„Die Einheit hören“ – Einige Überlegungen zu Ludwig Wittgenstein und Anton Bruckner
„Die Einheit hören“ – Einige Überlegungen zu Ludwig Wittgenstein und Anton Bruckner

Abstract

Anton Bruckner ist ein Komponist, der von Wittgenstein in vielfältigen Zusammenhängen erwähnt wird. Dessen Musik scheint aber nicht nur seine eigene musikalische Erlebnisfähigkeit angeregt zu haben, sondern möglicherweise auch sein Denken. Ein auffälliges Merkmal von Bruckners Musik ist das Streben nach Einheit, nach der intensiven Verklammerung der einzelnen Elemente eines symphonischen Gebildes. Sind es derartige strukturelle Erscheinungen, welche auf Wittgenstein besonders anregend gewirkt haben? Es stellt sich die Frage, ob durch die Inbeziehungsetzung formaler Lösungen bei Bruckner und wittgenstein’scher Überlegungen gleichermaßen Einsichten gewonnen werden können in eine bestimmte Art philosophischen und musikalischen Denkens und ob Musik und Philosophie somit einander Dienste leisten können – durchaus im Sinne befruchtender Interdisziplinarität.

Table of contents

    Ludwig van Beethoven läßt im Finale seiner IX. Symphonie nach einem einleitenden dramatischen, fanfarenartigen Motiv die Themen der drei vorhergegangenen Sätze nochmals anklingen.

    Ähnliches scheint auch in den drei großen Messen und in den Symphonien Anton Bruckners zu geschehen, wenn dort – meist gegen Ende des jeweiligen Finalsatzes – Material aus anderen Teilen des Gesamtwerkes nochmals in ein abschließendes Geschehen einbezogen wird. Vielfach wurde in der Musikgeschichtsschreibung daher festgestellt, Bruckners Verfahren beruhe auf jenem Beethovens und habe dort sein historisches, von Bruckner selbst als solches anerkanntes und daher nachgeahmtes Vorbild.

    Eine solche Betrachtung lässt zwei Fragen außer acht: erstens, ob es per se das Gleiche ist, wenn zwei das Selbe tun – und zweitens, ob hier tatsächlich zwei das Selbe tun und daher Gleiches oder gar Selbes passiert.

    Ludwig Wittgenstein scheint dies offenbar anders zu hören. „Die Brucknersche Neunte ist gleichsam ein Protest gegen die Beethovensche.“ (Wittgenstein 8/1989, S 497). In der Tat kann die Aussage des Philosophen als höchst angemessen bezeichnet werden. Eine auf Beethoven bezogene Interpretation des strukturellen Phänomens der Wiederkehr von Material aus den vorangehenden Sätzen im Finale bei Bruckner lässt nämlich das außer acht, was die beiden Komponisten genau hier – nämlich im Geschehen eines nochmaligen finalen Rekurses auf thematisches Material aus vorhergehenden Sätzen eines mehrteiligen Gesamtwerkes – geradezu fundamental unterscheidet: nachdem Beethoven die Themen der ersten drei Sätze hat Revue passieren lassen, leitet der Baßsolist mit dem Rezitativ „O Freunde nicht diese Töne. Sondern lasst uns andere anstimmen“ zur Intonation der nun tatsächlich ganz neuen, ganz anderen Melodie auf die Worte „Freude schöner Götterfunken“ über. Allein schon durch das nunmehrige Einführen menschlicher Stimmen vollzieht sich hier eine intensive Abwendung vom bisher nur instrumental geprägten Klanggeschehen. Alles was vorher war sollen die Zuhörenden, so lässt es uns der Komponist vernehmen, in radikalster Weise und ein für alle Mal hinter sich lassen.

    Anders ist dies bei Bruckner, der schon in seiner ersten großen Messe d-moll von 1864 in das den Gesamtzyklus abschließende „dona nobis pacem“ das melodische Material des „Credo“-Schlusses, dort mit den Worten „et vitam venturi saeculi“ unterlegt, nochmals und tatsächlich abschließend-sinnfällig hineinklingen lässt. Solcherart wird auf etwas Vorausgehendes nicht nur zurückgegriffen, es wird dieses Vorausgehende durch dessen Wiederaufnahme vielmehr bestätigt, sodass dieses kompositorische Vorgehen also eine „Restitutio in integrum“ darstellt. Auch in seinen Symphonien gelangt Bruckner auf unterschiedlichen gestalterischen Wegen dazu, gegen Ende des Gesamtwerkes auf dessen Anfang zu rekursieren. Die Symphonien 2 – 8 bieten dafür jeweils ganz individuelle und exemplarische Lösungen. Für die von Wittgenstein angesprochene „IX.“ hat Bruckner wiederum ganz andersgeartete Möglichkeiten zur Zusammenführung des Gesamtmaterials gesucht. Diese sind jedoch nur aus Skizzen überliefert, weil der Tod des Komponisten diesem eine Verwirklichung nicht mehr gestattete.

