Abstract
Diese Arbeit ist Wittgensteins "Diktat für Schlick" gewidmet. Im ersten Teil erläutere ich den biographischen und werkgeschichtlichen Hintergrund dieses Diktates. Kapitel I.1 besteht aus einer Sammlung biographischer Angaben und Beschreibungen zu Wittgensteins Verhältnis zu Schlick, Waismann und zum Wiener Kreis, die teils schon bekannt sind, mir aber doch wert schienen, in diesem Rahmen noch einmal zusammengefaßt zu werden. In Kapitel I.2 gehe ich darauf ein, in welchem Verhältnis Wittgensteins Diktate zu seinen Veröffentlichungsvorhaben stehen. Dazu liegen meines Wissens noch kaum wissenschaftliche Arbeiten vor. Die Forschungen, die hier allerdings notwendig wären, sind so umfangreich, daß meinen diesbezüglichen Ausführungen eher der Charkter von Anregungen oder Hinweisen zukommt. Die Diktate bilden in Wittgensteins Nachlaß überhaupt eine Textgruppe, der noch vergleichsweise wenige Forschungsarbeiten gewidmet sind, und so gebe ich in Kapitel I.3 einige weitere Hinweise zu Möglichkeiten und Schwierigkeiten einer genaueren Eingrenzung und Erforschung dieser Textgruppe im Kontext des Wittgenstein-Nachlasses. Der zweite Teil dient einer genaueren werkgeschichtlichen Einordnung des "Diktats für Schlick". In Kapitel II.1 stelle ich zunächst eine stilistische Charakterisierung des Stückes vor. In Kapitel II.2 gebe ich die wenigen Kommentare und Hinweise zur Datierung des "Diktats für Schlick" wieder, die ich vor allem bei Georg Henrik von Wright und Brian McGuinness finden konnte. Meine eigenen Forschungsergebnisse stelle ich in Kapitel II.3 vor. Sie betreffen die Person des Notanten und die Datierung des Stücks. Da das Diktat selbst keine Datierung enthält, habe ich es mit einer Reihe anderer Manuskripte und Texte Wittgensteins verglichen. Ich möchte die Ergebnisse dieses Vergleichs hier auch deshalb vorstellen, weil sie für Untersuchungen des einen oder anderen angrenzenden Stücks des Nachlasses nützlich sein können, und weil sie in dem verzweigten Netz von Wegen der Schriften Wittgensteins einige Wegmarken hinzufügen. Im dritten Teil diskutiere ich schließlich Wittgensteins Bemerkungen "zu Heidegger". Eine Bemerkung Heideggers zu Wittgenstein stelle ich im Kapitel III.1 vor. Die erste Bemerkung Wittgensteins zu Heidegger findet sich bekanntlich in Waismanns Gesprächsaufzeichnungen, die in Wittgenstein und der Wiener Kreis veröffentlicht wurden; die zweite findet sich im "Diktat für Schlick". Sie wird hier in Kapitel III.2 zitiert. Was die Interpretation dieser wechselseitigen Bezugnahmen angeht, die eine eigene Arbeit wert ist, lasse ich es bei einigen wenigen Hinweisen bewenden.
Table of contents
- I Zur biographischen und werkgeschichtlichen Vorgeschichte des Diktats
- II Zur genaueren werkgeschichtlichen Einordnung des Diktats
- III Wittgenstein und Heidegger
Diese Arbeit ist Wittgensteins "Diktat für Schlick" gewidmet. Im ersten Teil erläutere ich den biographischen und werkgeschichtlichen Hintergrund dieses Diktates. Kapitel I.1 besteht aus einer Sammlung biographischer Angaben und Beschreibungen zu Wittgensteins Verhältnis zu Schlick, Waismann und zum Wiener Kreis, die teils schon bekannt sind, mir aber doch wert schienen, in diesem Rahmen noch einmal zusammengefaßt zu werden. In Kapitel I.2 gehe ich darauf ein, in welchem Verhältnis Wittgensteins Diktate zu seinen Veröffentlichungsvorhaben stehen. Dazu liegen meines Wissens noch kaum wissenschaftliche Arbeiten vor. Die Forschungen, die hier allerdings notwendig wären, sind so umfangreich, daß meinen diesbezüglichen Ausführungen eher der Charkter von Anregungen oder Hinweisen zukommt. Die Diktate bilden in Wittgensteins Nachlaß überhaupt eine Textgruppe, der noch vergleichsweise wenige Forschungsarbeiten gewidmet sind, und so gebe ich in Kapitel I.3 einige weitere Hinweise zu Möglichkeiten und Schwierigkeiten einer genaueren Eingrenzung und Erforschung dieser Textgruppe im Kontext des Wittgenstein-Nachlasses.
Der zweite Teil dient einer genaueren werkgeschichtlichen Einordnung des "Diktats für Schlick". In Kapitel II.1 stelle ich zunächst eine stilistische Charakterisierung des Stückes vor. In Kapitel II.2 gebe ich die wenigen Kommentare und Hinweise zur Datierung des "Diktats für Schlick" wieder, die ich vor allem bei Georg Henrik von Wright und Brian McGuinness finden konnte. Meine eigenen Forschungsergebnisse stelle ich in Kapitel II.3 vor. Sie betreffen die Person des Notanten und die Datierung des Stücks. Da das Diktat selbst keine Datierung enthält, habe ich es mit einer Reihe anderer Manuskripte und Texte Wittgensteins verglichen. Ich möchte die Ergebnisse dieses Vergleichs hier auch deshalb vorstellen, weil sie für Untersuchungen des einen oder anderen angrenzenden Stücks des Nachlasses nützlich sein können, und weil sie in dem verzweigten Netz von Wegen der Schriften Wittgensteins einige Wegmarken hinzufügen.
Im dritten Teil diskutiere ich schließlich Wittgensteins Bemerkungen "zu Heidegger". Eine Bemerkung Heideggers zu Wittgenstein stelle ich im Kapitel III.1 vor. Die erste Bemerkung Wittgensteins zu Heidegger findet sich bekanntlich in Waismanns Gesprächsaufzeichnungen, die in Wittgenstein und der Wiener Kreis veröffentlicht wurden; die zweite findet sich im "Diktat für Schlick". Sie wird hier in Kapitel III.2 zitiert. Was die Interpretation dieser wechselseitigen Bezugnahmen angeht, die eine eigene Arbeit wert ist, lasse ich es bei einigen wenigen Hinweisen bewenden.
Ich sehe den Zweck dieser Arbeit nicht nur darin, daß hier Thesen und Ergebnisse veröffentlicht werden, sondern genauso auch darin, daß der Leser durch diejenigen Bemerkungen, in denen ich manchmal Zusammenhänge nur angedeutet habe, angeregt wird, sich mit dem einen oder andern erwähnten Aspekt des Wittgensteinschen Werkes selbst näher zu befassen. Die Diktate Wittgensteins fordern übrigens zu weiteren Nachforschungen geradezu heraus. In diesem Sinne ist dieser Text, der auf meinen Forschungen am Wittgenstein-Archiv an der Universität Bergen im Jahre 1994 beruht, ein ’working paper’ und ’work in progress’.
Mein Aufenthalt in Bergen wurde durch einen ERASMUS-Austausch zwischen der Universität Paris VIII, Vincennes ─ Saint-Denis, und der Universitas Bergensis ermöglicht. Die Arbeit verdankt sich somit auch der Unterstützung, die ich von meinen beiden damaligen Betreuern meiner philosophischen Studien auf französischer und auf norwegischer Seite erfahren habe, Herrn Prof. Jacques Poulain und Herrn Prof. Arild Utaker, denen ich dafür hiermit danken möchte. Meine Untersuchungen wären ohne einen mehrmonatigen Gastforschervertrag mit dem Wittgenstein-Archiv in Bergen nicht möglich gewesen, dessen Direktor Claus Huitfeldt ich deshalb besonders zu Dank verpflichtet bin. Ich denke sehr gerne an meinen Forschungsaufenthalt am Wittgenstein-Archiv in Bergen zurück, unter anderem deshalb, weil ich an diesem Archiv eine besondere Verbindung von wissenschaftlicher Forschungsarbeit und inspirierenden, persönlichen Gesprächen und Freundschaften erfahren habe. Ich würde gerne vielen Menschen danken, die mir diesen Aufenthalt so angenehm gemacht haben, beschränke mich hier jedoch verständlicherweise auf diejenigen, die auch dem Archiv nahestanden: Alois Pichler, der mir bei meinen damaligen, oft mühevollen Erkundungen der verschlungenen Wege im Nachlaß
Wittgensteins immer wieder nützliche Orientierungshilfen gegeben und mein Interesse für die Art der Wittgensteinschen Denk- und Schreibarbeit lebhaft geteilt hat; auf seine Anregung hin entstand die Idee, einen wichtigen Teil meiner Forschungsergebnisse in dieser Arbeit zusammenzufassen; Peter Cripps, von dem ich Anregungen nicht nur zu Phänomenen der Transkription, sondern besonders auch aus dem Bereich der Theaterinszenierung und Dramaturgie erhielt; Richard Weihe, mit dem ich viele ausgesprochen anregende Gespräche über die "Dramaturgie des Gedankenspiels" und interdisziplinäre Aspekte des Wittgensteinschen Denkens führen konnte; Peter K. Westergaard, der mir vor allem die oft verborgene Bedeutung ethischer Fragen im Werk Wittgensteins zu erschließen geholfen hat.
I Zur biographischen und werkgeschichtlichen Vorgeschichte des Diktats
I.1 Wittgensteins Verhältnis zu Schlick, Waismann und dem Wiener Kreis
Am 25.12.1924 schreibt Moritz Schlick an Wittgenstein: "Als Bewunderer Ihres tractatus logico-philosophicus hatte ich schon lange die Absicht, mit Ihnen in Verbindung zu treten. (...) Im Philosophischen Institut pflege ich jedes Wintersemester regelmäßig Zusammenkünfte von Kollegen und begabten Studenten abzuhalten, die sich für die Grundlagen der Logik und Mathematik interessieren, und in diesem Kreis ist Ihr Name oft erwähnt worden, besonders seit mein Kollege, der Mathematiker Prof. Reidemeister über Ihre Arbeit einen referierenden Vortrag hielt, der auf uns alle einen großen Eindruck machte. Es existiert hier also eine Reihe von Leuten ─ ich selbst rechne mich dazu ─ die von der Wichtigkeit und Richtigkeit Ihrer Grundgedanken überzeugt sind, und wir haben den lebhaften Wunsch, an der Verbreitung Ihrer Ansichten mitzuwirken."1 Wittgenstein antwortet am 7. 1. 1925 und zeigt sich erfreut über Schlicks Vorschlag, ihn in Ottertal in Niederösterreich zu besuchen, wo Wittgenstein zu dieser Zeit als Dorfschullehrer arbeitet.2 Schlicks akademische Verpflichtungen in Wien mögen dazu geführt haben, daß es zu einer längeren Verzögerung dieses Besuchs kam. Als er im Frühjahr 1926, offenbar ohne vorherige Ankündigung, mit einer Gruppe von Studenten in Ottertal eintraf, hatte Wittgenstein seine dortige Anstellung bereits aufgegeben, den Ort verlassen und eine Hilfsgärtnerstelle in Hütteldorf angetreten.
