Über die Phänomenalität intentionaler Zustände
Über die Phänomenalität intentionaler Zustände

Abstract

In dem vorliegenden Artikel wird die These vertreten werden, daß ein qualitativer oder phänomenaler Gehalt allen Arten mentaler Zustände zugesprochen werden muß. Meine Analyse wird mit einer kurzen Darstellung dessen beginnen, was ich unter dem Begriff des qualitativen Gehalts verstehe, welcher als die Essenz sogenannter phänomenaler Zustände ausgewiesen werden muß. Sobald eine Charakterisierung der Qualia erarbeitet worden ist, wird eine spezifische Form mentaler Zustände – nämlich die intentionalen Zustände – hinsichtlich eines möglichen phänomenalen Aspekts untersucht und für das Vorliegen desselben argumentiert werden. Die Signifikanz phänomenaler Eigenschaften für intentionale Einstellungen wird sowohl aufgrund einer speziellen Form des Inhalts – des bewußtseinsimmanenten Inhalts – als auch anhand der Phänomenalität der Einstellungsmodi zum Ausdruck kommen.

Table of contents

    1. Der qualitative Gehalt als intrinsische Essenz phänomenaler Zustände

    Zweifelsohne sind unsere bewußten, mentalen Zustände von einer Fülle qualitativer Eigenschaften geprägt, deren Vorkommen sich im Begriff des Erlebnisses ausdrücken läßt – denn das Erlebnis ist der phänomenale Zustand par excellence. So wie es keine unbewußten Erlebnisse gibt, so kann man auch nicht von unbewußten phänomenalen Zuständen sprechen, da der Begriff der Phänomenalität voraussetzt, daß eine bestimmte Eigenschaft vorliegt und das Erlebnissubjekt zugleich dieser Eigenschaft unmittelbar gewahr ist. Da diese Eigenschaften qua Teil mentaler Zustände nur Bewußtseinssubjekten zugesprochen werden können, handelt es sich hier konsequenterweise um subjektive Eigenschaften. Phänomenale Eigenschaften, welche Erlebnisse konstituieren, sind also notwendig bewußte, subjektive, phänomenale Eigenschaften – um einen anderen Ausdruck zu gebrauchen: Qualia. Diese Qualia konstituieren all diejenigen mentalen Zustände, die häufig mit der Umschreibung charakterisiert werden, es gebe ein spezifisches Wie es ist, in diesem Zustand zu sein. Beispiele, wie es etwa ist, den blauen Himmel zu sehen, den Duft einer Rose zu riechen oder einfach von einem Glücksgefühl übermannt zu werden, illustrieren deutlich die Existenz von Zuständen, die einen qualitativen Gehalt aufweisen, der nicht mehr und nicht weniger ist als die Summe der darin vorkommenden Qualia. Das heißt: Alle phänomenalen Zustände werden von den ihnen zugrundeliegenden qualitativen Eigenschaften konstituiert, die die Essenz dieser Zustände schlechthin sind. Eine Analyse rein phänomenaler Zustände, wie beispielsweise die Wahrnehmung eines roten Flecks, konfrontiert uns also lediglich mit folgendem Konstituenten des Bewußtseinszustandes: Ein Rot-Quale. Mit dem Begriff des Rot-Quale erfassen wir die Qualität des Wahrnehmungserlebnisses, indem der Begriff eine wesentlich subjektive und intrinsische Eigenschaft denotiert. Diese Eigenschaft ist die Essenz des erörterten Bewußtseinszustandes, da sich dessen Gehalt eben in der Erlebnisqualität erschöpft. Selbstverständlich könnte das Rot-Erlebnis von allerlei zusätzlichen Assoziationen, Handlungsimpulsen oder auch nur von emotionellen Komponenten begleitet sein, aber keiner dieser Faktoren würde sich als unabdingbar für eine korrekte Charakterisierung des Zustandes erweisen. Denn man könnte sich freilich all dieselben Assoziationen, Handlungsimpulse und begleitenden Emotionen in Zusammenhang mit einem Orange-Quale vorstellen und hätten es dennoch mit einem grundverschiedenen Erlebnis zu tun. Dies aber bedeutet, daß nur dem Quale, welches den qualitativen Gehalt des Zustandes ausmacht, eine Individuierungsfunktion zugeschrieben werden kann. Im folgenden möchte ich untersuchen, ob ein derartiges Postulat auch für andere mentale Zustände – und zwar im besonderen für intentionale Zustände – geltend gemacht werden kann.

