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DIPLO
Stellen wir nun folgende Frage: Angenommen, B sagt in irgend einem der Fälle, „Jetzt kann ich fortsetzen”, wenn wir ihn nun aber auffordern fortzusetzen, zeigt er sich dazu nicht fähig: Sollen wir nun sagen, dies zeigt daß seine Aussage, er könne fortsetzen, falsch war,1 oder sollen wir sagen die Aussage könne wahr sein, weil er vielleicht fortsetzen konnte, als er sagte, er könne es?2 Was soll B selbst in so einem Falle sagen:3 „Ich sehe jetzt, daß ich Unrecht hatte” –, oder: „Ich konnte es, damals, aber jetzt kann ich es nicht”? Es gibt Fälle, in denen er das eine, und Fälle, in denen er das andere mit Recht sagen kann4. Beurteile diese Fälle:5 a) als er sagte, er könne fortsetzen, stand die Formel vor seinem Geiste; aber als er nun fortsetzen sollte, hatte er sie vergessen oder b) damals wußte er einige weitere Glieder auswendig; nun aber sind sie ihm entfallen6 – oder c) er hatte drei weitere Glieder der Reihe ausgerechnet;7 nun weiß er diese noch; aber er weiß nicht mehr8, wie er sie berechnet hat – oder d) er sagt: „damals hatte ich das Gefühl, ich weiß jetzt weiter, nun kann ich's nicht” – oder e) „Als ich sagte, ich könne das Gewicht heben, da war ich gesund” – oder f) „Ich dachte ich könnte es heben, aber es geht nicht.” – oder g) „Ich dachte ich könnte das Gedicht noch auswendig, aber es geht nicht mehr” – oder h) „Ich dachte ich hatte9 die richtige Formel, aber es war ein Irrtum.” Etc.
1 [er Unrecht hatte zu sagen, er könne fortsetzen,| seine Aussage, er könne fortsetzen, falsch war,]
2 [oder aber, daß er möglicherweise fortsetzen konnte, als er sagte, er könne es?| oder sollen wir sagen die Aussage könne wahr sein, [da| weil] er [möglicherweise| vielleicht] fortsetzen konnte, als er sagte, er könne es?]
3 [Soll B selbst in so einem Falle sagen:| Was soll B selbst in so einem Falle sagen:]
4 [wird| kann]
5 [ Nimm an:| Beurteile diese Fälle:]
6 [als er sagte, er könne fortsetzen, hatte er sich die nächsten fünf Glieder der Reihe vorgesagt; nun aber sind sie ihm entfallen| damals wußte er [ein paar| einige] weitere Glieder auswendig; nun aber sind sie ihm entfallen]
7 [er hatte die Reihe für sich fortgesetzt, nämlich einige weitere Glieder ausgerechnet;| er hatte drei weitere Glieder der Reihe ausgerechnet;]
8 [hat vergessen| weiß nicht mehr]
9 [wußte| hatte]
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Beispiele wie diese müßte man ergänzen durch solche, die die Mannigfaltigkeit im Gebrauch der Wörter ‚vergessen’ und ‚versuchen’ zeigen. Denn unsere Verwendung dieser Wörter hängt eng mit der des Wortes ‚können’ zusammen. Denke an diese Erfahrungen des Vergessens: a) Als er sagte er könne fortsetzen, hatte B sich die Formel vorgestellt1, nun aber ist sie ihm völlig entfallen (‚wie weggewischt’). b) Er hatte sich damals die Formel vorgestellt2, jetzt aber ist er unsicher, war es 2n oder 3n. c) Das Wort welches er vergessen hat3 liegt ihm auf der Zunge’. d) Er weiß nicht, kommt es ihm nur so vor, als hätte er es4 gewußt, oder hat er es5 vergessen.
