Abstract
The early Wittgenstein determines the religious as the mystical one about which you cannot talk, because he identifies it with the logical form of a proposition which can only be shown, but cannot become a topic itself. This semantic conception is based on ontological assumptions which must be taken to get a unique-reference theory and difference-criteria to appropriate what makes sense and nonsense. By changing the linguistic conception, the Wittgenstein of the Philosophical Investigations no longer supposes ontological objects, but sets the focus on the usage of language. Talking about objects within the world in a reasonable way is now guaranteed through a high network of „Sprachspielen,“. By changing the semantic conception, it can be shown that the conception of the religious has been changed, too. It is not located in the conditions of a logical symbolism anymore, but has to be located within the practice of language, i.e. its execution.
Table of contents
I.
Auf der Suche nach konkreten philosophischen Aussagen Wittgensteins hinsichtlich der Frage, was denn unter dem Begriff des Religiösen zu verstehen sei, wird in der Regel in erster Linie auf das Frühwerk verwiesen. Und in der Tat zeichnet insbesondere der Tractatus Wittgenstein bekanntermaßen dadurch als Religionsphilosophen aus, dass Wittgenstein im Zuge seiner Sprachkritik Begründungen für die Vorstellung des Religiösen als das mystische Unaussprechliche liefert. Wie aber ist die Lage in Hinsicht auf die Spätphilosophie zu beurteilen? Angeblich soll Wittgenstein in einem Gespräch mit Drury den Satz geäußert haben: »I am not a religious man but I cannot help seeing every problem from a religious point of view« (vgl. Drury 1981). Kann man sagen, dass diese Selbsteinschätzung auch noch im Lichte einer in weiten Teilen geänderten Sprachkonzeption, wie sie dem Leser in den Philosophischen Untersuchungen entgegentritt, eingelöst wird?1
In dem Versuch ein besseres Verständnis dahingehend zu erhalten, von welchen Vorstellungen des Religiösen der frühe und der späte Wittgenstein geprägt war, werde ich im folgenden zunächst die religionsphilosophischen Implikationen aus dem Tractatus in Verbindung mit dem Vortrag über Ethik skizzieren. Dem daraus entnommenen Verständnis stelle ich darauf folgend einige Aspekte in der Konzeption der Alltagssprache, wie sie in den Philosophischen Untersuchungen entworfen wird, gegenüber. Dabei wird die These leitend sein, dass mit der veränderten Sicht in der Sprachphilosophie Wittgensteins auch eine Veränderung hinsichtlich der Ausdeutung des Religiösen stattgefunden hat.
II.
Im Frühwerk, und hierbei beziehe ich mich, wie bereits gesagt, in erster Linie auf den Tractatus logico-philosophicus und den Vortag über Ethik, lässt sich Wittgensteins Verständnis des Religiösen entlang der Fragestellung von »Sagen« und »Zeigen« verdeutlichen2. Der, wie Wittgenstein selbst schreibt, »Grundgedanke« des gesamten Tractatus (TLP 4.0312), der der Sagen-Zeigen-Problematik zugrunde liegt, lässt sich so paraphrasieren, dass der Satz als Ausdruck des Gedankens Gegenstände und Sachverhalte in der Welt bildhaft repräsentiert und dass dasjenige, was das Bild mit der Wirklichkeit gemein haben muss, die Form der Abbildung ist (TLP 2.17). Es muss also eine Strukturgleichheit zwischen dem Satz und der Wirklichkeit vorhanden sein, in der die Verhältnisse der Dinge in der Welt ebenso strukturiert sind, wie die Verhältnisse der Elemente des Satzes als Abbild der Welt.
Bekanntermaßen ist nun der entscheidenden Gedanke hinsichtlich der Isomorphie der »logischen Form« (TLP 2.18) von Satz und Wirklichkeit, dass diese wiederum nicht propositional mit dem Satz ausgesagt wird. Vielmehr stellt die logische Form die Bedingung der Möglichkeit für das Ausbilden und Darstellen von Sätzen überhaupt dar (vgl. Lange 1996, S. 72)3. »Seine Form der Abbildung […] kann das Bild nicht abbilden; es weist sie auf« (TLP 2.172).