Zur ersten Begegnung der beiden sollte es schließlich kommen, als Wittgenstein ebenfalls wieder in Wien wohnte. Wittgenstein war dort vom Herbst 1926 an damit beschäftigt, für seine Schwester Margarete Stonborough ein Wohnhaus zu entwerfen. Wie anderen Familienmitgliedern lag Margarete sehr daran, Wittgenstein zur Philosophie zurückzubringen, und am 19. 2. 1927 schrieb sie an Schlick, daß ihr Bruder versuchen wolle, mit ihm logische Probleme zu besprechen.3 Nach Brian McGuinnes haben sich Wittgenstein und Schlick unmittelbar nach diesem Brief zum ersten Mal getroffen.4 Wie Paul Engelmann später berichtete, fand Wittgenstein "in Schlick einen hochstehenden und verständnisvollen Diskussionspartner, wozu auch der Eindruck seiner hochkultivierten Persönlichkeit beitrug."5 Es kam zu einer Reihe von Gesprächen mit Schlick allein, bis Wittgenstein schließlich einwilligte, auch andere Personen in die Gespräche mit einzubeziehen. Einer der ersten dürfte Friedrich Waismann gewesen sein, der seit 1922 Schlicks Assistent und Sekretär war. Doch auch Rudolf Carnap erinnert sich, an den Gesprächen mit Wittgenstein bereits im Sommer 1927 teilgenommen zu haben.6 Durch Moritz Schlick kam Wittgenstein 1927 in Wien also wieder in unmittelbare Berührung mit philosophischen Kreisen. Vor allem mit Moritz Schlick und mit Friedrich Waismann stand Wittgenstein schon über ungefähr zwei Jahre hinweg in persönlichem Kontakt, bevor er 1929 nach England reiste und wieder begann, sich auch der Niederschrift seiner philosophischen Gedanken zu widmen. Waismann scheint vor 1929 keine Gesprächsmitschriften angefertigt zu haben, und so ist über die Themen dieser Gespräche bislang nicht viel bekannt. In Carnaps Autobiographie findet sich allerdings eine kurze allgemeine Beschreibung der damaligen Gespräche, aus der u.a. hervorgeht, daß Wittgenstein es ablehnte, an denjenigen Treffen teilzunehmen, die später als die des Wiener Kreises bezeichnet wurden.7
Im Januar 1929 trifft Wittgenstein in Cambridge ein, im Juni 1929 wird die Logisch-Philosophische Abhandlung an der Universität als Doktorarbeit anerkannt, und Wittgenstein erhält ein Forschungsstipendium. Anfang 1930 beginnt Wittgenstein, in Cambridge akademische Lehrveranstaltungen abzuhalten, und er wird noch im selben Jahr für die Dauer von fünf Jahren zum Research Fellow des Trinity College gewählt. Trotz Wittgensteins akademischer Verpflichtungen in Cambridge bricht der Kontakt zu Schlick und Waismann in Wien keineswegs ab. Regelmäßig nutzt Wittgenstein die vorlesungsfreie Zeit, um von England nach Österreich zurückzukehren, wo er sich ebenso regelmäßig mit Schlick und Waismann trifft.8 Wittgenstein verbrachte regelmäßig die Weihnachts-, die Oster- und die Sommerferien in Österreich, und aus seinen Taschenkalendern läßt sich interessanterweise rekonstruieren, daß er zu Beginn der dreißiger Jahre durchschnittlich etwa ebensoviele Tage pro Jahr in Österreich wie in Cambridge verbrachte.9 Das Jahr 1929 kann somit nicht nur als der Beginn einer neuen und fruchtbaren Arbeitsphase in Wittgensteins Schaffen im allgemeinen angesehen werden, sondern auch als der Beginn intensiver Auseinandersetzungen mit den von Wittgenstein in der Logisch-Philosophischen Abhandlung selbst vertretenen philosophischen Positionen einerseits und mit deren im Umfeld des Wiener Kreises verbreiteten Interpretationen andererseits.
Für den Zeitraum von 1929 bis Mitte der dreißiger Jahre liegen eine Reihe von Texten vor, die Wittgensteins philosophischen Austausch mit Schlick und Waismann dokumentieren. Dabei handelt es sich vor allem um die Gesprächsaufzeichnungen Waismanns und um Diktate, die Wittgenstein Waismann oder Schlick diktiert hat. Aus dem Jahr 1929 stammen auch die ersten Hinweise darauf, daß Wittgenstein Waismanns Absicht, als einen der ersten Bände der Schriftenreihe des Wiener Kreises eine systematische Einführung in Wittgensteins Philosophie zu veröffentlichen, nicht nur wohlwollend gegenüberstand, sondern daß Wittgenstein bei der Verfassung dieses Werkes durch Erläuterungen und Erklärungen selbst aktiv mitwirken wollte.10 Die unter dem Titel Wittgenstein und der Wiener Kreis veröffentlichten Gesprächsaufzeichnungen Waismanns, die ebenfalls noch im Jahr 1929 beginnen, können m. E. in unmittelbarem Zusammenhang mit Waismanns Vorbereitungen für dieses Buchprojekt gesehen werden, obwohl Wittgenstein selbst mindestens ebensosehr daran gelegen war, seine gegenwärtigen Positionen Schlick darzulegen, und obwohl Waismann diese Mitschriften auch, wie man sagen könnte, als "aktuelle Informationsschriften zum Standpunkt Wittgensteins" für den Wiener Kreis verwendet hat.
Wittgenstein stellte sein persönliches Verhältnis zu Schlick und Waismann offensichtlich über das zu der "Denkgemeinde"11 des Wiener Kreises. In Carnaps Autobiographie heißt es: "Von Anfang des Jahres 1929 an wünschte er [Wittgenstein] nur noch mit Schlick und Waismann zusammenzukommen, nicht mehr mit mir oder Feigl, der ihn inzwischen ebenfalls kennengelernt hatte, und schon gar nicht mit dem Kreis."12 Im Sommer 1929 zeigt Wittgenstein in einem Brief an Waismann kritische Distanz gegenüber der "Wiener Schule", wie es bei ihm heißt, und nimmt Schlick gegen den Eindruck der "Großsprecherei" und "der selbstgefälligen Selbstbespiegelung"13 in Schutz, den die Schlick gewidmete, damals geplante Programmschrift "Wissenschaftliche Weltauffassung: Der Wiener Kreis"14 möglicherweise hervorrufen könnte. Diese Veröffentlichung sollte die "Wiener Schule" unter dem Namen "Wiener Kreis" bekannt machen, als sie im September 1929 während der "Ersten Tagung für Erkenntnislehre der exakten Wissenschaften" in Prag verbreitet wurde. Trotz expliziter Vorbehalte gegenüber dieser philosophischen und programmatischen Schulbildung zeigt Wittgenstein aber große Anteilnahme an Waismanns Buchprojekt und akzeptiert es anscheinend sogar, daß Waismann seine Gesprächsaufzeichnungen auch anderen Mitgliedern des Wiener Kreises übermittelt.15 Als Waismann im Sommer 1930 seinen Vortrag "Das Wesen der Mathematik: Der Standpunkt Wittgensteins"16 für die im September in Königsberg stattfindende "Zweite Tagung für Erkenntnislehre der exakten Wissenschaften" vorbereitet, erläutert Wittgenstein ihm ausführlich, was seiner Ansicht nach "in Königsberg zu sagen wäre"17, obwohl über die programmatischen und zum Teil auch dogmatischen Zwecke, die der Wiener Kreis mit dieser Tagung verfolgte, kein Zweifel bestehen konnte. Erst im Jahr 1932 sollte es zu einem Zwischenfall kommen, der zwar nicht das Ende der Zusammenarbeit mit Waismann, aber doch das Ende der Gesprächsaufzeichnungen Waismanns zur Folge hatte.
Gegen Ende des Jahres 1931 veröffentlichte Rudolf Carnap in der Zeitschrift Erkenntnis einen Artikel über "Physikalismus", von dem Wittgenstein allem Anschein nach erst im Juli 1932 erfuhr.18 Brian McGuinness hat darauf hingewiesen, daß die letzten Gesprächsaufzeichnungen Waismanns vom 1. 7. 1932 inhaltlich in direkter Verbindung zu dieser Veröffentlichung stehen.19 Wittgenstein ist über den Artikel so erbost, daß er Carnap im August 1932 über die Vermittlung von Schlick einen Brief zukommen läßt, in dem er Carnap vor allem zweierlei vorwirft: Wittgensteins Argumente ohne Angabe ihrer Herkunft zu übernehmen und diese gleichzeitig ihres eigentlichen Sinnes zu entfremden. Wittgenstein ist sogar der Ansicht, Carnap habe die "bewußte Absicht, die Provenienz der Gedanken zu verhüllen".20 In dem Schlick persönlich beigelegten Schreiben heißt es: "Ich glaube nicht, daß Carnap sich nicht mehr an das Gespräch mit Waismann erinnert, worin dieser ihm meine Auffassung der hinweisenden Definition mitgeteilt hat."21 Wittgenstein lehnt es nunmehr ab, daß Waismann seine Mitschriften anderen Mitgliedern des Wiener Kreises übermittelt, und Waismanns Gesprächsaufzeichungen kommen zu ihrem Ende.
Auch nach diesem Zwischenfall bricht der Kontakt zu Schlick und Waismann aber nicht ab. Im Dezember 1932 trifft Wittgenstein Waismann mehrmals und unterstützt ihn nach wie vor bei der Vorbereitung seiner geplanten Veröffentlichung über Wittgensteins Philosophie. Es ist anzunehmen, daß bei diesen Treffen auch einige Diktate entstanden sind. Ab 1933 scheinen Wittgenstein nun aber für eine gewisse Zeit die Gespräche mit Schlick, der schon immer Wittgensteins persönlich bevorzugter Diskussionspartner war, wichtiger zu werden als die mit Waismann, und Schlick scheint dabei auch eine vermittelnde Rolle im Hinblick auf Waismanns Buchprojekt einzunehmen.22 Dazu heißt es bei McGuinness: "Fortan traf er Schlick ohne Waismann. Im Sommer 1933 verbrachte er [Wittgenstein] mit ihm [Schlick] die Ferien in Italien und unternahm intensive und erschöpfende Diskussionen. Dies scheint er auch während anderer Sommerferien gemacht zu haben. Gelegentlich diktierte er Schlick und dessen Resultat (...) wurde den Nachlaßverwaltern Wittgensteins übergeben."23
I.2 Diktate und Veröffentlichungen
Aus dem eingangs zitierten Brief von Schlick geht hervor, daß ein philosophischer Austausch mit Wittgenstein schon 1924 mit Schlicks "lebhaftem Wunsch" verbunden war, an der "Verbreitung" der Ansichten Wittgensteins mitzuwirken. Wittgensteins philosophischer Einfluß auf Schlick ist zwar rezeptionsgeschichtlich nachweisbar, und so hat das philosophische Werk Schlicks indirekt auch zur Verbreitung des Denkens Wittgensteins beigetragen, doch war es vor allem Waismann, der sich der Verbreitung und der Veröffentlichung der Ansichten Wittgensteins im praktischen Sinne gewidmet hat. Zwischen 1929 und 1932 dienten Waismanns Gesprächsaufzeichnungen, die erst nach seinem Tod unter dem Titel Wittgenstein und der Wiener Kreis veröffentlicht wurden, der Verbreitung von Positionen Wittgensteins im Umfeld des Wiener Kreises, und im weitesten Sinne des Wortes kann auch diese Form der Verbreitung der Gedanken Wittgensteins als "Veröffentlichung" angesehen werden. Waismanns Vortrag aus dem Jahr 1930, der aus nicht genau geklärten Gründen unveröffentlicht blieb24, war explizit der Erläuterung des "Standpunktes Wittgensteins" gewidmet. Sein Buch Logik, Sprache, Philosophie wurde ebenso wie die Gesprächsaufzeichnungen erst postum veröffentlicht, doch hatte Waismann noch zu Lebzeiten mehrere Teile des Buches für Vorträge verwendet und als Zeitschriftenartikel publiziert, und er hat an diesem Buch viele Jahre seines Lebens mit dem Ziel einer baldigen Veröffentlichung gearbeitet.