1 [vorgesagt| vorgestellt]
2 [vorgesagt| vorgestellt]
3 [ Jemand hat einen Namen vergessen und ‚er| Das Wort welches er vergessen hat]
4 [den Namen| es]
5 [ihn| es]
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Und nun betrachte diese Fälle: a) Jemand versucht eine Türe zu öffnen, indem er mit aller Kraft zieht. b) Er versucht eine Kassentür zu öffnen indem er mehrere Kombinationen versucht. c) Er versucht es indem er die Knöpfe dreht und an der Türe horcht. d) Er versucht, sich an die Kombination zu erinnern. (Und denke an die Mannigfaltigkeit der Möglichkeiten, die mit diesen Worten beschrieben werden.1)
e) Versuche ein Quadrat mit seinen Diagonalen zu zeichnen, während Du durch einen Spiegel aufs Zeichenpapier schaust. Vergleiche diesen Fall, in welchem man, sozusagen, nicht weiß, ‚was man tun soll’, damit sich die Hand so bewegt, wie man es wünscht, mit dem Fall (a), in dem die Hand gegen einen Widerstand bewegt werden soll.
1 [die wir mit diesen Worten beschreiben.| die mit diesen Worten beschrieben werden.]
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Denke endlich1 an die Klasse von Fällen, in welchen wir sagen: „Ich kann es tun, aber ich will nicht”, wir versuchen es also nicht.2 „Ich könnte, wenn ich es versuchte” (z.B. 50 kg heben); „Ich könnte, wenn ich wollte” (z.B. das ABC hersagen).
1 [auch| endlich]
2 [in welchen wir uns also nicht bemühen.| wir bemühen uns also nicht.| wir versuchen es also nicht.]
DIPLO
Man möchte vielleicht vorschlagen: der1 einzige Fall, in welchem es unbedingt richtig ist, zu sagen, ich könne etwas tun, sei der, in welchem ich es wirklich tue2 während ich dies sage. In allen anderen Fällen solle es heißen: „Ich kann es tun, was das und das anbetrifft3”. Der einzige Beweis, daß Einer etwas kann, ist, daß er es tut.4 Wir können uns ein Sprachspiel denken, in welchem ein Wort (ich gebe es durch ‚kann’ wieder) in einem Satz ‚ich kann das und das tun’5 nur dann verwendet wird, wenn man die betreffende Tätigkeit zur Probe ausführt, während man den Satz sagt. Dieser besondere Fall wird durch ein eigenes Wort hervorgehoben.6 – Und7 nun sieht man, daß kein metaphysischer Unterschied besteht zwischen diesem Sprachspiel und andern, früher beschriebenen. Ein solches Sprachspiel zeigt übrigens, welchen Sinn es haben kann, zu sagen „Wenn etwas geschieht, dann kann es geschehen.8”, – ein so gut wie unnützer Satz unserer Sprache. (Es scheint gerade darum, als habe er einen sehr klaren und tiefen Sinn. Aber, wie viele allgemeine philosophische Prinzipien, ist er sinnlos, außer in sehr speziellen Fällen, und an die denkt der Philosoph gar nicht.9) Ihm ähnlich ist der Satz:10 „Wenn der11 Körper sich hier befindet, so muß für ihn auch Platz sein”. Man denkt, es sei12 die Möglichkeit eine Bedingung der Wirklichkeit. Als sei13 der Satz analog dem: „Wenn dieser Körper sich hier befindet, so muß der andre fortgeschafft worden sein” und als14 legte ein Ereignis durch seine Wirklichkeit die Probe ab für seine Möglichkeit. – Denke Dir ich sage zu jemandem: „A hat sich den Fuß gebrochen, er kann nicht gehen”. – Der Andere15 antwortet: „Hier geht er ja!” – Ich: „Ja, dann kann er also doch gehen”. – Hier mache ich allerdings den Schluß nach der Regel: „Wenn etwas geschieht, dann kann es geschehen” – wie man sie etwa ausdrückt. Nehmen wir aber an16, A sei damals nicht auf natürliche Weise gegangen, sondern etwa durch einen besondern Eingriff dazu gebracht worden, einmal einige Schritte zu gehen;17 – würde ich nun den18 Satz, er könne also doch gehen, aufrecht erhalten? – Wenn ich ihn nun zurücknehmen will und der Andere sagt: „Das kannst Du19 nicht! A ist gegangen, also mußte er auch gehen können”, – werde ich das nicht als sinnloses Geschwätz bezeichnen20? Das Räsonnement ist etwa so: „Wenn etwas geschieht, so kann es geschehen. Denn hätte es nicht geschehen können, – so hätte es nicht geschehen können”. Und das heißt nichts. – Man könnte hier sagen: Wenn21 etwas geschieht, so kann es darum noch nicht geschehen.
