Abstract
Im folgenden Beitrag möchte ich mich einem speziellen Problem innerhalb der A-Theorie der Zeit widmen. Quentin Smith verteidigt in Language and Time eine Form der A-Theorie, die er gegen den klassischen Präsentismus in Anschlag bringt. In meinen Augen hat seine Theorie, insbesondere ihre ontologischen Implikationen, zu Verwir¬rungen geführt, welche häufig gegen die A-Theorie der Zeit im Allgemeinen vorgebracht werden. Es soll aufgezeigt werden, dass Smiths Position nicht nur zu einer unnötigen Verkomplizierung der Ontologie führt, sondern dass die A-Theorie der Zeit ohne die von Smith als notwendig erachteten ontologischen Annahmen besser verteidigt werden kann.
Table of contents
- 1. Der Stand der Diskussion
- 2. Smiths Kritik und Gegenthese
- 3. Einwände gegen Smith
- 4. Die reine A-Theorie der Zeit als Alternative
Im folgenden Beitrag möchte ich mich einem speziellen Problem innerhalb der A-Theorie der Zeit widmen. Quentin Smith verteidigt in “Language and Time” eine Form der A-Theorie, die er gegen den klassischen Präsentismus in Anschlag bringt. In meinen Augen hat seine Theorie, insbesondere ihre ontologischen Implikationen, zu Verwirrungen geführt, welche häufig gegen die A-Theorie der Zeit im Allgemeinen vorgebracht werden. Es soll aufgezeigt werden, dass Smiths Position nicht nur zu einer unnötigen Verkomplizierung der Ontologie führt, sondern dass die A-Theorie der Zeit ohne die von Smith als notwendig erachteten ontologischen Annahmen besser verteidigt werden kann.
1. Der Stand der Diskussion
Philosophische Theorien der Zeit werden gewöhnlicher Weise in A- und B-Theorien der Zeit eingeteilt. In A-Theorien wird jeder Zeitpunkt in Hinblick auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bestimmt. Entscheidend für das Verständnis der A-Theorie ist der dynamische Charakter der Zeit. Derselbe Zeitpunkt ist zuerst zukünftig, dann gegenwärtig und schließlich vergangen. Diese Einteilung ist unerlässlich, und zwar nicht nur unter semantischer und epistemologischer, sondern auch unter ontologischer Rücksicht, da sie etwas Wesentliches über die Struktur unserer Wirklichkeit aussagt.
B-Theorien der Zeit werden hingegen relational aufgefasst. Für ein angemessenes Verständnis der Zeit sind die Relationen “früher als”, “später als” und “gleichzeitig mit” ausreichend. Alle Zeitpunkte werden als ontologisch gleichwertig gedeutet und ihre Position auf der Zeitachse lässt sich mithilfe der oben angegebenen Relationen bestimmen. Die B-Theorie vertritt folglich ein statisches Zeitverständnis. Der Gebrauch der Zeiten hat zwar praktischen Wert, ist für ein angemessenes ontologisches Verständnis der Zeit aber vernachlässigbar. Hierfür genügen Beziehungen zwischen Zeitpunkten.
Aus dieser Charakterisierung der A- und B- Theorie der Zeit geht hervor, dass die Zeitpunkte der B-Theorie ontologisch gleichwertig sind. Wie verhält es sich aber mit den Zeitpunkten der A-Theorie?
Für die Beantwortung dieser Frage ist eine weitere Unterscheidung innerhalb der A-Theorie der Zeit notwendig. Einige Vertreter der A-Theorie sehen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als ontologisch gleichwertig an. Sie stimmen hierin mit Vertretern der B-Theorie der Zeit überein. Worin sie sich von der B-Theorie der Zeit unterscheiden, ist, dass für sie die verschiedenen Zeiten ontologisch berücksichtigt werden müssen. Sie können nicht auf “früher als” - oder “später als” - Beziehungen zurückgeführt werden, sondern es müssen intrinsische Eigenschaften angenommen werden, die den einzelnen Zeitpunkten zukommen, nämlich die Eigenschaften des Vergangenseins, des Gegenwärtigseins und des Zukünftigseins:
According to the A-theory of time, there are intrinsic and monadic properties such as pastness, presentness, and futurity, and it is in virtue of having such a property (an ‘A-property’) that things in time are past, present or future. (Parsons 2002, 2)
Andere Verteidiger der A-Theorie der Zeit lehnen diese Position ab. Was es gibt, ist nur die Gegenwart. Vergangenheit und Zukunft können nicht nur nicht in der gleichen Weise als real existierend betrachtet werden wie die Gegenwart, sondern sie existieren überhaupt nicht. Nennen wir diese Position die “reine A-Theorie der Zeit”:
On a pure A-theoretic ontology, then, the only temporal items which exist exist presently. (…) Hence there can be no question of an entity’s trading in futurity for presentness or cashing in presentness for pastness. Rather entities come to be and pass away absolutely, so that the only temporal entities there are are the present ones. (Craig 1997, 28)
Wer folglich Aussagen über die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft macht, muss nicht Eigenschaften wie ”vergangen sein”, “gegenwärtig sein” oder “zukünftig sein” in Bezug auf vergangene, gegenwärtige oder zukünftige Entitäten annehmen. Vertreter dieser A-Theorie der Zeit werden auch als “no-property tensed theorists of time” (Smith 1993, 166) bezeichnet.