    2. Die Komponenten intentionaler Zustände

    In der philosophischen Analyse des Bewußtseins wird immer wieder auf einen Aspekt mentaler Zustände hingewiesen, der sich als spezifisch für das Mentale erweist – dessen Intentionalität. Der Terminus „Intentionalität“ referiert auf die Gerichtetheit unseres Bewußtseins auf ein Objekt oder einen Inhalt. Mit anderen Worten: Viele – wenn auch nicht alle – mentalen Zustände beziehen sich auf ein Etwas, sind also Bewußtseinszustände von etwas. Wenn ich beispielsweise denke, so denke ich an etwas, wenn ich mich sehne, so sehne ich mich nach etwas usw. Doch wie läßt sich dieses Etwas genauer charakterisieren? Das Objekt oder der Inhalt eines intentionalen Zustandes muß bei genauer Betrachtung in zwei Komponenten separiert werden, die zwar nicht gänzlich voneinander unabhängig sind, aber denen dennoch eine gewisse Eigenständigkeit zugeschrieben werden muß. Diese Komponenten sind einerseits der bewußtseinsimmanente Inhalt und andererseits ein (bewußtseins-)transzendenter Gegenstand. Ersterer ist subjektabhängig und kann auch ohne einen korrespondierenden transzendenten Gegenstand existieren, was impliziert, daß seine Existenz korrekterweise in der Sphäre des Mentalen zu verorten ist. Der transzendente Gegenstand hingegen existiert subjekt-unabhängig und dessen tatsächliches Vorkommen in der Welt erweist sich oftmals als irrelevant für die hier analysierten intentionalen Einstellungen. Um den Intentionalitätsbegriff adäquat zu erfassen, müssen meist vier Komponenten zusammengefaßt werden: Einerseits der Träger der intentionalen Einstellung (Subjekt), andererseits der Modus (beispielsweise Denken, Glauben, Hoffen etc.) und schließlich der jeweilige immanente Inhalt sowie der eventuell gegebene transzendente Gegenstand.

    3. Die zentralen Thesen

    Wie bereits erörtert, gibt es rein phänomenale Zustände – wie etwa das Gefühl der Melancholie oder einer (per definitionem ungerichteten) Angst –, welche zunächst keinen Inhalt besitzen, sondern vielmehr von einem puren Wie, einer Qualität wesentlich bestimmt sind. Welche Rolle muß nun aber dem postulierten qualitativen Charakter intentionaler Zustände zugeschrieben werden, die doch vor allem von ihren Inhalten geprägt scheinen? Meine Analyse der Beziehung zwischen phänomenalem und intentionalem Bewußtseins gipfelt in folgenden Thesen:

    • 1.) Jeder Bewußtseinszustand beinhaltet phänomenale Eigenschaften, die ihn charakterisieren.

    Wenn auch die meisten Philosophen diesem Postulat in bezug auf Wahrnehmungen, Emotionen und Ähnlichem zustimmen, so wird die Phänomenalität sogenannter kognitiver Einstellungen (wie Denken, Glauben etc.) oftmals angezweifelt. Ich werde im folgenden argumentieren, daß auch derartige mentale Zustände einen qualitativen Gehalt besitzen – kurz, daß es beispielsweise auch irgendwie ist, einen bestimmten Gedanken zu denken. In meinen Erörterungen werde ich zeigen, inwiefern sich dieser postulierte qualitative Gehalt aus einer unumgänglichen Verschränkung des bewußtseinsimmanenten Inhalts mit dem phänomenalen Aspekt ergibt.

    • 2.) Einige Bewußtseinszustände beinhalten intentionale Eigenschaften.

