Zwei Dilemmata – McDowell und Davidson über Sprache, Erfahrung und Welt
Zwei Dilemmata – McDowell und Davidson über Sprache, Erfahrung und Welt

Abstract

In Mind and World formuliert John McDowell ein für die neuzeitliche Erkenntnistheorie charakteristisches Dilemma, wonach diese unablässig zwischen den Polen eines uneingeschränkten Kohärentismus und dem Mythos des Gegebenen pendelt. Als Beispiel für das kohärentistische Horn des Dilemmas nennt McDowell die Position von Donald Davidson. Es wird gezeigt, dass die Behauptung, Davidsons Position führe zum Rückfall in den Mythos des Gegebenen, nicht überzeugt. Die Frage nach dem Verhältnis von Sprache und Welt löst Davidson im Rahmen seines externalistisch eingeschränkten Holismus als Antwort auf ein eigenes Dilemma, das durch einen skeptischen Einwand provoziert wird. Es zeigt sich, dass beide Autoren miteinander unverträgliche Ansätze in rechtfertigungstheoretischen Fragen aber auch hinsichtlich des Zusammenhangs von Erfahrungen und Überzeugungen vertreten.

Table of contents

    1.

    In Mind and World formuliert John McDowell folgendes, für die neuzeitliche Erkenntnistheorie grundlegendes Dilemma: „Entweder besteht man darauf […], daß die Erfahrung nur kausal und nicht rational mit dem empirischen Denken verbunden ist; oder man verfällt […] dem Mythos des Gegebenen und versucht der Erfahrung, die man sich dann als etwas Außerbegriffliches vorstellt, rationale Beziehungen zum empirischen Denken zuzuschreiben“ (McDowell 2001, 87). Als Beispiel für das erste Horn dieses Dilemmas führt er die kohärentistische Position von Donald Davidson an. Sie bietet keinen überzeugenden Ausweg aus diesem Dilemma, sondern lädt dazu ein, in den Mythos des Gegebenen zurückzufallen: „Es gibt nichts, was verhindern könnte, daß das Pendel wieder in die andere Richtung auszuschlagen beginnt. Davidsons Bild stellt unser Denken so dar, als sei es keiner äußeren Kontrolle ausgesetzt, sondern nur einem äußeren kausalen Einfluß“ (ebd., 38).

    Im Folgenden möchte ich zeigen, dass diese Einschätzung nicht zutrifft. Davidsons Kohärentismus nötigt keineswegs zu einer Rückkehr zum Mythos des Gegebenen und ist daher auch kein gutes Beispiel für das kohärentistische Horn des Dilemmas.

    2.

    McDowells Vorgehensweise gegen Davidson ist facettenreich, aber nicht immer leicht zu durchschauen. Das hängt mit dem therapeutischen Ansatz von Mind and World zusammen. Es geht nicht darum, gegnerische Positionen durch Argumente zu widerlegen, sondern eine Sichtweise anzusinnen, die einen Ausweg aus dem Dilemma verspricht. Dazu müssen die Motive ermittelt werden, durch die das Dilemma überhaupt erst aufkommt. Ganz allgemein formuliert geht es um das Verhältnis von Freiheit und Natur. Die neuzeitliche Philosophie ist von der vergeblichen Suche nach einer Antwort auf die Frage getrieben, wie unsere Spontaneität als Begriffe verwendende Wesen den Realitätsbezug von Sprechen und Denken garantieren kann, so dass die Ausübung von Spontaneität als rational kontrolliert erscheint. Kohärenztheorien sind im Lichte dieser Einschätzung „der explizite Ausdruck des deprimierenden Gedankens, daß die Spontaneität des empirischen Denkens keiner externen rationalen Kontrolle unterworfen ist“ (ebd., 39). McDowell sucht einen Ausweg aus dem neuzeitlichen szientistischen Naturalismus. Er ist das Grundübel, auf den der Mythos des Gegebenen sowie der Kohärentismus unzureichende, wenn auch für dieses Grundübel symptomatische, erkenntnistheoretische Reaktionen sind. Beide wollen den Gedanken einer Spontaneität gegenüber rein kausalen Prozessen in der Natur geltend machen. Jedoch scheitern sie daran, dass sie die Motivation für die eigene Theoriebildung nicht reflektieren und damit auf halbem Wege stecken bleiben.

