Abstract
Unsere Ausführungen betreffen die systematischkonstruktiven Ansätze innerhalb der analytischen Sprachphilosophie des vergangenen Jahrhunderts. Wir möchten eingangs einen zentralen theorieimmanenten Zug erörtern – nämlich die Idee, das Ziel der analytischen Sprachphilosophie bestehe im Auffinden eines allgemeinen Schemas der Bedeutung von sprachlichen Ausdrücken. Aus einigen Forderungen, die vom späten Wittgenstein an Bedeutungstheorien gestellt wurden, wird sodann das Erfordernis abgeleitet, eine weitere Komponente in die Sprachbetrachtung aufzunehmen, die wir anhand von Foucaults Konzept der Aussage festmachen werden; diese Komponente bringt allerdings eine signifikante Transformation des analytischsemantischen Programms mit sich.
Table of contents
- 1. Form und Prinzipien der analytischen Bedeutungstheorie
- 2. Wittgensteins Einschränkung des Analysebegriffs und Kritik des Essentialismus
- 3. Eklektizistischer Entwurf einer postanalytischen Bedeutungstheorie
1. Form und Prinzipien der analytischen Bedeutungstheorie
„Das Universum (das andere die Bibliothek nennen) setzt sich aus einer unbestimmten, vielleicht unendlichen Zahl sechseckiger Galerien zusammen, mit weiten Lüftungsschächten in der Mitte, eingefasst von sehr niedrigen Geländern. Von jedem Sechseck kann man die unteren und oberen Stockwerke sehen: ohne ein Ende. Die Anordnung der Galerien ist immer gleich.“ (Borges 2000: 151)
Mit diesen Worten beginnt die berühmte kurze Erzählung „Die Bibliothek von Babel“ des argentinischen Autors Jorge Luis Borges. Nicht nur in der literarischen Fiktion Borges‘, sondern auch in einem der nachhaltigsten Paradigmata der modernen Sprachphilosophie begegnet einem die darin ausgedrückte Faszination für eine präexistente, regelmäßige Ordnung. Klassische Ansätze der analytisch-philosophischen Sprachtheorie sind zumeist dadurch gekennzeichnet, dass sie die Gesamtheit der als relevant für eine semantische Theorie erachteten sprachlichen Komponenten drastisch einschränken. In der theoretischen Untersuchung (und damit implizit auch in der Bestimmung des für die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke Relevanten) wurde seit Freges grundlegenden Ausführungen (Frege 1892) ein dreigliedriges Schema zum Allgemeingut, das folgende Komponenten unterscheidet: den sprachlichen Ausdruck selbst, dessen Bedeutung sowie dessen Bezugsgegenstand. Diese Unterscheidung wird nicht von allen Autoren in dieser speziellen Ausprägung als gültig akzeptiert, trägt jedoch eine Grundüberzeugung in sich, nämlich die Legitimität eines semantischen Schemas überhaupt: Das Betreiben einer philosophischen Semantik bestehe demnach in der Beschreibung einer formalen Struktur bzw. einer paradigmatischen Konstellation bestimmter semantischer Komponenten.
„Die beste Methode, die philosophischen Probleme um den Begriff der Bedeutung und damit zusammenhängende Begriffe zu formulieren, ist nach einer wohlbekannten Auffassung die Fragestellung, welche Form eine sogenannte ‚Bedeutungstheorie‘ für eine vollständige Sprache annehmen sollte, d.h. eine detaillierte Angabe der Bedeutungen aller Wörter und satzbildenden Operationen dieser Sprache, aus der sich dann eine Angabe der Bedeutung jedes Ausdrucks und Satzes dieser Sprache ergibt. Damit wird die Konstruktion einer Bedeutungstheorie in diesem Sinn nicht als praktisches Projekt für irgendeine Sprache ins Auge gefaßt, doch man meint, daß wir, wenn wir die allgemeinen Prinzipien, nach denen sich eine derartige Konstruktion durchführen ließe, erst einmal darlegen können, zu einer Lösung der die Philosophen beunruhigenden Probleme bezüglich Bedeutung gelangt sind.“ (Dummett 1982: 94)
Ausgangspunkt einer derartigen Betrachtung sind meist die sprachlichen Ausdrücke (Wörter oder Sätze), deren Bedeutung mittels allgemeiner Kategorien zu beschreiben unternommen wird. Den Sprachphilosophen interessiert in erster Linie nicht die konkrete Bedeutung eines konkreten Ausdrucks, sondern eine Definition jener semantischen Komponenten, die einer bestimmten Klasse von Ausdrücken im Allgemeinen zukommen. Hierzu ist es nötig, die sprachlichen Ausdrücke in Klassen zusammenzufassen, um letztlich das erstellen zu können, was wir im Weiteren als deren „semantisches Profil“ bezeichnen wollen. Die Klassifikation erweist sich dabei als reduktionistisch, wie die idealsprachliche Orientierung der frühen sprachanalytischen Tradition belegt, und weiters bereits durch semantische Gesichtspunkte geprägt: Das Kriterium der Zugehörigkeit von Ausdrücken zu einer bestimmten Klasse ist selbst eine semantische Eigenart, die in ihr semantisches Profil Eingang findet (für singuläre Termini beispielsweise der Bezug auf genau einen Referenzgegenstand, für Sätze etwa ihre Wahrheits-, Verifikations- oder Rechtfertigungsbedingungen).