    Wie bereits eingangs festgestellt, besitzen mentale Zustände, denen intentionale Eigenschaften zugesprochen werden können, notwendigerweise einen bewußtseinsimmanenten Inhalt und zumeist auch einen transzendenten Gegenstand, auf den sie gerichtet sind. Es sollte an dieser Stelle hinzugefügt werden, daß ich mich in meinen Ausführungen bezüglich einer konstatierten einseitigen Unablösbarkeit der Intentionalität von der Phänomenalität auf die Analyse bewußter intentionaler Einstellung konzentriere, da es in diesen Fällen unzweifelhaft ist, daß sie aufgrund ihres Erlebt-Werdens auch notwendig einen phänomenalen Aspekt beinhalten. Die Absurdität der Vorstellung von bewußten mentalen Zuständen ohne jegliche Erlebnisqualität ist anhand der Beispiele wie Emotionen, Wahrnehmungen etc. intuitiv einsichtig – und dieselbe evidente Phänomenalität muß auf jede Form bewußter mentaler Zustände ausgeweitet werden. Folglich ist es notwendig, darzulegen, wie sich diese omnipräsenten Qualia in eine Analyse intentionaler Zustände eingliedern lassen.

    Die Unmöglichkeit rein inhaltsbezogener Einstellungen ohne jegliche qualitative Eigenschaften ergibt sich aus der zweifachen Rolle, die die Phänomenalität in der Konstitution eines intentionalen Zustandes spielt: Einerseits ist die spezifische Form des Gerichtetseins selbst von einem Modus-individuierenden Wie geprägt. Andererseits birgt der bewußtseinsimmanente Inhalt, der als Voraussetzung für eine intentionale Einstellung angesehen werden muß, wesentlich einen qualitativen Aspekt in sich, der weit über assoziierte Emotionen oder Handlungsimpulse hinausgeht. Meines Erachtens wird diese Form des Inhalts von nichts weniger konstituiert als genau den Qualia des damit einhergehenden Bedeutungserlebnisses. Diese beiden weiteren Thesen können also wie folgt formuliert werden:

    • 3.) Glauben, daß p, unterscheidet sich phänomenal von hoffen (oder anderen intentionalen Modi), daß p.
    • 4.) Glauben, daß p unterscheidet sich phänomenal von glauben, daß q.

    Im folgenden werde ich diese zwei phänomenalen Aspekte nacheinander einer eingehenden Untersuchung unterziehen:

    4. Die Phänomenalität des Modus der intentionalen Einstellung

    Offensichtlich ist es irgendwie, etwas zu wünschen, zu glauben oder zu hoffen. Die Phänomenalität eines Glaubenszustandes unterscheidet sich jedoch eindeutig von dem Erlebnischarakter eines Wunsches – auch wenn diese beiden Einstellungen auf denselben transzendenten Gegenstand gerichtet sein mögen. Diese Überlegung läßt uns folgern, daß es Qualia des Modus geben muß, die es dem Subjekt ermöglichen, die einzelnen Einstellungsmodi bei gleichbleibendem Inhalt dennoch voneinander zu unterscheiden. Genau dieser qualitative Aspekt des Modus verleiht dem komplexen Zustand seine Färbung und muß somit als eine essentielle Eigenschaft der jeweiligen intentionalen Einstellung angesehen werden. Meines Erachtens ist also jeder Einstellungsmodus von einer distinkten, spezifischen Phänomenalität konstituiert und dies gilt nicht nur für emotionelle Gerichtetheit (wie etwa Fürchten, Hoffen etc.), sondern auch für kognitive Einstellungen. Denn genauso wie man Hoffen und Fürchten nicht voneinander unterscheiden könnte, wenn nicht jeder dieser Zustände einen qualitativen Gehalt implizierte, der gänzlich verschieden von allen anderen Zuständen ist, ebensowenig könnte man beispielsweise das Phänomen des Verstehen als ein solches identifizieren, wenn nicht auch hierfür eine spezifische Phänomenalität ausschlaggebend wäre. Man bedenke nur den radikalen Erlebniswandel, sobald man im Fluß einer unbekannten Sprache plötzlich ein Wort vernimmt, welches man versteht. Gerade anhand derartiger Fälle zeigt sich die Veränderung des phänomenalen Aspekts, der eben vom geänderten intentionalen Modus evoziert wurde, in vollem Ausmaß.