In der Unterscheidung von »Sagen« und »Zeigen« vollzieht sich eine logische Grenzziehung »im Ausdruck der Gedanken« , wie Wittgenstein sie im Vorwort des Tractatus angekündigt hat. »Der Satz zeigt, wie es sich verhält, wenn er wahr ist. Und er sagt, dass es sich so verhält« (TLP 4.022) und »was gezeigt werden kann, kann nicht gesagt werden« (TLP 4.1212). Wenn versucht wird, dasjenige propositional auszudrücken, was jenseits der Grenze des sprachlich Artikulierbaren liegt, weil es sich eben nur zeigt und nicht gesagt werden kann, dann wird dieses »einfach Unsinn sein«. Jenseits der logischen Grenze liegen, Wittgenstein gemäß, all diejenigen Bereiche unseres Daseins, die, im Gegensatz zu den Sätzen der Naturwissenschaften, keine Tatsachenbehauptung über innerweltliche Sachverhalte zulassen. Zu dem, was sich sinnlogisch nicht sagen lässt, gehören Aussagen im Bereich des täglichen Lebens, der Ethik oder eben des Religiösen. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass diese Bereiche per se unsinnig sind, sondern dass es prinzipiell aus logischen Gründen nicht möglich ist, hier sinnvolle Aussagen zu treffen, weil sich alltägliche, ethische und religiöse Phänomene eben nur zeigen und nicht sinnvoll als Tatsache aussagen lassen. »Wir fühlen, dass, selbst wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind« (TLP 6.52), notiert Wittgenstein.
Dass faktische Urteile nicht den Bereich des Ethischen erschließen, geht ebenfalls auf eindrucksvolle Weise aus dem »Vortrag über Ethik« hervor, den Wittgenstein laut Rush Rhees zwischen September 1929 und Dezember 1930 in Cambridge gehalten hat (vgl. Wittgenstein 1989, S. 141). Wittgenstein führt hier seinem Auditorium vor Augen, dass, selbst wenn das gesamte Menschheitswissen in einem Buch zusammengetragen würde »dieses Buch nichts enthielte, was wir ein ethisches Urteil nennen würden« (Ebd., S. 12). Zur Begründung führt Wittgenstein eine Unterscheidung an, die analog zur Unterscheidung von »Sagen« und »Zeigen« verläuft. Werturteile können unterschieden werden in relative Werturteile, die bloß Aussagen über Faktisches sind (»ein guter Pianist«, »die richtige Strasse«, »ein schlechtes Spiel«, etc.) und absolute Werturteile. Erstere sind keine Urteile in der Weise wie sie in der Ethik verwendet werden, denn ethische Urteile verweisen eben auf das Absolute. Insofern ist Wittgenstein der Überzeugung, dass »keine Faktenaussage […] je ein absolutes Werturteil abgeben oder implizieren« kann (Ebd.).
Wie aber lässt sich dann eine sinnvolle Antwort auf die Frage nach dem ontologischen Status des Absoluten geben? Nach dem gesagten ist deutlich geworden, dass hier eine sinnvolle Antwort nicht artikuliert werden kann. Folglich gibt auch Wittgenstein keine direkte Antwort, sondern verweist behelfsmäßig auf Erlebnisse, in dem sich eine mögliche Antwort zeigt. Gemeint sind Erlebnisse, wie das des »Staunens über die Existenz der Welt« oder das Erlebnis der »absoluten Sicherheit«. »Und da muß ich als allererstes feststellen«, so Wittgenstein, »dass der sprachliche Ausdruck dieser Erlebnisse Unsinn ist!« (Ebd. S. 15).
Spätestens hier wird der Anschluss an die Argumentation des Tractatus deutlich. Die Sprache wird missbraucht, wenn versucht wird, dasjenige, was über die Tatsachenbeschreibung der Welt hinausgeht und sich nur zeigt, propositional in Tatsachenbeschreibungen ausdrücken zu wollen. Dieser Missbrauch, so Wittgenstein, zieht sich durch alle ethischen und religiösen Ausdrucksformen hindurch. Um ihn zu vermeiden muss man, so der berühmte Schlusssatz des Tractatus, darüber schweigen wovon man nicht sprechen kann. Die Philosophie stößt aus diese positivistischen Perspektive in der Reflexion über Ethik, Ästhetik und das Religiöse an die Grenzen des sinnvoll sagbaren und kann hier mit den Mitteln der Sprache keine sinnvollen Aussagen treffen, weil eben diese Mittel in ihrer Sinnhaftigkeit begrenzt sind, während die ethische, ästhetische und religiöse Phänomene über Sinngrenzen hinausweisen (vgl. Rentsch 2005, S. 165).