    Auch Davidson unterschätzt die Motive für den Rückzug in den Mythos des Gegebenen. Deshalb kommen seine kohärentistischen Argumente gegen den erkenntnistheoretischen Fundamentalismus, so raffiniert sie im Einzelnen sein mögen, zu spät. Wie kann die Ausübung der Spontaneität die Welt repräsentieren, wenn die Spontaneität keiner rationalen Kontrolle unterliegt? Wie können begriffliche Fähigkeiten in der Sinnlichkeit wirksam sein? Diese Fragen beantwortet Davidson nicht. Er müsste sie aber beantworten, um einen überzeugenden Weg aus dem Dilemma zu weisen.

    Das ist die Grundlinie von McDowells Gedankenführung. Versucht man daraus einen diskutablen Einwand zu destillieren, dann lautet er, dass Davidson nicht erklären kann, wie eine Überzeugung empirischen Gehalt haben kann, der diese Überzeugung rechtfertigt. Davidson manövriert sich in dieses Problem, weil er bestreitet, dass Erfahrung epistemologisch bedeutsam ist. Dass Davidson das bestreitet, ist richtig. Doch folgt daraus wirklich, dass er den empirischen Gehalt von Überzeugungen nicht erklären kann, so dass der Gehalt die Überzeugung rechtfertigt?

    3.

    Man könnte diesen Einwand allgemeiner fassen: McDowell macht geltend, dass man aus dem Dilemma nur herauskommt, wenn man zugesteht, dass Erfahrungen propositional strukturiert sind, also informationsübermittelnd, und epistemologisch bedeutsam sind.

    Genau das bestreitet Davidson. Doch warum bestreitet er es? Weil er einen Ausweg aus einem ganz anderen Dilemma sucht, das durch einen skeptischen Einwand provoziert wird. In Eine Kohärenztheorie der Wahrheit und der Erkenntnis formuliert er es folgendermaßen: „Die Suche nach einer empirischen Grundlage der Bedeutung oder der Erkenntnis führt zum Skeptizismus, während eine Kohärenztheorie außerstande zu sein scheint, dem Überzeugungsträger einen Grund zu nennen, warum, er glauben sollte, daß seine Überzeugungen – sofern kohärent – wahr seien. Wir sitzen fest zwischen einer falschen Antwort an die Adresse des Skeptikers und gar keiner Antwort“ (Davidson 2004a, 249). Was wäre damit gewonnen, fragt Davidson, Erfahrungen einen propositionalen Gehalt zuzusprechen und sie davon ausgehend zu epistemischen Mittlern zwischen Ereignissen und Gegenständen in der Welt auf der einen und Überzeugungen auf der anderen zu erheben? Damit ist gar nichts gewonnen: „Wenn man Zwischenschritte oder Zwischenentitäten wie Empfindungen oder Wahrnehmungen in die Kausalkette einführt, dient das nur dazu, das erkenntnistheoretische Problem offenkundiger zu machen. Denn wenn die Vermittlungsinstanzen nichts weiter als Ursachen sind, dienen sie keineswegs der Begründung der von ihnen verursachten Überzeugungen, während sie dann, wenn sie Informationen liefern, womöglich lügen“ (ebd., 245) Deshalb ist Davidsons Begriff der Erfahrung auch ein anderer als derjenige McDowells: Nach McDowell ist Erfahrung „nicht als schlichte Einwirkung eines außerbegrifflich Gegebenen [zu] verstehen, sondern als eine Art von Ereignis oder Zustand, der bereits über begrifflichen Inhalt verfügt. In der Erfahrung erfasst man (man sieht z.B.), daß die Dinge so und so sind“ (McDowell 2001, 33). Davidson spricht dagegen unspezifisch vom „Zeugnis der Sinne“ (Davidson 2004a, 241). Dazu gehören „Sinnesempfindungen, Wahrnehmungen, das Gegebene, die Erfahrung, Sinnesdaten oder eine vorüberziehende Darbietung“ (ebd.). Es ist dabei nicht immer klar, ob und vor allem wie Davidson zwischen Erfahrung ganz allgemein und besonderen Erlebnissen wie Sinnesempfindungen unterscheidet. Da seine Argumentation darauf hinausläuft, eine propositionale Deutung von Erfahrung abzuweisen, schränkt er die Diskussion sogleich konsequent auf Sinnesempfindungen ein. Wenn Erfahrungen nämlich propositional strukturiert wären, könnte nicht sichergestellt werden, dass sie auch wahr sind. Es könnte ja sein, dass sie größtenteils falsch sind, womit dem Skeptizismus Tür und Tor geöffnet würden. Nimmt man also an, dass Erfahrungen propositionalen Gehalt haben und gleichzeitig epistemologische Grundlage unseres Systems von Überzeugungen sind, dann bliebe die Möglichkeit, dass diese Erfahrungen falsch und damit unsere Überzeugungen nicht mehr gerechtfertigt sind: „Da wir nicht dazu imstande sind, Vermittlungsinstanzen auf Wahrhaftigkeit zu vereidigen, sollten wir keine Vermittlungsinstanzen zwischen unseren Überzeugungen und deren Gegenstände in der Welt zulassen. Freilich gibt es kausale Vermittlungsinstanzen. Das wovor wir uns hüten müssen, sind epistemische Vermittlungsinstanzen“ (ebd., 245).

