ein Kommentar mit Wittgenstein
Abstract
Adornos Konzept der mimetischen Verhaltensweise gehört zu den kanonischen Darstellungen des Mimesisbegriffs und schlägt einen Bogen von Anthropologie, Erkenntnis-theorie, kritischer Gesellschaftstheorie und Ästhetik. Seit 2009 liegt Adornos Ästhetik-Vorlesung vom Wintersemester 1958/59 vor und bietet fruchtbare Ergänzungen zum Verständnis dieses Konzepts. In der Kunst sieht Adorno die Möglichkeit, die geschichtliche Entzweiung des ursprünglich mimetisch-bildhaften Namens in abstraktes Zeichen einerseits und nachahmendes Abbild andererseits aufzuheben. Aus der Sicht von Wittgensteins Spätphilosophie bleiben in diesem Ansatz jedoch zentrale Aspekte menschlichen Ausdruckshandelns ausgespart. Anhand des Konzepts mimetischer Verhaltensweise lassen sich sowohl deutliche Parallelen wie auch tiefe Differenzen beider Denker aufzeigen.
Table of contents
Vermutlich wäre Adorno sich auf einem Wittgenstein-Symposium deplaziert vorgekommen. Nicht nur, dass eine sprachphilosophische Vorgehensweise ihm selbst zeitlebens fremd geblieben ist. Gerade Wittgenstein wird bei Adorno äußerst selten und wenn, dann ausschließlich als vermeintlich szientistischer Vertreter des logischen Positivismus erwähnt. Anscheinend hat Adorno die philosophische Entwicklung Wittgensteins seit den 1930er Jahren nicht zur Kenntnis genommen.
In der Forschungsliteratur wurden inzwischen theoretische Parallelen beider Denker herausgearbeitet, die den vorherrschenden Eindruck bedeutsamer Unterschiede ergänzen. Albrecht Wellmer hat drei gemeinsame Punkte zwischen Adorno und Wittgenstein benannt: „Drei für ihre Philosophie zentrale Gemeinsamkeiten fallen ins Auge: die Obsession durchs Nicht-Identische, die mit Kritik am Szientismus aufs engste zusammenhängt, die Obsession durch das Problem der Darstellung und schließlich der Gestus radikaler Kritik gegenüber der Entwicklung der modernen Kultur.“ (Wellmer 1991, S. 141) Den gemeinsamen Grundzug der Kulturkritik lasse ich hier beiseite. Die beiden anderen Punkte – Obsession durchs Nichtidentische und Szientismuskritik einerseits und Obsession durch das Problem der Darstellung andererseits – sind im hiesigen Zusammenhang von größerem Interesse. Bei Adorno sind beide Punkte eng mit seinem Konzept von Mimesis verknüpft und dies wirft die Frage auf, ob sich die Parallelität mit Wittgenstein in diese Richtung fortführen lässt, bzw. wie Adornos Konzept von Mimesis aus der Perspektive von Wittgensteins späterer Philosophie zu beurteilen wäre.
Ich möchte hier den gängigen erkenntnistheoretischen Diskussionsrahmen von Adornos Mimesiskonzept – also etwa das „Nichtidentische“ als Reflexionsbegriff auf die Grenzen des Begrifflichen – in den Hintergrund treten lassen und stattdessen den praktischen Aspekt betonen, der in Adornos Rede von einer „mimetischen Verhaltensweise“ zu finden ist. Dies bietet sich auch durch eine neue Textlage an: Während Adornos Mimesiskonzept bisher primär im Rahmen der Dialektik der Aufklärung (DdA) und der Ästhetischen Theorie diskutiert wurde (Lima 2002, Gebauer/Wulf 1992), möchte ich hier eine Ergänzung durch Adornos Vorlesung zur Ästhetik vom Wintersemester 1958/59 vornehmen, die 2009 – herausgegeben von Eberhard Ortland – im Rahmen der Gesamtausgabe erschienen und damit der Forschung neu zugänglich geworden ist (Nachgelassene Schriften, Abt. IV, Bd. 3, im Folgenden: VÄ). Die dortigen Überlegungen zum mimetischen Verhalten führen in einer sehr klaren Sprache über die DdA hinaus und bündeln bereits wichtige Themen der monumentalen und voraussetzungsreichen Ästhetischen Theorie.
