Eine Überprüfung von Norman Malcolms Bemerkungen über die Verwundbarkeit unserer objektiven Gewissheiten
Eine Überprüfung von Norman Malcolms Bemerkungen über die Verwundbarkeit unserer objektiven Gewissheiten

Abstract

Gemäß Norman Malcolm war Ludwig Wittgenstein der Meinung, dass drei Folgen aus unerhörten Ereignissen möglich waren. Erstens könnten die Grundlage alles Urteilens von einem bestimmten Subjekt entzogen werden; zweitens könnte Gewissheit durch Zweifel ersetzt werden; und drittens könnte sich das Subjekt dafür entscheiden, seinen alten Gewissheiten beizubehalten. Richard Scheer kritisierte die zwei letzten Möglichkeiten. Troztdem begründete Malcolm seine Meinung nicht; stattdessen beschränkte er sich, einige Texte Wittgensteins zu zitieren. In diesem Beitrag versuche ich also Malcolms Meinung gegen Scheers Kritiken zu begründen.

Table of contents

    Während der letzten achtzehn Monaten seines Lebens schrieb Wittgenstein eine Reihe Aufzeichnungen, die später unter dem Titel Über Gewissheit veröffentlicht wurden. In diesem Werk untersucht Wittgenstein was ihn an einer objektiven Gewissheit zweifeln lassen könnte. Um Licht auf diese Frage zu werfen, beschreibt Wittgenstein eine Reihe von Ereignissen, die uns ganz aus dem Gleis werfen könnten. Es handelt sich um Ereignisse, die uns das Sicherste unanehmbar machen würde, d.h.: die bewirkten, dass wir unsere fundamentalsten Urteile umstießen (ÜG §517). Einige Beispiele dieser Evidenz sind: dass das Vieh auf der Wiese auf dem Kopf stünde, lachte und verständliche Worte redete; dass Bäume sich nach und nach in Menschen und Menschen in Bäume verwandelten, usw. (ÜG §513). Malcolm (1986, 216-218) behauptete, dass Wittgenstein drei verschiedene Möglichkeiten als Folge dieser Art Ereignisse betrachtete. Die erste Möglichkeit ist, dass das Ereignis verursacht, dass unser Bezugssystem zum Erliegen gebracht wird. Um diese Behauptung zu begründen, beschränkt Malcolm sich, vier Abschnitte von Über Gewissheit zu zitieren, wo Wittgenstein ausdrücklich darauf hinweist, dass er keines Urteils sicher sein könnte, wenn ein Zweifel sich über eine Gewissheit erhöbe (vgl. ÜG §§490, 613-614). Dann könnte er sich darauf nicht verlassen, was unter „wahr“ und „falsch“ zu verstehen ist (ÜG §515). Die zweite Möglichkeit ist, dass Gewissheit durch Zweifel ersetzt wird. Auch diese Möglichkeit begründet Malcolm nicht. Tatsächlich zitiert er nicht einmal einen Abschnitt von Über Gewissheit. Deswegen könnte man sogar sagen, dass Malcolms Behauptung, dass Gewissheit durch Zweifel ersetzt werden kann, dogmatisch erscheint. Die dritte und letzte Möglichkeit ist, dass man sich an den alten Gewissheiten festhält. Wenn jemand an seinem eigenen Namen zweifeln würde, „so gäbe es gewiß auch etwas, was die Gründe solcher Zweifel selbst zweifelhaft erscheinen ließe“. Deshalb könnte er sich dafür entscheiden, seinen alten Glauben beizubehalten (ÜG §516). Wenn jemand sagt, dass er keine Erfahrung als Beweis gegen seine Gewissheiten anerkennen wird, handelt es sich um eine Entscheidung (vgl. ÜG §§368, 362). Kurzum: wenn man fragt ¨„Wie, wenn du auch in diesen fundamentalsten Dingen deine Meinung ändern müßtest?“, sollte die Antwort sein „Du mußt sie nicht ändern. Gerade darin liegt es, daß sie ›fundamental‹ sind“ (ÜG §512).