    Aber der von Wittgenstein gehörte „Protest“ Bruckners gegen Beethovens „IX.“ kann ja bereits aus anderen Werken als der letzten Symphonie dieses Meisters herausgehört werden, etwa auch aus dessen „VII.“, zu welcher sich der Philosoph in einem Brief an seine Schwester Helene vom 30.3.1946 äußert: „Gestern spielten mir zwei bekannte die 7te von Bruckner vor (vierhändig). Sie spielten schlecht, aber nicht ohne Verständnis. Ich hatte die Symphonie seit Jahren nicht gehört und hatte wieder einen großen Eindruck.“ (Wittgenstein 1996, S 187).

    Im Finale dieser Symphonie leitet Bruckner kunstvoll die originären Motive dieses Satzes so, dass durch die Struktur eine Rekapitulation des Eröffnungsthemas des ersten Satzes geradezu evoziert wird und das Geschehen des Finales letztlich in diese Rekapitulation einmündet, sodass das Werk in seiner Gesamtheit im Erklingen seines Anfanges zum Schluss kommt. Das, was vor dem Finale war, wird in diesem Falle also nicht verworfen, um „andere Töne“ anstimmen zu können, was offenbar durch das zuvor Gehörte notwendig geworden ist, wie bei Beethoven, sondern es wird dieser Anfang vielmehr in seiner Rückkehr ins Gesamtgefüge bestätigt.

    Also: Nichts von „nicht diese Töne“, sondern ganz im Gegenteil - im Sinne des Ganzen zurück zu diesen Tönen. Damit kann demnach auch die 7. Symphonie Bruckners im wittgenstein’schen Sinne als ein Protest dieses Komponisten gegen Beethoven aufgefasst werden, und mit ihr die vorangegangenen symphonischen Werke und die drei großen Messen.

    Wittgenstein verweist durch seine Aussage auf eine deutliche Unterschiedlichkeit der Absichten bei einem scheinbar gleichen strukturellen Verfahren – der Hereinnahme von Material aus vorhergehenden Sätzen in den Finalsatz und er macht damit jeweils gänzlich anders geartete Gesamtkonzeptionen offenbar. Diese unterschiedlichen Gesamtkonzeptionen verlangen aber auch ein anderes Hören und Bedenken der Zusammenhänge innerhalb dieser Symphonien. Beethoven fordert nachgerade dazu auf, alles, was der Freudenhymne vorausgeht, nicht mehr aufkommen zu lassen, auch wenn es sich – wie aus dem nochmaligen Zitieren vernehmbar – aufdrängen wollte. Die anderen, letztendlich der menschlichen Stimme anvertrauten Töne, schließen alles Vorhergegangene mit aller Entschiedenheit aus. Darin liegt auch die Radikalität dieses Werkes, dass es hier zuletzt einem eigenen großen Teil von sich selbst widerspricht. Und Beethoven will ja offenbar auch, dass der letztendlich gültige Teil anders gehört wird, als alles, was ihm bevorgeht, indem er nämlich das klangliche Geschehen durch die Einführung menschlicher Stimmen völlig verändert. Das Neue, am Schlusse sich selbst Bestätigende, will, ja muss auch anders gehört werden als alles, was da vorher kommt.

    Bruckners Symphonien verlangen aber ein anderes Hören: nämlich ein solches in Gesamtheiten, die akustisch einen ganzen Organismus darstellen.

    „Ich könnte von einem Bild von Picasso sagen, ich sehe es nicht als Menschen. Das ist doch ähnlich dem: ich war lange nicht Imstande dies als Einheit zu hören, jetzt aber höre ich’s so. Früher schien es mir wie lauter kurze Stücke, die immer wieder abreißen, — jetzt hör ich’s als Organismus. (Bruckner).“ (Wittgenstein 7/1989, § 677,
    S 436).

