanzen etc. in der Wirklichkeit unsagbar fremd & schrecklich vorkämen. Wie, wenn wir nun hier sagten: ”ein Bild ist etwas nur in einer Bildersprache”?

NORM Ein Satz einer Erzählung gibt uns dieselbe Befriedigung, wie ein Bild.

NORM Wir können uns (anderseits) eine Sprache denken, in deren Verwendung der Eindruck, den ein Zeichen uns macht,, den wir von den Zeichen erhalten, in keiner Weise eintritt nicht eintritt keine Rolle spielt; in der es ein Verstehen im Sinne eines solchen Eindrucks nicht gibt.//; in der ein Verstehen im Sinne eines solchen Eindrucks nicht in Frage kommt.// Die Zeichen werden uns etwa geschrieben übermittelt & wir können sie uns nun merken. (D.h. der einzige Eindruck von dem da die Rede ist, ist das Bild des Zeichens.) Wenn es nun ein Befehl ist, so übertragen wir nach Regeln, Tabellen, das Zeichen in Handlung. Zum Eindruck ähnlich dem eines Bildes kommt es gar nicht & man schreibt auch nicht Erz Geschichten in dieser Sprache. Es gibt


Item 115 Verso Page 15 15 aber etwa eine Art Unterhaltungslektüre, die darin besteht, daß man gewisse Zeichenfolgen in Körperbewegungen übersetzt die eine Art Tanz bilden. (Vergleiche die Bemerkung über Verstehen & Chiffre.)

NORM •• //3 Es wäre natürlich auch denkbar, daß wir einen Satz der Wortsprache, um von ihm einen Eindruck zu erhalten, nach Regeln in ein gezeichnetes Bild übertragen müßten. (Daß erst dies Bild eine Seele hätte) 3

NORM //3 (Ich könnte meinem Schüler sagen: Du wirst anders denken, wenn Du durch diese Übungen gegangen bist.)

NORM •[ In diesem Fall könnte man «wirklich»6 sagen: ”Die Zeichenfolge ist tot ohne das System”. //”Das Zeichen lebt nur im System.”// ]

NORM Aber auch in unserer gewöhnlichen Sprache können wir von dem Eindruck des Satzes oft ganz absehen & wichtig ist nur, wie wir mit dem Satz operieren. (Frege's Auffassung der Logik.)

NORM ”Es gibt keinen alleinstehenden Satz”. Denn was ich ”Satz” nenne ist eine Spielstellung in einer Sprache.

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Item 115 Recto Page 16 16 Ist das Verwirrende nicht, daß ich eine Spielstellung betrachten kann so genau ich will, aber dadurch nicht herausfinde, daß es eine Spielstellung ist? Es verwirrt uns hier etwas in an der Grammatik des Wortes ”Spielstellung”.

NORM Das Denken heißt eine Tätigkeit, wie das Rechnen. Niemand wurde rechnen einen Zustand nennen, oder Schach spielen.

NORM // Denken wir uns eine Art Vexierbild, worin nicht ein bestimmter Gegenstand aufzufinden ist, sondern das uns auf den ersten Blick als ein Gewirr nichtssagender Striche erscheint & nach einigem Suchen erst als, sagen wir, ein Landschaftsbild. - Worin besteht der Unterschied zwischen dem Anblick des Bildes vor & nach der Lösung //Auflösung//. Daß wir es beidemale anders sehen ist klar. Inwiefern aber kann man nach der Auflösung sagen, jetzt sage uns das Bild etwas, früher habe es uns nichts gesagt?

NORM Wir können diese Frage auch so stellen: Was ist das allgemeine Charakteristikum dafür, daß die Lösung gefunden ist?

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Item 115 Verso Page 17 17 Als das Kriterium der Auflösung könnte ich alles mögliche bestimmen. Ich will annehmen, daß ich, sobald es gelöst ist, die Lösung dadurch darstelle kenntlich mache, indem daß ich gewisse Striche des Vexierbildes stark nachziehe & etwa Schatten eintrage. Warum nennst Du nun das Bild das Du eingezeichnet hast eine Auflösung? a) Weil es die klare Darstellung einer Gruppe dreidi räumlicher Gegenstände ist. b) Weil es «die Darstellung» eine[n|s] regelmäßigen Körpers darstellt ist. c) Weil es eine symmetrische Figur ist. d) Weil es eine Figur ist die mir eine[m|n] ornamentalen Eindruck macht. e) Weil es die Darstellung eines Körpers ist der mir bekannt vorkommt f) Weil es eine Liste von Auflösungen gibt & diese Figur (dieser Körper) auf der Liste steht. g) Weil es eine Art von Gegenstand darstellt, die ich wohl kenne: denn sie er macht mir den augenblicklichen Eindruck der Wohlbekanntheit, «ich verbinde augenblicklich alle möglichen Assozitionen mit ihm,» ich weiß, wie er heißt, ich weiß, daß ich ihn oft gesehen habe, ich weiß, wozu man ihn gebraucht, etc. etc. h) Weil es ein Gesicht darstellt, welches mir bekannt vorkommt i) Weil es ein Gesicht darstellt welches ich erkenne: &agr;) es ist das Gesicht meines Freundes so & so &bgr;) es ist «ein Gesicht» welches ich oft abgebildet gesehen habe. etc. k) Weil es einen Gegenstand darstellt,
Item 115 Recto Page 18 18 den ich mich erinnere, einmal gesehen zu haben. l) Weil es ein Ornament ist das ich gut kenne (obwohl ich nicht weiß, wo ich es gesehen habe). m) Weil es ein Ornament ist das ich gut kenne: ich kenne seinen Namen, weiß wo man es finden kann ich es schon gesehen habe. n) Weil es einen Einrichtungsgegenstand meines Zimmers darstellt. o) Weil u.s.w. ich instinktiv diese Striche nachgezogen habe & mich nun beruhigt fühle. p) Weil ich mich erinnere, daß mir dieser Gegenstand beschrieben worden ist. g1) Weil ich den Gegenstand wohl zu kennen meine //scheine//: ich es fällt mir sogleich ein Wort als sein Name ein (obwohl das Wort keiner bestehenden Sprache angehört), ich sage mir: ”natürlich das ist ein &agr; wie ich es oft in &bgr; gesehen habe. Man &ggr;t damit die &dgr; bis sie εen.” So etwas kommt z.B. im Traum vor. q) u.s.w.

NORM (Wer nicht versteht, warum wir über diese Dinge reden, muß, was wir sagen, als leere Spielerei empfinden.)

NORM Der Eindruck ist [e|E]ins, & die Bestimmtheit des Eindrucks etwas Anderes. Was ich den Eindruck der Wohlbekanntheit nenne ist von der hat die Multiplizität


Item 115 Verso Page 19 19 einer Bestimmtheit.

NORM Wir können in ein menschliches Gesicht schauen das wir genau kennen ohne irgend einen Eindruck zu erhalten haben, sozusagen ganz stumpfsinnig; & von da bis zu einem starken Eindruck gibt es alle Stufen.

NORM @ Denken wir uns «der Anblick eines» ein Gesichts machte brächte uns einen starken Eindruck auf uns hervor //ergriffe uns stark// «es flößt uns etwa Furcht ein». Soll ich dann sagen: vor allem muß hier da ein der Eindruck der [w|W]ohlbekanntheit sein statthaben, ich muß muß in dem Anblick des Gesichts ruhen, oder dergleichen; die Form des menschlichen Gesichts als solche muß mir den Eindruck der Bekanntheit machen; & zu diesem Eindruck kommt nun der der Furcht. - Ist es nicht (vielmehr) so, daß, was ich den Eindruck der Artbekanntheit nenne, ein Chara[k|c]teristicum eines jeden starken Eindrucks ist den ein Gesicht auf mich macht. Etwa das Characteristicum der Bestimmtheit. Ich sagte ja der Eindruck der Wohlbekanntheit bestehe etwa darin daß wir in einem Anblick ruhen, den Aspekt nicht wechseln & dergleichen.

NORM //3 Kann ich mir den Eindruck der individuellen Bekanntschaft wegdenken, wo er ist, & hinzudenken wo er nicht ist? Und was heißt das? Ich sehe


Item 115 Recto Page 20 20 z.B. das Gesicht eines Freundes an & frage mich: wie schaut dieses Gesicht aus wenn ich es als ein mir unbekanntes Gesicht sehe (als sähe ich es etwa jetzt zum ersten mal)? Was bleibt sozusagen von dem Anblick des Gesichts wenn ich den Eindruck der Bekanntheit wegdenke, abziehe? - Hier bin ich nun geneigt zu sagen: ”es ist sehr schwer die Bekanntheit von dem Eindruck des Gesichts zu trennen”. Aber ich fühle auch daß das eine irreführende Ausdrucksweise ist. Ich weiß nämlich gar nicht wie ich es auch nur versuchen soll diese beiden zu trennen. Der Ausdruck ”sie trennen” hat für mich gar keinen klaren Sinn. Ich weiß was es heißt: ”stelle Dir diesen Tisch vor aber schwarz, obwohl er blaun ist” das heißt etwas [a|A]hnliches wie: ”zemale ein Bild dieses Tisches aber schwarz statt braun”; «oder» analog: ”zeichne diesen Menschen aber mit längeren Beinen als er hat”.