Zunächst einige klärende Anmerkungen zum Konzept mimetischen Verhaltens bei Adorno. In der allgemeineren Forschung zum Konzept „Mimesis“ werden drei unterschiedliche Begriffe diskutiert, die ich hier mit drei unterschiedlichen Ausdrücken kennzeichnen will: Erstens die „Nachahmung von Objekten“ im Sinne der (künstlerischen) Darstellung von realen Gegenständen. Solche Nachahmung von Objekten betrieb etwa die Malerei der Renaissance und strebte nach dem Ideal der Vollkommenheit als „Verwechselbarkeit“ von Darstellung und dargestelltem Gegenstand. In VÄ grenzt sich Adorno hiervon ab: „Kunst ist zwar Nachahmung, aber nicht Nachahmung eines Objektes, sondern ein Versuch, durch ihre Gestik und ihre gesamte Haltung einen Zustand wiederherzustellen, in dem es eigentlich die Differenz von Subjekt und Objekt nicht gegeben hat […].“ (VÄ, S. 70) Bei Adorno bedeutet mimetisches Verhalten also nicht Nachahmung im Sinne der künstlerischen Darstellung von realen Gegenständen.
Zweitens wird in der philosophischen Ästhetik Mimesis als imitatio diskutiert, als Nachahmung klassischer Vorbilder. Bis in die Neuzeit galten etwa die attischen Tragödien als Höhepunkt dramatischer Dichtung und waren strikt zu imitieren. Wer Adornos Eintreten für die jeweils avancierteste Musik kennt, der vermutet wahrscheinlich schon richtig: Der klassische Begriff der imitatio gehört nicht zu Adornos Konzept des „mimetischen Verhaltens“. Tatsächlich könnte man die imitatio als einen kontradiktorischen Gegensatz dazu bezeichnen, denn mimetisches Verhalten kann gerade erst in der Ablehnung vorgegebener formaler Schemata angenommen werden.
Ein dritter Sinn von Mimesis wird häufig anhand des Erziehungsplanes im zweiten und dritten Buch von Platons Der Staat illustriert (376d ff.). Mimesis meint dort etwa „szenische Darstellung ohne Erläuterung des Dichters“ (Koller 1980, S. 1396) und lässt sich der eigentlichen Erzählung gegenüberstellen. Dies scheint mir im Wesentlichen die von Adorno gemeinte Verwendung zu treffen. Sie harmoniert sowohl mit der historischen Periodisierung „mimetischer, mythischer, metaphysischer Verhaltensweisen“ aus der DdA (DdA, S. 37), als auch mit der dortigen Feststellung, schon der Mythos sei ein Stück rationalisierende Aufklärung, insofern er als Erzählung die mimetische Verhaltensweise gegenüber dem Unbekannten, dem Mana ablöse, das Inkommensurable wegschneide und so das Prinzip der Immanenz einsetze (DdA, S. 18 f.).
In der DdA findet Adorno das Modell mimetischen Verhaltens in der vormythologischen Zeit von Animismus und Magie. Statt sich die Welt durch das Identitätsprinzip zu unterwerfen, mache der Schamane sich den Dämonen ähnlich, um sie zu bannen (DdA, S. 15). Gegenüber der Herrschaft des Allgemeinen, welches in der industrialisierten Welt die Menschen zu austauschbaren Exemplaren einer Gattung mache, habe es in der Magie „spezifische Vertretbarkeit“ gegeben (DdA, S. 16). Hier situiert Adorno auch erste Sprachpraxis: „Der Ruf des Schreckens, mit dem das Ungewohnte erfahren wird, wird zu seinem Namen.“ (DdA, S. 21) Hinsichtlich des Beginns begrifflichen Denkens mag man darin eine Art dialektische Interjektionstheorie des Sprachursprungs erblicken: Ding und Name treten demnach überhaupt auseinander, weil der ursprüngliche Name erschreckter Ausruf angesichts der unbegreiflichen Übermacht der Natur ist. Dabei hat er zunächst – wie Adorno sagt – „Bildcharakter“, weil sich der Ausrufende dem Unbegriffenen durch Ähnlichwerden zu bemächtigen sucht. Ikonographie und Onomatopoesie scheinen mir die Phänomene zu sein, die Adorno hier im Sinn hat. In der Geschichte habe sich dieser mimetisch-bildhafte Name aufgeteilt in kalkulierbares, abstraktes Zeichen im Rahmen der Wissenschaft einerseits und bloß noch nachahmendes Abbild in den Künsten andererseits (DdA, S. 23 f.). Große Kunst halte nun das magische Erbe, das verlorene mimetische Verhalten fest und könne die Entzweiung in modifizierter Form wieder aufheben – dies meint Adorno mit Kunst als Wiederherstellung eines Zustandes. Im Kunstwerk, das sich ja nach Adorno als eine abgeschlossene Sphäre der Eigengesetzlichkeit konstituiert, kann die Welt oder der historische Prozess wieder für das Unbekannte, Unbegriffene geöffnet werden. Diese Öffnung für das wirklich konstitutiv Neue begründet den innovativen Impetus des Mimesiskonzeptes im Gegensatz zu Nachahmung oder imitatio.