    In der Tat: jetzt ist etwas als Gesamtheit eines großen Organismus zu hören, dann nämlich, wenn Bruckner das Material eines Schlußssatzes kunstvoll so strukturiert, dass darauf die Wiederhinwendung zum Anfang erfolgen kann. Wie wird aber dieser in das Ende den Anfang einbeziehende Letztzustand des Werkes erreicht? Kann vielleicht davon gesprochen werden, dass der Rekurs auf den Anfang als Zusammenfassung verstanden werden soll, als Zusammenfassung nämlich von strukturellen Einzelerscheinungen, die als jeweils unterscheidbarer symphonischer Satz innerhalb des Gesamtzyklus, respective als einzelne melodisch-thematische Gebilde innerhalb eines solchen Satzes hörend wahrgenommen werden können? Durchaus verständnisfördernd ist hier folgende Bemerkung Wittgensteins: „Von einer Brucknerschen Symphonie kann man sagen, sie habe zwei Anfänge: den Anfang des ersten & den Anfang des zweiten Gedankens. Diese beiden Gedanken verhalten sich nicht wie Blutsverwandte zu einander, sondern wie Mann & Weib.“ (Wittgenstein 2000, S 110).

    Es ist tatsächlich so, dass Bruckner die Expositionen seiner Themen als einzelne Ereignisse gestaltet. In den frühen Symphonien trennt er sie abrupt durch Pausen, später scheidet er sie durch deutlich als solche hörbare und auf etwas nun folgendes Anderes verweisende Übergänge. Das heißt, dass zuerst einmal musikalische Einzeltatsachen, nämlich individuelle thematisch-melodische Gebilde zur Darstellung kommen. Diese kommen als solche Einzelgebilde scheinbar vorerst so zu ihrer ersten Darstellung, als würde tatsächlich mit ihnen das Werk erst beginnen. Durch Wittgensteins Aussage kann man auf eigentümliche Art auf einen fundamentalen Unterschied zwischen der Exposition thematischen Materials bei Bruckner und in den Symphonien eines wiener Klassikers wie etwa Joseph Haydn hingewiesen werden. Bei Letzterem entwickelt sich die Darstellung eines Themas nämlich gewissermaßen auf ein zweites, zu jenem im Kontrast stehendes Thema hin. Diesen Prinzipien der Einführung des Materials folgen im Wesentlichen auch Mozart und Beethoven.

    Was hat es nun mit der von Wittgenstein konstatierten, zum Charakter der Beziehungen des angewandten thematischen Materials bei den wiener Klassikern im Gegensatz stehenden „Nicht-Blutsverwandtschaft“ bruckner’scher Themen auf sich? Auch hier hilft ein Rekurs auf Haydn: bei ihm ist es oft der Fall, dass ein in der Haupttonart des Werkes exponiertes Thema sich so entwickelt, dass in der Folge – und zwar tonal kontrastreich auf der Dominante – dasselbe Thema nochmals erscheint. Tonale Unterscheidung und melodische Gleichheit fallen bei solchen Gegebenheiten sinnfällig zusammen.

    Dergleichen gibt es bei Bruckner nicht. Im Gegenteil: der Komponist wendet die höchste Kunst an, um seine thematischen Gebilde in erkennbar unterschiedener Weise erscheinen zu lassen, etwa auch durch die Wahl der klanglichen und satztechnischen Mittel.