    Trotzdem denkt Richard Scheer (1990, 154-164) nicht, dass Wittgenstein die drei obergenannten Möglichkeiten als Folge unerhörter Ereignisse betrachtete. Seiner Meinung nach war Wahnsinn – d.h., die Entziehung der Grundlage alles Urteilens – die einzige Möglichkeit, die Wittgenstein ernst nahm. Bezüglich der Ersetzung der Gewissheit durch Zweifel, behauptet Scheer, dass man wahnsinnig geworden ist, wenn man daran zweifelt, was immer als gewiss behandelt wurde. Im Hinblick auf die Entscheidung, jede Erfahrung als Beweis gegen die eigenen Gewissheiten abzulehnen, erwähnt Scheer, dass diese Entscheidung nicht getroffen werden kann. Denn das wäre kein echter Verzicht, sondern ein Teil des Sprachspiels. Jetzt werde ich zeigen, wie Malcolms Bemerkungen gegen Scheers Kritiken begründet werden können.

    Erstens liegt es auf der Hand, dass Wittgenstein den Wahnsinn als eine mögliche Folge aus unerhörten Ereignissen betrachtete. Tatsächlich nimmt Scheer auch diese Möglichkeit an. Trotzdem möchte ich etwas über diesen eigenartigen Wahnsinn hinzufügen. Wenn Wittgenstein „Wenn das falsch ist, dann bin ich verrückt“ bezüglich der Möglichkeit, sich in seinem eigenen Namen zu irren, sagt (ÜG §572), ist es offensichtlich, dass er sich auf den Wahnsinn nicht im klinischen, sondern im grammatischen Sinne bezieht. Der Wahnsinn, der einen Verstoß gegen unsere Sprachspiele darstellt, ist von großer philosophischer Bedeutung, weil er die Auswirkung, die die Überschreitung einer Gewissheit auf unser Bezugssystem zur Folge hat, zeigt. Denn dieses System besteht aus Folgen und Prämissen, die sich gegenseitig stützen (ÜG §142). Mit anderen Worten: Was in diesem System feststeht „tut dies nicht, weil es an sich offenbar oder einleuchtend ist, sondern es wird von dem, was darum herumliegt, festgehalten“ (ÜG §144).

    Zweitens ist es wahr, dass Gewissheit durch Zweifel ersetzt werden kann. Meines Erachtens kann diese Ersetzung aber nur in bestimmten Fällen stattfinden. Um diesen Kommentar zu erklären, möchte ich den folgenden Abschnitt von Über Gewissheit zitieren:

    Wenn das Wasser aus der Flamme gefriert, werde ich freilich im höchsten Maße erstaunt sein, aber einen mir noch unbekannten Einfluß annehmen und etwa Physikern die Sache zur Beurteilung überlassen. – Was aber könnte mich daran zweifeln machen, daß dieser Mensch N. N. ist, den ich seit Jahren kenne? Hier schiene ein Zweifel alles nach sich zu ziehen und in ein Chaos zu stürzen. (ÜG §613)