In gewissem Sinne kann Wittgenstein sowohl im Falle der Gesprächsaufzeichnungen als auch während der gemeinsamen Vorbereitung des Buches als Autor oder Mitautor angesehen werden. Im Falle der Gesprächsaufzeichnungen notierte Waismann Wittgensteins mündliche Rede, und an der Verfassung des Buches hatte sich Wittgenstein vor allem durch Diktate, aber auch durch Erläuterungen, Diskussionen und wiederholte Revision und Korrekturen Waismannscher Texte intensiv beteiligt. Wittgenstein stellte Waismann sogar seine eigenen Manuskripte zur Verfügung. So handelt es sich hierbei mit gewissen Einschränkungen also auch um Veröffentlichungsvorhaben Wittgensteins. Gleichzeitig können aber die Gesprächsaufzeichnungen und das Buch auch als Schriften Waismanns angesehen werden, der beim Redigieren und bei der Strukturierung der Materialien die Hauptrolle spielte und eigene Texte hinzufügte. Die Materialien zu Logik, Sprache, Philosophie wurden allerdings nach dem Ende der Zusammenarbeit mit Wittgenstein Mitte der dreißiger Jahre von Waismann noch so umfangreich überarbeitet, daß es gerechtfertigt erscheint, dieses Buch eher als sein eigenes Werk zu bezeichnen.25 Bevor ich auf drei wichtige Diktate Wittgensteins aus den Jahren 1933 bis 1935 eingehe, möchte ich Wittgensteins Zusammenarbeit mit Waismann kurz in den Kontext der Entwicklungsgeschichte des Wittgensteinschen Werkes stellen.
Während Waismann ursprünglich den "tractatus logicophilosophicus" in einfacher und verständlicher Weise zugänglich machen wollte, standen Wittgensteins Erläuterungen schon zu Beginn der Gesprächsaufzeichnungen im Zeichen einer Art philosophischer Wende. Dies bedeutete, daß Wittgenstein bei seinen Erläuterungen Waismann gegenüber einerseits im Umlauf befindliche, vermeintlich falsche, Interpretationen seiner in der Logisch-Philosophischen Abhandlung vertetenen Positionen berichtigen wollte, andererseits aber gleichzeitig glaubte, besonders nachdrücklich darauf hinweisen zu müssen, daß ihm viele dieser seiner eigenen, "früheren" Thesen selbst gar nicht mehr haltbar erschienen. Gordon Baker und Brian McGuinness haben dazu treffend bemerkt: "Zusammen mit Wittgenstein fühlte sich Waismann genötigt, Wittgensteins frühere Gedanken aufzugeben, doch während Wittgenstein manchmal zu sehr darauf bedacht war, jene Gedanken zu verurteilen, verhielt Waismann sich manchmal zu hoffnungsvoll hinsichtlich der Möglichkeit, neuen Wein in alte Schläuche zu füllen."26 Diese Ausgangssituation war also im Grunde genommen paradox, denn Wittgensteins Erläuterung seiner "früheren" Standpunkte ging mit seiner expliziten Distanzierung von eben diesen Standpunkten einher. Waismanns Vorhaben einer eindeutigen und klar verständlichen "Ortung" der Standpunkte Wittgensteins in Logik, Sprache, Philosophie wurde zudem dadurch erschwert, daß Wittgenstein seine neuen Argumente oft in der kritischen Konfrontation zu solchen Argumenten erprobte und entwickelte, wie sie im Umfeld des Wiener Kreises vorgebracht wurden, wo man auf den Tractatus mehr oder weniger korrekt Bezug nahm. Wittgensteins Erläuterungen waren also nicht nur Erläuterungen, sondern dienten Wittgenstein auch zur Entwicklung seiner neueren Standpunkte. Es handelt sich dabei um ein äußerst kompliziertes und in sich bewegtes Geflecht wechselseitiger Bezugnahmen und Absetzungen, dessen innere Dynamik Waismanns Ziel einer möglichst einfachen Feststellung und einer systematischen Darstellung, sei es der Hauptgedanken der Logisch-Philosophischen Abhandlung, sei es der neueren Standpunkte Wittgensteins, m. E. von Anfang an entgegenstand. Seine neueren Standpunkte standen für Wittgenstein auch keinesfalls in einer Weise fest, die es ermöglicht hätte, ihnen durch einige wenige und vereinfachende Klassifikationen gerecht zu werden, sondern sie standen sozusagen in Bewegung. Wittgensteins "Schriften der Zeit von 1929 bis 1932", so G.H. von Wright, "bezeugen eine ununterbrochene Entwicklung und ein ständiges Ringen: weg von dem früheren Werk und hin zu dem späteren."27
Dieses inhaltliche Ringen im Zuge einer Transformation der früheren Philosophie zu "einer radikal neuen Philosophie"28 spiegelt sich in Wittgensteins Experimenten mit unterschiedlichen Erarbeitungs- und Darstellungsformen seiner Gedanken. Auf die vielen verschiedenen von ihm erprobten Mittel, die von traditionellen Notizbüchern und Manuskripten über die materielle Zerschneidung und Collagierung von Texten bis hin zu synoptischen, visuellen Arrangements auf langen Reihen von Malertischen reichen, kann hier im einzelnen nicht näher eingegangen werden. Wittgensteins schriftliche Sammlung und Gliederung seiner Gedanken indes erreicht ihren ersten Höhepunkt in dem knapp 800 Seiten umfassenden sogenannten "Big Typescript", das viele seiner seit 1929 geschriebenen Bemerkungen umfaßt. Nach der Erstellung dieser Summe seiner Schriften im Jahre 1933 widmet sich Wittgenstein einigen Diktaten, auf deren werkgeschichtliche Bedeutung ich hier hinweisen möchte und die ebenfalls als Experimente mit einer spezifischen Erarbeitungsform seiner Gedanken angesehen werden können. Im Unterschied zur eigenen Niederschrift von Gedanken verbinden sich in einem Diktat der geschriebene Text und die gesprochene Sprache besonders eng, doch lösen sich beide gleichzeitig auch insofern voneinander, als der Diktierende seine eigenen Worte eben nicht selbst niederschreibt. Möglicherweise empfand Wittgenstein es als befreiend oder auch als inspirativ, seine Gedanken im Fluß der Rede entwickeln zu können. Vielleicht erhoffte er sich aber auch einfach, mit den Diktaten schneller zu Ergebnissen zu gelangen, als durch die eigene Niederschrift seiner Gedanken, die durch seine bekannte Neigung zu wiederholten Neuschreibungen und endlosen Umstrukturierungen mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden war.
Was die drei im folgenden aufgeführten Diktate von denjenigen unterscheidet, die Wittgenstein vor und nach dieser Zeit aus seinen Manuskripten diktiert hat, und auch von den kleineren Stücken, die er etwa zeitgleich Schlick und Waismann zukommen ließ, ist, daß sie den Charakter eigenständiger Werke haben und in unmittelbarer Verbindung zu Veröffentlichungsversuchen Wittgensteins stehen. Die Vermutung liegt nahe, daß Wittgensteins Hinwendung zu dieser spezifischen Erarbeitungsform seiner Gedanken mit denjenigen Zielen in Verbindung steht, die er mit den Diktaten verfolgte. So lassen sich diese Diktate unter anderem dadurch charakterisieren, daß ─ anders als bei mehr oder weniger genauen Aufzeichnungen der Rede bei Gesprächen, Diskussionen oder Vorlesungen ─ Wittgenstein deutlicher als der Autor des jeweiligen Textes in Erscheinung tritt. Interessanterweise können auch alle drei Diktate, die ich hier anführen werde, in eine unmittelbare Beziehung zu Wittgensteins Wunsch einer Verbreitung oder einer Veröffentlichung seiner Gedanken gebracht werden, nicht nur als Mitautor im Rahmen des Waismannschen Buchprojekts, sondern unter seinem eigenem Namen. Der Wunsch, seine Gedanken zu veröffentlichen, entstand für Wittgenstein dadurch, wie es bei ihm heißt, "dass ich erfahren mußte, dass die Resultate meiner Arbeit, die ich in Vorlesungen und Diskussionen mündlich weitergegeben hatte, vielfach missverstanden, mehr oder weniger verwässert, oder verstümmelt in Umlauf waren. ─ Hierdurch wurde meine Eitelkeit aufgeregt und sie drohte mir immer wieder die Ruhe zu rauben, wenn ich die Sache nicht (wenigstens für mich) durch eine Publikation erledigte."29
In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß Richard Braithwaite Anfang 193330 einen Artikel veröffentlichte, in dem unter anderem Wittgensteins philosophische Ansichten besprochen wurden. Wittgenstein reagierte mit einem offenen, in der Zeitschrift Mind publizierten Brief. Ähnlich wie ein Jahr zuvor im Brief an Carnap sieht er seine Ansichten durch Braithwaites Darstellung verfälscht. In diesem Brief jedoch bedauert Wittgenstein auch erstmals explizit, bislang noch keine neuere, eigene Veröffentlichung vorgelegt zu haben: "Now had I published my thoughts in print I should not trouble you with this letter. For any serious reader could then look up what my views were in my own publication. As it is, if he is interested in what I think, his only source is Mr. Braithwaites article. And therefore I must warn such a reader that I disclaim all responsibility for the views and thoughts which Mr. Braithwaite attributes to me. Part of his statements can be taken to be inaccurate representations of my views, others again clearly contradict them."31 Die Zeitschrift Mind publizierte Wittgensteins Schreiben zusammen mit einem Antwortbrief von Braithwaite, in dem dieser sich verteidigt, und den er mit dem Satz beschließt: "The extent to which I have misrepresented Dr. Wittgenstein cannot be judged until the appearance of the book which we are all eagerly awaiting."32 Wittgensteins eigenes Bedauern darüber, noch keine Publikation vorgelegt zu haben, wurde dadurch geradezu in eine Aufforderung verwandelt, doch nun endlich selbst ein Buch zu veröffentlichen.
Anzeichen dafür, daß Wittgenstein nun tatsächlich beginnt, sich einem Publikationsvorhaben zuzuwenden, sind in einigen Manuskripten der Jahre 1933 und 1934 zu finden. So schreibt von Wright zum zweiten Teil des MS 114 und zum ersten Teil von MS 115, die ich im folgenden als "Werkeinheit MS 114ii/MS 115i" bezeichnen werde: "Klar ist, daß Wittgenstein hier den Versuch unternimmt, ein Buch zu schreiben und seinen damaligen philosophischen Standpunkt in geordneter und zusammenhängender Form darzulegen. Es ist eine einleuchtende Vermutung, daß dieser Text aus dem akademischen Jahr 1933/34 stammt und zumindest teilweise aus der gleichen Zeit wie die Diktierung des sogenannten Blauen Buchs."33 Das Manuskript MS 140, das auf die Werkeinheit MS 114ii/MS 115i Bezug nimmt, und das Wittgenstein selbst als eine "Umarbeitung im großen Format" bezeichnete, kann als zweiter bedeutender Versuch Wittgensteins angesehen werden, seinen damaligen Standpunkt in Form eines Buches zusammenzufassen. G.H. von Wright hat MS 140 auf das Jahr 1934 datiert. Mit der 1933 begonnenen Werkeinheit MS 114ii/MS 115i gewissermaßen als "Markstein" tritt Wittgensteins Schaffen in eine neue Phase ein. Während seine Arbeiten von 1929 bis 1932 eher der Sammlung und Gliederung von Texten und Arbeitsmaterialien gewidmet zu sein scheinen, wobei er sich über seine neuen Wege erst klar zu werden versucht, tritt nun, erstmals nach 1929, im Zuge der Arbeit an einer Publikation die intensive Beschäftigung mit der Gestaltung und Komposition eines Werkes in Erscheinung. Damit gewinnen seine nach 1929 entstandenen Schriften ab 1933 eine neuartige und wichtige Qualität, denn die Auseinandersetzung Wittgensteins mit Fragen der kompositorischen Gestaltung hat für die Schriften nach 1929 ähnliche Bedeutung wie für die Logisch-Philosophische Abhandlung.34
Während der Niederschrift seiner Gedanken in Buchform versucht Wittgenstein gleichzeitig, seine Ansichten durch Diktate darzulegen, und diese Diktate sind in verschiedener Weise mit seinen Veröffentlichungsvorhaben verknüpft. Im akademischen Jahr 1933/34 diktierte Wittgenstein seinen Studenten A. Ambrose, H.M.S. Coxeter, R. Goodstein, M. Masterman und F. Skinner das sogenannte "Blaue Buch". Auch G.H. von Wright vermutet, daß die Werkeinheit MS 114ii/MS 115i ungefähr zeitgleich mit dem "Blauen Buch" entstand, und das "Blaue Buch" weist in der Tat eine Reihe inhaltlicher Affinitäten zu dieser Werkeinheit auf. Es ist jedoch eher als eine Art Handbuch für Wittgensteins Studierende in Cambridge konzipiert und hinsichtlich Argumentationsweise und Stil vergleichsweise einfach gehalten. Wittgenstein dachte zwar hierbei wohl kaum an eine Buchveröffentlichung, doch stellt der Text nichtsdestoweniger eine nunmehr in Diktatform autorisierte Darstellung seiner damaligen Ansichten dar, und indem Wittgenstein das "Blaue Buch" unter seinen englischen Studierenden verbreitete, "veröffentlichte" er in gewissem Sinne auch seine Gedanken.