    5. Die Phänomenalität des bewußtseinsimmanenten Inhalts

    Es scheint offensichtlich zu sein, daß wir direktes Wissen von dem Inhalt einer bewußten intentionalen Einstellung besitzen. Wie kann jedoch das Zustandekommen eines derartigen Wissens erklärt werden? Da ein unmittelbarer Zugang nur bewußten, eigenpsychischen Zuständen – wie sie paradigmatisch phänomenale Zustände verkörpern – zugesprochen werden kann, so muß es auch ein subjektiver Aspekt sein, der uns zu dem jeweiligen, direkt erfaßbaren Inhalt führt. Mit anderen Worten: Der einzig mögliche Kandidat, der die Aufgabe einer subjektiven, phänomenalen Vermittlung eines Inhaltes darstellen könnte, ist der bereits angeführte bewußtseinsimmanente Inhalt. Dieser scheint auch tatsächlich die individuierende Rolle zu übernehmen, damit wir zu einem unmittelbaren Wissen von dem Inhalt des Geglaubten, Gedachten etc. gelangen können. Wie ich demonstrieren werde, kann ein phänomenaler Zustand variieren, obwohl der transzendente Gegenstand, auf den die intentionale Einstellung gerichtet ist, derselbe bleibt. Analog dazu kann dies jedoch nicht von dem internalistisch determinierten bewußtseinsimmanenten Inhalt ausgesagt werden, da dieser eben von dem phänomenalen Aspekt konstituiert ist. Ich möchte ein Beispiel anführen, das illustriert, inwiefern der bewußtseinsimmanente Inhalt stets phänomenal und vor allem wesentlich subjektiv ist: Angenommen zwei Personen sind intentional (z.B. im Modus des Denkens) auf den Ginkgobaum im Grazer Stadtpark gerichtet. Evidenterweise kann der mit dem bewußtseinsimmanenten Inhalt verschränkte, phänomenale Gehalt beträchtlich variieren, obwohl sowohl der transzendente Gegenstand als auch der Modus der Einstellung derselbe ist. So könnte die Person A denken, daß der Ginkgobaum der Baum ist, dessen Blätter das Denken stärken sollen, während die Person B an den Ginkgobaum als denjenigen Baum denkt, unter dem sie im Sommer ein Picknick gemacht hat. Anhand dieses Beispiels wird ersichtlich, daß der qualitative Gehalt des intentionalen Zustandes sich unabhängig von externen Faktoren in der engen Sphäre des Mentalen formiert.

    Variieren wir nun das Szenario und denken an zwei Personen mit dem gleichen Erlebnisgehalt, die im Modus des Wahrnehmens mit dem bewußtseinsimmanenten Inhalt des Ginkgobaums im Stadtpark konfrontiert sind. Der Unterschied soll nun darin bestehen, daß in diesem Beispiel die Person A tatsächlich den Ginkgobaum wahrnimmt, während die Person B von einem Hologramm getäuscht wird. Das heißt, wir haben es mit einem Szenario zu tun, welches aus psychologischer Hinsicht ununterscheidbar ist, jedoch bezüglich der externen Faktoren einen gewichtigen Unterschied aufweist. In psychologischer Hinsicht ist also das tatsächliche Vorkommen eines transzendenten Gegenstandes völlig irrelevant, da die beiden Personen ein qualitativ identisches Erlebnis (konstituiert von identischen Qualia) unterlaufen und deshalb deren intentionaler Zustand auch den gleichen bewußtseinsimmanenten Inhalt besitzt. Noch signifikanter wird diese Analyse, wenn man das Beispiel auf intentionale Einstellungen bezüglich nicht-existierender Gegenstände wie etwa Einhörner ausweitet. Diese Untersuchung des Hiatus zwischen bewußtseinsimmanentem Inhalt und transzendentem Gegenstand deutet auf ein zentrales Faktum hin: Für ein adäquates Erfassen eines bewußtseinsimmanenten Inhaltes darf nicht auf externe Faktoren rekurriert werden, da man sonst der Gewichtigkeit des qualitativen Gehalts des analysierten Bewußtseinszustandes nicht gerecht werden würde.