    Es sieht so aus als hätte diese Erinnerung an die Motive für Davidsons Kohärentismus McDowells Einwände nur bestätigt: Um dem skeptischen Einwand zu entgehen, schlägt Davidson vor, genau jene Konjunktion aufzugeben, nämlich dass Erfahrungen propositional strukturiert und zugleich epistemologisch bedeutsam sind, von der McDowell behauptet hatte, dass man sie aufrecht erhalten muss, wenn man seinem scheinbar grundlegenderen Dilemma entkommen will. Was McDowell nicht sieht – das sei hier beiläufig angemerkt – ist, dass Davidson die Existenz von Erfahrungen mit propositionalem Gehalt gar nicht bestreiten muss. Sein Kohärentismus wäre damit durchaus verträglich, solange solche Erfahrungen keine epistemologische Bedeutung beanspruchen. Davidson kann deshalb auch bei der Formulierung seines Erfahrungsbegriffs lässiger sein und ihn für seine Zwecke gegen jede phänomenologische Plausibilität auf Sinnesempfindungen einschränken. Erfahrungen mit propositionalem Gehalt würden in seinem kohärentistischen Modell schlicht keine Rolle spielen, vorausgesetzt sie werden nicht als epistemische Zwischenglieder in Anspruch genommen. Es fragt sich daher, ob sich Davidson überhaupt durch McDowells Einwand beunruhigen lassen muss, es sei ein Fehler, den Kontakt zwischen Erfahrung und Wirklichkeit rein kausal zu konzipieren und damit die Grenze zwischen der Erfahrung und dem Raum der Gründe falsch gezogen zu haben. Man muss nun sehen, dass McDowell die Fragestellung unter der Hand von Überzeugungen hin zu Erfahrungen verschoben hat, weil die Motivation für sein Dilemma eine andere ist als die für Davidsons Dilemma.

    4.

    Ich komme auf diesen Punkt am Ende zurück. An dieser Stelle genügt es daran zu erinnern, dass sich McDowells Einwand nicht gegen Davidsons These richtet, wonach nur geistige Zustände mit propositionalem Gehalt epistemologisch bedeutsam sind. Dem stimmt er ausdrücklich zu. Er gesteht sogar zu, dass Davidsons Argument gegen den Skeptiker überzeugend ist. Sein Einwand war, dass Davidson mit seinem Argument zu spät kommt, weil er den empirischen Gehalt von Überzeugungen nicht erklären kann, so dass der Gehalt diese Überzeugung rechtfertigt.

    Dass Davidson mit dem ersten Punkt keine Probleme hat, ist leicht zu zeigen. In dem Aufsatz Empirischer Gehalt schreibt er: „die kausalen Beziehungen zwischen unseren Überzeugungen, unseren sprachlichen Äußerungen und der Welt [liefern] auch die Interpretation unserer Sprache und unserer Überzeugungen [...]. In diesem recht speziellen Sinn ist „Erfahrung“ tatsächlich die Quelle der Erkenntnis. Das ist allerdings ein Sinn, der uns keineswegs dazu ermuntert, eine mentale oder inferentielle Brücke zwischen äußeren Ereignissen und normalen Überzeugungen ausfindig zu machen. Die Brücke gibt es allerdings wirklich – es ist eine kausale Brücke, welche die Sinnesorgane voraussetzt“ (Davidson 2004b, 295). Damit wäre McDowell nicht zufrieden. Zwar gelingt es Davidson zu zeigen, wie Überzeugungen empirisch gehaltvoll sein können. Sein Fehler besteht aber darin, zwischen der Quelle des empirischen Gehalts und der Quelle rationaler Einschränkungen für diesen Gehalt so zu unterscheiden, dass – um es in McDowells kantianisierender Terminologie zu sagen – die Rezeptivität als Quelle des empirischen Gehalts, aber nicht als Quelle für rationale Kontrolle dieses Gehalts erscheint. Genau darauf käme es aber an.

