Abstract
Die im Frankfurter Suhrkamp-Verlag erscheinende Werkausgabe bildet für das Studium der Philosophie Wittgensteins im deutschen Sprachraum bislang die wichtigste und am weitesten verbreitete Textgrundlage in Buchform. Mit der Bergen Electronic Edition steht der Forschung jedoch seit diesem Jahr der gesamte Nachlaß auf CD-Rom zu Verfügung. Für vergleichende Studien erweist es sich nun als ein Mangel, daß in den Vorworten der Herausgeber der Frankfurter Bände oft nur indirekte oder unpräzise Hinweise darüber zu finden sind, welche Manuskripte und Typoskripte den veröffentlichten Texten im einzelnen zugrundeliegen. Im folgenden werde ich für die acht Bände der Suhrkamp-Ausgabe - mit Ausnahme des Teil I der Philosophischen Grammatik und der Vermischten Bemerkungen - alle Manuskript- oder Typoskriptquellen im Nachlaß anführen und teilweise in der gebotenen Kürze auf das jeweilige Editionsverfahren der Herausgeber eingehen.
Table of contents
Die im Frankfurter Suhrkamp-Verlag erscheinende Werkausgabe bildet für das Studium der Philosophie Wittgensteins im deutschen Sprachraum bislang die wichtigste und am weitesten verbreitete Textgrundlage in Buchform. Mit der Bergen Electronic Edition steht der Forschung jedoch seit diesem Jahr der gesamte Nachlaß auf CD-Rom zu Verfügung. Für vergleichende Studien erweist es sich nun als ein Mangel, daß in den Vorworten der Herausgeber der Frankfurter Bände oft nur indirekte oder unpräzise Hinweise darüber zu finden sind, welche Manuskripte und Typoskripte den veröffentlichten Texten im einzelnen zugrundeliegen. Im folgenden werde ich für die acht Bände der Suhrkamp-Ausgabe - mit Ausnahme des Teil I der Philosophischen Grammatik und der Vermischten Bemerkungen - alle Manuskript- oder Typoskriptquellen im Nachlaß anführen und teilweise in der gebotenen Kürze auf das jeweilige Editionsverfahren der Herausgeber eingehen.1
Der erste Band der Werkausgabe beinhaltet den Tractatus logico-philosophicus, die Tagebücher 1914-1916 und die Philosophischen Untersuchungen. Die Textgrundlage für die Erstveröffentlichung des Tractatus von 1921 bildete TS 202, das sogenannte Engelmann-Typoskript der Logisch-Philosophischen Abhandlung, das im Nachlaß allen folgenden Neuauflagen des Tractatus am nächsten steht. Die Tagebücher 1914-1916 gehen auf die Manuskripte MS 101, 102 und 103 zurück. Ihre Bezeichnung ist aus zwei Gründen verwirrend. Erstens wurden von den Herausgebern hier all jene tagebuchartigen, persönlichen Eintragungen Wittgensteins ausgespart, die später unter dem Titel Geheime Tagebücher veröffentlicht wurden (Baum, 1991). Zweitens reichen die philosophischen Aufzeichnungen Wittgensteins in MS 103 bis in den Januar 1917. Dem Anhang I lag in der ersten Auflage der Werkausgabe das TS 201b zugrunde, die sogenannte Costello-Fassung der Notes on Logic. Seit der zweiten Auflage wird stattdessen TS 201a2, die sogenannte Shwayder-Fassung der Notes on Logic veröffentlicht (vgl. McGuinness, 1972). Anhang II geht auf D 301 zurück. Die Druckvorlagen für die beiden "Teile" der Philosophischen Untersuchungen sind nach den Angaben der Nachlaßverwalter bislang verschollen. Der "Teil I" ist jedoch weitgehend text- und numerierungsidentisch mit TS 227. Die Druckvorlage für den "Teil II" hat im von Wright-Verzeichnis die Nummer TS 234 erhalten. Dieses verschollene Typoskript dürfte auf Grundlage des MS 144 erstellt worden sein, welches mit dem in der Werkausgabe veröffentlichten Text weitgehend identisch ist. Das Manuskript enthält jedoch Bemerkungen, die in der Veröffentlichung nicht zu finden sind. Es ist wahrscheinlich, daß solche Auslassungen und eine Reihe von Umstellungen bei der Herstellung des TS 234 von Wittgenstein selbst vorgenommen wurden, doch ist den Bemerkungen der Herausgeber in der Werkausgabe indirekt zu entnehmen, daß auch sie Umstellungen vorgenommen haben (WA 1, 227). Die Bezeichnung des Textes als "Teil II" stammt nicht von Wittgenstein. Es ist nicht sicher, ob er dieses Manuskript als Fortsetzung oder Ergänzung der Philosophischen Untersuchungen angesehen hat.