1 [sagen, der| vorschlagen: [Der| der]]
2 [ausführe| tue]
3 [anbelangt| anbetrifft]
4 [Nur im ersten Fall habe ich den wirklichen Beweis meiner Fähigkeit geliefert.| Der einzige Beweis, daß Einer etwas kann, ist, daß er es tut.]
5 [in der Satzform ‚ich kann das und das tun’| in einem Satz ‚ich kann das und das tun’]
6 [In dieser Sprache wird also [dieser besondere Fall durch ein eigenes Wort hervorgehoben.| dieser Fall durch ein besonderes Wort hervorgehoben.] | Dieser besondere Fall wird durch ein eigenes Wort hervorgehoben.]
7 [Aber| Und]
8 [[so kann| dann kann] es jedenfalls geschehen| dann kann es geschehen.]
9 [an die der Philosoph gar nicht denkt.| und an die denkt der Philosoph gar nicht.]
10 [Jener Satz ist ähnlich dem:| Ihm ähnlich ist der Satz:]
11 [dieser| der]
12 [Wir denken es [wäre| sei]| Man denkt, es sei]
13 [wäre| sei]
14 [. Als| und als]
15 [Er| Der Andere]
16 [Angenommen aber| Nehmen wir aber an]
17 [ übernatürlichen Einfluß dazu gebracht worden, einmal einige Schritte zu gehen;| besondern Eingriff dazu gebracht worden, einmal einige Schritte zu gehen;]
18 [meinen| den]
19 [gibt es| kannst Du]
20 [zurückweisen| bezeichnen]
21 [Weil| Wenn]
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Du kannst Dir eine Sprache denken (ähnlich (53)), in der es für einen Satz, wie „Er hebt1 50 kg”, zwei Ausdrucksweisen gibt: Die eine wird verwendet, wo die Tätigkeit zur Probe geschieht, um die Fähigkeit zu erweisen2 (z.B. vor einem Wettkampf), die andere bei allen andern Anlässen. – „Wenn Einer springt, so zeigt er, daß er springen kann.” – „Nein, einmal springt er, ein andermal zeigt er, daß er springen kann!” [ Was zeigt dies? ]
1 [Ich hebe|Er hebt]
2 [darzutun| zu erweisen]
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Wir sehen, ein weitverzweigtes Netz von Familienähnlichkeiten verbindet die Fälle in denen die Ausdrücke der Möglichkeit, Fähigkeit gebraucht werden1; in denen wir sagen etwas könne geschehen etc.. Gewisse charakteristische Züge erscheinen in diesen Fällen in verschiedenen Verbindungen. Z.B. das Element der Voraussage des zukünftigen Verhaltens, der Aussage über einen Zustand eines Gegenstandes2 (der die Rolle der Bedingung für ein Verhalten spielt.)3, der Aussage über Proben des Verhaltens.
1 [der Ausdruck der Möglichkeit, Fähigkeit gebraucht wird| die Ausdrücke der Möglichkeit, Fähigkeit gebraucht werden]
2 [ der Beschreibung eines Zustands |der Aussage über [den| einen] Zustand eines Gegenstandes]
3 [[der| die] Bedingung für ein gewisses Verhalten| die Bedingung für ein gewisses Verhalten| ([der| die] Bedingung für ein gewisses Verhalten)| (der die Rolle der Bedingung für ein Verhalten spielt.)]
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Vielleicht das wichtigste dieser Elemente ist das der Aussage über den Zustand. Wir neigen dazu im Verhalten von etwas die Folge seines Zustandes zu sehen.1
Dies spiegelt sich in dem Ausdrucke unserer Sprache „er ist im Stande das und das2 zu tun”, oder „er besitzt die Fähigkeit”; im Gebrauche des Präsens: „er kann Schach spielen”, „er kann große Zahlen im Kopf mit einander multiplizieren”, etc.