    Hier werden zwei Arten von Fällen unterschieden. Einerseits nimmt Wittgenstein die Möglichkeit an, eine Gewissheit in Zweifel zu ziehen. Wenn das Wasser aus der Flamme gefroren wird, könnten die Physiker eine unbekannte Ursache entdecken, die eine solche Neuigkeit erklärt. Tatsächlich könnte es sein, dass diese Neuigkeit früher oder später in unserem Bezugssystem integriert wurde. Obwohl diese Veränderung einige Anpassungen in unserem System verursachen würde, könnte sie auf ähnliche Weise assimiliert werden, wie es in der Vergangenheit assimiliert wurde, dass die Erde nicht flach, sondern rund ist. Andererseits nimmt Wittgenstein aber die Möglichkeit zu zweifeln nicht an, einen Bekannten, den man seit langem kennt, zu erkennen. Wenn man daran zweifelt, würde das Bezugssystem zum Erliegen kommen. Was Wittgenstein eigentlich meint, ist, dass er auf keinen Fall an der Identität dieses Bekanntes zweifeln könnte. Trotzdem glaube ich, dass Wittgenstein spezifizieren sollte, dass er sich auf normale Umstände bezog. Denn ein besonderer Umstand – wie schlechte Sichtverhältnisse – könnte zu einem Zweifel daran führen, dass diese Person N. N. ist. Deswegen wäre es besser, in diesem Fall entweder diese Bemerkung zu machen, oder ein anderes Beispiel – wie den Satz „Ich bin ein Mensch“ – zu wählen. Welche Gründe oder Argumente könnte mir denn bieten, wer mich davon überzeugen möchte, dass ich ein Käfer geworden bin? Die Möglichkeit, dass ich zu einem Käfer mutierte, gehört in den Bereich der Fiktion – z.B.: in Romanen wie Kafkas Die Verwandlung– angenommen werden. Eine solche Möglichkeit kann aber in unserem Bezugssystem nicht integriert werden. Nehme ich an, dass ich von einem Argument überzeugt wurde, das sagte, dass ich ein Käfer bin, wäre das kein Beweis der Gültigkeit des Argumentes. Stattdessen wäre es ein Beweis, dass ich von einer Reihe von Gründen verführt wurde, die trotz seines Anscheins keineswegs als echte Gründe betrachtet werden könnten: denn sie hätten keinen Platz in unseren Sprachspielen. Die Wissenschaftler könnten mir Gründe bieten, zu zweifeln, ob das Wasser aus der Flamme brodeln wird. Obwohl diese Gründe wegen meiner geringen Kenntnisse der Physik nicht einmal klar für mich wären, könnte ich mich auf die Autorität der Wissenschaftler verlassen. Aber die Wissenschaftler könnten mir keinen Grund bieten, zu zweifeln, dass ich ein Mensch bin. Es ist nicht von Bedeutung, wie wichtig die technologische Entwicklung sei: Zu zweifeln, ob ich ein Mensch bin, hat keinen Sinn. Dann hat Malcolm Recht: Gewissheit kann durch Zweifel ersetzt werden. Aber dies ist nicht wahr für alle Fälle. Wenn man betrachtet, ob man ein Käfer werden kann, ist es offensichtlich, dass es Fälle gibt, in denen es keinen Sinn macht, an der Gewissheit zu zweifeln.

    Untersuchen wir nun die dritte Möglichkeit. Wirklich können wir uns entscheiden, die Evidenz gegen unsere Gewissheiten abzulehnen. Mit anderen Worten, wir können angesichts eines unerhörten Ereignisses an unseren Gewissheiten festhalten (vgl. ÜG §173). Gemäß Scheer muss aber die Entscheidung, die Evidenz gegen unsere Gewissheiten abzulehnen, als ein Teil des entsprechenden Sprachspiels betrachtet werden. Daraus folgt er, dass es fehl am Platz ist, zu sagen, dass es sich um eine „Entscheidung“ handelt. Analysieren wir dieses Argument. Man kann nur eine Enstcheidung treffen, wenn man zwischen zwei oder mehr Möglichkeiten wählen kann. Wenn es aber keine Alternative gibt, kann man nicht behaupten, dass man sich entscheidet, etwas zu wählen. Richten wir unsere Aufmerksamkeit jetzt auf das nächste Beispiel. Es ist offensichtlich, dass ich ein Mensch bin. Kann ich aber entscheiden, ein Mensch zu sein? Die Antwort lautet ganz klar nein. In einem Märchen könnte es sein, dass mich ein Zauber entscheiden ließe, welcher Tier ich werden möchte. Doch wenn man die Science Fiction ignoriert, und normale Umstände betrachtet, ist es offensichtlich, dass man nicht wählen kann, ob man ein Mensch sein möchte oder nicht. Wenn wir uns auf normale Umstände beschränken, ist Scheers Einstellung richtig. Aber Wittgenstein spielt auf abnormale Umstände an, d.h., auf Situationen, in denen man „mit Zweifeln in dem Fundamente“ irregemacht werden könnte (vgl. ÜG §498). In dieser Art von Situationen kann man entscheiden: entweder an unseren Gewissheiten festzuhalten, oder zu erkennen, dass wir in einer solchen Lage desorientiert sind. Dieses Dilemma kann man im folgenden Abschnitt klar erkennen:

    Auch ein Satz wie der, daß ich jetzt in England lebe, hat diese zwei Seiten: Ein Irrtum ist er nicht – aber anderseits: was weiß ich von England? Kann ich nicht ganz in meinem Urteilen fehlgehen?