NORM //3 Wie, wenn man sagte: ”denke Dir diesen Schmetterling, genau so wie er ist, aber häßlich statt schön”?!

NORM Die Ausdrucksweise[e|E]s ist sehr schwer … wegzudenken”,: hier scheint es als handle es sich um eine «psychologische» Schwierigkeit, «eine Schwierigkeit» der Introspektion


Item 115 Verso Page 21 219 einer Bestimmtheit oder dergleichen. (Dies trifft für ein großes Gebiet von philosophischen Problemen zu: Denke an das Problem der genauen Wiedergabe, «Beschreibung»‹, des im Gesichtsfeld gesehenen; an die Beschreibung der immer fließenden Erscheinung; auch an die Frage daran: ”wieviel Regentropfen siehst Du, wenn Du in den Regen schaust”.) Vergleiche: ”Es ist schwer diesen Tisch aus der Ferne bewegen zu wollen”.

NORM /3 Wir haben in diesem Fall nicht bestimmt, was es heißen soll sich die Wohlbekanntheit wegzudenken. Es könnte etwa heißen, sich des Eindrucks zu entsinnen den ich hatte als ich das Gesicht zum ersten Male sah. Und hier wieder muß man wissen was es heißt zu ”versuchen” sich an den Eindruck zu erinnern. Denn das hat mancherlei Bedeutung. Fragen wir uns: welche Tatigkeiten nennen wir ”versuchen uns an etwas zu erinnern”[. W|; w]as tun wir wenn wir uns daran erinnern wollen was wir gestern zu Mittag gegessen haben[?|;]; gibt es so eine diese Methode auch für die «frühen» Kindheitserinnerungen eines Erwachsenen; kann man versuchen, sich an seine die eigene Geburt zu erinnern?

NORM Ich sage mir: ich will versuchen ein gedrucktes deutsches Wort anzuschauen und mir vorzu es so zu sehen als hätte ich nicht lesen gelernt & a[s|l]s seien


Item 115 Recto Page 22 2[0|2] die schwarzen Figuren auf dem Papier sonderbare Zeichnungen de[sse|ren]n Zweck ich mir nicht denken kann, oder nicht ahne. Da geschieht nun dies, daß ich das gedruckte Wort nicht anschauen kann ohne da[s|ß] mir das Lautbild des Wortes oder der Buchstaben die ich gerade anschaue vorschwebt.

NORM /3 Die Eine Zeichnerische Darstellung des Innern eines Radioempfängers wird für den Einen den der nicht das Geringste vom Radio weiß den keine Kunde von solchen Dingen hat, ein Gewirr sinnloser Striche sein. Lernt Hat er aber den Apparat & seine Funktion kennen«gelernt» so wird jene Zeichnung «für ihn» ein sinnvolles Bild sein. Gegeben nun eine bestimmte mir jetzt Gegeben irgend eine mir jetzt … sinnlose körperliche Gestalt (etwa im Bild), kann ich nach Belieben sie sinnvoll vorstellen? Das wäre, als fragte man: kann ich mir einen beliebig geformten Gegenstand Körper als Gebrauchsgegenstand vorstellen? Aber zu was für eine[n|m] Gebrauch? Nun man kann ja wenigstens eine Klasse von Körperformen sich methodisch als Wohnungen von Tieren oder Menschen denken. Eine andere Klasse als Waffen. Eine etwa als Modelle von Landschaften etc. etc.. Und hier weiß ich also, wie ich einer sinnlosen Form Sinn geben //andichten// kann.

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Item 115 Verso Page 23 23 //3 Wenn ich sage,, dieses Gesicht hat den Ausdruck der Milde, Güte, Feigheit, so scheine ich nicht nur zu meinen daß wir die & die Gefühle mit dem G Anblick des Gesichts assoziieren, sondern ich bin versucht zu sagen, daß das Gesicht ein Aspekt der Feigheit, Güte, etc., selbst ist. («Vergleiche z.B.» Weininger.) - Man kann sagen: ich sehe die Feigheit in dieses Gesicht hinein (& könnte sie auch in ein anderes hineinsehen), aber jedenfalls scheint sie mit dem Gesicht nicht bloß assoziiert, äußerlich verbunden, sondern die Furcht hat die Multiplizität der Gesichtszüge. Und wenn sich z.B. die Züge ein wenig ändern, so können wir von einer entsprechenden Änderung der Furcht reden. Würden wir gefragt: ”kannst Du Dir dieses Gesicht auch als Ausdruck des Mutes denken”, so wüßten wir, gleichsam, nicht, wie wir den Mut in diesen Zügen unterbringen sollten. Ich sage dann etwa: ”Ich weiß nicht, was das hieße, wenn dieses Gesicht ein mutiges Gesicht ist wäre”. ist”. [Diesen Satz kann man nicht richtig stellen indem man statt ”wenn” ”daß” setzt, oder statt ”ist” wäre”.] Aber wie sieht die Lösung so einer Frage aus? Man sagt «etwa»: ”Ja, jetzt verstehe' ich es;: das Gesicht ist sozusagen gleichgültig gegen die Außenwelt”. Wir haben also Mut hineingedeutet. Der Mut, könnte man sagen, paßt jetzt wieder auf das Gesicht. Aber was paßt hier worauf?

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Item 115 Recto Page 24 24 /3 Es ist ein verwandter Fall (obwohl es vielleicht nicht so scheinen möchte) wenn wir uns z.B. darüber wundern, daß die Franzosen nicht «einfach»6 sagen ”der Mann ist gut” sondern ein attributives [a|A]djektiv dorthin setzen, wo ein prädikatives stehen sollte; und wenn wir das Problem uns dann dadurch lösen daß wir sagen sie meinten ”der Mensch ist ein guter”.

NORM /3 Könnten verschiedene Deutungen eines Gesichtsausdrucks nicht darin bestehen, daß ich mir zu ihm jedesmal eine Andere Fortsetzung //eine andere Art Weise der Fortsetzung// denke? So ist es gewiß oft. Ich sehe ein Bild das einen lächelnden Kopf darstellt. Was tue ich, wenn ich das Lächeln einmal als freundliches einmal als böses auffasse? Stelle ich es mir dann nicht in einer räumlichen & zeitlichen Umgebung vor die ich freundlich oder boshaft nenne? Ich So könnte «ich» mir zu dem Bild vorstellen daß der Lächelnde auf ein spielendes Kind herniederlächelt oder «aber» auf das Leiden eines Feindes. Daran wird nichts geändert dadurch, daß ich mir auch die auf den ersten Blick liebliche Situation durch eine weitere Umgebung wieder anders deuten kann. Ein gewisses Lächeln werde ich, wenn keine besondern Umstände meine Deutung umstellen, als freund-


Item 115 Verso Page 25 25 liches auffassen, ein freundliches nennen, entsprechend reagieren.

NORM ¥ S. 27 A /3 Was heißt es: ”Freundlichkeit in das Lächeln hineinlesen”? Es heißt vielleicht, ich mache ein dem lächelnden Gesicht auf «eine»6 bestimmte Weise koordiniertes Gesicht. Ich nehme etwa den gleichen { Gesichtsausdruck an Ich ordne etwa dem andern Gesicht { meines in der Weise zu daß es den einen oder andern Zug { des andern übertreibt.

