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Wir könnten uns etwa so ausdrücken: Die unbegrenzten Spiele sind dadurch charakterisiert, daß sie nicht mit einem bestimmten Vorrat von Zahlzeichen gespielt werden sondern statt dessen mit einem System der (unbeschränkten) Konstruktion von Zahlzeichen.
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Wenn wir sagen, jemand werde ein System der Konstruktion von Zahlzeichen gegeben, so denken wir dabei im allgemeinen an eines von drei Dingen1: a) daß er eine Abrichtung erhält wie die in (34) beschriebene,2 – die, wie uns die Erfahrung lehrt, ihn befähigt Aufgaben zu lösen, wie die dort angeführten.3 b) daß in ihm (seinem Gehirn, seiner Seele) die Disposition hervorgerufen4 wird, auf diese Weise zu reagieren. c) daß ihm eine allgemeine Regel zur Konstruktion von Zahlzeichen gegeben wird.
1 [einen von drei Vorgängen| eines von drei Dingen]
2 [von der Art derjenigen, die in (34) beschrieben wurde,| wie die in (34) beschriebene,]
3 [zu lösen von der dort beschriebenen Art| zu lösen, wie die dort angeführten.]
4 [erzeugt| hervorgerufen]
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Was nennen wir Regeln1? Betrachte dieses Beispiel:
B legt einen Weg zurück einem Befehl entsprechend, den A ihm gibt. B erhält die Tabelle:

a

b •

c

d

A gibt ihm nun einen Befehl, der aus den vier Buchstaben der Tabelle besteht; z.B. „a a c a d d d”. B sucht den Pfeil, der in der Tabelle2 jedem Buchstaben entspricht und bewegt sich nun diesem Pfeil entsprechend, in unserm Beispiel also so: Graphic.
Die Tabelle werden wir hier eine Regel nennen. (Oder auch: den ‚Ausdruck einer Regel’. Warum ich dieses Synonym hierhersetze wird sich später zeigen.) Den Satz ‚a a c a d d d’ werden wir keine Regel nennen wollen. – Er ist natürlich die Beschreibung des Weges den B nehmen soll. – Aber eine solche Beschreibung würde man unter bestimmten Umständen eine Regel nennen; z.B. in diesem Fall:
B soll verschiedene lineare Ornamente zeichnen. Jedes Ornament ist die Wiederholung eines Elements, das A angibt. Gibt z.B. A den Befehl ‚c a d a’, so zieht B eine Linie
Graphic.
In diesem Fall würden wir, glaube ich, ‚c a d a’ die Regel nennen, nach welcher das Ornament gezeichnet wird.
1 [eine ‚Regel’| Regeln]
2 [schaut in der Tabelle den Pfeil nach der| sucht den Pfeil, der in der Tabelle]
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Beiläufig gesprochen, gehört zu einer Regel die wiederholte Anwendung.
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Vergleiche mit (38) den folgenden Fall:
Ein Brettspiel mit Spielfiguren verschiedener Gestalt, etwa ähnlich dem Schach. Die Art und Weise wie jede Figur ziehen darf ist durch Regeln festgelegt. So lautet für die eine Figur die Regel ‚a c’, für eine andre etwa ‚a c a a’, u.s.f.. Die erste darf also so ziehen:
Graphic; die andre so: Graphic.

Hier kann1 man sowohl die Sätze (‚a c’, ‚a c a a’, etc.) als auch die Diagramme, die ihnen entsprechen, Regeln nennen.
1 [könnte| kann]
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Kehren wir zum Sprachspiel (37) zurück: Nachdem es öfters1 gespielt wurde, wird es dahin abgeändert, daß B die Pfeile nicht mehr in der Tabelle nachsieht, sondern sie sich nach den Buchstaben des Befehls vorstellt und nach seinem Vorstellungsbild handelt.
1 [einige Male| öfters]
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Nach einiger Praxis in diesem Spiel ändert es sich weiter dahin, daß B sich nach den Buchstaben des Befehls bewegt, ohne Vermittlung der Tabelle oder eines Vorstellungsbildes.
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Betrachte auch diese1 Variation:
Beim Unterricht in der Sprache (37) wird B die Tabelle gezeigt; ihm aber bei der Ausführung des Befehls nicht an die Hand gegeben. Die Tabelle tritt in die Praxis der Sprache nicht ein.
1 [folgende| diese]
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In jedem der Fälle (37) (40) (41) (42) können wir die Tabelle eine Regel des Spiels nennen. Aber in jedem von ihnen spielt sie eine andere Rolle. In (37) ist sie ein Werkzeug in der Praxis der Sprache1; in (40) wurde sie durch das Wirken der Assoziation ersetzt. In (41) ist auch dieser Schatten der Tabelle nicht mehr zu finden. – In (42) ist sie nichts als ein Unterrichtsbehelf.
1 [des Spiels| der Sprache]
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Aber weiter: Ein Stamm gebraucht ein System der Verständigung wie (42); nur wird von ihnen im Unterricht keine Tabelle gebraucht.1 Der Unterricht konnte darin bestehen, daß der Schüler im Anfang den Weg geführt wurde, den er gehn soll.
1 [ von keiner Tabelle Gebrauch gemacht.| keine Tabelle gebraucht.]
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Aber wir könnten uns auch den Fall denken, wo selbst dieser Unterricht nicht nötig ist; wo, wie wir1 sagen würden, der Anblick der Buchstaben, ‚a’, ‚b’, ‚c’, ‚d’, von Natur aus den Menschen sich so und so bewegen macht. Dieser Fall erscheint auf den ersten Blick äußerst seltsam. Wir scheinen etwas nie Erhörtes anzunehmen. Oder wir könnten fragen:2 „Wie kann er denn wissen, wie er sich zu bewegen hat, wenn ihm der Buchstabe ‚a’ gezeigt wird?” Aber ist nicht B's Reaktion in diesem Fall gerade die, die wir in (42) und (43) beschrieben haben, und zwar unsere gewöhnliche3 Reaktion, wenn wir z.B. einen Befehl hören und befolgen? Denn die Tatsache, daß in (42) und (43) die Abrichtung vorhergegangen war, ändert ja am Vorgang der Befolgung nichts4. Oder, richtiger ausgedrückt: Wir wollen ja jetzt bloß auf den Vorgang des Befolgens5 des Befehles sehn, und nicht auf das, was diesem Vorgang vorhergegangen ist. – Mit andern Worten: Der seltsame seelische Mechanismus, den wir in (44) annahmen, ist kein andrer als der, den wir in (41) und (42), als Ergebnis der Abrichtung, voraussetzten.6 – „Aber könnte so ein Mechanismus uns angeboren sein?” – Aber findest Du eine Schwierigkeit in der Annahme,7 dem B sei der Mechanismus angeboren, der ihn befähigt auf die Abrichtung so zu reagieren, wie er es tut? Und denke, daß die Regel, oder Erklärung, die die Tabelle (37) für die Zeichen ‚a’, ‚b’, ‚c’, ‚d’ gibt nicht notwendigerweise die letzte ist. Siehe (24).
1 [gebraucht wird. Einen Fall, in welchem, wie wir| nötig ist; wo, wie wir]
2 [fragen vielleicht:| könnten fragen:]
3 [normale| gewöhnliche]
4 [ den Vorgang der Befolgung nicht| am Vorgang der Befolgung nichts]
5 [der Befolgung| des Befolgens]
6 [derjenige, von dem wir in (41) und (42) annahmen, er sei durch Abrichtung erzeugt worden.| kein andrer als der, den wir in (41) und (42), als Ergebnis der Abrichtung, voraussetzten.]
7 [fanden wir eine Schwierigkeit darin, anzunehmen,| findest Du eine Schwierigkeit in der Annahme,]
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Wie erklärt man Einem, in welcher Weise er den Befehl „Geh dort hin!” (mit der zeigenden Gebärde) auszuführen habe1? Könnte dieser Befehl nicht bedeuten, er solle in der Richtung gehen, die wir die entgegengesetzte der zeigenden Hand nennen würden? Ist nicht jede Erklärung, wie er der Hand zu folgen habe, in der Lage einer weitern zeigenden Hand? Was würden wir zu dieser Erklärung sagen: „Wenn ich dorthin zeige ( Geste der rechten Hand2), so hast Du in dieser Richtung zu gehen ( gleiche Geste der linken Hand3)”? Dies kann unter Umständen eine nützliche Erklärung sein.
1 [ausführen solle| auszuführen habe]
2 [mit der rechten Hand zeigend| Geste der rechten Hand]
3 [mit der linken Hand zeigend| gleiche Geste der linken Hand]
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Aber kehren wir zu (43) zurück. Ein Forscher besucht diesen Volksstamm und beobachtet den Gebrauch ihrer Zeichen. Er beschreibt dann ihre Sprache und sagt, die Sätze bestünden aus den Buchstaben ‚a’, ‚b’, ‚c’, ‚d’, diese werden gemäß der Regel
a

b •

c

d

gebraucht.– Wir sehen, daß der Ausdruck ‚es wird nach der Regel R1 vorgegangen’ nicht bloß in Fällen wie (37), (40), (41), (42) gebraucht wird, sondern auch dort, wo die Regel (oder sollen wir sagen ‚ihr Ausdruck’) weder ein Werkzeug in der Praxis, noch im Unterricht des Spiels ist. Zur Sprache (43) verhält sich die Tabelle vielmehr wie ein Naturgesetz zu einer2 Erscheinung, die es beschreibt. Die Tabelle ist in diesem Beispiel ein Satz der Naturgeschichte des3 Stammes.
1 [so und so| R]
2 [zur| zu einer]
3 [jenes| des]
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Merke: Im Spiel (37) haben wir zwischen dem Befehl der auszuführen ist und der Regel geschieden; im Fall (38) dagegen nannten wir den Satz ‚c a d a’ eine Regel und er war der Befehl. Stelle dir nun diese
Variante von (37) vor: Der Schüler wird nicht bloß zum Gebrauch einer Tabelle abgerichtet, sondern die Abrichtung geht darauf aus ihn den Gebrauch jeder beliebigen Tabelle von Buchstaben zu lehren1. Damit meine ich nun bloß, daß die Abrichtung von einer gewissen Art ist, beiläufig gesprochen, von der in (34) beschriebenen. Ich will eine Abrichtung mehr oder weniger von dieser Art einen ‚allgemeinen Unterricht’ nennen.2 Die Glieder dieser Familie können voneinander weit verschieden sein. Der Unterricht, an welchen ich jetzt denke, besteht der Hauptsache nach 1) in einer Abrichtung in einem engen, bestimmt abgegrenzten Gebiet von Handlungen, 2) in einer Führung des Schülers beim Überschreiten der Grenze dieses Gebietes, 3) in einer Auswahl von Übungen und Aufgaben.
1 [den Schüler zum Gebrauch jeder beliebigen Tabelle von Buchstaben und Pfeilen zu befähigen| ihn den Gebrauch jeder beliebigen Tabelle von Buchstaben zu lehren]
2 [eine Abrichtung analog der in (34) einen ‚allgemeinen Unterricht’ nennen.| eine Abrichtung mehr oder weniger von dieser Art einen ‚allgemeinen Unterricht’ nennen.]
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Nach einem Unterricht dieser Art erhält B einen Befehl von der Form:
r r t s s