Obwohl der Künstler das Unbegriffene nicht bannen wolle, sei sein Werk doch ein mimetischer Ruf des Schreckens, ein „Echo der realen Übermacht der Natur“. Eindrucksvoll hat Adorno dieses Kunstverständnis in der Philosophie der neuen Musik durchgeführt. Dort steht die Phase des atonalen Expressionismus Schönbergs für eine solche Wiederkehr der Natur in der Kunst, unüberhörbar in den auskomponierten Schreckensrufen des Monodrams Erwartung, das in der konsequenten Absage an formale Schemata musikalische Besonderheit realisiert. Erst in der Übersteigerung des Espressivo bei Schönberg um 1908, in der kompositorischen Umsetzung des Einbekennens, dass sich das reale Leiden – oder das Leiden am Realen – einfach nicht mehr adäquat in Dur oder Moll ausdrücken lässt, wird das musikalische Material schließlich feinkörnig genug, um Natur authentisch im Kunstwerk wiederkehren zu lassen.
Die Konzeption des mimetischen Verhaltens hat sich in der VÄ also anscheinend nicht verändert – die weist lediglich eine erhellende Dichte auf. Über den historischen Blick der DdA hinaus hat Adorno hier seine Überlegungen zum mimetischen Verhalten noch weiter in die menschliche Frühgeschichte zurückverfolgt. Er spricht dort von der wichtigen evolutionsbiologischen Rolle der Mimikry, also der unmittelbaren Nachahmung für die Vorgeschichte noch vor Magie und Animismus (VÄ, S. 68), die laut der DdA noch „im Dunklen“ lag (DdA, S. 27). Mit Bezug auf Karl Groos deutet Adorno sogar Ursprünge im tierischen Mimetismus an (VÄ, S. 74) – eine Theorie die heute noch durchaus von Biomusikologen diskutiert wird (Mithen 2006, Donald 1991).
Zusätzlich wird in der VÄ deutlich, dass Kunst als Refugium der unterdrückten Natur nicht nur durch ihre Existenz eine Begrenzung des Realitätsprinzips verspricht, sondern gelegentlich, in geglückten ästhetischen Augenblicken, in der Lage ist, durch das Ausrufen des Namens ebendiese unterdrückte Natur herbeizurufen, zu beschwören oder ihr zur Stimme zu verhelfen (VÄ, S. 80 f.). Darin liegt wiederum ein Stück Naturbeherrschung, das Adorno als Komplement zum mimetischen Ausdruck im Kunstwerk betrachtet hat: „Die Spannung zwischen diesen beiden Momenten, also der Gedanke, durch fortschreitende Beherrschung der Natur dieser zugleich zu ihrer Freiheit zu verhelfen, das ist die Spannung, die den künstlerischen Prozess eigentlich ausmacht, das heißt, den Sinn des Kunstwerks überhaupt definiert.“ (VÄ, S. 85) Dieser Gedanke war in der DdA nicht ausgeführt.
Was hätte nun Wittgenstein zu all dem zu sagen gehabt? Nach allem was man weiß, hat Wittgenstein die „Wiederkehr der Natur in der Kunst“ um 1910, etwa in Gestalt des musikalischen Expressionismus nicht gerade gutgeheißen. Und auch das „Glück der Dissonanz“, von dem Adorno sprach (VÄ, S. 66), konnte Wittgenstein bei einer Aufführung der in dieser Hinsicht ja sehr glückvollen Salome von Richard Strauss nicht zum Bleiben bewegen. Abgesehen von solchen musikalischen Vorlieben spielte aber auch der ganze historisch-anthropologische Denkrahmen in Wittgensteins Philosophie keine vergleichbar zentrale Rolle. Immerhin trifft sich Wittgensteins Kritik in den Bemerkungen über Frazers ‚The Golden Bough’ mit Adornos Ansatz darin, dass schlichte Wissenschaftsgläubigkeit und die damit einhergehende Abwertung etwa von Magie als „Irrtum“ in ihrer Naivität entlarvt werden. Mir kommt es hier aber auf einen anderen Punkt an: Einer der zentralen Topoi von Wittgensteins Philosophie – die geteilte Lebensform, bzw. die „gemeinsame menschliche Handlungsweise“ oder einfach: das Alltägliche – kommt in Adornos Überlegungen zum mimetischen Verhalten seltsamerweise nicht vor.