Ein semantisches Profil in unserem Sinn umfasst eine Liste der semantischen Komponenten, die eine Ausdrucksklasse aufweist, und deren (falls angenommen) strukturelle Relation; neben Freges Programm der Zuordnung von Ausdruck, Sinn und Bedeutung stellt etwa Putnams Liste in „Die Bedeutung von Bedeutung“ (Putnam 1979: 94) einen Paradefall eines semantischen Profils (von Termini für natürliche Arten) dar. Differenzen innerhalb der analytischen Sprachphilosophie treten meist in Bezug auf die jeweils veranschlagten semantischen Komponenten und deren strukturelles Verhältnis auf, berühren jedoch nicht die Legitimität und prinzipielle Applizierbarkeit eines semantischen Profils. Das dahinterstehende Verständnis von analytischer Sprachphilosophie stellt also folgende Aufgaben für eine Bedeutungstheorie:
- 1. die Bestimmung derjenigen Ausdrücke, von denen legitimer Weise angenommen werden kann, dass sie über eine Bedeutung verfügen;
- 2. die Klassifikation solcherart semantisch relevanter Ausdrücke (worunter die Diskussion um deren Rückführbarkeit auf grundlegendere Klassen oder das Freilegen ihrer semantischen Tiefenstruktur fällt);
- 3. die Erstellung eines semantischen Profils, d.h. eine Aufstellung desjenigen, was als Bedeutung der jeweiligen Klasse von Ausdrücken firmiert.
Die drei genannten Schritte werden in der Literatur unterschiedlich vollzogen; wir möchten angesichts der Kontroversen um semantische Profile jedenfalls festhalten, dass hingegen die Hintergrundidee konstant bleibt, die das sprachanalytische Bemühen einer Bedeutungstheorie motiviert – dass nämlich die Konstellation dieser Komponenten mittels eines allgemeinen Schemas generalisierbar und als zeitlose strukturelle Charakteristik festzulegen ist. Die Zielvorstellung des sprachanalytischen Philosophierens besteht also in der argumentativen Freisetzung jener semantischen Ordnung, die der Sprache zugrunde liegt und mittels semantischer Profile beschrieben werden kann. Diese Grundidee motiviert noch die skeptischen Richtungen in der analytischen Philosophie, die (wie etwa bei Quine) durch generelle Unbestimmtheitsthesen und Widerlegung von Dogmen die Form des analytischen Argumentierens, nämlich das Auffinden von generalisierbaren Patentrezepten und semantischen Prinzipien, festschreiben. Verdeckt wird dieser Umstand durch die gängige Praxis, sich an den Prämissen und Vorarbeiten anderer Autoren zu orientieren und sich auf sprachphilosophische Teilaspekte bzw. spezielle Problemstellungen zu konzentrieren, was zur Folge hat, dass die Ergebnisse der analytischen Bemühungen oftmals in neuen Definitions- und Systematisierungsvorschlägen bestehen. Durch eine sich darin bekundende Tendenz zur sprachphilosophischen Generalisierung oder Extrapolation von (in Einzeluntersuchungen identifizierten) Merkmalen ergeben sich allgemeine semantische Rezepte (das semantische Profil einer Ausdrucksart a besteht in den Komponenten x, y und z sowie deren strukturellem Verhältnis), die als implizites Ziel der analytischen Sprachphilosophie fungieren.