    Nun wird oftmals argumentiert, daß der konstatierte Unterschied bezüglich des Inhalts der intentionalen Einstellung von der Tatsache erklärt werden kann, daß Denken nicht mehr als lautloses Sprechen sei und der damit verbundene quasi auditive Eindruck den qualitativen Gehalt bestimmen würde. Doch meines Erachtens beinhalten (subvokal) verbalisierte Gedanken nicht aufgrund deren phonologischer Qualität, sondern vielmehr aufgrund der Semantik der Wörter ihre konstatierte Phänomenalität. Dies kann man leicht an folgendem Beispiel erkennen: Angenommen zwei Personen A und B vernehmen denselben Satz in italienischer Sprache. Während die Person A Italienisch beherrscht und den Satz versteht, so erlebt die Person B das Gesagte nur als eine unverständliche Klangabfolge. Obwohl also der bloße Laut für beide Subjekte derselbe ist, unterscheiden sich die jeweiligen Erlebnisse in ihrer Phänomenalität grundlegend. Dies führt zu einer weiteren Überlegung: Wenn nun die Person B den ihr unverständlichen Satz in Gedanken innerlich wiederholt (verbal formuliert), so kann man dennoch nicht sagen, daß sie den Satz denkt. Ergo kann das innere Lautbild eines Satzes auch nicht eine hinreichende Bedingung dafür sein, zu wissen, welchen Gedanken der formulierte Satz darstellt. Andererseits divergiert die Lautgestalt von beispielsweise „weiß“ und „bianco“ eindeutig, obwohl das Vernehmen dieser Laute bei einer Person mit adäquater Sprachkenntnis dasselbe Erlebnis evozieren kann. Somit kann die phonologische Vorstellung niemals identisch mit dem Denk-Erlebnis eines Satzes sein. Weiters erkennt man die Tatsache, daß sich der spezifische qualitative Gehalt des Versteh-Erlebnisses nicht aus der reinen Wortkombination ergibt, auch in den Fällen, die sich durch zweideutige Sätze wie etwa„Die Laster sind längst überholt“ auftun. Eine mögliche Interpretation wäre: (a) Diese schlechten Angewohnheiten gibt es heutzutage nicht mehr. Die andere hingegen: (b) Diese LKW hat ein Auto schon längst hinter sich gelassen. In solchen Fällen ändert sich der phänomenale Aspekt des Erlebnisses je nach Interpretations- oder Verstehensweise. Folglich ist der Verweis auf die Lautgestalt eines Satzes kein Argument gegen die inhärente Phänomenalität von Gedanken, Glaubenseinstellungen etc. Hinzukommt, daß es auch Gedanken nicht-verbalisierter Form gibt, beispielsweise, weil ein komplexer Inhalt in kürzester Zeit gedacht wird. Dies könnte der Fall sein, wenn man die Konsequenzen einer These durchdenkt. Trotzdem hat man während eines solchen Gedankens ein Gefühl des Wie es ist, derartiges zu denken und dieser qualitative Aspekt kann nicht auf ein inneres Sprechen zurückgeführt werden, weil der Inhalt eben nicht vollkommen verbalisiert wurde. In solchen Fällen ist meiner Meinung nach der bewußtseinsimmanente Inhalt – die Essenz des verbalisierbaren Gedankens – als eine Art wittgensteinscher „Keim“ gegeben, der zu dessen verbaler Manifestation auswachsen kann (siehe: Ludwig Wittgenstein,Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie, Bd. II, §232). Ebensowenig muß ein solcher Gedanke von etwaigen visuellen Vorstellungen oder Bildern begleitet werden – wie es beim Durchdenken einer Theorie selten der Fall ist. Obwohl in solchen Fällen sowohl die auditiven als auch die visuellen Begleitphänomene fehlen, muß dem Gedanken dennoch eine Erlebnisqualität zugeschrieben werden.