Im Rahmen von Wittgensteins Spätphilosophie wird ja in unzähligen Beispielen und Perspektivwechseln auf die Auffassung hingearbeitet, dass das Beherrschen einer Sprache das Erlernen vieler gemeinsamer Sprachspiele beinhaltet und letztlich praktisch in einer Lebensform wurzelt (PU 7, 23, 150, 241’). Die soziale Dimension dieses Vorgangs wird in der Forschung üblicherweise durch den Ausdruck „Institution“ betont, der eine in einer Gemeinschaft etablierte Handlungsweise meint. Dem entspricht auch Wittgensteins methodischer Hinweis, die Bedeutung von Ausdrücken zu klären, indem die sie einbettenden Handlungskontexte rekonstruiert werden, in denen sie gelernt wurden.
Für das Hineinwachsen in eine Kultur ist nun tatsächlich eine Form mimetischen Verhaltens zentral: die Fähigkeit, in hohem Maße die vielfältigen und zunächst ja unbekannten kulturellen Praktiken anzunehmen. Jüngere Studien im Bereich der evolutionären Anthropologie – etwa von Michael Tomasello – haben gezeigt, dass sich gerade menschliche Kinder etwa gegenüber Schimpansen durch enorme Fähigkeiten zur Nachahmung auszeichnen (Tomasello 2000, S. 77 ff.). Dies scheint eine wichtige Voraussetzung zu sein, um an der Komplexität unserer Lebensform teilnehmen zu können. Zugegebenermaßen scheint dieser Begriff von mimetischer Teilnahme zunächst mehr mit der imitatio gemein zu haben, als mit Adornos Konzept des mimetischen Verhaltens. Die von Adorno betonte Grundstruktur – sich selbst dem Unbekannten ähnlich machen, anstatt es auf Bekanntes zu reduzieren – ist dabei jedoch voll erfüllt. Es geht dabei allerdings eher um ein selbsttransformierendes Mitmachen, als um ein mimetisches Benennen.
Vielleicht hat Adorno diese mimetische Enkulturation im Alltäglichen deshalb nicht beachtet, weil sie nicht jene Sondersphäre bildet, die sie vor dem Zugriff der instrumentellen Rationalität sichert. In der VÄ jedoch kommt Adorno auf Zusammenhänge zu sprechen, welche eine weniger strikte Deutung stützen, als sie in der DdA vorzuherrschen scheint. In VÄ leitet er die Abgeschlossenheit von Kunstwerken nicht lediglich aus der Magie und dem Tabu ab, sondern vergleicht sie auch mit dem Spiel. Dabei geht es ihm nicht um einen weiten Spielbegriff im Sinne Wittgensteins, sondern um einen engeren Spielbegriff, wie er von Karl Groos, Josef Huizinga oder schon früher von Friedrich Schiller verwendet wurde. Die Unterscheidung von Kunst und Spiel begründet Adorno dort ein weiteres Mal durch den „Bildcharakter“ im Rahmen des mimetischen Verhaltens, welches der Kunst, nicht aber dem Spiel zukomme. Diese strikte Unterscheidung abschwächend kommt er nebenbei auf mimetisches Verhalten in Kinderspielen zu sprechen: „[E]s gibt unzählige Spiele, die ebenfalls mimetischen Charakter haben, also etwa die Kinderspiele, wo ein Kind eine Lokomotive ist, ein Konditor oder ein Flugzeug […].“ (VÄ, S. 74) Adorno ist aber nicht dem Gedanken gefolgt, dass gerade diese oder ähnliche Spiele mit mimetischem Charakter wesentliche Elemente sein könnten, mit denen Kinder in die Komplexität der kulturellen Formen und Lebensweisen hineinwachsen. Darin könnte ebenso gut eine primäre Verhaltensweise liegen, welche von der Kunst im Erwachsenenleben bewahrt wird. Eine solche Hypothese wäre zumindest nicht schwieriger zu überprüfen als etwa die Theorie eines magischen Ursprungs der Kunst oder einer dialektischen Interjektionstheorie der Benennung.