1 [Wir haben eine starke Neigung, das Verhalten eines Gegenstandes aufzufassen als Folge seines Zustands.| Wir neigen dazu im Verhalten von etwas die Folge seines Zustandes zu sehen.]
2 [etwas| das und das]
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Die Fähigkeit zur Lösung mathematischer Probleme, etc. stellen wir uns als einen gewissen Zustand, als einen gewissen Bau, der menschlichen Seele vor. So auch denken wir uns das Gedächtnis als einen Speicher für unsre Eindrücke.1 – Denke daran, wie sicher die meisten Menschen sind, es müsse der Fähigkeit des Multiplizierens, des Aufsagens eines Gedichts, etc. etwas im Zustande, oder Bau, des Gehirns entsprechen; obwohl sie doch über so einen psycho-physiologischen Parallelismus so gut wie gar nichts wissen. Wir haben eine überwältigende Neigung2, die Erscheinungen, die wir in so einem Falle wirklich beobachten, durch das Symbol eines Mechanismus darzustellen, dessen Arbeiten wir eben in diesen Erscheinungen wahrnehmen. Die Möglichkeit dieser Erscheinungen liegt in der Beschaffenheit des Mechanismus; diese ist die Fähigkeit.
1 [die Eindrücke, die wir erhalten.| unsre Eindrücke.]
2 [ [überwältigende| überwältigend starke] Neigung| überwältigende Neigung]
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Schauen wir nun zurück auf die Diskussion des Sprachspiels (47). Wir sehen es war keine Erklärung,1 zu sagen, B werde dann von den Kombinationen der Buchstaben geführt, wenn er auch andere Befehle ausführen könnte. – Ja, als wir fragten ob B in (47) von den Zeichen geführt werde, oder nicht, waren wir immer in Versuchung zu antworten2, wir könnten dies nur entscheiden, wenn wir in die eigentliche Verbindung hineinsehen könnten3, zwischen dem Sehen der Zeichen und dem Handeln nach ihnen. Denn wir haben ein bestimmtes Bild davon, was wir in einem Mechanismus die Führung eines Teils durch andre Teile nennen.4 – Und zwar fällt uns, wenn wir über unser5 Geführtwerden durch die Zeichen nachdenken, sofort ein Mechanismus ein von der Art des Pianolas.6 Hier haben wir den klaren Fall einer7 Führung: des Spiels der Klaviertasten durch die8 Perforierung des Papierstreifens. Wir könnten den Ausdruck gebrauchen: das Pianola läse die Perforierungen der Rolle herunter. Und man könnte Gruppen solcher Perforierungen ‚komplexe Zeichen’, oder ‚Sätze’, nennen, – wenn man ihre Funktion entgegenstellt der Funktion ähnlicher Einrichtungen in einem Mechanismus anderer Art9. Z.B. der Funktion der Zähne eines Schlüsselbartes. Der Riegel des Schlosses wird durch diese bestimmte10 Anordnung11 von Zähnen bewegt. Aber wir werden nicht sagen, die Bewegung des Riegels werde geleitet durch diese Anordnung der verschiedenen Zähne, oder, der Riegel bewege sich dieser Anordnung gemäß.12
1 [Es war keine rechte Erklärung,| Wir sehen es war keine Erklärung,]
2 [sagen| antworten]
3 [hineinsähen| hineinsehen könnten]
4 [Denn wir haben ein bestimmtes Bild davon, was wir in einem Mechanismus ‚Führung eines [Teils| Teiles] durch andre Teile’ nennen würden.| Denn wir haben ein bestimmtes Bild davon, was wir in einem Mechanismus die Führung eines Teils durch andre Teile nennen.]
5 [das| unser]
6 [von der Type des Pianolas ein.| ein von der Art des Pianolas.]