r •

s •

t

Er führt den Befehl aus, indem er sich so bewegt:
Graphic
Hier würden wir sagen, die Regel bilde einen Teil des Befehls.
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N.B.: Wir sagen nicht ‚was eine Regel ist’, sondern geben nur verschiedene Anwendungen des Wortes ‚Regel’. Und wir tun dies offenbar, indem wir auch Anwendungen der Worte1 ‚Ausdruck einer Regel’ angeben.
1 [des Ausdrucks| der Worte]
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In (45) könnten wir das ganze Zeichen des Befehls einen Satz nennen. Aber wir könnten auch in ihm zwischen Satz und Tabelle unterscheiden. Was uns die Unterscheidung nahelegt ist hier insbesondre auch die lineare Schreibweise des Zeichens ‚r r t s s’. Obwohl wir den linearen Charakter unserer Sätze von einem bestimmten Standpunkt aus für rein äußerlich und unwesentlich erklären werden, spielt er doch in dem, was wir als Logiker über die Sätze zu sagen geneigt sind, eine große Rolle. (Dies gilt auch von andern ähnlichen Zügen der Sätze unsrer gewöhnlichen Sprache.) Wenn wir also den Befehl in (45) als eine Einheit auffassen, so kann er uns zeigen, wie verschiedenartig Sätze ausschauen können.
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Vergleichen wir nun diese beiden Spiele:
Das eine ist das Spiel (38). Es wird den Menschen durch einen ‚allgemeinen Unterricht’ beigebracht1. Die Befehle sind Kombinationen der Buchstaben ‚a’, ‚b’, ‚c’, ‚d’ mit beliebig vielen Wiederholungen. – Aber was heißt das? Nun, daß in der Praxis des Spiels, wie in seinem Unterricht, keine Anzahl von Wiederholungen die Rolle der ‚ größtmöglichen’ spielt (siehe (35)). – Vergleichen wir mit diesem Spiel2 das folgende:
Die Befehle und ihre Ausführung wie in (38); aber es werden nur drei Sätze gebraucht: ‚a c’, ‚a c c’, ‚c a a’. [Untereinander schreiben]
1 [gelehrt| beigebracht]
2 [damit| mit diesem Spiel]
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Wir werden1 sagen, daß in (38) B beim Ziehen der gebrochenen Linie von dem zusammengesetzten Zeichen des Befehls geleitet2 wird. – Aber wenn wir uns fragen, ob die drei Sätze in (47) B in der Ausführung leiten3, so scheint es, als könnten wir sowohl ‚ja’ als ‚nein’ sagen. – Wenn ich nun nachdenke, wird er geführt oder nicht geführt, so fallen mir Antworten ein wie diese:4
a) „B wird von den Zeichen geführt, wenn er den Satz nicht einfach als Ganzes (gleichsam ein Wort) ansieht und dann handelt, – sondern wenn er ihn ‚Wort für Wort’ (die Wörter sind hier die Buchstaben) liest, und den Wörtern entsprechend handelt.” Dies könnten wir5 deutlicher machen; indem wir uns vorstellen, daß das Lesen ‚Wort für Wort’ etwa darin besteht, daß er auf alle Buchstaben des Befehls einzeln, der Reihe nach, mit dem Finger zeigt (statt etwa auf den ganzen Satz auf einmal). Und das ‚Handeln den Wörtern entsprechend’ soll, der Einfachheit halber, darin bestehen, daß B je ein Linienstück nach dem Lesen eines Buchstaben zieht. –
b) „B wird geführt, wenn er durch einen Vorgang in seinem Bewußtsein6 von dem Zeigen auf einen Buchstaben zu dem Ziehen des entsprechenden Linienstücks gelangt7.” Diese8 Verbindung könnten wir uns auf verschiedene Weise hergestellt denken9. Z.B. so: B sieht nach dem Lesen eines jeden Buchstaben in die Tabelle und zieht dann ein Linienstück parallel dem Pfeil, den er in der Tabelle gefunden hat.–
c) „B wird geführt, wenn er nicht einfach auf den Anblick eines Buchstaben mit dem Ziehen eines Linienstücks reagiert, sondern wenn er die eigentümliche Spannung erfährt: das ‚Sich-Besinnen auf die Bedeutung des Zeichens’; und das Nachlassen dieser Spannung, wenn die richtige Handlung im Geiste auftaucht.”
1 [können| werden]
2 [geführt| geleitet]
3 [führen| leiten]
4 [Wenn wir nun versuchen zu entscheiden, ob wir sagen sollen B werde geführt, oder nicht geführt, so sind wir geneigt, Antworten zu geben, wie diese:| Wenn ich nun nachdenke, wird er geführt oder nicht geführt, so fallen mir Antworten ein wie diese:]
5 [Wir könnten dies| Dies könnten wir]
6 [durch einen Denkvorgang| durch einen Bewußtseinsvorgang| durch einen Vorgang in seinem Bewußtsein]
7 [das Zeigen auf einen Buchstaben mit dem Ziehen des entsprechenden Linienstücks verbindet| von dem Zeigen auf einen Buchstaben zu dem Ziehen des entsprechenden Linienstücks gelangt]
8 [So eine| Eine solche| Diese]
9 [vorstellen| hergestellt denken]
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Diese Erklärungen aber befriedigen uns alle nicht recht, und es ist die Begrenzung unseres Sprachspiels, welche sie alle unbefriedigend macht.1 – Dies drückt sich in der Erklärung aus, die uns einfällt: B werde dann von den Kombinationen der Buchstaben in den drei Sätzen geführt, wenn er auch Befehle ausführen könnte, die andere Kombinationen dieser Buchstaben sind.2 – Und wenn wir dies sagen, so erscheint uns diese Fähigkeit, auch andere Befehle auszuführen, als ein bestimmter Zustand dessen, der die 3 Befehle in (47) ausführt.3 Wenn wir nun aber den Fall gleichsam von der Nähe betrachten, ist kein solcher Zustand zu sehen.4
1 [lassen uns alle auf eine Weise unbefriedigt und es ist die Begrenzung unseres Sprachspiels, die alle solche Erklärungen unbefriedigend macht.| befriedigen uns alle nicht recht, und es ist die Begrenzung unseres Sprachspiels, welche sie alle unbefriedigend macht.]
2 [die in andern Kombinationen dieser Buchstaben bestehen.| die andere Kombinationen dieser Buchstaben sind.]
3 [so scheint es uns, diese Fähigkeit zur Ausführung anderer Befehle sei ein bestimmter Zustand [dessen,| des Menschen,] der die Befehle in (47) ausführt.| so erscheint uns diese Fähigkeit, auch andere Befehle auszuführen, als ein bestimmter Zustand dessen, der die 3 Befehle in (47) ausführt.]
4 [ Sehen wir uns aber daraufhin den Fall von der Nähe an, so sehen wir nichts was wir so einen Zustand nennen [würden.| könnten.]| [Wenn wir uns aber daraufhin den Fall gleichsam von der Nähe besehen, ist kein solcher Zustand zu finden.| Wenn wir nun aber den Fall gleichsam von der Nähe betrachten, ist kein solcher Zustand zu sehen.]]
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Sehen wir nach, welche Rolle das Wort „Können”, oder das Wort „Fähigkeit”, in unserer Sprache spielt. Betrachte die folgenden1 Beispiele:
Für irgendeinen wichtigen Zweck brauchen Menschen ein Gerät dieser Art:2 Es ist ein Brett mit einem geraden oder krummen Schlitz, in welchem ein Zapfen geführt wird. Der das Gerät gebraucht, läßt den Zapfen dem Schlitz entlanggleiten. Es gibt solche Bretter mit geraden, kreisbogenförmigen, ovalen, S-förmigen und andern Schlitzen. Die Sprache des Stammes hat Ausdrücke zur Beschreibung der Tätigkeit des Arbeitens mit diesem Gerät. Sie sprechen vom Bewegen des Zapfens in gerader Linie, im Kreisbogen, etc. Sie haben auch eine Weise, die entsprechenden Bretter zu beschreiben: Sie3 sagen, „Das ist ein Brett, in welchem der Zapfen gerade bewegt werden kann”. Man könnte in diesem Fall das Wort „kann” einen Operator4 nennen, durch welchen die Beschreibung der Handlung in eine Beschreibung des Instruments verwandelt wird.
1 [diese| die folgenden]
2 [Stellen wir uns vor, für irgend einen wichtigen Zweck brauchten Menschen ein Gerät dieser Art:| Für irgendeinen wichtigen Zweck brauchen Menschen ein Gerät dieser Art:]
3 [, sie|: Sie]
4 [ein Operationszeichen| einen Operator]
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Denken wir uns eine Sprache, in der es keine solche Satzform gibt wie, „Das Buch ist in der Lade”, oder, „Wasser ist im Glas”, sondern statt dessen heißt es1: „Das Buch kann aus der Lade genommen werden”, etc.
1 [sagt man| heißt es]
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Denken wir uns eine Sprache, in der statt Sätzen von der Form ‚x ist hart’, x ist weich’ (‚spröde’, ‚zähe’), Sätze gebraucht werden von der Form: ‚x kann gebogen werden’, ‚x kann schwer geritzt werden’, ‚x kann leicht zerschlagen werden’, u.s.f.. Und zwar auch dann, wenn jetzt, wie wir sagen würden, das Ding nicht gebogen; oder geritzt werden kann, etc.. So sagt man z.B.: „Die Hütte ist aus Stäben gebaut, die leicht gebogen werden können”, wenn die Stäbe, in unserm Sinn, einzeln leicht gebogen werden konnten.