NORM //3 Ein freundlicher Mund, ein freundliches Auge. Wie denkt man sich eine freundliche Hand? - Wahrscheinlich geöffnet & nicht als Faust. - Und könnte man sich die Haarfarbe des Menschen als Ausdruck der Freundlichkeit, oder des Gegenteils, denken? Aber, so gestellt, scheint dies diese Frage zu fragen, ob uns das gelingen7 wird //gelingen kann//. Die Frage soll //sollte// lauten: Wollen wir etwas eine freundliche, oder unfreundliche Haarfarbe nennen? Wollen wir solchen Worten Sinn geben, so würden wir uns etwa einen Menschen denken dessen Haare dunkel werden, wenn er böse zornig wird. Das Hineinlesen des bösen Ausdrucks in die dunklen Haare aber geschähe mittels einer schon fertigen Idee. Man kann sagen: das freundliche


Item 115 Recto Page 26 26 Auge der freundliche Mund, das Wedeln des Hundes sind «unter anderm» primäre & von einander unabhängige Symbole der Freundlichkeit, ich meine damit: sie sind Teile der Phänomene die man Freundlichkeit nennt. Will man sich andere Erscheinungen als Ausdruck der Freundlichkeit denken so sieht man jene Symbole in sie hinein. Wir sagen ”er macht ein finsteres Gesicht”; vielleicht weil die Augen durch die (heruntergezogenen) Augenbrauen «stärker» beschattet werden; & nun übertragen wir die Idee der Finsternis auf die Haarfarbe. Er macht finstere Haare. Fragte man mich ob ich mir einen Sessel mit freundlichem Ausdruck denken kann, so ich würde ich mir ihn gewiß vor allem mit einem freundlichen Gesichtsausdruck vorstellen wollen, ein freundliches Gesicht in ihn hineinlesen.

NORM //3 Ich sage: ”dieses Gesicht (was das zuerst den Eindruck der Furchtsamkeit macht) kann ich mir auch als ein mutiges denken”. Damit meinen wir nicht, daß ich mir vorstellen kann, wie jemand mit diesem Gesicht «etwa»6 einem Andern das Leben retten kann (das kann man sich natürlich zu jedem Gesicht vorstellen). Ich rede vielmehr von einem Aspekt des Gesichtes selbst. Was ich meine ist auch nicht, daß «ich «könne» mir vorstelle, daß» dieser Mensch sein Gesicht in ein, im gewöhnlichen geläufigen Sinne, mutiges veränd //in ein, nach der gewöhnlichen Auffassung// mutiges, «im gewöhnlichen Sinn»‹, verändern


Item 115 Verso Page 27 27 kann wird; wohl aber, daß es auf eine ganz bestimmte Art in ein solches übergehen kann. Die [u|U]mdeutung eines Gesichtsausdrucks ist «aber //wohl//»6 zu vergleichen mit der Umdeutung eines Akkordes in der Musik, wenn wir ihn einmal einmal als Überleitung in diese eine ei «einmal in» oder jene Tonart ’hören«//empfinden//». (Vergleiche auch den Unterschied Mischfarbe, Zwischenfarbe.)

NORM [Zu S. 25] A Das [H|h]ängt mit dem Gegensatz von sagen & meinen zusammen. ”Jeder Ausdruck kann (doch) lügen”: [a|A]ber denke doch nur was Du mit ”lügen” meinst. Wie stellst Du Dir die Lüge vor? setzt Du nicht einen Ausdruck einem andern entgegen? Doch gewiß dem Ausdruck einen Vorgang, der auch Ausdruck sein könnte.

NORM Wenn wir uns fragen ”welcher «Personen»[N|n]ame würde den Charakter dieses Menschen treffen” - klanglich abbilden - so ist es gl steht gleichsam die Projektionsmethode, mittels nach der wir abbilden, fest «(So könnte sich etwa ein Dichter fragen welchen Namen er einer Person geben will.)». Manchmal aber projizieren wir den Charakter in den «gegebenen» Namen. So scheint es uns, daß die großen Meister gerade die Namen haben die einzig zu ih dem Charakter ihrer Werke passen.

NORM //3 Erlebnis der wirklichen Größe. Wir sähen


Item 115 Recto Page 28 28 ein Bild da[ß|s] uns die Form eines Sessels zeigt; man sagt uns, es stelle eine Konstruktion von Hausgröße vor. Nun sehen wir es anders.

NORM Was geschieht wenn wir lernen den Schluß einer Kirchentonart als Schluß zu empfinden?

NORM Denke an die Vielgestaltigkeit dessen was wir ”Sprache” nennen. Wortsprachen, Bildersprachen, Gebärdensprachen, Tonsprache.

NORM 2[ Die philosophischen Schwierigkeiten, etwa das Wiedererkennen betreffend, sind nicht solche die wir zwar in praxi übersehn nicht merken, die sich aber zeigen wenn sowie man die Phänomene Vorgänge genauer betrachtet. Sie zeigen sich vielmehr nur, wenn wir sie durch ein vorgefaßtes Schema ]2

NORM //3 Ich bin versucht zu sagen: ”’[d|D]iesen Gegenstand kenne ich wohl’, das ist als sagte ich: ’dieser Gegenstand ist in meinem Katalog abgebildet’”. Dann bestünde es also darin, daß so ein Bild in einem bestimmten Umschlag mit andern zusammengebunden wäre; in dieser Lade läge. - Aber wenn ich mir das wirklich vorstell[t|e]e, & denke


Item 115 Verso Page 29 29 ich vergliche einfach den gesehenen Gegenstand mit Bildern in meinem Katalog & fände, daß er mit einem von ihnen übereinstimmt, so wäre das eben nicht ähnlich dem Phänomen der Wohlbekanntheit. Man nimmt nämlich an es [sei uns]• das Bild in unserem Katalog •• wohlbekannt. Wäre es uns fremd, so würde die Tatsache daß es in diesem Umschlag, in dieser Lade ist liegt gar nichts für uns bedeuten.

NORM //3 Wenn ich nun von dem Vorbild im Katalog meines Geistes rede oder dem Futeral in worein in welches der Körper Gegenstand paßt, wenn er mir wohlbekannt ist, so möchte ich, daß das Futeral in meinem Geist sozusagen als ”Form der Vorstellung” ist, sodaß ich nicht sagen kann, ein Vorbild sei in meinem Geiste, welches (wirklich) nicht dort ist. - Das Vorbild zieht sich sozusagen in meinen Geist zurück, ist also kein Objekt mehr für mich ihn. Das heißt aber »nur«: Das aber heißt nur: es Es hatte keinen Sinn von einem Vorbild überhaupt zu reden. (Vergleiche «damit» die Idee [der|Die] Raumbrille die man wir nicht ablegen kann. können.)

NORM //3 Wenn wir von der Wohlbekanntheit als von einem Passen «des Gegenstandes»6 in ein Futeral reden, so ist das nicht ganz so als verglichen wir das Gesehene mit einem Abbild. Wir meinen dann eigentlich das Gefühl, wie wenn ein der Gegenstand ohne Widerstand in die Form des Futerals gleitet. Aber dieses Gefühl könnten wir auch


Item 115 Recto Page 30 30 haben, wenn gar kein genau passendes Futeral vorhanden wäre. Wir könnten uns auch jeden Gegenstand in einem unsichtbaren Futeral denken & das ändert gar nichts an unseren Erfahrungen & ist nun eine leere Form der Darstellung

NORM (Die Darstellung der Philosophie kann nur gedichtet werden.)

NORM (Philosophie dürfte man eigentlich nur dichten. Daraus muß sich, scheint mir, ergeben, wie weit mein Denken der Gegenwart, Zukunft oder der Vergangenheit angehört: Denn ich habe mich damit auch als einen bekannt, der nicht ganz kann, was er zu können wünscht.

NORM «[Zu S. 53]» A Die Beruhigung in der Philosophie tritt ein, wenn das erlösende Wort gefunden ist.

NORM Es sollte eigentlich nicht heißen: ”ja, ich erkenne es, es ist ein Gesicht” sondern: ”ich erkenne es, ich sehe es als Gesicht” sehe ein Gesicht”. (Das Wort Gesicht könnte für mich hier das bloße Ornament Graphicbedeuten «(ohne irgend eine Beziehung zum Geicht des Menschen)», wäre also auf derselben gleicher Stufe wie irgend eine andere mir wohlbekannte uns bekannte Figur, z.B. ein Hakenkreuz.) Denn die Frage ist (hier): Was erkenne ich hier als was? Denn, ein Ding als


Item 115 Verso Page 31 31 sich es selbst erkennen, heißt nichts.