7 [der| einer]
8 [: das Spiel der Klaviertasten geführt durch die|: des Spiels der Klaviertasten durch die ]
9 [einer andern Type von Mechanismen| einem Mechanismus anderer Art]
10 [von dieser bestimmten| durch diese bestimmte]
11 [Zusammenstellung| Anordnung]
12 [Aber wir werden nicht sagen, die Bewegung des Riegels werde [geführt| geleitet] durch die Aufeinanderfolge dieser verschiedenen Zähne. D.h. der Riegel bewegt sich nicht ‚dieser Aufeinanderfolge gemäß’.| Aber wir werden nicht sagen, die Bewegung des Riegels werde geleitet durch diese Anordnung der verschiedenen Zähne, oder, der Riegel bewege sich dieser Anordnung gemäß.]
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Man sieht hier den Zusammenhang zwischen der Idee des Geführtwerdens und der der Fähigkeit neue Zeichenverbindungen zu lesen: Denn wir können sagen, das Pianola könne beliebige Kombinationen1 von2 Perforierungen lesen; es ist nicht zum Erzeugen einer bestimmten Tonfolge gebaut; während der Riegel des Schlosses nur auf die Anordnung von Zähnen reagiert3 die im4 Bau des Schlosses vorausbestimmt ist. – Wir könnten sagen, die Zähne des Schlüsselbartes seien nicht vergleichbar den Wörtern eines Satzes, sondern Buchstaben eines Worts; der Bart des Schlüssels entspräche nicht einem komplexen Zeichen5, sondern einem Wort.
1 [[irgend eine| jede beliebige] Kombination| beliebige Kombinationen]
2 [der| von]
3 [von der Anordnung der Zähne bewegt wird| auf die Anordnung von Zähnen reagiert]
4 [durch den| im]
5 [Satz| komplexen Zeichen]
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Nun ist aber klar daß in den Fällen (46), (47) von solchen Mechanismen nicht die Rede ist; wenn wir diese auch als Gleichnisse gebrauchen können dazu, um das Verhalten des B zu beschreiben. Der Gebrauch des Wortes „geführt werden” im Falle des Pianolas ist nur einer aus einer Familie verwandter Arten des Gebrauchs. Wenn wir jenen auch oft als Gleichnis, als Darstellungsart, der andern verwenden möchten.
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Es wird uns nun helfen, wenn wir über den Begriff des Geführtwerdens klar werden wollen, den Begriff des Lesens zu betrachten. Mit ‚Lesen’ meine ich hier die Tätigkeit Geschriebenes, Gedrucktes in Laute umzusetzen, auch nach Diktat zu schreiben, oder Gedrucktes abzuschreiben, u. dergl., dabei kommt es aber nicht auf ein ‚Verstehen’ dessen an, was man liest.1 Die Verwendung2 des Wortes ‚lesen’ ist uns unter den Umständen des3 gewöhnlichen Lebens natürlich ungemein4 wohl bekannt. (Es würde ungemein5 schwer sein, diese Umstände auch nur in groben Zügen zu beschreiben.) Ein Mensch, sagen wir6 ein Deutscher, ist als Kind, in der Schule, oder zu Hause, durch eine der bei uns gebräuchlichen Unterrichtsarten gegangen, er hat gelernt seine Muttersprache zu lesen; später liest er Bücher, die Zeitung, Briefe, etc.. – Was geht nun vor sich, wenn er die Zeitung liest? – Seine Augen gleiten den gedruckten Wörtern entlang, er spricht sie laut aus, oder sagt sie nur zu sich selbst; aber gewisse Wörter sagt er, indem er ihre gedruckte Form als Ganzes auffaßt, andere nachdem er ihre ersten Buchstaben gesehen hat, das eine oder andere Wort7 liest er vielleicht Buchstabe für Buchstabe. Wir würden auch sagen, er habe einen Satz gelesen, wenn er, während seine Augen über den Satz8 gleiten weder laut noch zu sich selbst spricht, aber danach9 im Stande ist, den Satz wörtlich, oder doch