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In diesen Beispielen, könnten wir sagen, beschreiben die Sätze von der Form „das und das kann geschehen” Zustände von Dingen. Aber die Fälle sind untereinander sehr verschieden. In (48) hatten wir den Zustand vor den1 Augen: Wir sehen, daß das Brett einen geraden, oder andern, Schlitz hat. – In (49) entspricht der beschriebene Zustand manchmal einem ‚visuellen Zustand’, wie wir es nennen könnten,2 manchmal nicht. – Auch in (50), können wir sagen, beschreibt der Satz „der Stab kann gebogen werden” einen Zustand, weil das Verbum ‚gebogen werden können’3 in der Gegenwart steht also daraufhin deutet, daß etwas jetzt der Fall ist, während ich spreche. Aber ich4 hätte die zuständliche Auffassung in diesem Beispiel noch klarer machen können, wenn ich angenommen hätte, in dieser Sprache werde statt „das Ding ist weich” immer gesagt: „das Ding hat es in sich, daß es gebogen werden kann”5, oder dergleichen. Und unsere eigene Sprache behandelt ja auch die6 Wörter „biegsam”, „leicht zerreißbar”, „zerbrechlich” wie die Wörter „weich”, „spröde”, etc., und diese wiederum wie die Wörter „warm”, „rot”, „dunkel”. Aber zum Zustand der Biegsamkeit, Ritzbarkeit etc. verhält sich kein Zustand der Sinneswahrnehmung, so, wie zur Röte eines Dings der visuelle Zustand des Sehens der roten Farbe. Das Kriterium für die7 Biegsamkeit ist nicht sosehr eine stationäre Sinneswahrnehmung, als die Probe des Biegens, das Kriterium des Zustandes der Ritzbarkeit, die Probe des Ritzens, u.s.f.. – Die Idee des ‚Zustands eines Dinges’ ist aber dennoch immer eng verbunden mit der eines Zustands der Sinneswahrnehmung; und wenn wir uns fragen, worin denn das Zuständliche der Weichheit, z.B., besteht, so wird uns gleich so etwas einfallen, wie die ‚Struktur der Materie’, und wir werden geneigt sein, zu sagen: wenn wir nur in diese Struktur hineinsehen könnten, so würden wir den Zustand sehen, der es macht, daß man den Körper leicht biegen kann, etc..
1 [unsern| den]
2 [man es nennen könnte,| wir es nennen könnten,]
3 [weil sein Verbum, ‚können’,| weil das Verbum ‚gebogen werden können’]
4 [Ich| Aber ich]
5 [es kann gebogen werden”| daß es gebogen werden kann”]
6 [Und wir gebrauchen ja die| Und unsere eigene Sprache behandelt ja auch die]
7 [der| für die]
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Wir sagen ein Wagen fahre 20 km in der Stunde, auch wenn er nur eine halbe Stunde lang fährt. Wir können unsern Ausdruck rechtfertigen, indem wir sagen, der Wagen kann mit seiner Geschwindigkeit 20 km in der Stunde zurücklegen. Und wir nennen die Geschwindigkeit auch einen ‚Bewegungszustand’. Ich glaube, wir würden diesen Ausdruck nicht gebrauchen, wenn wir keine anderen Bewegungserfahrungen hätten, als die, daß ein Ding zu einer Zeit an einem Ort, zu einer andern an einem andern Ort ist; wenn wir also alle Dinge sich bewegen sähen, wie den Stundenzeiger der Uhr, oder die Sonne. ( Damit in Zusammenhang steht die Idee: der fliegende Pfeil bewegt sich nicht1, weil er sich in jedem Zeitpunkt nur an einem Ort befindet.)
1 [ vom Pfeil, der sich nicht bewegt|: der fliegende Pfeil [steht stille| bewegt sich nicht]]
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Ein Volksstamm hat in seiner Sprache Befehle zur Ausführung gewisser Tätigkeiten der Männer im Kriege; Befehle etwa wie: „Werft die Speere!”, „Schießt!”, „Lauft!”, „Kriecht!” etc.. Sie haben auch eine Art den Bau1 eines Menschen zu beschreiben; indem sie sagen „er kann schnell laufen”, „er kann weit werfen” etc. Was mich aber rechtfertigt zu sagen, diese Sätze beschreiben2 bei ihnen die Figur eines Menschen, ist die Art, wie sie von den3 Sätzen Gebrauch machen. Denn sie beschreiben ein4 Bild eines Menschen mit kräftigen Armen, indem sie sagen „er kann weit werfen”; und5 sie beschreiben Einen der wohlgeformte Beine hat, auch wenn er sie aus irgend einem Grund nicht gebrauchen kann, mit dem Ausdruck6 „er kann hoch springen”, etc.
1 [die Figur| den Bau]
2 [beschrieben| beschreiben]
3 [diesen| den]
4 [das| ein ]
5 [oder| und]
6 [den Worten| dem Ausdruck]
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Die Männer eines Stammes werden, ehe sie in den Krieg ziehen auf ihre Tauglichkeit im Kampf geprüft. Der Prüfende läßt sie gewisse festgesetzte Übungen machen und zwar sind es Übungen an einer Art von Turngeräten. Danach gibt er jedem ein Zeugnis von dieser Art: „A kann gut Bogenschießen”, „B ist geschickt zum Schleudern” etc. etc.. Es gibt in ihrer Sprache keine besondern Worte für die Übungen denen sie bei der Prüfung unterzogen werden, sondern diese heißen nur Proben für die und die Tätigkeit im Kriege.
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Es ist nun wichtig zu sagen, daß man gegen dieses Beispiel, wie gegen1 andere, die wir geben, einen Einwand machen kann: Wir lassen unsere Volksstämme immer deutsche Sätze reden und setzen dadurch stillschweigend schon den ganzen Hintergrund der deutschen Sprache voraus, also2 die gewöhnlichen Bedeutungen der deutschen Wörter3. Wenn wir etwa sagen, in der und der Sprache solle es kein Wort für das Stemmen von Hanteln geben und es werde dort ‚ Übung zum Steinschleudern’ genannt, so kann man fragen, wie wir denn den Gebrauch der Ausdrücke ‚ eine Übung ausführen’ und ‚einen Stein schleudern’ gekennzeichnet haben, daß wir berechtigt sind diese deutschen Ausdrücke denjenigen gleich zu setzen, die jener Stamm etwa gebraucht. – Darauf müssen wir antworten, daß wir nur eine sehr skizzenhafte Beschreibung der Praxis unserer fingierten Sprachen gegeben haben, und in manchen Fällen nur Andeutungen; daß sich aber diese Beschreibungen leicht weiter ausführen ließen. So hätten wir in (52) sagen können, daß der Prüfende gewisse Befehle gebraucht, wenn er die Leute Übungen ausführen läßt. Diese Befehle beginnen alle mit einem gewissen Wort, welches ich mit dem deutschen „Übe” übersetzen könnte, und diesem Wort folgt dann der Ausdruck der im Krieg als Befehl zum Speerschleudern gebraucht wird. Ferner, wenn ein Mann dem Häuptling von der Schlacht berichtet, gebraucht er wieder diesen Ausdruck, nun in einer Beschreibung. Was aber eine Beschreibung als solche, einen Befehl als solchen, eine Frage u.s.w., kennzeichnet ist – wie gesagt – die Rolle, welche diese Äußerungen4 in der lebendigen Verwendung der Sprache spielen. Also, ob ein Wort eines5 Stammes richtig durch ein Wort der deutschen Sprache wiedergegeben wurde, hängt von der Rolle ab, die jenes Wort im ganzen Leben des Stammes spielt; d.h. von den Gelegenheiten, bei welchen es gebraucht wird, den Ausdrücken der Gemütsbewegung, von denen es im allgemeinen begleitet ist, den Eindrücken, die es erweckt, etc., etc.. Frage Dich z.B.: In was für Fällen würdest Du sagen, ein Wort eines bestimmten Volkes entspräche unserm „Leb wohl”; in was für Fällen, es entspräche irgendeinem unserer Schimpfworte? Welche Beobachtungen würden Dich veranlassen, ein Wort einer fremden Sprache mit unserm „vielleicht” zu übersetzen; oder mit einem Ausdruck des Zweifels, der Gewißheit, u.s.f.? Du wirst finden, daß die Rechtfertigung dafür, einen Ausdruck ‚Ausdruck des Zweifels’, ‚der Gewißheit’, etc., zu nennen, zu einem großen Teil, wenn auch nicht ausschließlich, in Gebärden, im Gesichtsausdruck des Sprechenden und dem Ton der Stimme liegt. Denke hier auch daran, daß die Erfahrungen einer Gemütsbewegung, zum Teil wenigstens, klar lokalisierte Erfahrungen sind. Denn, wenn ich im Ärger die Stirn runzle, so fühle ich die Spannung des Runzelns in der Stirne, und wenn ich weine, so sind die Empfindungen in der Umgebung meiner Augen ein wichtiger Bestandteil dessen, was ich fühle, wie es die veränderte Atmung ist, das Klopfen des Herzens, u.s.w.. Ich glaube das ist es, was William James meinte, als er sagte6, man weine nicht, weil man traurig ist, sondern man sei traurig, weil man weint. Der Grund, warum diese Idee7 oft nicht verstanden wird, liegt darin, daß wir die Äußerung eines Gefühls als ein künstliches Verständigungsmittel auffassen, um dem Andern zu zeigen, daß wir dieses8 Gefühl haben. Nun gibt es9 keine scharfe Grenze zwischen solchen ‚künstlichen Mitteln der Verständigung’ und dem was man den ‚natürlichen Ausdruck des Gefühls’ nennen könnte. Vergleiche in dieser Hinsicht: a) Weinen, b) die10 Stimme erheben, wenn man ärgerlich ist, c) einen groben Brief schreiben, d) die Glocke ziehen, um einen Diener zu rufen, den man auszanken11 will.
1 [ und|, wie gegen]
2 [d.h.| also]
3 [Worte| Wörter]
4 [Ausdrücke| Äußerungen]
5 [des| eines]
6 [meint, wenn er sagt| meinte, als er sagte]
7 [dieser Gedanke| diese Idee]
8 [das| dieses]
9 [ist| gibt es]
10 [seine| die]
11 [schelten| auszanken]