Aus der Vielzahl von Ideen, die mit dieser Auffassung von Bedeutungstheorie einhergehen, möchten wir deren marginalisierende Einstellung zur Pragmatik hervorheben. Im Bemühen um eine systematische „reine“ Semantik, die die Gesamtheit der semantischen Profile von Ausdrücken umfasst, sind empirische und pragmatische Faktoren in erster Linie Anlass für Korrekturen und Modifikationen inadäquater semantischer Profile, die sich aus den verschiedenen Verwendungsweisen und -zusammenhängen von bestimmten Ausdrücken ergeben und eine Modifikation bzw. Neuausrichtung vorgängiger, semantisch definierter Parameter erzwingen. Diese Sichtweise klammert pragmatische Komponenten nicht nur aus der Erörterung der Bedeutung eines Ausdrucks aus, sondern reduziert die „Pragmatik“ implizit auf Fähigkeiten und Fertigkeiten von Sprechern oder Sprachgemeinschaften.
2. Wittgensteins Einschränkung des Analysebegriffs und Kritik des Essentialismus
Die Erarbeitung einer „konventionalistischen Bedeutungstheorie“, wie sie Ludwig Wittgenstein im Spätwerk entwickelt hat, weist durch ihre Abkehr von solch einem Analyseideal hin zu lokalen Beschreibungen auf einen internen Bruch in der Geschichte der analytischen Sprachphilosophie hin. Zahlreiche Passagen der „Philosophischen Untersuchungen“ bergen eine Lektürevariante, welche über eine bloße Selbstkritik von Wittgensteins noch im „Tractatus“ vertretener Position hinausweist. Dabei verschwindet insbesondere das zentrale Fundament analytischer Sprachphilosophien – die zuvor als solche identifizierte Grundüberzeugung der Legitimität eines universellen semantischen Schemas. Wittgenstein entzieht diesem Unternehmen durch die Zurückweisung des (einst auch von ihm als allgemeingültig betrachteten) Begriffs der Analyse als Erklärung den Boden. In §496 stellt er der sprachphilosophischen Erklärung die Beschreibung der „Grammatik“ gegenüber und schließt diese Zurückweisung der Analyse mit seiner Essentialismuskritik kurz (Wittgenstein 1984: §90-92). Wittgensteins Alternative zur einheitlichen und exklusiven Struktur des universalen Begriffsschemas findet sich in dem, über Familienähnlichkeiten lose verbundenen Komplex des ein jedes Sprachspiel bestimmenden Regelfolgens. Deren zentrale, jeglichen apriorischen Ausdruck der Regel ablehnende Pointe liegt im in lakonisch formulierten (Wittgenstein 1984: §202), auf Gepflogenheiten (§198) fußenden Praxischarakter. Diese anti-kognitivistische Pragmatik und die jegliche Universalitätsansprüche vermeidende, zu lokalen Topographien tendierende Verbindung der Sprachspiele über lose Familienähnlichkeiten bieten – auch aufgrund der Polyvalenz des Wittgensteinschen Regelbegriffs – einiges Potential für eine neue Bedeutungstheorie.
Welche Bedingungen und Kritikpunkte Wittgensteins muss eine solche Theorie berücksichtigen, will sie nicht bloß in eine neue, nur auf ganz bestimmte Formen von Ausdrücken anwendbare semantische Theorie münden?
Man kann mindestens vier derartige Anforderungen in den „Philosophischen Untersuchungen“ isolieren: Aus der Vielzahl der möglichen Sprachspiele (Wittgenstein 1984: §23) folgt, dass eine derartige Theorie eine lokale und kontextuelle Anwendbarkeit erlauben muss, nicht jedoch eine allgemeingültige semantische Charakteristik postulieren darf, wie dies beim eingangs skizzierten Vorschlag der Fall ist. Die Vielfalt der Sprachspiele und deren Berücksichtigung ermöglicht ihr jedoch im Gegenzug, die ganze Sprache und nicht nur einzelne Elemente oder Ausdrucksklassen zu beschreiben. Weitere zentrale Bedingungen für eine semantische Theorie werden in ihrer anti-kognitivistischen und anti-essentialistischen Praxisorientiertheit (Wittgenstein 1984: §85, §201 und §202) sowie in ihrem historischen, nicht überzeitlichen bzw. nicht dem historischen Wandel enthobenen Charakter (Wittgenstein 1984: §108) liegen.
3. Eklektizistischer Entwurf einer postanalytischen Bedeutungstheorie
Will man nun diese Wittgensteinschen Forderungen – entgegen deren prinzipieller Tendenz zum Asystematischen und Wittgensteins teils theoriefeindlichen Bemerkungen – zum Ausgangspunkt einer Systematik machen, so benötigt man zuallererst eine begriffliche Instanz, die zwischen der abgelehnten Allgemeinheit einer universellen semantischen Struktur einerseits und der Besonderheit einer aktuellen sprachlich-praktischen Äußerung angesiedelt ist. Einen hierfür tauglichen Begriffsapparat findet man etwa in der (bislang vorwiegend in historisch-semantischen Kontexten angewandten) Aussagenanalyse Michel Foucaults.