Im akademischen Jahr 1934/35 diktierte Wittgenstein seinen beiden Lieblingsstudenten Alice Ambrose und Francis Skinner das "Braune Buch". Wittgensteins Auswahl besonders qualifizierter und ihm nahestehender Diktanten entsprach der höhere Anspruch, den er mit diesem Diktat verband. Rush Rhees zufolge dachte Wittgenstein, "anders als beim Blauen Buch", in diesem Falle "sehr wohl an eine Publikation"35. Obwohl Wittgenstein selbst versucht hat, dieses englische Diktat ins Deutsche zu übersetzen, ist es meines Erachtens ungewiß, ob er den Text des "Braunen Buchs" in Buchform veröffentlichen wollte. Seine Zielsetzung geht auch über die eines Studienhandbuchs weit hinaus, und Argumentationsweise, Komposition und Stil dieses Diktats sind wesentlich differenzierter als im Falle des "Blauen Buchs".36 Das "Braune Buch" nimmt inhaltlich wie kompositorisch bereits sehr viel von Wittgensteins späteren "Philosophischen Untersuchungen" vorweg und kann somit als eine Keimzelle für eines der Hauptwerke und der bedeutendsten Veröffentlichungsvorhaben Wittgensteins angesehen werden.
In beiden Diktaten zeigen sich Anzeichen der Komposition eines Werkes, doch scheint es, als werde diese im "Braunen Buch" tatsächlich entwickelt, während das "Blaue Buch" nur gleichsam etwas müde die Kompositionslinien anderer Werke zu reflektieren scheint. Zu diesen anderen Werken zählt nun auch das dritte Diktat, das hier anzuführen ist, das sogenannnte "Diktat für Schlick". Trotz inhaltlicher Ähnlichkeiten mit dem "Blauen Buch" verfolgt auch dieses Diktat anscheinend einen vergleichsweise anspruchsvollsvolleren Zweck. Im "Diktat für Schlick" argumentiert Wittgenstein auf einem Niveau, das dem des "Braunen Buchs" mindestens entspricht, und was Schwung und Prägnanz der Rede anbelangt, wird letzteres vom "Diktat für Schlick" sogar übertroffen. Das "Diktat für Schlick" richtet sich nicht an Wittgensteins englische Studierende und wurde im Gegensatz zum "Blauen" und zum "Brauen Buch" in deutscher Sprache verfaßt. Offensichtlich war es in erster Linie für diejenigen oder eine der beiden Personen bestimmt, denen in Wittgensteins Verhältnis zum sogenannten Wiener Kreis entscheidende Bedeutung zukommt. Schlick scheint im Zusammenhang mit den vermutlichen Zwecken des Diktats eine Hauptrolle zu spielen, und Waismann hat Teile des Diktates nachweislich für sein Buch Logik, Sprache, Philosophie benutzt. Ich halte es allerdings für fraglich, ob der Text nur zur Verwendung für Waismann bestimmt war, oder ob Wittgenstein mit dem "Diktat für Schlick", wie auch mit den beiden anderen erwähnten Diktaten, darüber hinaus einen zusätzlichen Zweck verfolgte. Denkbar wäre auch, daß ein so dezidiertes und prägnantes Arbeitspapier eher für Schlick bestimmt war, der das Diktat dann auch Waismann zukommen ließ. Ob das "Diktat für Schlick" ausschließlich für Schlick oder Waismann bestimmt war, oder ob Wittgenstein an eine andere Form der Veröffentlichung oder Verbreitung des "Diktats für Schlick" dachte, läßt sich bislang nicht eindeutig klären. Aufgrund der inhaltlichen und kompositorischen Affinitäten zur Werkeinheit MS 114ii/MS 115i steht jedoch sicher auch das "Diktat für Schlick" in unmittelbarer Verbindung zu einem Veröffentlichungsvorhaben Wittgensteins.37
I.3 Zur Textgruppe "Diktate" und zur Bedeutung der Notanten
Im Gegensatz zu mehr oder weniger genauen Gesprächsaufzeichnungen, Diskussions-oder/und Vorlesungsmitschriften können die Diktate Wittgensteins meines Erachtens bis zu einem gewissen Grade als eigene Texte Wittgensteins angesehen werden.38 Die Bestimmung des Begriffs "Diktat" innerhalb der Schriften Wittgensteins ist jedoch nach mehreren Seiten hin offen. Die Zuordnungen zur Textgruppe "Diktate", die G.H. von Wright in seinem Nachlaßverzeichnis der Schriften Wittgensteins vorgenommen hat, sind weniger eindeutig, als es zunächst scheint. So könnte auch eine ganze Reihe von bislang den Typoskripten zugeordneten Texten den Diktaten zugerechnet werden, denn Wittgenstein hat ausgesprochen häufig aus seinen Manuskripten diktiert, um über maschinenschriftliche Texte zu verfügen. Dabei handelt es sich aber nicht immer nur um reine Materialsammlungen, die mit den jeweiligen Manuskripten textidentisch sind, sondern Wittgenstein hat dabei mitunter auch Veränderungen und Umstrukturierungen vorgenommen, die zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Eigenständigkeit dieser Diktate führten. Texte, die eher Wittgensteins "persönlichen" Arbeitsmaterialien anzugehören schienen, hat G.H. von Wright im Nachlaßverzeichnis der Schriften Wittgensteins anscheinend grundsätzlich nicht der Textgruppe der Diktate zugeordnet, auch wenn dabei so starke Veränderungen gegenüber den zugrundeliegenden Manuskripten vorgenommen wurden, daß den Texten eine besondere Eigenständigkeit zukommt, die nicht zuletzt gerade durch den Vorgang des Diktierens entstand. Bei der Bestimmung eines Textes als Diktat war für von Wright anscheinend ausschlaggebend, daß Personen nachweisbar waren, denen oder für die das Diktat diktiert wurde.39 Damit ist jedoch die Grenze dieser Textgruppe auch dahingehend fließend, daß einzelne Texte, die bislang den Typoskripten zugeordnet sind, von Wittgenstein möglicherweise Ramsey, Schlick, Waismann oder anderen ihm nahestehenden Personen diktiert wurden, ohne daß dies nachträglich noch genau feststellbar wäre.
Ich möchte hier nun kurz auf einige Probleme hinsichtlich des Verhältnisses von Diktaten und Manuskripten hinweisen. Das Verhältnis zwischen frei diktiertem Text und Bezugnahmen auf bereits schriftlich vorliegende Texte erstreckt sich bei Wittgenstein theoretisch auf einer Skala von "textidentischen" Diktaten bis zur "freien" Entwicklung von Texten, die keinerlei Entsprechungen zu anderen Texten des Nachlasses aufweisen. Beide Extreme dieser Skala stellen eher methodologische Orientierungen dar, und die Mehrzahl der Diktate dürfte dazwischen liegen. Auch wenn Wittgenstein offensichtlich nur diktierte, um eine maschinengeschriebene Fassung von handschriftlichem Material zu erstellen, nahm er oft mehr oderweniger bedeutende Änderungen gegenüber den Manuskripten vor. Auch aufgrund unvermeidlicher kleiner Versehen, Auslassungen oder Wiederholungen Wittgensteins oder des Notanten dürften vollständig manuskriptidentische Diktate im Nachlaß kaum existieren.40 Ob man andererseits von vollständig freien Diktaten ohne jede Entsprechung in Wittgensteins Manuskripten sprechen kann, ist insofern fraglich, als Wittgensteins Diktate natürlich mit denjenigen seiner Gedanken verknüpft sind, die nur deshalb bekannt sind, weil er sie zu Papier gebracht hat. Das "Blaue Buch" und das "Diktat für Schlick" lassen vermuten, daß Wittgenstein auch "freiere" Diktate unter Vorlage von Manuskripten geführt haben könnte. Hier stellt sich das Problem, daß für ein anscheinend freies Diktat möglicherweise auch nur deshalb keine Manuskriptentsprechung gefunden werden kann, weil das zugrundeliegende Manuskript verloren ging oder von Wittgenstein vernichtet wurde. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß Wittgenstein auch umgekehrt in seinen Manuskripten auf zuvor diktierte Texte zurückgegriffen haben könnte.
G.H. von Wrights Zuordnung oder Nichtzuordnung einzelner Texte zur Gruppe der Diktate ist zwar nicht unproblematisch, doch sein dabei offenbar maßgebliches Kriterium nachweislicher Notanten und Adressaten der Diktate erscheint mir ausgesprochen wichtig. Es spielte für Wittgenstein sicher eine wichtige Rolle, wem er diktierte, einer unbeteiligten Person etwa, die gar nichts von dem verstand, was sie da schrieb, oder einem verständnisvollen Notanten, dem Wittgenstein etwas persönlich erläutern wollte, und der ihn dann auch manchmal unterbrechen und den Fortgang des Diktats beeinflussende Fragen stellen konnte. In gewisser Weise läßt sich die eben erwähnte methodologische Skala zwischen "textidentischem" und "freiem" Diktat auch mit den jeweiligen Notanten der Diktate in Beziehung setzen. Bisweilen zog Wittgenstein es anscheinend vor, anonymen Personen in Schreibbüros zu diktieren. Dabei dürfte es sich wohl um Diktate gehandelt haben, die sehr stark von seinen Manuskripten ausgingen.41 Anhand der "freieren" Diktate des "Blauen Buchs", des "Braunen Buchs" und des "Diktats für Schlick" läßt sich zeigen, daß eine Verbindung zwischen den Notanten, dem spezifischen Charakter und den inhaltlichen Zielsetzungen des diktierten Textes besteht und daß die jeweiligen Notanten somit indirekt Wittgensteins Argumentationsweise, seinen Stil und die Entwicklung seiner Gedanken zu beeinflussen scheinen.