NORM Das Gedächtnis mit einem Notitzbuch verglichen: Einerseits dient dieser Vergleich als Bild dessen was bewußt vorgeht; anderseits gibt er ein psychologisches Modell. (Und das Wort ”bewußt” verweist hier auf einen Abschnitt der Grammatik & ist nicht der eine Teil des psychologischen Gegensatzes ”bewußt” - ”unbewußt”)

NORM Die Vorgänge des Erinnerns sind sehr mannigfach. ”Bist Du gestern an bei Deinem Tisch gesessen in Deinem Zimmer gewesen?” - ”Ja.” - ”Bist Du sicher?” - ”Ich sitze jeden Tag an diesem Tisch & ich wüßte [es|doc]h wenn [es|ich] gestern nicht geschehen hier gewesen wäre!” Dabei brauche ich mich keinen Augenblick vor dem Tische sitzen sehen in der Erinnerung in meinem Zimmer sehen. Aber nehmen wir an ich sähe mich während ich so spräche in meinem Zimmer am Fenster stehen; wie zeigt mir das Bild das es gestern war. Freilich, das Bild könnte das auch zeigen, wenn ich z in ihm etwa einen Wandkalender mit dem gestrigen Datum sähe. Wenn das aber nicht der Fall war, wie las ich dann aus dem Erinnerungsbild «oder der Erinnerung» ab daß ich gestern so am Fenster stand, wie übersetzte ich die Erinner das Erleb-


Item 115 Recto Page 32 32 nis der Erinnerung in Worte? - Aber übersetzte ich8 sie denn ein Erlebnis in Worte? Sprach ich nicht einfach die Worte aus[?|;] War das nicht und zwar in bestimmtem Tonfall & dergleichen «Erlebnissen der Sicherheit»? War das nicht aber das Erlebnis der Erinnerung? (Das Erlebnis der Überzeugung ist von der Art des Erlebnisses des Tonfalls.) Aber was machte Dich so sicher als Du diese Worte sprachst? Nichts; ich war sicher. Ich kann freilich, was ich so aussprach, nun auf andere Weise - wie man sagen würde - nachprüfen. Das heißt: ich kann nun versuchen mich an bestimmte spezielle Geschehnisse des gestrigen Tages zu erinnern & mir Bilder vor's Auge zu rufen etc.. Aber das mußte jedenfalls nicht geschehen sein ehe ich antwortete.

NORM Wenn wir einen Vorgang aus der Erinnerung erzählen so sehen wir wohl manchmal Erinnerungsbilder vor uns; meistens aber sind sie nur in der Erinnerung verstreut wie Illustrationen in einem Märchenbuch.

NORM Es sagt mir jemand: ”stelle Dir auf dieser weißen Wand einen Fleck vor von der Farbe die man ’rot’ nennt”. Ich tue es; - soll ich nun sagen ich habe mich daran erinnert welche Farbe ’rot’ heißt. Wenn ich von diesem Tisch rede, erinnere ich mich, daß dieser Gegenstand ’Tisch’ ge-


Item 115 Verso Page 33 33 nannt wird.

NORM //3 Könnte man nicht einwenden: ”So kann also der gewisse Erinnerungen nicht haben, der keine Sprache gelernt hat?” Freilich, - er kann keine sprachlichen Erinnerungen, sprachlichen Wünsche, etc. haben. Und sprachliche Erinnerungen, etc., sind Erinnerungen in der Sprache, etc. sind … ja nicht bloße Übersetzungen fadenscheinige Schemata; ist denn das sprachliche Erlebnis kein Erlebnis? //Und Erinnerungen«, etc.,» in der Sprache sind ja nicht bloß die fadenscheinigen Darstellungen wirklicher eigentlicher //für eigentliche// Erlebnisse; ist denn das Sprachliche kein Erlebnis?// (Worte sind Taten.) 3

NORM //3 Manche Menschen erinnern sich an ein musikalisches Thema in der Weise, daß das Notenbild vor ihnen auftaucht & sie es herunterlesen. Es wäre denkbar daß, bei gewissen Menschen das Gedächtnis darin bestün was wir das ”GedächtnisErinnern” bei einem Menschen nennen, darin bestünde, daß er sich« im Geiste», ein Buch Notizbuch nachschlagend, sähe & daß was er in diesem Buch liest eben das Erinnerte wäre. (Wie reagiere ich auf eine Erinnerung?) 3

NORM Ubrigens, denke ich denn, wenn ich die Gegenstände meiner Umgebung als wohlbekannte behandle, an diesen Vergleich. Natürlich nicht. Das tue ich erst, wenn ich den Akt des Erkennens (Wiedererkennens) nachträglich


Item 115 Recto Page 34 34 betrachte; & zwar nicht so sehr indem ich zu sehen trachte, was dabei tatsächlich vorgegangen ist, als indem ich es durch ein vorgefaßtes Schema betrachte. (Fluß der Zeit.) (Das Problem vom Wesen der Zeit & dem Fluß der Zeit ist diesem sehr ähnlich.) [Von da an wieder auf S. 155 Bd. X]

NORM «[Zu S. 161 Bd X]» A) Ich nenne Regeln der Darstellung nicht Konventionen, wenn sie sich «dadurch» rechtfertigen lassen, daß die Darstellung, mit wenn sie ihnen gemaß ist, mit der Wirklichkeit übereinstimmt. So ist die Regel, ”male den Himmel heller als irgend etwas, was von ihm sein Licht empfängt” keine Konvention. Die Regeln der Grammatik lassen sich nicht dadurch rechtfertigen, daß man zeigt, ihre Anwendung führe zu einer Übereinstimmung der Darstellung mit der Wirklichkeit. Denn diese Rechtfertigung müßte das Dargestellte selbst beschreiben.

NORM B) Kann aber die Rechtfertigung nicht einfach auf die Wirklichkeit zeigen? Inwiefern ist dieses Zeigen aber eine Rechtfertigung? Hat es denn die Multiplizität einer Rechtfertigung? Es mag freilich die Ursache sein (davon) sein, daß wir Ursache sein, warum wir … diesen Satz statt jene[m|s] sagen. Aber gibt es einen Grund dafür? Nennen wir das


Item 115 Verso Page 35 35 ”Rechtfertigung”?

NORM [Zu S. 171 Bd X] A ”Sprache” das ist ein Wort wie ”Tastatur”. Es gibt Maschinen die eine Tastatur enthalten. Nun könnte ich mich aus irgendwelchen Gründen für Formen von Tastaturen interessieren (wirklich verwen solche die im Gebrauch sind & auch andere bloß von mir ersonnene). Und eine Tastatur erfinden könnte heißen etwas erfinden was die gewünschte Wirkung hat; aber auch auch neue Formen ersinnen die den alten auf mannigfache Weise analog sind.

NORM [Zu S. 172 Bd. X.] B ”Die Regeln eines Spiels sind willkürlich” heißt: der Begriff ”Spiel” ist nicht durch die ps Wirkungen, die das Spiel auf uns haben soll, definiert.

NORM [Zu S. 175 Bd X] A C Ist die Philosophie ein Geschöpf der Wortsprache? Ist die Wortsprache eine Bedingung für die Existenz der Philosophie? Richtiger würde man fragen: Gibt es außerhalb des Gebietes unserer Wortsprachen auch etwas der Philosophie analoges? Denn die Philosophie, (das) sind die philosophischen Probleme, d.i. die bestimmten individuellen Beunruhigungen, die wir ”philosophische Probleme” nennen. Das ihnen Gemeinsame reicht soweit als wie das Gemeinsame zwischen verschiedenen Gebieten. unserer Sprache


Item 115 Recto Page 36 36 Betrachten wir nun ein bestimmtes philosophisches Problem, etwa das: ”Wie ist es möglich einen Zeitraum zu messen, da (doch) Vergangenheit & Zukunft nicht gegenwärtig sind & die Gegenwart nur ein Punkt ist” -; so ist das Charakteristische daran, daß «sich» hier eine Verwirrung in Form einer Frage äußert, welche die diese Verwirrung nicht anerkennt. Daß er //der Fragende// der Frager// durch eine bestimmte Änderung seiner Ausdrucksweise von seinem Problem erlöst wird.

NORM [Zu S. 175 Bd X] A Ein dem philosophischen analoges Problem, oder eine Beunruhigung, könnte etwa dadurch entstehen, daß jemand auf allen Tasten des Manuals spielte, daß das Ergebnis nicht wie Musik klänge, & daß er doch versucht wäre zu glauben denken, es müsse Musik sein. etc..

NORM //3 [Etwas, was auf den ersten Blick ausschaut wie ein Satz & keiner ist] [Zu S. 175 Bd X] B Ich möchte hier Der folgende die Erfindung ein einen Vorschlag zur Konstruktion einer Motor[s|S]traßenwalze «wurde mir» mit«ge»teil[e|t]n we der & scheint mir philosophisches Interesse zu haben. scheint. « Der Irrtum des Erfinders hat mit einem philosophischen Irrtum Verwandtschaft. » Das Wesentliche [der|Die] Erfindung war ist «besteht darin», daß der Motor sich im [i|I]nneren der hohlen Walze befinde[n|t] sollte. Die Kurbelwelle läuft durch die Mitte der «hohlen» Walze & ist an beiden Enden durch Speichen mit dem Walzenrande ihr verbunden. Der Zylinder des Benzinmotors ist an der Innenseite der Walze befestigt. Auf den ersten Blick sieht diese


Item 115 Verso Page 37 37 Konstruktion wie eine Maschine aus. - Aber sie ist //Tatsächlich aber ist sie// ein starres System & der Kolben kann sich im Zylinder nicht aus & ein8 noch bewegen. Wir haben sie ihn selbst jeder der Bewegungsmöglichkeit beraubt & wissen es nicht. Graphic

NORM v Wir sagen: ”der Hahn ruft die Hühner durch sein Krähen herbei”; aber liegt dem nicht schon der Vergleich mit unserer Sprache (Wortsprache) zugrunde? - Wird der Aspekt nicht ganz verändert, wenn wir uns vorstellen durch irgend eine physikalische Einwirkung ziehe das Krähen die Hühner an? Wenn aber gezeigt würde in welcher Weise die Worte ”komm zu mir!” auf den Angesprochenen einwirken, so daß«, unter gewissen Bedingungen,» am Schluß gewi[ß|s]se Muskeln innerviert werden & er zu mir kommt, - würde damit jener Satz den Charakter des Satzes verlieren?