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Denken wir uns einen Stamm, in dessen Sprache ein Ausdruck ist, entsprechend unserm „er hat das und das getan”, und einer, der unserm Satz „er kann das und das tun” entspricht. Dieser zweite Ausdruck wird aber nur dort gebraucht, wo auch der erste berechtigt wäre. Beiläufig gesprochen: Sie sagen nur ‚ich kann es tun’, wenn sie es schon getan haben. Was aber kann mich rechtfertigen, das zu sagen? – Sie haben eine Form der Mitteilung1, die wir ‚Erzählung vergangener Ereignisse’ nennen würden; die Umstände unter denen diese Form gebraucht wird, rechtfertigen unsere Bezeichnung. Es kommen aber2 Fälle vor, in denen sie die Frage stellen: „Kann N. das und das tun?” Es wählt z.B. ein Führer Leute aus, die zu einer bestimmten Unternehmung geeignet sind; es soll z.B. eine Höhe erklettert, ein Fluß durchschwommen werden. Unser Kriterium dafür, daß der Führer ‚solche Leute auswählt’, ist nicht3, was er sagt, sondern sein und der Andern Benehmen und die übrigen Umstände. Der Führer stellt nun in diesen Fällen4 Fragen die, ihren praktischen Folgen nach zu urteilen, wiedergegeben werden müßten5 durch: – „Kann A durch den Fluß schwimmen?”, „Kann B auf diesen Felsen klettern?”, etc. Sie werden aber bejahend nur von denen beantwortet, die tatsächlich schon durch diesen Fluß geschwommen sind, etc. Die Fragen des Führers sind nicht in der Form gestellt, in der etwa anläßlich einer Erzählung gefragt wird „Hat A den Fluß durchschwommen?” und sie werden nicht in der Form beantwortet, wie diese Frage. Ist aber Einer nicht schon durch diesen Fluß geschwommen, aber etwa durch einen andern breiteren, so beantwortet er die Frage des Führers nicht durch den bejahenden Satz, der der Fragestellung entspricht, sondern erzählt von seiner Leistung.
1 [des Ausdrucks| der Mitteilung]
2 [nun| aber]
3 [nichts| nicht]
4 [diesem Fall| diesen Fällen]
5 [wir wiedergeben müßten| wiedergegeben werden müßten]
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Haben die Sätze „er hat das und das getan” und „er kann das und das tun” in dieser Sprache nun den gleichen Sinn, oder verschiedenen Sinn? Wenn Du darüber nachdenkst, wirst Du einmal die eine, einmal die andre Antwort geben wollen. Und das zeigt nur, daß diese Frage hier keinen klar bestimmten Sinn hat. Soll die Tatsache ausschlaggebend sein, daß die Leute nur dann sagen „er kann ...”, wenn er es getan hat, dann haben die Sätze den gleichen Sinn; wenn die Umstände, unter denen ein Ausdruck gebraucht wird, das bestimmen, was Du den ‚Sinn’ nennst, dann haben sie verschiedenen Sinn.
DIPLO
Der Gebrauch, der in diesem Beispiel vom Wort ‚kann’ – von dem1 Ausdruck der Möglichkeit – gemacht wird, kann ein Licht auf die Idee werfen, was geschehen kann, müsse schon einmal geschehen sein (Nietzsche). Es wird auch interessant sein im Lichte unserer Beispiele den Satz zu betrachten: „Was geschieht,2 kann geschehen”.
1 [vom| von dem]
2 [geschehen ist,| geschieht,]
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Ehe wir unsere Betrachtungen über den ‚Ausdruck der Möglichkeit’ fortsetzen, wollen wir über das Gebiet unsrer Sprache mehr Klarheit gewinnen, in welchem von Zukunft oder Vergangenheit1 die Rede ist; also über den Gebrauch von Ausdrücken, wie „gestern”, „vor einem Jahr”, „in 5 Minuten”, „ehe ich dies tat”, etc..
1 [Zukünftigem und Vergangenem| Zukunft oder Vergangenheit]
DIPLO
Stellen wir uns vor, wie ein Kind zum Gebrauch der1 ‚Erzählung vergangener Ereignisse’ abgerichtet werden könnte. Es hat gelernt verschiedene Dinge mit Worten zu verlangen (also gleichsam, Befehle zu geben wie in (1)). Ein Teil der Abrichtung war die Übung Dinge zu benennen. Es hat so gelernt, ein Dutzend seiner Spielsachen zu benennen (und zu verlangen). Es hat nun etwa gerade mit dreien von ihnen gespielt (einem Ball, einem Würfel und einer Rodel); nun nimmt man sie ihm fort und der Erwachsene sagt etwas wie: „Er hat einen Ball, einen Würfel und eine Rodel gehabt”. Das Kind lernt ihm den Satz nachsprechen und dabei auch die Bewegung des Herzählens an den Fingern zu machen. Bei einer ähnlichen Gelegenheit bricht der Erwachsene die Aufzählung ab und bewegt2 das Kind dazu sie fortzusetzen. Dabei macht er etwa eine charakteristische Bewegung: er zählt die Dinge, wie wir sagen würden, an den Fingern her. Bei einer weitern Gelegenheit fängt er den Satz nur an und macht die Handbewegung mit der die Aufzählung immer beginnt und läßt das Kind alle3 Dinge selbst nennen. Die Handbewegung des Herzählens soll hier eine Brücke bilden beim Übergang zu des Kindes selbständigem Aufzählen. –4 Die Finger sollen das Kind weiterführen5. Und der Lehrende wird dies versuchen durch Gebärden und den Gesichtsausdruck der Erwartung, ein Heben der Stimme, etc.. Ob es zu der Einübung des Spiels kommt hängt davon ab, ob das Kind auf diese Anregungen eingeht. Es liegt hier ein Mißverständnis sehr nahe: die Mittel (Gebärden, etc.) welche6 der Lehrer gebraucht, um das Kind zum Fortsetzen der Aufzählung zu bewegen, anzusehen, als Andeutungen, mit denen er sich dem Kinde verständlich zu machen sucht7. So als hätte das Kind bereits eine Sprache, in welcher es denkt, zu sich selbst spricht, und der Lehrer solle es nun durch allerlei unvollkommene Andeutungen (seine Gebärden etc.) dazu bringen, daß es errät, was er meint. So also, als fragte das Kind sich in seiner eigenen Sprache: „Will er nun, daß ich fortsetze, oder wiederhole, was er gesagt hat, oder etwas anderes?” – Es wird also so dargestellt, als lernte das Kind nie die Sprache, also als lernte es nie denken, sondern nur, von einer Sprache, die es schon kann, in eine andre übersetzen. (Augustinus: et ecce paulatim sentiebam, ubi essem, et voluntates meas volebam ostendere eis, per quos implerentur, et non poteram, quia illae intus erant, ... Itaque iactabam et membra et voces, signa similia voluntatibus meis, ...) Die Wurzeln dieser Auffassung gehen tief und reichen weit. Denn wie kann das Kind denken lernen, wie ich es beschreibe? Ich sage ja selbst, es wird ‚abgerichtet’! Kann man zum Denken abgerichtet werden? Das Denken ist doch der Gegensatz zum bloß mechanischen Handeln, und abgerichtet wird man gerade zum mechanischen Handeln!
1 [in der Sprachform der| zum Gebrauch der]
2 [bringt| bewegt]
3 [die| alle]
4 [zum selbständigen Aufzählen des Kindes.| zu des Kindes selbständigem Aufzählen. –]
5 [weiterleiten| weiterführen]
6 [die| welche]
7 [indirekte Mittel, sich dem Kind verständlich zu machen| Andeutungen, mit denen er sich dem Kinde verständlich zu machen sucht]
167DIPLO
„Machst Du das Kind nicht zum Papagei, der zum Reden abgerichtet wird?” – Aber kannst Du denn einen Papagei (oder etwa einen Affen) dazu abrichten, daß er eine Tabelle gebraucht, Dinge benennt, aufzählt, etc.? – „Aber ist das Denken nicht ein geistiger Vorgang?” – Von der Geistigkeit des Denkens, später. –
DIPLO
Ein andres Beispiel einer primitiven Art der Erzählung vergangener Ereignisse: Wir leben in einem Talkessel1 mit einprägsamen Bergformen am Horizont. Es ist leicht sich zu erinnern an welchem Ort die Sonne in einer bestimmten Jahreszeit aufgeht, wo sie im Mittag steht und wo sie wieder hinter den Bergen verschwindet. Wir haben nun einige charakteristische Bilder unsrer Landschaft mit der Sonne in verschiedenen Stellungen. Diese Bilder werde ich die ‚Sonnenbilder’ nennen. Wir haben auch charakteristische Bilder verschiedener Tätigkeiten des Kindes: seines Aufstehens, seiner Spiele, das Kind beim Mittagmahl, u.a.m.. Diese werde ich die ‚Bilder aus seinem2 Leben’ nennen. Ich stelle mir vor, daß das Kind bei seinen verschiedenen Beschäftigungen oft die Sonne sehen kann; und wir lenken seine Aufmerksamkeit dabei oft auf die Stellungen der Sonne, – sie stehe über3 diesem Berg, diesem Baum, etc.. Dann lassen wir das Kind ein Bild seiner Tätigkeiten anschauen und dazu Bilder der Sonne in den entsprechenden Stellungen. Wir können durch diese Bilder gleichsam erzählen, was das Kind den Tag über von morgens bis abends gemacht hat, indem wir eine Reihe der ‚ Bilder aus seinem Leben’ legen und darüber, in der richtigen Zuordnung, die Reihe der Sonnenbilder. Wir werden dann das Kind eine solche Bildergeschichte, die wir angefangen haben, ergänzen lassen. Oder wir werden absichtlich grobe Unrichtigkeiten legen und das Kind sie ausbessern lassen, etc.. Dieses Sprachspiel kann man sich am besten von Worten begleitet vorstellen.
1 [einer Landschaft| einem Talkessel]
2 [dem| seinem]
3 [sei bei| stehe über]
168DIPLO
„Aber die Zeichen der Aufmunterung des Beifalls, der Mißbilligung, u.s.f., muß ja das Kind doch verstehen ehe es abgerichtet werden kann, diese Sprache kann das Kind doch nicht lernen.”–
DIPLO