Das "Blaue Buch" wurde einer Gruppe von Studenten diktiert und war auch, wie bereits erwähnt, hauptsächlich für studieninterne Zwecke vorgesehen. Das "Braune Buch" diktierte Wittgenstein in privatem Rahmen zweien seiner Lieblingsstudenten. Wittgenstein war zu dieser Zeit Tutor von Alice Ambrose, die auch Moores Vorlesungen besuchte, und der Mathematiker Francis Skinner war einer seiner engsten damaligen Freunde. Diesen diktierte er nun auch einen im Vergleich zum "Blauen Buch" sehr viel anspruchsvolleren Text. Im sogenannten "Diktat für Schlick" schließlich operiert Wittgenstein hinsichtlich Stil, Inhalt, Argumentationsweise und Gedankenentwicklung auf höchstem Niveau. Auch hier kann der Charakter und die Qualität des Diktats mit der Person in Verbindung gebracht werden, für die das Diktat bestimmt war. Schlick zählt zu den bedeutendsten Philosophen, mit denen Wittgenstein damals in Kontakt stand; Wittgenstein brachte ihm, trotz seiner Distanz gegenüber der "Wiener Schule", außergewöhnliche, persönliche Hochschätzung entgegen, und das "Diktat für Schlick" kann meines Erachtens auch als eines der qualitativ hochwertigsten unter den freieren Diktaten Wittgensteins angesehen werden.42
II Zur genaueren werkgeschichtlichen Einordnung des Diktats
II.1 Stilistische Charakterisierung
Anders als die englischen Diktate des "Blauen" und des "Braunen Buchs" wurde das "Diktat für Schlick" in deutscher Sprache diktiert. Es entstand allem Anschein nach in der Zeit, als Waismann keine Gesprächsaufzeichnungen mehr machte, und Wittgenstein für die Klarstellung seiner Ansichten verstärkt mit Schlick in Kontakt stand. Das "Diktat für Schlick" beinhaltet eine Reihe direkter Bezugnahmen auf diejenigen Themen und Interpretationen des Tractatus, denen damals besonders im Umfeld des Wiener Kreises Bedeutung zukam. Das Diktat enthält auch einige kritische Anspielungen auf Carnap, und schon auf den ersten Seiten findet sich eine akzentuierte Präzisierung der sogenannten "hinweisenden Definition", die auch Gegenstand derjenigen Erläuterungen Waismanns für Carnap gewesen war, auf die Wittgenstein in seinem Brief an Schlick vom August 1932 kritisch Bezug genommen hatte. Ich habe bereits auf die Frage hingewiesen, ob Wittgenstein mit dem "Diktat für Schlick" Ziele verfolgte, die über die Zwecke einer Mitautorschaft bei Waismanns Buchprojekt hinausgingen. Obwohl die Antwort hierauf letztlich offen bleiben muß, scheint doch unverkennbar, daß für Wittgenstein zumindest ein Ziel des Diktats darin bestand, vor dem Hintergrund philosophischer Debatten des Wiener Kreises eine besonders nachdrückliche Klarstellung seines Standpunktes zu präsentieren.
Hinsichtlich der Vermutung eines möglichen Veröffentlichungsvorhabens möchte ich kurz auf die Ansätze einer Strukturierung des Diktats durch "Kapitel" eingehen. Nur im ersten Drittel des Diktats finden sich zwei unterstrichene Zwischenüberschriften.43 Gegen die Annahme, diese seien auf die anfängliche Ungewißheit oder spätere Nachlässigkeit lediglich des Notanten bezüglich der Darstellungsform zurückzuführen, spricht ihr Titelcharakter: "Verstehen eines Satzes analog dem Verstehen einer Melodie als Melodie", "Verstehen eines Genrebildes". Später beginnen neue Absätze oder Abschnitte ohne weitere Hervorhebung oder Absetzung mit grammatikalisch vollständigen Frage-oder Aussagesätzen, die keinerlei Titelcharakter haben und ohne Zweifel schon Teile des jeweils nachfolgenden Textes bilden. Ich halte es für unwahrscheinlich, daß diese beiden Zwischenüberschriften nachträglich ohne auf Wittgenstein zurückgehende Angabeneingefügt wurden. Die erste Überschrift findet übrigens in den folgenden Absätzen nur implizite, aber keine explizite thematische Entsprechung, sondern erst acht Seiten weiter, nach der zweiten. Danach erscheint Wittgenstein diese kapitelartige Unterteilungoffenbar nicht mehr angemessen, und auf die Überschriften wird verzichtet. Diese Überschriften erinnern in gewisser Weise an die Kapitelunterteilung im "Big Typescript", doch ist weder für das "Big Typescript" noch für das Diktat eindeutig zu klären, ob diese Kapitel tatsächlich einen Hinweis auf eine geplante Buchveröffentlichung darstellen oder nur zur übersichtlicheren Strukturierung eingeführt wurden. Daß an dieser Kapitelstruktur nicht weiter festgehalten wird, zeigt meines Erachtens den in formaler Hinsicht experimentellen Charakter des "Diktats für Schlick", dem in seiner Gesamtheit nichtsdestoweniger und im Gegensatz zum "Big Typescript" kompositorische Geschlossenheit zukommt.
Stilistisch ist der Text durch ein Spannungsverhältnis zwischen explikativer Stringenz und weit ausgreifenden Analogiebildungen zu kennzeichnen. Das "Diktat für Schlick" ist außergewöhnlich reich an ausdrucksstarken Bildern und Vergleichen. Wittgenstein scheint hier im Zuge seiner Rede auf eine besonders prägnante Darstellungsweise geachtet zu haben. Verdichtet auf zweiunddreißig Seiten tritt das erstaunliche Spektrum Wittgensteinscher Metaphern und Analogiebildungen besonders deutlich zutage. Ein leidenschaftlicher und ernster philosophischer Grundton kehrt zwar regelmäßig und insistierend zurück, doch wird dieser immer wieder von einem farbenfrohen und durchaus munteren Potpourri überraschender Vergleiche überlagert, an deren Erfindung Wittgenstein hier, jenseits des rein methodischen Nutzens, ganz besonders Gefallen zu finden scheint. Diese Bilder reichen von der Dampfkesselmantelberechnung, von der Kardinalzahlenmultiplikation, französischen Politikern, einer "Insel umspült vom Meer des Nichts", Hohl- und Vollzylindern, der Bemalung durchsichtiger Glaswürfel, dem Ursprung des Schachspiels aus den Turnierberichten und dem Blumenpflücken mit Farbtabellen bis hin zu an Loos erinnernde Architekturbetrachtungen und Anspielungen auf die "Krönung Napoleons" von Jacques-Louis David. Das Diktat enthält zudem explizite philosophische Querverweise auf die platonischen Dialoge, Augustinus, Nietzsche, Frege, Ramsey und Russell, sowie implizite Bezugnahmen auf Carnap und Heidegger. Eine zeitgeschichtlich relevante Bemerkung ("Ich bin überzeugt, daß wir einem neuen Weltkrieg entgegengehen.") wird mit einem weiterenSatz in eine grammatische Erörterung der Überzeugung verwandelt. In einem besonders originellen und markanten Bild vergleicht Wittgenstein philosophische Verwirrungen mit der Suche nach einem West- oder Ostpol der Philosophie.
In der Verbindung eines hohen Abstraktionsgrades mit ungewöhnlich plastischen Bildern und Beispielen bildet das Stück innerhalb des Wittgensteinschen Gesamtwerkes keine Ausnahme. Die analogischen Sprünge und die vielschichtigen, ausgesprochenen oder unausgesprochenen Bezüge und Querverweise machen die Lektüre auch anderer Texte Wittgensteins ebenso schwierig wie reizvoll. Als Aufzeichnung des gesprochenen Wortes, als ein Text, der wesentlich aus dem Fluß der Rede entstand, in welcher sich der Strom von Bildern und Assoziationen unmittelbarer gestalten kann als bei der eigenen, langsameren Niederschrift von Gedanken, ist aber gerade das "Diktat für Schlick" als ein besonders eindrucksvolles Zeugnis der Komplexität und der analogischen Kapazität des Wittgensteinschen Denkens anzusehen. Gerade dieses vergleichsweise kurze Stück des Nachlasses beinhaltet sehr viele unterschiedliche Aspekte und Perspektiven des Spätwerks, und der kristallklare Schliff der Abhandlung findet sich darin um ein buntes Spektrum leuchtender Farben der Lebenswelt erweitert.
II.2 Hinweise und Vermutungen zur Frage der Datierung und des Notanten bei G.H. von Wright und Brian McGuinness
Bei meinem Versuch einer Datierung des "Diktates für Schlick" lagen mir zunächst nur einige Vermutungen und indirekte, teils widersprüchliche, Hinweise vor. Im folgenden führe ich die wichtigsten diesbezüglichen Bemerkungen auf, die in den Veröffentlichungen von Georg Henrik von Wright und Brian McGuinness zu finden sind, und ergänze sie zunächst nur durch kurze Kommentare, bevor ich dann im nächsten Abschnitt (Kapitel II.3) meine eigenen Forschungsergebnisse vorstelle und auch auf die Frage eingehe, wem das Diktat diktiert wurde. Es erscheint mir geboten, mit G.H. von Wright auch kurz auf die Schwierigkeiten der Datierung anderer "Schlick-Diktate" hinzuweisen. Der Einfachheit halber gehe ich hier nur auf die im von Wright-Nachlaßverzeichnis unter der Textgruppe "Diktate" aufgeführten Stücke ein. Auf die Schwierigkeiten, die bei G.H. von Wrights Zuordnung von Texten Wittgensteins zu den Diktaten auftreten, habe ich bereits in Kapitel I.3 hingewiesen. Nichtsdestoweniger erscheint es mir für Untersuchungen des Wittgenstein-Nachlasses im allgemeinen unumgänglich, dieses bereits klassische Verzeichnis als maßgeblichen Ausgangspunkt für weitere Differenzierungen zu nehmen.
Die von Wright-Nummern 301-311 umfassen neben "Blauem", "Braunem" und "Gelbem" Buch auch einige Textstücke von nur einer (D 305), zwei (D 306), vier (D 304) oder sechs Seiten (D 307). Eine der gebräuchlichsten Datierungsangaben lautet dabei für diese Blätter, die eigentlich eher den Eindruck von Textbruchstücken oder Diktatfragmenten vermitteln: "Datum unsicher". Das sogenannte "Diktat für Schlick", das die Nummer 302 erhielt, gehört mit seinen 32 Seiten44 zusammen mit Nummer 308, das 57 Seiten umfaßt, innerhalb dieser Textgruppe zu den Dokumenten mittleren Seitenumfangs. D 308 lag mir zu vergleichenden Untersuchungen nicht vor. Zu den Diktaten für Schlick notiert von Wright im Kommentar des Nachlaß-Verzeichnisses: "Acht Typoskripte von Wittgensteins Diktaten für Schlick sind bekannt. Eines von ihnen ist jedoch im wesentlichen eine maschinengeschriebene Fassung von MS 140 (von Wittgenstein als ’Großes Format’ bezeichnet). Dieses Typoskript habe ich nicht in das Verzeichnis aufgenommen. (...) Eine genaue Datierung dieser Diktate ist nicht möglich. Keines kann jedoch vor 1926 entstanden sein, und es ist unwahrscheinlich, daß eines der verzeichneten Typoskripte aus der Zeit nach 1933 stammt."45 Einerseits ist bei diesen Angaben offensichtlich der von McGuinness erwähnte Einladungsbrief der Schwester Wittgensteins an Schlick von 1927 noch nicht berücksichtigt, demzufolge es unmöglich ist, daß Wittgenstein Schlick vor 1927 persönlich diktiert hat. Andererseits bin ich der Auffassung, daß das "Diktat für Schlick" möglicherweise auch noch im Jahr 1934 entstanden sein könnte; darauf werde ich in Kapitel II.3 näher eingehen.