NORM v Unsere Sprache, unsere Wortsprache, ist vor allem das was wir ”Sprache nennen”, & dann Anderes nach seiner Analogie oder Vergleichbarkeit mit ihr.

NORM v Das Achselzucken, wenn wir es (etwa in einem Gespräch) meinen, als Antwort


Item 115 Recto Page 38 38 geben, wird allerdings anders erlebt als ein Achselzucken das etwa durch dieselbe Bewegung wenn sie durch … einen Schmerz in der Schulter bewirkt wird. Und wir fragen auch etwa: ”war das ein Achselzucken oder hat es nur so ausgeschaut”. ”war das als Achselzucken gemeint, oder war es nur eine zufällige Bewegung?” - Würden wir aber das Achselzucken ein Zeichen nennen, wenn wir es nicht in Verbindung mit der Wortsprache gebrauchten?

NORM //3 «Der Fall //Die Fälle//:»6[J|j]emandem ein Zeichen geben wollen.”. - Ich bedeute jemand mit einer Bewegung der Hand, daß er sich setzen soll; unmittelbar neben ihm steht ein Anderer; aus der Richtung meines Blicks & meiner Gebärde ist nicht zu entnehmen welchem von Beiden ich das ein Zeichen gebe. Nun fragt man mich:, ”welchen hast Du gemeint”,, & ich antworte: ”den A”. Worin lag bestand dieses Meinen? Oder: Worin lag der Unterschied zwischen den Vorgängen, mit diesem Zeichen den A & den B zu meinen. Mußte das 2[Kriterium darin liegen daß irgend etwas Unterscheidende ein Vorgang sein welcher den des Zeigens der //die// Handbewegung, des Blickes //den Blick//, etc., begleitete? konnte es nicht darin liegen, daß ich auf ich mich ärgerte wenn sich @ auf mein Zeichen der A stehen blieb; oder darin, daß ich auf die Frage ”wen hast Du gemeint” antwortete: ”den A”? Oder in einer Kombination dieser & andrer? ]2

NORM


Item 115 Verso Page 39 39 Mache diesen [v|V]ersuch: Sage ”hier ist es kalt” & meine ”hier ist es warm”. Kannst Du es? - Und was tust Du dabei? Und gibt es nur eine Art das zu tun?

NORM ”Der Hund meint etwas« damit»6, wenn er mit dem Schweif Schwanz wedelt”. Was betrachten wir als Kriterium dafür? Wie würden können wir das begründen? //Wie könnte man das begrunden?//

NORM //3v Wir würden kaum fragen, ob das Krokodil etwas damit meint, wenn es mit offenem Rachen auf einen Menschen zukommt. Und wir würden erklären: das Krokodil könne nicht denken & darum sei eigentlich hier von einem Meinen keine Rede.

NORM Wenn wir die Achsel zucken, so sind die begleitenden psychischen Erlebnisse, dabei die seelischen Erlebnisse, nicht wesentlich verschieden die Meinungserlebnisse,//, was man die Meinungserlebnisse nennen könnte,// nicht wesentlich verschieden von denen beim [a|A]ussprechen eines Wortes ode[i|r] Satzes: ”vielleicht - ”, ”ich weiß nicht”, ”weiß Gott” etc. - Diese Worte können gewiß so unwillkürlich (ich meine aber nicht papageienhaft) ausgesprochen werden wie eine Geste gemacht werden kann.

NORM


Item 115 Recto Page 40 40 Ad hoc ”erfunden” sind natürlich meine Wörter & Gesten nicht; aber nicht alles, was nicht erfunden ist, ist von früher vereinbart. ”Contract sociale” Auch hier ist in Wirklichkeit kein Vertrag geschlossen worden; aber die Situation ist mehr oder weniger der ähnlich, analog, der, in welcher wir wären, wenn …. Und sie ist «vielleicht»6 mit Nutzen unter dem Gesichtspunkt eines solchen Vertrages zu betrachten.

NORM v Was heißt es, zu wissen, was eine Pflanze ist? Was heißt es, es zu wissen & es nicht sagen zu können? (Socrates: ”Du weißt es, & kannst hellenisch reden, also mußt Du es doch sagen können.”)

NORM Hat dieses Wissen die Multiplizität eines Satzes, der nicht ausgesprochen wurde? So daß, wenn der Satz ausgesprochen würde, ich ihn als den Ausdruck meines Wissens anerkennen würde? - Ist es nicht vielmehr so, daß jede exacte Definition als Ausdruck unseres Verstehens abgelehnt werden müßte? D.h.: müßten wir nicht von so einer sagen, sie bestimme zwar eine[m|n], dem unsern verwandten Begriff, aber nicht diesen selbst? Und die Verwandtschaft sei etwa die zweier Bilder, deren eines aus unscharf begrenzten Farbflecken, das andere aus ähnlich geformten


Item 115 Verso Page 41 41 & verteilten, aber scharf begrenzten bestünde? Die Verwandtschaft wäre dann ebenso unleugbar, wie die Verschiedenheit.

NORM Vergleiche:9 1 ”Wissen was eine Pflanze ist” •• 3 ”Wissen wieviel 25 x 25 ist” wie hoch der Stephansturm ist” 4 ”Wissen wie eine Klarinette klingt” •[ 2 ”Wissen wie man das Wort ’Pflanze’ gebraucht”.] Im dritten Fall wäre es allerdings seltsam zu sagen, man wisse es, könne es aber nicht sagen. Wenn wir uns darüber wundern daß [e|E]iner etwas wissen, & es nicht sagen kann, werden wir da nicht durch eine scheinbare Analogie mit einem Fall wie No 3 geleitet?

NORM ”Ich weiß, was eine Pflanze ist:, was Pflanzen sind: ich kann [d|D]ir w Pflanzen welche zeigen, aufzeichnen, beschreiben.”

NORM Was nennen wir denn eine ”die ”Antwort auf die Frage: ’was ist eine Pflanze’”. Nun etwa: ”[s|S]iehst Du, das, das, & das sind Pflanzen”. Auch eine Verbaldefinition «der Botanik etwa,» würden wir eine Antwort nennen; aber sie wäre eine andere Antwort und nicht mit der ersten äquivalent. Sowenig, wie die Erklärung «des Schrittmaßes», die etwa vor einigen hundert Jahren ein Vater seinem Sohn gegeben hat mit der: ”ein Schritt = 75 cm”. Diese Antworten sind verwandt aber nicht äquivalent & die zweite ist nicht vielleicht die eigentlich richtige, die die erste ungenaue selbstver-


Item 115 Recto Page 42 42 ständlich ersetzt wenn wir nur einmal die richtige kennen.

NORM Ich sage: ”der Boden war ganz mit Blumen bedeckt”. Wollte jemand eine Erklärung dessen was ich meine so wäre etwa die gemäßeste ich könnte ihm ein «gemaltes» Bild eines solchen Bodens zeigen. Und ich würde ihm sagen: ”siehst Du, so hat es ausgesehen”. Will ich nun, daß er versteh[t|e], jede Blüte & jedes Gras sei genau in der Lage & von gewesen, wie es sie auf dem Bild zu sehen sind? - Und wenn das nicht, ist es das ein Fehler des Bildes & meine ich, daß ein anderes möglich wäre welches die genauen Lagen zeigte?

NORM ”Ist ein verschwommener Begriff überhaupt ein Begriff?”. Ist eine unscharfe Photographie das ein Bild eines Menschen? Kann man ein unscharfes Bild überall immer mit Vorteil durch ein scharfes ersetzen? Ist das unscharfe [nicht oft] «gerade» das was wir brauchen man braucht3?

NORM ”Was ist eine ’exacte’ Definition im Gegensatz zu einer unexacten?” Nun, etwa, eine Definition in der die Wörter nicht das Wort ”ungefähr”, ”beiläufig”, & oder ähnliche vorkommen.