    Nachdem also festgestellt wurde, daß sich die Phänomenalität intentionaler Einstellungen nicht auf quasi-auditive Begleiterscheinungen zurückführen läßt, so wird anhand der folgenden Argumentation ersichtlich, daß dies ebensowenig für visuelle Begleiterscheinungen gilt, die zweifelsohne manchen intentionalen Zuständen zugesprochen werden müssen. Wenn ich etwa denke, daß Graz die Hauptstadt der Steiermark ist, so kann dieser Gedanke von einem inneren Bild einer steirischen Landkarte begleitet werden. Allerdings kann derselbe Gedanke mit einem Bild des Landtaggebäudes oder eben mit gar keinem Bild assoziiert werden. Ich leugne also keineswegs, daß visuelle Vorstellungen zu manchen Gedanken, Wünschen, Ängsten etc. hinzukommen – ich bezweifle nur, daß es diese inneren Bilder sind, in denen sich die Erlebnisqualität des jeweiligen intentionalen Bewußtseinszustandes erschöpft. Erstens, weil die assoziierten Bilder variieren können, während der phänomenale Gehalt des Gedankens derselbe bleibt. Zweitens, weil es zahlreiche Gedanken gibt, die weder von einem inneren Sprechen, noch von inneren Bildern begleitet werden. Während also die Phänomenalität des Inhalts von visuellen u.ä. Erlebnisqualitäten umrahmt werden kann, so darf sie jedoch nicht auf diese reduziert werden. Denn der bewußtseinsimmanente Inhalt wird unter anderem von den Qualia des Zustandes bestimmt – ähnlich wie dies bei Wahrnehmungen von Ente/Hase-Kippbildern konstatiert werden kann, wo die (vom Auslöser stark divergierende) Phänomenalität erst den Inhalt der Wahrnehmung konstituiert.

    6. Zusammenfassung

    Meines Erachtens ist die Phänomenalität einer intentionalen Einstellung eine Komposition aus zwei Aspekten, von denen jeder für sich einen spezifischen qualitativen Gehalt in sich trägt. Verändert sich nur einer dieser Aspekte, so verändern sich auch die mit dem jeweiligen Zustand verbundenen Qualia. Die Signifikanz der Phänomenalität für eine adäquate Analyse intentionaler Einstellungen ergibt sich also aus zweierlei Gründen. Erstens: Da nur der phänomenale Aspekt notwendig jeder Form von Bewußtsein zugeschrieben werden muß, so sollte diesem auch der Status der fundamentalen Essenz von Bewußtsein zuerkannt werden. Dieser qualitative Aspekt konstituiert nun wiederum denjenigen Inhalt, der intentionalen Einstellungen stets gegeben sein muß und der gleichsam als die Brücke zu einem eventuellen transzendenten Objekt angesehen werden kann: der bewußtseinsimmanente Inhalt. Wie bereits an der möglichen Abwesenheit eines korrespondierenden transzendenten Gegenstandes offensichtlich wird, muß gefolgert werden, daß das Wesentliche einer intentionalen Einstellung eben im engen, mentalen Inhalt zu suchen ist. Hinzukommt die epistemische Besonderheit, daß es keinerlei Gedankens höherer Ordnung bedarf, um sich dieses subjektiven Inhalts bewußt zu sein, da innerhalb der Subjektperspektive ein unmittelbares Gewahrsein des relevanten Inhalts gegeben ist. Das heißt, das Subjekt befindet sich in einer privilegierten Position bezüglich der Feststellung, worauf ein intentionaler Zustand gerichtet ist.

    Das Postulat des zweiten phänomenalen Aspekts wird von dem Faktum gestützt, daß phänomenale Eigenschaften auch die einzigen Kandidaten für unmittelbar zugängliche Eigenschaften sind, die uns dieCharakterisierung eines mentalen Zustandes ermöglichen. So ermöglichen uns auch die Qualia des Modus eine Phänomenalität des intentionalen Zustandes zu identifizieren, die ungeachtet des Inhalts all denselben Einstellungstypen gemeinsam ist. Meine Analyse gipfelt also in dem Ergebnis, daß betreffs intentionaler Einstellungen die wesentlichen Eigenschaften, beispielsweise, daß ein Gedanke, daß p erstens ein Gedanke (damit meine ich den Zustand des Denkens) und zweitens ein Gedanke, daß p ist, stets phänomenale Eigenschaften sein müssen.

    Martina Fürst. Date: XML TEI markup by WAB (Rune J. Falch, Heinz W. Krüger, Alois Pichler, Deirdre C.P. Smith) 2011-13. Last change 18.12.2013.
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