    Daher ist ein Blick auf Davidsons Rechtfertigungstheorie in Sachen Erfahrung erforderlich. Davidsons Plädoyer für den Kohärentismus beruht bekanntlich auf seiner Interpretationstheorie und damit zusammenhängend auf der Annahme, „daß Überzeugungen in ihrem innersten Wesen zur Wahrheit tendieren“ (Davidson 2004a, 265). Diese Wahrheitspräsumtion ist die Grundlage von Davidsons kohärentistischem Argument gegen die skeptische Anfechtung. In einem ersten Schritt wird die Wahrheitsvermutung aus dem richtigen Verständnis der Zuschreibung propositionaler Einstellungen gewonnen. In einem zweiten Schritt wird der daraus resultierende Holismus durch eine externalistische Bedingung eingeschränkt. Man kann einen anderen Sprecher nur verstehen, wenn man ihm überwiegend wahre Überzeugungen im Allgemeinen und über die mit ihm geteilte Umwelt zuschreibt.

    Davidsons Argument, das eine notwendige Bedingung dafür, ein Sprecher zu sein, formuliert, lässt sich folgendermaßen rekonstruieren (vgl. Lepore/Ludwig 2005, 329f.):

    • 1) Ein Sprecher zu sein, heißt für andere Sprecher interpretierbar zu sein
    • 2) Um für andere interpretierbar zu sein, muss man nicht nur überwiegend wahre Überzeugungen im Allgemeinen haben, sondern auch überwiegend wahre Überzeugungen über die eigene Umwelt
    • 3) Daher: Ein Sprecher zu sein, heißt nicht nur überwiegend wahre Überzeugungen im Allgemeinen zu haben, sondern auch überwiegend wahre Überzeugungen über die eigene Umwelt.

    Die allgemeine Wahrheitsvermutung wird dabei auf jede einzelne Überzeugung übertragen, die mit einer signifikanten Teilmenge des gesamten Meinungssystems kohärent ist. Deshalb kann Davidson folgern, dass „die Tendenz zur Wahrheit in der Natur der Überzeugung liegt“ (ebd., 250). Die Rechtfertigung empirisch gehaltvoller Überzeugungen erfolgt demnach holistisch, wobei der Holismus nicht uneingeschränkt ist, sondern an eine externalistische Bedingung geknüpft ist. Die Überzeugungen sollen sich unmittelbar auf eine von Sprecher und Interpret geteilte Welt beziehen: „Die Sprache ist kein Medium, durch das wir hindurchschauen; sie vermittelt nicht zwischen uns und der Welt. Wir sollten die Vorstellung verbannen, die Sprache gleiche in epistemischer Hinsicht den Sinnesdaten und verkörpere das, was wir aufnehmen können, sei aber ihrerseits nur ein Zeichen oder ein Stellvertreter dessen, was draußen existiere [...]. Wir sehen die Welt genauso wenig durch die Sprache, wie wir die Welt durch unsere Augen sehen“ (Davidson 2008, 211). Die Rechtfertigung von Überzeugungen hängt demnach immer auch von der Beschaffenheit der Welt ab, wie sie Interpret und Sprecher zugänglich ist, und nicht nur von den Gründen, die der Interpret für die Zuschreibung einer Überzeugung hat. Genau diese Unterscheidung zwischen Gründen, die nur dem Interpreten zugänglich sind und einer davon unabhängigen Welt, hatte Davidson bekanntlich mit seiner Kritik am dritten Dogma des Empirismus verworfen. Überzeugungen werden in grundlegenden Fällen verursacht durch Gegenstände und Ereignisse in einer Sprecher und Interpret öffentlich zugänglichen Welt. Die holistische Struktur wird zugänglich ausgehend vom externalistisch bestimmbaren empirischen Gehalt von Überzeugungen: „Kommunikation setzt dort ein, wo die Ursachen konvergieren“ (Davidson 2004a, 258)

    McDowell scheint Davidsons Holismus rein inferentiell zu deuten. Anders kann ich mir seinen Einwand, dass Davidsons Kohärentismus zu einem Rückfall in den Mythos des Gegebenen verleitet, nicht erklären. Davidson hat aber alle Mittel, um einem reinen Kohärentismus ohne Weltanschluss zu entgehen. Auch wenn sein Konzept in signifikanten Punkten von demjenigen McDowells abweicht, überzeugt der Einwand daher nicht.