NORM


Item 115 Verso Page 43 43 Denken wir an ein anderes Beispiel: den Gebrauch des Wortes ”eiförmig” oder ”Osterei”. Wir würden einen Gegenstand von dieser Gestalt Graphicnicht mehr als Osterei gelten lassen & doch nicht sagen können bei welchem Verhältnis der Länge & Breite etwas anfängt ein Osterei zu sein. Ja, wenn Einer nun ein solches Verhältnis angäbe, so könnten wir es nie als die richtige Begrenzung unseres Begriffes angeben anerkennen. Sondern wir müßten //würden// entweder sagen: ”Nein, das nenne ich kein Osterei, das es ist zu schlank (oder zu dick, etc.)” - oder: ”ja, das ist ein Osterei, aber der Grenzfall ist es nicht gerade”. Diesen gibt es eben nicht in unserem Kalkül & wer einen Grenzfall einführte, führte einen neuen Kalkül ein.

NORM Beim Fürs Preisschießen gibt es Statuten, welche bestimmen wie die Preise nach der Lage der Schüsse auf der Scheibe zu verteilen sind. Muß es nun auch für alle denkbaren vorstellbaren Grenzfälle Regeln geben. Würde man sagen, die Preisverteilung gelte nicht, weil für diesen Fall in den Regeln nicht vorgesehen //vorgesorgt// war; selbst wenn dieser Fall beim Preisschießen gar nicht eingetreten ist.

NORM ✓3 Wenn man sagt ”Moses hat nicht existiert, so kann das verschiedenerlei bedeuten. Es kann heißen: die Is[t|r]aeliten haben keinen nicht einen


Item 115 Recto Page 44 44 Führer gehabt als sie von8 aus Aegypten aus8gezogen sind: - oder: ihr Führer hat nicht ”Moses” geheißen - oder: es hat keinen Menschen gegeben der alles das vollbracht hat, was die Bibel von Moses erzählt. etc., etc.. - Russell würde sagen, daß der Name ”Moses” durch verschiedene Beschreibungen definiert werden sein3 kann. (Z.B.: ”der Mann welcher zu dieser Zeit & an diesem Ort lebte & damals ’Moses’ genannt wurde”, ”der Mann, welcher die Israeliten durch die Wüste führte”, ”der Mann, welcher als Kind von der Tochter des Pharao Pharaos3 aus dem Nil gefischt gzogen3 wurde” etc.. Und je nachdem wir die eine oder andere Definition annehmen bekommt der Satz ”Moses hat existiert” einen andern Sinn & ebenso jeder andere Satz der von Moses handelt. Man wird auch, wenn uns jemand sagt ”N existiert nicht”, fragen: ”Was meinst Du? willst Du sagen, daß …, oder daß …, etc.?” Wenn ich nun «z.B.» sage Oder wenn ich sage3 ”N ist gestorben”, so hat kann es mit dem Gebrauch der Bedeutung des Namens ’N’›› Wenn ich nun sage10 ”N” gewöhnlich unge etwa fo diese Bewandtnis haben: Ich glaube, daß ein Mensch gelebt hat, den ich 1.) dort & dort gesehen habe, der 2.) so & so ausschaut, 3.) das & das getan hat & 4.) in der bürgerlichen Welt den Namen ’N’ führt. Gefragt, was ich unter ’N’ verstehe, würde ich [a|A]lles das, oder [e|E]iniges davon, & bei verschiedenen Gelegenheiten Verschiedenes aufzählen. -
Item 115 Verso Page 45 45 <und ebenso>11 Meine Definition von ’N’ wäre also etwa: ”der Mann, von dem das alles das stimmt”. Wenn aber nun etwas davon sich als falsch erwiese, - wäre «werden wir nun den» der Satz ”N ist gestorben” nun als falsch anzusehen? auch, wenn ansehen; auch, wenn etwas was uns uns ganz nebensächlich ist werden wir ich nun den Satz ”N ist gestorben” für falsch erklären auch wenn sich «nur» etwas mir ganz Nebensächliches, was ich in die Erklärung des Namens ’N’ hineingenommen habe, als falsch herausstellt. Ich werde dann meistens ohne weiteres bereit wohl bereit …3 sein die Definition etwas abzuändern. Das kann man nun so ausdrücken, daß ich den Namen ’N’ ohne eine feste Bedeutung gebrauche. (Was seinem Gebrauch so wenig Eintrag tut wie einer Brücke, daß sie kein absolut starrer Körper ist.) Sol Heißt das nun daß ich nicht Soll man nun sagen das heiße, daß ich ein Wort gebrauche dessen Bedeutg ich nicht kenne, daß also, was ich sage Unsinn ist? 3

NORM ✓3 Und hier erinnere ich mich daran, daß Ramsey einmal betont hat, die Logik sei eine ”normative Wissenschaft”. Die genaue Idee, welche ihm dabei vorgeschwebt hat, kann ich nicht sagen. //Ich weiß nicht die genaue Idee, … hat.// Sie war aber zweifellos8 gewiß eng verwandt «mit» der, welche mir erst später klar wurde, daß wir nämlich in der Philosophie den Ge Gebrauch der Worte mit Spielen nach niedergelegten Regeln Kalkülen nach festen Regeln vergleichen, aber nicht sagen können, wer die Sprache gebrauche, spiele müsse


Item 115 Recto Page 46 46 ein Spiel nach irgend einen Kalkül nach festen Regeln betreiben. - Sagt man nun aber, daß unsere Sprachgebrauch sich solchen Kalkülen nur nähert, so stehen wir steht man damit unmittelbar am Rande einer Reihe von Konfusionen. Denn nun kann es scheinen, als redeten wir in der Logik von einer idealen Sprache. Als wäre unsre Logik gleichsam eine Logik für den luftleeren Raum. Während man die Logik doch nicht von einer Sprache redet (wie die Physik von einer Naturerscheinung), & man also höchstens sagen kann, wir konstruierten ideale Sprachen. Aber hier ist wieder das Wort ”ideal” irreführend, denn es scheint nun als wären diese Sprachen besser, vollkommener, als die Umgangssprache & als brauchte es also den Logiker damit der den Menschen endlich zeige, wie sie einen richtigen Satz sprechen sollen. wie ein richtiger Satz ausschaut.

NORM ✓3 Unsere Untersuchung trachtet nicht die eigentliche, exakte Bedeutung der Wörter zu finden; wohl aber geben wir den Wörtern im Verlauf unsrer Untersuchung oft exakte Bedeutungen.

NORM Denn was soll ich die ’Regel’ nennen, ’nach der er vorgeht’? Die Hypothese, welche seine Spielhandlungen, soweit ich sie kenne, zufriedenstellend beschreibt, - oder die


Item 115 Verso Page 47 47 Regel, die er beim Spielen nachschlägt, - oder die Regel die er mir, wenn ich ihn nach seiner Regel frage, zur Antwort gibt. Wie aber, wenn die Beobachtungen7 der Spielhandlung des Spiels keine klare Regel zeigt //erkennen läßt//, wenn man aus der Beobachtung des Spiels keine klare Regel entnimmt, & er keine Regel nachschlägt, & die Frage keine Regel zu Tage fördert? Denn er gab mir zwar auf meine Frage, was er unter ’N’ verstehe, eine Erklärung, war aber bereit diese Erklärung zu widerrufen & abzuändern. Wie soll ich also die Regel bestimmen, nach der er spielt? er weiß sie selbst nicht. Oder richtiger: Was soll der Ausdruck ”Regel nach welcher er spielt” hier noch besagen?

NORM ✓3 Wir können uns doch sehr wohl vorstellen, daß sich Menschen auf einer Wiese damit unterhielten, mit einem Ball zu spielen, & zwar so, daß sie verschiedene «geregelte» Spiele anfingen, manche davon nicht beendeten, dazwischen den Ball auch planlos in die Höhe würfen & auffingen, dann «wieder» würden sie einige versuch[en|ten], wie hoch jeder sie den Ball werfen k[a|ö]nnen oder einander mit dem Ball im Scherz bewerfen etc.. Und nun sagte Einer: die ganze Zeit hindurch spielen die Leute ein Ballspiel & richten sich daher nach bei jedem Wurf nach bestimmten Regeln. Und wäre es anderseits richtig zu sagen: ”sie spielen also nicht mit dem Ball.” 3

NORM Welches ist die Bedeutung eines Wortes wenn der Redende sie nicht angeben kann? Nun, wir


Item 115 Recto Page 48 48 werden «vielleicht» sein (tatsächliches) Verhalten als ein Schwanken zwischen mehreren verwandten Bedeutungen beschreiben können. Ich frage ihn: ”was hast Du eigentlich gemeint?” - und als Antwort wird er mir verschiedenes angeben & sich vielleicht an mich wenden, daß ich ihm ein sein Regelverzeichnis einrichte, daß seinem Zweck entspricht. - Es wird sich dann in unserm Gespräch oft die Redensart finden: ”Du wolltest also eigentlich sagen …”. Und diese kann «leicht»3 ganz mißverstanden werden: sie ist «muß» nämlich keine Beschreibung des seines Geisteszustandes als er eines Vorgangs «sein» der etwa darin besteht daß man das eine sagt während man das andere sagen will; als wäre, was man ”eigentlich sagen wollte” damals schon irgendwie, wenn auch nicht in lauten Worten, ausgedrückt gewesen.