Der zweite Band der Werkausgabe enthält die von Rush Rhees herausgegebenen Philosophischen Bemerkungen. In Wittgensteins Nachlaß existieren zehn Manuskripte gleichen Titels. Der Werkausgabe liegt das TS 209 aus dem Mai 1930 zugrunde, dem Wittgenstein selbst diesen Titel gab. Das Vorwort hat Rhees dem Manuskript MS 109 (S. 211f.) entnommen. Es ist unwahrscheinlich, daß dieser Vorwortentwurf vom November 1930 für TS 209 bestimmt war. Das TS 209 "konnte (...) mit minimalen Eingriffen von seiten des Herausgebers veröffentlicht werden." (von Wright, 1982, 72) Rhees ist der Auffassung, daß Wittgenstein das Stück "nicht ohne Überarbeitungen veröffentlicht" und daß er, "um sein Typoskript übersichtlicher zu machen (...) wohl Paragraphennummern eingeführt" hätte (WA 2, 316). Dafür gibt es jedoch keine konkreten Hinweise. Die wichtigsten formalen Eingriffe des Herausgebers sind ein dem Text des TS 209 vorangestelltes, etwa 40 Seiten umfassenden Inhaltsverzeichnis, eine Kapitelunterteilung des Textes in I-XXII, sowie die Numerierung einzelner Bemerkungsgruppen. TS 209 enthält keine Nummern oder Kapitel. Im Anhang finden sich die "Aufsätze" Komplex und Tatsache (TS 214a), Unendlich lang (TS 215a) sowie Unendliche Möglichkeit (215b) mit geringfügigen Auslassungen von Bemerkungen. Auf den Seiten 245f. der Werkausgabe hat Rhees eine kurze Notiz aus Waismanns Nachlaß eingefügt.
Der dritte Band der Werkausgabe enthält ausschließlich Aufzeichnungen aus dem Nachlaß von Friedrich Waismann. Der vierte Band der Werkausgabe enthält die von Rush Rhees herausgegebene Philosophische Grammatik. Die wichtigsten formalen Eingriffe des Herausgebers bestehen auch hier in der Erstellung eines etwa 30 Seiten umfassenden Inhaltsverzeichnisses, in der Einteilung des Textes, bzw. der unterschiedlichen zugrundeliegenden Texte in zwei Hauptteile mit Kapiteln, Teil I, I-X, und Teil II, I-VII, sowie in der Numerierung einzelner Bemerkungsgruppen. Der Titel stammt nicht von Wittgenstein, der einen solchen Titel jedoch 1931 in MS 110 (S. 254) für eine mögliche Veröffentlichung erwogen und drei danach entstandene Manuskriptbände ähnlich benannt hat. Etwas irreführend ist Rhees' Hinweis: "Die Hauptquelle unseres Textes ist ein großes Maschinenskript" (WA 4, 487), wobei das Big Typescript von 1933 gemeint ist. Texte aus dem Big Typescript finden sich aber nur im Anhang zu Teil I und in Teil II. Dem Teil I der Philosophischen Grammatik liegen drei Manuskripte zugrunde, bei denen es sich um Umarbeitungen des Big Typescript handelt. Daß das Big Typecript deren Ausgangspunkt bildet, hat Rhees vielleicht zu seiner eigentümlichen Formulierung bewogen. In Teil I der Philosophischen Grammatik hat er auf Grundlage von MS 114ii, 115i und 140 (Großes Format) sehr präzise die Umarbeitung des Big Typescript rekonstruiert, was aufgrund der vielen Hunderten von nachträglichen Umstellungsangaben und "Sprüngen" Wittgensteins innerhalb und zwischen diesen Manuskripten eine beachtliche Leistung darstellt. Mit der Bergen Electronic Edition läßt sich nachweisen, wie präzise Rhees hier gearbeitet hat. Die "Sprünge" sind so zahlreich, daß hier auf detaillierte Seitenangaben verzichtet werden muß. Ein Problem des Teil I besteht jedoch darin, daß es keine Anzeichen dafür gibt, daß Wittgenstein seine Umarbeitung tatsächlich fertiggestellt hat. Im Anhang zu Teil I gehen die Kapitel 1-3 auf die Typoskripte 214a, 214b und 214c zurück (vgl. WA 2, Anhang), Kapitel 4A auf das Kapitel 28 aus dem Big Typescript (TS 213, 100-101), Kapitel 4B auf das Manuskript MS 116 (S. 80-82 und 122-126), die Kapitel 5-8 auf die Kapitel 31-34 des Big Typescript (TS 213, 113-140). Im Teil II der Philosophischen Grammatik liegen den Kapiteln 1-10 die Kapitel 66-75 des Big Typescript (TS 213, 294-352) zugrunde, den Kapiteln11-37 die Kapitel 108-134 des Big Typecript (TS 213, 530-721), dem Anhang zu Kapitel 37 das Manuskript MS 112 (47v-51r), den Kapiteln 38-43 die Kapitel 135-140 des Big Typescript (TS 213, 722-768). Während Rhees im Teil I der Philosophischen Grammatik Wittgensteins Angaben zur Anordnung des Textes gefolgt ist, besteht der Anhang zu Teil I und der gesamte Teil II aus einer Auswahl von Texten, die von Rhees nach inhaltlichen Kriterien zusammengestellt wurden, über die er keine Rechenschaft gibt. In der Nachlaßforschung wurde Rhees dafür kritisiert, daß bei seiner Rekonstruktion "recht umfangreiche Textstücke unter den Tisch gefallen sind und bis heute unveröffentllicht geblieben sind." (Schulte, 1989, 46). Das eigentliche Problem der Philosophischen Grammatik besteht jedoch darin, daß der Unterschied zwischen dem Big Typescript von 1933 und seiner nachfolgenden Umarbeitung von 1933-34 verwischt wird. Die Umarbeitung ist vollständig veröffentlicht, während von den insgesamt 140 Kapiteln des Big Typescript im Anhang zu Teil I und in Teil II nur 48 Kapitel wiedergegeben werden.
Der fünfte Band der Werkausgabe enthält Das Blaue Buch und Eine Philosophische Betrachtung (Das Braune Buch). Dem Blauen Buch liegt der englische Text des D 309 von 1933/34 zugrunde, den Petra von Morstein ins Deutsche übersetzt hat. Die Veröffentlichung des Braunen Buchs in der Werkausgabe geht nur teilweise vom englischen Original D 310 aus. Dem größeren Teil (WA 5, 117-237) liegt das Manuskript MS 115ii (118-292) von 1936 zugrunde. Dabei handelt es sich um Wittgensteins eigene Übertragung von etwa drei Vierteln des Braunen Buchs ins Deutsche, eine Vorstufe zu den Philosophischen Untersuchungen, der Wittgenstein bereits diesen Titel gibt, und die vom ursprünglichen Text des D 310 teilweise abweicht. Nur etwa das letzte Viertel des Braunen Buchs, D 310 (117-168), das Wittgenstein nicht mehr überarbeitet hat, wurde von Petra Morstein ins Deutsche übersetzt (WA 5, 237-282). Damit stellt das Braune Buch in der Werkausgabe ein der Philosophischen Grammatik vergleichbares Mischgebilde aus der früheren und der späteren Fassung eines Textes dar. Was die Bezeichnung des Textes anbelangt, bezieht sich Rhees auf ein Manuskript, in dem Wittgenstein, im Juni 1931 - also vier Jahre vor D 310, fünf Jahre vor MS 115ii - geschrieben hatte: "Mein Buch kann heißen: Eine philosophische Betrachtung." (MS 110, 214).