Teils lernt es sie, teils ‚versteht’ es sie vor jedem Unterricht. Überlege aber was wir hier ‚verstehen’ nennen. Worin besteht das Verstehen? – Mit dieser Frage werden wir uns später beschäftigen müssen.
DIPLO
Eine Variante von (55): Im Kinderzimmer ist eine große Uhr. Stellen wir sie uns zur Einfachheit nur mit einem Stundenzeiger vor. Was den Tag über geschieht, wird wie oben ‚erzählt’, aber es gibt hier keine Reihe der Sonnenbilder; statt ihrer gebrauchen wir die Ziffern der Uhr1. Wir schreiben eine Ziffer zu einem ‚Bild aus dem Leben’.
1 [des Zifferblatts| der Uhr]
DIPLO
Aber auch in diesem einfachen Spiel arbeiten wir mit Zeitbegriffen: Lebensbilder werden in eine Reihe gelegt, der zeitlichen Ordnung der Tätigkeiten entsprechend. Wir könnten in dieses Sprachspiel die Wörter ‚vor’ und ‚nach’ einführen. In diesem Sinne kann man sagen daß in dieses Spiel die Begriffe ‚vor’ und ‚nach’ eintreten, aber nicht der Begriff der Zeitmessung. (Ich verstehe also hier unter „Begriff” nichts Geistiges.) Es wäre offenbar nicht schwer von den Spielen (55), (56), (57) auf die Erzählung von Ereignissen in Worten überzugehen.
169DIPLO
Vielleicht wird jemand bei der Betrachtung solcher Formen der Erzählung denken, daß in ihnen der eigentliche Zeitbegriff noch gar keine Rolle spiele, sondern nur irgend ein roher Ersatz desselben.1 – Nun, wenn jemand behauptet, es gäbe einen Begriff von ‚fünf Uhr’, der die Uhr nicht voraussetze, diese sei nur das Instrument, mit dem mehr oder weniger genau festgestellt wird, wann es fünf Uhr ist2; oder wenn er behauptet, es gäbe einen Begriff der ‚Stunde’ der kein Werkzeug3 der Zeitmessung voraussetze, werde ich dem nicht widersprechen, sondern nur von ihm verlangen, daß er seinen Gebrauch der Ausdrücke ‚Stunde’ und ‚fünf Uhr’ beschreibt4. Und ist es nicht der, der eine Uhr involviert, so ist es ein andrer; und dann werde ich fragen5 warum er die Ausdrücke ‚fünf Uhr’, ‚eine Stunde’, ‚eine lange Zeit’, ‚eine kurze Zeit’ einmal in Zusammenhang mit der Uhr, und einmal unabhängig von ihr gebraucht: Dies wird so sein, wegen gewisser Analogien, die zwischen den beiden Arten des Gebrauches bestehen. Aber wir haben nun eben zwei solche Arten, und es ist kein Grund eine von ihnen ‚die reinere’, oder ‚die eigentliche’ zu nennen.
1 [für ihn.| desselben.]
2 [sei| ist]
3 [Instrument| Werkzeug]
4 [sondern ihn nur fragen, in welcher Weise er die [Ausdrücke| Worte] ‚Stunde’ und ‚fünf Uhr’ gebraucht| sondern nur von ihm verlangen, daß er seinen Gebrauch der Ausdrücke ‚Stunde’ und ‚fünf Uhr’ beschreibt]
5 [Und involviert dieser Gebrauch keine Uhr, so werde ich weiter fragen,| Und ist es nicht der, der eine Uhr involviert, so ist es ein andrer; und dann werde ich fragen ]
DIPLO
Dies könnte durch folgendes Beispiel klarer werden: Wenn wir jemandem befehlen1: „Sag eine Zahl, irgendeine, die Dir gerade einfällt”, so kann er dies im allgemeinen sogleich tun. Ich nehme nun an, es hätte sich gezeigt, daß die Zahlen, die so zur Antwort kommen,2 vom Morgen bis zum Abend jedes Tages zunehmen; der Mensch beginnt an jedem Morgen mit irgend einer kleinen Zahl und erreicht die höchste Zahl, ehe er des nachts einschläft. – Denke: was könnte uns dazu bewegen,3 diese Erscheinung ein ‚Mittel der Zeitrechnung’ zu nennen; oder sogar zu sagen, das Wachsen dieser Zahlen sei die Zeit. Und Uhren, Sonne, etc. zeigten nur indirekt den Verfluß der Zeit an.4 (Prüfe, was an dem Satz ist, unser Herz sei die eigentliche Uhr hinter allen andern Uhren.)
1 [von jemandem verlangen| jemandem befehlen]
2 [geantwortet werden,| zur Antwort kommen,]
3 [, was uns dazu bewegen könnte,|: was könnte uns dazu bewegen,]
4 [diese Zahlen ein ‚Mittel der Zeitmessung’ zu nennen; oder sogar, zu sagen, ihr Verlauf sei die Zeit; und Uhren, Sonne, etc., zeigten nur indirekt die verflossene Zeit an.| diese Erscheinung ein ‚Mittel der Zeitrechnung’ zu nennen; oder sogar zu sagen, das Wachsen dieser Zahlen sei die Zeit. Und Uhren, Sonne, etc. zeigten nur indirekt den Verfluß der Zeit an.]
170DIPLO
Betrachten wir weitere Sprachspiele in die Zeitbestimmungen eintreten:
Eine Variation des Sprachspiels (1): Wird ein Befehl gegeben ( ‚Platte!’, ‚Würfel’, etc.), so führt B ihn nicht sogleich aus, sondern wartet, bis der Zeiger einer Uhr an einem Punkt des Zifferblatts angelangt ist, den wir beim Aussprechen des Befehls mit dem Finger bezeichnen. Man könnte sich denken, daß das Kind zuerst abgerichtet wird, die Befehle unverzüglich auszuführen. Wenn es das kann, gibt man wieder einen solchen Befehl und zeigt dabei auf einen Punkt1 des Zifferblattes, hält aber das Kind zurück, daß es den Befehl nicht gleich ausführen kann; man läßt es erst frei, wenn der Zeiger an jenen Punkt gelangt ist2. – Wir könnten in dieses Spiel ein Wort wie unser ‚jetzt’ einführen: Wir geben zwei Arten von Befehlen; die einen sind, wie in (1), unverzüglich, die andern in einem bezeichneten Zeitpunkt auszuführen. Um den Unterschied der beiden Arten deutlicher zu machen, fügen3 wir den Befehlen der ersten Art ein Wort bei und rufen, z.B., ‚Platte jetzt!’.
1 [Ort| Punkt]
2 [ an jenem Punkt angelangt ist| an jenen Punkt gelangt ist]
3 [setzen| fügen]
171DIPLO
Man könnte leicht Sprachspiele beschreiben mit Ausdrücken wie: „in fünf Minuten”, „vor einer halben Stunde”, u.a..
DIPLO
Sehen wir noch den Fall an einer Beschreibung der Zukunft, eine Vorhersage: Ich nehme an, wir lassen ein Kind die wechselnden Lichter an einer Straßenkreuzung beobachten und spannen seine Erwartung darauf, was wohl das nächste Licht sein werde. Wir haben eine rote, eine gelbe und eine grüne Scheibe und drücken die Erwartung einer bestimmten Farbe durch das Zeigen auf eine der Scheiben aus. (Wir geben der Freude über die richtig erratene1 Farbe, der Enttäuschung über die unrichtig geratene Ausdruck.) Endlich wird das System erkannt, nach welchem die Lichter wechseln und das Raten geht in ein Vorhersagen über. Weiterentwicklungen dieses Spiels lassen sich leicht vorstellen.
1 [geratene| erratene]
DIPLO
Es kann uns nun auffallen, daß wir in diesen Sprachspielen nicht die Begriffe der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft in ihrem problematischen, beinahe geheimnisvollen, Aspekt antreffen. Was für ein Aspekt dies ist und wie wir zu ihm gelangen1, kann man deutlich2 erkennen, wenn man diese Frage betrachtet: „Wohin geht die Gegenwart, wenn sie Vergangenheit wird, und wo ist die Vergangenheit?” – Unter welchen Umständen kann uns diese Frage bewegen? Denn unter gewissen Umständen kann sie es nicht und wir würden sie als Unsinn beiseite schieben. Es ist klar, daß sie dann am leichtesten in unserm Geiste auftauchen wird, wenn uns beim Nachdenken über die Zeit das Bild des Kommens und Gehens, des Vorüberfließens, gefangen hält; wenn wir in erster Linie immer an Geschehnisse denken, in denen es ein solches Vorbeiziehen wirklich gibt. Wie etwa, wenn wir an einem Fluß stehen auf dem Holz geflößt wird: die Stämme ziehen an uns vorüber; die, welche vorüber sind, sind alle rechts von uns3, die noch kommen, links. Wir gebrauchen diesen Vorgang nun als Gleichnis für alles Geschehen. Ja das Gleichnis ist in die Ausdrücke unserer Sprache gelegt, denn wir sagen, eine Krankheit ‚ zieht vorüber’, ‚es kommt ein Krieg’, etc.. Wir sprechen vom Lauf der Ereignisse, – aber auch vom Laufe der Zeit, – des Flusses, auf welchem die Stämme an uns vorbeiziehen. („die Zeit ist da”, „die Zeit ist längst vorbei”, „es kommt die Zeit”, etc., etc.) Und so kann mit dem Wort „Zeit” das Bild eines ätherischen Flusses untrennbar verbunden sein, mit den Worten ‚Vergangenheit’ und ‚Zukunft’ das Bild von Gebieten, aus deren einem die Ereignisse in das andre ziehen. U.s.f. („das Land” der Zukunft, der Vergangenheit.) Und doch können wir natürlich keinen solchen Strom finden und keine solchen Örter. Unsere Sprache läßt Fragen zu, zu denen es keine Antwort gibt. Und sie verleitet uns diese Fragen zu stellen durch die Bildhaftigkeit des Ausdrucks. Eine Analogie hat unser Denken gefangen genommen und schleppt es unwiderstehlich mit sich fort.
1 [man zu ihm gelangt| wir zu ihm gelangen]
2 [am deutlichsten| deutlich]
3 [mir| uns]
172DIPLO
Dies geschieht auch, wenn uns die Bedeutung von ‚jetzt’ zu etwas Geheimnisvollem wird. In unserm Beispiel (59) ist es klar, daß die Funktion des Wortes ‚jetzt’ gänzlich verschieden ist von der1 der Worte ‚5 Uhr’, ‚mittag’, ‚die Zeit des Sonnenuntergangs’ etc.. Diese Ausdrücke werde ich ‚Zeitangaben’ nennen. Aber unsere Sprache gebraucht das Wort ‚jetzt’ in den gleichen Satzzusammenhängen wie die Zeitangaben. Wir sagen: „Die Sonne geht jetzt unter” und „Die Sonne geht um 6 Uhr unter”. Und, was die Verwechslung noch mehr nahelegt, „Jetzt ist es 6 Uhr”.