NORM ¥ [neuer Absatz S. 53 A] (Eine der irreführendsten Redeweisen ist die Frage ”was meinst Du meine ich damit?” - Man könnte in den meisten Fällen darauf antworten: ”Gar nichts - ich sage …”)

NORM //3 [Gehört nicht hierher]3 Was geschieht, wenn wir uns bemühen, etwa beim Schreiben eines Briefes, den richtigen Ausdruck unserer Gedanken zu finden? Diese Redeweise vergleicht den Vorgang dem einer Übersetzung oder Beschreibung: [D|d]ie Gedanken sind da,


Item 115 Verso Page 49 49 etwa schon vorher & wir suchen nur noch nach ihrem Ausdruck. (Und) dDieses Bild trifft in verschiedenen Fällen mehr oder weniger zu. - Aber was kann hier nicht alles geschehn! Etwa: ich gebe mich einer Stimmung hin, & der Ausdruck kommt; oder: es schwebt mir ein Bild vor & ich trachte es zu beschreiben, das ich …; oder: es fiel mir ein englischer Ausdruck ein & ich will mich auf den entsprechenden deutschen besinnen; oder: es kommt mir eine Gebärde & ich frage mich,, ”welches ist denn der Satz, der dieser Gebärde entspricht?” Endlich fällt mir einer ein & scheint der Gebärde angemessen; etc. etc.. Wenn man nun fragte: ”hast Du den Gedanken, ehe Du den Ausdruck hattest”, was müßte man da antworten? Und was auf die Frage: ”worin bestand der Gedanke, wie er vor dem Ausdruck vorhanden war?”

NORM [Ich glaube, dieser Satz«, oder ein ähnlicher» gehört zu einer Untersuchung was er @..@..@..@.. Frage des augenblicklichen Verstehens etc.] Bd X /109 /13 < gehört zu: ”Was ist ein Satz? [w|W]as ist ein Wort? Unsere alltäglichen Begriffe ”Satz”, ”Wort” etc sind viel zu wüst, zu ungeklärt. Sollte man nicht von den Sinnesdaten der Sätze etc reden?>12 Hier ist es schwer gleichsam den Kopf oben zu behalten, - zu sehen, daß wir bei den Dingen des alltäglichen Denkens bleiben müssen & nicht auf den Abweg zu geraten, wo es scheint, als müßten wir letzte //die letzten// Feinheiten beschreiben, die wir doch wieder mit unsern Mitteln gar nicht beschreiben könnten. Es ist «uns», als sollten wir ein zerstörtes Spinnennetz mit unseren Fingern zurecht richten in Ordnung bringen. //wieder herstellen//. //wieder richten// //wieder in Ordnung bringen//


Item 115 Recto Page 50 50 < {Diese Bemerkung bezieht sich auf den Fall, wenn wir scheinbar von den Dingen des Alltags zu immer schwerer fassbaren hinabsteigen & in den brauenden Nebeln zu ertrinken drohen} >12

NORM ✓3 Was versteht man unter ”allen Regeln des Tennisspiels”? Alle Regeln die in einem bestimmten Buche stehn, oder alle, die der Spieler im Kopf hat, oder alle, die je ausgesprochen wurden, oder gar, alle, die sich angeben lassen? - Daher wollen wir lieber nicht so vag von ’allen Regeln’ reden, sondern nur von bestimmten Regeln, oder allen Regeln eines Verzeichnisses; und dergleichen. Und das Gleiche gilt von den Regeln über die Verwendung eines Wortes.

NORM ✓3 Es ist nicht unsere Aufgabe, unsere Sprache die Wortsprache zu verbessern, exacter zu machen, oder gar (zu versuchen,) an ihre Stelle eine ’ideal exkte’ zu setzen. Wir haben von einer solchen gar keinen Begriff. Damit sage ich nicht, daß wir für unsere Zwecke nicht auf pr[e|ä]ziseren als Ausdruck dringen, als dringen müssen als … den üblichen gebräuchlichen.

NORM Die Verkehrsregelung in den Straßen erlaubt & verbietet ✓ gewisse Verkehrshandlungen13 Handlungen (der Fahrer & Fußgänger)3; aber sie versucht nicht ihre3 sämtlichen3 Bewegungen der Fußgänger & Fahrzeuge13 durch Vorschriften zu regeln //durch Regeln zu leiten//. Und es wäre unsinnig von einer idealen Verkehrsordnung zu reden, die das täte; wir wüßten nicht, wie wir uns dieses Ideal zu denken hätten //; wir wüßten nicht, was wir uns unter diesem Ideal zu denken hätten//. Wünscht Einer die Verkehrsordnung in irgendwelchen Punkten


Item 115 Recto Page 51 51 strenger zu gestalten, so bedeutet das nicht, er wünsche sich sie so einem Ideal zu nähern anzunähern.

NORM ✓3 Wir verstehen was es heißt: eine Taschenuhr wird auf die genaue Stunde gestellt, - oder: sie wird gerichtet daß sie genau geht. Wie aber wenn man fragte: ist diese Genauigkeit eine ideale Genauigkeit, oder, wie weit nähert sie sich ihr?, wie nahe kommt sie ihr? - Wir können freilich von Zeitmessungen Gehe reden, bei welchen es eine andere &, in «einem» gewisse[m|n] Sinne, größere Genauigkeit gibt als bei der Zeitmessung mit der Taschenuhr. Wo die Worte ”die Uhr auf die genaue Stunde stellen” eine andere (wenn auch verwandte) Bedeutung haben, & die Uhr ablesen ein anderer Prozess ist, etc.. Wenn ich nun jemandem sage: ”Du solltest pünktlicher zum Unterricht Essen kommen, Du weißt daß es genau um 1 Uhr anfängt”, - wird man sagen, daß die Genauigkeit, von der hier die Rede ist, hinter der idealen, der sich die zurücksteht, der sich die Zeitmessung im Laboratorium zunähert? Gibt es ein Ideal der Genauigkeit?

NORM ✓3 Gibt es ein komplettes Regelverzeichnis für die Verwendung eines Wortes? Wie hat man sich das vorzustellen? Gibt es ein komplettes Regelverzeichnis für die Verwendung einer Figur im Schachspiel? Könnten wir uns nicht Zweifel konstruieren die das normale Regelverzeichnis nicht beseitigt //nicht zweifelhafte Fälle Zweifelsfälle konstruieren in denen das die das3 normale Regelverzeichnis nicht entscheidet//? Fragen wir etwa: Denke etwa an so eine Frage: wie ist es festzustel-


Item 115 Recto Page 52 52 len wer zuletzt gezogen hat, wenn die Zuverlä[ß|ss]igkeit des Gedächtnisses der Spieler angezweifelt wird. Macht aber die Möglichkeit eines solchen Zweifels das Schachspiel zu einem nicht ganz idealen Spiel? und welchen Begriff haben wir von diesem Ideal? Es scheint da fast13 als wären alles was wir ein ’Ideal’ nennen nur ein angenähertes Ideal gegen das ideale Ideal.

NORM ✓3 Man kann fragen: Wenn wir nicht eine ideale Exaktheit im Gegensatz zu der alltäglichen anstreben, wozu arbeiten wir an der Grammatik unserer Sprache überhaupt herum? Und die Antwort ist: Wir wollen nicht das Verwirrungen & Beunruhigungen beseitigen die aus der Schwierigkeit entspringen, das System unsrer Ausdrucksweise zu übersehen. Wir werden dazu Unterscheidungen hervorheben, die in den Formen unserer Sprache unserer gewöhnlichen Notation nur einen schwachen, schwer sichtbaren Ausdruck finden. Dadurch kann es allerdings den Anschein haben als setzten wir uns vor die Sprache zu reformieren.

NORM ✓3 Wir wollen nicht das Regelsystem in unerhörter Weise [f|v]erfeinern oder komplettieren. So eine Reform für bestimmte praktische Zwecke, ist wohl denkbar die Verbesserung unserer Terminologie zur Vermeidung von Mißverständnissen »[kein Beistrich]« ist wohl denkbar.