    Wäre es nicht möglich, daß Menschen zu mir ins Zimmer kämen, die Alle das Gegenteil aussagten, ja, mir ›Beweise‹ dafür gäben, so daß ich plötzlich wie ein Wahnsinniger unter lauter Normalen, oder ein Normaler unter Verrückten, allein dastünde? Könnten mir da nicht Zweifel an dem kommen, was mir jetzt das Unzweifelhafteste ist? (ÜG §420)

    Hier schreibt Wittgenstein „Beweise“ zwischen Anführungszeichen, weil es sich nicht um übliche Beweise handelt, sondern um solche, die einer Gewissheit widersprechen. In diesem Fall widersprechen sie Wittgensteins Gewissheit, dass er in England lebt. Die Leute, die diese Beweise geben, verhalten sich wie Wahnsinnige – d.h., wie Leute, die gegen die Grammatik verstoßen. Wenn Wittgenstein sich aber von diesen Beweisen überzeugen ließe, würde er sich wie einen Wahnsinniger verhalten. Man kann in Über Gewissheit viele Beispiele finden, wo man sich an den eigenen Gewissheiten festzuhalten entscheidet (vgl. ÜG §§497-498, 512, 616, 636). Aber im folgenden Abschnitt von Wittgensteins Zettel kann man die Entscheidung finden, sich in die Desorientierung zu fügen:

    Man kann sich leicht Ereignisse vorstellen und in allen Einzelheiten ausmalen, die, wenn wir sie eintreten sähen, uns an allem Urteilen irre werden ließen.
    Sähe ich einmal vor meinem Fenster statt der altgewohnten eine ganz neue Umgebung, benähmen sich die Dinge, Menschen und Tiere, wie sie sich nie benommen haben, so würde ich etwa die Worte äußern »Ich bin wahnsinnig geworden«; aber das wäre nur ein Ausdruck dafür, daß ich es aufgebe, mich auszukennen. Und das gleiche könnte mir auch in der Mathematik zustoßen. Es könnte mir z.B. scheinen, als machte ich immer wieder Rechenfehler, so daß keine Lösung mir verläßlich erschiene. (Z §393)

    Wie man sehen kann, bedeutet der Satz „Ich bin wahnsinnig geworden“ hier, dass man freiwillig und ausdrücklich verzichtet, sich in der Umgebung zu orientieren. Man kann also nur diese Entscheidung treffen, weil auch die Möglichkeit bestand, zu entscheiden, auf dem Selbstorientierungsversuch zu beharren; z.B.: könnte man an den eigenen Gewissheiten festhalten, wenn das unerhörte Ereignis als Folge eines Witzes, des Drogenkonsums, usw. genommen wird. Aber dieser Abschnitt liefert uns noch etwas. Wittgenstein würde etwa die Worte „Ich bin wahnsinnig geworden“ aufgrund abnomaler Ereignisse, die er vor seinem Fenster sieht, äußern. Trotzdem fügt er hinzu, dass ihm das gleiche auch in der Mathematik zustoßen könnte. Beispielweise wenn er den Eindruck hat, immer wieder Rechenfehler zu machen. Dann würde ihm keine Lösung – weder richtig noch unrichtig – überzeugend erscheinen. In diesem Fall handelt es sich also nicht um eine der Tatsachen, die Wittgenstein vor seinem Fenster sah, sondern um einen Sicherheits- oder Gewissheitsverlust in mathematischen Kategorien. Es ist von Bedeutung, diesen Fall des Gewissheitsverlustes zu betrachten, weil er zeigt, dass wir nicht immer an unseren Gewissheiten festhalten können. Wenn es sich um eine der abnomalen Tatsachen, die Wittgenstein vor seinem Fenster sah, handelt, ist die Gewissheit im Prinzip noch gegeben. Beweis dafür ist, dass es möglich wäre, die abnormale Tatsache nicht mehr zu beachten. Letzten Endes hätte diese Einstellung keine Wirkung auf das eigene Bezugssystem. Wie wir aber gesagt haben, kann der Fall, in dem keine arithmetische Lösung verlässlich erscheint, als Beispiel des Gewissheitsverlustes beschrieben werden. Man kann nur an der eigenen Gewissheit festhalten, wenn die fragliche Gewissheit bereits in Frage gestellt wurde. Denn eben diese Gewissheit ging noch nicht verloren. Man kann an einer bestimmten Gewissheit festhalten, um sie nicht zu verlieren. Es steht aber außer Zweifel, dass man an einer bereits verlorenen Gewissheit nicht festhalten kann. Natürlich wäre es möglich, sich in diesem Fall auszukennen, z.B. könnte man den Gewissheitsverlust einer vielleicht vorübergehenden Geistesstörung zuschreiben. Das würde uns die verlorene Gewissheit aber nicht zurückbringen. Tatsächlich kann man überhaupt nichts tun, um eine bereits verlorene Gewissheit zurückzubringen. Was den Fall des Gewissheitsverlustes betrifft, wäre es nutzlos jemanden zu versuchen davon zu überzeugen, dass viele arithmetische Lösungen richtig sind. Denn man könnte keine Gründe finden, die sicherer sind, als die Behauptung dieser Gewissheit. Wenn dieser Mensch also seine verlorene Gewissheit zurückbekommt, läge es nicht daran, dass er absichtlich etwas getan hätte, um sie zurückzubekommen. Man könnte nur sagen, dass die Wiedergewinnung der Gewissheit ebenso unerklärlich wie ihr Verlust wäre.