1 [in keiner Weise vergleichbar ist der| gänzlich verschieden ist von der]
173DIPLO
Wir sind versucht zu sagen, daß sowohl ‚jetzt’ als auch ‚6 Uhr’ einen Punkt der Zeit bezeichnen. Und so kann die Frage entstehen: Was ist das Jetzt? Denn es ist ein Augenblick der Zeit und doch kann man es nicht definieren als den Augenblick in welchem ich rede (das Wort ‚jetzt’ ausspreche), oder den Augenblick in welchem die Uhr schlägt, u.s.f.. Unsere Antwort ist, daß die Funktion des Wortes ‚jetzt’ eine andere ist, als die jener1 Zeitangaben. Sie ist ihr auch nicht ähnlich; aber es besteht natürlich ein Zusammenhang. (Wie die Funktion eines Hammers der eines Nagels nicht ähnlich ist, aber ein Zusammenhang besteht.) Dies ist leicht zu sehen, wenn Du ansiehst2, welche Rolle das Wort im Gebrauche der Sprache spielt, ich meine, in der ganzen Praxis der Sprache3; und nicht bloß, in was für Sätzen es gebraucht wird. Vergleiche mit dem Wort ‚jetzt’ den Befehl ‚los!’, etwa beim Rennen. Auch dieser ‚bezeichnet einen Augenblick’. (‚Jetzt’ kann man ein ‚Zeitzeichen’ nennen. Das Klatschen beim Befehlen einer Turnübung.) Das Wort ‚heute’ ist kein Datum.
1 [der| jener]
2 [man ansieht| Du ansiehst]
3 [des Sprachspiels| der Sprache]
DIPLO
Es ist gesagt worden ‚jetzt’ sei der Name eines Zeitmomentes; wie ‚hier’ der Name eines Orts, ‚dieses’ der Name eines Gegenstandes und ‚ich’ der Name einer Person. (Man kann dies dann natürlich auch von den Ausdrücken ‚Vor einem Jahr’, ‚da drüben’, ‚Eure Majestät’, etc. sagen.) (Vergl. (5)) Die Gründe zu diesem Gedanken sind weitverzweigt. – Es ist beinahe so, wie wenn jemand, etwa, auf einen Teil des Gehirns zeigend sagen würde: „Das ist der eigentliche Mensch”. Die Antwort darauf wäre: Nein, das ist nicht der Mensch. D.h., das ist nicht, was man ‚den Menschen’ nennt. Aber ich verstehe wohl, daß man unter Umständen versucht ist, so etwas zu sagen. Wir wünschen z.B., daß das Wort ‚Mensch’ etwas Einfaches, Primitives bedeuten solle, nichts Zusammengesetztes. Etwas wofür sich klare Gesetze angeben lassen, nicht etwas, wobei es unscharfe Grenzen, ein mehr oder weniger1, gibt. – Wenn man den Eigennamen eines Menschen, oder einen wie „Nothung” nicht Namen im ‚strengen logischen’ Sinn des Wortes nennen will, so ist es, weil ein Name etwas Einfaches bezeichnen soll. – Das Schwert Nothung aber besteht aus Teilen in einer bestimmten Zusammensetzung. Sind sie anders zusammengesetzt, so existiert Nothung nicht. Nun hat aber offenbar der Satz „Nothung hat eine scharfe Schneide” Sinn, ob Nothung noch ganz ist, oder schon zerschlagen. Ist aber „Nothung” der Name eines Gegenstandes, so gibt es diesen Gegenstand nicht mehr, wenn Nothung zerschlagen ist; und da dem Namen dann kein Gegenstand entspräche, so hätte er keine Bedeutung. Dann aber stünde in dem Satz „Nothung hat eine scharfe Schneide” ein Wort das keine Bedeutung hat und daher wäre der Satz Unsinn. Nun hat er aber Sinn, also muß den Wörtern, aus denen er zusammengesetzt ist immer schon etwas entsprechen. Also muß das Wort ‚Nothung’ bei der Analyse des Sinnes verschwinden und statt seiner Worte eintreten, die Einfaches benennen. Diese Worte werden wir billigerweise die eigentlichen Namen nennen. – Dieses Räsonnement hängt an verschiedenen Irrtümern: a) die Idee einem Wort müsse ein Gegenstand ‚entsprechen’, damit es Bedeutung habe, die Verwechslung der Bedeutung mit dem Träger eines Namens. b) ein falscher Begriff von der philosophischen, oder logischen Analyse eines Satzes, als sei sie ähnlich der chemischen, oder physikalischen. c) eine falsche Auffassung der ‚logischen Exaktheit’, Unkenntnis des Begriffs der ‚Familie’. –
1 [Mehr oder Weniger| mehr oder weniger]
175DIPLO
Aber nichts unähnlicher, als der Gebrauch des hinweisenden Fürwortes1 und eines Eigennamens – wenn man nämlich die Praxis des Sprachspiels ansieht und nicht bloß die Stellung der Wörter in unsern Sätzen: Denn wir sagen allerdings: „der ist groß” – und auch: „Hans ist groß”; aber vergiß nicht, daß der erste Satz sinnlos ist, ohne die zeigende Gebärde und den Gegenstand auf den wir zeigen. – Was etwa mit einem Namen verglichen werden könnte ist nicht das Wort ‚der’, sondern dieses Wort zusammen mit der zeigenden Gebärde und dem Gegenstand.
1 [Wortes „dieses”| hinweisenden Fürwortes]
DIPLO
Man könnte sagen, es ist charakteristisch für einen Namen, daß wir ihn im Satz „Dies ist A” gebrauchen können; es ist aber Unsinn zu sagen „Dies ist dies”, oder „Dies ist jetzt”. –
DIPLO
Problematisch erscheint uns auch manchmal der Satz der ein zukünftiges Ereignis beschreibt, und zwar mehr, als eine1 Beschreibung eines vergangenen Ereignisses. Denn wenn man zukünftige mit vergangenen Ereignissen vergleicht, möchte man beinahe sagen, daß diese, wenn sie auch nicht mehr im Licht des Tages existieren so doch in einer Art Unterwelt, in die sie hinabgestiegen sind, während die zukünftigen Ereignisse auch diese Schattenexistenz nicht haben. Wir könnten uns freilich ein Reich der ungeborenen, zukünftigen, Ereignisse denken, aus welchem sie in die Wirklichkeit treten, und von da ins Reich der Vergangenheit. Und wenn wir an dieses Bild denken, so könnte es uns wundern, daß die Zukunft uns weniger wirklich vorkommt, als die Vergangenheit. Aber vergessen wir nicht, daß die Grammatik unserer Zeitbegriffe2 nicht symmetrisch ist in bezug auf die Gegenwart. Denn in der Grammatik der ‚Zukunft’ tritt der Begriff des ‚Gedächtnisses’ nicht auf, auch nicht ‚mit umgekehrten Vorzeichen’. – Vielleicht wird man sagen: „Was hat das mit Grammatik zu tun? Wir erinnern uns eben nicht an die Zukunft!” Nun das kommt darauf an, wie man das Wort erinnern gebraucht. In unsrer gewöhnlichen Sprache hat es keinen Sinn zu sagen: „Ich erinnere mich deutlich an das, was morgen geschehen wird”, – auch dann nicht, wenn ich ein Prophet bin. (Hier ist es nützlich, an die Worte zu denken, „daß ein3 Mensch, der an die Vergangenheit denkt, den Blick zur Erde richtet; der Mensch aber, der an die Zukunft denkt, ihn nach oben richtet”. Denn wenn Du Dich erinnernd, und voraussagend, denkst, wirst Du sehen, daß daran etwas Wahres ist.) inwiefern die Erfahrungstatsachen jene Zeitbegriffe bestimmen – diese sind gleichsam die Maßeinheiten, nach welchen wir jene messen – davon später. Man könnte unsre Zeitbegriffe durch den Satz charakterisieren: „Die Vergangenheit ist doch wenigstens schon dagewesen, die Zukunft aber noch gar nicht”. Und so kommt es, daß gesagt worden ist, Sätze die Zukünftiges beschreiben, sind eigentlich gar keine Sätze (denn es entspricht ihnen sozusagen gar nichts).4 Dies ist natürlich in Ordnung, wenn es bloß eine Bestimmung darüber sein soll, wie Einer5 das Wort ‚Satz’ gebrauchen will. Wer dies sagt, steht offenbar unter dem starken Eindruck der Asymmetrie ‚Zukunft’ – ‚Vergangenheit’. Wenn auch diese Einschränkung des Gebrauchs des Wortes ‚Satz’ letzten Endes auf einem Mißverständnis des Funktionierens unserer Sätze im allgemeinen beruht. Gewiß könnte es unter Umständen natürlich sein, den Gebrauch des Wortes ‚Satz’ so einzuschränken. Der Philosoph ist aber in Gefahr, zu glauben, er habe nun einer Art wissenschaftlicher Erkenntnis über die Natur der Zukunft Ausdruck6 gegeben.
1 [die| eine]
2 [der zeitlichen Ausdrücke| unserer Zeitbegriffe]
3 [der| ein]
4 [über zukünftige Ereignisse seien eigentlich keine wirklichen Sätze (denn es entspräche ihnen sozusagen gar nichts).| die Zukünftiges beschreiben, sind eigentlich gar keine Sätze (denn es entspricht ihnen sozusagen gar nichts). ]
5 [der Schriftsteller| Einer]
6 [Ausdruck| Ausdruck]
177DIPLO
Stelle Dir vor: Jemand würfelt; und ehe er einen Wurf macht, zeichnet er vor sich eine der Flächen des Würfels auf. Zeigt ihm nach dem Wurf der Würfel die Seite, die er gezeichnet hat, so gibt er der Befriedigung Ausdruck, andernfalls der Unbefriedigung. – Oder es seien zwei Spieler: Sie würfeln abwechselnd; ehe1 der eine würfelt, zeichnet der andere eine Fläche des Würfels hin; ist es die, die kommt, so gibt der Würfelnde dem Andern ein Geldstück, andernfalls zahlt dieser dem Würfelnden.
1 [wenn| ehe]
DIPLO
Das Zeichnen der Würfelfläche wird man in diesem Fall ein ‚Raten’ nennen, oder unter Umständen auch ein ‚Vermuten’.
DIPLO
Bei einem gewissen Volksstamm werden Wettkämpfe abgehalten im Laufen, Speerwerfen, etc.. Vor jedem Wettkampf werden die Bilder aller Wettkämpfer1 in einer Reihe aufgestellt und jeder Zuschauer legt Geld unter eines dieser Bilder. Gewinnt im Wettkampf der, unter dessen Bild der Zuschauer sein Geld gelegt hat, so erhält der Zuschauer sein Geld zurück und noch mehr dazu; andernfalls verliert der Zuschauer sein Geld.