2. Smiths Kritik und Gegenthese
Smith ist der ersten Gruppe von A-Theoretikern zuzuordnen, d.h. er argumentiert für die Realität zeitlicher Eigenschaften, die der Einteilung der Zeit in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft entsprechen. Er hält ‚no-property tensed theorists of time’ entgegen, dass ihre Theorie die metaphysische Frage ausklammert, was ontologisch dem Gebrauch der Gegenwart in Aussagen wie “John is running” entspricht. Wenn nach den ontologischen Korrelaten dieser Aussage gefragt wird, so können für ‚John’ und ‚running” entsprechende Entitäten, z.B. ein Ding und ein Ereignis, angegeben werden. Aber was entspricht ontologisch dem Gebrauch der Gegenwart?
Da no-property tensed theorists diese Frage unbeantwortet zu sein lassen, hält Smith die reine A-Theorie der Zeit für unverständlich. Sie kann nicht näher hin erläutern, welchen Teil einer Proposition die Verwendung einer spezifischen Zeit zum Ausdruck bringt, da sie nur sagt, was dem Gebrauch der Zeiten unter ontologischer Rücksicht nicht entspricht − nämlich dass es intrinsischen zeitlichen Eigenschaften nicht gibt. Smith hält dieser Theorie seine eigene Position entgegen. Sätze wie, “Das Ereignis E wird vergangen sein” sollen folgendermaßen analysiert werden:
Zwischen dem Ereignis E und seiner Eigenschaft V, vergangen zu sein, besteht eine Inhärenzbeziehung I1, der die Eigenschaft Z, zukünftig zu sein, zukommt. Der Inhärenzbeziehung I2, die zwischen I1 und Z besteht, kommt die Eigenschaft G zu, da es in der Gegenwart wahr ist, dass die Vergangenheit von E in der Zukunft liegt. Zwischen I2 und G besteht erneut eine Inhärenzbeziehung I3, der G zukommt und so weiter ad infinitum.
Dem unendlichen Regress, der sich zwischen Inhärenzbeziehungen und zeitlichen Eigenschaften auftut, sieht Smith gelassen entgegen. Die zeitliche Eigenschaft ‚gegenwärtig zu sein’ unterscheidet sich von anderen Eigenschaften wie ‚rot sein’ oder ‚groß sein’ darin, dass sie reflexiv ist und als solche auch ihrer eigenen Inhärenzbeziehung inhärieren kann:
This means that presentness not only inheres in E and in its inherence in E but also in its inherence in its inherence in E. This regress continues infinitely but in a benign manner, since at no stage in the regress is there a contradiction. (Smith 1993, 171)
Smith ist bereit, den Preis eines Regresses zu zahlen, da seine Theorie zum einen nicht dem McTaggart’schen Paradox der A- Eigenschaften verfällt und zum anderen die Rede von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auch ontologisch voll und ganz ernst nimmt.
3. Einwände gegen Smith
Eine erste Anfrage an Smith ist, ob er nicht allzu naiv mit unserem alltäglichen Sprachgebrauch und seinen ontologischen Implikationen umgeht. Wer die Unterscheidung zwischen Oberflächen- und Tiefengrammatik ernst nimmt, hütet sich davor, allzu schnell ontologische Schlüsse aus dem Sprachgebrauch zu ziehen. (Seddon 1987, 9-14) Tun wir unserem Sprachgebrauch wirklich unrecht, wenn wir im Allgemeinen geneigt sind, für Adjektive Eigenschaften als ontologische Korrelate anzunehmen, aber es ablehnen, dem sprachlichen Gebrauch der Zeiten das Gleiche zuzugestehen?