    Davidson verfügt sogar über eine sehr elegante Lösung für die Frage, wie die Wahrheit von Überzeugungen mit ihrer Rechtfertigung zusammenhängt: beides ist gar nicht zu trennen. Diese Verbindung wird bei McDowell aufgelöst. Denn was garantiert die Wahrheit von Überzeugungen, wenn ein epistemisches Subjekt die Erfahrung im Sinne McDowells macht, dass die Dinge so und so sind? Es soll sich das auf der Ebene von Urteilen entscheiden: „Über diese Art von Ding kann man dann z.B. auch ein Urteil fällen“ (McDowell 2001, 33). Die Frage ist hier, welchen Grund es für die Annahme gibt, dass Erfahrungen im Sinne McDowells in analoger Weise zur Wahrheit tendieren wie das Überzeugungen in Davidsons Modell tun.

    Man kann Vorzüge und Nachteile beider Ansätze noch weiter gegeneinander abwägen. Dabei müsste man über rechtfertigungstheoretische Fragen diskutieren sowie über den Zusammenhang von Erfahrung und Überzeugung. Ich habe angedeutet, dass beide Autoren miteinander unverträgliche Ansätze vertreten. Grundsätzlich kam es mir aber lediglich darauf an deutlich zu machen, dass Davidson kein gutes Beispiel für das kohärentistische Horn von McDowells Dilemma ist.

    5.

    Es wird Zeit für ein abschließendes Fazit. McDowell und Davidson entwickeln ihre erkenntnistheoretischen Positionen ausgehend von unterschiedlichen Dilemmata. Die Konfrontation beider Ansätze legt die Vermutung nahe, dass McDowells Dilemma durch eine ganz andere Frage als dasjenige Davidsons motiviert ist: Es ist die Kritik am unverblümten Naturalismus. Das wird insbesondere in den letzten drei Vorlesungen von Mind and World deutlich. Auch Davidson wird dort noch einmal thematisch, dieses Mal sein anomaler Monismus als Antwort auf Versuche einer „unverblümt naturalistischen Zähmung dessen, was praktisch die Idee der Spontaneität ist“ (ebd. 99). Die Diskussion verschiebt sich auf die Ebene der Philosophie des Geistes und möglicher Rationalitätskonzeptionen sowie deren Verhältnis zum Naturalismus. Die Konfrontation von McDowell und Davidson müsste also hier ansetzen.

    Bemerkenswert ist allerdings, dass McDowell das damit aufgeworfene Problem nicht als ein ontologisches, sondern als ein ideologisches bezeichnet (ebd., 103 Fn. 8). Wenn das so wäre, bestünde – zumindest dann, wenn man McDowells ideologische Sorgen nicht teilt – auch kein Grund, sich vor seinem Dilemma zu fürchten. Doch auch dann, wenn man diese Sorgen teilt, ist die Frage nach dem Umgang mit Herausforderungen des Naturalismus durch McDowells Antworten keineswegs endgültig geklärt.

    Literatur

    1. Davidson, Donald 2004a „Eine Kohärenztheorie der Wahrheit und der Erkenntnis“, in: Ders., Subjektiv, intersubjektiv, objektiv, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 233-269.
    2. Davidson, Donald 2004b „Empirischer Gehalt“, in: Ders., Subjektiv, intersubjektiv, objektiv, a.a.O., 270-296.
    3. Davidson, Donald 2008 „Durch die Sprache sehen“, in: Ders., Wahrheit, Sprache und Geschichte, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 206-228.
    4. Lepore, Ernie and Ludwig, Kirk 2005 Donald Davidson. Meaning, Truth, Language and Reality, Oxford: OUP
    5. McDowell, John 2001 Geist und Welt, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
    Jens Kertscher. Date: XML TEI markup by WAB (Rune J. Falch, Heinz W. Krüger, Alois Pichler, Deirdre C.P. Smith) 2011-13. Last change 18.12.2013.
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