So einen Gebrauch würden wir zweifellos ‚Wetten’ nennen; auch dann, wenn die Sprache jenes Stammes keinen Ausdruck enthält für ‚Grade der Wahrscheinlichkeit’, ‚Chancen’ etc..
1 [Teilnehmer| Wettkämpfer]
178DIPLO
Ich nehme an, daß das Benehmen der Zuschauer vor und nach dem Ausgang des Wettkampfs Spannung, Teilnahme, Befriedigung und Unbefriedigung ausdrückt. Ferner, wenn ich die Wetten der Zuschauer prüfe, so finde ich, daß ich verstehe, ‚warum’ sie besonders auf diesen oder jenen Teilnehmer gesetzt haben. So wird meist auf den stärker gebauten von zwei Ringkämpfern gesetzt; und wenn auf den Andern, so finde ich daß jener kurz vorher krank war, oder dieser ihn schon früher einmal besiegt hat; u. dergl..
DIPLO
Dabei aber hat ihre Sprache keinen Ausdruck der Begründung. D.h. nichts in ihr entspricht einem Satz wie: „Ich setze auf diesen Ringer, weil er in guter Form ist, während jener andere kürzlich krank war”, u.s.w.. – Ich könnte sagen: Meine Beobachtung hat mich gewisse Ursachen gelehrt, die auf die Wetten Einfluß nehmen, aber die Wettenden haben, oder verwenden, keine Gründe beim Setzen auf einen Wettkämpfer.
DIPLO
Denken wir uns nun einen Fall, in welchem die Sprache die Form der Begründung enthält. Das Sprachspiel nun ‚Gründe für seine Handlungen geben’ beinhaltet nicht das Auffinden von Ursachen1 (durch wiederholte Beobachtung der Umstände, unter welchen2 es zu diesen Handlungen kommt).
1 [setzt nicht das Finden von Ursachen dieser Handlungen voraus| beinhaltet nicht das Auffinden von Ursachen ]
2 [denen| welchen]
179DIPLO
Stellen wir uns diesen Vorgang vor:
Wenn ein Zuschauer bei einem Wettkampf seine Wette verloren hat, wird er von den Andern geneckt und ausgelacht. Als Antwort weist er mit übertreibender Gebärde auf Muskeln, Brust, Höhe etc. des Kämpfers, auf den er gewettet hatte, – wie wir sagen würden: um seine Wette zu rechtfertigen. In ähnlicher Weise könnte man sich eine Diskussion der Chancen zweier Kämpfer vorstellen: Zwei Zuschauer weisen abwechselnd auf das, was ihnen den Sieg ihres Kandidaten zu versprechen scheint. A zeigt auf die Höhe der Gestalt des Einen; B zuckt darauf die Achseln und zeigt auf den Bizeps des Andern; u.s.f.. Wir könnten den Fall leicht dahin ausführen, daß man geneigt wäre zu sagen A und B gäben Gründe an für ihre Wahl.1
1 [ Die Diskussion könnte leicht so beschrieben werden, daß wir sagen müßten, A und B gäben Gründe an für ihre Wahl.| Wir könnten den Fall leicht dahin ausführen, daß man geneigt wäre zu sagen A und B gäben Gründe an für ihre Wahl.]
DIPLO
„Setzt aber das Angeben solcher Gründe nicht voraus, daß die Leute Zusammenhänge beobachtet haben zwischen dem Ausgang eines Kampfes und der körperlichen Beschaffenheit der Kämpfenden?” – Aber ob nun diese Annahme berechtigt1 erscheint oder nicht, so habe ich sie jedenfalls in der Beschreibung des2 Falles nicht gemacht. (Noch habe ich die Annahme gemacht, daß die Wettenden Gründe für ihre Gründe angeben.) Wir würden in einem Fall, wie dem eben beschriebenen nicht überrascht sein, in der Sprache der Leute Ausdrücke zu finden für Grade der Überzeugung, Vermutung, Sicherheit. Z.B. ein Wort, das in verschiedenem Ton ausgesprochen wird; oder eine Reihe von Wörtern. (Ich denke aber nicht an den Gebrauch einer Skala von3 Wahrscheinlichkeiten.) – Es ist auch leicht sich vorzustellen, daß sie das Wetten mit Ausdrücken begleiten die wir übersetzen würden in der Form: „Ich glaube daß N den M im Speerwerfen schlagen kann”, etc.. – Ich übersetze das Wort, das sie gebrauchen mit ‚kann’ und nicht mit ‚wird’, weil sie ein Hilfszeitwort der Zukunft haben4, das in Sätzen gebraucht wird, analog unserm „Er wird heute zurückkommen”, „Er wird ihn schlagen, wenn er kommt”, etc..
1 [verständig| berechtigt]
2 [unseres| des]
3 [der| von]
4 [denn sie haben ein Hilfszeitwort der Zukunft| weil sie ein Hilfszeitwort der Zukunft haben]
180DIPLO
Ein Stamm, in dessen Sprache die Erinnerung an ein Ereignis dargestellt1 wird mittels einer Handbewegung, die nach hinten weist; die Erwartung eines Ereignisses mit einer Handbewegung, die nach vorn weist (Wie wir sie etwa machen, wenn wir sagen „Das liegt schon lang hinter mir”, oder, „Das liegt noch vor uns2”). Sie begleiten jede der beiden Bewegungen mit einem Hilfszeitwort (der Vergangenheit, und Zukunft). Beschreiben sie ein vergangenes Ereignis, so stellen sie es in Worten3 und mimisch dar und wiederholen in ihrer Darstellung das Zeichen der Vergangenheit; etc.. Bei gewissen Gelegenheiten aber, wenn sie, wie wir sagen würden, die Eignung eines Dinges, eines Menschen oder Tieres erwägen etwas Bestimmtes zu tun, drücken sie ihre Erwartung, daß es dies tun werde durch ein anderes Hilfszeitwort aus. Wenn sie also, wie uns die Situation lehrt, erwägen, ob ein bestimmtes Wurfgeschoß imstande sein wird das und das Tier zu erlegen, so sehen sie etwa eines der Geschosse prüfend an, und sagen, mit der Handbewegung der Voraussicht, „Es kann ihn erschlagen” (so will ich's übersetzen). Sie sagen aber z.B.: „Wenn jetzt ein Mann in dieser Schlucht geht, so wird ihn dieser Felsblock erschlagen.”
1 [beschrieben| dargestellt]
2 [mir| uns]
3 [sprachlich| in Worten]
181DIPLO
Menschen gebrauchen ein besonderes Hilfszeitwort, wenn sie den Erfolg einer körperlichen Anstrengung voraussagen. Ich will dieses Hilfszeitwort durch ‚können’ wiedergeben; „ich kann” heißt dann aber immer: „es wird mir gelingen”, „er kann”: „es wird ihm gelingen” etc.. Ihr Gebrauch jenes Worts entspricht also nicht ganz dem unsern des Wortes „können”; denn wenn uns jemand, etwa bei Tisch, sagt „ich kann 80 cm hoch springen”, so muß das nicht heißen,1 daß er glaubt, er werde jetzt einen Sprung von dieser Höhe ausführen, sondern er kann uns bloß angeben, wie hoch er schon gesprungen ist.
1 [ wenn wir jemanden, etwa bei Tisch, fragen „Wie hoch kannst Du springen?”, so muß [die| seine] Antwort nicht bedeuten,| wenn uns jemand, etwa bei Tisch, sagt „ich kann 80 cm hoch springen”, so muß das nicht heißen,]
DIPLO
In den letzten drei Fällen ist das Wort ‚können’ das Merkmal einer Voraussage. Das heißt natürlich nicht, daß ich einen Satz in diesen Fällen eine ‚Voraussage’ nenne, weil das Wort ‚kann’ in ihm steht; sondern eine ‚Voraussage’ nenne ich ihn der Situation wegen, in der er gebraucht wird; und ich gebe ein Wort jener Sprache durch ‚ können1’ wieder, weil wir unter diesen Umständen das Wort ‚können’ gebrauchen würden und weil ich ein Wort ihrer Sprache in ein analoges Wort der unsern übersetzen will.
1 [kann| können]
182DIPLO
Nun ist offenbar der Gebrauch von ‚können’ in (63), (64), (65) nahe verwandt dem in den Fällen (50) bis (53); in diesen aber war der Ausdruck ‚ das und das1 kann geschehen’ keine Voraussage. Nun kann man einwenden, wir seien doch nur darum gewillt in jenen früheren Fällen2 das Wort ‚können’ zu verwenden, weil es dort angeht, eine Annahme über das zukünftige Verhalten zu machen (wer einmal diesen Fluß durchschwommen hat, von dem kann man annehmen, es werde ihm jetzt wieder gelingen). – Nun ist es freilich so, daß ich die Beispiele (50) etc. absichtlich so gewählt habe, daß eine Annahme über das zukünftige Verhalten nahe liegt; aber ich habe sie auch absichtlich so gewählt, daß keine solche Annahme gemacht wird. Wir können ja sagen, Menschen würden eine solche Ausdrucksweise nie gebrauchen, wenn sie nicht die Erfahrung gemacht hätten, daß man, z.B., von diesen und diesen Proben auf ein solches Benehmen des Menschen in der Zukunft schließen könne. Diese Hypothese mag richtig sein, aber die Beispiele (50) etc. machen von ihr keine Verwendung.3
1 [etwas| das und das]
2 [Beispielen| Fällen]
3 [setzen sie nicht voraus.| machen von ihr keine Verwendung.]
DIPLO
Stellen wir uns nun dieses Spiel vor: A schreibt Reihen von Zahlen an, B sieht ihm zu und versucht in der Zahlenfolge ein Gesetz zu finden. Ist es ihm gelungen, so sagt er: „jetzt kann ich fortsetzen”. – Dieses Beispiel ist besonders lehrreich, weil es scheint, daß hier diese1 Fähigkeit fortzusetzen etwas ist, was in einem bestimmten Augenblick eintritt; so daß wir uns fragen können: was ist es, was hier eintritt? Dies sollte man doch nun finden können! – Angenommen also A habe die Zahlen hingeschrieben2 1, 5, 11, 19, 29; da sagt B: „Jetzt kann ich fortsetzen”. Was geschah da, als er plötzlich weiter wußte? – Vielerlei konnte geschehen sein. Nehmen wir an: Während A langsam eine Zahl nach der anderen hinschreibt, ist B beschäftigt verschiedene algebraische Formeln an den schon angeschriebenen Zahlen zu versuchen3. Als A ‚19’ angeschrieben hatte versuchte B die Formel an = n² + n - 1; die ‚29’ bestätigte seine Annahme.
