Metapher als Entzug – Metapher als Gabe: Wittgenstein mit Blumenberg lesen?

Matthias Kroß

Abstract


Das Geheimnis der Metapher(n) hat sich mittlerweile zu einem Gespenst der Philosophie entwickelt. Trotz zahlreicher Versuche ihrer Hegung durch Theoretisierung entzieht sich die Metapher doch hartnäckig der philosophischen Analyse und Reduktion. Es liegt daher nahe, sie mit Blumenberg als Konstituens nicht nur der menschlichen Sprache zu fassen, sondern zugleich auch das, wofür die Metapher sprachlich steht, als Metapher für das menschliche In-der-Welt-sein selbst zu nehmen. Das Über-tragen wird auf diese Weise zum Absehen von den Fundierungen des menschlichen Weltbezugs, zu einer sprachlich-konzeptionelle Invention zur strategischen Wirklichkeitsvermeidung. Die Metapher wird damit zu einem nachgerade gespenstischen Wesen, nämlich einem Figur des Widergängers, der kraft seiner Anwesenheit die unheimliche Abwesenheit der Wirklichkeit in ständiger Präsenz hält und auf diese Weise den epochalen phänomenologichen Riss des Weltverhältnisses des Menschen nicht zu heilen vermag. Demgegenüber eröffnet Wittgensteins Sprachkonzeption die Möglichkeit, die Metapher in ihrer gespenstischen Paradoxalität als konstitutives Moment der menschlichen Selbstverständigung über Welt aufzufassen. Sie ist daher als eine weltstiftende Gabe der Sprache zu betrachten, durch die das Paradox des wirklichkeitsvermeidenden Weltbezugs sich allererst formulieren lässt. Die zu diskutierende These ist, ob in dieser Qualität der Metapher nicht jenes Mystische zu verorten ist, das den jungen Wittgenstein der Abhandlung umgetrieben hat und das uns zu der Einsicht verhelfen könnte, dass Am Anfang die Metapher war. Aber anders als Blumenberg, der seine Metaphorologie mit Rücksicht auf die Lebenswelt in pragmatisch-anthropologischer Absicht entwickelte, wird das Postulat von der Vorgängigkeit der Metapher beim späten Wittgenstein eben nicht pragmatisch, sondern praxeologisch gestützt und therapeutisch gegen die Theorie gewendet: Das philosophische Studium der Metapher soll nicht allein belehren, sondern auch heilen – sein phantastisches Kalkül besteht darin, zugleich Trost fürPhilosophie und Trost durch Philosophie zu spenden – consolatio philosophiae eben.

Keywords


20th century philosophy; philosophy; Wittgenstein Ludwig; culture; language; metaphor; Blumenberg Hans; society

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