Die Entstehungszeit des "Diktats für Schlick" wird bei von Wright auf den Zeitraum 1931 bis 1933 geschätzt.46 Der Terminus ante quem von 1931 kann zu einer Anmerkung von McGuinness in Verbindung gebracht werden, die sich in Wittgenstein und der Wiener Kreis findet und die eine Notiz Waismanns betrifft. Die Notiz Waismanns, um die es dabei geht, lautet "Einfügung aus dem Diktat" und bezieht sich auf nachträglich in seine Gesprächsaufzeichnungen eingefügten Text. Aus Waismanns vorausgehenden und nachfolgenden Datierungen folgt, daß dieser Text zwischen Dezember 1931 und Juli 1932 eingefügt wurde. McGuinness kommentiert: "Im Dezember 1931 war Schlick in Amerika. Waismann jedoch sah Wittgenstein und machte für Schlick Aufzeichnungen. Wahrscheinlich entspricht die ’Einfügung aus dem Diktat’ in seinem eigenen Notizbuch allen oder einem Teil jener Aufzeichnungen. Unter Waismanns Papieren ist ein ’Diktat für Schlick’ (offenbar Wittgensteins Arbeit zu jener Zeit), welches sich mit dem Verstehen eines Satzes beschäftigt. Es deckt sich mit der gegenwärtigen Einfügung nicht, und ist mit nichts in Wittgensteins Nachlaß identisch. Es wurde den Nachlaßverwaltern zur Verfügung gestellt."47 McGuinness stellt hier, wenn auch ohne nähere Begründung und mit dem versteckten kleinen Fragezeichen eines "offenbar" versehen, die Vermutung in den Raum, daß das "Diktat für Schlick" im Jahr 1931 entstanden sein könnte. Wie ich im folgenden zeigen möchte, stehen dieser Annahme die Affinitäten zu Texten Wittgensteins aus den Jahren 1933 und 1934 entgegen.
Im Vorwort von McGuinness zu Wittgenstein und der Wiener Kreis findet sich indirekt noch ein weiterer Hinweis auf das "Diktat für Schlick". McGuinness stellt das Verhältnis Wittgensteins zu Schlick und Waismann nach dem Abbruch der Gesprächsaufzeichnungen des letzteren im Juli 1932 folgendermaßen dar: "Fortan traf er [Wittgenstein] Schlick ohne Waismann. Im Sommer 1933 verbrachte er mit ihm die Ferien in Italien und unternahm intensive und erschöpfende Diskussionen. Dies scheint er auch während anderer Sommerferien gemacht zu haben. Gelegentlich diktierte er Schlick, und dessen Resultat (zwei aus Schlicks Stenogramm kopierte Maschinenschriften und ein paar Seiten anderen Materials) wurde den Nachlaßverwaltern Wittgensteins übergeben. ─ Er fuhr fort, Kopien von einigen von ihm zusammengestellten oder diktierten Maschinenschriften an Schlick und Waismann zu senden und letzteren auch zu treffen, um mit ihm das erläuternde Buch, an dem Waismann arbeitete, zu diskutieren."48 Sollte es sich bei einem der erwähnten Stenogramme Schlicks um das sogenannte "Diktat für Schlick" gehandelt haben, bilden die Angaben von McGuinness in diesem Falle einen indirekten Hinweis darauf, daß das "Diktat für Schlick" im Sommer 1933, jedenfalls aber nach 1932, entstanden sein könnte. Zudem ist diesen Angaben aber auch zu entnehmen, daß Wittgenstein sowohl Schlick als auch Waismann diktiert hat und dem jeweils anderen der beiden Herren Abschriften oder Kopien dieser Diktate zukommen ließ. Neben einer genaueren Datierung des Diktats steht im folgenden Abschnitt denn auch zur Frage, wem das Diktat diktiert wurde. Schließlich bleibt auch bei von Wright offen, ob die "Schlick-Diktate" im allgemeinen, und das "Diktat für Schlick" im besonderen, Schlick diktiert wurden, oder ob sie nur für ihn bestimmt waren.
II.3 Approximative Datierung und Bestimmung des Notanten
Neben den Kommentaren von McGuinness und von Wright existieren einige weitere Hinweise zur Frage der Datierung und des Notanten, die sich unmittelbar aus demjenigen Typoskript selbst entnehmen lassen, das als "Diktat für Schlick" bezeichnet wird. Auf einem nachträglich beigefügten Deckblatt zu diesem Typoskript heißt es handschriftlich: "Diktat für Schlick. This typescript was found among Waismann's papers. Dictated by Wittgenstein, probably to Waismann. Date: 1932-1933". Dieser Kommentar stammt allem Anschein nach von Rush Rhees. Dem Typoskript selbst steht in derselben Maschinenschrift, in der der gesamte Text geschrieben ist, oben auf der ersten Seite die Bemerkung voraus: "Wittgenstein. From among Waismann's papers; labelled Diktat für Schlick". Das "Diktat für Schlick" liegt als eine maschinenschriftliche Abschrift einer ebenfalls maschinengeschriebenen Vorlage vor. Dies ist dem Kommentar des bislang unbekannten "Abschreibers" zu entnehmen, der sich in dieser Benennung selbst einmal zu Wort meldet, um auf ein Problem bei der Abschrift hinzuweisen.49 Es ist anzunehmen, daß Waismann es war, der den Text unter dem Titel "Diktat für Schlick" registriert hat. Was bedeutet nun aber dieser Registraturtitel? Wurde der Text Waismann diktiert und war "für" Schlick bestimmt oder wurde er Schlick diktiert, Waismann erhielt ihn von Schlick und ordnete ihn danach innerhalb seiner Papiere unter dem betreffendem Titel? Die deutsche Grammatik sieht für das Substantiv "Diktat" keine klaren Präpositionen zur Bestimmung des Notanten vor. Man diktiert ein Diktat nicht in derselben Weise "an" jemanden, wie man das im Falle eines Briefes sagen kann. Da es sich bei der Bezeichnung aber offenbar um eine Art Registraturtitel handelt und solche Titel bisweilen schnell und ohne allzugroße Überlegungen entstehen können, halte ich den Titel "Diktat für Schlick" noch für keinen eindeutigen Nachweis dafür, daß der Text Waismann diktiert und für Schlick bestimmt war. So war sich auch Rhees bei seiner Angabe "wahrscheinlich Waismann diktiert" anscheinend nicht ganz sicher, ob das Diktat tatsächlich Waismann diktiert wurde.
Im Rahmen meiner vergleichenden Untersuchungen des Diktats mit anderen Nachlaßdokumenten habe ich unter anderem auch das knapp zwei Schreibmaschinenseiten umfassende Dokument D 306 überprüft. Der Text dieses Typoskriptes ist aber im wesentlichen identisch mit den letzten eineinhalb Seiten des "Diktats für Schlick". (Die Differenz des Seitenumfangs resultiert aus dem unterschiedlichen Zeilenabstand der Schreibmaschinenschrift.) Bei dem Dokument D 306 handelt es sich um eine maschinenschriftliche Transkription eines handschriftlichen Stenogramms.50 Das dem Diktat D 306 zugrundeliegende Stenogramm war also offensichtlich ein Bruchstück des ansonsten bislang verschollenen, handschriftlichen Originalstenogramms des "Diktats für Schlick". Dem Dokument D 306 steht die Erläuterung von Brian McGuinness voraus: "Transcript from Schlick's Shorthand by Mr. Matzinger of Zürich 1967. BFMcG". Wenn D 306 von Herrn Matzinger auf Grundlage eines Stenogramms transkribiert wurde, das von Schlick aufgezeichnet wurde, ist aber davon auszugehen, daß auch das "Diktat für Schlick" ursprünglich von Schlick aufgezeichnet wurde. Wie aus dem Vorwort zu Wittgenstein und der Wiener Kreis hervorgeht, hat Herr Matzinger mit äußerster Sorgfalt den größten Teil der dort veröffentlichten Stenogramme Waismanns transkribiert.51 Da er Waismanns Handschrift folglich sehr gut kannte und ihm aus Waismanns Nachlaß wohl auch handschriftliche Dokumente Schlicks bekannt waren, dürfte an seiner Zuordnung der Handschrift kaum Zweifel bestehen. Es ist demnach davon auszugehen, daß das "Diktat für Schlick" Schlick selbst diktiert wurde, und daß Schlick es Waismann danach, wahrscheinlich bereits in einer transkribierten, maschinenschriftlichen Form, zukommen ließ. So läßt sich auch erklären, daß das Diktat unter Waismanns Papieren gefunden wurde.52
Da das Typoskript des "Diktats für Schlick" selbst keine Datierungen enthält, bestand die einzige Möglichkeit einer approximativen Bestimmung seines Entstehungszeitraums im Vergleich mit anderen, möglicherweise genauer datierbaren Texten Wittgensteins. Durch die beiden Zwischenüberschriften erinnert das "Diktat für Schlick" rein formal an die kurzen und betitelten "Aufsätze" der Typoskripte 214 bis 219 von 1933, die zwischen drei und rund zwanzig Seiten umfassen.53Diese Stücke sind hauptsächlich Einzelthemen gewidmet, während hingegen das "Diktat für Schlick" inhaltlich viel umfassender konzipiert ist. Wie bereits erwähnt, erinnern die beiden Überschriften des "Diktats für Schlick" aber auch an das "Big Typescript" von 1933. Dieses ist nun wiederum in einem sehr viel größeren Format als das "Diktat für Schlick" angelegt, dessen zweiunddreißig Seiten im "Big Typescript" knapp 800 Seiten gegenüberstehen.
Meine Untersuchungen einer Vielzahl von Nachlaßstücken haben ergeben, daß Textaffinitäten zum "Diktat für Schlick" vor allem in den folgenden Dokumenten zu finden sind: In den Manuskripten MS 109, MS 113, MS 114, MS 115 und MS 140, in den Typoskripten TS 213 ("Big Typescript") und TS 215 sowie im Diktat D 309 ("Blaues Buch"). Die Schwierigkeiten, die Wittgensteins Werk hinsichtlich einer vergleichenden Textanalyse beinhaltet, sind allgemein bekannt. Aufgrund seiner häufigen Umarbeitungen und Abschriften von Bemerkungen, die im einzelnen teils schon viele Jahre zuvor entstanden sind, lassen sich auch im Falle des "Diktats für Schlick" Ähnlichkeiten mit einzelnen Textsegmenten oder kleineren Segmentreihen bis weit vor die mögliche Entstehungszeit des Diktats zurückverfolgen, und ähnliche einzelne Bemerkungen durchziehen auch noch wesentlich später entstandene Schriften. Die inhaltlichen Standpunkte, die Wittgenstein im "Diktat für Schlick" vertritt, deuten indes darauf hin, daß es kaum vor 1931 und kaum nach 1934 entstanden sein dürfte. Eine genaue Datierung des Diktats begegnet folgenden Schwierigkeiten: Das "Diktat für Schlick" entstand in einer Zeit, während der Wittgensteins Produktivität, wie von Wright es formuliert, schlicht "kolossal" war.54 Während dieser Zeit findet in Wittgensteins Schaffen zweitens ein vielschichtiges "ständiges Ringen (...) weg von dem früheren Werk und hin zu dem späteren"55 statt, und er experimentiert gleichzeitig mit vielen unterschiedlichen Darstellungs- und Erarbeitungsformen seiner Gedanken. Drittens greift er in diesen Jahren bei seinen verschiedenen Projekten aber auch immer wieder auf Materialien aus dem "Big Typescript" und anderen Typoskripten zurück, die wiederum Abschriften von Bemerkungen aus nahezu allen Manuskripten enthalten, die Wittgenstein seit 1929 geschrieben hat.