Mittels einer kritischen Zusammenführung dieser beiden Denkansätze soll im Folgenden versucht werden, eine postanalytische Bedeutungstheorie zu skizzieren. Dabei bedarf es insbesondere der Schließung jener durch die verschiedenen theoretischen und philosophischen Positionen von Wittgenstein und Foucault bedingten Lücken und Inkongruenzen. Von Vorteil ist hierfür die von zahlreichen Kritikern monierte Offenheit des Foucaultschen Konzepts der Aussage (énoncé). Dieses ist vor allem charakterisiert durch seine Betonung der Individualität, womit es der ersten der oben angeführten vier Forderungen Wittgensteins entspricht: Das Foucaultsche Konzept der Aussage durchbricht in seiner Betonung der Individualität den starren strukturellen Rahmen reduktionistischer sprachphilosophischer Modelle, welche ihre einzelnen Äußerungen als (besondere) Realisierungen einer (allgemeinen) systembestimmten Struktur verstehen. So unterscheidet Foucault die Aussage von der Proposition der Logik dadurch, dass sie sich nicht in ihrem propositionalen Gehalt erfüllt bzw. manchmal einen solchen gar nicht aufweist. Ebenso differiert sie vom Satz der klassischen Grammatik, da nicht alle Aussagen deren inhärentes, syntaktisches Konzept vollständig realisieren. Die Unterschiede zum Sprechakt hat Foucault später teilweise revidiert. Diese drei negativen Charakteristika korrelieren in besagter Individualisierung der Aussage: „‚Individualisiert‘: das will in diesem Zusammenhang heißen: nicht vorhersehbar von Seiten der Struktur, kontingent hinsichtlich ihres So-Seins.“ (Frank 1984: 228)
Bevor wir zur eigentlichen adaptiven Synthetisierung dieses Konzepts mit dem Wittgensteinschen Sprachspiel schreiten, bedarf es noch eines Referats der positiven Charakteristika der Aussage, wie sie Michel Foucault in der Archäologie des Wissens (Foucault 1986) präsentiert. Foucault unterscheidet dabei vier zentrale Merkmale: Die Aussage bildet eine Funktion des Modus eines sich öffnenden Gegenstandsbereiches, d.h. dass innerhalb eines aus einem Aussagenkomplex gebildeten „Korrelationsraum[es]“ (Foucault 1986: 133) die Möglichkeiten potentieller Referenz abgesteckt werden. Zweitens bildet sie eine Funktion der möglichen Positionen eines Subjektes; drittens umgibt sie ein komplementärer Raum, der ihr Verhältnis zu anderen Aussagenformationen bestimmt. Als letzten Punkt verweist Foucault auf deren „materielle Existenz“ (Foucault 1986: 154). Gilles Deleuze fasst die Eigenart der Foucaultschen Aussage prägnant zusammen: „Im Bereich der Aussage gibt es weder Mögliches noch Virtuelles; alles ist hier real und jede Realität manifest: nur das zählt, was gesagt wurde, hier, in diesem Augenblick, mit diesen Lücken und Auslassungen.“ (Deleuze 1986: 11).
Im Sinne einer (hier nicht im Detail ausgeführten) Anwendung des Aussagebegriffs auf die Frage nach einer den Wittgensteinschen Anforderungen genügenden Bedeutungstheorie möchten wir als Synthese die folgende These vorbringen:
Die Bedeutung eines Ausdrucks (= das semantische Profil, die semantischen Merkmale eines Ausdrucks) ist nur im Rahmen des durch den Aussagekontext bestimmten Gebrauchs dieses Ausdrucks bestimmbar. Der Aussagekontext ist notwendige Bedingung für die „Semantizität“ von Ausdrücken (= für die Bedeutung bzw. die Existenz eines semantischen Profils / semantischer Merkmale des Ausdrucks).