III.
Die Vorstellung des frühen Wittgenstein über das Religiöse hängt eng mit der sprachkritischen Unterscheidung zusammen, zwischen einerseits dem was sich in Tatsachenaussagen sinnvoll über die Welt sagen lässt und andererseits dem, was der isomorphen Beziehung zwischen Tatsache und weltlichem Sachverhalt bereits zugrunde liegt und deshalb nicht sinnvoll noch einmal in einem Satz festgehalten werden kann. Die logischen Bedingungen des Abbildens von Sachverhalten können nicht sinnvoll propositional verankert werden. Aus dieser, von einer Abbildtheorie der Sprache her entwickelten Perspektive erklärt sich Wittgensteins Entdeckung der »Autonomie der Logik«, wie Wilhelm Vossenkuhl es genannt hat (vgl. Vossenkuhl 1995, 2001). Ihr autonomer Charakter besteht darin, um es noch einmal zu sagen, dass die logische Form eines Satzes bzw. Sachverhalts nicht propositional in der Sprache ausgedrückt wird, also nicht innerhalb der Grenzen der Sprache (und gleichbedeutend: des Denkens) verortet werden kann. Der Gedanke des Unaussprechlichen, den Wittgenstein seinen logischen Untersuchungen über die Sprache entnimmt, lässt sich dann für den Begriff des Religiösen fruchtbar machen. »Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies zeigt sich, es ist das Mystische« (TLP 6.522).
Von daher wird deutlich, dass die Entdeckung des unaussprechlich Religiösen nur aus einer Perspektive einholbar ist, die sich von der Abbildtheorie des Tractatus her gewinnen lässt. Ohne die Annahme eines die weltlichen Sachverhalte abbildenden Symbolismus, ließe sich die Vorstellung nicht entwickeln, dass einerseits Innerweltliches vertreten wird und es andererseits logische Konstanten gibt, die keine Vertreterfunktion haben, sondern als autonom zu betrachten sind. Dieser Zusammenhang wird noch deutlicher, wenn man mit Hans Julius Schneider annimmt, dass der Abbildtheorie des Tractatus die Idee der natürlichen Sprache als einem Notationssystem zugrunde liegt (vgl. Schneider 2006). Betrachtet man die Notenschrift als Paradigma eines Notationssystems, so wird klar, dass die Noten ebenfalls eine Vertreterfunktion einnehmen, indem sie jeweils Töne einer Partitur vertreten. Andere Symbole, wie z. B. die Notenlinien, der Violinschlüssel etc., haben selbst keine stellvertretende Funktion. Sie bilden den nicht hintergehbaren Rahmen, der notwendig ist, damit eine Note ihre Vertretung für einen konkreten Ton vollziehen kann. Der Rahmen selbst ist demnach Bedingung für die Möglichkeit der Darstellung von Tönen als Noten und kann selbst keine sinnvolle Vertreterfunktion einnehmen. Die »Logik der Darstellung«, wie Schneider es nennt, die bei der Vertretung der Töne durch Noten zum Tragen kommt, entspricht dem, was Wittgenstein im Tractatus die »Logik der Tatsachen« genannt hat. Dasjenige, was man vor dem Hintergrund eines Notationssystems als das Religiöse bezeichnen kann, kann selbst nicht dargestellt werden. »Gott offenbart sich nicht in der Welt« (TLP 6.432). Unter der Perspektive, dass innerweltliche Gegenstände sprachlich abgebildet werden, ist das Religiöse die Bedingung der Darstellung in der Welt und kommt dabei selbst nicht zur ausdrücklichen Darstellung, sondern zeigt sich eben in den von Wittgenstein beschriebenen Sinngrenzerfahrungen als unhintergehbarer Rahmen des Darstellungsvollzuges.