Neben der Untersuchung anderer Texte auf inhaltliche, thematische und semantische Ähnlichkeiten wandte ich mich bei meinen Vergleichen auch der Untersuchung der Komposition einzelner Stücke zu. Unter Berücksichtigung des Verhältnisses von Wortgebrauch, semantischen Ähnlichkeiten, inhaltlichem Kontext und Komposition verdichten sich die textreferentiellen Spuren undÄhnlichkeiten mit dem "Diktat für Schlick" in den ManuskriptenMS 114ii,MS 115i und MS 140, sowie in den beiden ersten Dritteln des "Blauen Buchs". Die Manuskripte MS 114 und MS 115 enthalten je zwei separate Teile. Der zweite Teil von MS 114 kann nicht vor dem 5. Juni 1932 begonnen worden sein, denn dies ist die letzte Datierung des vorangehenden ersten Teils. Der erste Teil von MS 115 wurde nach Wittgensteins eigener Datierung am 14.12.1933 begonnen56, und aufgrund der danach folgenden großen Textmenge von rund 120 Seiten ist anzunehmen, daß Wittgenstein an diesem Teil auch noch im Jahre 1934 geschrieben hat. Nach von Wright bilden die beiden Teile, "inhaltlich gesehen (...) eine zusammenhängende Einheit. (...) Es ist eine einleuchtende Vermutung, daß dieser Text aus dem akademischen Jahr 1933/4 stammt und zumindest teilweise aus der gleichen Zeit wie die Diktierung des sog. Blauen Buchs."57 Meine Untersuchungen haben ergeben, daß das "Diktat für Schlick" sowohl inhaltlich dem "Blauen Buch" als auch kompositorisch der Werkeinheit MS 114ii/MS 115i sehr nahe steht, und so dürfte das "Diktat für Schlick" auch in etwa gleichzeitig zu diesen Stücken entstanden sein. Aufgrund weiterer Ähnlichkeiten mit Manuskript MS 140, das von Wright zufolge 1934 entstand, und aufgrund einiger besonderer Affinitäten zuMS 115i, an dem Wittgenstein wahrscheinlich auch noch 1934 geschrieben hat, ist meines Erachtens bislang nicht auszuschließen, daß auch das "Diktat für Schlick" erst 1934 entstanden sein könnte.58
Das "Diktat für Schlick" enthält bezüglich dieser Manuskripte nicht nur Übereinstimmungen in den jeweils behandelten Themen und in den Hauptlinien der Komposition, sondern ich fand auch eine Vielzahl ausgesprochen ähnlich lautender Bemerkungen. Diese Ähnlichkeiten reichen teilweise so weit, daß zu vermuten ist, daß Teile des Diktates unter Vorlage der Manuskripte entstanden sein könnten. Vollkommen identische Passagen sind wahrscheinlich deshalb kaum zu finden, weil Wittgenstein beim Diktat im Hinblick auf das kleinere Format des Diktats Formulierungen teilweise verändert oder gekürzt hat. Bisweilen treten im "Diktat für Schlick" auch Sprünge im Vergleich zur Themenfolge in den Manuskripten auf. Die Darstellung aller in diesem Zusammenhang von mir aufgefundenen Textreferenzen würde hier zu weit führen. Anhand der folgenden, vereinfachenden Figur möchte ich das Verhältnis erläutern, in dem das "Diktat für Schlick" zu den wichtigsten der erwähnten Nachlaßdokumenten steht. Dabei versuche ich auch anzudeuten, in welchem Verhältnis das "Blaue Buch" und das Manuskript MS 140 zur Werkeinheit MS 114ii/MS 115i stehen.
Figur: Zum Verhältnis der Hauptwerke Wittgensteins 1933-193459
Die Werkeinheit MS 114ii/MS 115i bildet den Ausgangspunkt sowohl für die Umarbeitung im "Großen Format" (MS 140), für das "Blaue Buch" (D 309) als auch für das "Diktat für Schlick" (D 302). Der unterschiedliche Textumfang dieser Werke ist durch die unterschiedlichen Längen der horizontalen Linien angedeutet.60 Alle aufgeführten Stücke gehen von der Gesamtheit der Werkeinheit MS 114ii/MS 115i aus, die auf über dreihundert Manuskriptseiten so umfangreich angelegt ist, daß das "Diktat für Schlick" als Fassung desselben Werks im kleineren Format zu sehen ist. In MS 140 dagegen setzt sich Wittgenstein eindeutig das Ziel einer Umarbeitung im "Großen Format", d. h. unter Beibehaltung der Detailliertheit, die auch das große Format der Werkeinheit MS 114ii/MS 115i kennzeichnet. Wittgensteins Bezeichnung "Großes Format" ist dabei nicht nur als Bezeichnung der in der Tat überdurchschnittlichen Manuskriptgröße von MS 140 zu verstehen, sondern auch als Kennzeichnung der Werkgröße und des vorgesehenen Umfangs des geplanten Werkes. Wenn Wittgenstein in MS 140 seinen Versuch, ein Werk im großen Format zu schaffen, nach 39 Seiten abbricht, so hat er damit nur einen sehr kleinen Bruchteil der Komposition ausgeführt. Das kleine Format des "Diktats für Schlick" hingegen umfaßt zwar rund 20 Seiten weniger als MS 140, doch in diesem Werk sind alle wesentlichen Kompositionslinien von MS 114ii/MS 115i skizziert. Es gleicht sozusagen einer Art Kompositionsskizze, in der die Hauptlinien einfacher und klarer zu erkennen sind, als im detaillierten "Großen Format".
Sieht man von den unterschiedlichen Zielsetzungen und Darstellungsweisen ab, so lassen sich Entsprechungen zur Werkeinheit MS 114ii/MS 115i auch in etwa den ersten beiden Dritteln des "Blauen Buchs" erkennen, und zwar bis zu denjenigen Seiten, auf denen Wittgenstein für die Studenten eine "Daumenregel" vorstellt und die Zusammenfassung einiger zentraler Begriffsuntersuchungen präsentiert. 61 Danach verliert das "Blaue Buch" merklich an Stringenz, und es scheint eine Art Bruch stattgefunden zu haben, der sich darin zeigt und gleichzeitig verbirgt, daß sich die von Wittgenstein gegebene Zusammenfassung in eine Vielzahl inkohärenter Linien verliert.62 Dieser Bruch tritt auch deshalb nicht gleich auf den ersten Blick zutage, weil das "Blaue Buch" insgesamt viel schwerfälliger, einfacher und stichpunktartiger gehalten ist als das schwungvoll und mit sicherer Hand geführte "Diktat für Schlick".
Meiner Ansicht nach hat Wittgenstein mit dem "Diktat für Schlick" den Versuch einer Darstellung der kompositorischen Hauptlinien der Werkeinheit MS 114ii/MS 115i im "Kleinen Format" unternommen; damit zielt das Diktat aber auch in gewisser Weise auf eine komprimierte und konturierte Erfassung des inhaltlichen und des thematischen Gehalts dieser Werkeinheit.63 Es ist wahrscheinlich, daß das Diktat nicht völlig aus dem Stegreif, sondern unter Vorlage der betreffenden Manuskripte entstanden ist, und daß sich Wittgenstein dann manchmal mehr und bisweilen weniger eng an die Manuskripte gehalten hat. In diesem Kontext ist auch nochmals an das nicht ins von Wright-Verzeichnis aufgenommene Diktat zu erinnern, das "im Wesentlichen eine maschinengeschriebene Fassung von 140"64 darstellt. Auch dieses Stück muß als einer der Anläufe zur Erfassung der Werkeinheit MS 114ii/MS 115i betrachtet werden.65
Ich halte es für möglich, daß das Manuskript MS 140 noch vor Abschluß vonMS 115i entstand, und es ist nicht völlig auszuschließen, daß es sogar noch vor Abschluß vonMS 114ii entstand. Es ist aber unwahrscheinlich, daß es vor demjenigen Zeitpunkt in Angriff genommen wurde, da Wittgenstein das Werkganze schon großenteils ausgeführt vorlag, d. h. kaum vor Ende vonMS 114ii, bzw. nach der Niederschrift zumindest eines Teils vonMS 115i. Die Gesamtheit der Komposition der Werkeinheit MS 114ii/MS 115i könnte ihm aber auch nur intuitiv vorgeschwebt und vor dem "geistigen" Auge gestanden haben, und er könnte mit einer Umarbeitung schon parallel zur Niederschrift vonMS 115i oderMS 114ii begonnen haben. Ähnliches gilt auch für das "Diktat für Schlick". Es ist nicht vollkommen auszuschließen, daß auch dieses Diktat im Horizont einer imaginären Gesamtheit der kompositorischen Gestalt der Werkeinheit MS 114ii/MS 115i geführt wurde, obwohl die Affinitäten zuMS 115i darauf hindeuten, daß es erst nach dem Abschluß vonMS 115i entstanden ist.
Zusammenfassend läßt sich für das "Diktat für Schlick" (D 302) Folgendes festhalten: Das Nachlaßdokument D 306, dessen Transkriptionsvorlage nach Brian McGuinness und nach Herrn Matzinger ein Stenogramm von Schlick war, ist im wesentlichen identisch mit dem Text der letzten Seiten des "Diktats für Schlick". Bei dem von Schlick aufgezeichneten Stenogramm handelt es sich offensichtlich um ein Bruchstück der Originalaufzeichnungen des "Diktats für Schlick". Demnach wurde das "Diktat für Schlick" Schlick selbst diktiert. Es steht der Werkeinheit MS 114ii/MS 115i, deren Überarbeitung im "Großen Format" (MS 140) sowie dem "Blauen Buch" (D 309) inhaltlich und kompositorisch so nahe, daß es auch in etwa zur Zeit der Niederschrift dieser Texte entstanden sein dürfte, d. h. im Jahr 1933 oder 1934. Insbesondere die Affinitäten zuMS 115i, das Ende 1933 begonnen wurde und an dem Wittgenstein wahrscheinlich auch noch 1934 geschrieben hat, lassen für das "Diktat für Schlick" das Entstehungsjahr 1934 vermuten. Sollte das "Diktat für Schlick", was unwahrscheinlicher ist, vor Beginn der Werkeinheit MS 114ii/MS 115i entstanden sein, würde es in erstaunlichster Weise die Komposition dieses Werkes vorwegnehmen; es hätte als eine der Keimzellen zum ersten bedeutenden Publikationsvorhaben Wittgensteins nach der Logisch-Philosophischen Abhandlung zu gelten, und sein Zweck wäre dem des "Braunen Buchs" vergleichbar, das eine Skizze zur Entwicklung der "Philosophischen Untersuchungen" darstellt.