    Es lassen sich aber darüberhinaus grundsätzliche melodische Übereinstimmungen zwischen den exponierten Themen feststellen. Dies trübt die Unterscheidbarkeit dank der angewandten Unterscheidungsmittel keineswegs, lässt aber für aufmerksam Zuhörende eine besondere Art von Zusammengehörigkeit evident werden. Diese Tatsache und die Art und Weise, wie der Komponist im Laufe des symphonischen Geschehens die Themen bis hin zur Gleichzeitigkeit ihres Auftretens – wie etwa am Schluss der f-moll Messe oder der 8. Symphonie – zusammenführt, all dies lässt den plastischen wittgenstein’schen Vergleich von „Mann & Weib“ als gerechtfertigt erscheinen. Einzelindividuen, die zuerst auch einzeln erscheinen, werden im Laufe von Geschehen gleichsam wie in einer ehelichen Gemeinschaft so zusammengeführt, dass sie als Gesamtheit angesprochen werden können, ohne dabei ihre erkennbare – soll also im konkreten Falle heißen: hörbare – Individualität am Ende verloren zu haben. Denn gerade auf der Bewahrung der Individualitäten und deren Erkennbarkeit beruht ja Bruckners Kunst der Zusammenführung seiner musikalischen Strukturgebilde. Die „Gesamttatsache“ Messe oder Symphonie verweist daher speziell in ihrer durch den Rekurs auf den Anfang erreichten Zusammengefasstheit nachhaltig und endgültig auf die am Ende zusammengefassten „Einzeltatsachen“ der zuerst unabhängig exponierten thematischen Gebilde. Diese „Gesamttatsache“ ist ja nur hörbar durch die Wahrnehmung der „Einzeltatsachen“, durch welche sie zu dieser endgültigen „Gesamttatsache“ wird. Es ist dann doch so, dass nicht nur Wittgenstein im Laufe einer langen bruckner’schen Symphonie „lange nicht Imstande ist, dies als Einheit zu hören, jetzt aber“. Erst da, wo Bruckner es unternimmt, die Einzelelemente durch deren, aufgrund von Rekursen auf Zuvorgehendes erreichtes, gleichzeitiges Auftreten in einer Gemeinsamkeit erscheinen zu lassen „höre ich es so. Früher schien es mir wie lauter kurze Stücke, die immer wieder abreißen, - jetzt hör ich’s als Organismus.“

    Es kann ein höchstrangiges Erlebnis sein, hörend an einem solcherart zustandekommenden Ereignis der Werdung einer symphonischen Gesamttatsache teilzunehmen. Dergleichen ist nämlich keineswegs das von Haus aus zu Erwartende. Bruckner lässt sich mit seinen Lösungen Zeit und stellt im Laufe des Geschehens mehrere Möglichkeiten solcher Lösungen zur Diskussion, indem er zuerst die Verschiedenartigkeit der einzelnen Elemente in den Vordergrund stellt. Aber er kommt damit absichtsvoll nicht ans Ende.

    „Ich glaube, das gute Österreichische ist besonders schwer zu verstehen. Es ist in gewissem Sinne subtiler, und seine Wahrheit ist nie auf Seiten der Wahrscheinlichkeit.“ (Wittgenstein 8/1989, S 454). Das „gute Österreichische“ wird in dieser Aussage Wittgensteins u.a. durch Grillparzer und Bruckner repraesentiert.

    Dass die Wahrheit hier nie auf Seiten der Wahrscheinlichkeit ist – dies mag auch noch durch etwas deutlich werden, worauf Wittgenstein im Zusammenhang mit dem Streichquartett d-moll von Franz Schubert aufmerksam macht, in dessen zweitem Satz der Komponist sein eigenes Lied „Der Tod und das Mädchen“ variiert. „Die letzten beiden Takte des ‚Tod und Mädchen’ Themas“, so Wittgenstein, „das ~; man kann zuerst verstehen, daß diese Figur konventionell, gewöhnlich ist, bis man ihren tieferen Ausdruck versteht. D.h., bis man versteht, daß hier das Gewöhnliche sinnerfüllt ist.“ (Wittgenstein 8/1989, S 523). Scheinbar Konventionelles gibt es auch im melodischen Material Bruckners, zumal im Hinblick auf die Typologie der Themen in den Messen, welche vielfach auf in der katholischen Kirchenmusik traditionsreichen Topoi beruhen. Auch hier liegt die Wahrheit nicht in der leicht annehmbaren Wahrscheinlichkeit, dass es sich aufgrund der scheinbaren Konventionalität der thematischen Gebilde um ein im Ganzen konventionelles Werk handelt, sondern in der Wahrheit der Sinnerfüllung.

    Es sagt diese Überlegung zur „Sinnerfüllung“ auch etwas aus über Wittgensteins Verständnis von Musik. Dieses ist mit nichten „konservativ“. Die Erkenntnis einer solchen Sinnerfüllung des Gewöhnlichen innerhalb eines bedeutenden Kunstwerkes und die Bemerkungen des Philosophen zu Bruckner lassen darauf schließen, dass es ihm nicht um etwas geht, auf das der Begriff „modern“ ad hoc anwendbar zu sein scheint, sondern um das aus sich selbst bedeutsame und etwas bedeutende Werk, das dann eben gerade auf Grund einer solchen Bedeutsamkeit „aktuell“, weil bedenkbar ist.