Item 115 Verso Page 53 53 (Wenn zwei Mitglieder einer Familie ’Paul’ heißen, so ist es oft zweckmäßig, den einen von ihnen bei einem andern Namen zu nennen.) Aber das sind nicht die Fälle, mit denen wir es zu tun haben. Die Konfusionen die uns beschäftigen entstehen, gleichsam, wenn die Sprache feiert, nicht wenn sie arbeitet. (Man könnte sagen: ”wenn sie leerläuft”.)

NORM ✓3 Wir wollen nicht das Regelsystem in unerhörter Weise verfeinern oder komplettieren. vervollständigen. ¥ [in dieser Zeile: S. 30 A]

NORM // [Zu S. 48] A ”Du wolltest also eigentlich sagen” mit dieser Redeweise leiten wir jemand von einer Ausdrucksform zu einer andern. Man ist, wie gesagt, versucht zu meinen, das, was er eigentlich ”sagen@ wollte”, was er ”meinte” sei als er es meinte noch ehe wir es aussprachen in seinem Geist ausgedrückt gewesen. (Man sagt in gewissen Fällen, es habe ihm vorgeschwebt: auch dieser Ausdruck beschreibt sehr mM3annigfaches3 Vorgänge.) Was uns dazu bewegt einen Ausdruck aufzugeben & statt seiner an seiner Stelle einen andern z anzunehmen kann sehr von mannigfacher Art sein. Um [d|D]as zu verstehen, ist es sehr nützlich, das Verhältnis zu betrachten, in welchem d[ie|er] Lösung eines mathematischen Problems zum «ursprünglichen» Sinn der Fragestellung zu betrachten. //Das zu verstehen, ist es nützlich das Verhältnis zu betrachten, in welchem die Lösun-


Item 115 Recto Page 54 54 gen mathematischer Probleme zum ursprünglichen Sinn zum Anlaß & Ursprung der Fragestellung stehen.// Das Verhältnis der Begriffe ’regelmäßiges Fünfeck’ in der Frage. Das Verhältnis der Begriffe ’Dreiteilung des Winkels mit Lineal & Zirkel’, wenn Einer nach der Dreiteilung sucht, & anderseits, wenn bewiesen wird ist3, daß sie unmöglich ist.

NORM Nehmen wir an, es fragt mich jemand (wie oben): ”was verstehst Du unter ’Moses’?” Ich erkläre nun: ”unter ’Moses’ verstehe ich den Mann, wenn es einen solchen gegeben hat, der die Israeliten aus Ägypten geführt hat, wie immer er damals genannt worden sein mag & was immer er sonst getan oder nicht getan haben mag”. Aber über die Worte dieser über den Gebrauch der Worte dieser … Erklärung sind ganz analoge ähnliche Zweifel möglich wie über den Namen den Gebrauch des Namens ”Moses”. (Was nennst Du ”Ägypten”;? wen, ”die Israeliten”? etc..) Ja diese Fragen kommen auch nicht zu einem Ende, wenn wir etwa bei Wörtern, wie ”rot”, ”dunkel”, ”süß”, angelangt wären. ”Aber wie hilft mir dann eine Erklärung zum Verständnis, wenn sie doch nicht die letzte ist? Dann komme stehe ich ja also nie auf festen festem Grund!? Die Erklärung ist dann ja nie beendet8, ich verstehe also nie was er meint.// ich8 Ich verstehe also noch immer nicht, & nie, was er meint.//Nun, ”Verständnis” nenne ich «aber gerade», was mir eine Erklärung gibt[,|.] sie hat sollte nur die Schwierigkeit beseitigt beseitigen die ich hatte. Als ich nach einer Erklärung fragte,


Item 115 Verso Page 55 55 war es das, was ich brauchte. Die Antwort hat fragte ich gerade nach einer solchen Antwort. Sie hat … die Schwierigkeit beseitigt, die ich hatte.

NORM Ist der Begriff ’rot’ un[f|d]efinierbar? ”Undefinierbar”, darunter stellt man sich etwas wie vor wie unanalysierbar; & zwar so, als wäre der betreffende hier ein Gegenstand unanalysierbar (wie ein chemisches Element). Dann wäre die Logik also doch eine Art sehr allgemeiner Naturwissenschaft. - Aber die Unmöglichkeit der Analyse entspricht einer von uns angenommenen (festgesetzten) Weise Art & Weise der Darstellung.

NORM ••¥ Wir könnten sagen fragen: Wie denn, ’undefinierbar’! Könnten Können wir denn versuchen es zu definieren? Und wie?-

NORM •[ ¥ [Hierher gehört als eigener Absatz ein Satz aus Bd X. der ungefähr lautet: ”Das einzige Korrelat zu «in unserer Ausdrucksweise zu» einer Naturnotwendigkeit ist eine willkürliche Regel.”] ] ✓3 Es ist von der größten Bedeutung, daß wir uns zu einem Kalkül der Logik immer ein Beispiel seiner Anwendung denken, auf welches der Kalkül wirklich eine Anwendung findet, & «daß wir» nicht Beispiele, von denen wir geben & sagen, sie seien eigentlich nicht die idealen, diese «aber»6 hätten wir noch nicht. Das ist das Zeichen einer falschen Auffassung. (Russell & ich haben, in verschiedener Weise an ihr laboriert. Vergleiche was ich in der Abhandlung ”Log. phil. Abh.” über Elementarsätze


Item 115 Recto Page 56 56 & Gegenstände sage.) Kann ich den Kalkül überhaupt verwenden, dann ist dies auch die ideale Verwendung, & die Verwendung um die es sich handelt. Einerseits will man nämlich das Beispiel nicht als das eigentliche anerkennen, weil man in ihm eine Mannigfaltigkeit sieht, der der Kalkül nicht Rechnung trägt. Anderseits ist es doch das Urbild des Kalküls & er davon hergenommen, & auf eine geträumte Anwendung kann man nicht warten. Man muß sich also eingestehen, welches das eigentliche Urbild Vorbild des Kalküls ist. Nicht «aber», als habe man damit einen Fehler begangen, den Kalkül von daher genommen zu haben; sondern der Fehler. Der Fehler … liegt darin, dem Kalkül seine wirkliche eigentliche Anwendung jetzt nicht zuzugestehen & sie, sondern sie in einer für eine nebulose Ferne einen idealen Fall3 zu versprechen.

NORM ✓ Denken wir Spengler sagte: ”[i|I]ch vergleiche verschiedene Kulturperioden dem Leben von Familien; innerhalb einer Familie gibt es eine Familienähnlichkeit, während es auch zwischen Mitgliedern verschiedener Familien Ähnlichkeiten gibt; die Familienähnlichkeit unterscheidet sich von der andern so & so. etc..” Das Vergleichsobjekt Vorbild, der Gegenstand, von welchem eine diese Betrachtungsweise abgezogen ist, soll uns angegeben werden, damit die Betrachtungen nicht ungerecht werden wird. Denn nun wird alles was vom Vorbild gilt auch vom Gegenstand unserer


Item 115 Verso Page 57 57 Betrachtung behauptet; & behauptet: es müsse immer …. Das ist der Ursprung einer Art von Dogmatismus. Man vergißt die Stellung des Urbilds in der Betrachtung: Es ist gleichsam die Maßeinheit mittels mit der wir das Betrachtete messen. Und [d|D]er Dogmatismus «aber» behauptet, daß jeder der gemessenen Gegenst[ä|a]nde genau eine ganze Zahl von Maßeinheiten lang sein muß. Es ist allerdings freilich wahr, daß die eine Maßeinheit «für einen bestimmten Zweck» gut gewählt war, in welchem wenn «sich» viele der Längen, die wir messen wollen sich mit ihr in angenähert in ganzen Zahlen angeben lassen. //wenn mit ihr// wenn sie viele der Längen, die wir messen wollen, (angenähert) in ganzen Zahlen ausdrückt.//

NORM 1 Einfügung durch eine fremde Hand 2 Text gestrichen 3 Einfügung durch H1 4 Vgl. Ms.; Einfügung ’Erscheinungen’ in der nächsten Zeile. 5 Streichung bei Zeilenende. 6 Einfügungsstelle mit Wellenlinie 7 Unterstreichung mit Wellenlinie - Unterstreichung gelöscht 8 Tilgung gelöscht 9 Vgl. Ms.; Position. 10 Streichung wegen Änderung der Sektioneneinteilung. 11 Einfügung auf dem oberen Rand durch H1 12 Einfügung auf dem oberen Rand 13 Tilgung durch H1


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Page last updated: 10. July 1996

   Franz Hespe