Noch dichter an Adornos Konzeption der mimetischen Verhaltensweise scheint Wittgenstein zu rücken, wenn er – wie aus den Mitschriften zu den Lectures on Aethetics hervorgeht – einen Zusammenhang zwischen ästhetischen Interjektionen wie „schön“ und den einbettenden Handlungskontexten herstellt, in denen sie erlernt werden: „One thing that is immensly important in teaching is exaggerated gestures and facial expressions. The word is taught as a substitute for a facial expression or a gesture.“ (Wittgenstein 1997, S. 2) Auch in den Philosophischen Untersuchungen spricht Wittgenstein davon, wie wir Mimik und Gestik einsetzen, wenn wir etwas sprachlich besonders genau zum Ausdruck bringen wollen (PU 552), dass musikalischer Ausdruck der Mimik vergleichbar sei (PU 536) und wie ähnlich das Verstehen eines Satzes dem Verstehen einer musikalischen Phrase sei (PU 527). Ein wichtiger Aspekt dessen scheint mir Wittgensteins „expressive Sprachauffassung“ zu sein, nach welcher ein ursprünglicher Ausdruck – etwa der Schmerzschrei – durch einen anderen ersetzt wird – etwa durch den Satz „Ich habe Schmerzen“. Dieser übernimmt die Rolle des vorigen Schreiens im Sprachspiel und ist nicht etwa als eine Beschreibung des Schmerzes aufzufassen, sondern als sein Ausdruck.
Wenn man sich vom Vorurteil einer identitätslogischen Auffassung von Sprache befreit, kann man die „Wiederkehr der Natur in der Kultur“ also nicht nur in der Kunst, sondern überall im Alltäglichen entdecken. Dort zeigen sich nämlich auch unbestimmter Wandel und Offenheit für das Besondere jenseits eines linearen Fortschrittsmodells, welches identitätslogisch Gleise ins Unendliche legt. Auch nach der wittgensteinschen Therapie mag man Adornos Diagnose zustimmen, dass unsere Kultur mit Schematismen überladen ist, die wirklich Neues tendenziell ausschließen. Bei aller Hochschätzung neuer Kunst scheint es jedoch vermessen, die Fürsprache fürs Unterdrückte der Kunst allein zuzutrauen.
Literatur
- Adorno, Theodor W. 2009 Ästhetik (1958/59), in: Nachgelassene Schriften, Abt. IV: Vorlesungen, Bd. 3, Frankfurt/M.: Suhrkamp
- Adorno, Theodor W. 1997 Philosophie der neuen Musik, in: Gesammelte Schriften, Bd. 12, Frankfurt/M.: Suhrkamp
- Donald, M. 1991 Origins of the Modern Mind, Cambridge/MA: Harvard Univ. Press
- Gebauer, Gunter/Wulf, Christoph 1992 Mimesis. Kultur – Kunst – Gesellschaft, Reinbek: Rowohlt
- Horkheimer, Max/Adorno, Theodor W. 1993 Dialektik der Aufklärung, Frankfurt/M.: Fischer
- Koller, H. 1980 „Mimesis“, in: Ritter, Joachim (Hg.) 1980 Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 5, Basel u.a.: Schwabe
- Lima, Luiz Costa 2002 „Mimesis/Nachahmung“, in: Barck, u.a. (Hg.) 2002 Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 4, Stuttgart: Metzler, S. 84-121
- Mithen, Steven 2006 The Singing Neanderthals. The Origins of Music, Language, Mind and Body, London: Phoenix
- Tomasello, Michael 2000 The Cultural Origins of Human Cognition, Cambridge/MA u.a.: Harvard Univ. Press
- Wellmer, Albrecht 1991 „Ludwig Wittgenstein. Über die Schwierigkeiten einer Rezeption seiner Philosophie und ihre Stellung zur Philosophie Adornos“, in: McGuiness, Brian u.a. (Hg.) 1991 „Der Löwe spricht ... und wir können ihn nicht verstehen“, Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 138-148
- Wittgenstein, Ludwig 1997 Lectures & Conversations on Aethetics, Psychology and Religious Belief, Berkley u.a.: Univ. of California Press
- ––– 1984 Philosophische Untersuchungen, in: Werkausgabe, Bd. 1, Frankfurt/M.: Suhrkamp
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