In anderen Fällen gehen wir auch so vor, etwa bei Negationen. Wenn ein Gegenstand nicht blau ist, so schreiben wir ihm normalerweise nicht die Eigenschaft ‚nicht blau zu sein’ zu, sondern eine andere Eigenschaft, etwa ‚grün zu sein’. Mit der Aussage, “Dieser Gegenstand ist nicht blau” wollen wir deutlich machen, dass der besagte Gegenstand eine andere Farbe als blau hat, nicht dass ihm die spezifische negative Eigenschaft zukommt ‚nicht blau zu sein’.
Ähnliches gilt für den sprachlichen Gebrauch von Zeiten. Die Aussage “Es war ein großer Auftritt” bedeutet nichts anderes, als dass es einen Auftritt gegeben hat, der jetzt vorbei ist. Es ist nicht der Fall, dass dieser Auftritt immer noch existiert und nur die Eigenschaft ‚gegenwärtig zu sein’ verloren und jene ‚vergangen zu sein’ gewonnen hat.
Smiths These, dass Ereignisse zeitliche Eigenschaften annehmen und wieder verlieren, legt die Auffassung nahe, Ereignisse seien Entitäten, die Träger von zeitlichen Änderungen sein können. Diese Auffassung ist aber mit der problematischen Konsequenz verbunden, dass der Unterschied zwischen Ereignissen und Dingen zu verschwinden scheint. Im Normalfall sagen wir von Gegenständen, dass sie durch die Zeit hindurch als dieselben existieren und verschiedene Eigenschaften besitzen, verlieren bzw. andere annehmen können. Wenn ich zwei Stunden am Mittagstisch sitze, so nehme ich an, dass ich dies als dieselbe Person tue, die am morgen aufgestanden ist und gefrühstückt hat. Es sitzt nicht eine “Zwei-Stunden-Phase” am Mittagstisch, die in irgendeiner Form mit den anderen Phasen des Aufstehens und Frühstückens in einer Kontinuitätsbeziehung steht.
Von Ereignissen sagen wir hingegen aus, dass sie “so und so lange dauern”. Sie haben eine bestimmte zeitliche Ausdehnung, die sich gewöhnlich in einzelne zeitliche Abschnitte gliedern lässt. Die Annahme einzelner Abschnitte eines Ereignisses wird zumeist ohne größere Probleme akzeptiert, da zu verschiedenen Zeitpunkten der Dauer des Ereignisses nicht das Ereignis “als Ganzes” existiert, sondern ein Ausschnitt davon, etwa der Anfang oder die Mitte. Was sich bei Ereignissen ändern kann, sind Eigenschaften relativ zu ihren spezifischen Teilen. Während Ereignisse aus verschiedenen Phasen oder zeitlichen Teilen bestehen und mit ihren Summen identisch sind, würde eine solche Deutung von Gegenständen zu erheblichen Problemen führen, wenigstens für unsere Alltagsauffassung der Wirklichkeit.
Bei Smith scheinen Ereignisse aber als “Ganze” zu existieren, d.h. relativ zu einem bestimmten Zeitpunkt ist nicht nur ein spezifischer Abschnitt des Ereignisses gegenwärtig, sondern das ganze Ereignis, welches als ein und dasselbe zeitliche Eigenschaften annimmt, zuerst (unendlich viele) Grade der Zukünftigkeit, dann Gegenwärtigkeit und dann (unendlich viele) Grade der Vergangenheit.
Dieses Verständnis von Ereignissen kommt einer äternalistischen Auffassung der Existenz von Ereignissen sehr nahe. Die Existenz von Ereignissen ist nicht an bestimmte Zeitpunkte gebunden, denn es existieren ja nicht nur gegenwärtige, sondern auch vergangene und zukünftige Ereignisse. Worin sie sich unterscheiden, sind ihre zeitlichen Eigenschaften. Die Frage, die sich allerdings stellt, ist, wie die Inhärenzbeziehung zwischen den Ereignissen und ihren intrinsischen zeitlichen Eigenschaften zu deuten ist. Wenn ein Ereignis eine zeitliche Eigenschaft annehmen kann, so scheint die Fähigkeit des Ereignisses, diese Eigenschaft annehmen zu können, bereits vorauszusetzen, dass das Ereignis existiert. Aber wie kann dieses Ereignis bereits existieren? Setzt das nicht voraus, dass ihm bereits eine zeitliche Eigenschaft zukommt? Der unendliche Regress erweist sich doch nicht als so harmlos, da auf jeder Ebene das Ereignis, dem eine zeitliche Eigenschaft zugeschrieben wird, bereits vorausgesetzt werden muss.