Von der Idee einer logischen Isomorphie von innerweltlichen Gegenständen und Sprache ist Wittgenstein in den Philosophischen Untersuchungen konzeptionell abgewichen 4. Das Proprium der semantischen Eindeutigkeit eines Notationssystems, das eine eineindeutige Abbildbeziehung zwischen Welt und Sprache ermöglicht lässt er fallen. Statt der Vorstellung, dass sich die Sprache eineindeutig auf innerweltlichen Gegenständen und Sachverhalten beziehen lässt, bietet er an, die Sprache an der Praxis unseres alltäglichen Handelns zu orientieren. Die Sprache hat nun nicht mehr Abbildungscharakter, sondern sie bekommt Werkzeugcharakter. Bezeichnend geht die Sprache nicht vor, indem wir »einem Ding ein Namenstäfelchen anheften« (PU 15), sondern indem die Sprache innerhalb eines Zusammenhanges, den er bekanntlich mit dem Begriff »Sprachspiel« (vgl. PU 6) bezeichnet, korrekt verwendet wird. Der Bezug von Sprache und Welt wird nicht mehr durch die gemeinsame Strukturgleichheit hergestellt, sondern liegt nunmehr in der bloßen Verwendung von Sprache selbst (vgl. PU 43), innerhalb der man nicht mehr von abbildprägenden Äquivalenzen sprechen kann, sondern vielmehr von »Ähnlichkeiten« der Verwendung (vgl. PU 11 und PU 23) sprechen muss.
Wittgensteins Veränderung der Vorstellung davon, wie wir auf innerweltliches sprachlich Bezug nehmen, ist besonders in Hinsicht auf das Phänomen des Zeigens interessant. Im Tractatus zeigte sich das Unaussprechliche als Bedingung sprachlicher Bezugnahme und war deshalb prinzipiell sprachlich unverfügbar. In den Philosophischen Untersuchungen hält sich das Phänomen des Zeigens weiterhin durch, bezieht sich in seiner Unausprechlichkeit5 allerdings nicht mehr auf die logische Form, sondern auf die sprachliche Praxis und ihre Verwendungsweisen. In dem Abschnitt PU 66 heißt es:
»Betrachte z.B. einmal die Vorgänge die wir ›Spiele‹ nennen. Ich meine Brettspiele, Kartenspiele, Ballspiele, Kampfspiele, usw. Was ist allen diesen gemeinsam? – Sag nicht: ›Es muß ihnen etwas gemeinsam sein, sonst hießen sie nicht ›Spiele‹‹ - sondern schau, ob ihnen allen etwas gemeinsam ist. – Denn wenn du sie anschaust, wirst du zwar nicht etwas sehen, was allen gemeinsam wäre, aber du wirst Ähnlichkeiten, Verwandtschaften sehen, und zwar eine ganze Reihe. Wie gesagt: denk nicht, sondern schau!«
Wittgensteins wiederholte Aufforderung auf die Verwendung der Sprache zu schauen um zu verstehen wie sie arbeitet, entbehrt nur dann einen Sinn, wenn vorausgesetzt ist, dass die Sprache uns etwas zeigen kann. Was zeigt uns die Sprache im Sinne des späten Wittgensteins? Sie Zeigt uns wie der Ausdruck in einem Sprachspiel verwendet wird. Sie zeigt nicht die logische Struktur der Gegenstände in der Welt auf, sondern sie zeigt die menschliche Verwendungsweise der Sprache in einem Netz von Ähnlichkeiten auf und macht in diesem Zuge einzelne »Lebensformen« sichtbar (vgl. PU 19; PU 23; PU 241). Die Bedeutung eines Wortes wird nicht durch die eineindeutige Zuordnung zum Gegenstand hergestellt, sondern sie ist »das, was die Erklärung der Bedeutung erklärt« (PU 560). Wittgenstein hätte hier vielleicht auch sagen können: was sich in der Erklärung der Bedeutung, d. h. in der Sprachverwendung, zeigt.
IV.
Welche Auswirkungen hat es für den Begriff des Religiösen, wenn die Sprache nicht auf die Gegenständen und Sachverhalten in der Welt direkt bezogen ist, sondern sich an der Verwendungsweise der Sprache selbst und an den Lebensformen der einzelnen Sprachteilnehmer orientiert?
Der späte Wittgenstein hat erkannt, so scheint es, dass mit der Sprachphilosophie des Tractatus eine Ontologie vorausgesetzt wird, deren Geltungsansprüche sich tatsächlich nicht einlösen lassen. Die Voraussetzung einer Ontologie aber erlaubte es erst, eine Unterscheidung zwischen Dingen in der Welt und außerhalb der Welt einzuführen. Das Abrücken von einer festen Ontologie hat denn auch Auswirkungen auf den Begriff des Religiösen, wie er im Tractatus entwickelt wurde, weil der mystische Rahmen für die Bezugnahme von Sprache und auf Welt obsolet geworden ist.