Die Berücksichtigung der Aussage fügt dem vertikalen, sprachlich-systemischen Instantiierungsschema eine horizontale, pragmatische Achse hinzu: Ausdrücke sind nicht nur Instanzen einer abstrakten sprachlichen Struktur, die vom Sprachsystem geregelt wird und vom ihm vordefinierte (abstrakte) grammatische, logische und semantische Merkmale – ein semantisches Profil – vererbt bekommt, sondern jeweils auch in einen Aussagekontext eingebunden, der von einer postanalytischen Bedeutungstheorie zu analysieren ist, um die konkreten grammatischen, logischen und semantischen Merkmale des Ausdrucks zu bestimmen. Das grammatische, logische und semantische Möglichkeitsfeld wird somit vom Aussagekontext parametrisiert bzw. durch die pragmatisch zu verstehende Aktualisierungsbewegung determiniert; daraus resultiert eine konkrete semantische Charakteristik des Ausdrucks, die sich nicht darauf reduzieren lässt, nur eine vom System vorgesehene Möglichkeit darzustellen, sondern darüber hinaus vom praktischen Kontext festgelegt wird. Ein solcherart verstandener Ausdruck ist somit nicht nur ein besonderes Abbild einer abstrakten Allgemeinheit, sondern zugleich ein individueller „Fall“ in einem konkreten Aussagekontext. Seiner vom Sprachsystem vorgegebenen Charakteristik wird dadurch, dass er eine Aussage verkörpert, ein pragmatischer Index hinzugefügt, und dieser Index gestattet es, eine semantische Bestimmung des Ausdrucks durchzuführen.
Nur im Kontext einer Aussage ist es folglich legitim, vom semantischen Profil eines Ausdrucks zu sprechen, woraus sich auch die prinzipielle Möglichkeit von empirischen Gegenbeispielen in der analytischen Philosophie (die sich aus verschiedenen pragmatischen Situationen, d.h. aktualisierten Aussagekontexten, ergeben) zu semantischen Profilen erklärt. Das Ausgesagtsein ist somit die zwingende, aber leicht zu übersehende Bedingung der Möglichkeit von Semantizität und deren Analyse, wie auch Foucault hervorhebt:
„Der letzte Grund für diese Quasi-Unsichtbarkeit der Aussage ist der, daß die Aussage von allen anderen Analysen der Sprache angenommen wird, ohne daß sie sie je ans Licht bringen müßte. Damit die Sprache als Objekt aufgefaßt, in verschiedene Schichten zerlegt, beschrieben und analysiert werden kann, muß eine ‚Aussagegegebenheit‘ existieren, die stets determiniert und nicht unendlich ist: die Analyse einer Sprache vollzieht sich stets an einem Korpus von Worten und Texten; die Interpretation und das Hervorbringen der impliziten Bedeutung beruhen stets auf einer begrenzten Gruppe von Sätzen; die logische Analyse eines Systems impliziert in der erneuten Schreibung, in einer formalen Sprache, eine gegebene Menge von Propositionen.[…] Daß sie [die Aussage, die Verf.] jedesmal unerläßlich dafür ist, daß die Analyse vorgenommen werden kann, nimmt ihr jede Pertinenz für die Analyse selbst.“ (Foucault 1986: 163)
Daraus folgt sowohl eine Dynamisierung als auch eine Multiplizierung der semantischen Profile: Nicht nur sind semantische Profile einer historisch-pragmatischen Entwicklung unterworfen, die sich in verschieden gearteten Aussagesystemen manifestiert, sondern ein konkreter Ausdruck kann je nach Aussagekontext auch verschiedene semantische Profile einnehmen. Unser Vorschlag geht davon aus, dass eine im Nachhinein erfolgende Beschreibung und Definition sowohl von Aussagekontext als auch semantischem Profil prinzipiell möglich ist, wobei diese Beschreibung über das Wittgensteinsche Zeigen hinausgehen kann; aufzugeben ist jedoch der Universalitäts- und Vollständigkeitsanspruch, wie er mit der Idee einer systematischen reinen Semantik verknüpft ist; das semantische Profil wird schließlich im Rahmen einer pragmatischen Semiologie zur „Post-Struktur“.
Literatur
- Borges, Jorge Luis 2000: Gesammelte Werke in zwölf Bänden. Band 5: Der Erzählungen erster Teil. München: Hanser.
- Deleuze, Gilles 1987: Foucault, Frankfurt am Main: Suhrkamp.Title
- Dummett, Michael 1982: Wahrheit. Fünf philosophische Aufsätze, Stuttgart: Reclam.Title
- Foucault, Michel 21986: Archäologie des Wissens, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
- Frank, Manfred 1984: Was ist Neostrukturalismus?, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
- Frege, Gottlob 1892: „Über Sinn und Bedeutung“, Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, NF 100, 25-50.
- Putnam, Hilary 1979: Die Bedeutung von „Bedeutung“, Frankfurt am Main: Klostermann.
- Wittgenstein, Ludwig 1984: Werkausgabe Band 1: Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1918, Philosophische Untersuchungen, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
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