Ein zusätzliches Problem, das sich aus Smiths Deutung von Inhärenzbeziehung zwischen Ereignissen und ihren zeitlichen Eigenschaften ergibt, ist, dass der Unterschied zwischen konkreten, d.h. in der Zeit existierenden, und abstrakten, d.h. zeitlos existierenden Individuen, wie etwa Zahlen, verschwimmt. Wenn es eine Eigenschaft von 4 ist, das Quadrat von 2 zu sein, so stellt sich die Frage, wie diese Inhärenzbeziehung zwischen ‚4’ und ‚Quadrat von 2’ zu bestimmen ist. Besteht diese Inhärenzbeziehung nicht gerade deshalb, weil ihr stets die Eigenschaft zukommt gegenwärtig zu sein und es somit nie eine Zeit gibt, in der diese Inhärenzbeziehung nicht besteht bzw. noch nicht besteht? Dann würden aber Zahlen gleich konkreten Individuen in der Zeit existieren. Alles was es gibt, würde dann in der Zeit existieren, die Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakten Entitäten müsste umgedeutet werden zur Unterscheidung zwischen Entitäten, die immer gegenwärtig sind und solchen, die nur zu bestimmten Zeitpunkten gegenwärtig sind:
It can never be the case that they [logical and mathematical propositions and states of affairs] passed away or are still to come, but it must always be the case that they are present – which is to say that they are necessarily sempiternal. (Smith 1993, 212)
Aus diesen Einwänden sollte es fraglich geworden sein, ob die von Smith anvisierte A-Theorie der Zeit tatsächlich als Lösungsvorschlag akzeptabel ist. Seine Theorie bringt derart schwerwiegende Probleme mit sich, dass ihr die reine A-Theorie der Zeit vorgezogen werden sollte.
4. Die reine A-Theorie der Zeit als Alternative
Die bisherige Diskussion verdeutlicht, dass die Frage nach der Zeit aufs engste mit der Frage nach dem, was existiert, verbunden ist. Wenn wir gemäß der reinen A-Theorie von einer Entität aussagen, dass sie existiert, so sagen wir von ihr aus, dass sie gegenwärtig ist. Die einzigen Entitäten, die existieren, sind gegenwärtige Entitäten.
Zu behaupten, dass eine zur Zeit existierende Entität durch die Zeit hindurch existiert, bedeutet demnach nichts anderes als dass diese Entität in der Vergangenheit existiert hat und es immer noch tut. Aber ihre Vergangenheit existiert jetzt nicht mehr und so tut es auch noch nicht ihre Zukunft. Das Problem zeitlicher Eigenschaften kann nicht entstehen, da es nicht verschiedene Zeiten gibt, die einer bestimmten Entität zukommen können. Die einzige Zeit, in der etwas existiert, ist die Gegenwart. Unter ontologischer Rücksicht ist diese Auffassung präsentistisch. Dieser Lösungsansatz wurde aufgrund seiner Radikalität kritisiert. Die Auffassung, dass beispielsweise ein Ding nur jene Eigenschaften besitzt, die ihm im Augenblick zukommen, während andere Zeiten (und darin vorkommende Entitäten) “like false stories” (Lewis 1987, 204) sind, ist unseren Alltagsauffassungen scharf entgegengesetzt.
Es ist allerdings fraglich, ob wir eine präsentistische Ontologie so verstehen müssen. Entitäten anderer Zeiten sind nicht “wie falsche Geschichten”, sie existieren nur nicht mehr oder noch nicht. Wenn wir sagen, dass eine Entität eine bestimmte Eigenschaft in der Vergangenheit gehabt hat oder in der Zukunft haben wird, so spezifizieren wir durch die Angabe der Zeit die Exemplifizierung dieser Eigenschaft. Es wird nicht die Existenz dieser spezifischen Eigenschaft per se in Frage gestellt; was (zeitlich) relativiert wird, ist der Sachverhalt, dass diese bestimmte Eigenschaft bestimmten Dingen zukommt.