Stattdessen rückt in der Spätphilosophie Wittgensteins die Sprachpraxis selbst in den Vordergrund, die die sprachliche Bezugnahme auf Welt begründet und konzipiert. Auch mit dem Blick auf die Sprachverwendung lassen sich Aspekte ausfindig machen, die im praktischen Sprachvollzug selbst athematisch bleiben und sich nur zeigen. Diese sind beispielsweise Aspekte des Regelfolgens, der Familienähnlichkeiten und der Lebensform. Der entscheidende Unterschied zur Abbildtheorie des Tractatus scheint nun zu sein, dass dasjenige, was sich zeigt, nach dem Wegfall einer festen Ontologie nicht mehr außerhalb der Sprache verortet werden kann. Die Sprache ist, so die Vorstellung des späten Wittgensteins, nicht etwas durch die logische Form der Sachverhalte bestimmtes, so dass sie auf etwas mystisches verweisen könnte, sondern sie ist etwas, das sich durch die öffentliche Praxis der Sprachgemeinschaft, durch die regelgeleitete und Regeln hervorbringende Sprachspielverwendung, selbst konstituiert. Durch diese »kopernikanische Wende« innerhalb der Sprachphilosophie Wittgensteins verlagert sich der Sitz des Religiösen in die Sprachpraxis der Teilnehmer. Entgegen der Aussage des Tractatus, dass Gott sich nicht in der Welt offenbare (vgl. TLP 6.432), ließe sich mit dem späten Wittgenstein folglich konstatieren, dass Gott mitten unter uns, mithin im praktischen Vollzug unseres Sprachgebrauchs selbst zu finden ist. Aber auch aus dieser Perspektive bleibt das Religiöse dem wissenschaftlichen Zugriff in Form definitorischer Bestimmungen oder etwaiger Beweisverfahren prinzipiell unzugänglich. Denn, so betont Wittgensteins in einer seiner Vorlesungen über den religiösen Glauben, der religiöse Glaube zeige sich eben nicht durch Vernunftschlüsse oder durch Anruf von gewöhnlichen Glaubensgründen, sondern vielmehr dadurch, dass er das ganze Leben des gläubigen Menschen regelte (vgl. Wittgenstein 2001, S. 76). Das Religiöse ist mit dem späten Wittgenstein nicht jenseits der Lebensform, sondern von ihr ausgehend zu denken.
Literatur
- Canfield, John V. 2005 „Der Grund des Seins. Wittgensteins ‚religiöse Betrachtungsweise’“, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 53, 257-275.
- Drury, Maurice O’C. 1981 „Some Notes on Conversations”, in: R. Rhees (ed.), Ludwig Wittgenstein Personal Recollections, Oxford: Basil Blackwell, 91-111.
- Lange, Ernst M. 1996 Ludwig Wittgenstein – logisch-philosophische Abhandlung: ein einführender Kommentar in den „Tractatus“, Paderborn: Schöningh.
- Rentsch, Thomas 2005 Gott, Berlin: De Gruyter.
- Schneider, Hans J. 2006 „Satz, Bild, Wirklichkeit. Vom Notationssystem zur Autonomie der Grammatik im ‚Big Typescript’“, in: Stefan Majetschak (ed.), Wittgensteins ‚große Maschinenschrift’. Untersuchungen zum philosophischen Ort des Big Typescripts (TS 213) im Werk Ludwig Wittgensteins. Wittgenstein Studien, ed. Deutsche Wittgenstein Gesellschaft e.V., Band 12, Bern: Lang, 79-98.
- Vossenkuhl, Wilhelm 2001 „Sagen und Zeigen. Wittgensteins »Hauptproblem«“; in: ders. (ed.), Tractatus logico-philosophicus, Reihe Klassiker Auslegen, Berlin: Akademie Verlag.
- Vossenkuhl, Wilhelm 1995 Ludwig Wittgenstein, München: Beck.
- Wittgenstein, Ludwig 1989 Vortrag über Ethik, Joachim Schulte (ed.), Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
- Wittgenstein, Ludwig 1989 Tractatus logico-philosophicus. Tagebücher 1914-1916. Philosophische Untersuchungen, Werkausgabe Bd. 1, Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
- Wittgenstein, Ludwig 2001 Vorlesungen und Gespräche über Ästhetik, Psychoanalyse und religiösen Glauben, Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
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