Der sechste Band der Werkausgabe enthält die Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik. Der Titel, den Wittgenstein im Nachlaß niemals erwähnt oder verwendet hat, sowie das 23 Seiten umfassende Inhaltsverzeichnis, die Kapiteleinteilung und die Bemerkungsnumerierung stammen von den Herausgebern. Der Band wurde aus kürzeren und längeren Passagen aus drei Typoskripten und acht Manuskripten zusammengestellt, die zwischen 1937 und 1944 entstanden sind. Er verdankt sich der Überzeugung der Herausgeber, keine von Wittgensteins Schriften über die Philosophie der Mathematik zu veröffentlichen, "hätte geheißen, der Welt ein schlimm verstümmeltes Bild seines Lebenswerkes zu vermitteln." (von Wright, 1982, 71). Teil I dieser Montage geht auf TS 222 (1-135 und 148-149) zurück, Anhang I auf TS 222 (136-147), Anhang II auf TS 224 (1-10), Anhang III auf TS 223 (1-10); Teil II, Nr. 122 auf MS 117 (97-109), Nr. 23-62 auf MS 121 (27r-92v); Teil III, Nr. 1-58 auf MS 122 (4v-112v), Nr. 59-90 auf MS 117 (154-267); Teil IV, Nr. 1-50 auf MS 125 (5v-73v), Teile von Nr. 50 auf MS 126 (12-17), Nr. 51-54 auf MS 125 (75r-79r), Nr. 55-58 auf MS 127 (80-90), Nr. 59 auf MS 125 (67r-68r), Nr. 60 auf MS 121 (74v-75r); Teil V, Nr. 1-34 auf MS 126 (24-157), Nr. 35-53 auf MS 127 (10-230); Teil VI auf MS 164 (1-151); Teil VII auf MS 124 (7-200). Nur die Teile I und VI geben mit Auslassungen einer Reihe von Bemerkungen den Text in etwa so wieder, wie er in den Manuskripten von Wittgenstein entwickelt wird. Alle anderen Teile wurden von den Herausgebern zusammengestellt, wobei einige von Wittgenstein in den Manuskripten behandelte philosophische Themenfelder ausgespart blieben, die der Auffassung der Herausgeber zufolge nicht die Grundlagen der Mathematik betrafen. Neben den persönlichen Aufzeichnungen wurden offenbar auch stilistisch nicht ausgereift erscheinende Bemerkungen ausgelassen und solche, in denen Wittgenstein selbstkritisch auf das zuvor Geschriebene Bezug nimmt.