III Wittgenstein und Heidegger
III.1 Wittgenstein "zu Heidegger" und Heidegger zu Wittgenstein
Das Denken Martin Heideggers galt im Umfeld des Wiener Kreises als Paradebeispiel derjenigen metaphysischen Philosophie, der vom Kreis der philosophische Kampf angesagt worden war. Dazu hatte vor allem der von Rudolf Carnap 1931 in der Zeitschrift Erkenntnis veröffentlichte Aufsatz "Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache" beigetragen.66 Carnap versucht in diesem berühmt gewordenen Aufsatz, die logische Sinnlosigkeit metaphysischer Sätze nachzuweisen, und geht dabei insbesondere von Heideggers am 24. Juli 1929 an der Universität Freiburg im Breisgau gehaltenen Antrittsvorlesung "Was ist Metaphysik?" aus.67 Im Zentrum der Kritik Carnaps steht Heideggers ebenfalls berühmt gewordener Ausspruch "Das Nichts nichtet". Die Unsinnigkeit dieser Aussage versucht Carnap dadurch zu beweisen, daß er sie in die Sprache der formalen Logik übersetzt. Seine diesbezüglichen Ausführungen gehören zum klassischen Repertoire der Kritik an Heideggers Denken. Erstaunlicherweise zeigte nun aber Wittgenstein am 30. Dezember 1929 in einer Unterhaltung mit Schlick Verständnis dafür, was Heidegger ─ Wittgensteins Ansicht nach ─ mit Sein und Angst gemeint haben mochte.68 Daß Wittgenstein sich explizit "zu Heidegger" geäußert hatte, wurde erst durch die Veröffentlichung der Gesprächsaufzeichnungen Waismanns in Buchform allgemein bekannt. Als die Philosophical Review 1965 zusammen mit Wittgensteins "Vortrag über Ethik" auch die von Waismann notierte Bemerkung Wittgensteins "zu Heidegger" veröffentlichte69, wurden die Überschrift, der erste und die beiden letzten Sätze getilgt, und es war somit nicht ersichtlich, daß Wittgenstein hier explizit auf Heidegger und auf Augustinus Bezug genommen hatte. Wie und warum es zu dieser Tilgung kam, konnte bislang nicht rekonstruiert werden. Thomas Rentsch bemerkt dazu: "Warum der Text ehemals um Heidegger, Sein, Angst und Augustinus verstümmelt wurde, kann nur vermutet werden. Vielleicht war den Herausgebern es nicht geheuer, ziemlich kurz nach Erscheinen von ’Sein und Zeit’ (Wittgenstein mußte es ziemlich rasch zur Kenntnis genommen haben) einen Wittgenstein zu vernehmen, der seine Nähe zu Heidegger bekundet."70 Rentsch ist der Ansicht, Wittgenstein beziehesich in seinen Äußerungen von 1929 auf Heideggers Hauptwerk Sein und Zeit, da seine "Verständniserklärung keine Marginalien aus ’Sein und Zeit’ [betrifft], sondern dessen Kernthesen zur Fundamentalontologie und transzendentalen Existenzialanalyse. Wittgenstein muß dieser Zusammenhang präsent gewesen sein. Sonst wäre es ihm nicht möglich gewesen, diesen treffend zu benennen und auf einen gemeinsamen Stammvater von ’Sein und Zeit’ und ’Tractatus’ zu beziehen, auf Kierkegaard."71 Mir persönlich erscheint jedoch die Vermutung von Michael Murray wahrscheinlicher,derzufolge Wittgensteins Äußerungen von 1929 in enger Beziehung zu Heideggers Antrittsvorlesung "Was ist Metaphysik?" stehen.72 Ich möchte keinesfalls ausschließen, daß Wittgenstein Sein und Zeit gelesen haben könnte, halte es aber für wahrscheinlicher, daß er von Heideggers Antrittsvorlesung durch Schlick oder Waismann erfahren haben könnte. Möglicherweise hatte Carnap diesen gegenüber die wesentlichen Punkte der Vorlesung referiert, in der Heidegger die Begriffe "Sein" und "Angst" explizit mit Kierkegaard in Verbindung bringt, und in der er den Begriff des Nichts bewußt gegen den der Verneinung und über die traditionelle philosophische Logik stellt.
Weniger bekannt als Wittgensteins Bemerkung "zu Heidegger" ist eine Bemerkung Heideggers zu Wittgenstein, die schon seit längerem veröffentlicht ist und dem Seminar über Heraklit entstammt, das Heidegger gemeinsam mit Eugen Fink im Wintersemester 1966/67 an der Freiburger Universität abgehalten hat. Die Bemerkung Heideggers kommt im Kontext einer Erörterung des "hermeneutischen Zirkels" zu stehen:
TEILNEHMER: (...) Die Grundschwierigkeit, vor der wir stehen ist also die des hermeneutischen Zirkels.
HEIDEGGER: Können wir aus diesem Zirkel herauskommen?
FINK: Müssen wir nicht vielmehr in diesen Zirkel hineinkommen?
HEIDEGGER: Wittgenstein sagt dazu folgendes. Die Schwierigkeit, in der das Denken steht gleicht einem Manne in einem Zimmer, aus dem er heraus will. Zunächst versucht er es mit dem Fenster, doch das ist ihm zu hoch. Dann versucht er es mit dem Kamin, der ihm aber zu eng ist. Wenn er sich nun drehen möchte, dann sähe er, daß die Tür immer schon offen war. ─ Was den hermeneutischen Zirkel anbetrifft, so bewegen wir uns ständig in ihm und sind in ihm gefangen. Unsere Schwierigkeit besteht jetzt darin, daß wir aus wesentlichen Fragmenten Heraklits Aufschluß suchen für den Sinn von τά πάντα, ohne daß wir uns schon auf eine eingehende Interpretation dieser Fragmente einlassen. Aus diesem Grunde muß auch unsere Umschau nach der Bedeutung von τά πάντα vorläufig bleiben.73
III.2 Wittgensteins Bemerkung zu Heidegger im "Diktat für Schlick"
Im "Diktat für Schlick" finden sich Bemerkungen Wittgensteins zu Heidegger, die für vergleichende Arbeiten zu Heidegger und Wittgenstein von höchster Bedeutung sind. Wittgensteins im folgenden zitiertes Bild einer "Insel des Seins, umspült vom unendlichen Meer des Nichts" steht in Verbindung zu Bemerkungen über den fließenden Begriff der Sprache, die sich im "Diktat für Schlick" kurz vor den Bemerkungen zu Heidegger finden. Der Begriff der Mathematik, so heißt es dort, "so wie der Begriff des Kalküls ist ein fließender. Und ebenso ist es der Begriff der Sprache. Aber das erlaubt uns, unsere Freiheit auf die Spitze zu treiben, gleichsam zu sagen: wenn du das und das Sprache nennst, warum auch nicht das? Wir können so Sprachspiele isolieren und uns etwa vorstellen, ein Volksstamm kenne [könne] nur dieses oder jenes oder diese bestimmte Kombination von Sprachspielen. Und so beleuchten wir das unübersehbar wogende Ganze unserer Sprache, dadurch daß wir ihm festumschriebene Gebilde gegenüber oder an die Seite stellen, welche wir nicht gut umhin können, Sprache zu nennen."74 Auf Seite 28 heißt es dann unmittelbar vor Wittgensteins Äußerungen zu Heidegger: "(...) so sehen wir nun auch, daß die Sprache durch dieses oder jenes Sprachspiel (wie ich es nennen will) nicht komplett noch durch sein Fehlen wesentlich unvollständig wird; welches alles natürlich nur Bemerkung zur Grammatik des Wortes ’Sprache’ ist, die uns davor bewahrt, beim Nachdenken über die Grammatik eines Wortes auf gewisse hoffnungslose Irrwege zu geraten."75 Nach diesen Sätzen geht Wittgenstein zu Beginn eines neuen Absatzes auf Heideggers "nichtendes Nichts" ein:
Wenn wir einen Satz wie den "das Nichts nichtet" oder die Frage "was ist früher, das Nichts oder die Verneinung?" behandeln wollen, so fragen wir uns, um ihm gerecht zu werden: was hat denn dem Autor bei diesem Satz vorgeschwebt? Woher hat er diesen Satz genommen? Wer etwa vom [von] Gegensatz des Seins und des Nichts spricht und vom Nichts als etwas gegenüber der Verneinung Primärem, der denkt, glaube ich, etwa an eine Insel des Seins umspült vom unendlichen Meer des Nichts. Was wir in dieses Meer werfen, wird in seinem Wasser aufgelöst, vernichtet. Es selbst aber hat auch eine unendliche Tätigkeit, vergleichbar [vergelichbar] den Wogen des Meeres, es existiert, es ist, und wir sagen: "es nichtet". In diesem Sinn würde auch das Ruhen als eine Tätigkeit bezeichnet. Wie aber kann man jemandem zeigen, daß dieses Gleichnis nun das richtige ist? Man kann es garnicht zeigen. Aber wenn es ihn von seiner Verwirrung erlöst, so haben wir ihm damit getan, was wir wollten.
Es mag uns seltsam vorkommen, durch welche gleichsam triviale Mittel wir von tiefen philosophischen Beunruhigungen befreit werden. Es ist seltsam, daß man nichts tun muß als z. B. in einem Fall ein Wort durch zwei verschiedene zu ersetzen, das Wort "ist" durch die beiden Zeichen [Zeiche] "=" und "ε", um die quälende Frage los zu werden, inwiefern doch die Rose dasselbe sei wie rot. Aber daraus sehen wir nur, wie tief eine Verwirrung ist, wenn sie in der Sprache verkörpert ist. Es ist seltsam, daß man einen von der tiefen und in gewissem Sinn geheimnisvollen Frage, was der Satz "A=A" bedeutet, dadurch sollte erlösen können, daß man eine Notation einführt, in der sich dieser Satz nicht aufschreiben läßt. Wie kommt es, so könnte man fragen, daß wir uns dabei beruhigen? Daß wir jene Notation nun nicht ablehnen, indem wir sie als unvollständig erklären? Aber wir tun es nicht, sondern fühlen gleichsam: Gottseidank, daß wir befreit sind! So seltsam es klingt: das, was uns an jenem Satz A=A tief a priori allem Denken zugrundeliegend erschien, erkennen wir wieder in seinem Ausschluß aus der Sprache durch das neue Zeichensystem. Das tiefe Problem lag sozusagen gerade darin, daß wir uns in der alten Ausdrucksweise ungemütlich fühlten (und das Gefühl der Ungemütlichkeit, wenn es sich auf die [der] Sprache bezieht [bezeiht], ist ein tiefes). Wenn jemand sagt "das Nichts nichtet" so können wir ihm in der Art unserer Betrachtungsweise sagen: Gut, was sollen wir nun mit diesem Satz anfangen? Das heißt, was folgt aus ihm, und woraus folgt er? Aus welcher Erfahrung können wir ihn feststellen? Oder aus gar keiner? Was ist seine Funktion? Ist er ein Satz der Wissenschaft? Und welche Stellung nimmt er im Haus der Wissenschaft ein? Die eines Grundsteins, auf welchem andere Bausteine liegen? Oder etwa die eines Arguments? Ich erkläre mich mit allem einverstanden, nur muß ich dies wissen. Ich habe nichts dagegen, daß du an der Maschine der Sprache ein leerlaufendes Rad anbringst, aber ich wünsche zu wissen, ob es leer läuft oder in welche andere Räder es eingreift.76
Zunächst bekundet Wittgenstein also auch im "Diktat für Schlick" Verständnis für Heideggers Denken, und zwar insofern, als er Heideggers Satz "Das Nichts nichtet", die Möglichkeit nicht abspricht, innerhalb einer spezifischen Fragestellung von individuellen philosophischen Verwirrungen erlösen zu können. Wittgenstein billigt diesem Satz implizit auch eine gewisse Tiefe zu. Gleichzeitig wird der Satz Heideggers aber auch zu einem der vielen Beispiele Wittgensteins für philosophische Verwirrungen. Das diese Verwirrungen begleitende Gefühl der Ungemütlichkeit bezeichnet er hier jedoch ebenfalls als ein tiefes. Wo Wittgenstein von trivialen Mitteln der Erlösung von Beunruhigungen spricht, spielt er meines Erachtens auf Carnaps formalsprachliche Analyse des Heideggerschen Satzes an. Wittgensteins Bezugnahme auf "Das Nichts nichtet" und besonders auf die Frage, ob das Nichts ursprünglicher sei als die Verneinung, sind eindeutige Hinweise darauf, daß diese Bemerkungen in Verbindung zu Heideggers Antrittsvorlesung "Was ist Metaphysik?" stehen. Obwohl nicht auszuschließen ist, daß Wittgenstein Texte Heideggers kannte, könnte doch sein abschließender Wunsch, genauer wissen zu wollen, welchen Bedeutungszusammenhängen oder welchem Sprachspiel der Satz "Das Nichts nichtet" denn entnommen ist, als ein Hinweis dafür angesehen werden, daß ihm Heideggers Denken zu diesem Zeitpunkt nur vom Hören-Sagen und durch einschlägige Erwähnungen Heideggers im Umfeld des Wiener Kreises bekannt war. Andererseits läßt sich Wittgensteins Wunsch aber auch als Kritik an Carnaps formalsprachlichem Reduktionismus und an seiner Isolation des Heideggerschen Satzes aus einem umfassenderen Sprachsystem verstehen.
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