annähernd, wiederzugeben. Er kann auf das achten, was er liest, aber er kann auch, wie wir sagen könnten, als bloße Lesemaschine funktionieren, ich meine, das Gedruckte laut und richtig lesen, ohne aber auf die Worte die er liest zu achten –10 vielleicht während seine Aufmerksamkeit auf etwas ganz anderes gerichtet ist. So daß er nicht im Stande ist zu sagen, was er gelesen hat, wenn wir ihn gleich darauf fragen. – Vergleiche nun mit einem solchen Leser einen Anfänger in der Schule. Er liest die Wörter, indem er sie mit Anstrengung11 buchstabiert. Einige Wörter aber errät er einfach aus ihrem Zusammenhang, oder er weiß vielleicht das Lesestück auswendig12. Der Lehrer sagt dann, daß er die Wörter nicht wirklich liest oder, daß er vorgibt sie zu lesen. Wenn wir an diesen Fall denken und uns fragen worin ‚lesen’ besteht, werden wir dazu neigen13, zu sagen, es sei eine bewußte geistige Tätigkeit. In so einem Falle sagen wir auch: „Nur er14 weiß ob er wirklich liest15, niemand andrer kann es wissen”. Aber wir müssen16 zugeben – was das Lesen irgend eines Wortes17 anbelangt – daß dabei in der Seele im Geiste des Anfängers, der ‚vorgibt’ zu lesen, genau dasselbe vor sich gehen konnte, wie im Geiste des fließenden Lesers. Wir gebrauchen das Wort ‚lesen’ anders, wenn wir vom geübten Leser sprechen, als wenn wir vom Anfänger sprechen. Was wir im Fall des ersten ‚ein Wort lesen’18 nennen, nennen wir nicht ‚lesen’ im Fall des Anfängers. Wir möchten freilich sagen, das was im geübten Leser und was im Anfänger geschieht, wenn sie das Wort aussprechen, kann nicht dasselbe sein. Der Unterschied liege, wenn nicht in dem, was ihnen gerade bewußt ist, dann19 im Unbewußten, oder in ihrem Gehirn. Wir stellen uns hier zwei Mechanismen vor; wir können nicht in sie hinein sehen, aber was in ihnen vorgeht, das unterscheidet Lesen vom Nicht-Lesen. – Aber wir kennen ja in diesen Fällen keine solchen Mechanismen. – Überlegen wir uns das Folgende:
Denke Dir, man würde Menschen, oder Tiere, als Lesemaschinen benützen20. Sie müssen zu diesem Zwecke abgerichtet werden.21 Der sie abrichtet sagt22 von Einigen, daß sie schon lesen können, von Andern, sie können es nicht. Nimm den Fall eines Schülers, der bisher nicht mitgetan23 hat: zeigt man ihm ein geschriebenes Wort, so wird er manchmal Laute aussprechen, und hie und da geschieht es dann ‚zufällig’, daß sie mehr oder weniger24 stimmen. Ein Dritter hört diesen Schüler gerade in so einem Fall und sagt, „Er liest”. Aber der Lehrer sagt: „Nein, er liest nicht; es war nur ein Zufall”. – Nehmen wir aber an, daß dieser Schüler, wenn wir ihm nur weitere Wörter und Sätze zeigen, auf sie25 fortgesetzt richtig reagiert. Nach einigen solchen Proben26 sagt der Lehrer: „Jetzt kann er lesen”. Aber wie war es mit jenem ersten Wort? Soll der Lehrer sagen: „Ich hatte mich geirrt, er hat es27 doch gelesen” – oder soll er sagen: „Er hat erst später angefangen wirklich zu lesen”? Wann hat er wirklich zu lesen angefangen? Welches war das erste Wort das er las oder welcher der erste Buchstabe? – Diese Frage ist hier sinnlos. – Es sei denn, wir gäben eine künstliche Definition28, etwa: „Das erste Wort das er liest = das erste der ersten Reihe von 50 Wörtern, die er fehlerlos liest”.
Verwenden wir aber das Wort ‚lesen’ für einen bestimmten Bewußtseinsvorgang (Empfindungen) des Lesens der Buchstaben, – dann könnte der Lesende sagen, daß dieses Wort das erste war, welches er wirklich gelesen hat.