1 [die| diese]
2 [angeschrieben| hingeschrieben]
3 [mit den schon angeschriebenen Zahlen zu vergleichen| an den schon angeschriebenen Zahlen zu [probieren| versuchen]]
183DIPLO
Oder aber: B denkt1 nicht an Formeln2. Er sieht mit einem gewissen Gefühl der Spannung zu, wie die Reihe der Zahlen wächst, die A anschreibt; dabei schwimmen ihm allerlei unklare Gedanken in seinem Kopf. Dann sagt er zu sich selbst: „Er quadriert immer und zählt 1 dazu”; nun rechnet er die nächste Zahl aus und findet, daß A die gleiche Zahl anschreibt.
1 [dachte| denkt]
2 [an keine Formel| nicht an Formeln]
DIPLO
Oder: Die Reihe die A anschreibt ist 2, 4, 6, 8. B sieht sie an und sagt: „Natürlich kann ich weiter”, und setzt die Reihe der geraden Zahlen fort. – Oder er sagt gar nichts und schreibt die Reihe weiter. Vielleicht hatte er, als er ‚2, 4, 6, 8’ sah, eine Empfindung, oder Empfindungen, die man durch die Worte „Das ist leicht!” beschreiben kann. Eine solche Empfindung ist z.B. ein schnelles leichtes Einziehen des Atems, ähnlich der1 bei einem gelinden2 Schreck.
1 [ähnlich wie| ähnlich der]
2 [leichten| gelinden]
DIPLO
Soll ich nun erklären1, der Satz „B kann die Reihe fortsetzen” sage2, daß einer der eben beschriebenen Vorgänge stattfindet? Ist es nicht klar, daß dieser Satz nicht der gleiche ist, wie der, B falle die Formel ein, an = n² + n + 1? Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob dieses Einfallen, darin besteht, daß die Formel vor B's geistigem Auge erscheint, oder ob er die Erfahrung hat, sie vor sich hinzuschreiben, sie auszusprechen, oder aus einer Reihe aufgeschriebener Formeln mit dem Blick auszuwählen. –
„Hätte ein Papagei die Formel ausgesprochen, so würden wir nicht sagen, er könne fortsetzen; also bedeutet ‚fortsetzen können’ mehr als die Formel aussprechen; und etwas mehr als alle andern Vorgänge, die wir oben3 beschrieben haben. Also war das Aussprechen der Formel nur ein Symptom dafür, daß B verstanden hatte, aber nicht das Verstehen4 selbst.” – Das ist eine irreführende Ausdrucksweise, denn es scheint nun hier als gäbe es einen Vorgang oder Zustand, die „Fähigkeit fortzusetzen”, der unsern Augen irgendwie verborgen ist; dagegen nehmen wir leicht eine Reihe von Nebenerscheinungen wahr, die Symptome der eigentlichen Fähigkeit (wie eine Entzündung der Nasenschleimhäute durchs Niesen). Wenn man sagt: es muß doch, wenn B fortsetzen kann, noch etwas hinter dem bloßen Aufschreiben der Formel liegen, da wir dieses allein nicht die ‚Fähigkeit fortzusetzen’ nennten, – so ist hier ja das Wort ‚dahinter liegen’ bildlich gebraucht; und wir können antworten: ‚Hinter’ dem Aufschreiben der Formel lägen5 die Umstände, unter denen es geschieht. Es ist wahr: „B schreibt die Formel nieder” sagt, im allgemeinen, nicht das Gleiche wie „B kann fortsetzen”; daraus folgt aber nicht, daß dieser Satz im besondern Fall von einem andern Vorgang redet, als jener. Unser Irrtum ist ähnlich dem: Wir sagen jemandem „Das Wort ‚Sessel’ bedeutet nicht diesen besonderen Sessel”; darauf sucht er nach dem Ding, das eigentlich ‚Sessel’ heißt (Eine noch bessere Illustration wäre es, wenn er versuchte im Sessel das zu finden was ‚Sessel’ genannt wird6.)
1 [sagen| erklären]
2 [heiße| sage]
3 [sonst noch| oben]
4 [Verständnis| Verstehen]
5 [liegen| lägen]
6 [heißt| genannt wird]
185DIPLO
Es ist klar: wenn wir, in einem Fall wie (66), sagen,1 B habe das Gesetz erfaßt, er könne fortsetzen, so sagen wir es2 eines Zusammenhangs wegen, der erfahrungsmäßig zwischen dem Anschreiben einer solchen Formel und dem Fortsetzen einer Reihe besteht. Und dieser Zusammenhang bedarf ja keiner Erklärung. – Nun denken wir vielleicht, der Satz „B kann fortsetzen” sage: „B tut etwas, was erfahrungsmäßig zum Fortsetzen der Reihe führt”. Aber meint das B, wenn er sagt, „ich kann fortsetzen”? Schwebt ihm jener Satz dabei im Geiste vor? Oder ist er bereit, ihn zur3 Erklärung dessen zu sagen wenn wir ihn fragen, was er meint? Wie man sagt: „Ja, ich kann hingehen, – d.h., ich habe Zeit.”)
Es ist so:4 Der Satz, „B kann die Reihe fortsetzen”, ist richtig gebraucht, wenn B die Formel einfällt – nämlich unter gewissen Umständen. Z.B., wenn er Algebra gelernt hat, oder solche Formeln schon benützt hat, u.s.f.. – Das heißt aber nicht, jener Satz sei eine abgekürzte Form der Beschreibung aller jener Umstände, die den Hintergrund des5 Sprachspieles bilden. Denke nur daran, wie Du den Gebrauch so eines Ausdrucks „Jetzt kann ich fortsetzen”, „Jetzt weiß ich weiter” lernst. Denke an das Sprachspiel, in welchem Du ihn etwa lernen würdest.6
Unter gewissen Umständen werden wir statt „Jetzt kann ich fortsetzen” sagen: „Jetzt ist mir die Formel eingefallen”. Oder: „Jetzt kann ich fortsetzen, – ich meine, ich weiß die Formel.” – Die Frage „Kann er schon sprechen?” bedeutet unter gewissen Umständen dasselbe wie: Ist sein Katarrh geheilt?” – unter andern Umständen dasselbe wie: „Hat er schon sprechen gelernt?”. Auf die Frage „Kann er schon gehen?” antwortet der Arzt einfach „Sein Fuß ist geheilt”. Wir sagen auch: „Er kann gehen, was den Zustand seines Beins anbelangt”, wenn wir nämlich diese Bedingung seines Gehens andern Bedingungen entgegensetzen (seiner Müdigkeit etwa). Hier müssen wir uns hüten, zu denken7, es gäbe, nun entsprechend je nach der Natur des Falles, eine Gesamtheit aller Bedingungen – z.B. dafür, daß der Patient gehe – so daß er, sozusagen, nicht anders als gehen könnte, wenn sie alle erfüllt sind.
1 [mit Bezug auf das Aussprechen oder Anschreiben einer Formel, etc., sagen,| in einem Fall wie (66), sagen,]
2 [dies| es]
3 [als| zur]
4 [Es ist aber so:| Es ist so:]
5 [ unseres| des]
6 [das Du etwa spielen würdest.| in [dem| welchem] Du ihn etwa lernen würdest.]
7 [glauben| denken]
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Man kann auch sagen: Wir verwenden den Satz1 „B kann die Reihe fortsetzen”, um verschiedenerlei Unterscheidungen zu machen. Er unterscheidet einmal zwischen dem Fall Dessen2, der die Formel kennt und dessen der sie nicht kennt;
oder zwischen dem Fall dessen, der die arithmetischen Rechnungsarten beherrscht und dem Fall dessen, der sie nicht beherrscht; oder
zwischen dem Fall eines Menschen im normalen Zustand, und dem Fall dieses Menschen im Zustand außerordentlicher Zerstreutheit (die Reihe sei etwa 2, 4, 6, 8 etc.); oder
zwischen dem Fall Eines, der derlei Übungen schon oft gemacht hat und dem eines Anfängers;
oder zwischen dem Fall dessen der tatsächlich die angefangene Reihe weiterschreibt und dessen, der ratlos vor ihr steht.
Dies sind nur einige Glieder der3 großen Familie. – „Aber diesen Fällen ist doch gewiß etwas gemeinsam!” – Gewiß, – die Situation ist ja in allen eine ähnliche. – Oder meinst Du, das sei das Gemeinsame, daß B, wenn er nicht fortsetzen kann, in allen Fällen die Reihe nicht fortsetzt? Aber das Fortsetzen ist ja wieder nicht die Fähigkeit! – „Aber kann man nicht sagen, in allen diesen Fällen setze er die Reihe nicht fort, bemühe sich aber, sie fortzusetzen?” – Vielleicht; aber sieh nun, wie verschiedenerlei es in allen diesen Fällen heißt, ‚sich zu bemühen’!
1 [Ausdruck| Satz]
2 [dessen| Dessen]
3 [einer| der]
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Die Frage, ob in einem Fall wie (66), z.B., der Satz „er kann fortsetzen” den selben1 Sinn habe, wie „er kennt die Formel” kann man mit ‚ja’ und ‚nein’ beantworten. Man kann sagen: sie haben nicht den gleichen Sinn, denn man kann den einen nicht unter allen Umständen für den andern setzen.2 Oder man kann sagen: Unter diesen Umständen hat der zweite denselben Sinn wie der erste. (Siehe (53)) Es ist auch gleichgültig welches von beiden wir sagen, denn, wie es nun damit steht, kann man doch nur erkennen, wenn man die Besonderheiten des vorliegenden Falls ansieht.3
1 [gleichen| selben]
2 [ denn sie werden nicht allgemein als [gleichbedeutend| synonym] gebraucht, wie z.B. die Ausdrücke ‚er ist alt’ und ‚er ist betagt’.|, denn man kann den einen nicht unter allen Umständen für den andern setzen.]
3 [denn den wahren Stand der Dinge kann man doch nur [sehen| erfahren] wenn man den speziellen Fall untersucht.| denn, wie es nun damit steht, kann man doch nur erkennen, wenn man die Besonderheiten [des gegebenen Falls| des vorliegenden Falls] ansieht.]
DIPLO


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Page last updated: 15. April 1996

   Franz Hespe