    Auch Bruckners Musik beruht auf einer solchen Art der Aktualität, wiewohl in ihr mit recht Bezüge gehört werden können zur frühen europäischen Mehrstimmigkeit des Mittelalters gleichermaßen wie zu den Messen des Josquin des Prés, dessen Werk, geschaffen am Ende eben jener so gerne mit negativen Epitheta ornantia belegten Epoche, einen der grandiosen Höhepunkte abendländischer Musik darstellt.

    Was Wittgenstein über Bruckner zu sagen hat, das kann darauf aufmerksam machen, dass seine philosophischen Überlegungen bei der gedanklichen Erschließung des bruckner’schen Werkes äußerst hilfreich sein können, ja, für das Verständnis vieler musikalischer Gegebenheiten überhaupt. Sachverhalte wie das nochmalige Aufgreifen thematischen Materiales aus den vorangegangenen Sätzen im Finale einer Symphonie erscheinen im Hinblick auf Beethoven und Bruckner unter Einbeziehung der wittgenstein’schen Überlegungen nicht mehr als Abhängigkeit des jüngeren vom älteren Komponisten, weil durch solche Überlegungen eine vermeintliche kultrugeschichtliche Kausalität, aufgrund derer es sich um den selben Sachverhalt handelt, verneint wird. Ein solcher Blick auf die jeweilige Einzeltatsache ist so geartet, dass er die Tatsachen gemeinsam vergleichend erfasst und nicht aufgrund eines historischen Hintereinander.

    In Hinsicht auf das Denken über die oder mit Hilfe von Musik sollte Wittgenstein durchaus der Rang zugestanden werden, welchen diesbezüglich etwa Aurelius Augustinus, Johannes Scotus Eriugena, Mechthild von Magdeburg oder Nicolaus Cusanus zu Recht einnehmen. Durch diese Namen, denen jener Wittgensteins also begründetermaßen hinzugefügt werden darf, soll aber auch darauf aufmerksam gemacht werden, dass sowohl der Musik als ganzer als auch einem bestimmten musikalischen Kunstwerk die Qualität eines philosophischen Erkenntnismittels zukommt. Gewissermaßen ganz von Seiten der Musik hat darauf der hochbedeutende österreichische Komponist und Theoretiker Johann Joseph Fux (1660-1741) in seinem lateinisch geschriebenen Lehrwerk „Gradus ad Parnassum“, erschienen in Wien 1725, aufmerksam gemacht. Den zweiten Teil seines Buches gestaltet der Autor als philosophischen Dialog nach platonischem Vorbild, „utque veritas magis elucesceret“. Anhand dieses Buches, welches der Autor dem Anspruch verpflichtet, dass aus ihm und aufgrund seiner strukturellen Gestaltung die Wahrheit besser hervorleuchte, hat sich Joseph Haydn die theoretischen Grundlagen des Komponierens erworben. Und gemäß den von Fux formulierten Grundsätzen lernte auch ein blutjunger Schulgehilfe in einem kleinen Bauerndorf an der Nordgrenze Österreichs die Grundsätze der allem künstlerischen musikalischen Schaffen mit Notwendigkeit zugrundeliegenden Theorie - sein Name war Anton Bruckner. Und dieser war später auch als Universitätslehrer bestrebt, die Musik als philosophische Wissenschaft zu vermitteln.

    Literatur

    1. Wittgenstein, Ludwig 7/1989: Letzte Schriften über die Philosophie der Psychologie. In: Werkausgabe Band 7. 4. Auflage. Frankfurt/M Suhrkamp.
    2. Wittgenstein, Ludwig 8/1989: Vermischte Bemerkungen. In: Werkausgabe Band 8. 3. Auflage. Frankfurt/M Suhrkamp.
    3. Wittgenstein, Ludwig 1996: Familienbtriefe. Herausgegeben von Brian McGuinness, Maria Concetta Ascher, Otto Pfersmann. Wien, Hölder-Pichler-Tempsky.
    4. Wittgenstein, Ludwig 2000: Denkbewegungen. Tagebücher 1930 – 1932, 1936 – 1937. Herausgegeben und kommentiert von Ilse Somavilla. 2. Auflage. Frankfurt/M. Fischer Taschenbuch-Verlag.
    Johannes Leopold Mayer. Date: XML TEI markup by WAB (Rune J. Falch, Heinz W. Krüger, Alois Pichler, Deirdre C.P. Smith) 2011-13. Last change 18.12.2013.
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