1 [ ohne, daß es dabei auf das Verstehen dessen, was man liest, ankommt.| dabei kommt es aber nicht auf ein ‚Verstehen’ dessen an, was man liest.]
2 [Der Gebrauch| Die Verwendung]
3 [unseres| des]
4 [außerordentlich| ungemein]
5 [außerordentlich| ungemein]
6 [etwa| sagen wir]
7 [andere wieder| das eine oder andere Wort]
8 [ihn| den Satz]
9 [dann| danach]
10 [,|]
11 [mühsam| mit Anstrengung]
12 [Stück schon auswendig| Lesestück auswendig]
13 [geneigt sein| dazu neigen]
14 [er| er]
15 [natürlich, ob er liest| ob er wirklich liest]
16 [Und doch müssen wir| Aber wir müssen]
17 [eines bestimmten Wortes| irgend eines Wortes]
18 [ein ‚Lesen’| ‚ein Wort lesen’]
19 [so| dann]
20 [es würden von uns Menschen, oder Tiere, als Lesemaschinen benützt| man würde Menschen, oder Tiere, als Lesemaschinen benützen]
21 [werden zu diesem Zwecke einer Abrichtung unterzogen.| müssen zu diesem Zwecke abgerichtet werden.]
22 [Der Lehrer, der sie abrichtet, sagt| Der sie abrichtet sagt ]
23 [angebissen| mitgetan]
24 [ungefähr| mehr oder weniger]
25 [diese| sie]
26 [einiger Zeit| einigen solchen Proben]
27 [hatte| hat es]
28 [Erklärung| Definition]
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Oder in dem hiervon verschiedenen Fall einer Lesemaschine1, die, etwa ähnlich wie das2 Pianola, Zeichen mit Lauten verbindet,3 könnte man sagen: „Erst nachdem das und das an der Maschinerie geschehen war – etwa gewisse Teile durch Drähte verbunden worden waren – hat die Maschine gelesen;4 der erste Buchstabe, den sie las,5 war ...”.
1 [Maschine| Lesemaschine]
2 [dem| wie das]
3 [verbände,| verbindet,]
4 [fing die Maschine an zu lesen;| hat die Maschine gelesen;]
5 [gelesen hat,| las,]
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Im Falle (71) hieß1 ein Wesen eine ‚Lese-Maschine’, wenn es auf gedruckte Zeichen, die man ihm vorlegt, in bestimmter Weise reagierte. Von keiner Verbindung des Zeichens und der Reaktion, von keinem2 seelischen Mechanismus, ist in diesem Fall die Rede. Der Lehrer kann auch vom Abgerichteten nicht sagen: „Vielleicht hat er dieses Wort gelesen”, – denn es besteht3 ja kein Zweifel darüber, was er getan hat. – Die Veränderung, als der Schüler zu lesen anfing, war eine Veränderung seines4 Verhaltens im allgemeinen; und dem Ausdruck „das erste Wort im neuen Zustand” haben wir hier keinen Sinn gegeben.5 (Vergleiche damit diesen Fall:
Graphic
In dieser Figur folgt eine Reihe von Punkten in weiten Abständen einer Reihe von Punkten in engen Abständen. Welches ist (von links nach rechts) der letzte Punkt der engen6 Reihe und welches der erste Punkt der weiten7? Angenommen diese Punkte wären Löcher in der Scheibe einer Sirene; dann würden wir einen hohen Ton hören, der auf einen tiefen folgt. In welchem Augenblicke hört der tiefe Ton auf und fängt der hohe an?)
1 [war| hieß]
2 [zwischen dem Sehen des Zeichens und der Reaktion, von keinem| des Zeichens und der Reaktion, von keinem ]
3 [ist| besteht]
4 [des| seines]
5 [der Ausdruck „das erste Wort im neuen Zustand” hat hier keinen Sinn erhalten.| dem Ausdruck „das erste Wort im neuen Zustand” haben wir hier keinen Sinn gegeben.]
6 [ersten| engen]
7 [zweiten| weiten]
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   Franz Hespe