Der siebte Band der Werkausgabe enthält die Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie und Letzte Schriften über die Philosophie. Beide Titel stammen von den Herausgebern. Die Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie gehen auf drei Typoskripte zurück, die zwischen 1945 und 1948 entstanden sind: TS 228, das von Wittgenstein als Bemerkungen I bezeichnet wurde, TS 229, die unmittelbare Fortsetzung von TS 228, sowie TS 232, ein Typoskript ohne Titel. Verwirrend ist die Unterteilung der Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie in "zwei Bände". In der Werkausgabe findet sich kein Hinweis darauf, daß hier auf die diesem Text zugrundeliegende, gleichzeitig deutsche und englische Erstveröffentlichung der Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie bei Basil Blackwell in zwei Bänden Bezug genommen wird (Band 1 und 2, Oxford 1980). Band 1, Nr. 1-11 geht auf TS 228, (S. 186-189) zurück, Nr. 12-1137 auf TS 229 (S. 190-457). Von TS 228 wurden also nur die letzten vier Seiten ausgewählt, während das im Nachlaß mit der Seite 190 beginnende TS 229 vollständig und ohne Auslassungen wiedergegeben wird. Band 2 geht ohne Auslassungen auf TS 232 (600-773) zurück. In diesen drei Typoskripten hat Wittgenstein die Bemerkungen selbst numeriert, doch die Veröffentlichungen folgen nicht der Numerierung der Textquellen. Band 1, Nr. 1 beginnt mit Nr. 699 aus TS 228; in Band 2 wurden einige Numerierungsfehler Wittgensteins ausgeglichen, wodurch auch hier die Nummern nicht mit denen des Typoskripts übereinstimmen. Im Vorwort der Herausgeber zu den Letzten Schriften über die Philosophie der Psychologie ist nochmals von "zwei Bänden" die Rede und abermals findet der Leser keinen Hinwies darauf, daß damit auf die diesem Text zugrundeliegende deutsche und englische Erstveröffentlichung der Letzten Schriften über die Philosophie der Psychologie in zwei Bänden bei Basil Blackwell Bezug genommen wird (Band 1, Oxford 1982; Band 2, Oxford 1992). Der dabei erwähnte zweite Band, wurde in der Werkausgabe zudem überhaupt nicht veröffentlicht. Was hier als Band 1 bezeichnet wird, geht auf zwei Manuskripte zurück; Nr. 1-694 auf MS 137 (76a-143b), Nr. 695-979 auf MS 138 (1a32b). Die gesamte erste Hälfte des MS 137 wurde nicht berücksichtigt. Ansonsten erfolgte die Veröffentlichung mit nur sehr wenigen Auslassungen. Die Bemerkungsnummern stammen von den Herausgebern.
Der achte Band der Werkausgabe enthält die Bemerkungen über die Farben, Über Gewißheit, Zettel und die Vermischten Bemerkungen. Die Herausgeber entschieden sich für eine Veröffentlichung der letzten Aufzeichnungen Wittgensteins aus den Jahren 1950 und 1951 in zwei unterschiedlichen Teilen, "obwohl die Manuskripte keine derart krasse Trennung erkennen lassen, und obwohl ein großer Teil der Bemerkungen über Farben auch inhaltlich ganz offensichtlich zum Themenkomplex Über Gewißheit gehört." (Schulte, 1989, 46). Beide Titel stammen von den Herausgebern. Die Bemerkungen über die Farben wurden in drei Teile gegliedert, denen drei verschiedene Manuskripte zugrundeliegen. Teil I geht auf MS 176 (1r-22r) zurück, der kurze Teil II auf MS 172 (21-24), Teil III auf MS 173 (ii-100r). In Über Gewißheit gehen Nr. 1-65 auf einen Teil des MS 172 (1-20) zurück, der in den Bemerkungen über die Farben nicht berücksichtigt worden war. Die Nr. 66 stammt bereits aus MS 174. Tatsächlich liegt zwischen Nr. 65 und Nr. 66 von Über Gewißheit das Manuskript MS 173, das bereits im Teil III der Bemerkungen über die Farben wiedergegeben wurde. Ab Nr. 66 werden die letzten Notizbücher Wittgensteins kontinuierlich wiedergegeben. Nr. 66-192 gehen auf MS 174 (14v-40v) zurück, Nr. 193-425 auf MS 175 (1r-79), Nr. 426-637 auf MS 176 (23r-81v), Nr. 638-676 auf MS 177 (1-11). Bei den veröffentlichten Passagen wurden nur wenige Bemerkungen ausgelassen. Die Numerierung der Bemerkungen stammt auch hier von den Herausgebern. Die Zettel gehen auf eine von Wittgenstein aus losen Blättern zusammengestellte Sammlung von Bemerkungen zurück, die er in einer Schachtel mit der Aufschrift Zettel aufbewahrt hatte. Durch ein Mißgeschick fielen die Zettel später heraus, und die Rekonstruktion ihrer ursprünglichen Reihenfolge war nicht mehr möglich. Peter Geach hat eine Neuanordnung des gesamten Materials vorgenommen, TS 233, bei der leicht der Eindruck entstehen kann, dieses Arrangement stamme von Wittgenstein. Die von G.H. von Wright herausgegebenen und zusammengestellten Vermischten Bemerkungen sind insgesamt 55 Manuskripten des Nachlasses aus allen Schaffensperioden Wittgensteins entnommen. Sie betreffen jene ethischen, ästhetischen oder kulturphilosophischen Bemerkungen, die bei der Veröffentlichung derselben Manuskripte in der Werkausgabe meist ausgespart blieben. Aufgrund der Vielzahl von Quellen muß auf Seitenangaben verzichtet werden.