    Es ist sehr wichtig klarzustellen, dass es nicht das gleiche ist, sich in einer abnormalen Umgebung zu orientieren und an einer Gewissheit festzuhalten. Wenn man sich davon überzeugt, dass eine bestimmte abnormale Lage z.B. nur ein Witz oder eine Montage ist, dann kennt man sich in dieser Umgebung aus. Dass man diese Erklärung benutzen kann, um unsere Ablehnung der Evidenz gegen unsere Gewissheiten zu rechfertigen, bedeutet aber nicht, dass man unbedingt eine Rechfertigung dafür braucht. Wenn man sich entscheidet, diese Evidenz abzulehnen, genügt es, die entsprechende Entscheidung zu treffen. Man braucht keine Rechtfertigung dafür. An einer Gewissheit festzuhalten besteht schlicht und einfach darin, sich zu entscheiden, die Evidenz gegen eine Gewissheit abzulehnen. Aber es handelt sich um eine Gewissheit, die in Frage gestellt wird, aber noch erhalten bleibt. Wenden wir jetzt diese Definition auf den Fall des Gewissheitsverlustes an. In diesem Fall gibt es keine Evidenz abzulehnen. Außerdem ist das Problem des Gewissheitsverlustes nicht, an einer Gewissheit festzuhalten, die wir noch beibehalten. Stattdessen ist das Problem des Gewissheitsverlustes, eine Gewissheit zurückzubekommen, die bereits – wenn auch vielleicht nur vorübergehend – verloren gegangen ist.

    Diese Erfahrung des Gewissheitsverlustes könnte uns helfen, auf etwas Wichtiges zu achten, nämlich dass unsere Gewissheiten, die wir oft als etwas ganz Festes und Unveränderliches betrachten, verloren gehen können. Und wir könnten dann ganz und gar nichts tun, um sie zurückzubekommen. Wir sollten den Menschen also als ein primitives Wesen betrachten, nicht nur weil man ihm Instinkt aber kein Raisonnement zutraut (vgl. ÜG §475), sondern auch, weil er nicht einmal vermeiden kann, irgendwelche Gewissheit irgendwann zu verlieren.

    Literatur

    1. Malcolm, Norman 1986 Nothing is hidden: Wittgenstein’s criticism of his early thought Oxford & New York, Blackwell.
    2. Scheer, Richard 1990 “What if Something Really Unheard-of Happened?”, Philosophical Investigations 13, 154-164.
    3. Wittgenstein, Ludwig 1984 Über Gewißheit (Werkausgabe Band 8) Frankfurt am Main, Suhrkamp. (ÜG)
    4. Wittgenstein, Ludwig 1984 Zettel (Werkausgabe Band 8) Frankfurt am Main, Suhrkamp. (Z)
    José María Ariso. Date: XML TEI markup by WAB (Rune J. Falch, Heinz W. Krüger, Alois Pichler, Deirdre C.P. Smith) 2011-13. Last change 18.12.2013.
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