Eine präsentistische Ontologie leugnet folglich nicht, dass wir sinnvoll über Vergangenheit und Zukunft sprechen können. Sie leugnet nur ihre Existenz relativ zur Gegenwart. Wir können uns nichtsdestotrotz auf Entitäten in der Vergangenheit beziehen und sie können weiterhin eine wichtige Rolle in unserem Leben spielen. Dafür ist es aber nicht notwendig anzunehmen, dass diese Entitäten auch jetzt noch existieren; es genügt, dass sie existiert haben. Dasselbe gilt für zukünftige Entitäten. Es ist wichtig zwischen Ontologie einerseits und dem sprachlichen Bezug andererseits zu unterscheiden. Wir können uns sprachlich auf verschiedenste Dinge beziehen; diese Möglichkeit des sprachlichen Bezugs impliziert aber nicht automatisch die ontologische Verpflichtung, dass diese Dinge auch existieren müssen.
Diese Auffassung beinhaltet nicht ontologische Beliebigkeit bezüglich Vergangenheit und Zukunft. Sie besagt nicht, dass die Existenz von Dinosauriern ebenso wenig wie die Existenz von Einhörnern ein Faktum ist, nur weil die Existenz der Vergangenheit geleugnet wird. (Tooley 1997, 233)
Sie leugnet nicht, dass die Vergangenheit einst existiert hat, es wird nur bestritten, dass sie immer noch in irgendeiner Form weiterexistiert. Dass Dinosaurier existiert haben, zeigt uns die Paläontologie dank zahlreicher Belege, während für die Existenz von Einhörnern solche Belege fehlen. Was allerdings Faktum ist, ist, dass jetzt weder Dinosaurier noch Einhörner existieren.
In diesem Zusammenhang kann auch der Vorwurf zurückgewiesen werden, eine präsentistische Ontologie könne keine Kausalbeziehungen (wenigstens nicht gemäß unserer Alltagsauffassung) rekonstruieren, da die Ursachen, auf die Bezug genommen wird, gewöhnlich in der Vergangenheit liegen und daher nicht existieren. Erneut ist darauf hinzuweisen, dass die Existenz dieser Ursache nicht grundsätzlich geleugnet wird; es wird nur bestritten, dass diese Ursache immer noch existieren muss, um für eine Kausalerklärung herangezogen werden zu können. Die Folgen des Ausbruchs des Vesuvs sehen wir noch heute, aber das Ereignis des Ausbruchs ist längst vorbei. Entscheidend für das Verständnis des Kausalzusammenhangs sind die einzelnen Vorgänge, die kausal aufeinander wirken. Dies setzt die Existenz der Vorgänge voraus, allerdings nicht in einer unspezifizierten Weise. Die einzelnen Vorgänge existierten relativ zu einer bestimmten Zeit. Ihre Existenz wird nicht negiert, sondern zeitlich relativiert. Für ein angemessenes Verständnis kausaler Vorgänge genügt dies vollends. Es ist nicht nötig anzunehmen, dass diese Vorgänge auch jetzt noch als vergangene existieren.
Ausgangspunkt der Fragestellung war Smiths Vorwurf an die reine A-Theorie der Zeit, dass sie unfähig ist, die Frage zu beantworten, was ontologisch dem sprachlichen Gebrauch der Zeiten entspricht. Vielleicht ist die sinnvollste Antwort auf diese Frage, dass sie falsch gestellt ist, da es keine Antwort auf sie gibt. Was wir sagen können, ist, dass der Zukunft und der Vergangenheit nichts in der Ontologie entspricht, da Zukünftiges und Vergangenes nicht existieren. Nur Gegenwärtiges ist ontologisch relevant.
Smiths Kritik, dass eine solche Antwort unzureichend oder gar unverständlich ist, kann entgegen gehalten werden, dass seine eigene Position mit einer Reihe schwerwiegender Probleme einhergeht. Im Gegensatz zu den ontologischen Implikationen von Smiths A-Theorie der Zeit ist die präsentistische Ontologie schlank und weist eine größere Nähe zum Alltagsverständnis der Wirklichkeit auf. Jemand, der die A-Theorie der Zeit zu verteidigen versucht, ist daher gut beraten, sich der reinen A-Theorie der Zeit zuzuwenden und A-Theorien vom Schlage Smiths zurückzuweisen.
Literatur
- Craig, William Lane 1997 ”Is presentness a property?”, American Philosophical Quarterly 34, 27-40.
- Lewis, David 1987 On the Plurality of Worlds. Oxford: Blackwell.
- Parsons, Josh 2002 ”A-theory for B-theorists”, The Philosophical Quarterly 52, 1-20.
- Seddon, Keith 1987 Time. A philosophical treatment, London u.a.: Croom Helm.
- Smith Quentin 1993 Language and Time, Oxford: Oxford University Press.
- Tooley Michael 1997 Time, Tense & Causation. Oxford: Clarendon Press.
Refbacks
- There are currently no refbacks.