Die Veröffentlichungen in der Werkausgabe sind also in hohem Maße von den editorischen Verfahrensweisen und Entscheidungen der Herausgeber geprägt. Die Zusammenstellung scheinbarer Werke Wittgensteins aus unterschiedlichen Manuskripten oder Manuskriptteilen, ihre Bezeichnung mit Titeln, die meist nicht von Wittgenstein stammen, ihre Strukturierung durch Inhaltsverzeichnisse, Kapitel und Bemerkungsnummern und ihre Ergänzung durch Vorwortentwürfe Wittgensteins, läßt die allgemeine Tendenz erkennen, aus dem Nachlaß Publikationen zusammenzustellen, die herkömmlichen Buchkonventionen möglichst weitgehend entsprechen. Betrachtet man jedoch den Nachlaß, so fällt z. B. auf, wie selten Wittgenstein in seinen Manuskripten Bemerkungen numeriert, und wie reduntant er seine Bände mit oft identischen Titeln versehen hat. Hinsichtlich einer möglichst textgetreuen Wiedergabe der Quellen weist die Werkausgabe für die Nachlaßforschung deutliche Mängel auf. Die naheliegende Idee einer kritischen Gesamtausgabe der Schriften Wittgensteins ist nun meines Erachtens durch die Bergen Electronic Edition keinesfalls obsolet geworden, sondern sie steht aufgrund der nunmehr vollständigen Transkription des Nachlasses der Möglichkeit ihrer Realisierung vielleicht näher als je zuvor. Meine Ausführungen zur Werkausgabe verstehe ich auch als einen Beitrag zur Diskussion über die mögliche Form einer Gesamtausgabe, insofern die kritische Evaluierung der bereits existierenden Editionen für diese Diskussion unverzichtbar erscheint.2
Bibliographie
- Baum, W. (Hg.) (1991), Ludwig Wittgenstein. Geheime Tagebücher 1914-1916, Wien, Turia & Kant.
- Biggs, M., Pichler, A. (1993), Wittgenstein: Two Source Catalogues and a Bibliography, Bergen, Working Papers from the Wittgenstein Archives at the University of Bergen, No. 7.
- McGuinness, B. (1972), Bertrand Russell and Ludwig Wittgenstein's 'Notes on Logic', in Revue Internationale de Philosophie, Nr. 102, 444-460.
- Nedo, M. (Hg.) (1994f.), Ludwig Wittgenstein, Wiener Ausgabe, Wien, Springer Wien-New York
- Schulte, J. (1989), Wittgenstein. Eine Einführung. Stuttgart: Phillip Reclam
- Somavilla, I. (1997) Ludwig Wittgenstein. Denkbewegungen, Tagebücher 1930-1932, 1936-1937 (MS 183), Innsbruck, Haymon.
- von Wright, G.H. (1986), Wittgenstein. Frankfurt am Main, Suhrkamp
- Wittgenstein, L., Werkausgabe, Band 1-8 (1989), Frankfurt am Main, Suhrkamp.
- Wittgensteins Nachlaß, The Bergen Electronic Edition, Text and Facsimile Version, Volume 1-4 (2001), Oxford, Oxford University Press.
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